Neue Strategien zur Behandlung thermisch

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Neue Strategien zur Behandlung thermisch
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Originalarbeit
Neue Strategien zur Behandlung thermisch
geschädigter Hände unter Berücksichtigung
des Epithelersatzes Suprathel®
New Strategies for the Treatment of Thermally Injured Hands
with Regard to the Epithelial Substitute Suprathel®
Autoren
C. Uhlig, M. Rapp, K.-K. Dittel
Institut
Klinik für Unfallchirurgie – Zentrum für Schwerbrandverletzte, Marienhospital, Stuttgart
Schlüsselwörter
" Behandlung von Handl
verbrennungen
" moderne Hautersatzl
verfahren
" Epithelersatz Suprathel®
l
" Einsparung von Transl
plantaten
" neue Strategie
l
Zusammenfassung
Abstract
!
!
Bei der Behandlung thermisch geschädigter Hände hat sich in den letzten 20 Jahren ein Wandel
zur frühen Nekrektomie und Spalthauttransplantation ergeben. Gegenüber einer konservativen
Behandlung mit antimikrobiellen Salben hat sich
dadurch der Outcome hinsichtlich Funktion und
Kosmetik verbessert. Inzwischen bestehen aber
durch neue Hautersatzmaterialien Möglichkeiten, unnötige Transplantationen vor allem bei
Verbrennungen mit unklarer Tiefe zu vermeiden.
Der neue Epithelersatz Suprathel® zeichnet sich
durch eine erhebliche Schmerzminderung nach
Applikation auf 2-gradigen Verbrennungen aus.
Damit kann eine raschere Mobilisierung der Patienten erreicht werden. Zahlreiche Handverbrennungen konnten mit Suprathel® ausbehandelt werden, ohne dass wesentliche Narben oder
Funktionseinschränkungen verblieben. In unserem Zentrum wurden zwischen Januar 2004 und
Juli 2006 76 Patienten mit Handverbrennungen
stationär behandelt. Nur bei 28 (25,7 %) aller betroffenen 109 Hände musste primär eine Transplantation mit Spalthaut durchgeführt werden.
78 Hände (71,6%) wurden zunächst nur mit
Suprathel® behandelt. Bei 3 Händen wurden andere Therapieverfahren gewählt. Acht der ursprünglich mit Suprathel® behandelten Hände
(10,3%) erforderten eine gezielte Nachtransplantation, 70 (89,7 %) heilten allein unter Suprathel®
aus. Es konnten zahlreiche Spalthauttransplantationen der Hände vermieden werden. Aufgrund
der guten Erfahrungen mit Suprathel® wurde
das Therapiekonzept zur Behandlung thermisch
geschädigter Hände neu abgestimmt.
The treatment of thermally injured hands has
changed in the last 20 years. An early necrectomy
and grafting with split-skin grafts is recommended by most burn specialists. The outcome
in regard to cosmetic and functional results could
be improved by early grafting. Meanwhile unnecessary grafts in burns with indeterminate
depth can be avoided by new skin replacements.
The new epithelial substitute Suprathel® is
marked by a considerable reduction of pain if it
is applied on second degree burns. Therefore the
mobilisation of the burned patient can be accelerated. Many hand burns were treated by Suprathel® in our burn centre without severe scarring
and without loss of function. We treated 76 inpatients with thermally injured hands in our
burn centre from January 2004 to July 2006. Only
28 (25.7 %) of all 109 afflicted hands required a
primary skin grafting. Suprathel® was applied
primarily in 78 hands (71.6 %). 3 hands were
treated otherwise. 8 of the hands which were primarily treated by Suprathel® (10.3 %) required a
well-aimed grafting after one or two weeks, 70
(89.7 %) had a complete epithelisation without
grafting. Many skin grafts could be avoided. We
modified our strategy for the treatment of
burned hands by our excellent experiences with
Suprathel®.
Key words
" treatment of burned hands
l
" modern skin substitutes
l
" epidermal substitute
l
Suprathel®
" less grafts
l
" new strategy
l
eingereicht 20. 1. 2007
akzeptiert 18. 3. 2007
Bibliografie
DOI 10.1055/s-2007-965234
Handchir Mikrochir Plast Chir
2007; 39: 314 – 319 © Georg
Thieme Verlag KG Stuttgart •
New York • ISSN 0722-1819
Korrespondenzadresse
Dr. med. Christian Uhlig
Klinik für Unfallchirurgie –
Zentrum für Schwerbrandverletzte
Marienhospital
Böheimstraße 37
70199 Stuttgart
[email protected]
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Originalarbeit
Einleitung
!
Hände gehören bei thermischen Verletzungen zu den am häufigsten betroffenen Körperteilen, da sie meist unbekleidet sind
und auch reflexartig als Abwehrreaktion gegen eine Hitzequelle
eingesetzt werden. Trotz des mit 2 % Körperoberfläche relativ
kleinen Areals einer Hand kommt der Therapie der Handverbrennungen eine herausragende Bedeutung zu. Mehr als andere
Körperregionen schränken die Hände im Falle einer Verbrennung die Handlungsfähigkeit des Betroffenen nachhaltig ein.
Der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit hängt nach einer Handverbrennung von der Belastbarkeit der Haut ab [3]. Dies gilt insbesondere für handwerkliche Berufe [20]. Aber auch der kosmetische Aspekt verbrannter Hände darf nicht unterschätzt werden
[1, 6]. Sichtbare Narben an den Händen sind für alle Tätigkeiten
mit Publikumsverkehr ein erhebliches Hindernis.
In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden thermisch
tief dermal geschädigte Hände überwiegend abwartend mit antimikrobiellen Salben behandelt, bis sich eine klare Notwendigkeit zur Transplantation ergab [22]. Dies führte aber zu einer
verzögerten Rekonvaleszenz mit lang anhaltenden Bewegungsstörungen der Finger. So setzte sich in der Folgezeit allmählich
die Überzeugung durch, dass eine frühe und eher großzügige
Transplantation der Hände zu einer schnelleren Schmerzfreiheit
und damit zu einer raschen Mobilisierbarkeit der Hände führt [2,
4, 9,11, 23]. Die Anzahl der Folgeeingriffe konnte reduziert werden [19]. Dieses Vorgehen berücksichtigt auch, dass die Festlegung der tatsächlichen Verbrennungstiefe an der Hand nach
wie vor trotz aller moderner Verfahren Schwierigkeiten bereiten
kann [7]. Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurden zahlreiche
Hautersatzmaterialien entwickelt, die es ermöglichen sollen,
eine Spalthauttransplantation zu verschieben oder zu vermeiden [12,13,18]. Ein anderer Ansatz sind die mit nanokristallinem
Silber imprägnierten Handschuhe, welche eine konservative Behandlung brandverletzter Hände bei voller Mobilisierbarkeit erlauben sollen [10]. Dabei ist selbstverständlich zu unterscheiden, ob es sich um oberflächlich, tief oder ganz dermale Verbrennungen handelt. Bei sicher 3-gradigen Verbrennungen der
Hände gilt nach wie vor eine frühe Spalthauttransplantation als
„Golden Standard“ [14]. Menschliche Spenderhaut und Hautersatzverfahren wie Integra werden in der frühen Phase einer
Handverbrennung eher zurückhaltend eingesetzt, auch wenn in
jüngerer Zeit über ermutigende Ergebnisse nach Anwendung
von Integra und späterer Spalthauttransplantation bei 3-gradigen Verbrennungen berichtet wird [5]. Bei 3-gradigen Handverbrennungen mit Läsionen der Strecksehnen ist in jedem Fall mit
einer dauerhaften funktionellen Beeinträchtigung zu rechnen
[16].
Patienten und Methode
!
Im Jahr 1999 wurde in der Region Stuttgart – Tübingen ein Kompetenzzentrum mit dem Teilprojekt: „Hautersatz bei Verbrennungen“ gegründet. An diesem Projekt waren das Textilforschungsinstitut in Denkendorf und die Klinik für Unfallchirurgie
des Marienhospitals Stuttgart beteiligt. Als Ergebnis dieses Projektes wurde im Jahr 2004 der synthetische und resorbierbare
Epithelersatz Suprathel® in den Markt eingeführt. Bei Suprathel®
handelt es sich um eine plastisch verformbare Membran aus
Polylactid, Trimethylencarbonat und e-Caprolacton. Vor der Lizenzierung des Produktes war eine 2-teilige bizentrische Studie
Abb. 1 59 Jahre alter Patient. Ein Tag nach Lichtbogenverletzung und
oberflächlichem Débridement. Deutlich sichtbar sind die weißlichen
Bezirke auf den Streckseiten der Finger und auf dem Handrücken sowie die
begleitende Schrumpfung der Haut in diesem Bereich. Dies deutet auf
eine zumindest 2b-gradige Verbrennung hin.
Abb. 2 Gleicher Patient 6 Tage nach dem Unfall und 5 Tage nach Applikation von Suprathel® und Fettgaze. Das Material ist vollständig adhärent.
durchgeführt worden, mit der belegt werden konnte, dass Suprathel® eine signifikante Reduktion von Schmerzen sowohl auf
Spalthautentnahmestellen als auch auf 2a-Verbrennungen bewirkt [8, 21]. Suprathel® hat hervorragende Handlingeigenschaften, es haftet durch seine Adhäsivkräfte sofort auf der Wunde
und verbleibt zusammen mit einer Lage Fettgaze bis zur endgül" Abb. 2). Voraussetzung für die
tigen Reepithelisierung in situ (l
®
Wirksamkeit von Suprathel ist allerdings, dass im Wundgrund
noch regenerationsfähige Strukturen vorhanden sind. Kleinere
3-gradig verbrannte Areale innerhalb eines größeren Bezirkes
mit 2-gradigen Läsionen können aber auch unter Suprathel®
zur Ausheilung gebracht werden. In einer In-vitro-Studie konnte
inzwischen belegt werden, dass Suprathel® ein ausgezeichneter
Nährboden für Fibroblasten- und Keratinozytenkulturen ist [15].
Suprathel® wurde im Zentrum für Schwerbrandverletzte am
Marienhospital Stuttgart seit 2004 als Standardverfahren bei
der Behandlung Brandverletzter eingeführt. Im Rahmen der
großflächigen Anwendung auf 2-gradigen Verbrühungen und
Verbrennungen konnten Patienten mit bis zu 95% betroffener
Körperoberfläche mit Suprathel® zur Ausheilung gebracht werden. Prinzipiell ist bei einer primären Versorgung tief 2-gradiger
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Abb. 3 Gleicher Patient 3 Wochen nach dem Unfall. Nur noch Teile des
Suprathel® sind adhärent. Die übrigen Areale auf den Fingern und auf dem
Handrücken sind überwiegend reepithelisiert.
Areale mit Suprathel® die Möglichkeit einer Nachtransplantation schlecht heilender Areale im Rahmen einer „Secondlook“-Maßnahme vorgesehen.
Zwischen Januar 2004 und Juli 2006 wurden im Marienhospital Stuttgart 178 Brandverletzte stationär behandelt. 76 dieser
Patienten (42,7 %) wiesen Handverbrennungen unterschiedlicher Tiefe auf, wobei lediglich 12 Patienten (15,8 %) ausschließlich Handverbrennungen erlitten hatten. 33 Brandverletzte waren an beiden Händen betroffen, sodass insgesamt 109 verbrannte Hände in dem o. g. Zeitraum behandelt wurden. Alle
Patienten mit sicher 3-gradigen flächenhaften Verbrennungen
an den Händen wurden primär mit autogener Spalthaut transplantiert. Alle 2a- bis 2b-gradigen Verbrennungen der Hände
wurden dagegen primär lediglich débridiert und mit Suprathel®
versorgt.
Die Art des Débridements richtete sich nach der Tiefe der Verbrennung. Bei sicher 2a-gradigen Verbrennungen wurden die
Blasen nur stumpf abgetragen. Lagen Verbrennungen vor, bei
denen durch stumpfe mechanische Bearbeitung der Oberfläche
zum Beispiel mit einer Bürste keine kapillaren Blutungen zu erzielen waren, so wurde eine tangentiale Nekrektomie mit einem
Fingerdermatom durchgeführt.
Im Rahmen einer retrospektiven Studie wurden u. a. folgende
Parameter überprüft:
" Wie viele Hände waren primär transplantationspflichtig?
" Wie viele Hände waren zunächst ausschließlich mit Suprathel® versorgt worden?
" Wie viele Hände mussten nach einer Versorgung mit Suprathel® noch mit Eigenhaut nachtransplantiert werden?
Ergebnisse
!
Bei den 76 Patienten, die in dem o. g. Zeitraum wegen Verbrennungen der Hände stationär behandelt wurden, handelt es sich
um 58 Männer und 18 Frauen, was einer Verteilung von 76,3 %
zu 23,7 % entspricht.
Bei 33 Patienten (43,4 %) waren beide Hände betroffen, bei 24
(31,6 %) ausschließlich die rechte Hand und bei 19 (25,0 %) ausschließlich die linke Hand.
Die durchschnittlich verbrannte Körperoberfläche aller 76 Patienten betrug 14,6 % (minimal 1% bei ausschließlicher Verbren-
Abb. 4 a und b Gleicher Patient 8 Monate nach dem Unfall. Es ist ohne
Spalthauttransplantation zu einer stabilen und narbenarmen Epithelisierung bei freier Funktion gekommen.
nung einer Hand – maximal 95% bei einer ausgedehnten Verbrühung des ganzen Körpers).
Der durchschnittliche stationäre Aufenthalt betrug 25,0 Tage.
Pro Patient waren durchschnittlich 2,2 Eingriffe unter Operationsbedingungen notwendig (von 0 bis 17 Einriffe). Davon wurden durchschnittlich 1,5 Eingriffe an den Händen durchgeführt
(von 0 bis 11 Eingriffe).
Bei 57 Patienten (75 %) wurde zumindest an einer Hand zu Beginn der Behandlung ausschließlich der alloplastische Epithelersatz Suprathel® appliziert. Dies betraf 78 (71,6%) von 109 behandelten Händen. Bei 20 Patienten (26,3 %) musste primär zumindest an einer Hand (insgesamt 28 Hände = 25,7%) eine Spalthauttransplantation vorgenommen werden.
Bei 3 Patienten wurde eine Hand primär wegen der größeren
Tiefe der Verbrennung transplantiert, die andere Hand primär
mit Suprathel® behandelt.
2 Patienten wiesen so geringgradige Verbrennungen der Hände
auf, dass lediglich eine Therapie mit Fettgaze beziehungsweise
Panthenolsalbe notwendig war.
Bei den 57 primär mit Suprathel® behandelten Patienten musste
6 × an einer Hand und 1 × an beiden Händen mit Spalthaut eine
Nachtransplantation in einem umschriebenen Areal vorgenommen werden. Dies entspricht 8 von ursprünglich 78 mit Suprathel® behandelten Händen (10,3 %) beziehungsweise 7 von 57
Patienten (12,3%). Dementsprechend benötigten 50 Patienten
(87,7 %) beziehungsweise 70 Hände (89,7 %) nach der primären
Anwendung von Suprathel® keine weiteren Eingriffe mehr, um
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eine vollständige Epithelisierung zu erreichen. Nach einer entsprechenden krankengymnastischen Übungsphase traten bei
keiner dieser Hände bleibende Funktionsstörungen auf. Insbesondere mussten im Gegensatz zu 5 transplantierten Händen
keine Schwimmhautfaltenkorrekturen vorgenommen werden
" Abb. 1 bis 4).
(l
Die 54 ursprünglich nur mit Suprathel® behandelten Patienten
(Gruppe A) wurden durchschnittlich 18,1 Tage (2 – 67 Tage) stationär behandelt, die 20 Patienten mit transplantationspflichtigen Verbrennungen (Gruppe B) an den Händen 48,6 Tage (8 – 114
Tage). Allerdings wies die Gruppe B mit durchschnittlich 22,1%
eine deutlich größere primäre Verbrennungsfläche auf als die
Gruppe A (12,2 %). Die Gruppe A benötigte im Durchschnitt 1,1
(0 – 2) Eingriffe an den Händen unter Operationsbedingungen,
die Gruppe B 2,7 (1 – 11) Eingriffe.
Diskussion
!
Bevor Suprathel® in unserem Zentrum als Epithelersatz bei Verbrennungen und Verbrühungen regelmäßig eingesetzt wurde,
war die Indikation zur Transplantation thermisch geschädigter
Hände großzügig gestellt worden. Zum einen war der Verbrauch
an Spalthauttransplantaten bei Handverbrennungen im Verhältnis zu anderen Flächen eher gering; zum anderen war das funktionelle Ergebnis nach konservativer Behandlung mit antimikrobiellen Salben oft unbefriedigend. Die Dauer des stationären
Aufenthaltes und der Rehabilitation konnte durch die großzügige und frühzeitige Transplantation der Hände verkürzt werden,
was andere Autoren bestätigen [4,11,18]. Durch Suprathel® steht
aber seit 2004 eine ganz neuartige Therapieform zur Verfügung,
die eine schmerzarme und ungestörte Regeneration vorhandener Strukturen bei thermischen Schädigungen erlaubt. Die
Schmerzreduktion ist nachgewiesen [8, 21], eine frühzeitige Mobilisation der Hände ist somit unter Suprathel®-Behandlung
ebenfalls möglich. Die positiven Erfahrungen, welche im Rahmen der Zulassungsstudie mit Suprathel® hinsichtlich Heilungsverlauf und Handhabung gewonnen werden konnten, wurden in
unserem Zentrum ab 2004 auch auf Verbrennungen der Hände
übertragen. Dies führte dazu, dass im Rahmen der stationären
Behandlung nur noch 25,7 % aller thermisch geschädigten Hände
primär mit Spalthaut transplantiert wurden. Bis auf 3 Hände, die
lediglich eine unspezifische Wundbehandlung mit Panthenolsalbe benötigten, wurden alle übrigen Hände (71,6%) einer primären Suprathel®-Behandlung zugeführt. Davon heilten immer" Abb. 1 bis 4). Bei den
hin 89,7 % ohne weitere Maßnahmen aus (l
übrigen 8 Händen, welche trotz Suprathel®-Behandlung mit
Spalthaut nachtransplantiert werden mussten, handelt es sich
aber nicht um Therapieversager. Vielmehr zeigte sich, dass bei
Handverbrennungen unterschiedlicher Tiefe mit 3-gradigen Anteilen ein kosmetisch günstigeres und funktionell zumindest
gleichwertiges Ergebnis erreicht werden kann, wenn zunächst
die Regenerationsfähigkeit vorhandener Strukturen durch Suprathel®-Applikation ausgenützt wird und eine begrenzte Nach" Abb. 5 bis 7). Auf
transplantation nach 8 – 10 Tagen erfolgt (l
diese Weise können störende Narben in den Randbezirken von
Transplantaten (so genanntes „Overgrafting“) und großflächige
Pigmentstörungen ebenso vermieden werden wie manche
Schwimmhautfalten, welche nach Transplantationen der Übergänge vom Handrücken zum Finger häufig zu beobachten sind
[23]. Durch eine gezielte Nachtransplantation verlängert sich
der durchschnittliche stationäre Aufenthalt nur unwesentlich
Abb. 5 a und b 53 Jahre alter Patient nach Lichtbogenverbrennung beider
Hände. Unfalltag, vor Débridement.
von 18,1 Tagen in der Gruppe mit ausschließlicher Suprathel®Behandlung auf 21,1 Tage in der Gruppe mit Nachtransplantation.
Aufgrund unserer guten Erfahrungen mit Suprathel® haben wir
ein abgestuftes Konzept zur Behandlung thermisch geschädigter
Hände entwickelt, welches uns erlaubt, Verbrennungen der
Hände mit teilweise undefinierbarer Tiefe eher abwartend zu
behandeln. Berichte aus neuerer Zeit [24] stimmen mit unseren
Erfahrungen überein, dass bei zurückhaltender Verwendung von
Spalthauttransplantaten im Bereich der Hände keine schlechteren Ergebnisse erzielt werden.
Ausschließlich 2a-Verbrennungen oder Verbrühungen werden
nach einem oberflächlichen Débridement eventuell in Kurznarkose mit Suprathel® versorgt und für 3 Tage in einem Faustverband ruhiggestellt. Die Dislokation des Epithelersatzes durch
mechanische Alteration muss in den ersten Tagen vor allem über
den Grundgelenken der Finger vermieden werden. Danach ist
eine Verbandtechnik mit Einzelfingereinschluss möglich.
Die volle Mobilisierung der Finger wird je nach Lokalisation der
Verbrennungen nach 2 bis 5 Tagen begonnen, also zumindest
nicht später als nach Spalthauttransplantationen.
Die Epithelisierung ist meist innerhalb von 10 Tagen nach spontaner Ablösung des Suprathel® abgeschlossen. Narben entstehen
nicht. Mit bleibenden Funktionseinschränkungen ist nicht zu
rechnen.
Thermische Schädigungen der Hände mit 2 b-Anteilen werden
unter operativen Bedingungen teilweise scharf nekrektomiert
und dann ebenfalls mit Suprathel® versorgt. Haftet das Supra-
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Abb. 6 a und b Gleicher Patient nach 14 Tagen. Auf beiden Händen wurde zunächst nach einem Débridement Suprathel® angewandt. Die linke
Hand ist zwischenzeitlich komplett epithelisiert, die rechte Hand musste
gezielt im Bereich des Handrückens und der Finger mit Spalthaut transplantiert werden.
Abb. 7 a und b Gleicher Patient nach einem Jahr. An beiden Händen
konnte ein narbenarmes Ergebnis bei freier Funktion erzielt werden. Die
verzögerte Transplantation der rechten Hand nach vorheriger Suprathel®Anwendung hat zumindest zu keinem schlechteren Ergebnis geführt als
nach einer primären Transplantation.
thel® auf allen Arealen, kann 3 Wochen und länger bis zu einer
vollständigen Epithelisierung abgewartet werden. In den Randbezirken wird sich allerdings schon vorher eine Abheilung durch
Lösung des Suprathel® bemerkbar machen. Diskrete Narben sind
möglich. So lang Suprathel® auf der Unterlage haftet, ist im Gegensatz zu anderen Materialien [12] nicht mit klinisch relevanten Infektionen zu rechnen.
Löst sich Suprathel® in einem umschriebenen kleineren Bezirk
des Handrückens ab, bevor eine Epithelisierung stattgefunden
hat, so liegt hier meist eine 3-gradige Verbrennung vor. Ist der
Bezirk nicht größer als 2 × 2 cm, kann unter antimikrobieller Behandlung zum Beispiel mit Lavasept-Gel eine Spontanheilung
vom Rand her abgewartet werden, sofern in der Umgebung unter Suprathel® eine vollständige Epithelisierung eintritt. Mit umschriebener Narbenbildung ist hier zu rechnen, allerdings ist der
kosmetische Aspekt selten schlechter als bei einem Transplantat. Bei den mit Suprathel® ausbehandelten Händen ist auch in
Fällen mit umschriebenen tieferen Arealen nicht von einer bleibenden Funktionsfähigkeit auszugehen.
Handelt es sich um einen größeren Bezirk, in dem das Suprathel®
nicht haftet, so wird nach einer vorübergehenden antiinfektiösen Behandlung mit Lavasept-Gel gezielt nach ca. 10 Tagen ein
Spalthauttransplantat aufgelegt. Der kosmetische Aspekt ist
dann sehr vorteilhaft, weil die Übergänge zu den spontan heilenden Arealen nicht durch Overgrafting gestört werden.
Sichere 3-gradige Verbrennungen der Hände werden nach einer
antimikrobiellen Vorbehandlung mit Lavasept-Gel innerhalb
von 3 – 5 Tagen débridiert und mit nicht gemeshten Spalthauttransplantaten versorgt. Dabei werden die Übergänge vor allem
zur Hohlhand ebenfalls mit Suprathel® bedeckt. Dies hat den
Vorteil, dass die häufig nur oberflächlich dermal verbrannte
Hohlhand in den folgenden Tagen sehr schmerzarm ist. Außerdem können auch in diesem Bereich mit Suprathel® störende
Overgrafting-Effekte vermieden werden.
Sehr tiefe Verbrennungen der Hände mit freiliegenden beziehungsweise zerstörten Strecksehnen können unter Umständen
zahlreiche Operationen (bis zu 11 Eingriffe an einem unserer Patienten) in Form von Nachtransplantationen und Frühkorrekturen der Fingerstellung erfordern. Gelegentlich müssen frühzeitig
Fingergelenke mit Kirschner-Drähten temporär arthrodesiert
werden [7,17], um Kontrakturen zu vermeiden. Bleibende Funktionsbehinderungen können in diesen Fällen nicht vermieden
werden.
Schlussfolgerung
!
Thermische Schädigungen der Hände können erhebliche funktionelle und ästhetische Folgen nach sich ziehen. Bisher galt
eine frühe Spalthauttransplantation der Hände als die erfolg-
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reichste Therapie, um eine rasche funktionelle Wiederherstellung bei überwiegend tief 2-gradigen Verbrennungen zu erreichen. Mit dem artefiziellen Epithelersatz Suprathel® steht eine
Alternative zur Verfügung, die regenerationsfähigen Strukturen
der Haut zu nutzen, ohne die Mobilisierung der Hände zu verhindern. Die Anzahl der tatsächlich notwendigen Transplantate
kann durch Suprathel® erheblich vermindert werden. Overgrafting und Transplantat-bedingte Schwimmhautfalten können
vermieden werden. Mit der Wiedererlangung der vollen Funktionsfähigkeit ist zu rechnen. Die Grenzen der Methode liegen
dort, wo flächenhafte 3-gradige Verbrennungen an den Händen
nach wie vor zu einer frühen Spalthauttransplantation zwingen.
Ein zweizeitiges Vorgehen mit primärer Suprathel®-Applikation
und sekundärer gezielter Spalthauttransplantation führt zur
Einsparung von Spenderflächen und zu kosmetisch günstigeren
Ergebnissen ohne Nachteil für die Funktionsfähigkeit der betroffenen Hand.
Unsere Erfahrungen mit dem neuartigen Epithelersatz sind positiv und haben zu einem Verfahrenswechsel in der Behandlung
brandverletzter Hände in unserem Zentrum geführt. Suprathel®
wird inzwischen in zahlreichen Kliniken verwendet. Vergleichsstudien mit etablierten Materialien und Verfahren auch durch
andere Untersucher sind aber erforderlich.
Christian Uhlig
Geb. am 30. 1. 1954 in Leipzig. Abitur 1973
in Stuttgart. Studium der Humanmedizin an
der Universität Tübingen zwischen 1973
und 1980. Approbation zum Arzt 1980.
Promotion zum Dr. med. an der Universität
Tübingen 1981 mit dem Thema: „Zur paläopathologischen Differentialdiagnose von
Tumoren an Skeletteilen“. Wehrpflicht als
Stabsarzt (Truppenarzt und Fliegerarzt) in Deutschland, Sardinien
und Kanada 1980 bis 1981. Assistenzarzttätigkeit in der Klinik für
Unfallchirurgie am Katharinenhospital Stuttgart zwischen 1981
und 1982. Assistenzarzttätigkeit in der Klinik für Chirurgie am
Marienhospital Stuttgart zwischen 1982 und 1988. Facharzt für
Chirurgie seit 1988. Oberarzt an der Klinik für Chirurgie seit 1988.
Verantwortlich für das Zentrum für Schwerbrandverletzte am
Marienhospital seit 1988. Oberarzt in der neu gegründeten Klinik
für Unfallchirurgie am Marienhospital Stuttgart seit 1990. Facharzt für Unfallchirurgie seit 1991. Mitglied in der American Burn
Association seit 1993. Mitglied in der Deutschen Gesellschaft
für Verbrennungsmedizin seit 1995. Tätigkeit für das Deutsche
Zentrum für Biomaterialien und Organersatz Stuttgart – Tübingen
seit 1998.
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