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• www. musicalcocktail .info • • Yvonne Brandstetter Zur Person Im Kopf läuft ein Film ab Jerome Knols im Gespräch wien; interview Von Maastricht auf die grossen Bühnen Deutschlands und Österreichs, Jerôme Knols wirkte schon in über 30 Produktionen mit. Als Schauspieler, Tänzer, Sänger, Choreograph oder Dance Captain war das 38-jährige Allroundtalent im Einsatz. Nebenbei gibt er immer wieder Workshops. Zum Zeitpunkt des Gesprächs steckte er als Choreograph mitten in den Proben für das Musical „Go West again“, welches am 3. Oktober Premiere im Metropol Theater in Wien feierte. Im Countrymusical geht es um einen Austrorocker (Andy Lee Lang), der zum Opfer einer SeelenRückführung wird und im ehemals Wilden Westen stecken bleibt. Er bildet sich ein, Buffalo Bill zu sein und ist die Hauptattraktion in einem Western-Saloon im Wiener Prater. Doch schon bald erhält er in Gestalt eines Strizzis (Adi Hirschal) einen gefährlicher Gegenspieler. Das Staging ist eine spannende, aber keine leichte Aufgabe für den Niederländer Jerôme Knols. Fotos: Jerome Knols Dein letztes Projekt war „Elisabeth“ am Raimund Theater, eine VBW Produktion. Wie kamst du auf die Idee, ein Stück im Metropol zu machen? Ich wurde kontaktiert und gefragt, ob ich Interesse hätte. Für mich war es eine Ehre, vor allem weil das Metropol in Wien ein renommiertes Theater ist, das jedem bekannt ist. Ausschlaggebend für meine Zusage waren aber letztendlich zahlreiche Kollegen, die mir die Arbeit dort empfohlen haben. Go West again“ ist eine neue Fassung des Metropol- Austro- Western (Erster Teil: „Go West“). Hast du die erste Version gesehen, wenn ja, wie fandest du sie? Ich habe es nie gesehen - mit Absicht. Ich möchte es nämlich nicht kopieren. Das Stück, dass wir jetzt auf die Bühne bringen, hat mit der damaligen Version bis auf die Storyline nicht viel zu tun. Alles ist neu: Angefangen bei der Regie, über meine Aufgabe - die Choreographie -, das Bühnenbild, die Kostüme etc. Es wird eine völlig neue Show geben und das ist schön. Deswegen hab ich mir die Aufnahme bis heute noch nicht angesehen. Was fasziniert dich so an dem Countrymusical? Ich mag den Witz. Ich finde das Stück sehr lustig, „urig“, es wird viel im Dialekt gesprochen und der berühmte Wiener Schmäh eingebaut. Allgemein sind viele der Scherze auf die österreichische Mentalität bezogen - das gefällt mir. Wie kann man sich deine Arbeit genau vorstellen - wie gehst du bei der Erstellung einer Choreographie vor? Ich denke, jeder Choreograph hat da seine eigene Vorgehensweise. Ich bekomme eine Grundvorgabe. Meistens stehe ich frühmorgens auf und höre mir die Musik an, um sie parat zu haben. Dann läuft das Ganze in meinem Kopf wie ein Film ab. Ich habe so eine Leidenschaft dafür, dass ich den Tanz oft schon vor meinen Augen sehe. Die, die mit mir arbeiten, kennen das. Wenn sie mit mir reden, ich aber nur mit einem Ohr hinhöre und wieder „den“ Blick aufsetze wissen sie, dass ich gerade eine Idee habe. (lacht). Schriftlich halte ich das Ganze dann auf meine Art fest. Ich habe meine Kürzel, meine Zeichen, um mich daran erinnern zu können. Die Kunst eines Choreographen ist im Grunde genommen, das ganze Ensemble (ausgebildete Tänzer, sowie reine Schauspieler) gleich gut aussehen zu lassen und auf ein Niveau zu bringen. Dazu braucht es Geduld. Ich mag es, meine Ideen vorher fertig ausführen zu können. Danach bin ich offen für Vorschläge und Kritik. Welche Elemente des Tanzes sind in „Go west again“ zu finden? Natürlich handelt es sich vor allem um Western Dance. Aber ich habe versucht, ein paar „Showgirl“-Effekte reinzubringen, wir haben mit Tüchern, Schirmen etc. gearbeitet, um das Ganze optisch noch zu verbessern. Indianertänze habe ich auch hineingepackt. Mit dem Staging habe ich aber am Meisten zu tun. Du hast in deinem Beruf ständig mit Tanz zu tun. Kannst du dir ein Stück noch neutral ansehen? Wie geht es dir, wenn du die Auftritte ansiehst, die du selbst choreographiert hast? Leider nicht. Ich erfasse wohl alles schon mit meinem „Tänzergehirn“. Der „Dance Captain Knall“. (lacht) Erst kürzlich habe ich „Holiday on Ice“ gesehen. Mein erster Gedanke war „Das ist eine Cutshow“, aufgrund der Anordnung der Tänzer. Sowas lässt sich nicht vermeiden. Vor meinen eigenen Shows bin ich immer wahnsinnig nervös. Noch mehr, als wenn ich selbst auf der Bühne stehe. Ich bin unsicher und sehe dann immer die Fehler, überlege, ob ich etwas besser machen hätte können. Aber das Lob, das ich bekomme, macht mich dann natürlich stolz und ich kann mich über solche Worte immer riesig freuen. Wie laufen die Proben, wie ist die Zusammenarbeit mit der Cast und dem Regisseur? Ich muss ehrlich sagen, ich bin so extrem glücklich hier. Alle sind superlieb, wir arbeiten klasse zusammen, sind kreativ. Beinahe so sehr, dass sich das Stück jede Minute komplett drehen kann. Jeder bringt Ideen ein, wir helfen uns und haben einfach allgemein ein tolles Arbeitsklima. Das ist in diesem Beruf nicht immer so, deshalb weiss ich es sehr zu schätzen. Was mir auch wichtig ist, dass mit beim Thema Choreographie, sofern möglich, freie Hand gelassen wird und ich mich komplett auf meine Arbeit konzentrieren kann. Andy Hallwaxx (Regisseur) ist ein sehr offener und positiver Mensch, mit Sonja Schatz, Bernhard Viktorin und Caroline Frank arbeite ich sowieso gerne. Kurz gesagt: Ich liebe die Arbeit hier. Stehst du lieber auf der Bühne oder ziehst du es vor, im Hintergrund als Choreograph tätig zu sein? Ich muss sagen, ich mag beides. Aber auf der Bühne stehe ich wohl doch am Liebsten. Es ist • seite 49 wien; interview // was macht eigentlich ... • schade, dass die Arbeit eines Choreographen mit der Premiere endet, wo für die anderen zu diesem Zeitpunkt so viel erst beginnt. Was ist für dich das Schwierigste und das Schönste an deinem Job? Das Schwierigste ist, mit mir selbst zufrieden zu sein. Das Schönste ist zu sehen, dass eine Idee funktioniert und die positiven Rückmeldungen. Nach der ersten Haiti Gala kam eine Frau auf mich zu, gratulierte mir und hatte feuchte Augen. Oder wenn Schüler aus meinen Workshops später schreiben oder erzählen, dass sie bei jedem Tanz an mich denken, so etwas macht mich glücklich. Anna Montanaro ist und bleibt eine Vollblutkünstlerin, ihr Herz gehört der Bühne! Foto: Anna Montanaro Original-Choreographie hat mich begeistert. Aber ich ärgere mich, es nicht schon früher gemacht zu haben. Mal sehen, ob das noch etwas wird. Hast du ein Vorbild, ein Idol in der Welt des Tanzes? Für mich steht Hofesh Shechter (Isrealischer Starchoreograph) ganz oben. Er ist unglaublich. Aber auch Leute wie Dennis Callahan und Kim Duddy haben mich beeindruckt und geprägt. Wie sehen nun deine Zukunftspläne aus? Bis zur Premiere am 3. Oktober bin ich ja noch am arbeiten, danach mache ich erstmal Urlaub und dann werde ich sehen wie es weitergeht. Aber ich würde gerne in Wien bleiben, so viel steht fest. Vielen Dank an Jerôme Knols für den interessanten Einblick in die Welt eines Choreographen und viel Erfolg für die Zukunft! Balletttänzerin und als Kunstturnerin), ausdrucksstarker Stimme, harter Arbeit und eiserner Disziplin gelang ihr eine Karriere, die ihresgleichen sucht. Auch nach der Geburt ihrer Tochter 2010 ist sie der Bühne treu geblieben, hier eine kleine Auswahl ihrer Aktivitäten: Bereits im Sommer 2010 übernahm Anna Montanaro die Hauptrolle in CARMEN – EIN DEUTSCHES MUSICAL bei den Bad Hersfelder Festspielen. 2011/2012 konnte man sie als Grizzabella in CATS in Bielefeld, Oberhausen und Wien auf Tour sehen. 2013 spielte sie die Reno Sweeney in ANYTHING GOES am Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Im Frühjahr 2014 verkörperte sie die Rolle der Anita in WEST SIDE STORY an der Oper Graz, die sie auch schon 2012 im Stadttheater Klagenfurt gespielt hat. Knapp zwei Jahre präsentierte Anna Montanaro 2012/2013 außerdem jeden ersten Montag im Monat ein besonderes Highlight für alle Musikliebhaber: Die Veranstaltung MONDAYS NIGHT im Restaurant MONTANAROS am Capitol Theater Düsseldorf bot exklusive Konzerte wechselnder Musicalkünstler in einer einzigartigen, intimen Atmosphäre bei kostenlosem Eintritt. Claudia Schachtschneider Was macht eigentlich ... ... Anna Montanaro Du hast schon so viele Jahre im Theaterbusiness auf dem Buckel - gibt es eigentlich noch ein Stück, bei dem du noch gerne mitwirken würdest? Ja, das gibt es, die „West Side Story“ wäre ein Traum für mich. Das war eines der ersten Musicals, das ich gesehen habe. Und die • www. musicalcocktail .info • ...der Star aus Musicals wie CHICAGO (Wien, Berlin, Düsseldorf, München, Basel, London und New York), JESUS CHRIST SUPERSTAR (Bad Hersfeld), JEKYLL & HYDE (Köln), CABARET ( Düsseldorf), MAMMA MIA! (Essen) und CATS (Zürich, Oberhausen)? Anna Montanaro ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Musicaldarstellerinnen. Nach Ute Lemper und Hildegard Knef ist sie die einzige deutsche Künstlerin, die jemals eine Hauptrolle am New Yorker Broadway spielte: die „Velma Kelly“ in CHICAGO. Mit viel Talent, insbesondere auch als Tänzerin (sie begann als Seit 2013 hat sich Anna Montanaro ein zweites Standbein geschaffen: Sie gehört zum Creative Team von Mehr! Entertainment GmbH und ist für die Entwicklung von Bühnenstoffen innerhalb der Mehr! Entertainment Gruppe verantwortlich. Ihr erstes Projekt als Creative Director war die Tourproduktion von 49 ½ SHADES - Die Musical Parodie, die bisher in Düsseldorf, Zürich und Hamburg zu sehen war. Ab Februar 2015 spielt sie am Staatstheater am Gärtnerplatz in München in der Uraufführung von GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN und im Anschluss daran ein Schauspielstück in der Komödie Düsseldorf. Anna Montanaro ist und bleibt eine Vollblutkünstlerin, ihr Herz gehört der Bühne! • seite 50 • www. musicalcocktail .info • Andrea Martin Das OFF Theater • Wünsch dir was wien OFFstage ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Förderung und Entwicklung von Off-Musicals in Österreich zur Aufgabe gemacht hat. Am Broadway und am West End schon gang und gäbe, in Österreich haben sie noch wenig Tradition. Sieben SängerInnen, Oliver Arno, Suzanne Carey, Martin Berger, Bettina Bogdany, Bernhard Viktorin, Dagmar Bernhard und Jakob Semotan gründeten 2013 diesen Verein. Als neues Mitglied stieß 2014 Martin Pasching dazu. Die Künstler vermarkten sich selbst und jeder hat bestimmte Aufgaben wie z.B. Newsletter, Facebookpräsenz, terminliche Organisation der Proben, Pressearbeit etc. übernommen. Sie machen es neben ihren hauptberuflichen Engagements und es kann natürlich sein, dass nicht alle bei jedem Auftritt dabei sein können. So fehlte am 6.9., als sie zum Programm „Wünsch dir was“ luden Martin Berger (er hörte sich lieber „We will rock you“ im Radio Ga Ga an) und Jakob Semotan (er befand sich „Shrek“lich weit weit weg). Als Gast konnte aber Rory Six gewonnen werden. Begleitet wurden die sieben von Andreas Brencic am Klavier. OFFstage präsentierte den rund 100 Anwesenden ein äußerst innovatives Projekt. Es wurden vier unterschiedliche zwei Personen Musicals vorgestellt und ein Einblick in den Inhalt und die musikalische Vielfalt des Stücks gegeben. Um die „demokratische Weltordnung“ (O-Ton Arno) wieder herzustellen, durfte das Publikum am Ende über das „Schicksal“ eines Stücks entscheiden. Es gab eine eigene Wahlkarte, wobei natürlich eine Mehrfachnennung unweigerlich zu einer ungültigen Stimme führte. Wer seinen Namen auf den Zettel schrieb, hatte auch die Aussicht auf eine Freikarte für das Siegerstück. Das mit den meisten Stimme wird im Frühjahr 2015 aufgeführt werden. Die SängerInnen waren allesamt elegant in schwarz/weiß gekleidet und Arno bat um objektive Bewertung, da die sieben ja noch nicht sagen können, wer schlussendlich die Rollen im gewählten Stück spielen wird. Es gab kein Staging, keine Regie, keine Requisiten, nichts sollte vom Inhalt und den dargebotenen Songs ablenken. Eines hatten alle Stücke gemeinsam, die Liebe, auf welche Art das musste das Publikum selbst herausfinden. Beim ersten Stück „Heirat‘ mich ein bisschen“ (Musik und Songtexte stammten von Stephen Sondheim) übernahm Viktorin die Rolle des Erzählers. Es ging um die Geschichte von zwei Singles, die in einer Großstadt im gleichen Haus Fotos: Andrea Martin leben. Aus banalen Tätigkeiten entwickeln sich musikalische Situationen. Im Musical wird komplett auf Dialoge verzichtet, die Songs stehen im Mittelpunkt und erzählen die Geschichte. Schlussendlich finden beide nach einer missglückten Verabredung heraus, dass sie nicht zueinander passen und sie weiterhin Singles bleiben. Verarbeitet wurden Lieder, die Sondheim zwischen 1954 und 1973 geschrieben hatte, die aber nicht veröffentlicht wurden. Suzanne Carey und Bernhard Viktorin bestritten den ersten Titel „Sonnabend Nacht“, bei dem vor allem Suzanne ihre wahnsinnig kräftige Stimme auspackte. Bei „Kann der gut Foxtrott“ zeigte Bettina Bogdany ihre humorvolle Seite. Das Wort Foxtrott wurde wohlweislich mit einer Kunstpause nach dem F gesprochen, sodass man unter Umständen schon an etwas anderes hätte denken können. Viktorin meinte danach verschmitzt, er würde gerne vom Publikum wissen, an wen von den vier Sängern Bettina wohl gedacht hätte. „Sekunden mit dir“, ein Duett zwischen D. Bernhard und Arno klang mehr nach einem Duell, da beide eher gegeneinander mit unterschiedlichen Texten sangen. Dagmar lieferte am Ende eine Soloshow und musste von Oliver regelrecht gestoppt werden. Aufgrund ihres Stimmvolumens war für Suzanne bei ihrem Solo „Doch nicht Trompeten“ der Saal fast zu klein. Was für eine Stimme! Rory Six interpretierte den titelgebenden Song, ebenfalls eine starke stimmliche Leistung, das Lied selbst war gewöhnungsbedürftig. (Detail am Rande, Six spielte die männliche Hauptrolle in eben diesem Stück im September, welches er sich für sein eigenes Theaterprojekt, die sogenannte theatercouch, ausgewählt hatte). Beim nächsten Stück mit dem klangvollen Namen „Die Tagebücher von Adam und Eva“ übernahm Dagmar Bernhard die Rolle der Erzählerin. Marc Seitz (Musik) und Kevin Schroeder (Buch und Liedtexte) haben ein Musical, basierend auf dem gleichnamigen Buch von Mark Twain verfasst. Schon im Garten Eden finden Adam und Eva heraus, dass es gewaltige Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Von wegen Liebe auf den ersten Blick und friedvolles Zusammenleben. Es gibt Streit, Versöhnung, zwei Söhne und natürlich die Versuchung. Das erste Duett kam von Dagmar und Martin und trug den Titel „Liebes Tagebuch“. Nicht alles ist eitel Wonne und beide finden die traute Zweisamkeit nicht immer lustig, vor allem, weil sie nur einander haben und sich oft auf die Nerven gehen. Das kam vor allem in dem Lied gut zum Ausdruck. „Nur ein Funke“ sprang zwischen Dagmar und Bernhard über. „Sei ein Mann“ dachte sich Oliver Arno und gab sich ordentlich männlich bei dem Titel. „An jedem Tag“ war die letzte Nummer, gesungen von Bettina, bei einer Reprise stieß Oliver dazu. Alles in allem klang es nach einem sehr chaotischen und unterhaltsamen Stück. Nach der Pause folgte auch schon das dritte Stück mit dem Titel „Helle Nächte“, welches von Bogdany erzählt wurde. Das Stück stammt von Martin Doll (Libretto und Songtexte) und Stefan Wurz (Musik) und basiert auf der Erzählung von Fjodor Dostojewski. Diese Geschichte war vermutlich die melancholischste und schwerste und hatte vielleicht deshalb nur Außenseiterchancen auf den Gewinn. Erzählt wird die Geschichte von zwei Menschen, Michail und Nasstenka in St. Petersburg. Michail ist viel alleine und seine einzigen Freunde sind die Häuser der Stadt. Er trifft zufällig auf das Mädchen und verliebt sich in sie, obwohl sie ihm davon abrät. Mit der Zeit gewinnt er ihr Vertrauen und sie erzählt ihm ihre • seite 51 wien // cd-tipps • Geschichte. Er erfährt, dass sie bei ihrer Großmutter lebt, die mütterliche Fürsorge etwas zu radikal interpretiert und der Enkelin keine Freiräume lässt. Außerdem wartet Nasstenka auf einen Mann. Er war vor einem Jahr Mieter bei der Großmutter und sie hat sich in ihn verliebt. Wie es das Schicksal will, kehrt eben dieser zurück zu ihr, als ihr Michail seine Liebe gestanden hat. Sie mag ihn, aber ihr Herz schlägt noch immer für den anderen. Michail bleibt allein zurück. Das erste Duett von Bettina und Martin trug den Titel „Helle Nächte“. Es erinnerte sehr an Filmmusik, nur eben mit Gesang und wirkte sehr schwer. Bernhard Viktorins Solo „Ohne sie“ war ein anspruchsvolles Lied mit schönem Text, lediglich der Einstieg am Klavier war gewöhnungsbedürftig. Ganz viele Emotionen legte Bettina Bogdany in den Titel „Ich sitze still“, bei dem klar wurde, warum dieser Charakter so traurig und gierig nach Freiheit war. Sehr gefühlsintensiv war auch „Was es heißt, wenn man liebt“, ein Duett von Six und D. Bernhard. Rory verkörperte Michail und dieser wiederum spielte den fremden Mann, in den sich Nasstenka seinerzeit verliebt hatte. Viel Hoffnung drückte auch Carey bei ihrem Solo „Welch ein Clown“ aus. Dieses Musical könnte man meinen hat keinen guten Ausgang, da Nasstenka nicht mit Michail, sondern mit dem fremden Mieter zusammenkommt. Arno meinte, dass es eine traurige Sache sei, Bogdany erwiderte daraufhin aber folgerichtig, dass es darauf ankommt aus welcher Sicht man das Ende betrachtet. Beim letzten Stück des Abends, das unter dem Titel „Thrill me“ lief, fungierte Arno als Erzähler. Humorig meinte er „jetzt wird es düster, alle unter 16 Jahren sollen den Saal verlassen“. Das zwei Mann Musical basiert auf einem wahren Kriminalfall, Stephan Dolginoff verfasste Musik, Buch und Gesangtexte. Die deutsche Übersetzung stammt von Bernd Julius Arends. Chicago 1934, Nathan und Richard sind sehr erfolgreiche Studenten und mit ihrer Intelligenz vielen überlegen. Ihnen ist langweilig und sie lenken sich mit Einbrüchen, Diebstählen und Brandstiftung ab. Das genügt ihnen nicht und sie planen den perfekten Mord. Richard scheint die treibende Kraft des Duos zu sein und Nathan der ihn bedingungslos liebt ist ihm hörig. Als Opfer wird ein Nachbarsjunge auserkoren, kaltblütig ermordet, mit Säure entstellt, damit ihn niemand erkennt und versteckt. Zu dumm nur, dass Nathan am Tatort seine Brille verloren hat und über kurz oder lang, nachdem die Leiche gefunden worden war, die heiße Spur zu ihm führt, da es eine Spezialbrille war. Er verrät seinen Freund und beide landen lebenslang hinter Gitter. Die Story könnte zu Ende sein, aber das Publikum erfuhr, dass der eigentliche Psychopath Nathan ist. Er hatte absichtlich die Spur mit der Brille gelegt, da er ein Leben lang mit Richard vereint sein wollte. Der Prolog wurde vom Pianisten gespielt, das erste Duett fand zwischen Rory Six und Bernhard Viktorin statt, wobei Six Richard und Viktorin Nathan verkörperte. Rory wirkt sonst eher lammfromm, hier zeigte er eine absolut neue Seite von sich und wirkte bei „Vertraglich sicher“ so richtig grausam. Zusammen mit Bernhard gaben sich beide diabolisch und auch ohne Bühnenbild konnte man sich diese beiden in dem Stück vorstellen. Beim Song „Roadster“ schlüpfte Arno in die Rolle von Richard. Er klang sehr hinterhältig und einschmeichelnd, so als ob wirklich vor ihm das Opfer wäre. Bei „Meine Brille“ musste er umdenken, da er dann auf einmal Nathan sang, Martin Pasching stand ihm als Richard gegenüber. Pasching gab sich megacool und ohne Sorgen, Arno ängstlich und bekümmert. Ein unglaublich starkes Duett. Bei „Viel zu weit“ schlüpfte Martin auch noch in die Rolle des Nathan und präsentierte das letzte Lied des Abends. Dann erfolgte die Vergabe der Stimmzettel und Dagmar machte eine witzige Zusammenfassung des Abends à la „Herzblatt-Susi“. Dann begann die Auszählung, das alleingelassene Publikum wartete. Arno und Viktorin verkündeten dann auf sehr spannende Art den Sieger und waren froh, dass es nur gültige Stimmen gegeben hatte. Schlussendlich wurde als haushoher Sieger das Stück „Thrill me“ bekanntgegeben. Eine fixe Aufführungsperiode ist noch nicht bekannt, aber man kann sich gerne auf der Facebookseite des OFFstage Vereins informieren. • www. musicalcocktail .info • Nach „A Very Murray Christmas“ sowie diversen Konzerten setzt sich mit „Musical Times hoch 5“ die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Musicaldarsteller Chris Murray und Komponist, Toningenieur und musikalischer Leiter Philipp Polzin fort. Der Titel soll laut Murray nicht nur symbolisch für 5 heutige Topkomponisten stehen, sondern auch „für ganz viel Musiktheater“. So wollte er auf seiner neuen CD nicht nur sein derzeitiges Rollenrepertoire präsentieren, sondern einen Rundblick auf das Musiktheater unserer heutigen Zeit geben. Dazu gehören auch weniger bekannte und neue Lieder. Auf zwei CDs mit insgesamt 42 Tracks (23 auf der Ersten, 19 auf der Zweiten) präsentiert Murray sein ganzes stimmliches Können. Er leitet schwungvoll ein mit „Superstar“ aus „Jesus Christ Superstar“. Der erste Teil beinhaltet bekannte Titel wie „Bring him home“ und „Der doppelte Schwur“ aus „Les Misérables“, „Einsamer Mann“ aus Dracula, „Illusion vom Paradies“ aus „Elisabeth-Legende einer Heiligen“ sowie „Jung, schön und geliebt“ aus „Evita“. Allesamt Rollen, die er schon auf der Bühne verkörpern durfte. Aber er wagt sich beispielsweise auch an Songs aus dem „Mann von La Mancha“, „Chess“ oder „Der fliegende Holländer“. Gemeinsam mit Elisabeth Hübert singt er ein traumhaftes Duett: „Wo sind deine Träume hin“ aus dem Musical „Friedrich, Mythos und Tragödie“. Beim Aida Stück „Durch das Dunkel der Welt“ wird er von Angela Schlüter unterstützt. Auch die Stücke „Children of Eden“, „Der Ring“, „Poe/The Raven“, „Tell“, „Chitty Chitty Bang Bang“, „Shylock!“ und „Die Erschaffung der Welt“ sind vertreten. Von gefühlvoll bis kräftig – er zeigt stimmlich alles, was in ihm steckt. Eine Reise durch das Musical-Repertoire beinhaltet auch der zweite Teil. Zwei wunderschöne Dracula Titel – „Je länger ich lebe“ sowie „Ich leb‘ nur weil es dich gibt“- sind gemeinsam mit der „Musik der Nacht“ aus dem weltbekannten „Phantom der Oper“ wohl die Highlights der gesamten Aufnahme. Aber auch mit der „Musik der Nacht“ und bei „Til I hear you sing again“ aus der Phantom-Fortsetzung „Love never dies“, welche letztes Jahr konzertant im Ronacher Wien lief, kann Murray überzeugen. Natürlich darf ein weiterer Jesus Christ Titel –„Heaven on their minds“ -nicht fehlen. Etwas fehl am Platz wirkt dabei nur „Am Anfang war das Wort“ aus der „Erschaffung der Welt“, welches zwischen Dracula und das Phantom gepackt wurde und dabei nicht mithalten kann. Zwei Stücke aus „Notre Dame de Paris“ bringen wieder das Gefühl in seiner Stimme hervor, aber auch „Shylock“ und „Der fliegende Holländer“ sind wieder vertreten. Unbekanntere Titel wie „Mark’s Priory“ aus „Das indische Tuch“ runden das Ganze wunderbar ab. Mit „Stars“ aus „Les Misérables“ erinnert sich Murray an seine Zeit als Javert zurück. Einen Schub an Emotionen bringt er mit „Wie kann ich sie lieben“ aus „Die Schöne und das Biest“. Durch die Vielzahl der Lieder und die, wie es scheint, mit Bedacht ausgewählte Songwahl merkt man, dass Murray diese Aufnahme sehr am Herzen lag. Er fand – so wie er es wollte- eine gute Balance zwischen Titeln, die von ihm schon bekannt und eingängig sind sowie Liedern, die man sonst vielleicht seltener zu hören bekommt. Stimmlich steht außer Frage, dass Chris Murray einer der Besten in seinem Gebiet ist. Er spielt mit der Stimme, ob Kopf-oder Brust, laut, leise, aufgebracht, gefühlvoll: Der Hörer bekommt beinahe den Eindruck, die Songs würden nicht vom selben Mann stammen. Was der CD allerdings fehlt sind etwas schnellere, fröhliche und lockere Nummern. Es handelt sich großteils um schwermütige Stücke, was Murray nichts an Qualität, rein an der Songwahl abspricht. Vermutlich wäre es besser gewesen, dazwischen mit ein paar flotteren Liedern die doch düstere Stimmung aufzulockern, die aufkommt, sobald man sich einige Songs hintereinander anhört. Gesungen wird fast alles auf Deutsch, lediglich ein paar Lieder interpretiert Murray auf englisch, sowie eines sogar auf französisch. Ein Manko liegt an der Optik. Das graue Titelbild mit kleinem Titel in dünner Schrift und einem fahlen, einfachen Bild Chris Murray’s hätte man wohl etwas lebendiger gestalten Können. Das Booklet allerdings bietet alles, was man braucht. Übersetzungen der englischen und französischen Texte, einige Worte von Murray selbst (auf Deutsch und Englisch), Fotos und eine Titelliste. Alles in allem eine qualitativ hochwertige CD, die nicht nur Musicalliebhaber begeistern wird. Der musicalcocktail verlost 3x die CD! EMail, Fax oder Postkarte mit Stichwort MURRAY an bekannte Adresse. • seite 52 Fotos: Andrea Martin • www. musicalcocktail .info • • Andreas Steppan ist Musicalliebhabern vor allem aus seinen Rollen in den letzten beiden Sommerproduktionen („Xanadu“, „Flashdance“) aus Amstetten ein Begriff. Er ist Schauspieler, Sänger, Entertainer und in der letzten Funktion trat er mit seinem Kabarettprogramm „Schwerkraft, Linksfahrer und andere Ärgernisse“ am 12.9. im Theater 82er Haus in Gablitz auf. (Weitere Auftrittstermine und mehr kann man auf seiner Homepage www.steppan.at nachlesen). Andrea Martin von und mit Andreas Steppan im Theater 82er Haus Schwerkraft, Linksfahrer und andere Ärgernisse niederösterreich/ gablitz Eine Art hölzerner Regiestuhl und ein Tischchen mit einem Getränk waren außer dem Künstler selbst alles, was sich auf der Bühne befand. Der kleine Theatersaal war voll und kaum, dass Steppan die Bühne geentert hatte, legte er auch schon los mit seinem Programm. Erst nach einer kurzen Weile kam er darauf, dass er etwas Wesentliches vergessen hatte, nämlich die Begrüßung, was er dann aber nachholte. Dieses Vergessen war aber natürlich Bestandteil des Programms und deutete schon sehr auf ein Hauptthema seines Programms, das Älterwerden und die damit verbundenen Veränderungen, hin. Fast den ganzen Abend hindurch machte er sich, zum Gaudium des Publikums, über seine Figur lustig und nahm sich sehr oft auf’s Korn. Natürlich muss man sagen, war doch einiges an den Haaren herbeigezogen und nicht alle Problemzonen, die er an sich bemängelte waren auch offensichtlich, er nahm sich selbst einfach als Beispiel für älterwerdende Männer. So z.B. gestand er, dass er, aufgrund des Alters und seines Gewichts nicht immer gleich wieder hochkommt und auch der Gedanke, dass einmal nichts mehr bei ihm swingt, machte ihm zu schaffen. Er offenbarte den Anwesenden, dass er gerne männlich ist und im Freundeskreis sowohl als „der den Teller ableckt“ als auch als „Grillator“ bekannt ist. Vom Essen kam er auf die Verdauung zu sprechen, der er aber doch lieber ein eigenes Programm widmen wollte. Ein paar seiner Gags kannte man schon, aber so wie er sie brachte, konnte man auf jeden Fall trotzdem darüber lachen. Pech war nur, wenn das Publikum ihm die Pointe schon vorab wegnahm. Er nahm diese Art von Mitarbeit auf jeden Fall mit Humor. „Bauch sei dank“ hatte er bemerkt, dass viel Körperteile schon vor ihm einschlafen, da konnte auch die Tatsache, dass er seit einiger Zeit nur mehr schwarz trägt, schwarz macht ja bekanntlich schlank, wie es so schön heißt, nicht helfen. Sehr eindrucksvoll präsentierte er auch die Unsichtbarkeit seines Gürtels und das Publikum musste ihm die Farbe nennen, da er ihn selbst schon lange nicht mehr gesehen hatte. Auch das Thema Gesundenuntersuchung wurde behandelt und das Publikum amüsierte sich köstlich über seine Erlebnisse bei der Prostatavorsorgeuntersuchung. Während des Programms brachte er viele Schlüsselerlebnisse des Älterwerdens näher und berichtete u.a. von seinen Haaren mit Migrationshintergrund, seiner Vergesslichkeit und der Sache mit dem namenlosen Ding, bei dem nicht einmal mehr ein Notizzettel hilft. Nach der Pause ging es u.a. mit Anekdoten rund um’s Fliegen weiter. Vor allem ein übersetztes Einreiseformular in die USA verblüffte das Publikum und es kam zu interessanten Interaktionen wie eigentlich den ganzen Abend über. Im Normalfall unterhält sich derjenige auf der Bühne mit dem Publikum, in Gablitz war es sehr oft anders. In vielen Situationen stimmten die Gäste ihm oft zu, tätigten Aussagen und unterhielten sich regelrecht mit ihm, so als ob es selbst Teil des Programms wäre. Es kam fast schon zu Zwiegesprächen zwischen einzelnen Personen und Andreas Steppan. Neben den Themen Autos und Hunde kam er auch auf Mann und Frau und ihre Beziehung zueinander zu sprechen. Eine absolut witzige Punkteliste für den Mann zeigte auf, dass ein Zusammenleben unter Umständen nicht immer ganz einfach ist. Das Publikum war, als das Ende des Programms gekommen war, sehr begeistert, doch als sich Steppan gar vor die Wahl „Kurzurlaub oder Gablitzer Publikum“ stellte, entschied er sich mit den Worten „ich werde sie vermissen“ für den Urlaub. • seite 53 deutschland/ tecklenburg • www. musicalcocktail .info • • Auf der kurzzeitig ins Münsterland verlegten und eigentlich durch Hollywood bis nach Santa Monica führenden Prachtstraße sind die gleißenden Lichter inzwischen längst wieder verlöscht. Der lokale „Sunset Boulevard“ ist wieder auf sein ursprüngliche Maß zurechtgestutzt und zu dem geworden, was er ursprünglich war: Eine Fußgängerzone in Tecklenburg. Mit dem gleichnamigen Webber-Klassiker hatten die hiesigen Freilichtspiele in der abgelaufenen Spielzeit zum zweiten Mal auf die Sir Andrew Lloyd-Karte gesetzt. Nach dem beschwingten, leichten und bunt-knalligen Bibel-Happening „Joseph“ des britischen Musical-Papstes präsentierte die Bühne, es lebe der Kontrast, als zweites saisonales Stück 20 mal in Folge dessen eher düsteres, schwermütiges und dramatisches Werk um die alternde Stummfilm-Diva Nora Desmond. Die Story basiert übrigens auf dem Billy-Wilder-Film „Boulevard der Dämmerung“ aus dem Jahr 1950. Jürgen Heimann Träume aus Licht Sunset Boulevard Fotos: Freilichtbühne Tecklenburg Für Tecklenburg ist „Sunset Boulevard“ eigentlich ein völlig atypisches Projekt. Hier braucht man eher breit angelegte, opulente Ensemble-Szenen, um, Masse und Klasse, die hauseigenen Trümpfe, die sich in einer entsprechend großen Statisterie und einem ebenso stattlichen Chor manifestieren, ausspielen zu können. Solche auch bühnenfüllenden Möglichkeiten bietet dieses Stück, das stellenweise wie ein Kammerspiel daherkommt, kaum. Das mag auch erklären, warum die Verantwortlichen sich zunächst eher halbherzig um die Aufführungsrechte bemüht und den Bad Hersfeldern dabei gerne den Vortritt gelassen hatten. Die Osthessen brachten 2011 republikweit die erste Open-Air-Inszenierung mit der deutschen Ur-Norma Helen Schneider in der Titelrolle auf die Bühne ihrer imposanten Stiftsruine. Aber es war abzusehen, dass früher oder später auch zwischen Münster und Osnabrück kein Weg an einer solchen Produktion vorbeiführen würde. Davon abgesehen: Der Spielplan will und muss ja schließlich Jahr für Jahr bestückt und ausgefüllt werden. Große Posen zwischen Liebe, Eifersucht und Wahn Aber es hat funktioniert. Natürlich. Was sicherlich teils auch an der soliden, einfühlsamen und stimmigen Regiearbeit eines Andreas Gergen gelegen haben mag, der der Versuchung widerstand, hier das Rad neu zu erfinden. Der Mann orientierte sich ziemlich exakt und penibel an der Vorlage, zeichnete die Charaktere glaubwürdig und stimmig und schenkte vor allem den großen Posen der Diva Aufmerksamkeit. Die Implementierung diverser komö- diantischer Elemente wirkte stellenweise bemüht, war aber sicherlich vor allem dem Bestreben geschuldet, der Geschichte um Liebe,Triebe, Enttäuschung , Eifersucht und Wahn etwas von ihrer bedrückenden Düsternis zu nehmen. In Punkto Casting und Personalauswahl beweisen die Hausherren ja seit jeher ein glückliches Händchen. Das war auch diesmal nicht anders. Maya Hakvoort, Traumbesetzung, sang phänomenal und verlieh dem alternden Star durch ihr akzentuiertes und differenziertes Agieren Tiefe, Authentizität, Glaubwürdigkeit, Würde und, ja, verblasster Ruhm hin oder her, auch Größe. Norma Desmond hatte, als sie im Theater auf der Burg erstmals mit großer Gestik ins Scheinwerferlicht trat, ihre beste Zeit schon lange hinter sich hatte. „Out of Time“, um es mit Jagger-Richards zu formulieren. Die Lady war aus selbiger gefallen, wollte es aber, im Gegensatz zu ihrem Umfeld, nicht wahrhaben. Konnte es, ein Hoch auf die Realitätsverzerrung, vielleicht auch gar nicht. Eine tragische Figur, die am Ende in geistige Umnachtung abtauchen sollte. Eine selbstherrliche, im großen Gestern steckengebliebene alternde Frau, reich an Geld, aber arm an Tiefe und Erfüllung, mit der man(n) aber trotz ihres arroganten, überheblichen und allürenhaften Gehabes Mitleid haben musste. Als die Bilder auf der Leinwand laufen lernten, war die Diva eine große Nummer • seite 54 deutschland/ tecklenburg • www. musicalcocktail .info • • gewesen, deren Glanz alles überstrahlte. Als eben diese Bilder aber anfingen zu sprechen, war definitiv Schluss mit lustig. Das wusste jeder, nur sie selbst nicht. Es ging bergab in Richtung Bedeutungslosigkeit. Aber die Storyline dürfte ja sattsam bekannt sein. So fern uns nicht gerade verwöhnten GZSZund DSDS-Guckern die Glitzerwelt des frühen Hollywoods, in der die Geschichte angesiedelt ist, auch sein mag, so wenig sie mit unserer eigenen Lebenswirklichkeit zu tun haben mag, das Schicksal der Protagonistin berührt uns doch. Dass sie ihren Lover, den jungen, mittellosen Drehbuch-Schreiberling Joe Gillis letztendlich aus enttäuschter Liebe mit drei gezielten Schüssen zu den nicht vorhandenen Fischen in den Pool schickt, nehmen wir ihr eigentlich auch gar nicht mal so übel. Aber der von Julian Looman verkörperte und ach so indifferente Toyboy, der es eigentlich lieber mit der knackig-feschen und lebenslustigen Betty Schaefer (Elisabeth Hübert) treiben würde, denn mit der vergilbten Jung-Seniorin, bei der er nur der Kohle wegen ausharrt, ist noch nicht einmal der wichtigste Mann an Nora Desmonds Seite. Das ist „James“, der Butler, der in dem Stück natürlich ganz anders heißt, nämlich Max (von Mayerling). Der alten Dame immer noch in (von ihr selbst nicht erwiderter) Liebe zugetaner Ex-Ehemann, Förderer und Regisseur. Paraderolle für Reinhard Brussmann. Das ist bzw. war seine Stunde. Was für ein (dem Script folgend minimalistisch orientiertes) Spiel, was für eine Stimme! Der gebürtige Österreicher ist in Tecklenburg längst zum Publikumsliebling avanciert, und das, obwohl er hier bislang nur mit kleineren Rollen, die ihn kaum forderten, zu sehen und zu hören war. Aber von ihm mal abgesehen: Julian Loomann sollte in Folge mit seinem Part, seiner neuen Aufgabe wachsen. Den Pyramiden-Guru in „Joseph“ hat man dem ambitionierten jungen Künstler nicht so richtig abnehmen wollen/ können. Als Pharao wirkte er, gemessen an seinen Vorgängern, eher blass und uninspiriert. Aber als finanziell auf dem letzten Loch pfeifender Story-Zuträger einer überdrehten, synthetischen Hollywood-Scheinwelt war er echt gut. Der richtige Mann am richtigen Platz, hin- und herzweifelnd zwischen den Optionen, sich sorgenfrei im luxuriösen Umfeld einer verblühten Leinwandoma von dieser aushalten zu lassen, oder als armer, aber in seinen Entscheidungen freier Poet in einem Loch zwischen Fliegenschmutz und Rattendreck dahin zu vegetieren – nebenbei aber seinem Herzen zu folgen. Ergreifende Momente und wunderschöne Melodien Die Partitur, von Tjaard Kirsch und seinem großen Orchester wie gewohnt souverän aufbereitet und umgesetzt, ist komplexer und weniger eingängig als die meisten anderen Kompositionen des geadelten Webber. Was hängen bleibt, auch in den Gehörgängen, sind „Nur ein Blick“, „Träume aus Licht“ natürlich, „Die Rechnung zahlt die Dame“, „Ein gutes Jahr“, „Als hätten wir uns nie Good-bye gesagt“ und ganz gewiss der Titelsong. Diese wunderschönen Melodien nach zu trällern, dazu mögen die Wenigsten imstande sein, aber sie liegen, der jeweiligen Situation entsprechend, genau auf dem emotionalen Punkt. Im Verbund mit den geschickt konzipierten und niemals aufgesetzt Choreografien eines Daniel Costello und den gewohnt herrlichen, den Modegeschmack der damaligen Zeit repräsentierenden Kostümen einer Karin Alberti erschloss sich den Zuschauern so eine ihnen fremde (Schein-)Welt, die trotz ihrer Intrigenbegünstigenden Künstlichkeit doch ein gewisses Maß an Faszination beinhaltete und Spalier stand für eine Menge ergreifender Momente. Reden wir nicht von den (kleinen) tontechnischen Pannen, über die noch die Premierengäste geklagt hatten. So etwas passiert. Es ist ja „live“. Und der positive Gesamteindruck mag dadurch kaum geschmälert werden. Die Tecklenburger Produktionen laufen in der Regel wie eine gut geölte Maschinerie ab: routiniert, professionell, einfallsreich, gewürzt mit viel Phantasie, Kreativität und Know-How. Und wer nicht damit leben kann, dass sich sein Sitznachbar während der Show vielleicht ein Bifi zwischen die Zähne schiebt oder an einem Piccolo nuckelt, sollte das nächste Mal einen Bogen um das Städtchen machen und sich stattdessen in einem hochpreisigen EnSuiteTempel einbuchen. Da wird in den Rängen möglicherweise nicht so laut gekaut. Dafür sind die Tarife hier jedoch dreimal so hoch, die Inszenierungen aber nicht unbedingt besser. Attacke aus der Abteilung „Rächer der Enterbten“ Nach der Saison ist vor der Saison. In Abwandlung des alten Sepp-HerbergerAusspruchs haben die Münsterländer die Weichen für die Spielperiode 2015 längst gestellt. Zunächst miauen dort einmal die CATsen. Auf den Webber-Oldie hatte man sich schon relativ früh verständigt. In diesem Fall wird das Theater zur Müllhalde, und die Miezen treffen sich zum Jellicle-Ball. Der Attacke-Abteilung „Rächer der Enterbten“ entstammt „Zorro“, der Mann mit der Maske. Und der zieht kommendes Jahr in Tecklenburg blank. Intendant Radulf Beuleke und die Seinen präsentieren das gleichnamige Musical mit der Musik der Gipsy Kings und John Camerons in Deutscher Erstaufführung. Auf die jüngeren Gäste wartet eine komplett neue Fassung von „Die Schöne und das Biest“. Das Familienmusical ist bisher schon zweimal in Tecklenburg aufgeführt worden. • seite 55 • www. musicalcocktail .info • • London und das heruntergekommene Viertel East End: Die zwei rivalisierenden Jugendbands Excons und Def:k proben für ihren Auftritt in der Casting-Show „Raga“ und das Ticket in eine bessere Welt - Rock vs. Rap. Als die gegenseitigen Anfeindungen und Gewalt zu eskalieren drohen, schreitet der ehemalige Tänzer und Streetworker Blair ein und versucht zu vermitteln. Denn eines steht fest, die Excons und Def:k haben nur gemeinsam eine Chance, sich im allgemeinen Casting-Wahn durchzusetzen. Zeitgleich versuchen auch die Stadtdelegation unter Bürgermeisterin Abigail Bishop und der intrigante Architekt Tom Sells ihre eigenen Ansinnen im verwahrlosten East End zu verwirklichen. Haben die Jugendlichen dort überhaupt noch eine Zukunft? Foto: MTA Puchenau Zuerst war da der Wunsch, eine Hommage als Verbeugung vor der Rockgruppe Queen zu kreieren. Es folgten Taten und im August 2014 die Uraufführung von „Breaking Free“, dem engagierten MusicalProjekt der Musical and Theatre Academy Puchenau in Kooperation mit dem Popular Musik Institut, der Anton Bruckner Privatuniversität und dem Landestheater Linz (Idee und Konzept: Susanne Kerbl & Nicola Howes, Dialoge: Elke Maria Schwab, Musikalische Leitung: Gottfried Angerer). Veronika Zangl No Barriers, No Generation Breaking Free - A Rock Tribute oberösterreich/ linz „Breaking Free – A Rock Tribute“ ist eine laute, schnelle und aufmüpfige Reverenz an 40 Jahre Queen, angereichert mit zeitgenössischen Rap- und Breakdance Elementen und komplementiert durch engagierte SolistInnen, die im Laufe des Stücks Barrieren und Vorurteile überwinden. Vokal stark sind vor allem die beiden Protagonisten Brian und Deborah; Dirty Dancings Johnny trifft auf „Baby“, wenn sich der Band Leader der Excons und die wohlsituierte Bürgermeistertochter einander annähern. Michael Kellner überzeugt gesanglich vom ersten Augenblick („Crazy little thing called love“) und ist mit seinem starken, wohlklingenden Timbre, viel jugendlichem Esprit und einem absoluten Coolness-Faktor die ideale Besetzung des jungen Revoluzzers Brian. Teresa Huprich knüpft fast nahtlos an die Leistung ihres männlichen Kollegen an, indem sie eine feminin feinfühlige, aber trotzdem rockige Deborah präsentiert, der sie klare stimmliche Nuancen verleiht. Die anfangs geweckten Erwartungen werden vokal und instrumental eingelöst. Eine starke Queen-Nummer reiht sich an die nächste, es wurde tief im musikalischen Fundus gegraben und hervorragend interpretiert („Don’t stop me now“, „Killer Queen“, „Somebody to love“ usw.). Susanne Kerbl ist eine grandios ironische Bürgermeisterin Abigail Bishop und Veronika Grabner ihr stimmlich und komödiantisch exzellenter Sidekick Miss Blunt. Marietta Born glänzt vokal als Paula und Laura Kerbl ist eine meistens relativ starke Cindy; gemeinsam sorgt das ganze Ensemble für absolute Rockstimmung im Saal. Nur schauspielerisch ist der Abend mitunter etwas unrund und variieren die Leistungen der unterschiedlichen Bandbzw. Gang-Mitglieder zwischen hölzern bis ungelenk, während die „Erwachsenen“ durchwegs brillieren. So weit, so gut. Richtig innovativ entpuppt sich „Breaking Free“ spätestens dann, wenn die Symbiose mit Def:k (Wilhelm Ban, Jürgen Vorsik) eingegangen wird. Queen und Rap verträgt sich offenbar hervorragend und das Ergebnis ist jugendlich „cool“ auf sein junges Publikum getrimmt. Dieses ist sichtlich begeistert von den Rap Qualitäten von Def:k und den beeindruckenden Breakdance Performances (Rize Rockers). Scheinbar mühelos werden headspins praktiziert und wirbeln die GangMitglieder selbst noch auf äußerst begrenztem Raum gezielt über die Bühne - wofür sie immer wieder spontanen, begeisterten Applaus ernten. Kombiniert mit der bestens durchdachten, modernen Choreographie der Excons ist eine fulminante Show entstanden, die sich sehen lassen kann und eine absolute optische Augenweide sowie ein akustisches Klangerlebnis darstellt (Choreographie: Blair Darby, Nicola Howes). Einzig die Handlung scheint bei all den musikalischen Höchstleistungen und tänzerisch großartigen Einlagen etwas abhandengekommen zu sein. Ein Musikact reiht sich in gnadenlos schnellem Tempo an den nächsten, während sich das Stück im narrativen Nirgendwo verläuft. Der große Verlierer ist der Plot, der mitunter etwas schiefe Züge annimmt und lediglich dazu dient, eine Verbindung zum nächsten Queen Song herzustellen (trauriger Höhepunkt „Bohemian Rhapsody“). Mit „Breaking Free – A Rock Tribute“ hat Linz ein jugendliches Stück Musiktheater geschaffen, das ein ungewöhnlich breites Publikum anspricht und alle Altersgruppen begeistert. Die professionellen Darbietungen der großenteils relativ jungen DarstellerInnen, exzellenten MusikerInnen und des Backgroundchors wirkten ansteckend; die Akteure wurden nur widerwillig hinter den Vorhang entlassen. Kulturförderung lohnt sich und es wäre schön, wenn sich ähnliche Projekte auch in anderen Bundesländern verwirklichen ließen. • seite 56