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Yvonne Brandstetter
Zur Person
Im Kopf läuft ein Film ab
Jerome Knols im Gespräch
wien; interview
Von Maastricht auf die grossen
Bühnen
Deutschlands
und
Österreichs, Jerôme Knols wirkte
schon in über 30 Produktionen
mit. Als Schauspieler, Tänzer,
Sänger, Choreograph oder Dance
Captain war das 38-jährige
Allroundtalent
im
Einsatz.
Nebenbei gibt er immer wieder
Workshops. Zum Zeitpunkt des
Gesprächs
steckte
er
als
Choreograph mitten in den Proben
für das Musical „Go West again“,
welches am 3. Oktober Premiere
im Metropol Theater in Wien
feierte. Im Countrymusical geht es
um einen Austrorocker (Andy Lee
Lang), der zum Opfer einer SeelenRückführung wird und im ehemals
Wilden Westen stecken bleibt. Er
bildet sich ein, Buffalo Bill zu sein
und ist die Hauptattraktion in
einem Western-Saloon im Wiener
Prater. Doch schon bald erhält er
in Gestalt eines Strizzis (Adi
Hirschal)
einen
gefährlicher
Gegenspieler. Das Staging ist eine
spannende, aber keine leichte
Aufgabe für den Niederländer
Jerôme Knols.
Fotos: Jerome Knols
Dein letztes Projekt war „Elisabeth“ am
Raimund Theater, eine VBW Produktion.
Wie kamst du auf die Idee, ein Stück im
Metropol zu machen?
Ich wurde kontaktiert und gefragt, ob ich
Interesse hätte. Für mich war es eine Ehre, vor
allem weil das Metropol in Wien ein
renommiertes Theater ist, das jedem bekannt
ist. Ausschlaggebend für meine Zusage waren
aber letztendlich zahlreiche Kollegen, die mir
die Arbeit dort empfohlen haben.
Go West again“ ist eine neue Fassung des
Metropol- Austro- Western (Erster Teil: „Go
West“). Hast du die erste Version gesehen,
wenn ja, wie fandest du sie?
Ich habe es nie gesehen - mit Absicht. Ich
möchte es nämlich nicht kopieren. Das Stück,
dass wir jetzt auf die Bühne bringen, hat mit der
damaligen Version bis auf die Storyline nicht
viel zu tun. Alles ist neu: Angefangen bei der
Regie, über meine Aufgabe - die Choreographie
-, das Bühnenbild, die Kostüme etc. Es wird
eine völlig neue Show geben und das ist schön.
Deswegen hab ich mir die Aufnahme bis heute
noch nicht angesehen.
Was fasziniert dich so an dem Countrymusical?
Ich mag den Witz. Ich finde das Stück sehr
lustig, „urig“, es wird viel im Dialekt gesprochen
und der berühmte Wiener Schmäh eingebaut.
Allgemein sind viele der Scherze auf die
österreichische Mentalität bezogen - das gefällt
mir.
Wie kann man sich deine Arbeit genau
vorstellen - wie gehst du bei der Erstellung
einer Choreographie vor?
Ich denke, jeder Choreograph hat da seine eigene
Vorgehensweise. Ich bekomme eine
Grundvorgabe. Meistens stehe ich frühmorgens
auf und höre mir die Musik an, um sie parat zu
haben. Dann läuft das Ganze in meinem Kopf
wie ein Film ab. Ich habe so eine Leidenschaft
dafür, dass ich den Tanz oft schon vor meinen
Augen sehe. Die, die mit mir arbeiten, kennen
das. Wenn sie mit mir reden, ich aber nur mit
einem Ohr hinhöre und wieder „den“ Blick
aufsetze wissen sie, dass ich gerade eine Idee
habe. (lacht). Schriftlich halte ich das Ganze
dann auf meine Art fest. Ich habe meine Kürzel,
meine Zeichen, um mich daran erinnern zu
können. Die Kunst eines Choreographen ist im
Grunde genommen, das ganze Ensemble
(ausgebildete Tänzer, sowie reine Schauspieler)
gleich gut aussehen zu lassen und auf ein Niveau
zu bringen. Dazu braucht es Geduld. Ich mag
es, meine Ideen vorher fertig ausführen zu
können. Danach bin ich offen für Vorschläge und
Kritik.
Welche Elemente des Tanzes sind in „Go
west again“ zu finden?
Natürlich handelt es sich vor allem um Western
Dance. Aber ich habe versucht, ein paar
„Showgirl“-Effekte reinzubringen, wir haben mit
Tüchern, Schirmen etc. gearbeitet, um das Ganze
optisch noch zu verbessern. Indianertänze habe
ich auch hineingepackt. Mit dem Staging habe
ich aber am Meisten zu tun.
Du hast in deinem Beruf ständig mit Tanz
zu tun. Kannst du dir ein Stück noch neutral
ansehen? Wie geht es dir, wenn du die
Auftritte ansiehst, die du selbst choreographiert hast?
Leider nicht. Ich erfasse wohl alles schon mit
meinem „Tänzergehirn“. Der „Dance Captain
Knall“. (lacht) Erst kürzlich habe ich „Holiday
on Ice“ gesehen. Mein erster Gedanke war „Das
ist eine Cutshow“, aufgrund der Anordnung der
Tänzer. Sowas lässt sich nicht vermeiden. Vor
meinen eigenen Shows bin ich immer wahnsinnig
nervös. Noch mehr, als wenn ich selbst auf der
Bühne stehe. Ich bin unsicher und sehe dann
immer die Fehler, überlege, ob ich etwas besser
machen hätte können. Aber das Lob, das ich
bekomme, macht mich dann natürlich stolz und
ich kann mich über solche Worte immer riesig
freuen.
Wie laufen die Proben, wie ist die
Zusammenarbeit mit der Cast und dem
Regisseur?
Ich muss ehrlich sagen, ich bin so extrem
glücklich hier. Alle sind superlieb, wir arbeiten
klasse zusammen, sind kreativ. Beinahe so sehr,
dass sich das Stück jede Minute komplett drehen
kann. Jeder bringt Ideen ein, wir helfen uns und
haben einfach allgemein ein tolles Arbeitsklima.
Das ist in diesem Beruf nicht immer so, deshalb
weiss ich es sehr zu schätzen. Was mir auch
wichtig ist, dass mit beim Thema Choreographie,
sofern möglich, freie Hand gelassen wird und
ich mich komplett auf meine Arbeit konzentrieren kann. Andy Hallwaxx (Regisseur) ist ein
sehr offener und positiver Mensch, mit Sonja
Schatz, Bernhard Viktorin und Caroline Frank
arbeite ich sowieso gerne. Kurz gesagt: Ich liebe
die Arbeit hier.
Stehst du lieber auf der Bühne oder ziehst
du es vor, im Hintergrund als Choreograph
tätig zu sein?
Ich muss sagen, ich mag beides. Aber auf der
Bühne stehe ich wohl doch am Liebsten. Es ist
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wien; interview // was macht eigentlich ...
•
schade, dass die Arbeit eines Choreographen mit
der Premiere endet, wo für die anderen zu diesem
Zeitpunkt so viel erst beginnt.
Was ist für dich das Schwierigste und das
Schönste an deinem Job?
Das Schwierigste ist, mit mir selbst zufrieden
zu sein. Das Schönste ist zu sehen, dass eine
Idee funktioniert und die positiven
Rückmeldungen. Nach der ersten Haiti Gala kam
eine Frau auf mich zu, gratulierte mir und hatte
feuchte Augen. Oder wenn Schüler aus meinen
Workshops später schreiben oder erzählen, dass
sie bei jedem Tanz an mich denken, so etwas
macht mich glücklich.
Anna Montanaro
ist und bleibt
eine Vollblutkünstlerin,
ihr Herz
gehört der Bühne!
Foto: Anna Montanaro
Original-Choreographie hat mich begeistert.
Aber ich ärgere mich, es nicht schon früher
gemacht zu haben. Mal sehen, ob das noch etwas
wird.
Hast du ein Vorbild, ein Idol in der Welt des
Tanzes?
Für mich steht Hofesh Shechter (Isrealischer
Starchoreograph) ganz oben. Er ist unglaublich.
Aber auch Leute wie Dennis Callahan und Kim
Duddy haben mich beeindruckt und geprägt.
Wie sehen nun deine Zukunftspläne aus?
Bis zur Premiere am 3. Oktober bin ich ja noch
am arbeiten, danach mache ich erstmal Urlaub
und dann werde ich sehen wie es weitergeht.
Aber ich würde gerne in Wien bleiben, so viel
steht fest.
Vielen Dank an Jerôme Knols für den
interessanten Einblick in die Welt eines
Choreographen und viel Erfolg für die
Zukunft!
Balletttänzerin und als Kunstturnerin),
ausdrucksstarker Stimme, harter Arbeit und
eiserner Disziplin gelang ihr eine Karriere, die
ihresgleichen sucht.
Auch nach der Geburt ihrer Tochter 2010 ist sie
der Bühne treu geblieben, hier eine kleine
Auswahl ihrer Aktivitäten:
Bereits im Sommer 2010 übernahm Anna
Montanaro die Hauptrolle in CARMEN – EIN
DEUTSCHES MUSICAL bei den Bad
Hersfelder Festspielen. 2011/2012 konnte man
sie als Grizzabella in CATS in Bielefeld,
Oberhausen und Wien auf Tour sehen. 2013
spielte sie die Reno Sweeney in ANYTHING
GOES am Staatstheater am Gärtnerplatz in
München. Im Frühjahr 2014 verkörperte sie die
Rolle der Anita in WEST SIDE STORY an der
Oper Graz, die sie auch schon 2012 im
Stadttheater Klagenfurt gespielt hat.
Knapp zwei Jahre präsentierte Anna Montanaro
2012/2013 außerdem jeden ersten Montag im
Monat ein besonderes Highlight für alle
Musikliebhaber: Die Veranstaltung MONDAYS
NIGHT im Restaurant MONTANAROS am
Capitol Theater Düsseldorf bot exklusive
Konzerte wechselnder Musicalkünstler in einer
einzigartigen, intimen Atmosphäre bei
kostenlosem Eintritt.
Claudia Schachtschneider
Was macht eigentlich ...
... Anna Montanaro
Du hast schon so viele Jahre im Theaterbusiness auf dem Buckel - gibt es eigentlich
noch ein Stück, bei dem du noch gerne
mitwirken würdest?
Ja, das gibt es, die „West Side Story“ wäre ein
Traum für mich. Das war eines der ersten
Musicals, das ich gesehen habe. Und die
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...der Star aus Musicals wie CHICAGO (Wien, Berlin,
Düsseldorf, München, Basel, London und New York), JESUS
CHRIST SUPERSTAR (Bad Hersfeld), JEKYLL & HYDE (Köln),
CABARET ( Düsseldorf), MAMMA MIA! (Essen) und CATS
(Zürich, Oberhausen)?
Anna Montanaro ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten
deutschen Musicaldarstellerinnen. Nach Ute Lemper und Hildegard
Knef ist sie die einzige deutsche Künstlerin, die jemals eine Hauptrolle
am New Yorker Broadway spielte: die „Velma Kelly“ in CHICAGO.
Mit viel Talent, insbesondere auch als Tänzerin (sie begann als
Seit 2013 hat sich Anna Montanaro ein zweites
Standbein geschaffen: Sie gehört zum Creative
Team von Mehr! Entertainment GmbH und ist
für die Entwicklung von Bühnenstoffen
innerhalb der Mehr! Entertainment Gruppe
verantwortlich. Ihr erstes Projekt als Creative
Director war die Tourproduktion von 49 ½
SHADES - Die Musical Parodie, die bisher in
Düsseldorf, Zürich und Hamburg zu sehen war.
Ab Februar 2015 spielt sie am Staatstheater am
Gärtnerplatz in München in der Uraufführung
von GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN und
im Anschluss daran ein Schauspielstück in der
Komödie Düsseldorf.
Anna Montanaro ist und bleibt eine
Vollblutkünstlerin, ihr Herz gehört der Bühne!
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Andrea Martin
Das OFF Theater
•
Wünsch dir was
wien
OFFstage ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der
Förderung und Entwicklung von Off-Musicals in Österreich zur Aufgabe gemacht hat. Am Broadway und
am West End schon gang und gäbe, in Österreich haben sie noch wenig Tradition. Sieben SängerInnen,
Oliver Arno, Suzanne Carey, Martin Berger, Bettina
Bogdany, Bernhard Viktorin, Dagmar Bernhard und
Jakob Semotan gründeten 2013 diesen Verein. Als
neues Mitglied stieß 2014 Martin Pasching dazu. Die
Künstler vermarkten sich selbst und jeder hat bestimmte Aufgaben wie z.B. Newsletter, Facebookpräsenz, terminliche Organisation der Proben, Pressearbeit etc. übernommen. Sie machen es neben ihren
hauptberuflichen Engagements und es kann natürlich sein, dass nicht alle bei jedem Auftritt dabei sein
können. So fehlte am 6.9., als sie zum Programm
„Wünsch dir was“ luden Martin Berger (er hörte sich
lieber „We will rock you“ im Radio Ga Ga an) und Jakob Semotan (er befand sich „Shrek“lich weit weit
weg). Als Gast konnte aber Rory Six gewonnen werden. Begleitet wurden die sieben von Andreas Brencic
am Klavier. OFFstage präsentierte den rund 100 Anwesenden ein äußerst innovatives Projekt.
Es wurden vier unterschiedliche zwei Personen
Musicals vorgestellt und ein Einblick in den
Inhalt und die musikalische Vielfalt des Stücks
gegeben. Um die „demokratische Weltordnung“
(O-Ton Arno) wieder herzustellen, durfte das
Publikum am Ende über das „Schicksal“ eines
Stücks entscheiden. Es gab eine eigene Wahlkarte, wobei natürlich eine Mehrfachnennung
unweigerlich zu einer ungültigen Stimme führte.
Wer seinen Namen auf den Zettel schrieb, hatte
auch die Aussicht auf eine Freikarte für das
Siegerstück. Das mit den meisten Stimme wird
im Frühjahr 2015 aufgeführt werden.
Die SängerInnen waren allesamt elegant in
schwarz/weiß gekleidet und Arno bat um
objektive Bewertung, da die sieben ja noch nicht
sagen können, wer schlussendlich die Rollen im
gewählten Stück spielen wird. Es gab kein
Staging, keine Regie, keine Requisiten, nichts
sollte vom Inhalt und den dargebotenen Songs
ablenken. Eines hatten alle Stücke gemeinsam,
die Liebe, auf welche Art das musste das
Publikum selbst herausfinden.
Beim ersten Stück „Heirat‘ mich ein bisschen“
(Musik und Songtexte stammten von Stephen
Sondheim) übernahm Viktorin die Rolle des
Erzählers. Es ging um die Geschichte von zwei
Singles, die in einer Großstadt im gleichen Haus
Fotos: Andrea Martin
leben. Aus banalen Tätigkeiten entwickeln sich
musikalische Situationen. Im Musical wird
komplett auf Dialoge verzichtet, die Songs
stehen im Mittelpunkt und erzählen die
Geschichte. Schlussendlich finden beide nach
einer missglückten Verabredung heraus, dass sie
nicht zueinander passen und sie weiterhin
Singles bleiben. Verarbeitet wurden Lieder, die
Sondheim zwischen 1954 und 1973 geschrieben
hatte, die aber nicht veröffentlicht wurden.
Suzanne Carey und Bernhard Viktorin bestritten
den ersten Titel „Sonnabend Nacht“, bei dem
vor allem Suzanne ihre wahnsinnig kräftige
Stimme auspackte. Bei „Kann der gut Foxtrott“
zeigte Bettina Bogdany ihre humorvolle Seite.
Das Wort Foxtrott wurde wohlweislich mit einer
Kunstpause nach dem F gesprochen, sodass man
unter Umständen schon an etwas anderes hätte
denken können. Viktorin meinte danach
verschmitzt, er würde gerne vom Publikum
wissen, an wen von den vier Sängern Bettina
wohl gedacht hätte. „Sekunden mit dir“, ein
Duett zwischen D. Bernhard und Arno klang
mehr nach einem Duell, da beide eher
gegeneinander mit unterschiedlichen Texten
sangen. Dagmar lieferte am Ende eine Soloshow
und musste von Oliver regelrecht gestoppt
werden. Aufgrund ihres Stimmvolumens war für
Suzanne bei ihrem Solo „Doch nicht Trompeten“
der Saal fast zu klein. Was für eine Stimme!
Rory Six interpretierte den titelgebenden Song,
ebenfalls eine starke stimmliche Leistung, das
Lied selbst war gewöhnungsbedürftig. (Detail
am Rande, Six spielte die männliche Hauptrolle
in eben diesem Stück im September, welches er
sich für sein eigenes Theaterprojekt, die
sogenannte theatercouch, ausgewählt hatte).
Beim nächsten Stück mit dem klangvollen Namen „Die Tagebücher von Adam und Eva“ übernahm Dagmar Bernhard die Rolle der Erzählerin.
Marc Seitz (Musik) und Kevin Schroeder (Buch
und Liedtexte) haben ein Musical, basierend auf
dem gleichnamigen Buch von Mark Twain verfasst. Schon im Garten Eden finden Adam und
Eva heraus, dass es gewaltige Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Von wegen Liebe auf
den ersten Blick und friedvolles Zusammenleben. Es gibt Streit, Versöhnung, zwei Söhne
und natürlich die Versuchung. Das erste Duett
kam von Dagmar und Martin und trug den Titel
„Liebes Tagebuch“. Nicht alles ist eitel Wonne
und beide finden die traute Zweisamkeit nicht
immer lustig, vor allem, weil sie nur einander
haben und sich oft auf die Nerven gehen. Das
kam vor allem in dem Lied gut zum Ausdruck.
„Nur ein Funke“ sprang zwischen Dagmar und
Bernhard über. „Sei ein Mann“ dachte sich Oliver Arno und gab sich ordentlich männlich bei
dem Titel. „An jedem Tag“ war die letzte Nummer, gesungen von Bettina, bei einer Reprise
stieß Oliver dazu. Alles in allem klang es nach
einem sehr chaotischen und unterhaltsamen
Stück. Nach der Pause folgte auch schon das
dritte Stück mit dem Titel „Helle Nächte“, welches von Bogdany erzählt wurde. Das Stück
stammt von Martin Doll (Libretto und Songtexte) und Stefan Wurz (Musik) und basiert auf
der Erzählung von Fjodor Dostojewski. Diese
Geschichte war vermutlich die melancholischste und schwerste und hatte vielleicht deshalb
nur Außenseiterchancen auf den Gewinn. Erzählt wird die Geschichte von zwei Menschen,
Michail und Nasstenka in St. Petersburg.
Michail ist viel alleine und seine einzigen Freunde sind die Häuser der Stadt. Er trifft zufällig
auf das Mädchen und verliebt sich in sie, obwohl sie ihm davon abrät. Mit der Zeit gewinnt
er ihr Vertrauen und sie erzählt ihm ihre
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wien // cd-tipps
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Geschichte. Er erfährt, dass sie bei ihrer Großmutter lebt, die
mütterliche Fürsorge etwas zu radikal interpretiert und der
Enkelin keine Freiräume lässt. Außerdem wartet Nasstenka auf
einen Mann. Er war vor einem Jahr Mieter bei der Großmutter
und sie hat sich in ihn verliebt. Wie es das Schicksal will, kehrt
eben dieser zurück zu ihr, als ihr Michail seine Liebe gestanden
hat. Sie mag ihn, aber ihr Herz schlägt noch immer für den anderen.
Michail bleibt allein zurück. Das erste Duett von Bettina und
Martin trug den Titel „Helle Nächte“. Es erinnerte sehr an
Filmmusik, nur eben mit Gesang und wirkte sehr schwer.
Bernhard Viktorins Solo „Ohne sie“ war ein anspruchsvolles
Lied mit schönem Text, lediglich der Einstieg am Klavier war
gewöhnungsbedürftig. Ganz viele Emotionen legte Bettina
Bogdany in den Titel „Ich sitze still“, bei dem klar wurde, warum
dieser Charakter so traurig und gierig nach Freiheit war. Sehr
gefühlsintensiv war auch „Was es heißt, wenn man liebt“, ein
Duett von Six und D. Bernhard. Rory verkörperte Michail und
dieser wiederum spielte den fremden Mann, in den sich Nasstenka
seinerzeit verliebt hatte. Viel Hoffnung drückte auch Carey bei
ihrem Solo „Welch ein Clown“ aus. Dieses Musical könnte man
meinen hat keinen guten Ausgang, da Nasstenka nicht mit Michail,
sondern mit dem fremden Mieter zusammenkommt. Arno meinte,
dass es eine traurige Sache sei, Bogdany erwiderte daraufhin
aber folgerichtig, dass es darauf ankommt aus welcher Sicht man
das Ende betrachtet. Beim letzten Stück des Abends, das unter
dem Titel „Thrill me“ lief, fungierte Arno als Erzähler. Humorig
meinte er „jetzt wird es düster, alle unter 16 Jahren sollen den
Saal verlassen“. Das zwei Mann Musical basiert auf einem
wahren Kriminalfall, Stephan Dolginoff verfasste Musik, Buch
und Gesangtexte. Die deutsche Übersetzung stammt von Bernd
Julius Arends. Chicago 1934, Nathan und Richard sind sehr
erfolgreiche Studenten und mit ihrer Intelligenz vielen überlegen.
Ihnen ist langweilig und sie lenken sich mit Einbrüchen,
Diebstählen und Brandstiftung ab. Das genügt ihnen nicht und
sie planen den perfekten Mord. Richard scheint die treibende
Kraft des Duos zu sein und Nathan der ihn bedingungslos liebt
ist ihm hörig. Als Opfer wird ein Nachbarsjunge auserkoren,
kaltblütig ermordet, mit Säure entstellt, damit ihn niemand erkennt
und versteckt. Zu dumm nur, dass Nathan am Tatort seine Brille
verloren hat und über kurz oder lang, nachdem die Leiche
gefunden worden war, die heiße Spur zu ihm führt, da es eine
Spezialbrille war. Er verrät seinen Freund und beide landen
lebenslang hinter Gitter. Die Story könnte zu Ende sein, aber das
Publikum erfuhr, dass der eigentliche Psychopath Nathan ist. Er
hatte absichtlich die Spur mit der Brille gelegt, da er ein Leben
lang mit Richard vereint sein wollte. Der Prolog wurde vom
Pianisten gespielt, das erste Duett fand zwischen Rory Six und
Bernhard Viktorin statt, wobei Six Richard und Viktorin Nathan
verkörperte. Rory wirkt sonst eher lammfromm, hier zeigte er
eine absolut neue Seite von sich und wirkte bei „Vertraglich
sicher“ so richtig grausam. Zusammen mit Bernhard gaben sich
beide diabolisch und auch ohne Bühnenbild konnte man sich
diese beiden in dem Stück vorstellen. Beim Song „Roadster“
schlüpfte Arno in die Rolle von Richard. Er klang sehr hinterhältig
und einschmeichelnd, so als ob wirklich vor ihm das Opfer wäre.
Bei „Meine Brille“ musste er umdenken, da er dann auf einmal
Nathan sang, Martin Pasching stand ihm als Richard gegenüber.
Pasching gab sich megacool und ohne Sorgen, Arno ängstlich und
bekümmert. Ein unglaublich starkes Duett. Bei „Viel zu weit“
schlüpfte Martin auch noch in die Rolle des Nathan und
präsentierte das letzte Lied des Abends.
Dann erfolgte die Vergabe der Stimmzettel und Dagmar machte
eine witzige Zusammenfassung des Abends à la „Herzblatt-Susi“.
Dann begann die Auszählung, das alleingelassene Publikum
wartete. Arno und Viktorin verkündeten dann auf sehr spannende
Art den Sieger und waren froh, dass es nur gültige Stimmen
gegeben hatte. Schlussendlich wurde als haushoher Sieger das
Stück „Thrill me“ bekanntgegeben. Eine fixe Aufführungsperiode
ist noch nicht bekannt, aber man kann sich gerne auf der
Facebookseite des OFFstage Vereins informieren.
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Nach „A Very Murray Christmas“ sowie
diversen Konzerten setzt sich mit
„Musical Times hoch 5“ die erfolgreiche
Zusammenarbeit zwischen Musicaldarsteller Chris Murray und Komponist,
Toningenieur und musikalischer Leiter
Philipp Polzin fort. Der Titel soll laut Murray
nicht nur symbolisch für 5 heutige
Topkomponisten stehen, sondern auch
„für ganz viel Musiktheater“. So wollte
er auf seiner neuen CD nicht nur sein
derzeitiges Rollenrepertoire präsentieren, sondern einen Rundblick auf das
Musiktheater unserer heutigen Zeit
geben. Dazu gehören auch weniger bekannte und neue Lieder.
Auf zwei CDs mit insgesamt 42 Tracks (23 auf der Ersten, 19 auf der Zweiten)
präsentiert Murray sein ganzes stimmliches Können. Er leitet schwungvoll ein mit
„Superstar“ aus „Jesus Christ Superstar“. Der erste Teil beinhaltet bekannte Titel
wie „Bring him home“ und „Der doppelte Schwur“ aus „Les Misérables“,
„Einsamer Mann“ aus Dracula, „Illusion vom Paradies“ aus „Elisabeth-Legende
einer Heiligen“ sowie „Jung, schön und geliebt“ aus „Evita“. Allesamt Rollen, die
er schon auf der Bühne verkörpern durfte. Aber er wagt sich beispielsweise auch an
Songs aus dem „Mann von La Mancha“, „Chess“ oder „Der fliegende Holländer“.
Gemeinsam mit Elisabeth Hübert singt er ein traumhaftes Duett: „Wo sind deine
Träume hin“ aus dem Musical „Friedrich, Mythos und Tragödie“. Beim Aida
Stück „Durch das Dunkel der Welt“ wird er von Angela Schlüter unterstützt.
Auch die Stücke „Children of Eden“, „Der Ring“, „Poe/The Raven“, „Tell“, „Chitty
Chitty Bang Bang“, „Shylock!“ und „Die Erschaffung der Welt“ sind vertreten.
Von gefühlvoll bis kräftig – er zeigt stimmlich alles, was in ihm steckt.
Eine Reise durch das Musical-Repertoire beinhaltet auch der zweite Teil. Zwei
wunderschöne Dracula Titel – „Je länger ich lebe“ sowie „Ich leb‘ nur weil es dich
gibt“- sind gemeinsam mit der „Musik der Nacht“ aus dem weltbekannten „Phantom
der Oper“ wohl die Highlights der gesamten Aufnahme. Aber auch mit der „Musik
der Nacht“ und bei „Til I hear you sing again“ aus der Phantom-Fortsetzung
„Love never dies“, welche letztes Jahr konzertant im Ronacher Wien lief, kann
Murray überzeugen. Natürlich darf ein weiterer Jesus Christ Titel –„Heaven on
their minds“ -nicht fehlen. Etwas fehl am Platz wirkt dabei nur „Am Anfang war
das Wort“ aus der „Erschaffung der Welt“, welches zwischen Dracula und das
Phantom gepackt wurde und dabei nicht mithalten kann. Zwei Stücke aus „Notre
Dame de Paris“ bringen wieder das Gefühl in seiner Stimme hervor, aber auch
„Shylock“ und „Der fliegende Holländer“ sind wieder vertreten. Unbekanntere
Titel wie „Mark’s Priory“ aus „Das indische Tuch“ runden das Ganze wunderbar
ab. Mit „Stars“ aus „Les Misérables“ erinnert sich Murray an seine Zeit als Javert
zurück. Einen Schub an Emotionen bringt er mit „Wie kann ich sie lieben“ aus „Die
Schöne und das Biest“.
Durch die Vielzahl der Lieder und die, wie es scheint, mit Bedacht ausgewählte
Songwahl merkt man, dass Murray diese Aufnahme sehr am Herzen lag. Er fand –
so wie er es wollte- eine gute Balance zwischen Titeln, die von ihm schon bekannt
und eingängig sind sowie Liedern, die man sonst vielleicht seltener zu hören bekommt.
Stimmlich steht außer Frage, dass Chris Murray einer der Besten in seinem Gebiet
ist. Er spielt mit der Stimme, ob Kopf-oder Brust, laut, leise, aufgebracht, gefühlvoll:
Der Hörer bekommt beinahe den Eindruck, die Songs würden nicht vom selben
Mann stammen.
Was der CD allerdings fehlt sind etwas schnellere, fröhliche und lockere Nummern.
Es handelt sich großteils um schwermütige Stücke, was Murray nichts an Qualität,
rein an der Songwahl abspricht. Vermutlich wäre es besser gewesen, dazwischen
mit ein paar flotteren Liedern die doch düstere Stimmung aufzulockern, die
aufkommt, sobald man sich einige Songs hintereinander anhört. Gesungen wird fast
alles auf Deutsch, lediglich ein paar Lieder interpretiert Murray auf englisch, sowie
eines sogar auf französisch.
Ein Manko liegt an der Optik. Das graue Titelbild mit kleinem Titel in dünner
Schrift und einem fahlen, einfachen Bild Chris Murray’s hätte man wohl etwas
lebendiger gestalten Können. Das Booklet allerdings bietet alles, was man braucht.
Übersetzungen der englischen und französischen Texte, einige Worte von Murray
selbst (auf Deutsch und Englisch), Fotos und eine Titelliste.
Alles in allem eine qualitativ hochwertige CD, die nicht nur Musicalliebhaber
begeistern wird.
Der musicalcocktail verlost 3x die CD!
EMail, Fax oder Postkarte mit Stichwort MURRAY an bekannte Adresse.
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Fotos: Andrea Martin
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Andreas Steppan ist Musicalliebhabern vor allem aus
seinen Rollen in den letzten beiden Sommerproduktionen („Xanadu“, „Flashdance“) aus Amstetten
ein Begriff.
Er ist Schauspieler, Sänger, Entertainer und in der letzten Funktion trat er mit seinem Kabarettprogramm
„Schwerkraft, Linksfahrer und andere Ärgernisse“ am
12.9. im Theater 82er Haus in Gablitz auf.
(Weitere Auftrittstermine und mehr kann man auf seiner Homepage www.steppan.at nachlesen).
Andrea Martin
von und mit Andreas Steppan im Theater 82er Haus
Schwerkraft, Linksfahrer und andere Ärgernisse
niederösterreich/ gablitz
Eine Art hölzerner Regiestuhl und
ein Tischchen mit einem Getränk
waren außer dem Künstler selbst
alles, was sich auf der Bühne
befand. Der kleine Theatersaal war
voll und kaum, dass Steppan die
Bühne geentert hatte, legte er auch
schon los mit seinem Programm.
Erst nach einer kurzen Weile kam
er darauf, dass er etwas
Wesentliches vergessen hatte,
nämlich die Begrüßung, was er
dann aber nachholte. Dieses
Vergessen war aber natürlich
Bestandteil des Programms und
deutete schon sehr auf ein
Hauptthema seines Programms,
das Älterwerden und die damit
verbundenen Veränderungen, hin.
Fast den ganzen Abend hindurch
machte er sich, zum Gaudium des
Publikums, über seine Figur lustig
und nahm sich sehr oft auf’s Korn.
Natürlich muss man sagen, war
doch einiges an den Haaren
herbeigezogen und nicht alle
Problemzonen, die er an sich
bemängelte
waren
auch
offensichtlich, er nahm sich selbst
einfach als Beispiel für
älterwerdende Männer. So z.B.
gestand er, dass er, aufgrund des
Alters und seines Gewichts nicht
immer gleich wieder hochkommt
und auch der Gedanke, dass einmal
nichts mehr bei ihm swingt,
machte ihm zu schaffen. Er
offenbarte den Anwesenden, dass
er gerne männlich ist und im
Freundeskreis sowohl als „der den
Teller ableckt“ als auch als
„Grillator“ bekannt ist. Vom Essen
kam er auf die Verdauung zu
sprechen, der er aber doch lieber
ein eigenes Programm
widmen wollte. Ein paar
seiner Gags kannte man
schon, aber so wie er sie
brachte, konnte man auf
jeden Fall trotzdem darüber
lachen. Pech war nur, wenn
das Publikum ihm die
Pointe schon vorab
wegnahm. Er nahm diese
Art von Mitarbeit auf jeden
Fall mit Humor. „Bauch sei
dank“ hatte er bemerkt,
dass viel Körperteile schon
vor ihm einschlafen, da konnte auch die
Tatsache, dass er seit einiger Zeit nur mehr
schwarz trägt, schwarz macht ja bekanntlich
schlank, wie es so schön heißt, nicht helfen.
Sehr eindrucksvoll präsentierte er auch die
Unsichtbarkeit seines Gürtels und das
Publikum musste ihm die Farbe nennen, da
er ihn selbst schon lange
nicht mehr gesehen hatte.
Auch das Thema Gesundenuntersuchung
wurde
behandelt und das Publikum
amüsierte sich köstlich
über seine Erlebnisse bei der
Prostatavorsorgeuntersuchung. Während des
Programms brachte er viele
Schlüsselerlebnisse des
Älterwerdens näher und
berichtete u.a. von seinen
Haaren mit Migrationshintergrund, seiner Vergesslichkeit und der Sache mit
dem namenlosen Ding, bei
dem nicht einmal mehr ein
Notizzettel hilft. Nach der
Pause ging es u.a. mit
Anekdoten rund um’s
Fliegen weiter. Vor allem ein
übersetztes Einreiseformular
in die USA verblüffte das
Publikum und es kam zu
interessanten Interaktionen
wie eigentlich den ganzen
Abend über. Im Normalfall
unterhält sich derjenige auf der Bühne mit
dem Publikum, in Gablitz war es sehr oft
anders. In vielen Situationen stimmten die
Gäste ihm oft zu, tätigten Aussagen und
unterhielten sich regelrecht mit ihm, so
als ob es selbst Teil des Programms wäre.
Es kam fast schon zu Zwiegesprächen
zwischen einzelnen Personen und
Andreas Steppan. Neben den Themen
Autos und Hunde kam er auch auf Mann
und Frau und ihre Beziehung
zueinander zu sprechen. Eine
absolut witzige Punkteliste für den
Mann zeigte auf, dass ein
Zusammenleben unter Umständen
nicht immer ganz einfach ist.
Das Publikum war, als das Ende
des Programms gekommen war,
sehr begeistert, doch als sich
Steppan gar vor die Wahl
„Kurzurlaub oder Gablitzer
Publikum“ stellte, entschied er sich
mit den Worten „ich werde sie
vermissen“ für den Urlaub.
• seite 53
deutschland/ tecklenburg
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Auf der kurzzeitig ins Münsterland verlegten und eigentlich durch Hollywood bis nach Santa Monica
führenden Prachtstraße sind die gleißenden Lichter inzwischen längst wieder verlöscht. Der lokale
„Sunset Boulevard“ ist wieder auf sein ursprüngliche Maß zurechtgestutzt und zu dem geworden, was
er ursprünglich war: Eine Fußgängerzone in Tecklenburg. Mit dem gleichnamigen Webber-Klassiker
hatten die hiesigen Freilichtspiele in der abgelaufenen Spielzeit zum zweiten Mal auf die Sir Andrew
Lloyd-Karte gesetzt. Nach dem beschwingten, leichten und bunt-knalligen Bibel-Happening „Joseph“
des britischen Musical-Papstes präsentierte die Bühne, es lebe der Kontrast, als zweites saisonales
Stück 20 mal in Folge dessen eher düsteres, schwermütiges und dramatisches Werk um die alternde
Stummfilm-Diva Nora Desmond. Die Story basiert übrigens auf dem Billy-Wilder-Film „Boulevard der
Dämmerung“ aus dem Jahr 1950.
Jürgen Heimann
Träume aus Licht
Sunset Boulevard
Fotos: Freilichtbühne Tecklenburg
Für Tecklenburg ist „Sunset
Boulevard“ eigentlich ein völlig
atypisches Projekt. Hier braucht man
eher breit angelegte, opulente
Ensemble-Szenen, um, Masse und
Klasse, die hauseigenen Trümpfe, die
sich in einer entsprechend großen
Statisterie und einem ebenso
stattlichen Chor manifestieren,
ausspielen zu können. Solche auch
bühnenfüllenden Möglichkeiten
bietet dieses Stück, das stellenweise
wie ein Kammerspiel daherkommt,
kaum. Das mag auch erklären, warum
die Verantwortlichen sich zunächst
eher halbherzig um die Aufführungsrechte bemüht und den Bad
Hersfeldern dabei gerne den Vortritt
gelassen hatten. Die Osthessen
brachten 2011 republikweit die erste
Open-Air-Inszenierung mit der
deutschen Ur-Norma Helen
Schneider in der Titelrolle auf die
Bühne ihrer imposanten Stiftsruine.
Aber es war abzusehen, dass früher
oder später auch zwischen Münster
und Osnabrück kein Weg an einer
solchen Produktion vorbeiführen
würde. Davon abgesehen: Der
Spielplan will und muss ja schließlich
Jahr für Jahr bestückt und ausgefüllt
werden.
Große Posen zwischen Liebe,
Eifersucht und Wahn
Aber es hat funktioniert. Natürlich.
Was sicherlich teils auch an der
soliden, einfühlsamen und stimmigen
Regiearbeit eines Andreas Gergen
gelegen haben mag, der der
Versuchung widerstand, hier das Rad
neu zu erfinden. Der Mann
orientierte sich ziemlich exakt und
penibel an der Vorlage, zeichnete die
Charaktere glaubwürdig und stimmig
und schenkte vor allem den großen
Posen der Diva Aufmerksamkeit. Die
Implementierung diverser komö-
diantischer Elemente wirkte stellenweise
bemüht, war aber sicherlich vor allem
dem Bestreben geschuldet, der
Geschichte um Liebe,Triebe, Enttäuschung , Eifersucht und Wahn etwas
von ihrer bedrückenden Düsternis zu
nehmen.
In Punkto Casting und Personalauswahl
beweisen die Hausherren ja seit jeher ein
glückliches Händchen. Das war auch
diesmal nicht anders. Maya Hakvoort,
Traumbesetzung, sang phänomenal und
verlieh dem alternden Star durch ihr
akzentuiertes und differenziertes Agieren
Tiefe, Authentizität, Glaubwürdigkeit,
Würde und, ja, verblasster Ruhm hin oder
her, auch Größe. Norma Desmond hatte,
als sie im Theater auf der Burg erstmals
mit großer Gestik ins Scheinwerferlicht
trat, ihre beste Zeit schon lange hinter
sich hatte. „Out of Time“, um es mit
Jagger-Richards zu formulieren. Die
Lady war aus selbiger gefallen, wollte es
aber, im Gegensatz zu ihrem Umfeld,
nicht wahrhaben. Konnte es, ein Hoch
auf die Realitätsverzerrung, vielleicht
auch gar nicht.
Eine tragische Figur, die am Ende in geistige
Umnachtung abtauchen sollte. Eine
selbstherrliche, im großen Gestern
steckengebliebene alternde Frau, reich an
Geld, aber arm an Tiefe und Erfüllung,
mit der man(n) aber trotz ihres arroganten, überheblichen und allürenhaften
Gehabes Mitleid haben musste. Als die
Bilder auf der Leinwand laufen lernten,
war die Diva eine große Nummer
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gewesen, deren Glanz alles überstrahlte. Als eben
diese Bilder aber anfingen zu sprechen, war
definitiv Schluss mit lustig. Das wusste jeder,
nur sie selbst nicht. Es ging bergab in Richtung
Bedeutungslosigkeit. Aber die Storyline dürfte
ja sattsam bekannt sein.
So fern uns nicht gerade verwöhnten GZSZund DSDS-Guckern die Glitzerwelt des frühen
Hollywoods, in der die Geschichte angesiedelt
ist, auch sein mag, so wenig sie mit unserer
eigenen Lebenswirklichkeit zu tun haben mag,
das Schicksal der Protagonistin berührt uns
doch. Dass sie ihren Lover, den jungen,
mittellosen Drehbuch-Schreiberling Joe Gillis
letztendlich aus enttäuschter Liebe mit drei
gezielten Schüssen zu den nicht vorhandenen
Fischen in den Pool schickt, nehmen wir ihr
eigentlich auch gar nicht mal so übel. Aber der
von Julian Looman verkörperte und ach so
indifferente Toyboy, der es eigentlich lieber mit
der knackig-feschen und lebenslustigen Betty
Schaefer (Elisabeth Hübert) treiben würde,
denn mit der vergilbten Jung-Seniorin, bei der er
nur der Kohle wegen ausharrt, ist noch nicht
einmal der wichtigste Mann an Nora Desmonds
Seite. Das ist „James“, der Butler, der in dem
Stück natürlich ganz anders heißt, nämlich Max
(von Mayerling). Der alten Dame immer noch
in (von ihr selbst nicht erwiderter) Liebe
zugetaner Ex-Ehemann, Förderer und Regisseur.
Paraderolle für Reinhard Brussmann. Das ist
bzw. war seine Stunde. Was für ein (dem Script
folgend minimalistisch orientiertes) Spiel, was
für eine Stimme! Der gebürtige Österreicher ist
in Tecklenburg längst zum Publikumsliebling
avanciert, und das, obwohl er hier bislang nur
mit kleineren Rollen, die ihn kaum forderten, zu
sehen und zu hören war.
Aber von ihm mal abgesehen: Julian Loomann
sollte in Folge mit seinem Part, seiner neuen
Aufgabe wachsen. Den Pyramiden-Guru in
„Joseph“ hat man dem ambitionierten jungen
Künstler nicht so richtig abnehmen wollen/
können. Als Pharao wirkte er, gemessen an
seinen Vorgängern, eher blass und uninspiriert.
Aber als finanziell auf dem letzten Loch
pfeifender Story-Zuträger einer überdrehten,
synthetischen Hollywood-Scheinwelt war er
echt gut. Der richtige Mann am richtigen Platz,
hin- und herzweifelnd zwischen den Optionen,
sich sorgenfrei im luxuriösen Umfeld einer
verblühten Leinwandoma von dieser aushalten
zu lassen, oder als armer, aber in seinen
Entscheidungen freier Poet in einem Loch
zwischen Fliegenschmutz und Rattendreck
dahin zu vegetieren – nebenbei aber seinem
Herzen zu folgen.
Ergreifende Momente und
wunderschöne Melodien
Die Partitur, von Tjaard Kirsch und seinem
großen Orchester wie gewohnt souverän
aufbereitet und umgesetzt, ist komplexer und
weniger eingängig als die meisten anderen
Kompositionen des geadelten Webber. Was
hängen bleibt, auch in den Gehörgängen, sind
„Nur ein Blick“, „Träume aus Licht“ natürlich,
„Die Rechnung zahlt die Dame“, „Ein gutes
Jahr“, „Als hätten wir uns nie Good-bye
gesagt“ und ganz gewiss der Titelsong. Diese
wunderschönen Melodien nach zu trällern, dazu
mögen die Wenigsten imstande sein, aber sie
liegen, der jeweiligen Situation entsprechend,
genau auf dem emotionalen Punkt. Im Verbund
mit den geschickt konzipierten und niemals
aufgesetzt Choreografien eines Daniel
Costello und den gewohnt herrlichen, den
Modegeschmack der damaligen Zeit repräsentierenden Kostümen einer Karin Alberti
erschloss sich den Zuschauern so eine ihnen
fremde (Schein-)Welt, die trotz ihrer Intrigenbegünstigenden Künstlichkeit doch ein
gewisses Maß an Faszination beinhaltete und
Spalier stand für eine Menge ergreifender
Momente.
Reden wir nicht von den (kleinen) tontechnischen Pannen, über die noch die
Premierengäste geklagt hatten. So etwas
passiert. Es ist ja „live“. Und der positive
Gesamteindruck mag dadurch kaum
geschmälert werden.
Die Tecklenburger Produktionen laufen in der
Regel wie eine gut geölte Maschinerie ab:
routiniert, professionell, einfallsreich, gewürzt
mit viel Phantasie, Kreativität und Know-How.
Und wer nicht damit leben kann, dass sich sein
Sitznachbar während der Show vielleicht ein Bifi
zwischen die Zähne schiebt oder an einem
Piccolo nuckelt, sollte das nächste Mal einen
Bogen um das Städtchen machen und sich
stattdessen in einem hochpreisigen EnSuiteTempel einbuchen. Da wird in den Rängen
möglicherweise nicht so laut gekaut. Dafür
sind die Tarife hier jedoch dreimal so hoch,
die Inszenierungen aber nicht unbedingt
besser.
Attacke aus der Abteilung
„Rächer der Enterbten“
Nach der Saison ist vor der Saison. In
Abwandlung des alten Sepp-HerbergerAusspruchs haben die Münsterländer die
Weichen für die Spielperiode 2015 längst gestellt.
Zunächst miauen dort einmal die CATsen. Auf
den Webber-Oldie hatte man sich schon relativ
früh verständigt. In diesem Fall wird das Theater
zur Müllhalde, und die Miezen treffen sich
zum Jellicle-Ball.
Der Attacke-Abteilung „Rächer der Enterbten“
entstammt „Zorro“, der Mann mit der Maske.
Und der zieht kommendes Jahr in Tecklenburg
blank. Intendant Radulf Beuleke und die Seinen
präsentieren das gleichnamige Musical mit der
Musik der Gipsy Kings und John Camerons in
Deutscher Erstaufführung.
Auf die jüngeren Gäste wartet eine komplett
neue Fassung von „Die Schöne und das Biest“.
Das Familienmusical ist bisher schon zweimal
in Tecklenburg aufgeführt worden.
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London und das heruntergekommene Viertel East End: Die zwei rivalisierenden Jugendbands Excons
und Def:k proben für ihren Auftritt in der Casting-Show „Raga“ und das Ticket in eine bessere Welt - Rock
vs. Rap. Als die gegenseitigen Anfeindungen und Gewalt zu eskalieren drohen, schreitet der ehemalige
Tänzer und Streetworker Blair ein und versucht zu vermitteln. Denn eines steht fest, die Excons und
Def:k haben nur gemeinsam eine Chance, sich im allgemeinen Casting-Wahn durchzusetzen. Zeitgleich
versuchen auch die Stadtdelegation unter Bürgermeisterin Abigail Bishop und der intrigante Architekt
Tom Sells ihre eigenen Ansinnen im verwahrlosten East End zu verwirklichen. Haben die Jugendlichen
dort überhaupt noch eine Zukunft?
Foto: MTA Puchenau
Zuerst war da der Wunsch, eine
Hommage als Verbeugung vor der
Rockgruppe Queen zu kreieren. Es
folgten Taten und im August 2014
die Uraufführung von „Breaking
Free“, dem engagierten MusicalProjekt der Musical and Theatre
Academy Puchenau in Kooperation
mit dem Popular Musik Institut,
der Anton Bruckner Privatuniversität und dem Landestheater
Linz (Idee und Konzept: Susanne
Kerbl & Nicola Howes, Dialoge:
Elke Maria Schwab, Musikalische
Leitung: Gottfried Angerer).
Veronika Zangl
No Barriers, No Generation
Breaking Free - A Rock Tribute
oberösterreich/ linz
„Breaking Free – A Rock
Tribute“ ist eine laute, schnelle und
aufmüpfige Reverenz an 40 Jahre
Queen, angereichert mit zeitgenössischen Rap- und Breakdance
Elementen und komplementiert
durch engagierte SolistInnen, die im
Laufe des Stücks Barrieren und
Vorurteile überwinden. Vokal stark
sind vor allem die beiden
Protagonisten Brian und Deborah;
Dirty Dancings Johnny trifft auf
„Baby“, wenn sich der Band Leader
der Excons und die wohlsituierte
Bürgermeistertochter einander
annähern. Michael Kellner
überzeugt gesanglich vom ersten
Augenblick („Crazy little thing
called love“) und ist mit seinem starken,
wohlklingenden
Timbre,
viel
jugendlichem Esprit und einem
absoluten Coolness-Faktor die ideale
Besetzung des jungen Revoluzzers
Brian. Teresa Huprich knüpft fast
nahtlos an die Leistung ihres männlichen
Kollegen an, indem sie eine feminin
feinfühlige, aber trotzdem rockige
Deborah präsentiert, der sie klare
stimmliche Nuancen verleiht. Die
anfangs geweckten Erwartungen werden
vokal und instrumental eingelöst. Eine
starke Queen-Nummer reiht sich an die
nächste, es wurde tief im musikalischen
Fundus gegraben und hervorragend
interpretiert („Don’t stop me now“,
„Killer Queen“, „Somebody to love“
usw.). Susanne Kerbl ist eine grandios
ironische Bürgermeisterin Abigail
Bishop und Veronika Grabner ihr
stimmlich und komödiantisch
exzellenter Sidekick Miss Blunt.
Marietta Born glänzt vokal als Paula
und Laura Kerbl ist eine meistens
relativ starke Cindy; gemeinsam sorgt
das ganze Ensemble für absolute
Rockstimmung im Saal. Nur
schauspielerisch ist der Abend mitunter
etwas unrund und variieren die
Leistungen der unterschiedlichen Bandbzw. Gang-Mitglieder zwischen hölzern
bis
ungelenk,
während
die
„Erwachsenen“ durchwegs brillieren.
So weit, so gut. Richtig innovativ
entpuppt sich „Breaking Free“
spätestens dann, wenn die Symbiose
mit Def:k (Wilhelm Ban, Jürgen
Vorsik) eingegangen wird. Queen und
Rap verträgt sich offenbar hervorragend
und das Ergebnis ist jugendlich „cool“
auf sein junges Publikum getrimmt.
Dieses ist sichtlich begeistert von den
Rap Qualitäten von Def:k und den
beeindruckenden
Breakdance
Performances (Rize Rockers).
Scheinbar mühelos werden headspins
praktiziert und wirbeln die GangMitglieder selbst noch auf äußerst
begrenztem Raum gezielt über die
Bühne - wofür sie immer wieder
spontanen, begeisterten Applaus
ernten. Kombiniert mit der bestens
durchdachten, modernen Choreographie der Excons ist eine fulminante
Show entstanden, die sich sehen
lassen kann und eine absolute
optische Augenweide sowie ein
akustisches Klangerlebnis darstellt
(Choreographie: Blair Darby, Nicola
Howes).
Einzig die Handlung scheint bei all den
musikalischen Höchstleistungen und
tänzerisch großartigen Einlagen etwas
abhandengekommen zu sein. Ein
Musikact reiht sich in gnadenlos
schnellem Tempo an den nächsten,
während sich das Stück im narrativen
Nirgendwo verläuft. Der große
Verlierer ist der Plot, der mitunter
etwas schiefe Züge annimmt und
lediglich dazu dient, eine Verbindung
zum nächsten Queen Song herzustellen
(trauriger Höhepunkt „Bohemian
Rhapsody“).
Mit „Breaking Free – A Rock
Tribute“ hat Linz ein jugendliches
Stück Musiktheater geschaffen, das ein
ungewöhnlich breites Publikum
anspricht und alle Altersgruppen
begeistert. Die professionellen
Darbietungen der großenteils relativ
jungen DarstellerInnen, exzellenten
MusikerInnen und des Backgroundchors wirkten ansteckend; die Akteure
wurden nur widerwillig hinter den
Vorhang entlassen.
Kulturförderung lohnt sich und es wäre
schön, wenn sich ähnliche Projekte
auch in anderen Bundesländern
verwirklichen ließen.
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