Konzeption Elternberatung

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Konzeption Elternberatung
konzeption
Elternberatung
Ein Angebot zur Beratung von Eltern, deren Kinder
nach § 33 SGB VIII in auf Dauer angelegter Vollzeitpflege
in Pflegefamilien untergebracht sind
Inhalt
1.Gegenstand
3
2. Rechtliche Grundlagen 3
3. Fachliche Grundannahmen 3
4.Elternberatung bei PiB
4
4.1 Aufgaben der Elternberatung
5
4.2 Ziele und Inhalte der Elternberatung 6
4.3 Angebote der Elternberatung
7
4.4 PiB-interne Kooperation 9
4.5 Qualitätssicherung 9
5. Besuchskontakte 9
5.1 Bedeutung von Besuchskontakten
9
5.2 Herausforderung Besuchskontakt 10
5.3 Rolle und Aufgaben von PiB 10
5.4 Aufnahme von Besuchskontakten
11
5.5 Gestaltung von Besuchskontakten
11
5.6 Anforderungen an die Beteiligten 13
5.7 Rollen und Aufgaben der Beteiligten
13
5.8 Umgang mit Konflikten
14
5.9 Aussetzung der Kontakte 14
5.10 Ablehnung der Kontakte durch das Kind
14
5.11 Besuchskontakte in anderen Pflegeformen
15
5.12 Ablauf von Besuchskontakten
16
6. Biografiearbeit mit Pflegekindern 17
6.1 Die Ausgangssituation
17
6.2 Rekonstruktion von Daten und Fakten
18
6.3 Rekonstruktion von narrativ Erlebtem
18
6.4 Methoden der Biografiearbeit
20
7.Qualitätssicherung
22
7.1
Qualitätssicherung durch personelle Eignung und Maßnahmen 22
7.2
Qualitätssicherung durch organisationsbezogene Maßnahmen 22
PiB Konzeption Elternberatung
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1.Gegenstand
In der folgenden Konzeption geht es um ein Beratungsangebot für Eltern von Kindern, die nach § 33 SGB VIII in auf Dauer angelegter Vollzeitpflege in Pflegefamilien
untergebracht sind. Zu den Aufgaben der PiB – Pflegekinder in Bremen gemeinnützige GmbH gehört es, für die Kinder passende Pflegefamilien zu finden und die
Pflegeverhältnisse über meist lange Zeiträume zu begleiten und zu unterstützen.
2.
Rechtliche Grundlagen
Die Elternberatung als ein Angebot zur Arbeit mit dem ergänzenden Familiensystem bezieht sich auf § 37 SGB VIII, §§ 1626, 1684 BGB sowie das Übereinkommen
über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention).
3.
Fachliche Grundannahmen
Wenn Kinder nicht mehr bei ihren Eltern leben können, ist im Vorfeld immer viel
passiert. Ein Kind aus einer Familie zu nehmen, gehört zu den weitest reichenden
Interventionen, die die Kinder- und Jugendhilfe kennt. Sie greift als eine Maßnahme zur Sicherung des Kindeswohls, wenn viele Lösungsversuche in Form von ambulanten Hilfen keine ausreichende Wirkung erzielt haben.
Für die innere Wirklichkeit des Kindes beendet der Wechsel in eine Pflegefamilie
nicht seine bisherigen inneren Zugehörigkeiten. Im besten Falle kann es die neue
Situation als eine Erweiterung seines Familiensystems erleben, geht neue Bindungen ein und integriert die Situation im Laufe der Zeit in seine persönliche Identitätsentwicklung. Damit das geschehen kann, müssen verschiedene Voraussetzungen
gegeben sein:
Die leiblichen Eltern brauchen in dem neuen, hochkomplexen System einen stimmigen Platz.
Eine zustimmende Haltung der Eltern ermöglicht es dem Kind, in der Pflegefamilie anzukommen, ohne in innere Loyalitätskonflikte mit dem bisherigen zu geraten.
Eine dem Kind und der Situation angemessene Besuchskontaktregelung ermöglicht eine Beziehungskontinuität bzw. -entwicklung, die dem Erleben von Zughörigkeit zum Herkunftssystem und der Pflege positiver Bindungen Raum gibt und zudem eine Grundlage schafft, die auch Auseinanderset-
zungen mit vergangenen und gegenwärtigen Realitäten zulässt.
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Die Möglichkeit, Kenntnisse und Eindrücke von der eigenen Biografie zu erlangen, um diese altersangemessen und in dynamischer Weise für die eigene Identitätsentwicklung zu nutzen.
Um diese Voraussetzungen zu realisieren, braucht es die Mitarbeit aller Beteiligten.
Die Eltern sind bei dieser anspruchsvollen Aufgabe ebenso wie die Pflegeeltern auf
fachlich-pädagogische Unterstützung angewiesen. Zusätzlich zur Fachberatung für
die Pflegefamilie stellt PiB jetzt auch den Eltern eine Beraterin an die Seite, um sie in
ihrer individuellen Situation, mit ihren Fragen und Anliegen und insbesondere bei
der Neudefinition ihrer Rolle und ihren Aufgaben zu begleiten und unterstützen.
Die vorliegende Konzeption beschreibt folgende Schwerpunkte:
Elternberatung bei PiB
Besuchskontakte und
Biografiearbeit mit Pflegekindern.
4.Elternberatung bei PiB
Die Elternberatung richtet sich grundsätzlich an alle Eltern, deren Kind in einem auf
Dauer angelegten Pflegeverhältnis untergebracht ist. Dies gilt unabhängig davon,
was zur Kindeswohlgefährdung und damit zur Herausnahme des Kindes geführt
hat. Im Mittelpunkt der Beratung stehen die Gestaltung und der Umgang mit der
Situation und dem Ziel, sie zu stabilisieren.
Die Qualität der Zusammenarbeit mit den Eltern, ihre Einbeziehung und das Verhältnis zwischen Eltern und Pflegefamilie haben kurz- und langfristig entscheidenden Einfluss auf die Identitätsentwicklung des Pflegekindes. Das Angebot der
Elternberatung soll es allen Beteiligten von Anfang an leichter machen, akzeptierend und wertschätzend miteinander umzugehen, verlässliche Vereinbarungen
zu treffen, Nähe und Distanz zu regulieren, um so für das Kind in unterschiedlicher
Weise Verantwortung übernehmen zu können.
Um von Anfang an bestmögliche Bedingungen für das Gelingen des Pflegeverhältnisses zu gewährleisten, unterstützt die PiB-Elternberatung die Beteiligten mit einem
differenzierten Beratungs- und Begleitungsangebot. Dazu gehören die
Einzel- und Gruppenberatung für die leiblichen Eltern,
Vorbereitung und Begleitung der Besuchskontakte,
Anleitung und Unterstützung von Eltern in der Biografiearbeit.
Die inhaltliche Ausrichtung, die Qualitätsanforderungen und die organisatorischen
Abläufe dieser drei Themenschwerpunkte sind in dieser Konzeption beschrieben1.
1 Die PiB-Elternberatung ist eine Querschnittsaufgabe in der Abteilung Vollzeitpflege. Sie betrifft verschiedene Pflegeformen
in unterschiedlicher Weise. Die fachlichen Konzeptionen aller Pflegeformen sind einsehbar unter Broschüren auf www.pibbremen.de.
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4.1
Aufgaben der Elternberatung
Im Folgenden wird aus den unterschiedlichen Perspektiven des Kindes, der Eltern
und der Pflegeeltern skizziert, welcher Bedarf und welche Bedürfnisse in der Elternberatung bearbeitet werden.
Die Kinder: Kinder bleiben die Kinder ihrer Eltern, auch wenn diese nicht gut für sie
sorgen konnten. Und sie bleiben es auch dann, wenn sie aus den Familien herausgenommen werden mussten und in Pflegefamilien leben. Damit ein Kind eine
solche Trennung angemessen verarbeiten kann, braucht es auf Seiten der erwachsenen Beteiligten ein hohes Maß an Empathie und Achtsamkeit. Kindern nützt weder eine pauschale Negativbeschreibung noch eine Idealisierung ihrer Eltern. Von
einem geschützten Ort aus brauchen sie die Möglichkeit, sich mit ihren Wurzeln,
ihrer Vergangenheit und dem Handeln ihrer Eltern auseinanderzusetzen. Sie brauchen die Erfahrung, dass ein Teil ihrer Identität seine Wurzeln in der familiären Geschichte hat, andere Teile aber hinzukommen und diese der eigenen Beeinflussung
unterliegen. Das Gelingen einer positiven, stabilen Identitätsentwicklung der Kinder
ist eng gekoppelt an die Haltung und das Verhalten der Eltern und Pflegeeltern.
Kindern tut es gut, wenn Pflegeeltern in realistischer aber auch differenzierter Weise
von ihren Eltern sprechen. Ebenso positiv ist es für Kinder, wenn sie die Erfahrung
machen, dass sich ihre Eltern in kritischer Weise mit sich selber und ihrem Verhalten
auseinandersetzen. Die Elternberatung bei PiB unterstützt Eltern in diesem Prozess
und stärkt sie darin, Verantwortung für ihr Leben ohne anwesendes Kind zu übernehmen. Eltern spielen eine wichtige Rolle, damit Kinder in emotionaler Loyalität
und Verbundenheit zu zwei Familiensystemen leben können.
Die Eltern: Wenn ein Kind auf Dauer in einer Pflegefamilie leben soll, ist es umgeben
von unterschiedlichen Elternrepräsentationen. Die Diplom-Psychologin und Familientherapeutin Irmela Wiemann1 bezeichnet dies in folgendem Schaubild als „Vier
Dimensionen der Elternschaft“.
Die vier Dimensionen der Elternschaft
Seelisch-soziale
Eltern (Pflegeeltern)
Sie leben jedenTag mit
dem Kind zusammen
Leibliche Eltern
Von Ihnen hat jedes
Kind sein Leben
bekommen
Kind
Rechtliche Eltern
Sie bestimmen für
das Kind in den
großen Frage des
Lebens
Zahlende Eltern
Sie geben das Geld,
das ein Kind zum
Leben braucht
1 Weitere Informationen sind einsehbar unter www.irmela.wiemann.de
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Um für das Kind die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, müssen sich die
erwachsenen Beteiligten darüber im Klaren sein, welche Rolle und Aufgaben sie
innerhalb des Systems wahrzunehmen haben. Für institutionelle Vertreter (Vormünder, Amt für Soziale Dienste Bremen) ist das durch mehr oder weniger eindeutiges
Regelwerk geklärt, und auch die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Pflegeeltern sind festgelegt. Leibliche Eltern, die ein Kind abgeben mussten, erleben
ihre Wirklichkeit aber in erster Linie durch den Entzug von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, und für ein Elternleben ohne anwesendes Kind gibt es bislang kein
Rollenmodell. Mit Eltern, deren Kind jetzt woanders lebt, muss neu definiert werden,
welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten sie in Zukunft wahrnehmen wollen,
sollen und können. Die Elternberatung bei PiB unterstützt Eltern und Pflegeeltern
dabei, neue Regeln für die Gestaltung des Alltags zu entwickeln, die die Eltern in
angemessener und stimmiger Weise einbindet, obwohl die Alltagsverantwortung
für das Kind jetzt bei den Pflegeeltern liegt.
Die Pflegeeltern: Wenn Pflegeeltern ein Kind aufnehmen, brauchen sie Zeit, um
eine neue Stabilität in den eigenen familiären Strukturen entwickeln zu können.
Das gilt im Übrigen auch für jede andere Familie, in die ein Kind geboren wird.
Hier helfen aber gesellschaftliche Übereinkünfte und tradierte oder selbst entwickelte Regeln, ein Familiensystem zu konstruieren, das durch seine innere Struktur
und Stabilität gleichzeitig eine Grenzziehung nach außen vornimmt. Eine solche
Grenzziehung gilt für eine Pflegefamilie nur bedingt. Pflegeeltern sind verpflichtet,
mit vielen Menschen zu kooperieren – u. a. mit den Eltern des Pflegekindes – und
zwar auch dann, wenn dies ihrem persönlichen Empfinden zuwiderläuft, weil sie
ihr neues Familiensystem erst noch stabilisieren und schützen möchten. Besonders
wenn das Kind in seiner Familie sehr negative Erfahrungen gemacht hat, besteht
bei Pflegeeltern häufig der Wunsch, die Kontakte zum Herkunftssystem des Kindes
reduzieren zu wollen. Begründet ist das einerseits durch ein Schutzbedürfnis dem
Pflegekind gegenüber, andererseits aber auch durch den Wunsch, selber ein stabiles Familiensystem zu begründen, das sich möglichst „normal“ anfühlt und das über
Außengrenzen verfügt, die eine familiäre Intimität gewährleisten.
Zwischen der theoretischen Einsicht, dass Kinder ihre leiblichen Eltern weiterhin
brauchen und einer inneren, emotionalen Zustimmung zu den daraus resultierenden Kontakten, liegt oft viel Arbeit für alle Beteiligten. Um diesen Prozess zu unterstützen und um bei den Beteiligten frühzeitig das Verständnis und die Akzeptanz für
einander zu wecken, kooperieren die Elternberatung und die Beratungsfachkräfte
der Abteilung Vollzeitpflege, die das Pflegeverhältnis begleiten.
4.2
Ziele und Inhalte der Elternberatung
Die PiB-Elternberatung informiert Eltern zu Beginn eines Pflegeverhältnisses über das
Angebot der Elternberatung, um sie von Anfang an in die Zusammenarbeit einzubinden.
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Sie bemüht sich aktiv, Eltern für die Zusammenarbeit zu gewinnen. Sie schafft Strukturen und Beratungsangebote, die die konstruktive Kooperation zwischen Eltern
und Pflegefamilie fördert.
Die PiB-Elternberatung soll ermöglichen, dass
Eltern sich mit Gefühlen wie z. B. Verlustangst, Wut und Scham auseinandersetzten können,
Eltern ein inneres Einverständnis zur Fremdunterbringung entwickeln können,
Eltern Verantwortung für den eigenen Anteil am Geschehen entwickeln können. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie kann dazu ein Schlüssel sein,
Eltern und Pflegeeltern einander akzeptierend und wertschätzend begegnen können, Vereinbarungen verbindlich eingehalten werden können sowie Sprachregelungen entwickelt und eingeführt werden, die die familiäre Situation kindgerecht benennen und erklären,
Besuchskontakte quantitativ und qualitativ stimmig gestaltet werden können,
Eltern eine elterliche Haltung entwickeln können, die dem Kind hilft, die Trennung und Loyalitätskonflikte zu verarbeiten, und die Eltern und Kind erlaubt, Zuneigung und Liebe auszudrücken, auch wenn die Eltern die tägliche Sorge nicht übernehmen. Dies ist eine wichtige Bedingung dafür, dass das Kind in der Pflegefamilie unbeschwert leben kann.
4.3 Angebote der Elternberatung
Beratung von Eltern gehört zum Regelangebot von PiB an Eltern, sobald deutlich
wird, dass ein Kind in einem auf Dauer angelegten Pflegeverhältnis untergebracht
werden soll. Eltern werden entweder vom Amt für Soziale Dienste Bremen oder im
Zuge der Vermittlung bei PiB über die Möglichkeit zur Elternberatung informiert. PiB
setzt sich aktiv dafür ein, die Eltern für eine konstruktive Mitarbeit bei der Gestaltung der neuen Situation zu gewinnen.
4.3.1 Informationsveranstaltungen
PiB bietet regelmäßige Informationsveranstaltungen für Eltern an. Sie haben hier
die Möglichkeit, Kontakt zu anderen Eltern in ähnlicher Lebenslage aufzunehmen
und das Angebot zur Elternberatung kennenzulernen.
4.3.2 Einzelberatung
PiB bietet Eltern eine Begleitung während des Trennungs- und Vermittlungsprozesses. Dies umfasst während des ersten Jahres rund vier Gespräche sowie fortlaufend
Gespräche zur Vor- und Nachbereitung der Besuchskontakte und zur Vorbereitung
der Hilfeplanung.
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4.3.3 Gespräche mit Eltern und Pflegeeltern
Zu Beginn eines neuen Pflegeverhältnisses gibt es mindestens ein gemeinsames
Gespräch zwischen den Eltern, den Pflegeeltern und der Elternberatung sowie
der zuständigen PiB-Fachkraft, die das Pflegeverhältnis begleiten wird. In diesem
Gespräch geht es darum, in möglichst vielen Bereichen, die die Belange des Kindes betreffen, eine übereinstimmende Haltung zu entwickeln. Dazu gehören u. a.
Regelungen zu Besuchs- und Telefonkontakten, Briefen, Geschenken sowie Sprachregelungen. Weitere begleitete Gespräche können anlassbezogen stattfinden. Die
Vereinbarungen zur Gestaltung der Besuchskontakte werden möglichst von allen
am Kontakt Beteiligten unterschrieben.
4.3.4 Gruppenangebote
PiB bietet Eltern die Möglichkeit, regelmäßig an einem Gruppenangebot teilzunehmen, um dort ihre besondere Situation als „Eltern ohne (anwesendes) Kind“ zu
reflektieren und zu bearbeiten. Die Teilnahme an dieser Gruppe bietet Eltern die
Erfahrung, dass sie mit oftmals sehr belastenden und schmerzhaften Erfahrungen
nicht alleine sind. Der Austausch mit anderen Betroffenen kann ein erster Schritt
sein, sich mit der eigenen Lebenssituation kritisch auseinanderzusetzen. Die Gruppe
wird kontinuierlich von einer PiB-Fachkraft für Elternberatung sowie einer Honorarkraft mit familientherapeutischem Hintergrund begleitet. Eine wertschätzende und
ressourcenorientierte Grundhaltung ermöglicht es den Eltern, vertraute Schutzmechanismen aufzugeben und den Blick darauf zu richten, in welcher Weise sie selber
an der Entstehung ihrer Situation beteiligt waren und sind. Diese Arbeit erfolgt nicht
mit dem Ziel einer Schuldzuweisung. Eltern sollen vielmehr in einem sanktionsfreien Raum die Möglichkeit erhalten, Gefühle wie Trauer und Schmerz zulassen
zu dürfen, um dadurch die Fähigkeit zu mehr Selbstverantwortung für das eigene
Leben zu entwickeln. Dabei werden auch die Reaktionen von Eltern auf Konfliktund Belastungssituationen thematisiert. Unterstützt durch die Gruppenleitung und
andere TeilnehmerInnen werden Sprachregelungen erarbeitet, durch die auch im
Gespräch zwischen Eltern und Kindern deutlich werden kann, dass sich die Eltern
in verantwortlicher Weise mit den Geschehnissen der Vergangenheit auseinandersetzen.
Eltern werden angeleitet, bei Besuchskontakten gemeinsam mit ihren Kindern bedeutsame Bestandteile und Stationen der Familienbiografie zu betrachten.
Methoden: Die Gruppenleitung arbeitet vorrangig mit ressourcen- und lösungsorientierten Methoden aus der systemischen Familienberatung. Die Teilnahme am
Gruppenangebot stellt keinen Ersatz dar für eine aus psychologischen oder medizinischen Gründen indizierte Psychotherapie.
Setting: Das Gruppenangebot für Eltern findet einmal im Monat statt. Die Gruppe ist
offen für alle Interessierten. Das inhaltliche Programm ist auf ein Jahr ausgerichtet
und die Gruppengröße sollte 8 TeilnehmerInnen nicht überschreiten.
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4.4 PiB-interne Kooperation
Die PiB-Elternberatung und die Fachberatung für Pflegefamilien (Fachkräfte der Abteilung Vollzeitpflege) kooperieren miteinander im Hinblick auf das Wohl des Kindes
und das Gelingen des Pflegeverhältnisses. Sie respektieren dabei die Privatsphäre
der jeweils anderen Familie und behandeln Informationen diskret und vertraulich.
Ausgenommen von der Diskretionspflicht sind Informationen über Kindeswohl gefährdendes Verhalten.
4.5 Qualitätssicherung
Die Prozesse in der Elternberatung sind systematisiert und konkret beschrieben. Sie
orientieren sich am PiB-internen Qualitätsmanagement. Alle Aktivitäten werden
dokumentiert und unter differenzierten Fragestellungen ausgewertet. Die Ergebnisse werden im Jahresbericht veröffentlicht.
5. Besuchskontakte
Der folgende Abschnitt beschreibt die Ziele, die pädagogische Grundhaltung sowie die Abläufe, Qualitätsstandards und Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei
Besuchskontakten zwischen Eltern und deren Kindern, die nach § 33 SGB VIII in Pflegefamilien untergebracht sind.
5.1 Bedeutung von Besuchskontakten
Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum
Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 BGB). Eltern, deren Kind
auf Dauer in einer Pflegefamilie lebt, haben in den meisten Fällen ein Interesse daran, mit ihrem Kind in Kontakt zu bleiben. Auch wenn sie nicht in der Lage sind, die
tägliche Sorge für das Kind zu übernehmen, möchten sie miterleben, wie sich ihr
Kind entwickelt. Sie sollen jenseits von belastenden Alltagsfragen die Möglichkeit
haben, möglichst schöne und unbeschwerte Zeiten mit ihrem Kind zu verbringen.
In den Fällen, in denen das nicht oder vorübergehend nicht möglich ist, erhalten
sie Informationen über die Entwicklung ihres Kindes.
PiB geht davon aus, dass die meisten Kinder ein grundsätzliches Interesse entwickeln, sich mit ihrer familiären Biografie auseinanderzusetzen, ihren Eltern und
Geschwistern begegnen zu können bzw. zu erfahren, wie es ihnen geht. Zur Aufgabe von PiB gehört es, die Familiensysteme so zu beraten, dass Kinder ihre Bedürfnisse realisieren können. Dabei brauchen sie Raum und Akzeptanz für ambivalente
Gefühle.
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5.2 Herausforderung Besuchskontakt
Besuchskontakte stellen für die Kinder, Eltern und auch für die Pflegefamilie eine
hohe emotionale Anforderung dar. Schmerzhafte Erinnerungen können wach werden, Kinder sehen sich häufig mit Fragen von Loyalität und Zugehörigkeit konfrontiert. Ihre Eltern erleben Schuldgefühle, nicht ausreichend für das Kind sorgen zu
können, obwohl sie sich gewünscht hatten, dem Kind das Beste mit auf den Weg
zu geben. Nicht wenige Pflegefamilien erleben, dass ihr Pflegekind auf Besuchskontakte reagiert und danach schlecht schläft, häufiger weint oder wieder einnässt.
Pflegeeltern fragen dann zu Recht, ob die Kontakte dem Kind gut tun – und die
PiB-Fachberatung ist gefordert, gemeinsam mit allen Betroffenen eine Lösung zu
suchen. Im Grundsatz gilt jedoch, dass PiB den regelmäßigen Kontakt zwischen
Kindern und ihren Familien befürwortet. PiB geht davon aus, dass es für eine stabile
Identitätsentwicklung wichtig ist, dass das Kind sich mit seinen biografischen Wurzeln auseinandersetzen kann. Verlässliche Begegnungen in einem sicheren Umfeld
verschaffen dem Kind die Möglichkeit, unterscheiden zu lernen, mit welchen Anteilen seiner Herkunftsfamilie es sich identifizieren und welche es nicht als Teil seiner
selbst betrachten möchte. Aus der Geborgenheit der Pflegefamilie heraus kann das
Kind so seinem Bedürfnis nach innerer Loyalität nachgehen und trotzdem mit der
Zeit eine kritische Distanz gegenüber den elterlichen Verhaltensweisen entwickeln,
die in der Vergangenheit zu Mangelerfahrungen geführt haben.
5.3 Rolle und Aufgaben von PiB
Damit Besuchskontakte für alle Beteiligten so einvernehmlich wie möglich verlaufen, ist es wichtig, sie vorzubereiten und durch gemeinsame Vereinbarungen und
Regeln zu gestalten. PiB unterstützt Eltern und Pflegeeltern darin, einen verlässlichen Rahmen für die zukünftigen Besuchskontakte zu entwickeln. Die Wünsche der
Eltern und Pflegeeltern werden dabei ernst genommen, im Mittelpunkt stehen aber
die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Kindes und seine aktuelle Situation.
Die PiB-Fachkraft, die die Vermittlung des Kindes in eine passende Pflegefamilie
begleitet, nimmt am Gespräch zur Hilfeplanung teil und gibt dort aus fachlich-pädagogischer Sicht eine Einschätzung zur Gestaltung der Besuchskontakte hinsichtlich
Umfang, Dauer, Form (begleitet/unbegleitet) und Ort. In einem gemeinsamen Gespräch bereiten eine Fachkraft der PiB-Elternberatung sowie die Fachkraft, die das
Pflegeverhältnis und die Pflegefamilie begleitet, mit den Eltern und den Pflegeeltern die Gestaltung der Besuchskontakte vor und schließen mit ihnen darüber eine
schriftliche, zeitlich befristete Vereinbarung.
Kann keine grundsätzliche Einigung über den Verlauf und die Gestaltung der Besuchskontakte hergestellt werden, wird das Amt für Soziale Dienste Bremen informiert mit der Bitte, alle Beteiligten einzuladen, um diesen Teil der Hilfeplanung neu
zu erörtern.
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Bei Gesprächs-, Klärungs- oder Veränderungsbedarf, der aus Besuchskontakten
resultiert, haben Eltern die PiB-Elternberatung als Ansprechpartner und Pflegeeltern
wenden sich an die für sie zuständige Beratungsfachkraft.
5.4 Aufnahme von Besuchskontakten
Wenn ein Kind in einem auf Dauer angelegten Pflegeverhältnis untergebracht
wird, braucht es Zeit zum Ankommen und zur Neuorientierung, aber auch die Verlässlichkeit, dass bisherige Bindungen und Beziehungen nicht abgebrochen werden. Der Zeitpunkt für die Aufnahme der regelmäßigen Besuchskontakte orientiert
sich an der individuellen Situation und vorrangig an den Bedürfnissen und Interessen des Kindes.
5.5 Gestaltung von Besuchskontakten
Ziel ist es, dass Eltern die Kontakte mit ihren Kindern so selbstständig wie möglich
gestalten können. Eltern sollten in der Lage sein oder dabei unterstützt werden, sich
mit ihrem Kind altersgemäß und an seinen Interessen und Vorlieben orientiert beschäftigen zu können. Sie sollten dem Kind zeigen, dass sie die Zeit mit ihm genießen, zugleich aber akzeptieren und unterstützen, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt jetzt in der Pflegefamilie hat.
Die Pflegeeltern sollten dem Kind vermitteln, dass sie den Besuchskontakten mit
den leiblichen Eltern des Kindes offen und wertschätzend begegnen und seiner
Herkunft und seinen Wurzeln gegenüber respektvoll Interesse zeigen. Das ist eine
hohe Anforderung an alle Beteiligten, die die PiB-FachberaterInnen besonders in
der Anfangsphase sehr intensiv unterstützten.
5.5.1 Unbegleitete Besuchskontakte
Bei einer Unterbringung in der allgemeinen und heilpädagogischen Vollzeitpflege/
Fremdpflege werden Pflegeeltern und Eltern darauf vorbereitet, Besuchskontakte
eigenständig zu organisieren und durchzuführen. Die Fachkraft, die das Pflegeverhältnis begleitet, ist bei den ersten drei bis vier Umgangskontakten anwesend,
damit Eltern und Pflegeeltern sich vollständig auf den Umgang mit dem Kind
konzentrieren können. Sie ist ansprechbar für alle zu klärenden Fragen und gibt im
Bedarfsfall Anregungen für die Gestaltung des Kontaktes. Wenn die Besuchskontakte zufriedenstellend verlaufen sind, werden sie zukünftig von den Pflegeeltern und
Eltern eigenständig organisiert und durchgeführt. Gemeinsam mit den pädagogischen Fachkräften wird entschieden, ob und ab wann die Eltern die Kontakte mit
ihren Kindern eigenständig und unbegleitet gestalten. Die Pflegeeltern informieren
die für sie zuständige Fachkraft über den Verlauf unbegleiteter Besuchskontakte
und geben ggf. auch Rückmeldungen über ungewöhnliche Reaktionen des Kindes.
Die Fachkraft unterstützt die Klärung strittiger Fragen zwischen Eltern und Pflegeeltern. Die Elternberatung wird beteiligt, wenn Eltern oder Fachberatung dies wünschen.
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5.5.2 Unterstützte Besuchskontakte
Unterstützte Besuchskontakte sind Besuchskontakte, die durch einen strukturierten
Rahmen und die Anwesenheit qualifizierten Personals unterstützt werden sollten
(ohne 1 : 1-Begleitung).
Um dies zu gewährleisten, hat PiB sogenannte Familiencafés eingerichtet, die die
angenehme Gestaltung solcher Besuchskontakte ermöglichen. Dafür hat PiB geeignete Räumlichkeiten in verschiedenen Stadtteilen – oft bei anderen Trägern der
Kinder- und Familienhilfe – erschlossen. Die Familiencafés sollen möglichst vielen
Pflegekindern und deren Familien die Möglichkeit bieten, Besuchskontakte in
einem offenen und zum Spiel anregenden Rahmen zu erleben. Dabei sind immer
eine PiB-Fachkraft und eine qualifizierte Honorarkraft als Ansprechpersonen anwesend. Sie achten besonders auf die Gestaltung der Übergänge – Begrüßung und
Verabschiedung – und intervenieren ggf. bei eskalierenden Konflikten oder einer
Kindeswohlgefährdung. Sie begleiten Kontaktphasen zwischen Eltern und Kind
distanziert aber aufmerksam. Sie unterstützen auch, indem sie Energien regulieren
und Spiele oder andere Beschäftigungen initiieren. Die Organisation und die Koordination dieser Abläufe liegen federführend bei der PiB-Elternberatung.
5.5.3 Begleitete Besuchskontakte
Aus unterschiedlichen Gründen kann es erforderlich sein, Besuchskontakte über
einen längeren Zeitraum zu begleiten. Oft ist das der Fall, wenn Eltern innerlich mit
der Unterbringung ihres Kindes in einer Pflegefamilie (noch) nicht einverstanden
sind oder die Pflegeeltern (noch) keine innerliche Zustimmung zu den Kontakten
zwischen ihren Pflegekindern und deren leiblichen Eltern gefunden haben. PiB bietet in diesem Fall Beratung an – für Eltern durch die Elternberatung, für Pflegeeltern
durch die zuständige Fachberatung der Abteilung – und begleitet die Besuchskontakte über einen Zeitraum bis zu einem Jahr. Ort und Zeit der begleiteten Besuchskontakte werden von der Beratungsfachkraft der Pflegeeltern in Absprache mit der
Elternberatung vereinbart.
Grundsätzlich wird angestrebt, dass eingangs unterstützte und begleitete Besuchskontakte von den Beteiligten später eigenständig koordiniert und durchgeführt
werden können. Dazu berät und unterstützt die PiB-Elternberatung.
5.5.4 Geschützte Besuchskontakte
Verschiedene Umstände wie beispielsweise akute Drogenabhängigkeit, akute
psychische Erkrankung oder mangelnde Impulskontrolle der Eltern können für die
Einrichtung eines geschützten Besuchskontaktes sprechen. Wenn Besuchskontakte
für das Kind als vertretbar gelten, wird es im Regelfall zu einer geschützten Begleitung durch andere Träger kommen, die den dafür notwendigen personellen und
räumlichen Rahmen zur Verfügung stellen können. Die Entscheidung darüber liegt
entweder bei Gerichten oder sie fällt im Rahmen der Hilfeplanung.
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5.5.5 Änderungen bei Besuchsregelungen
Alle Besuchsregelungen werden mit der Zeit den wechselnden Erfordernissen und
Bedürfnissen der Kinder oder Jugendlichen angepasst.
Jede Änderung bedarf der Absprache mit allen erwachsenen Beteiligten und der
Zustimmung des Amtes für Soziale Dienste Bremen sowie ggf. des Vormunds. Ziel
sollte immer sein, einen verlässlichen, konstruktiven, regelmäßigen und möglichst
selbständigen Kontakt zwischen Eltern und ihren Kindern zu ermöglichen.
5.6 Anforderungen an die Beteiligten
Besuchskontakte stellen für alle Beteiligten eine hohe Anforderung dar. Deshalb
ist es insbesondere aus kindeswohlorientierter Perspektive wichtig und notwendig,
dass Eltern, Pflegeeltern und ggf. die Besuchsbegleitung sich in akzeptierender
und wertschätzender Weise begegnen. Sie orientieren sich an dem gemeinsamen
Ziel, den Besuchskontakt für das Kind so angenehm und konfliktfrei wie möglich zu
gestalten. Voraussetzung für ein Gelingen ist, dass alle Beteiligten sich an die Vereinbarungen und Regeln halten, die beim Vorbereitungsgespräch erarbeitet und
gemeinsam unterzeichnet wurden.
5.7 Rollen und Aufgaben der Beteiligten
Eltern: Wenn Eltern ihre Kinder zu Besuchskontakten treffen, ist vieles anders als früher in der Familie. Die Zeit ist begrenzt, die Räumlichkeiten meistens unvertraut und
neue, passende Interaktionsformen zwischen Eltern und Kindern müssen erst entwickelt werden. Eltern müssen darauf vorbereitet werden, dass sie auch während der
Besuchskontakte nicht mehr für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich sind. Sie
sollten darin bestärkt werden, eine schöne gemeinsame Zeit zu gestalten, die sich
am Alter und an den Bedürfnissen und Wünschen der Kinder orientiert.
Pflegeeltern: Die Pflegeeltern bereiten das Kind auf den Kontakt mit den Eltern altersangemessen vor. Sie vermitteln ihm, dass sie mit den Besuchskontakten einverstanden sind und ermuntern das Kind, sich zu überlegen, was es mit seinen Eltern
während der gemeinsamen Zeit gerne machen würde. Sie setzen sich aktiv mit
eventuellen Ängsten und Befürchtungen des Kindes auseinander und bieten ihm
einen sicheren Rahmen, um mit der emotional anspruchsvollen Situation umzugehen. Dazu gehört auch die Vermittlung einer realistischen Einschätzung davon,
was das Kind während der Besuchskontakte von seinen Eltern erwarten kann. Bei
Anwesenheit und Bedarf regen die Pflegeeltern Spiele oder andere Aktivitäten an.
Wenn die Kinder mit den Eltern wenig vertraut sind, unterstützen sie eine angemessene und altersgerechte Kontaktaufnahme, akzeptieren aber auch ein vom Kind
geäußertes bzw. gezeigtes Distanzbedürfnis.
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5.8 Umgang mit Konflikten
Eltern und Pflegeeltern sind dazu aufgefordert, während der Besuchskontakte keine
Konflikte anzusprechen und auszutragen. Strittige Fragen sollen außerhalb der
Besuchskontakte zwischen den Erwachsenen und im Bedarfsfall unterstützt von PiB
besprochen und geklärt werden.
Die begleitende Fachkraft kann Besuchskontakte vorzeitig beenden, wenn dies im
Interesse des Kindes erforderlich scheint.
5.9 Aussetzung der Kontakte
Bei signifikanten Regelverstößen während des Besuchskontaktes kann der Kontakt
vorzeitig abgebrochen werden. Bei begleiteten Kontakten entscheidet darüber die
Besuchsbegleitung.
Es kann Gründe geben, die eine vorübergehende oder auch dauerhafte Aussetzung der Besuchskontakte erforderlich machen.
Dazu gehören
Gewaltanwendung oder bedrohliches Verhalten
wiederholte Regelverstöße
die Gefahr einer Re-Traumatisierung.
Tritt eine solche Situation ein, werden Fachberatung und Elternberatung mit den
Beteiligten versuchen, eine Regelung zu finden, bei der die Schutzbedürfnisse des
Kindes im Vordergrund stehen. Bei Bedarf wird dann mit dem Amt für Soziale
Dienste Bremen und ggf. mit dem Vormund die Hilfeplanung aktualisiert.
5.10 Ablehnung der Kontakte durch das Kind
Wenn Pflegekinder den Kontakt zu ihren Eltern ablehnen, ist es wichtig, sie mit
ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst zu nehmen. Die erwachsenen Beteiligten
müssen sich mit den dahinterliegenden Gründen auseinandersetzen und eigene
Interessen zurückstellen. Ein Kind wird von uns niemals zu einem Kontakt gezwungen oder gedrängt. Es ist aber im Interesse des Kindes unbedingt erforderlich, sich
kritisch damit auseinanderzusetzen, ob das Kind mit der Ablehnung des Kontaktes
seine eigenen Bedürfnisse ausdrückt oder – z. B. aus einem Loyalitätskonflikt heraus
– die Befürchtungen anderer Beteiligter zum Ausdruck bringt.
Um der Komplexität der Situation, den unterschiedlichen Interessen und meist auch
ambivalenten Gefühlen des Kindes gerecht zu werden, unterstützt PiB Pflegeeltern
und Eltern durch Beratung, um eine individuelle Lösung zu finden, die für das Kind
akzeptabel und angemessen ist.
Wenn das Kind keinen Kontakt zu seinen Eltern hat, wird es von seinen Pflegeeltern
unterstützt, sich in anderer Weise, z. B. durch Biografiearbeit, mit seiner Herkunft
auseinandersetzen zu können.
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5.11 Besuchskontakte in anderen Pflegeformen
Neben den vorangehenden Ausführungen über die allgemeine und heilpädagogische Vollzeitpflege, die vom Grundsatz her für alle Pflegeformen gelten, gibt es in
einigen Pflegeformen Besonderheiten, die im Folgenden beschrieben werden.
Vollzeitpflege im sozialen Netz/Verwandtenpflege: In dieser Pflegeform sind entweder die Eltern und Pflegeeltern miteinander verwandt oder die Kinder leben bei
Personen, die zum näheren sozialen Umfeld der Familie gehören, so dass Kind und
Pflegeeltern sich meist schon vor Beginn des Pflegeverhältnisses kannten. Daraus
ergibt sich zumeist eine hohe Akzeptanz gegenüber dem Pflegeverhältnis; Besuchskontakte finden in der Regel unbegleitet statt. Eine besondere Anforderung in der
Verwandtenpflege ist jedoch der Rollenwechsel, den die erwachsenen Beteiligten
vollziehen müssen. Die Begleitung von Besuchskontakten kann erforderlich werden,
wenn
eine Rollenabgrenzung zwischen Angehörigen des Herkunftssystems und den Pflegeeltern nicht stattfindet oder problematisch verläuft oder
nicht aufgelöste Familienkonflikte bestehen und starke Differenzen auslösen.
Sonderpädagogische Vollzeitpflege: In sonderpädagogischen Pflegeverhältnissen
werden Kinder und Jugendliche mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen und Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen betreut. Diese
Pflegeform stellt besonders hohe Ansprüche an die Pflegefamilien. Besuchskontakte
werden in der Regel von der zuständigen Fachkraft der Sparte sonderpädagogische
Vollzeitpflege oder deren Vertretung begleitet.
Für schwer traumatisierte und/oder misshandelte/missbrauchte Kinder und Jugendliche muss unter besonderer Berücksichtigung des Schutzaspektes die Vertretbarkeit von Besuchskontakten abgeklärt werden. Dieses erfolgt in der Regel auf
der Grundlage einer psychologischen Begutachtung. Sind die Voraussetzungen für
Besuchskontakte erfüllt, erfolgt die Beratung und Unterstützung:
zur Vorbereitung von leiblichen Eltern, Geschwisterkindern und Pflegekindern auf die Umgangskontakte,
durch die Begleitung der Besuchskontakte;
in der Reflexion des Verlaufes der Besuchskontakte und Überprüfung der getroffenen Vereinbarungen.
Übergangspflege: Bei Kindern, die im Rahmen einer Inobhutnahme in einer Übergangspflegestelle leben, ist noch nicht geklärt, ob sie zu ihren Eltern zurückkehren
können. Es soll deshalb grundsätzlich ein enger Kontakt zwischen Eltern und Kindern ermöglicht werden. Die Besuchskontakte werden von den Übergangspflegeeltern begleitet und finden bis zu zwei Mal in der Woche statt. Für die Besuche wird
ein neutraler, dem Alter des Kindes entsprechender Ort gewählt. Je nach Absprache mit dem Amt für Soziale Dienste Bremen begleitet auch eine Fachkraft aus dem
Bereich Übergangspflege die Kontakte – oder sie finden im Rahmen eines Familiencafés statt (siehe auch Punkt B.5.2, Unterstützte Besuchskontakte).
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Befristete Vollzeitpflege: Kinder, die in befristeter Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie
untergebracht sind, verbringen dort in der Regel fünf Tage in der Woche und sind
am Wochenende zuhause bei ihren Eltern. Eine fachliche Konzeption „Befristete
Vollzeitpflege“ beschreibt diese Pflegeform und die damit verbundenen, besonderen
Besuchsregelungen. Sie werden hier daher nicht näher erörtert.
5.12 Ablauf von Besuchskontakten
Hilfeplangespräch
 vorläufige Regelung zu den
Besuchskontakten
Vorbereitung der Besuchskontakte mit
Eltern und Elternberatung sowie Pflegeeltern und deren
Fachberatung  Schriftliche Vereinbarung
Die ersten vier Besuchskontakte
 Begleitung durch Fachberatung
Auswertungsgespräch
Unbegleitete Besuchskontakte
mit
Eltern und Kind
mit Eltern,
Kind und
Pflegeeltern
Rückmeldung der Pflegeeltern an
ihre Fachberatung
Unterstützte Besuchskontakte
mit 1:1Begleitung
durch die
Elternberatung
im Familiencafé
mit anwesender
Elternberatung
Rückmeldung der Elternberatung
an die Fachberatung der
Pflegeeltern
Auswertungsgespräche mit allen Beteiligten im individuell
vereinbarten Zeitraum (3 bis 6 Monate)
Bei Bedarf
Vereinbarung neuer Regelungen
Dieser Ablauf gilt nicht für geschützte Besuchskontakte.
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6. Biografiearbeit mit Pflegekindern
Die Fragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin und zu wem gehöre ich? stellen
sich Menschen von Kindheit an. Das Interesse, die eigene Familiengeschichte zu
kennen und das Bedürfnis, stimmige Antworten auf die eigenen Fragen zu bekommen, steht in enger Verbindung mit dem Ringen um die Entwicklung einer nach
außen und innen stimmigen Ich-Identität. Dieses Thema ist von so existenzieller Bedeutung, dass ihm in der UN-Kinderrechtskonvention der Artikel 8 (Identität) gewidmet wurde: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Recht des Kindes zu achten,
seine Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit, seines Namens und seiner
gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen, ohne rechtswidrige Eingriffe zu behalten.“
Die Bundesrepublik Deutschland erkennt die UN-Kinderrechtskonvention seit 1992
an und verpflichtet sich damit auch, Schutz und Beistand zu gewährleisten, wenn
diese Rechte nicht gewährleistet werden.
Die an PiB delegierte Aufgabe, den Schutz und das sichere Aufwachsen von Pflegekindern zu gewährleisten, enthält also zugleich den Auftrag, ein Angebot zu entwickeln, das Pflegekinder bei der Suche nach ihren biografischen Wurzeln und bei der
damit verbundenen Identitätssicherung und -entwicklung unterstützt.
Dies geschieht bei PiB – Pflegekinder in Bremen in verschiedenen Beratungssituationen, durch Angebote der PiB-Pflegeelternschule und im Rahmen der Gruppenarbeit
mit Pflegekindern und der Elternarbeit. Biografiearbeit bezeichnet dabei einen systematischen Prozess, der den Alltag von Pflegekindern mit strukturierten Methoden
begleitet, um ihnen Zugang zu einer eigenen Familiengeschichte zu gewähren.
6.1 Die Ausgangssituation
Wenn Kinder bei ihren leiblichen Eltern oder einem Elternteil aufwachsen, finden
sie im Alltag viele Antworten auf alltägliche Fragen wie: Wem sehe ich ähnlich?
Wie war das mit meiner Geburt? Wie war ich als Baby und kleines Kind? Wie haben sich meine Eltern kennengelernt? Wer gehört zu unseren Verwandten? Welche
Denk- und Verhaltensweisen sind typisch für unsere Familie?
Im täglichen Erleben und in vielen Alltagsgesprächen bekommen Kinder die Möglichkeit, sich zu identifizieren, über Vertrautheit und Wiederholung Zugehörigkeit,
Geborgenheit und Sicherheit zu erleben, um sich während der Pubertät abgrenzen
und loslösen zu können, wenn der Wunsch nach Ähnlichkeit und Identifikation
abnimmt, während die Suche nach dem Eigenen, dem Ganz-anders-sein einsetzt.
Ein Zeitraum, der geprägt ist von einer Auseinandersetzung, die oft in direkter Konfrontation mit der eigenen Familie und Familiengeschichte verläuft. Sie braucht ein
persönliches Gegenüber.
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Kinder, die in Pflegefamilien aufwachsen, stehen vor grundsätzlich anderen Bedingungen. Oft gibt es nur wenige Informationen über ihre Familiengeschichte,
ihre frühe Kindheit und über die Gründe, die zur Herausnahme aus der Familie
geführt haben. Manchmal gibt es niemanden mehr, den sie fragen könnten. Auch
wenn ein Kind in seiner Pflegefamilie feste neue Bindungen entwickelt, bestehen
die Fragen nach den familiären Wurzeln und der vollständigen Lebensgeschichte.
Für die Entwicklung einer konsistenten Ich-Identität sowie eines gesunden Selbstwertgefühls ist es von unschätzbarem Vorteil, sich ein realistisches Bild von der
Vergangenheit und von biografischen Zusammenhängen machen zu können. Die
Erfahrung zeigt, dass Menschen dazu neigen, Lücken bzw. Nichtnachvollziehbares durch eigene Konstruktionen zu ergänzen, damit ein sinnvolles Bild entstehen
kann. Bei Pflegekindern besteht die Gefahr, dass sie mit solchen Konstruktionen
Entweder-oder-Kategorien schaffen, nach denen die eigenen Eltern entweder glorifiziert oder negativ eingeschätzt werden. Letzteres geht oft damit einher, sich selber
– als Teil der Eltern – massiv abzuwerten. Eine Annäherung an die Realitäten, die
Entdeckung von schönen und positiven Aspekten, aber auch die Begegnung mit
schmerzhaften Erfahrungen, hilft Kindern und Jugendlichen, sowohl ihren Wunsch
nach innerer Loyalität zum Herkunftssystem wahren zu können, als auch sich
abgrenzen zu lernen von Verhaltensweisen, die als destruktiv und Schmerz verursachend erkannt wurden.
Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben von Pflegeeltern, die ihnen anvertrauten
Kinder im Prozess der Suche, der Identitätsentwicklung und in der damit verbundenen emotionalen Auseinandersetzung positiv und altersgemäß zu unterstützen.
6.2 Rekonstruktion von Daten und Fakten
Wenn wenige Fakten über das Pflegekind bekannt sind, kann Biografiearbeit verschiedene Informationsquellen nutzen, um diese Lücken kleiner werden zu lassen.
Ansprechpartner werden in erster Linie die Eltern und Verwandten des Kindes
oder das Jugendamt sein. Vorhandene Informationen können genutzt werden, um
die Lücken mit aktuellen Bildern zu füllen: Man kann z. B. mit dem Kind die Klinik
anschauen, in der es geboren wurde, frühere Wohnorte und Spielplätze besuchen,
Fotos betrachten und über Ähnlichkeiten und Unterschiede sprechen.
6.3 Rekonstruktion von narrativ Erlebtem
Biografiearbeit bedeutet, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu
bauen, um die Möglichkeiten der Zukunft auf eine solide Grundlage zu stellen. Jenseits belegbarer Fakten geht es dabei um mehr als um die Frage, wie sich Ereignisse genau abgespielt haben. Forschungsergebnisse belegen inzwischen, dass Wahrnehmung die Wirklichkeit nicht eins zu eins abbildet. Was wir sehen, hören und
fühlen, unterliegt einem hoch komplexen Prozess von Selektion. Zugleich werden
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unterschiedliche Eindrücke zu einem sinnvoll erscheinenden Gesamtbild verknüpft.
Noch stärker gilt dies für das menschliche Erinnerungsvermögen. Der Neurobiologe Wolf Singer spricht von „datengestützten Erfindungen“ und meint damit, dass
Menschen auf der Grundlage einiger Fakten Geschichten konstruieren, die in erster
Linie eine Stimmigkeit mit der Sicht auf uns selbst und unser Erleben aufweisen müssen. Erinnern wird als dynamischer Prozess beschrieben, denn an jede abgerufene
Erinnerung heften sich die Eindrücke und Emotionen der jeweils aktuellen Situation, die bei einer erneuten Aktivierung des Vergangenen dann unbewusst Einfluss
nehmen auf das neue Erinnerungsbild. Der Versuch herauszufinden, wie etwas
„wirklich“ gewesen ist, kann deshalb selbst bei guter Datenlage nicht vollständig
gelingen. Für die erfolgreiche Gestaltung der eigenen Zukunft sind Fakten aber nur
begrenzt erforderlich – vielmehr ist die Grundhaltung wesentlich, mit der Menschen
sich selber sehen und über sich berichten. Agieren sie als Handelnde, die etwas
beeinflussen können? Erleben sie die Welt als bedrohlich oder beeinflussbar? Gehen sie davon aus, dass sich schwierige Situationen zum Positiven wenden lassen?
Die Resilienzforschung weist darauf hin, dass es trotz schwerer biografischer Brüche
und traumatisierender Ereignisse möglich ist, ein ausgeprägtes Kohärenzgefühlt zu
entwickeln: Manche Menschen können eine konstruktive Sinnorientierung erleben,
sind mit einer optimistischen Grundhaltung dem Leben gegenüber ausgestattet und
trotz schwieriger Bedingungen in der Lage, sich lösungsorientiert zu verhalten. Als
entscheidende Ressourcen nennt der Medizinsoziologe Aaron Antonowsky
Verstehbarkeit (die Umwelt wird als strukturiert und erklärbar erlebt)
Handhabbarkeit (die Erfahrung, dass Anforderungen aus eigener Kraft oder mit fremder Hilfe zu bewältigen sind)
Bedeutsamkeit (die Erfahrung, mit Anstrengung und Engagement Wirkungen zu erzielen).
Biografiearbeit eröffnet die Möglichkeit, diese Ressourcen dauerhaft zu fördern und
zu stärken. Pflegeeltern übernehmen an dieser Stelle viel Verantwortung. Für das
Pflegekind ist es von großer Bedeutung, mit welcher Haltung und mit welchen Gefühlen die Pflegeeltern sich seiner Familienbiografie nähern. Sie sollten in der Lage
sein, einen differenzierten Blick einzunehmen und dem Kind einen sicheren Halt
bei der Rückeroberung seiner Lebensgeschichte zu geben. Folgendes kann dabei
unterstützen:
Offenheit und Akzeptanz gegenüber dem Wunsch des Kindes, sich mit der Herkunftsfamilie zu beschäftigen,
Die Fähigkeit, mit ambivalenten Gefühlen des Kindes angemessen umzugehen und ein „Sowohl-als-auch“ zu ermöglichen,
Offenheit dafür, dass im Leben des Pflegekindes nicht alles negativ war, auch wenn die Eltern entscheidende Bedürfnisse nicht erfüllen konnten,
Begründungen für das Geschehene finden, die dem Kind Raum für schmerz-
hafte Gefühle geben, die seine Familie aber dennoch nicht verurteilen,
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Das Kind entlasten, wenn es Schuld oder Verantwortung für die Ereignisse der Vergangenheit übernehmen will,
Das Kind vor pessimistischer Identifikation schützen („Wie soll bei dem Vater was aus mir werden?“), indem sie aufzeigen, dass es über andere Ausgangsvoraussetzungen verfügt als seine Eltern,
Mit dem Kind über die Besonderheit sprechen, die darin liegt, dass es zwei Familien hat und mit ihm Sinnhaftigkeit und Chancen erforschen.
Ziel einer solchen Biografiearbeit ist nicht die lückenlose Rekonstruktion der Lebensgeschichte, sondern die Unterstützung des Kindes, immer wieder neu und altersangemessen seine ganz individuelle Geschichte zu beschreiben, um mit einer kongruenten Sicht von sich selbst und seinen biografischen Wurzeln aktiv seine Zukunft
gestalten zu können.
6.4 Methoden der Biografiearbeit
Das Erinnerungsbuch: Alle Pflegefamilien erhalten zu Beginn eines Pflegeverhältnisses das sogenannte Erinnerungsbuch. Es handelt sich dabei um einen speziell
für diesen Bedarf gestalteten Ordner, der bereits einiges Material enthält, um Anregungen zur Biografiearbeit zu geben. Andererseits bietet er Möglichkeiten zur freien
Gestaltung, so dass Formen und Inhalte dem Alter des Kindes entsprechen. Im Erinnerungsbuch werden wichtige Daten, Ereignisse, Übergänge und Veränderungen
benannt und beschrieben. Im Erinnerungsbuch können Zeitlinien aufgezeichnet
und Stammbäume entwickelt werden, Collagen gebastelt oder mit Symbolen, Fotos
und Zeichnungen Beziehungen visualisiert werden. Rituale, Anekdoten, Lieblingsbücher oder -filme können Erwähnung finden. Der Ordner ist Eigentum des Kindes.
Eintragungen sollten deshalb auch nur mit seinem Einverständnis erfolgen. Um Verlusten vorzubeugen, sollten von wichtigen Dokumenten oder Fotos Kopien erstellt
werden.
Selbstverständlich geht es im Erinnerungsbuch nicht nur um die Ereignisse mit der
leiblichen Familie des Pflegekindes. Die Besonderheit für das Kind liegt ja gerade darin, sich zwei Familien zugehörig zu fühlen. In der Biografiearbeit bekommt
beides seinen Raum. Besonders die visuelle Darstellung dessen, was das Kind fühlt,
kann ihm helfen, Akzeptanz und auch eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit besonderen Situation zu finden1.
Bei allen Methoden der Biografiearbeit sind die individuellen Bedingungen des Kindes zu berücksichtigen. Dazu gehören
Das Alter des Kindes: Biografiearbeit beginnt bereits im Säuglingsalter. Hier vor allem in der Weise, wie über seine Eltern und seine Vergangenheit gesprochen wird bzw. in der Gestaltung der realen Kontakte. Biografie-
1 Das Erinnerungsbuch wurde vom Kompetenz-Zentrum Pflegekinder e. V. entwickelt und kann über die folgende Adresse
gegen eine Gebühr bezogen werden: http://www.kompetenzzentrum-pflegekinder.de/publikationen/das-erinnerungsbuchfuer-pflegekinder/
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arbeit sollte nicht zu spät begonnen werden, da mit Beginn der Pubertät oft der Wunsch nach Abgrenzung oder aber der Versuch einer Idealisierung einer konstruktiven Arbeit im Weg stehen können.
Wünsche und Bedürfnisse des Kindes: Biografiearbeit braucht in ihrer expliziten Form das Einverständnis der Kinder. Aber auch wenn Kinder sich (zeitweise) weigern, über ihre Vergangenheit und ihre Familie sprechen zu wollen, sollten Pflegeeltern hin und wieder Angebote machen bzw. Unter-
lagen, Fotos und ähnliches für einen späteren Zeitpunkt aufbewahren, damit sich das Kind neu entscheiden kann.
Kontakte: Die Form und Intensität der Biografiearbeit, die Pflegeeltern leisten, hängt auch von der Häufigkeit und Qualität der Kontakte des Kindes zu seinen Eltern bzw. einem Elternteil ab. Je besser und kontinuier-
licher die Kontakte zur leiblichen Familie des Kindes sind, umso eher kön-
nen Eltern selber Anteile der biografischen Arbeit übernehmen. Für das Kind ist es dabei wichtig, dass die verbalen und nonverbalen Informatio-
nen von Eltern und Pflegeeltern nicht zu sehr auseinanderklaffen. Wenn die Diskrepanz zu groß wird, unterstützt PiB die erwachsenen Beteiligten darin, Sprachregelungen zu finden, die das Kind vor belastenden inneren Konflikten schützt.
Stabile Beziehungen: Wenn Kinder anfangen sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, brauchen sie einen stabilen, Sicherheit gebenden Rahmen. Biografiearbeit sollte nicht begonnen oder intensiviert werden, wenn sich das Kind in einer akuten Krise befindet.
6.4.1 Einbeziehung der Eltern
Für ein Kind ist es von großer Bedeutung, wie es seine Eltern erlebt und in welcher
Weise über die gemeinsame Familienbiografie gesprochen wird. Die PiB-Elternberatung unterstützt Eltern darin, sich mit ihrer eigenen Biografie auseinanderzusetzen.
Dies soll es Eltern leichter machen, auch mit ihren Kindern über die Familiengeschichte zu sprechen. Eltern werden angeleitet auch Besuchskontakte zu nutzen,
um mit ihren Kindern anhand von Geschichten, Fotos oder anderen Dokumenten
ein Bild der gemeinsamen familiären Wurzeln entstehen zu lassen.
6.4.2 Einbeziehung der Pflegeeltern
Pflegeeltern werden durch die Pflegeelternschule während der Qualifizierungsphase auf das biografische Arbeiten vorbereitet. Die Veranstaltungen leitet eine DiplomPsychologin mit familientherapeutischem Hintergrund. Inhalte sind u. a.:
Bedeutung von Bindung und Zugehörigkeit
Auseinandersetzung mit der eigenen Familienbiografie
Bedeutung des Aufwachsens in einem erweiterten Familiensystem
Anleitung zur Arbeit mit dem Erinnerungsbuch
Unterscheidung zwischen formeller und informeller Biografiearbeit
verschiedene Methoden von Biografiearbeit.
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6.4.3 Unterstützung durch die Fachberatung
Die Fachkraft, die das Pflegeverhältnis begleitet, unterstützt die Pflegefamilie auch
bei der Biografiearbeit, indem sie Anregungen für die Nutzung des Erinnerungsbuches gibt oder mit dem Pflegekind darin arbeitet. Zu Beginn des Pflegeverhältnisses – und auch beim Abschied – erhält das Pflegekind einen persönlichen Brief mit
einem Foto dieser Fachkraft.
7.Qualitätssicherung
7.1 Qualitätssicherung durch personelle Eignung und Maßnahmen
Die Einstellungsvoraussetzung von Beratungsfachkräften bei PiB ist in der Regel ein
(Fach-) Hochschulabschluss (Bachelor, Diplom, Master) in den Fächern Sozialpädagogik/Sozialarbeit, Pädagogik oder Psychologie sowie (a) eine zusätzliche Beratungsausbildung, die für die Arbeit mit Familiensystemen qualifiziert und (b) Berufserfahrung im Bereich der erzieherischen Hilfen.
Während der Tätigkeit für PiB gemeinnützige GmbH ist die Teilnahme an Fort- und
Weiterbildungen verpflichtend. Dafür stellt der Arbeitgeber ein fortbildungbezogenes Budget zur Verfügung.
7.2 Qualitätssicherung durch organisationsbezogene Maßnahmen
Im Rahmen des organisationsbezogenen Qualitätsmanagements der PiB – Pflegekinder in Bremen gemeinnützige GmbH werden alle externen und internen Prozesse anhand der geltenden Qualitätskriterien fortlaufend überprüft. In Bezug auf die
Leistung der Abteilung Vollzeitpflege erfolgt dies
(a) extern durch eine regelmäßige Hilfeplanung und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen (Leistungsbeschreibungen) mit dem Amt für Soziale Dienste Bremen als
Auftraggeber und
(b) intern durch eigens durchgeführte Inhouse-Veranstaltungen, regelmäßige
kollegiale Beratung/Fallbesprechung, Supervision, Mitarbeitergespräche, interne
Fachberatung sowie eine Entwicklungsdokumentation und eine Dokumentation der
Beratungskontakte zu Kindern, Eltern und Pflegeeltern sowie
(c) intern durch Qualitätsmanagement-Instrumente wie regelmäßig durchzuführende interne Audits zu Verfahren und Strukturen.
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Impressum
PiB – Pflegekinder in Bremen gemeinnützige GmbH
Bahnhofstraße 28 - 31 • 28195 Bremen
Telefon: 0421/ 95 88 200 • Telefax: 0421/ 95 88 20 - 45
E-Mail: [email protected] • www.pib-bremen.de
Gesellschafter:
Caritasverband Bremen e. V.
Deutsches Rotes Kreuz Kreisverband Bremen e. V.
Diakonische Jugendhilfe Bremen gemeinnützige GmbH (jub)
Verein Bremer Säuglingsheime (Hermann Hildebrand Haus)
Geschäftsführerin: Monika Krumbholz
Amtsgericht Bremen
HBR 20483
Steuer-Nr. 71-608/10739
Spendenkonto:
Sparkasse Bremen • BLZ 290 501 01 • Kto 164 4418
Redaktion:
PiB Öffentlichkeitsarbeit
Stand:
06.2013
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