freigeist Sommer 2013 - Schul

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freigeist Sommer 2013 - Schul
Foto: Leonie Mayr
Einzelverkaufspreis: Eur 5,00
Jahres-Abo (4 Ausgaben): Eur 18.–
kommunikation
gewaltfreie kommunikation mit kindern
und plötzlich wird es still - der dialogprozess
social media
interview mit herbert renz polster
ausgabe sommer 2013
zeitschrift für freie pädagogik
herausgegeben von der lernwerkstatt im wasserschloss pottenbrunn – für aktives und selbstbestimmtes lernen
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freigeist sommer 2013
inhalt
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Leichter als man denkt
editorial, impressum, screenshot
gottes werk und evas beitrag
gewaltfreie kommunikation
gewaltfreie kommunikation im
schulalltag
der dialogprozess
schmiede das eisen, wenn es kalt ist
- interview steinkellner
soziales netzwerken
unbekannte reformpädagogInnen: ellen key
(unser) leben ist lernen
die wilde kinderhorde und der
unstrukturierte raum
- interview renz polster
buchtipp
erfahrungen mit der lernwerkstatt
- interview schania
wenn schule neugierig macht
und bildung neue wege geht!
fest der bildung
schulen der zukunft
schulalltag: rollenspiel
eh normal
dramolett, cartoon
veranstaltungen
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freigeist sommer 2013
Medieninhaber und Herausgeber (Verleger):
Verein „Mit Kindern wachsen“ Initiative für aktives und offenes Lernen
Verlagspostamt: 3140 Pottenbrunn
Aufgabepostamt: 3100 St. Pölten
Redaktion: Kay Mühlmann, Rainer Wisiak, Maria
Altmann-Haidegger, Paul Braunstätter, Franz Josef
und Brigitte Gaugg, Sonia Höllerer, Reinhard Kraus,
Tobias Steirer, Luise Muschailov (Cartoon)
[email protected]
Lernwerkstatt im Wasserschloss Pottenbrunn
Josef-Trauttmansdorff-Str. 10
3140 Pottenbrunn
Schulinfo/Aboservice: fon 02742-43550 (fax 42457)
[email protected], www.lernwerkstatt.ws
Kto 22996, Sparkasse Herzogenburg, BLZ 20219
IBAN: AT 382021900000022996, BIC: SPHEAT21
Anzeigen: Brigitte Gaugg, [email protected]
Layout: Franz Josef Gaugg, Reinhard Kraus
Druck: DURABO Čelákovice
Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: ,
Der Verein „Mit Kindern wachsen“ ist zu 100% Inhaber dieser Zeitschrift. Es erscheinen keine weiteren
Medien.
editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
wir fanden es höchste Zeit, ein Heft zum
Thema „Kommunikation“ zu gestalten.
Ein auch für Kinder, Schulen und Lernumgebungen so zentrales und wichtiges
Thema darf man einfach nicht links
liegenlassen. Und, es ist nicht nur ein
Heft über Kommunikation geworden,
sondern vielmehr eines mit Kommunikation. So finden sich in dieser Nummer
nicht weniger als vier Interviews und Gespräche - Nomen est Omen.
Zum Thema Kommunikation bringen
wir einen Artikel über die Rolle der Kommunikation bei der Entstehung von
komplexen Gesellschaften, einen Artikel über gewaltfreie Kommunikation
und ein Gespräch mit Mitgliedern des
Betreuerteams der Lernwerkstatt über
die Bedeutung und Anwendung gewaltfreier Kommunikation im Schulalltag der
Lernwerkstatt.
Des Weiteren beschäftigen wir uns mit
Dialogprozessen und dialogischen Redekreisen. Diese Form der Kommunikation
in der Gruppe bzw. im Kreis unterstützt
ein verbindendes Denken und kann die
Wirkungsweise unseres Denkens sichtbar werden lassen. In einem dialogischen
Redekreis gibt es kein Führen, kein Moderieren, kein Richtig oder Falsch, keine
Technik, kein explizites Ziel und keinen
Zweck.
Hans Steinkellner, der Leiter des „Institutes
für Neue Autorität“ in St. Pölten war schon
öfter in der Lernwerkstatt zu Gast. Die Frei-
geist-Redakteure Anke und Martin Huber
haben ihn zu Präsenz, gewaltfreien Widerstand und Wiedergutmachung interviewt. Stephan Halfpap schließlich hat in
seinem Artikel versucht, dem Phänomen
„Social Media“ auf die Spur zu kommen.
In Niederösterreich hat sich in den letzten Jahren eine aktive Gruppe an Gleichgesinnten zusammengetan, die den individuellen Lebens- und Lernweg ganz
in der jeweiligen Eigenverantwortung
der einzelnen Familien lassen, Familien,
die ihre Kinder also im „häuslichen Unterricht“ belassen. Die Freigeist Redaktion hat die „Freilerner“ eingeladen, um
Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser
regelmäßig von ihren spannenden Projekten und Erfahrungen zu erzählen.
Zu den bewährten Features des „freigeist“ gehört unsere Serie zu unbekannten ReformpädagogInnen, die
diesmal ein Portrait der schwedischen
Reformpädagogin Ellen Key (1849 – 1926)
bringt und die Geschichten aus dem
„Schulalltag“ der Lernwerkstatt. Norbert
Mlinar, langjähriger LWS-Begleiter und
Betreuer der LWS-Theatergruppe Pistatschios hat diesen „Schulalltag“ über den
Rollenspielbereich gestaltet, der für die
Entwicklung der Kinder so zentral ist.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Kay Mühlmann
im Namen der Redaktion
screenshot
www.wechoosethemoon.org
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freigeist sommer 2013
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freigeist sommer 2013
gottes werk
und evas beitrag
Kay Mühlmann
Über die Rolle der Kommunikation bei der Erschaffung der Welt.
Kay Mühlmann
Kommunikation als Grundlage des
Bewusstseins
Das besondere an Kommunikation ist
ihre Anschlussfähigkeit. An eine Kom-
munikation kann man immer eine weitere Kommunikation anschließen. Man
kann immer etwas drauf sagen – es muss
nie ein letztes Wort geben. Wir Eltern
kennen das von unseren Kindern: Dann
ist es so – nein so – nein so - eben!
Nimmt man einem Geier
seine Flügel, seine Krallen, und seinen
Schnabel,
dann ist er kein Geier mehr.
Nimmt man einem Menschen Augen,
Hände und Beine,
so bleibt er immer noch ein Mensch.
Außer er bleibt allein.
Dann ist er kein Mensch mehr.
Dieses Inka-Sprichwort beschreibt ganz
gut das Dilemma, vor dem Adam stand,
nachdem Gott ihn erschaffen hatte: Alleine ist er (noch) kein Mensch. Seine bloße
Existenz reicht nicht aus, um aus ihm einen Menschen zu machen. Erst in der Begegnung zu Eva wird er zum Menschen.
Durch Eva erkennt er sich selber - durch
sie nascht er die Frucht vom Baum der Erkenntnis. Ohne Eva, das ist ganz klar, hätte Adam kein Bewusstsein. Es reicht nicht
aus, alleine durch die Welt zu wandern,
um ein Bewusstsein zu schaffen – wir
brauchen den Anderen, die Andere, um
uns selbst zu erkennen. Wir brauchen
die Kommunikation mit den Anderen,
denn die Basis des Bewusstseins sind
die Selbsterkenntnis und die Entwicklung der sozialen Verbände, in denen wir
leben. Gesellschaft ist die geteilte, die
mitgeteilte Selbsterkenntnis. Im Teilen
und Austauschen erschaffen wir unsere
gemeinsame Wirklichkeit - also die Welt,
in der wir leben. Für Menschen besteht
die Welt nicht aus Fakten – auch wenn
im Hintergrund unseres Gehirns ab. Er
ist der zentrale Modus unseres Denkens.
Diese Sinnerzeugung manifestiert sich
dann in unserer sozialen Wirklichkeit.
Im Laufe unserer Evolutionsgeschichte
haben wir Menschen aber auch gelernt,
uns nicht nur über gesprochene Worte
mitzuteilen, sondern auch über zeitliche
und räumliche Distanzen miteinander zu
kommunizieren. Wer kennt sie nicht, die
steinzeitlichen Höhlenzeichnungen, Darstellungen von Tieren und Jagdszenen?
Die ältesten gefundenen Zeichnungen
sind circa 40000 Jahre alt. Oder Figuren
wie die Venus von Willendorf, die immerhin auf ein Alter von 25000 Jahre kommt.
Die Information wird über ein Medium
vermittelt, das die Botschaft trägt. Die
Kommunikation ist dadurch mittelbar.
wir als solche „faktisch“ erleben – unser
Erleben ist vielmehr eine Interpretation
von Sinneseindrücken, die wir (mit)geteilt, also mit anderen geteilt und somit
„verwirklicht“ haben.
Ohne Kommunikation keine Gesellschaft
Kommunikation als der Austausch von
Information beschreibt dabei die Beziehung, die wir zu unserer Umwelt haben,
ein ständiges Hin und Her, Hinaus und
Hinein. Ohne diese Beziehungen nach
draußen gäbe es keine gemeinschaftlichen Denkstrukturen und auch keine
Wirklichkeit und kein Bewusstsein. Dann
wären wir eben kein Mensch (mehr).
Kommunikation ist der Austausch von
Information zwischen einem Individuum
und seiner Umwelt. Dieser Austausch
findet über unsere Sinne statt. Er kann
direkt stattfinden, unmittelbar zwischen
zwei Individuen, zwei Menschen, die
miteinander sprechen oder auch miteinander tanzen, die sich an den Händen
halten oder gemeinsam aneinandergeschmiegt einschlafen. Die gemeinsame
Wirklichkeit wird in dem Augenblick von
beiden Menschen untereinander ausgehandelt und so erschaffen. Dabei greifen
wir auf vorgefertigte gelernte Denkstrukturen zurück, die automatisiert
angewandt werden. Die Beziehungserfahrung passiert direkt zwischen den
Individuen, sie wird nicht „vermittelt“.
Unser Gehirn übernimmt dabei die Aufgabe, aus den von außen hereinkommenden Informationen und den vorhandenen, gespeicherten Erlebnissen ein
kohärentes Bild zu erzeugen, also „aus
der Welt Sinn“ zu machen. Dieser Prozess läuft automatisch und unbewusst
Fotos: Leonie Mayr
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mmer, wenn Menschen aufeinandertreffen oder zusammenkommen,
dann teilen sie sich mit. Uns mitzuteilen ist ein Grundbedürfnis unserer
Spezies. Wir reden und spielen. Wir lachen und weinen. Und selbst wenn wir
einmal still sind, was für manche Artgenossen und Artgenossinnen durchaus
eine Herausforderung darstellt, dann
kommunizieren wir noch immer – mit
unserem Körper halt. Wir tanzen und
küssen, wir lieben und lachen. All das ist
Kommunikation. Wir teilen uns ständig
mit, wir geben ständig Informationen
an unsere Umwelt weiter. Im Gegenzug
und erhalten auch immer Informationen
aus unserer Umwelt. Es ist ein ständiges
Kommen und Gehen. Keine andere
Spezies dieser Erde hat diese Fähigkeit
zu kommunizieren so entwickelt wie
wir Menschen. Der Satz des bekannten
österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawik hat immer
noch Gültigkeit: „Wir können nicht nicht
kommunizieren.“
ist Wissenschafter
und Vater zweier
Lernwerkstatt-Kinder
Und sie ist konserviert – eine haltbare
Denkstruktur sozusagen. Inzwischen
glaubt man, dass es diese Fähigkeit des
Homo Sapiens war, gemeinschaftliche
Denkstrukturen über zeitliche und
räumliche Distanzen zu kommunizieren, Erfahrungen und Gelerntes weiterzugeben und so Kultur im Sinne von
erfolgreichen Handlungskonzepten zu
erschaffen, das zum Aussterben des Neandertalers geführt hat.
Metaphern als Grundlage komplexer Gesellschaftsordnungen
Neueste Forschungen belegen die
Theorie, dass komplexe Gesellschaften
dadurch entstanden sind, weil die
Menschen Fähigkeiten entwickelten,
abstrakte Konzepte durch Metaphern
auszudrücken und so neue kulturelle
Konzepte zu kommunizieren. Ein Beispiel ist die Stadt Uruk in Mesopotamien,
einer der ersten Stadtstaaten der Erde
und jener Ort, an dem die erste Schrift
gefunden wurde. Uruk ist aus der Idee
eines Königs als guten Schafhirten geboren worden. „Der König hat seine
menschliche Herde beschützt und sie
ernährt, so war es recht und natürlich,
dass sie ihm folgten.“ Der König als guter
Schafhirte wurde zur Metapher einer
neuen sozialen Ordnung, am Übergang
von den vertikal geordneten Stammesgesellschaften zu hierarchisch geordneten Stadtstaaten mit differenzierter
Arbeitsteilung. Vielen mag die Idee des
guten Schafhirten durchaus bekannt
vorkommen, spielt sie doch noch heute
in den drei monotheistischen Religionen
eine wichtige Rolle.
Metaphern für gesellschaftliche Ordnung sind zum Beispiel Bilder oder Fi-
guren oder Wegweiser, Landkarten,
Bücher und Musik. Aber auch Theater,
ein Gedicht oder eine ein E-Mail. Oder
auch Fernsehen. Sie alle haben die Rollen, Regeln und Konventionen unserer
Gesellschaften als Basis. Sie sind Medien
der Gesellschaftsordnung und als solche
Plattformen gemeinsamer Wirklichkeit.
Sie dienen ihrer Kommunikation. Sie
kommunizieren unsere gemeinsamen
Denkmuster und erschaffen so die Strukturen unserer Kulturen.
Diese Strukturen bestehen aus nichts
anderem als Regeln und Ressourcen und
sind ohne „wirkliche“ Existenz. Sie sind
virtuell und manifestieren sich nur in
den sozialen Praktiken der Gesellschaft.
Sie werden erst dadurch sichtbar, dass
sie ausgeübt werden. Es ist ein rekursiver Prozess: Strukturen entstehen durch
Handlungen, aber sie machen eben gerade diese Handlungen erst möglich. Diese Prozesse gehen dabei automatisch
vor sich – sie bilden die soziale Selbstorganisation der Gesellschaft. Und sie
sind dynamisch, das heißt sie verändern
sich. Wenn sich das Umfeld unserer Gesellschaft ändert, ändern sich gleichzeitig auch die Strukturen innerhalb der
Gesellschaft, weil unsere sozialen Systeme immer mit ihrer Umwelt kommunizieren. Es sind komplexe dynamische
Systeme, die entstehen, sich entwickeln
und wieder vergehen. Ohne dass eine
klare Beziehung von Ursache und Wirkung sichtbar oder vorhanden wäre. Sie
folgen ihrer eigenen Dynamik. Ihre Wirkung ist mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Ihre Entwicklung verläuft, wie
die der gesamten Menschheit, der Erde
oder des Universums nicht linear. Sie ist
einfach nicht vorhersagbar.
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freigeist sommer 2013
gewaltfreie
kommunikation
Kommunikation stammt aus dem lateinischen communicare und bedeutet „teilen, mitteilen,
teilnehmen lassen, gemeinsam machen, vereinigen“. Und genau darauf zielt Dr. Marshall
Rosenberg ab, seit er 1963 begonnen hat, seinen Ansatz der gewaltfreien Kommunikation
(GfK) zu entwickeln. Sonia Höllerer
Die höchste Form menschlicher
Intelligenz ist die Fähigkeit zu beobachten, ohne zu bewerten.“
Jiddu Krishnamurti
Gewaltfreie Kommunikation lädt ein,
Wege abseits von Bewertungen und
Analysen zu gehen und zeichnet stattdessen ein Bild vom Menschen, das uns
als bedürfnisorientierte Wesen zeigt. Rosenberg meint, dass kein Mensch gegen
andere handelt, sondern immer nur für
sich, also alles Handeln ein (mehr oder
weniger gelungener) Versuch ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen,
Unsere Bedürfnisse können nie unangemessen sein, lediglich unsere Strategien,
diese zu erfüllen. Gewaltfreiheit beschreibt eine Haltung und Handlungen ,
mit denen wir sowohl unsere Bedürfnisse
als auch die unseres Gegenübers und allgemeine gesellschaftliche berücksichtigen wollen.
Im Fokus steht also nicht das Bestreben,
den Menschen zu einem bestimmten
Ideal zu „erziehen“, sondern sinnvolle
Strategien zu finden, durch die die eigenen Bedürfnisse unter Einbezug der Bedürfnisse der Umgebung erfüllt werden.
Entscheidend ist es, zu erkennen und zu
kommunizieren, was das Verhalten des
Verhalten des anderen zu verstärken.
Und genau dann kann Lob manipulativ
empfunden werden.
Viele spüren auch ein Ungleichgewicht,
wenn sie gelobt werden. Der Lobende
erhebt sich auf eine höhere Ebene: Man
nimmt sich heraus, ein Urteil über einen
anderen zu fällen.
Die gewaltfreie Kommunikation schlägt
uns eine andere Möglichkeit vor ein Verhalten zu kommentieren, das in uns Erleichterung, Freude, Überraschung oder
Interesse auslöst: Wertschätzende Anerkennung in Form von Ich-Botschaften
(“Ich war richtig erleichtert, als ich nach
Hause kam und alles hier war aufgeräumt.
Ich hatte nämlich keine Lust aufzuräumen”) oder anteilnehmende Aussagen.
Ein Kind, das zum ersten Mal einen hohen Turm erklimmt, erwartet keinen Applaus und auch kein bewertendes Lob.
Vielleicht empfindet es Freude, die es
gerne teilen möchte, oder Erleichterung.
Manchmal reicht ein Augenkontakt („Ich
hab’s gesehen!“) oder ein Ausdruck des
gemeinsamen Erfreuens am Erfolg.
Das Bedürfnis nach Anerkennung und
Gesehen-Werden wird so erfüllt.
anderen bei einem selbst auslöst. Dazu
bedarf es Einfühlungsvermögen, sich
selbst und auch dem anderen gegenüber. Einfühlung – diese Klarstellung ist
Rosenberg wichtig – meint allerdings
nicht uneingeschränkte Zustimmung:
Gewaltfrei impliziert keinesfalls eine
grenzen - lose Haltung, sondern lediglich
den Verzicht auf die vier gern verwendeten Hilfsmittel der Erziehung: Scham,
Schuld, Lob und Strafe.
„Das Problematische an Belohnung
ist, dass sie mit Liebe und Zuneigung
verwechselt wird und dann macht sie
abhängig. Dann tun wir alles, um Belohnungen, Lob und Komplimente zu
bekommen und das ist in meinen Augen
noch gefährlicher als Bestrafung. Diese
Abhängigkeit macht aus einem anderen
Menschen eine nette Person. Nett und
tot. Ich würde weder Belohnung noch
Strafe als pädagogisches Mittel einsetzen, beide gehören zum gleichen System.
Zu einem System, in dem Recht und Gerechtigkeit durch Vergeltung hergestellt
wird. Es basiert auf der Vorstellung von
„verdienen“, davon, dass jemand, der
nicht gut ist, es verdient hat, bestraft zu
werden. Es ist dieses Denk- und Rechtssystem, zu dem Belohnung und Bestrafung gehören, und es ist dieses System,
das mir Sorgen macht.“
Die vier Elemente der Gewaltfreien
Kommunikation
Kein Lob?
Gerade in Erziehungsratgebern ist dieser
Ratschlag häufig zu finden: So viel wie möglich loben! Was spricht eigentlich dagegen?
Hilfreich ist hier die Unterscheidung zwischen Lob und Anerkennung.
Ein Lob kommt manchmal mit einer bestimmten Absicht daher: Das positive
Bild: Tamika Höllerer
Marshall B. Rosenberg
Der Zusatz gewaltfrei meint also, dass
Gewalt nicht erst beginnt, wenn jemand
beschimpft oder attackiert wird, sondern
dort, wo der andere gezwungen wird, das
zu tun, was man von ihm erwartet, gut kaschiert durch gängige gesellschaftliche
Manipulationsmittel wie Erzeugung von
Schuld- und Schamgefühlen sowie den
Einsatz von Strafe und Lob.
Foto: Beth Banning
Seitdem habe ich einen spezifischen
Zugang zur Kommunikation entdeckt zum Sprechen und zum Hören -, der uns
dazu führt, von Herzen zu geben, indem
wir mit uns selbst und mit anderen auf
eine Weise in Kontakt kommen, die unser natürliches Einfühlungsvermögen
zum Ausdruck bringt. Ich nenne diese
Methode Gewaltfreie Kommunikation
und benutze den Begriff Gewaltfreiheit
im Sinne von Gandhi: Er meint damit unser einfühlendes Wesen, das sich wieder
entfaltet, wenn die Gewalt in unseren
Herzen nachlässt. Wir betrachten unsere Art zu sprechen vielleicht nicht als
‚gewalttätig’, dennoch führen unsere
Worte oft zu Verletzung und Leid – bei
uns selbst oder bei anderen.
Um seine Ideen zu veranschaulichen führte Marshall Rosenberg ein
neues Sprachbild ein, bestehend
aus Wolf- und Giraffensprache.
Die Giraffensprache ist ein Symbol
für lebendige Kommunikation, sie
kennt kein Schubladendenken und
kein Abschieben der Verantwortung
für unsere Handlungen.
Methodisch empfiehlt Marshall Rosenberg 4 Schritte, um uns so auszudrücken,
dass wir verstanden werden und dabei
die Beziehung zueinander stärken:
t Beobachtung
t Gefühl
t Bedürfnis
t Bitte
Wesentlich dabei ist, dass es sich bei der
Gewaltfreien Kommunikation nicht um
eine Methode oder um ein Modell handelt, sondern vielmehr um eine Haltung,
mit der wir mit uns und mit anderen
Menschen umgehen wollen.
Gewaltfreie Kommunikation braucht
sich somit nicht zwangsläufig in den 4
Schritten auszudrücken.
Wenn uns etwas nicht gefällt, klären wir
zunächst mit uns selbst:
1. Was wir beobachten - ohne
Bewertung.
„Hier sieht es aus wie im Saustall!“, ist
eine Bewertung, während der Satz „Auf
dem Fußboden liegen Spielsachen.“ eine
Beobachtung ist.
2. Wie es uns geht - Gefühl.
Rosenberg weist darauf hin, dass unser
Wortschatz uns einige Fallen stellt, und
es oft schwierig ist, zwischen Gefühlen
und Gedanken zu unterscheiden:
Beispiel: „Ich habe das Gefühl, mein Chef
manipuliert mich.“ Das ist ein Gedanke.
„Ich bin irritiert“ oder „Ich fühle mich hilflos“ könnte das dazugehörige Gefühl sein.
3. Was wir brauchen - Bedürfnis.
Aussprechen, welche unserer Bedürfnisse
hinter diesen Gefühlen stehen. Bedürfnisse sind nach Rosenberg „an den Wurzeln unserer Gefühle“. Was andere sagen
oder tun, mag ein Auslöser für unsere Gefühle sein, es ist aber nie deren Ursache.
In der GfK geht es darum, selbst die
Verantwortung für unsere Handlungen
- als Ursprung unserer Gefühle - anzunehmen. Wenn sich unsere Bedürfnisse
nicht erfüllen, dann denken wir automatisch darüber nach, was andere Menschen falsch gemacht haben. Urteile
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freigeist sommer 2013
über andere sind somit entfremdete Äußerungen unserer eigenen, unerfüllten
Bedürfnisse.
buchtipps
4. Was der andere tun kann, unser
Bedürfnis zu erfüllen - Bitte.
Eine Bitte kann eine Anfrage nach Austausch sein („Was meinst du dazu?“) oder
eine konkrete Handlung vorschlagen.
Abgesehen von einer klaren, positiven
und konkreten Handlungssprache ist
auch hier eine Unterscheidung hilfreich:
Bitte versus Forderung.
„Deckst du bitte den Tisch?“ Man könnte
meinen, die Bitte ist hier offensichtlich.
Doch es reicht nicht, das Wort „Bitte“ in
den Satz einzubauen. Viel mehr entscheidend ist, wie offen man für ein eventuelles „Nein“ ist. Ist man das nicht, so ist
es zielführender, seine Forderung erst
gar nicht als eine Bitte zu verkleiden.
Mit der inneren Haltung, dass echte und
ehrliche Anteilnahme, Mithilfe und Entgegenkommen von innen und aus freien
Stücken heraus passiert, fällt es leichter,
eine Bitte auch als Bitte auszusprechen:
Mit genügend Akzeptanz für eine abschlägige Antwort!
Rosenberg schlägt vor, anstatt ein „Nein”
als persönliche Absage aufzufassen
(„Warum kann ich dich nie um einen
kleinen Gefallen bitten, immer bist du
etc.“), dahinter das „Ja” für die eigenen
Bedürfnisse des anderen zu erkennen.
Denn das macht den Raum auf für weiteren Austausch. Man kann seine Bitte
noch einmal genauer formulieren: „Ich
sehe, dass du gerade ganz konzentriert
beim Lesen bist und gerade nicht aufhören möchtest. Ich bin etwas nervös, weil
gleich Besuch kommt und ich gerne vorbereitet bin. Meinst du, könntest du mir
nach diesem Kapitel ganz kurz helfen?“
oder man bemüht sich um andere Lösungen „Ok, ich frage mal deinen Bruder!“
gewaltfreie
kommunikation
im schulalltag
Mit dem Ziel, einen Einblick in die praktische Umsetzung der „Gewaltfreien Kommunikation“ (GfK) nach Marshall B. Rosenberg in der Lernwerkstatt Pottenbrunn zu erhalten,
hat Tobias Steirer LWS-Begleiterin Maria Pöcksteiner und Schulleiter und Begleiter David
Meixner zum Gespräch getroffen.
w
ann und wie seid ihr mit dem Modell
der GfK von Marshall Rosenberg in
Berührung gekommen?
MARIA: Ich kenne es von Anbeginn der
Neben Dr. Marshall Rosenbergs Stan-
dardwerk „Gewaltfreie Kommunikation – eine Sprache des Lebens“
möchte ich noch einige weitere Buchhinweise anführen.
Justine Mol: „Erziehen ohne Strafen und
Belohungen“ und Britta Hahn: „ Ich will
anders als du willst, Mama“ beleuch-
ten beide Erfahrungen mit der Anwendung von GfK in der Familie und
bieten neben Inspiration und vielen
konkreten Beispielen auch brauchbare
Bücher, die ich gerne an Menschen
borge, die an der GfK mit Kindern interessiert sind. Nicht unerwähnt lassen
möchte ich auch die Reihe Junferlino von
Vilma Costetti & Monica Rinaldini. Diese
Buchreihe für Kinder zeigt, worin der
subtile, aber fundamentale Unterschied
besteht zwischen Bedürfnissen und
Strategien und macht so die Essenz der
Gewaltfreien Kommunikation sichtbar.
Sonia Höllerer
ist Diplompädagogin, selbständige freie
Handwerkerin und
Mutter von 2 Kindern in der Lern- und
Spielwerkstatt.
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freigeist sommer 2013
Lernwerkstatt an, aber nicht unter dem
Namen „Marshall Rosenberg – GfK “, sondern über den Ansatz der Wilds. Dort
geht es auch um die Grundlagen der
nicht-direktiven Konfliktbegleitung, bei
der man keine Lösungen und Lösungsvorschläge vorgibt, sondern Kinder danach suchen und ihre Wünsche sagen
lässt. Erst 2005 bin ich im Rahmen eines
Seminares draufgekommen, dass die GfK
unser Konfliktbegleitungsmodell beinhaltet. Ich war dann auch eine Zeitlang
in einer Gruppe, um das zu trainieren.
DAVID: Unter der Überschrift „GfK“ be-
suchte ich vor 5-6 Jahren einen Vortrag
von Susanna Mader in der Lernwerkstatt.
Sie hat den Unterbau geliefert zu der Person des M. Rosenbergs, den Kommunikationsschritten und seinen Betrachtungen,
was Bedürfnisse grundsätzlich bedeuten.
Mir war es aus dem Tun hier schon bekannt, wo wir viele Elemente, besonders
in der Konfliktbegleitung verwenden.
Wenn ich das richtig verstanden habe, hat
die Pädagogik der Lernwerkstatt unabhängig von MR diese Elemente bereits enthalten. Diese wurden nur nochmals gebündelt
und auf den Punkt gebracht.
DAVID: Es ist ein typisches Merkmal der
LWS, dass sie verschiedene Elemente und
Ansätze beinhaltet. Im Grunde geht es
immer um die Grundhaltung jedem einzelnen Kind gegenüber. Genauso, wenn
mich jemand fragt: „Seid ihr eine Montessori-Schule?“ Im engeren Sinne nicht,
aber wir haben die Materialien herinnen
und es sind viele Elemente und pädagogische Überlegungen eingeflossen.
Die 4 Kommunikationsschritte in der GfK
formulieren Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Zum Beispiel: „Wenn ich ...
sehe, fühle ich mich ..., weil mir wichtig ist
... Wärst du bereit ...?). Ich kann mir vorstellen, dass es viel Übung erfordert, um
nicht abgespult zu klingen.
MARIA: Im Wesentlichen geht es bei der
GfK darum, in Verbindung zu sein. Dazu
reicht nicht die methodische Anwendung.
Am Anfang versucht man das so, es ist ungewohnt. Es kann unecht wirken, bis man
sein eigenes Repetoire entwickelt hat, in
dem man sich wohlfühlt. Dieses genaue
Nachgehen in 4 Schritten mit den speziellen Formulierungen hat mich anfangs
irritiert. Darum bin ich auch eine Zeit in
eine Gruppe gegangen, um das zu trainieren. Man muss sich dann auch wieder
etwas befreien von solchen Methodiken,
die aber schon hilfreich sind.
DAVID: Ein neues Repertoire gehört ge-
übt und immer wieder reflektiert. Kinder
sind ja super darin, hohle Phrasen zu entlarven. Man kommt damit nicht weiter ...
MARIA: ... wenn man plötzlich so komisch
redet.
Die Formulierung „gewaltfreie“ Kommunikation löst bei manchen Menschen sicherlich den Gedanken aus, bisher auch nicht
„gewalttätig“ kommuniziert zu haben. Was
ist genau unter „gewaltfrei“ zu verstehen?
DAVID: Das ist ein weit gestecktes Feld.
Wenn ein Erwachsener seine Macht in
ungeeigneter Weise einsetzt, um das Eigene verbal durchzusetzten, dann geht
es eigentlich um Gewalt. Auch wenn
man den anderen nicht hört oder hören
will oder wenn man die Bedürfnisse des
anderen nicht respektiert, wenn man mit
ihm in Kontakt tritt.
MARIA: GfK heißt auch, nicht zu interpre-
tieren, nicht zu bewerten. Rein bei dem
zu bleiben, was man sieht. Das kann man
auch üben.
DAVID: Eine der ersten Herausforde-
rungen in dem Seminar war es, Gefühle
zu benennen, die den anderen nicht in
eine gewisse Schuld oder Verantwortung
mit hineinnehmen. Wenn ich sage: „Ich
fühle mich nicht verstanden“, beinhaltet
das einen mittransportierten Vorwurf.
MARIA: Pseudobedürfnisse nennt das M.
Rosenberg.
DAVID:
Eben nicht: „Du machst mich
traurig, aggressiv, unglücklich...“, son-
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freigeist frühling 2013
dern: „Ich fühle mich...“. Das richtig zu
benennen ist eine der ersten, nicht zu
unterschätzenden Hürden.
dass ich sag: „OK, da geh ich jetzt mit dir
mehr in Kontakt, denn das wär jetzt die
schnelle Nummer.“ GfK geht ja davon
aus, dass jeder von uns kooperieren will,
wenn er es freiwillig tun kann und wenn
er spürt, seine echten Bedürfnisse sind
berücksichtigt. Z.B. kann man draufkommen: „Ach so, du möchstest vorher noch
etwas jausnen gehen. Ist OK. Ich schau
inzwischen auf den Bereich und muss
halt den anderen Kindern sagen: Da
muss erst weggeräumt werden, der ist
jetzt jausnen. Aber du kommst nachher
wieder.“ Ich hätte auch sehr viel Energie
investieren können, durchzusetzen, dass
das jetzt passieren muss.
Bestrafung und Lob, „falsch“ und „richtig“
werden von M. Rosenberg abgelehnt. Wie
steht ihr dazu?
DAVID: Lob ist die Kehrseite der Bestra-
auch jemand das Polsterhaus haben. Der
ist jetzt ziemlich wütend rausgegangen.
Weißt du, warum?“ Also wirkliches Interesse, was da passiert ist. Das kann sich
von außen betrachtet vielleicht passiv
anhören. Aber jeder, der einmal versucht, aufmerksam und nicht-direktiv zu
bleiben, weis, dass das ziemlich fordernd
sein kann.
MARIA: Kinder sollen gesehen werden in
dem, was sie tun, und das soll auch verbalisiert werden.
In der GfK werden Bitten so formuliert, dass
man klar macht, auch für ein „Nein“ offen
zu sein. Welche Schwierigkeiten ergeben
sich da in der Umsetzung notwendiger Regeln im Schulalltag, z. B. Wegräumen?
DAVID: Ich finde es wichtig, Beziehungs-
DAVID: Es ist eine unserer Grundregeln,
gesten zu setzen, damit Kinder wissen,
man ist da: Du wirst gesehen, wir sind
aufmerksam, du kannst zu uns kommen, wenn du etwas brauchst. Oder
wir fragen nach, wenn wir Situationen
erleben, wo das Kind nicht von selber
kommt: „Ich habe gesehen, da wollte
dass man wegräumt, bevor man eine
neue Tätigkeit beginnt. Für mich heißt
es, anders mit einem Kind in Kontakt zu
gehen, wenn es „Nein!“ sagt. „Nein“ ist
ein sehr wichtiges Wort für Kinder, dient
zum Schutz, zur Abgrenzung. Wenn ein
Kind sagt: „Nein, ich räum nicht weg.“,
dann wird das Gründe haben. Ich schaue,
woran das liegen könnte. Wenn das Kind
bei dem „Nein“ bleibt, vernetze ich mich
mit anderen Begleitern, dass vorher
noch etwas wegzuräumen ist, bevor es
etwas Neues beginnt. Das geht dann
eher in eine Art gewaltfreien Widerstand meinerseits. „OK, ich respektiere
dein Nein. Aber bei uns ist der Rahmen
so gesteckt, dass man etwas Neues nur
beginnen kann, wenn man das, was man
vorher gemacht hat, weggeräumt hat.“
Kinder gehen dann vielleicht in Protest,
kommen aber meistens auch wieder zurück und können das beenden. Wenn es
nicht geht, dann bleibt manchmal nur
mehr die Möglichkeit zu sagen: „Uns ist
es am liebsten, du kommst die nächste
Zeit nicht in diesen Bereich und arbeitest
nicht mehr mit diesem Material, denn da
haben wir jetzt dieses Erlebnis gehabt.“
Manche Kinder versuchen es dann: „OK,
ist mir eh Wurst, dann krieg ich eben Bereichsverbot.“ Das ist für mich ein Signal,
MARIA: So ein Bereichsverbot ist auch im-
mer wieder in Schulversammlungen besprochen worden. Eigentlich setzen wir
da eine Schulregel, die wir gemeinsam
mit den Kindern gemacht haben, um.
Hat das Modell der GfK also auch seine
Grenzen, vielleicht gerade im Konfliktbereich?
MARIA: Wir sind ja mit der GfK eine zeit-
lang unzufrieden geworden, weil uns
kindermund
Foto: ATobias Steirer
fung, schafft dieselben Abhängigkeitsdynamiken und ist ein Manipulationswerkzeug. Wir versuchen, in all unserem
Tun möglicht weg von Beurteilungen
und Bewertungen zu kommen. Uns
einfach darüber, was wir sehen, was wir
spüren, schon als Erwachsener, aber auf
gleicher Augenhöhe, zu unterhalten.
Wir sehen das bei Kindern, die aus öffentlichen Schulen zu uns kommen, die
schon ein Funktionieren auf Belohnung
und Bestrafung antrainiert haben, also
von Außenmotivation abhängig sind.
Die benötigen wirklich viel Zeit hier in
der LWS, bis sie aus eigenen Impulsen
heraus etwas tun, mit eigenen Bewertungsgrundlagen. Echtes Tun braucht
eigentlich keine Bewertung, Lob oder
Ansporn von außen.
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freigeist sommer 2013
Wir sitzen am Esstisch. Leo (5 Jahre) hat
Eiswürfel im Wasserglas und überlegt,
was wohl schwerer ist: Wasser oder Eis? Er
kommt zu folgender Erklärung: Wasser ist
schwerer als Eis, weil der Eiswürfel bleibt
auf der Hand liegen, während das Wasser
von der Hand runterfließt (fällt runter).
Genau so ist das, ganz einfach oder?
etwas abgegangen ist. So haben wir das
Konfliktmodell von Haim Omer dazugenommen, wo es um eine empathische
Konfrontation geht, wo es auch einmal
ein „Nein!“ gibt. Z.B.: „OK, es gibt jetzt für
dich dieses Bereichsverbot, wir kommen
im Moment nicht weiter mit dir. Wir sagen jetzt einmal „Nein“ und wollen später mit dir weiter darüber reden.“
DAVID: Wie es der Name eben sagt: GfK
kann ich dann gut nützen, wenn auch
das Gegenüber in der Situation bereit
ist, in Kommunikation zu treten. Ab da
helfen uns dann die Elemente von Haim
Omer. Wenn das „Sich mitteilen“ nicht
möglich ist, dann braucht es trotzdem
eine positive Kraft für die Situation, auch
eine Beharrlichkeit. Sonst würde das heißen: „Ich rede nicht mehr mit euch und
euch gehen alle Werkzeuge aus.“ In diesem Bereich haben wir nach mehr Möglichkeiten gesucht.
Zusätzlich ist das auch abhängig vom
Alter des Kindes. Jüngere Kinder haben
noch nicht die Möglichkeiten, so über
sich zu reflektieren. Wir können da unterstützen, indem wir Dinge formulieren wie: „Könnte es sein, dass du jetzt
Opa und Gabriel (5 Jahre) rechnen miteinander. Opa: Wie viel ist 1 + 1? Gabriel: 11
Olivia (5 Jahre): “Mama ist heute schon
morgen?“
Nina(5 Jahre): Immer wenn mich mein Gesicht kratzt, dann kratz ich zurück!
einfach Ruhe brauchst?“ Dann hilft das
auch dem Kind, sein Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. Da
ist es auch bei jüngeren Kindern oft genug, wenn man eine Situation stoppt, in
Kontakt bleibt und schaut, was es da an
Sprache braucht.
Wo und wie kann man GFK erlernen? Gibt
es Kursmöglichkeiten, Literaturempfehlungen?
MARIA: Von MR gibt es sehr viele Bücher,
die sind sehr praxisorientiert, da sind
viele Beispiele drinnen, Situationen beschrieben und Lösungsmodelle. Man
kann sich vieles abschauen und im konkreten Alltag mit den Kindern oder mit
dem Partner ausprobieren.
Ist es vielleicht überhaupt ein guter Ansatz, wenn man die Kommunikation einmal
in der Partnerschaft testet?
DAVID: Genau, es ist gut, wenn man sich
nicht allein mit dem Buch hinsetzt, sondern wenn man jemanden zweiten dazu
hat, mit dem man solche Erlebnisse reflektieren oder einfach erproben kann.
Laura (3 Jahre) geht
mit der Knetmasse weg und sagt: „Ich geh
jetzt ein weibliches Gehirn bauen!“
Papa: Was ist jetzt Levi? Du sagst weder
Muh noch Mäh.
Levi (2 Jahre): Muuuhhhh!
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freigeist sommer 2013
freigeist sommer 2013
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der dialogprozess ein neuer alter weg
voller entdeckungen
Benno Kapelari war viele Jahre Begleiter in der Lernwerkstatt im Wasserschloss, später Mitbegründer vom LebensRaum Niederhof. Gemeinsam mit Franz Eberhart schrieb er das „Handbuch Freie Alternativschulen“. Heute arbeitet er unter anderem als Dialogprozessbegleiter und
erzählt im folgenden Beitrag von der Herkunft, dem Ablauf, vor allem
aber von den Vorteilen dialogischer Redekreise. Von Benno Kapelari
j
etzt ist es still. Die letzte Wortmeldung in der Rederunde liegt schon
ein paar Minuten zurück, Ruhe breitet
sich im Kreis aus. Nein, es ist keine unangenehme Stille. Eher wie ein kollektives Ausatmen und Entspannen. Später,
in der Reflexion über diese Rederunde
werden die Teilnehmenden Dinge sagen
wie: „Ich habe nicht gewusst, wie angenehm es sein kann, in einer Gruppe zu
schweigen.“ „Zuerst war ich etwas unsicher, aber dann habe ich mich immer
mehr entspannt, nachgedacht über das
Gesagte und die gemeinsame Stille genossen.“
Dialogische Redekreise halten viele
Überraschungen bereit. Was sie in den
ersten Begegnungen für Teilnehmende,
unabhängig vom Kontext, in dem sie
stattfinden und der Absicht, mit der sie
initiiert wurden, ermöglichen, ist die
Wahrnehmung, wie erfüllend eine klare,
vereinbarte Struktur sein kann, ohne den
Druck, ein Ziel zu erreichen.
Was unterscheidet dialogische
Rederunden von Diskussionen
oder anderen Kommunikationsformen? Was sind ihre Wurzeln?
Der Dialogprozess, wie ich ihn hier beschreiben möchte, hat mehrere Wurzeln.
Eine Wurzel reicht weit in die Menschheitsgeschichte zurück und hat in einigen Kulturen bis in die Neuzeit herauf
überlebt. Als Beispiel bringe ich hier in-
dianische Redekreise, die als Versammlungs- und Entscheidungsform in vielen
Stämmen Nordamerikas stattfanden
und heute wieder verstärkt stattfinden.
In ihnen gibt und gab es eine ausgeprägte Form des Storytellings, die sich in
der neu entstandenen Form des Councils fortsetzt. Persönliche Geschichten,
die von Herzen kommen, haben im Austausch innerhalb einer Gruppe eine tief
verbindende und klärende Wirkung. Sie
ermöglichen den Aufbau eines intuitiven Verstehens der Standpunkte und
Sichtweisen des Anderen. Eine wunderbare Geschichte hierzu ist die Geschichte
von Joe, einem Jungen, der von seinem
Großvater, einem Ältesten des Stammes,
zu einer Ratsversammlung eingeladen
wird und dort erlebt, wie die Ältesten
in Form des Erzählens von Mythen und
Geschichten zu einer Entscheidung über
den Verkauf von Land finden, ohne an
diesem Abend jemals ein für den modernen jungen Mann vertrautes Element der
Demokratie zur Entscheidungsfindung
zu nutzen. (Die Geschichte ist in dieser
Ausgabe abgedruckt, ich schicke sie auf
Anfrage aber auch gerne zu.)
Eine weitere Wurzel (erste Hälfte des 20.
Jhs) geht auf Martin Buber zurück, der
sich stark mit der vorbehaltlosen Begegnung zwischen einem „Ich“ und einem
„Du“ beschäftigt hat. In dieser - er nennt
diese Begegnung „dialogisch“ - erwächst
ein tiefes gegenseitiges Verstehen des
anderen und meiner selbst.
„Irgendwie war das komisch. Es gab keine Agenda, kein Thema, keine gemeinsamen Definitionen von Begriffen und doch, als ich rausging, war ich voller
Kraft und Energie. Noch am nächsten Tag war ich so voller Tatendrang.“
Als dritte Wurzel in der Entwicklung des
Dialogprozesses nenne ich David Bohm.
David Bohm hat sich als Experimentalphysiker stark mit dem wissenschaftlichen
Diskurs und mit der Fragmentierung des
menschlichen Denkens beschäftigt.
Die Metapher einer Gruppe Blinder, die
einen Elefanten untersucht, macht diesen
Vorgang sichtbar: „Ein König beauftragt
eine Gruppe blinder Weiser eine Expedition zu unternehmen, um ihm Kenntnis
über den sagenhaften Elefanten Indiens
zu überbringen. Die Weisen werden von
einem Kundigen zu einem Elefanten
gebracht und jeder von ihnen erforscht
einen Teil des Elefanten. Den Rüssel, ein
Bein, den Schweif, das Ohr, den Rumpf.
Und jeder gewinnt eigene Erkenntnisse
und überbringt diese dem König. So ist
für den einen der Elefant eine kräftige
Schlange, für den anderen eine Säule,
eine Schnur, ein ledriger Lappen oder
eine pralle Tonne.“
David Bohm bedauerte zutiefst, dass im
gängigen wissenschaftlichen Diskurs
Wissenschaftler das gemeinsame Potential für anstehende Problemstellungen
nicht nutzen können. Er beschreibt das
menschliche Denken als fragmentiert. Im
dialogischen Redekreis mit seinen impliziten Haltungen entdeckte er eine Möglichkeit, anstelle dieser Fragmentierung
ein verbindendes Denken anzuregen,
gleichzeitig im Dialog Wirkungsweisen
unseres Denkens sichtbar werden zu lassen und ergründen zu können.
14
Aktuelle Angebote:
25. - 26. 10. 2013 in Pressbaum
Start der 3. Ausbildung zum/r Dialogbegleiter/in 21. 08. 2013
Am MIT (Massachusetts Institute of Technologie) Dialogue-project in Boston
wurde unter Anbindung an diese drei
Wurzeln das Grundgerüst des Dialogprozesses der heutigen Ausprägung in
einem fortwirkenden reflexiven Prozess
der Anwendung und Theoriebildung
entwickelt. Was den Dialog von vielen
anderen Kommunikationsformen unterscheidet, ist das Fehlen von Techniken
und Zwecken.
Der Dialog entwickelt sich zwischen
Menschen im Aufbau von inneren Haltungen innerhalb einer unterstützenden
Struktur. Hier erlebe ich sehr viele Parallelen zur prozesshaften Pädagogik der
nichtdirektiven Begleitung von Kindern
und Jugendlichen in Schulprojekten wie
der Lernwerkstatt im Wasserschloss.
Wie sieht nun so eine Dialogrunde
aus?
Eine Gruppe von Menschen trifft sich
für einen vereinbarten Zeitraum, zum
Beispiel in einem Redekreis, gestaltet
eine Mitte, nutzt als Werkzeuge der
Verlangsamung einen Redestab und
eine Klangschale, klärt die gemeinsame
Absicht (nicht das Ziel) dieses Kreises und
beginnt einen Austausch über das, was
jede/n Einzelne/n gerade bewegt (oder zu
einem Thema, mit dem der Großteil der
Gruppe Verbindung aufnehmen kann).
Der Redestab ist bei demjenigen, der
sich einbringt, die Aufmerksamkeit der
„ZuhörerInnen“ bei ihm oder ihr. Wenn
sie oder er ihren oder seinen Beitrag beendet hat, wandert das Redesymbol wieder zurück in die Mitte. So erlangt jeder
Beitrag sein individuelles Gewicht, wird
jede Person wahrgenommen. In einem
dialogischen Redekreis gibt es kein Führen, kein Moderieren, kein Richtig oder
Falsch, keine Technik. Das, was geschieht,
ist das Einzige, was geschehen kann. Der
Dialogprozess ist immer inklusiv – der
Unterschied zwischen mir und dir ist eingeladen, sichtbar zu werden. In dieser
Form des Zusammenkommens geht es
nicht darum, ein Ziel zu erreichen, eine
Lösung zu finden, sondern einfach jede
Stimme zu hören. Wer diese Form der
Begegnung im Kreis kennenlernt, wird
bald erleben, wie sehr die Weltsicht des
Gegenübers an die eigenen Grenzen des
Denkens, Fühlens und Handelns zu kratzen beginnt, sich, im Sinne David Bohms
gesprochen, „der Schleier von der Fragmenthaftigkeit unseres Denkens zu heben beginnt“. Was tue ich denn – wenn
deine Werte, deine Glaubenssätze und
Annahmen nicht übereinstimmen mit
meinen, wo wir doch z.B. unsere Kinder
aus vermuteten gleichen Beweggründen in die gleiche Schule geben?
Erst in diesem Unterscheiden wird die
Fülle der Vielfalt wahrnehmbar: Jede/r
ist wichtig, anders und für das Ganze unverzichtbar.
Ich lernte den Dialog als Redeform in
der Gruppe durch Mauricio und Rebecca Wild kennen. Mit den Worten „Der
Dialog ist die entspannte vorbereitete
Umgebung für das Lernen Erwachsener“, hatte Mauricio Wild das Interesse
für diese Form des Redens in der Gruppe
unseres Gemeinschafts- und Schulprojektes LebensRaum Niederhof geweckt.
Immer wieder führten tiefgreifende
Spannungen zu einer Zerreißprobe für
die Gemeinschaft. Nach den zwei Tagen
im Kreis in der Begleitung der Beiden
konnte ich ihm nur zustimmen. In der
entspannenden Verlangsamung und
dem Fehlen eines Zwecks oder Zieles
begannen alte Verkrustungen sich aufzulösen. Die Gruppe entwickelte gemeinsam die Möglichkeit, neue Wege zu
suchen. Die dialogischen Rederunden
haben uns dann in weiterer Folge viele
Jahre begleitet und unsere organisatorischen Aufgaben wesentlich erleichtert.
Mit dieser Initiation bin ich zunehmend
in den Prozess der dialogischen Begegnungen eingetaucht. Mein Weg führte
mich nach Osnabrück zu Freemann
Dhority und Martina Hartkemeyer, zum
indianischen Redekreis, dem Communitybuilding, dem Storytelling und der
Coucilbewegung und ich habe ihn seither nicht mehr verlassen. Warum auch –
so viele wunderbare Weggefährten und
Gefährtinnen, die mir auf der Suche nach
dem verbindenden Kreis der Menschen
schon begegnet sind!
Es ist das Blut Eurer Ahnen
Das fließt durch euren Leib.
Die Form, sie wandelt sich,
doch der Kreis des Lebens bleibt.
Benno Kapelari
Geb 1964, Dialogprozessbegleiter, Lebens- und
Sozialberater und Pädagoge, Partner, Vater von
4 Kindern und Suchender
nach allem, was der
menschlichen Fülle einen
Schritt näher bringt.
1
Ich glaube, sein Name war Joe. Oder so
ähnlich. Er war zum Teil Spanier und zum
anderen Teil Südamerikaner. Sein Großvater väterlicherseits war ein Vollblut, ein
Pueblo-Indianer, und er gehörte zum Rat der
Ältesten. Joe hatte das Volk der Pueblo als
kleines Kind verlassen, als seine Mutter mit
ihm nach Spanien ging. Später, in der Zeit der
Wirtschaftskrise, kam er zurück. Er war etwa
zwanzig und wollte seine Ausbildung nach
alter Tradition fortsetzen.
Kurz nach Joe’s Rückkehr in seine alte Heimat
machte die Landesregierung dem Volk der
Pueblo ein ernstzunehmendes Angebot. Man
wollte ihnen Land abkaufen und das Recht an
Rohstoffen erwerben. Der Ältestenrat berief
eine Versammlung ein, um zu entscheiden,
überarbeitet aus „The way of council“ von Jack Zimmerman
Angewendet wird der Dialogprozess in Unternehmen, Organisationen, in der Sozialarbeit,
in der Begleitung von Gruppen, Paaren und
Einzelnen und in vielen Bereichen, in denen
eine verbindende Begegnung wesentlich wird.
Einen zunehmenden Ruf nach dialogischer
Begegnung erleben wir Dialogprozessbegleiter im schulischen Bereich.
Weitere Informationen zum Dialogprozess
finden Sie auf www.dialogbegleiter.at
joe
1
info
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freigeist sommer 2013
Fotos: Benno Kapelari
freigeist sommer 2013
was zu tun sei. Joe’s Großvater lud seinen Enkel ein, mitzukommen und zuzusehen.
Joe wartete, bis alle Mitglieder des Rates in
der Kiva, dem Zeremonienraum waren, ehe
er selbst die Leiter hinunterkletterte. Er trug
eine zusammengerollte Decke unter seinem
Arm. Joe nahm in der Nähe seines Großvaters Platz, in der Nähe eines Vorsprungs in der
Ziegelwand, auf dem Tontöpfe, Trommeln
und ein paar getrocknete blaue Maiskolben
aufgelegt waren. Ein Feuer knisterte in einer
Grube im harten Lehmboden, in der Mitte des
Raumes. Der traditionelle große Gesprächsstein ruhte auf der einen Seite des Feuers, genau gegenüber der sipapu, einer Grube, die
traditionellerweise daran erinnert, dass die
ersten Menschen aus der unteren Welt an die
Oberfläche der Erde gekommen waren.
Die Ältesten saßen einige Minuten lang still,
während Joe aufgeregt lauschte. Er konnte
den Beginn der Diskussion kaum erwarten.
Der Häuptling der Pueblo öffnete ein blauweißes Bündel und wickelte etwas aus, das
wie ein Pfeifenstiel aussah. Er war etwa so
lang wie ein Arm und war an einem Ende
mit Federn und türkisen Fäden verziert. Das
andere Ende war mit Leder umhüllt. Obwohl
Joe noch nie so etwas gesehen hatte, wusste
er, was es war. Der traditionelle Sprechstab,
der nur bei wichtigen Versammlungen eingesetzt wird. Der Häuptling hielt den Stab für
einen Moment stumm und sanft in Händen,
dann hob er an, eine Geschichte zu erzählen,
vom Hirschen, dem der trockene Wüstenwind beibrachte, so schnell wie ein Steppenläufer zu rennen. Joe erinnerte sich dunkel an
diese Geschichte, noch aus seiner Kindheit im
Stamm der Pueblo.
Als der Häuptling zu Ende gesprochen hatte,
reichte er den Stab seinem linken Nachbarn.
Der Alte erzählte eine Geschichte, die Joe
noch nicht kannte, über die Ahnen, die das
Dorf der Pueblo gebaut hatten. Und so ging
es weiter. Jeder der alten Männer trug seine
Geschichte in den Kreis, als würde er ein kostbares Holzscheit ins Zeremonienfeuer legen.
Ein Teil von Joe wurde wieder zum Kind und
war bezaubert von den Geschichten, die sein
Volk seit Generationen stärkten und trugen.
Ein anderer Teil wurde ungeduldig und war
verwirrt. Wann fangen sie denn endlich an,
den Vorschlag der Regierung zu diskutieren,
fragte sich dieser Teil von Joe. Obwohl all die
Geschichten irgendetwas ganz tief in ihm berührten, waren doch bereits vier Stunden vergangen und der Diskussionsgegenstand war
noch kein einziges Mal erwähnt worden!
Als der Sprechstab wieder beim Anführer
angelangt war, setzte sich Joe kerzengerade
auf, um ja kein Wort der folgenden Diskussion zu verpassen. Jetzt würde es losgehen.
Doch der Häuptling legte den Stab langsam
auf den blau-weißen Stoff und schloss seine
Augen. All die anderen taten dasselbe. Das
einzige Geräusch im Raum war das leise Knistern des Feuers.
In der Stille, inmitten der Ältesten erinnerte
sich Joe an die Geräusche der Trommeln
und an die Gesänge seiner Kindheit. Und
zugleich fragte er sich wieder, wann die Debatte beginnen würde. Nach einer sehr langen halben Stunde begann Bewegung in die
Versammlung zu kommen. Als hätten sie sich
abgesprochen, schlugen alle die Augen auf
und blickten einander an, jeder jeden, langsam und bewusst. Kein weiteres Wort wurde
gewechselt. Eine Debatte wurde nicht geführt. Zu Joes Verwunderung begannen sich
alle zu strecken, nachdem sie stundenlang
ohne Bewegung gesessen waren. Man stand
auf und verließ den Versammlungsraum,
ohne noch etwas zu sagen. Joe wartete, bis
alle gegangen waren und lief dann, um seinen Großvater einzuholen.
„Was war denn das?“, platze es atemlos aus
ihm heraus. Der alte Mann unterdrückte ein
Lächeln und ging weiter. „Ich dachte, die Versammlung würde über den Vorschlag der Regierung abstimmen?“, fragte Joe verwirrt.
„Das hat sie“, sagte der Großvater mit ruhiger
Stimme.
„Ich habe keine Diskussion gehört – und ganz
bestimmt keine Abstimmung“, antwortete
Joe, immer noch sehr verwundert.
„Dann hast du nicht richtig zugehört“, gab
sein Großvater zurück und verlor den Kampf
gegen das Lächeln. „In der Ratsversammlung
hört man auf die Stille zwischen den Worten.
Mit den Ohren eines Hasen.“
„Du meinst, der Rat hat tatsächlich den Vorschlag der Regierung aufgenommen und zu
einer Entscheidung gefunden?“
„Ja.“
„In der Stille?“
„Und in den Geschichten“, fügte der Großvater hinzu und lachte.
Plötzlich verstand Joe, was sich zugetragen
hatte. Im selben Moment verstand er die Magie der Ratsversammlung und er fühlte, dass
auch er mit dem, was in der kiva geschehen
war, verbunden war. Die Art, wie die Männer zugehört und gesprochen hatten, wie
jeder von ihnen seinen Teil zu einer größeren
Wahrheit beigetragen hatte, erschien ihm
plötzlich wie ein Wunder.
Kommt dir diese Geschichte unglaubwürdig
vor? Ist es schwer für dich zu glauben, dass
eine Gruppe von Menschen so tief und wirkungsvoll über eine komplexe, kritische Fragestellung kommunizieren kann, ohne das
Thema tatsächlich zu diskutieren? Zweifel,
das war auch meine erste Reaktion, als ich
die Geschichte vor dreißig Jahren zum ersten
Mal hörte. Ein Freund von Joe, der ihn seit
vielen Jahren regelmäßig bei den Pueblo besucht, hat sie mir erzählt.
Falls du dich fragst: Der Rat der Ältesten hat das
Angebot der Regierung nicht angenommen.
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freigeist sommer 2013
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freigeist sommer 2013
schmiede das eisen,
wenn es kalt ist!
Anke und Martin Huber
Hans Steinkellner war schon öfters in der Lernwerkstatt zu Gast, um über die „Kraftquelle
Erwachsenenpräsenz“ zu referieren. Gemeinsam mit Stefan Ofner leitet er das „Institut für
Neue Autorität“ in St. Pölten. Dort trafen ihn Martin und Anke Huber zum Interview, um mit
ihm über Präsenz, gewaltfreien Widerstand und Wiedergutmachung zu diskutieren.
Neue Autorität (NA) ist ein Begriff, der
entstanden ist, weil deutlich geworden ist, dass die traditionelle Form von
Autorität heute so nicht mehr funktioniert. Traditionelle Autorität war aufgebaut auf Gehorsam, darauf, dass Kinder
folgsam sind. Früher war es legitim,
den Gehorsam mit Macht und Gewalt
durchzusetzen. Immer mehr Eltern und
LehrerInnen merken, dass das so nicht
mehr funktioniert, weil sich die Gesellschaft verändert hat. Heute brauchen
wir andere Methoden, um Kinder in ihrer Entwicklung gut zu unterstützen. Wir
wollen eine Kindererziehung, wo es um
Nähe und Beziehungsorientierung geht.
Autonomie ist viel wichtiger geworden,
auch die Autonomie der Kinder. Deswegen funktioniert auf Macht aufbauende
hierarchische Autorität nicht mehr. Neue
Autorität ist kein schöner Fachbegriff,
aber es ist eine hilfreiche Definition, als
Abgrenzung zur traditionellen Autorität,
auch, um zu unterstreichen, dass es eine
neue Form der Autorität braucht. Wir
wissen ja aus bitterer Erfahrung aus der
Geschichte, dass Kindererziehung ohne
Autorität auch nicht funktioniert.
Präsenz bedeutet aber nicht nur anwesend zu sein, sondern es geht vielmehr
darum, das Pflichtgefühl wach zu rufen,
sich einzumischen, immer dann, wenn
es nötig ist: wenn Gefahrenmomente da
sind, wenn Alarmsignale da sind, dann
geht es darum, die wachsame Sorge zu
erhöhen und die Präsenz zu steigern.
Wenn es wieder gut läuft, kann man die
Präsenz wieder reduzieren. In der Entwicklung von Kindern wird Autonomie
immer wichtiger, die Räume, die Lebensräume der Kinder werden immer weiter.
Enger muss es dann werden, wenn wir
Sorge haben, dass sich Kinder nicht gut
entwickeln. Dass sie sich in Gefahr begeben, dass sie andere gefährden. Dann
ist es wichtig, dass die Erwachsenen
präsenter sind, dass sie näher dran sind,
einschränkend, Widerstand leistend, unterstützend, immer dann, wenn Kinder
das brauchen.
Kannst du ein einfaches Beispiel für Präsenz nennen?
Wenn Kinder in die Pubertät kommen,
stellt sich in fast jeder Familie die Frage,
wie lange sie ausgehen dürfen. Jugendliche haben dann manchmal andere
Vorstellungen als die Eltern. Wenn Eltern
merken, dass Jugendliche sich nicht an
Ausgehzeiten halten, die ausgemacht
wurden, dann ist wichtig, ihnen deutlich
zu machen, dass das so nicht geht. Dass
wir Erwachsenen wissen müssen, wo sie
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit von
Eltern und LehrerInnen in der Schule?
Was sind die Grundsäulen der Neuen Autorität?
Die wichtigste Grundsäule der NA ist
vielleicht die Präsenz. Präsenz als Unterscheidung oder als entgegenstehender
Wert zu Distanz und zu Unnahbarkeit.
hingehen, mit wem sie unterwegs sind,
was sie so grob als Programm vorhaben
und wann die Ausgehzeit wieder zu Ende
ist. Es braucht die Abmachung zwischen
den Eltern und den Kindern. Es kann nicht
sein, dass Kinder die Regeln alleine definieren und selbst entscheiden, wie lang
die Ausgehzeiten sind, nicht nur, weil es
im Gesetz so geregelt ist, sondern auch,
weil es für die Sicherheit und die gute
Entwicklung des Kindes wesentlich ist.
Die vorhin angesprochene wachsame
Sorge ist der wichtigste Faktor dafür, dass
sich Kinder gut entwickeln. Es ist wesentlich für Eltern, zu wissen, dass sie nicht
nur wachsam sorgend für die Kinder da
sein dürfen, sondern dass sie sogar die
Verpflichtung dazu haben, es auch enger
zu machen, wenn es notwendig wird.
Hans Steinkellner
Foto: Martin und Anke Huber
w
as versteht man unter Neuer Autorität und wie ist dieser pädagogische
Ansatz entstanden?
sind Eltern von zwei Kindern in
der Lernwerkstatt
Das ist auch eine wichtige Säule der NA.
Wenn es keine Zusammenarbeit gibt,
wird es schwieriger für beide Seiten, für
Eltern und LehrerInnen. Das muss auch
beiden Seiten bewusst sein. Es ist wichtig, die Dynamik des „sich die Verantwortung gegenseitig zuzuschieben“ zu
durchbrechen und die Energie dazu zu
nutzen, Bündnisse zu schmieden, die Zusammenarbeit zu verbessern , Austausch
zu pflegen, auch dann, wenn es gut geht.
Viele Eltern sind gewohnt, dass sich Lehrer nur dann melden, wenn es Probleme
gibt. Das führt mitunter dazu, dass manche Eltern schon nicht mehr das Telefon abheben, wenn die Schule dran ist.
Manche Schulen gehen aber schon dazu
über, dass sie bereits im Vorfeld, bevor
das Kind in die Schule kommt, Kontakt
mit den Eltern aufnehmen und dass sich
die LehrerIn vorstellt und darauf hinweist, dass das Interesse an einer guten
Zusammenarbeit besteht. Das hat sich
in diesen Schulen sehr bewährt. In dem
Fall, wo Eltern und Lehrer sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben,
entstehen negative Folgen: die Autorität
der Eltern und der LehrerInnen schwindet, damit steigt das Problemverhalten
des Kindes und das Sicherheitsniveau
der Klasse wird geringer.
Was ist mit Kindern, die nur mehr unregelmäßig zur Schule kommen. Eltern und
Lehrer haben sich schon darüber ausgetauscht. Beide Seiten erkennen es als
massives Problem an. Wie wären im Sinne
der NA die nächsten Schritte?
Insbesondere im Pflichtschulalter ist die
Not immer auf beiden Seiten groß, wenn
Kinder oder Jugendliche die Schule verweigern. Häufig ist es in der Schule so,
dass andere Kinder fragen: „Und was
passiert jetzt, X. war schon 3 Wochen
nicht mehr in der Schule?“ Wenn die LehrerInnen darauf wenig zu sagen haben,
dann ist die implizite Botschaft „eigentlich passiert nicht viel.“ Die Kinder verstehen dann, „ah, wenn nichts passiert,
wenn ich nicht in die Schule gehe, warum
gehe ich dann überhaupt?“ Wir müssen
dann versuchen herauszufinden, was
das Problem ist. Das heißt nachfragen,
dran bleiben, die wachsame Sorge erhöhen. Schulverweigerung ist ein eindeutiges Alarmsignal. Wir müssen versu-
chen in Beziehung und ins Gespräch zu
kommen und alles zu tun, um das Kind
zu unterstützen, damit die Ursache gefunden wird.
Wenn ein Kind dann noch sehr wenig bereit ist die Ursachen zu nennen, warum
es versucht, die Schule zu verweigern
(ohne dass z. B. Mobbing oder Ähnliches
vorliegt), dann ist es notwendig, sehr
entschlossen Widerstand zu leisten.
Wie geht das am besten?
Indem man die Präsenz erhöht, auch im
Zimmer des Kindes, und das Netzwerk
nützt. Die Eltern machen deutlich:“ Wir
wollen, dass du wieder in die Schule
gehst!“ und im Sinne des Netzwerkes:
Wer kann die Eltern noch unterstützen?
Die Eltern sind in aller Regel alleine nicht
dazu in der Lage. Das liegt nicht an der
Motivation der Eltern, sondern an der
Machtdynamik, die sich in der Familie
umgekehrt hat, wobei die Kinder die Eltern dominieren.
Bei Schulverweigerung ist es manchmal
ähnlich. Die Dynamik ist dann so, dass
das Kind entscheidet, „Nein, ich geh nicht
mehr!“ Dies lässt die Eltern oft verzweifelt
und voller Ohnmacht zurück. Wenn die
Eltern auch noch allein und isoliert sind,
dann ist es ganz schwierig, die Situation
wieder in den Griff zu bekommen.
Ich habe ein Beispiel im Kopf, wo die Eltern
es geschafft haben, dass das Kind zwar
ins Auto einsteigt, aber vor der Schule ist
es dann nicht ausgestiegen. Was macht
man da? Man kann ja nicht am Parkplatz
vor der Schule das Kind aus dem Auto
schleifen. Wir können Gehorsamkeit
18
nicht erreichen und Kinder wissen das.
Sie sagen das dann auch so „Wenn ich
nicht aussteigen will, habt ihr keine Möglichkeit, mich aus dem Auto zu bringen“.
In diesem Fall war es so, dass eine Lehrerin dazu gekommen ist und sich zu dem
Burschen ins Auto gesetzt hat. Sie sind
dann eine Zeit im Auto gesessen, dann
sind noch ein paar andere LehrerInnen
dazu gekommen, und schließlich war er
bereit mitzugehen. Aber nicht, weil er
gehorsam war, sondern weil er sich entschlossen hat mitzugehen.
Das ist immer das Wichtigste, dass wir
Erwachsene versuchen, unser Verhalten
unabhängig zu machen von dem Verhalten des Kindes. Er kann bestimmen, ob er
aussteigt, aber nicht, ob jemand zusätzlich einsteigt. Das Wichtigste daran ist,
dass dieser Bursche selbst entscheiden
kann, „ja, ich bin jetzt bereit in die Schule zu gehen“ und dass er dabei nicht das
Gesicht verliert. Das Ehrgefühl der Kinder
zu wahren, die Integrität zu schützen, ist
das Um und Auf.
Du hast das Unterstützungsnetzwerk angesprochen, wie kann man sich das konkret in der Praxis vorstellen?
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Es können Bekannte, Verwandte
oder Freunde sein, aber auch im Bereich
der Schule können es BetreuungslehrerInnen, SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen, bis hin zur Schulbehörde und Bezirksschulräte sein. Außerdem
macht es Sinn, so genannte Unterstützungsteams zu bilden. Das kann ganz
unterschiedlich ausschauen. Ich war
letzte Woche in einer Schule, wo sie sich
entschieden haben, dass immer 3 LehrerInnen in der Woche für Eskalationen zuständig sind. Jede LehrerIn kann, wenn
Alarmsignale da sind, z. B. Stören des Unterrichts, Gewalt, Mobbing - alles was destruktives Verhalten ist, diese Probleme
mit den 3 LehrerInnen besprechen. Sie
haben sich entschieden, die Themen
auf Kärtchen aufzuschreiben und in einen Korb zu legen. Jedes Kärtchen, das
im Korb landet, wird noch in derselben
Woche vom Unterstützungsteam besprochen. Dieses Team hat die Aufgabe,
die LehrerInnen, bei denen das Problem
aufgetaucht ist, bei der Lösung zu unterstützen. Da geht es darum, Autorität auf
breitere Beine zu stellen. Dann merken
die Kinder, dass die LehrerInnen sich als
gegenseitige UnterstützerInnen sehen
und das Motto aufstellen, wenn im Unterricht eines Lehrers große Probleme
auftreten, dann betrifft es nicht nur eine
Lehrkraft, sondern alle. Das ist die Haltung dahinter.
Gewaltfreier Widerstand - kannst du uns
ein Beispiel nennen, wo Eltern in einem
Problemfall/Eskalationsfall gewaltfreien
Widerstand leisten bzw. was das Gewaltfreie daran ist?
Die Präsenzsteigerung wird mit gewaltlosem Widerstand unterstützt. Dabei
wird entschlossen gegen problematisches Verhalten vorgegangen. Hier ist
wichtig, beides zu betonen: die Gewaltfreiheit und den Widerstand, in dem
man gewisse Grenzen setzt. Immer mit
der Haltung:“ Wir können dich nicht verändern, aber wir werden gegen dieses
Verhalten protestieren und alles tun, was
wir können, damit das aufhört. Ein einfaches Beispiel wäre, wenn Kinder nicht
zu vereinbarten Zeiten nachhause kommen. Dann kündigen wir an, dass wir
bereit sind, andere Bekannte oder Verwandte mit einzubeziehen, sie anzurufen. Dass wir uns einmischen und wenn
es notwendig ist, nachgehende Präsenz
aufweisen, d.h. dass wir an Orten auftauchen, wo Kinder uns normalerweise
nicht erwarten z. B. in Discos, Bars u.ä.
Ein anderes Beispiel im Schnittpunkt zwischen Elternhaus und Schule ist es, wenn
am Schulweg Probleme auftauchen.
Wenn ein Kind andere Kinder bedroht,
gewalttätig ist, dann leisten wir Wider-
5
19
2012
er 2013
sotmm
istrbs
igehe
freige
freist
ich unterstützend, beharrlich dafür sorge,
dass ein Kind Verantwortung übernimmt
- auch mit Hilfe des Netzwerkes, wenn
es notwendig ist. Dieser Prozess, der
begleitet wurde von Erwachsenen, der
wird dann noch zusätzlich transparent
gemacht in der Gruppe, sodass ihn alle
sehen. Es gibt viel Anerkennung von der
Gruppe dafür, wie er/sie das gelöst hat.
Wieder ist das Ehrgefühl ganz wichtig.
stand. Wir machen deutlich, dass das
Kind von einem Erwachsenen auf dem
Schulweg begleitet wird, solange es keine Sicherheit und kein Vertrauen gibt.
Was passiert nach dem Ansatz der NA, wenn
schon etwas vorgefallen ist? Wie schaut
es aus mit der Wiedergutmachung?
Es gibt zwei Ansatzpunkte. Das Eine ist
der gewaltlose Widerstand, der sich gegen das Problemverhalten richtet, solange es Bestand hat. Das Zweite ist es,
dass der Schaden, der schon angerichtet wurde, wieder gut gemacht werden
muss. Das eine ist die Verantwortungsübernahme. Verantwortungsübernahme meint „Ich habe es gemacht, ich stehe dazu, jetzt im Nachhinein kann ich es
auch sagen, es tut mir leid.“ Der zweite
Schritt ist eine Geste des guten Willens.
Wir sagen dem Kind/Jugendlichen “Du
hast jetzt Schaden angerichtet, das ist
das eine, was könntest du tun, damit die
anderen sich freuen, was könntest du
tun, damit Gutes in die Welt kommt?“
Wichtig ist der Prozess und weniger,
was dann genau dabei herauskommt. Es
macht einen Unterschied, ob ich, als Erwachsener, ein Kind für ein Fehlverhalten
bestrafe und damit klein mache oder ob
Es gibt ja den Spruch in der NA:“ Schmiede
das Eisen, wenn es kalt ist.“ Was hat es damit auf sich?
Es macht oft Sinn, das Prinzip Aufschub
walten zu lassen. Ganz einfach formuliert: Als Erwachsener muss ich in der
Phase der Eskalation nur dafür sorgen,
dass jeder geschützt ist. Ansonsten ist es
besser, die Konfliktregelung auf später
zu verschieben. In der Phase der größten
Eskalation sind meine Emotionen und
die Emotionen des Kindes auf einem Höhepunkt. Da Konflikte regeln zu wollen,
ist schier unmöglich.
„Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist“ unterstreicht die Idee, dass wir Kinder nicht
kontrollieren können, aber dass wir uns
selbst kontrollieren können. Die Ausdehnung über die Zeit stärkt die Autorität.
Gibt es noch einen Punkt, den du noch gerne
ausgesprochen hättest, der dir wichtig ist?
Foto: beigestellt
freigeist sommer 2013
Ich würde gerne noch zu den Beziehungsgesten etwas sagen. Es ist total
wichtig, dass wir immer wieder parallel zu Widerstandsmaßnahmen Beziehungsgesten machen. Viele LehrerInnen,
auch manche Eltern haben gelernt, die
Strenge über viele Bereiche des Lebens
auszudehnen. Eltern sagen z.B. „Ich kann
das Kind, wenn es etwas angestellt hat,
ja nicht belohnen. Das Problem dabei
ist, dass Kinder erleben, wie sie für ein
problematisches Verhalten in allen Lebensbereichen bestraft werden. Dann
glauben sie, dass sie von den Eltern nicht
mehr geliebt werden. Das sagen sie auch
so: „Ich bin bei dem/der LehrerIn unten durch, der/die hat mich auf der Abschussliste“ usw.
Beziehungsgesten meinen, dass der
Widerstand sich gegen ein bestimmtes
Verhalten richtet. Dass das Kind aber
erleben muss, dass es in seiner persönlichen Würde nicht attackiert wird,
sondern „du bist willkommen, wir mögen dich, schön dass du da bist“. Dieses
Verhalten ist nicht willkommen, dagegen richtet sich der Widerstand. Die
Unterscheidung zwischen Person und
Verhalten ist ganz wichtig. Ein Kollege
von mir hat dies mal so formuliert: “Kinder brauchen unsere Liebe dann am
meisten, wenn sie diese am wenigsten
verdienen.“ Wichtig ist aber, dass wir
für Kinder in der Zeit des Widerstandes
nichts tun, was sie fordern. Wenn Kinder z.B. sagen:“ Ja, o.k., ich werde nicht
mehr gewalttätig sein, wenn du mir die
Playstation XY kaufst.“, dann ist die Playstation keine Beziehungsgeste, sondern
das Ergebnis der Erpressung der Kinder
und das wäre keine geeignete Form von
Beziehungsgesten.
Wie kann ein Eltern - LeherInnenbündnis
ausschauen?
Indem Eltern und Lehrer sich zusammen
tun und gemeinsam überlegen: Wie
können wir das Kind am besten unterstützen? Wie können wir unsere gemeinsamen Werte als Ziele formulieren? Wie
können wir dafür sorgen, dass wir das
Kind so unterstützen, dass es sein Ziel
erreicht? Wie können wir bei problematischem Verhalten Widerstand leisten?
Welche Beziehungsgesten machen
wir? Wie inszenieren wir Wiedergutmachung? Wie können Eltern sich dabei
einbringen? Wie können LehrerInnen
sich einbringen?
Die Idee ist, herauszuarbeiten, was wir
gemeinsam machen können, anstatt sich
gegenseitig die Schuld zuzuschieben.
Die NA ist ja sehr situationsorientiert, sehr
handlungsorientiert, das heißt, dass auf
Situationen und das entsprechende Verhalten reagiert wird. Wie ist das mit der
Ursache bzw. dem Hintergrund, das hinter
diesem Verhalten steckt. Wird da nicht nur
der „Symptomträger“ behandelt?
Systemisch gesehen ist der „Symptomträger“ die Person, an der ein Problem
sichtbar wird. Das heißt nicht immer,
dass dort auch das Problem, die Ursache
oder die Lösung liegt. Meist arbeiten wir
mit den Eltern und den Lehrern, nicht
mit dem Kind. Das Kind kommt dazu und
wird gefragt, was es erlebt und was es
zur Verbesserung der Situation beitragen kann. Bei der NA spielt es immer eine
große Rolle, wie die Beziehung zueinander ist. Wie kann man Eltern stärken, dass
sie die Beziehung verbessern können?
Damit geht es gar nicht um das „Problem
Kind“, sondern um das, was zwischen
den Personen ist. Es geht um die Kommunikation, es geht um die Vereinbarungen, es geht um den Widerstand, es
geht um die Gestaltung der Beziehung
und es geht um das Netzwerk.
Was wichtig ist, ist, dass wir die Kinder
immer wieder mit einbinden. Was können sie tun und wie können wir ihr Interesse gewinnen, damit ein Problem
aufhört. Da hilft uns sehr die Idee der
Vielstimmigkeit, die Idee, dass in Kindern immer konstruktive Stimmen da
sind, und Stimmen, die wir als destruktiv
bezeichnen könnten. Kinder folgen der
Stimme, die sich durchsetzt. So lange sie
kein Interesse daran haben, konstruktiv
mitzumachen, werden sie es auch nicht
tun und wir können sie dazu auch nicht
zwingen. Wir sagen dem Kind auch,
warum wir etwas machen: „Weil du uns
wichtig bist, auch weil es unsere Pflicht
ist. Du bist unser Kind und wir lieben
dich.“Lehrer sagen : „Weil du uns wichtig
bist, weil du zu uns gehörst.“
Vielen Dank für das Gespräch!
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freigeist sommer 2013
soziales
netzwerken
Von Stephan Halfpap
Was macht Facebook so erfolgreich?
n
och rund 10 Monate und dann feiert
Facebook sein 10 jähriges Bestehen.
2004 begann die Erfolgsgeschichte
als kleines Netzwerk in der Elite-Universität Harvard in der Nähe von Boston.
Der damals 20-jährige Mark Zuckerberg,
Student der Informatik und Psychologie
bastelte bereits einige Zeit an einer Internetplattform, die es ermöglichte, neben
Kommunikation der einzelnen Teilnehmer auch Bewertungen abzugeben.
Zunächst gab es Facebook nur an Universitäten, aber es dauerte nicht lange, bis
es eine offene Plattform für alle wurde.
Heute nutzt fast 1 Milliarde Menschen
dieses Netzwerk. Laut eigenen Angaben von Facebook (Quelle: digitalaffairs.
at) sind hier in Österreich bereits fast 2,8
Mio. Menschen registriert. Betrachten
wir mal die Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen ÖstereicherInnen genauer, bedeutet dies mehr als die Hälfte, mindestens
jeder Zweite ist via Facebook erreichbar.
Was der Begründer und Erfinder Mark
Zuckerberg geschafft hat, ist beispiellos.
Verschiedene andere Plattformen versuchen sich daneben zu behaupten.
StudiVZ, Netlog, Xing, LinkedIn, Google+
und viele mehr haben ihre Nischenplätze in diesem Markt gefunden. Sie sind
jedoch derzeit nur kleine Beiboote des
großen Dampfers aus Boston.
21
freigeist sommer 2013
Schwer zu sagen, wieso sich diese SocialMedia-Plattform durchgesetzt hat und
keine andere. Das ist aber auch nicht so
wichtig. Interessant ist, wieso diese Kommunikationsform seit 10 Jahren wächst
und wächst.
Menschen wollen sich mitteilen, einer
Gruppe angehören, nicht alleine sein. Das
gesamte Spektrum dessen, was Kommunikation untereinander ausmacht, wird hier
digital ermöglicht.
Sechs Hauptantriebe für die FacebookMitgliedschaft identifizierte Adam Joinson von der Universität Bath:
1. Kontaktaufnahme mit alten Freunden
2. Soziale Überwachung (erfahren, was
die Freunde so machen, ohne mit
ihnen zu reden)
3. Bekanntschaften online nachschlagen
4. Fremde online beobachten
5. Statusmeldungen
6. Teilen von Inhalten
Vor Facebook gab es bereits Social-Media-Plattformen, aber die meisten Nutzer haben dort sogenannte Nicknames,
also Fantasienamen. Facebook baut darauf auf, mit echten Daten zu arbeiten.
Wer sich registriert, tut dies in der Regel
mit seinem richtigen Namen.
Eine der ersten Kampagnen stand damals auch unter dem Motto: Finde alte
Freunde wieder. Und tatsächlich, wie in
einem großen Telefonbuch lassen sich
Schulkameraden, Kollegen von früher
suchen und finden.
Was ist so reizvoll daran?
Die öffentlichen Mitteilungen der einzelnen Benutzer können gleich von mehre-
ren Menschen gelesen werden. Ein Brief
an mehrere Adressaten sozusagen. Ein
„Mir geht´s gut heute“ auf der eigenen Seite posten und schon wissen alle Freunde
Bescheid über den eigenen Gemütszustand, können sich dazu äußern, gratulieren, oder was immer ihnen dazu einfällt.
Klicke ich auf der Seite „Lernwerkstatt
Pottenbrunn“ zum Beispiel den „Gefällt
Mir“-Button, wissen gleich alle 276 Mitglieder (Stand Mitte April) Bescheid darüber, dass ich, wie sie, diese Seite mag.
Wer ein Facebook-Nutzerprofil hat, gibt
freiwillig Auskunft über sich. Er lädt Fotos hoch, erklärt eventuell seinen Beziehungsstatus, zeigt auf einer Karte, wo er
wohnt und wo er schon in Urlaub war. Die
Darstellung geht weiter mit möglichen
Lieblingsfilmen, Büchern, Fußballmannschaften, Stars und anderen Seiten. Daneben ist die Freundesliste in den meisten
Fällen auch einsehbar. Alles freiwillig.
Klar ist, dass jeder nur das veröffentlicht,
was er möchte und klar ist, dass hier auch
die Möglichkeit besteht sich so zu zeigen,
wie man es sich wünscht zu sein.
Wie weit ist also das Facebook
Profil nah oder entfernt von der
echten Person?
Mehrere Studien der Mainzer Universität zeigten kürzlich, dass die meisten ihr
wahres Ich in ihrem Online-Profil präsentieren. Narzissten beispielsweise vermarkten sich besonders eitel.
Interessant ist aber deshalb auch, dass
Computerprogramme die Profile der
Nutzer durchforsten können und nur
(!) anhand der „Gefällt Mir“-Aussagen
Rückschlüsse auf die Personen ziehen
können. Ein Versuch in den USA ergab
Erstaunliches. Knapp 60 000 Menschen
gaben nur ihre „Gefällt Mir“-Angaben
in einem Testlauf an und das mathematische Computerverfahren konnte zu 93
% das Geschlecht errechnen, zu 70 %, ob
derjenige Alkohohl trinkt, zu 95 % die
Hautfarbe und zu 82 % die Religionszugehörigkeit feststellen. Ein Userprofil
zeigt somit doch sehr viel. Es sind die
„Gefällt Mir“-Angaben , die sehr viel über
die Person aussagen können.
Nutzer sozialer Netzwerke (schreibt Spiegel Online) sollten genau aufpassen, welche Informationen sie öffentlich machen
möchten und welche nicht. Niemand sollte
sich falschen Illusionen hingeben: Was öffentlich ist, wird auch genutzt, etwa von
Strafverfolgungsbehörden, Kriminellen
oder Scheidungsanwälten, die dort nach
Belegen für Ehebruch suchen. Und der
Internetgigant Facebook macht letztlich
nichts anderes, als mit der Persönlichkeit
seiner Nutzer Geld zu verdienen.
Tipp: Ob die eigenen „Gefällt mir“-Angaben öffentlich sind oder nicht, lässt sich
leicht in der eigenen Timeline einstellen.
Es genügt ein Klick auf den PrivatsphäreButton unter einer beliebigen mit „Like“
markierten Seite.
Faszination Internet gerade für
junge Menschen
Junge Menschen nutzen das Internet, die
digitale Kommunikation immer stärker.
Was kann Internet auch, was kann das Internet, was die andere Welt nicht kann.
Räume, so sagt Georg Simmel (18581922) sind nicht geografisch zu verstehen. Räume sind losgelöst von Umfang
und Quadratmeilen. Räume sind ein Resultat der Tätigkeit der Seele, sie werden
durch psychologische Kräfte geschaffen.
Anders gesagt, eine Vereinigung funktioniert über ihre emotionale, psychologische Nähe, nicht durch ihre räumliche.
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freigeist sommer 2013
Der städtische Raum konstituiere sich
durch die interaktiven Beziehungen der
Bewohner und Bewohnerinnen und diese Interaktionen wirkten über die physikalischen Grenzen hinaus.
Es geht um die psychologischen Kräfte
für die Erstellung eines Raumes. Damit ist
auch das Netz ein Raum, der sich auf die
Tätigkeit der Seele stützt. Dieser Raum
steht somit auch in Konkurrenz zu anderen Räumen. Simmel bezeichnet Räume
auch in einem Beispiel als Reich. Diese
konkurrieren demnach um die „Gunst“
der Seelentätigkeiten. Eine Community
im Netz ist gleichzusetzen mit einer Dorfgemeinschaft. Eine „Gilde“ in „World of
Warcraft“ dann mit einem Freundeskreis
, der sich zum Spielen trifft , eine Freundesliste trifft sich im Facebook, um sich
auszutauschen, zu plaudern.
Christina Schachtner schreibt in einem
Artikel („Ich bin online , also bin ich“, Psychologie heute, März 2010) sehr beeindruckend , wieso das Internet mit allen
Formen der
dortigen Kommunikation
so interessant
f ü r
ju n g e
M e n schen ist
und berücksichtigt auch
vor allem eine
Tatsache: Web 2.0
ist ein wesentlicher
(wenn auch für viele
neuer) Bestandteil unseres
Lebens, den man erst mal
nicht mit gut/schlecht einordnen
kann. Zu den wichtigsten Ressourcen
und Orten für die Selbstfindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gehören heutzutage die digitalen Medien.
Rund 95 % der 14- bis 19-Jährigen und 91
% der 20- bis 29-Jährigen sind regelmäßig online. Schon immer lieferten Medien
wie TV, Film, Musik und Zeitschriften den
Stoff, aus dem Jugendliche für die Gestaltung des eigenen Ichs schöpfen können.
Sie offerieren Modelle für Rollen, für Lebensstile, für das Outfit. Die digitalen
Medien aber haben den audiovisuellen
Medien eines voraus: In ihnen können
Jugendliche selbst aktiv werden. In den
sozialen Netzwerken wie Facebook sind
die jugendlichen User nicht nur Zuschauer oder Rezipienten – sie treten selbst
in diesen Netzwerken auf. Digitale Medien werden wie bislang kein anderes
Medium von der jungen Generation für
Selbstinszenierungen genutzt. Die Zahlen sind bereits eingangs beschrieben.
Selbstverwirklichung steht bei heutigen
jungen Menschen hoch im Kurs. Der Ort
der Selbstverwirklichung ist
die Freizeit – und
für viele ist es die
Freizeit im Cyperspace. Das virtuelle
Universum, das sich Jugendliche im Cyperspace
schaffen, ist ihre Welt,
fernab – so zumindest die
Hoffnung – vom Zugriff
kontrollierender Instanzen.
Ein neuer Begriff von Heimat zeichnet sich ab. Heimat ist nicht nur dort, wo
man herkommt, sondern
auch dort, wo man sich
bewegt, wo die Freunde
sind, wo man neue gewinnen kann. Die Wege
durchs Netz machten
nicht heimatlos, sie
laden ein zum Verweilen, sie erlauben
ein oft intensives
Miteinander – für eine bestimmte Zeit,
nicht für immer. Das ist ganz nach dem
Geschmack heutiger Jugendlicher, wie
aus der Shell Studie 2006 hervorgeht.
Jugendliche präferieren demnach lockere soziale Bindungen ohne formale
Verbindlichkeiten. Sie wollen ihr soziales
Engagement selbst dosieren und spontan initiativ werden. Das soziale Zuhause
ist verschiebbar geworden. Das „Aufsich-selbst-gestellt-Sein“ heutiger Jugendlicher verstärkt das Bedürfnis nach
Austausch und Spiegelung in anderen,
wovon sie sich die Wiedergewinnung
von Sicherheiten erhoffen, die ihnen
durch den gesellschaftlichen Umbruch
entzogen werden, resümiert Schachtner.
Noch ein paar spannende Details aus
diversen Forschungen bezüglich Facebook und ähnlichen Plattformen.
Fühlen sich einsame Menschen
einfach mehr zu sozialen Netzwerken hingezogen? Oder hat ständiges Surfen den Effekt, dass man
auf Dauer einsamer wird?
Wer wenig aktiv kommuniziert wird möglicherweise unzufriedener. Besonders das
passive Nutzen von Facebook, sagt eine
Studie schürt intensiv Neid und kann da-
23
freigeist sommer 2013
Stephan Halfpap
ist selbständiger Berater und Coach und nur
noch ein paar Tage LWS -Vater.
rüber die Lebenszufriedenheit
beeinträchtigen. Wer selbst nur
wenig aktiv kommuniziert, sondern eher Posts von Freunden liest
oder deren Fotos durchklickt,
ist tendenziell unzufriedener.
Neid ist Grund Nummer
1, fehlendes Feedback
auf eigene Posts Grund
Nummer 2. Der Neid bezieht sich auf Urlaube, tolle
Aufnahmen. Auch im Ranking oben ist beispielsweise, wenn Freunde an
ihren Geburtstagen
mehr
Glückwünsche erhalten haben als
man selbst an seinem. Im „richtigen“
Leben führen Status, Talent, Erfolg
und
Besitz
öfters zu
Neid.
Der Neid
im Netz
ist also ein
anderer.
Da sich im
Facebook aber alle überwiegend positiv
darstellen, wird der „andere“ gerne auch
überschätzt und neidisch betrachtet.
„Neid kann in sozialen Netzwerken wuchern und durch passives Verfolgen
noch intensiviert werden“, sagen Forscher. Eigene Aktivität auf Facebook hat
hingegen, so zeigen andere Studien,
eher positive Effekte: Sie führt dazu, sich
verstanden und mit anderen verbunden
zu fühlen. Und das ist nicht nur Illusion,
wie wissenschaftlich ebenfalls gesichert
ist. Aktive Facebook-Nutzer erhalten
demnach tatsächlich mehr soziale Unterstützung, wenn sie sie brauchen.
Wie real ist die Facebook Freundschaft?
Soziologen haben ziemlich übereinstimmend herausgefunden: Je mehr
Menschen sich digital miteinander austauschen, desto stärker sind sie auch im
realen Leben miteinander in Kontakt.
Digitaler Kontakt würde realen Kontakt
stören, das ist bisher nicht festzustellen.
Gesellige Menschen haben im realen
Leben viele Kontakte, ebenso in der digitalen Welt. Facebook ist möglicherweise
also eine Fortsetzung der realen Kommunikation nur eben online.
Facebook und Einsamkeit
Einsamkeit kann durch Interaktion reduziert werden. Und das geschieht vor allen
Dingen bei Leuten, die interagieren, also
die mit Leuten schreiben und Aktionen
machen. Leute, die auf Facebook nur lesen, können nicht wirklich ihre Einsamkeit
reduzieren. Wenn man Menschen dann
fragt, inwieweit Facebook ihre Lebenszufriedenheit insgesamt beeinflusst, zeigt
sich ein interessanter Unterschied. Man
kann in Untersuchungen zeigen, dass
Menschen, die online-Unterstützung
bekommen, durchaus zufriedener mit
ihrer Unterstützung sind. Aber wenn es
darum geht, ein zufriedener Mensch zu
werden, also um Lebenszufriedenheit in
größerem Maße, dann spielt die onlineUnterstützung, die man dort erfährt,
keine große Rolle, sondern dann spielt
die offline-Unterstützung die entscheidende Rolle.
Facebook ist und kann nicht
weggedacht werden .
Es bedarf einer differenzierten Sichtweise auf dieses Thema. Facebook ist Teil
unserer realen Welt und kein Rückzug,
kein Angriff. Nur wenn wir die positive
Faszination begreifen, können wir sinnvoll mit der Nutzung umgehen. Da wir
dabei die sonst auch gültigen Umgangsformen berücksichtigen und verstehen,
dass das Internet nicht vergisst, man also
sorgsam mit seinen Informationen umgehen sollte, versteht sich von selbst.
Und damit bin ich off :)
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freigeist sommer 2013
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freigeist sommer 2013
unbekann te reformpädagogInnen
ellen key
Im Jahre 1900 erschien in Schweden Ellen Keys Buch „Das Jahrhundert des Kindes“, zwei Jahre später in
Deutschland, wo es begeistert aufgenommen wurde. In nur wenigen Jahren mussten 20 weitere Auflagen gedruckt werden und begründeten so den wachsenden Ruhm der schwedischen Autorin. Es sei ihr
bekanntestes Buch, urteilten damals Kritiker, aber nicht ihr bestes. Denn Ellen Key schrieb nicht nur über
Pädagogik, sie publizierte auch über Frauenrechte, Pazifismus und Literatur. Ihr großer Freundeskreis war
über ganz Europa verteilt, sie stand im Austausch mit Reformpädagogen wie Gustav Wyneken oder Paul
Geheeb, mit Bertha von Suttner oder Literaten wie Stefan Zweig und Rilke. In Schweden selbst stark angefeindet, brachen durch die Wirren des Ersten Weltkrieges auch viele dieser Kontakte ab. Ellen Key starb
1926 sehr zurückgezogen in ihrem Haus am Vättersee. Über die Jahrzehnte gerieten ihre Bücher wie Gedanken mehr und mehr in Vergessenheit. Zu Unrecht, meint Rainer Wisiak
‚g
eboren bin ich den 11. Dezember
1849 auf Sundsholm als erstes
Kind junger und glücklicher Eltern“, schrieb Ellen Key an einer Stelle
und verweist in Bezug auf ihre Kindheit
immer wieder darauf, dass es schöne
Jahre waren. Die familiäre Atmosphäre
soll eine Mischung aus solider Geborgenheit und aufgeklärter Intellektualität
gewesen sein. Bücher waren wichtig im
Hause der Keys, die Erwachsenen lasen
sich gegenseitig vor. Eine Rolle, die Ellen
Key später für ihre Geschwister übernahm und ihnen beispielsweise aus dem
gerade erschienenen Buch „Der Letzte
der Mohikaner“ vorlas. Das war etwa zur
selben Zeit, als sie ihre fünf Geschwister
dazu anstiftete, sich aus dem Elternhaus
in die Wälder in Richtung Bauernhof der
Großeltern davonzumachen. Zwei Nächte waren sie verschwunden und noch im
hohen Alter blickte sie stolz auf dieses
Erlebnis zurück, das sie durchaus einer
guten Kindheit angemessen empfand.
Eine Schule haben die Kinder der Keys
nie besucht. Für die wichtigsten Dinge
gab es HauslehrerInnen für die Burschen
wie für die Mädchen, vor allem für das
Erlernen der drei meistgesprochenen
europäischen Sprachen, wohl ein Grund
dafür, dass Ellen Key sich später relativ
leicht und rasch in der europäischen Literatur und Kultur zurechtfand. Lesen wur-
de bei ihr bald zur Sucht. Als Zehnjährige
hatte sie das Wichtigste an Weltliteratur
aus der Bibliothek ihrer Eltern gelesen.
Als Ellen zwölf Jahre alt war, gaben die Eltern das Vorhaben auf, in der Bibliothek
die Bücher nach Bücher für Erwachsene
und Bücher für Kinder zu trennen und sie
erhielt einen eigenen Schlüssel für die
Bibliothek. Zeitlebens war sie froh, nie
dem egalisierenden staatlichen Schulwesen ausgesetzt gewesen zu sein, in
welchem jeder Kenntnisdrang und jede
Selbsttätigkeit erstickt wird:
„Der Schule der Jetztzeit ist etwas gelungen, das nach den Naturgesetzen unmöglich sein soll: die Vernichtung eines
einmal vorhanden gewesenen Stoffes.
Der Kenntnisdrang, die Selbsttätigkeit
und die Beobachtungsgabe, die die Kinder dorthin mitbringen, sind nach Schluss
der Schulzeit in der Regel verschwunden,
ohne sich in Kenntnisse oder Interessen
umgesetzt zu haben. Das ist das Resultat,
wenn die Kinder ungefähr vom sechsten
bis zum achtzehnten Jahre ihr Leben auf
Schulbänken damit zugebracht haben,
Stunde für Stunde, Monat für Monat, Semester für Semester Kenntnisse zuerst
in Teelöffel-, dann in Dessertlöffel- und
schließlich in Esslöffelportionen einzunehmen, Mixturen, die der Lehrer oft aus
Darstellungen aus vierter oder fünfter
Hand zusammengebraut hat.
Unwirklichkeiten auf das Gebiet der Wirklichkeit, indem sie die Bücher in die Ecke
werfen und sich irgendeiner Aufgabe des
praktischen Lebens widmen.“
Mit solchen Gedanken war Ellen Key zu
ihrer Zeit aber nicht alleine, selbst Sigmund Freud weist auf die denkwürdige
Tatsache hin, dass die „strahlende Intelligenz der Kinder“ ziemlich regelmäßig
zum Erliegen komme, sobald die Betreffenden in etwas engeren Kontakt mit
Und nach der Schule kommt oft eine
weitere Studienzeit, in der der einzige
Unterschied in der `Methode´ darin
besteht, dass die Mixtur jetzt mit dem
Schöpflöffel zugemessen wird.
Wenn die Jugend diesem Regime entrinnt, ist die geistige Esslust und Verdauungsfähigkeit bei einigen so zerstört worden, dass ihnen für immer die Fähigkeit
fehlt, wirkliche Nahrung aufzunehmen;
andere wieder retten sich von all diesen
Ellen Key (1849 - 1926)
den öffentlichen Schulen gekommen
seien. In ihrem Buch „Das Jahrhundert
des Kindes“ widmet Ellen Key ein Kapitel
der Analyse des damaligen Schulsystems
und betitelt es mit „Die Seelenmorde in
den Schulen“, dem dann das Kapitel „Die
Schule der Zukunft“ folgt – einer Darstellung von Schule, wie sie sich eine solche
für Kinder im damals gerade angebrochenen neuen Jahrhundert erträumen
würde. Davon aber später.
Ellen Key war jedenfalls realistisch genug, um zu wissen, dass es noch Jahre
oder Jahrzehnte dauern wird, bis solche
Schulen entstehen werden, wenn sie
schreibt: „Wer vor die Aufgabe gestellt
würde, mit einem Federmesser einen
Urwald zu fällen, müsste wahrscheinlich
dieselbe Ohnmacht der Verzweiflung
empfinden, die den Reformeiferer vor
dem bestehenden Schulsystem ergreift.“
Ihre eigene Erziehung sah Ellen Key als
einen möglichen Weg, bis es solche neuen Schulen geben würde und verweist in
Folge auf ähnliche Lebenswege:
„Fast alle großen Männer und Frauen, die
selbstdenkend und selbstschaffend waren, haben ihre Bildung teils gar nicht in
der Schule, teils mehr oder weniger spät,
teils mit längeren oder kürzeren Unterbrechungen, teils in verschiedenen Schulen
erhalten. Meistens war es die lebendige
Anschauung, das im geheimen gelesene Buch, die eigene Wahl des Stoffes,
die dem Ausnahmemenschen seine Bildung gegeben hat. Goethes Erziehung
ist in diesem Falle ideal, wenn man von
einiger Pedanterie seines Vaters absieht.
Am Arbeitstisch der Mutter lernt er die
Bibel kennen; Französisch lernt er von
einer Theatertruppe; Englisch von einem
Sprachmeister zusammen mit seinem
Vater; Italienisch, indem er die Schwester in dem Gegenstande unterrichten
hört; Mathematik von einem Freund
des Hauses … Er führt seine Aufsätze
in Form eines Briefwechsels in verschiedenen Sprachen zwischen mehreren,
in verschiedenen Ländern zerstreuten
Geschwistern aus, er studiert eifrig Geogrophie in Reisebeschreibungen …
Er wandert mit dem Vater herum, lernt
verschiedene Handwerke beobachten,
kleine Aufträge ausführen.“
Eine neue Welt öffnet sich
1868 wurde ihr Vater als Abgeordneter
in den Reichstag gewählt und es kam zur
Übersiedlung eines Teils der Familie nach
Stockholm. Kaum zwanzigjährig, begann
Ellen Key als Sekretärin ihres Vaters zu arbeiten, der seiner Tochter Reden, Artikel
und Aufsätze diktierte. Dabei erlernte sie
nicht nur das Handwerk der Schriftstel-
lerin, sondern wurde gleichzeitig in die
politischen und gesellschaftlichen Fragestellungen ihrer Zeit eingeführt
Der norwegische Schriftsteller Bjornson,
der die Wohnung mit den Keys teilte, ermutigte sie zum Schreiben. Ihre ersten
Zeitungsartikel zeichnete sie noch mit
dem Namen ihres Vaters, 1874 dann zum
ersten Mal mit ihrem eigenen Namen.
1880 kam es zum Beinahe-Bankrott der
Familie und Ellen Key musste sich eine
eigene bezahlte Tätigkeit suchen. Sie begann an der Schule von Anna Whitlock
(einer privaten, fortschrittlichen und koedukativen Elementarschule) zu unterrichten und hielt wöchentlich Vorträge
in Kulturgeschichte am „Stockholmer Arbeiter Institut“, eine Tätigkeit, die sie für
die kommenden 20 Jahre beibehalten
sollte. Das Institut wurde für sie so zu einer Plattform, auf der sie zu einer öffentlichen und politischen Person in Schweden wurde, denn pro Jahr hörten dort an
die 10.000 Menschen ihre Vorträge.
Ruhm und Kritik
In den folgenden Jahren begann eine
Zeit reicher publizistischer Tätigkeit.
Aber was immer Ellen Key auch veröffentlichte, sie eckte an, brachte damit gesellschaftliche Dogmen ins Wanken: In nationalen Angelegenheiten nannte man sie
explizit eine Verräterin, da sie mit ihren
politischen wie pazifistischen Schriften
Finnland und Norwegen in ihrem Unabhängigkeitsstreben unterstützte und
sich kritisch mit dem nationalen Traum
von einem „Großschweden“ auseinandersetzte. Mit ihren Büchern zu Frauenrechten wie „Missbrauchte Frauenkraft“
oder „Liebe und Ethik“ hob sie gängige
Muster zu Arbeit oder Liebe, Partnerschaft und Ehe aus den Angeln, wenn
sie beispielsweise für Frauen das freie
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unbekann te reformpädagogInnen
Recht auf Mutterschaft (oder deren Ablehnung) einforderte oder das Recht auf
Scheidungen von Partnerschaften und
Ehen, die sich nicht mehr als tragfähig
erweisen. Die Forderung nach gelebter
Sinnlichkeit auch vor der Ehe brachte ihr
den Titel „Verführerin der Jugend“ ein.
Mit ihren pädagogischen Schriften stieß
stav Landauer über „Die Revolution“ und
Lou Andreas-Salomé (später eine enge
Freundin Ellen Keys) über „Die Erotik“.
Mit dem Thema „Die Frauenbewegung“
beauftragte er Ellen Key.
Als 1902 „Das Jahrhundert des Kindes“ in
Deutschland erschien, war Rainer Maria
Rilke einer der ersten Rezensenten des
Buches und begründete damit eine jahrzehntelange Freundschaft mit Ellen Key.
Er schrieb:„Das Buch von Ellen Key ist die
erste Station auf einem neuen Wege. Es
wird den Kindern noch nicht helfen können; aber es wird dazu beitragen, unter
denen, die jetzt heranwachsen, neue
Erzieher und neue Eltern zu bilden. Und
das tut vor allem not.“
„Das Jahrhundert des Kindes“
Ellen Key mit Carl Milles
sie als Frau ohne akademischen Abschluss auf ein von männlichen Akademikern beherrschtes feindliches Terrain
vor und Kritiken wie jene von Wirsén
(von der Schwedischen Akademie) oder
Friedrich Paulsen (der Pädagogik an der
Universität Berlin lehrte) zu ihrem „Jahrhundert des Kindes“ lesen sich wohl
auch deshalb wie eine Art territorialer
Exkommunikation.
Aber auch die Zahl der Befürworter ihrer
Gedanken wuchs. Martin Buber brachte in diesen Jahren beim rennomierten
Verlag Rütten&Loening eine Sammlung
sozialpsychologischer Monografien heraus: Neben vielen anderen schrieb dort
Fritz Mauthner über „Die Sprache“, Gu-
Sehr vereinfacht könnte man sagen, Ellen Keys Hauptanliegen mit ihrem Buch
war offenkundig die Kritik an Kinderarbeit und an den Arbeitsbedingungen für
Frauen und Mütter. Den Platz für Kinder
sah sie in Bildung und Erziehung und
nicht am Arbeitsmarkt und wünschte
sich gesetzliche Maßnahmen zum Mutterschutz. Es ist eine Analyse der damaligen Zeit, und vieles wird nur dadurch
verständlich. Ihre sozial-darwinistischen
Aussagen wirken heute eher befremdlich und ihre Schulkritik bezieht sich auf
ein rigides preußisches Schulsystem, das
Schweden damals von Preußen übernommen hatte. Ungebrochen über ein
Jahrhundert hinweg scheint aber jene
Kraft zu sein, wenn Ellen Key von ihrer
„Schule der Zukunft“ spricht:
„In dem zukünftigen Schulgebäude gibt es
gar keine Klassenzimmer. Aber es gibt da
verschiedene Säle mit reichem Material für
verschiedene Gegenstände, und neben ihnen Arbeitsräume, wo jeder seinen gegebenen Platz zum Selbststudium hat …
In meiner geträumten Schule herrscht
Wahlfreiheit in allen Gegenständen. Die
Schule bietet dieselben, aber sie zwingt
sie niemandem auf … Gut sehen zu können – in den Welten der Natur, des Menschen und der Kunst – und gut lesen zu
können, das sind die zwei großen Ziele,
denen die Erziehung der Schule zusteuern soll. Wenn das Kind das vermag, kann
es fast alles andere selbst lernen …
In meiner geträumten Schule wird es
keine Zeugnisse oder Belohnungen geben; es werden keine anderen `Reifeprüfungen´ angestellt werden als solche,
die sich durch Gespräche vollziehen. Bei
diesen werden nicht die Detailkenntnisse, sondern die Ganzheit der Bildung
den Ausschlag geben. Schon beim allerersten Unterricht gilt es, die Selbstbeobachtung und die Selbstarbeit des
Kindes als Erziehungsmittel für das Kind
und als Richtschnur für seine eigene Beobachtung desselben zu gebrauchen …
Die Lehrbücher werden voll Kraft und
Lust sein … Die Bibliothek der Schule
wird das größte, schönste und wichtigste
Lehrzimmer sein, und das Bücherverleihen der Schule ein wesentlicher Teil ihrer
ganzen Lehrtätigkeit …
Ich träume mir jede Zukunftsschule von
einem großen Garten umgeben … mit
Platz für Tanz und freie Spiele, das heißt solche, wo die Kinder, nachdem sie einmal das
Spiel gelernt haben, sich selbst überlassen
sind. Beständig vom Lehrer angeleitete
Spiele machen das Spiel zur Parodie!
Für die Schule der Zukunft müssen ganz
neue Seminarien die Lehrer vorbereiten.
Die patentierte Pädagogik wird der individuellen weichen, und nur der, welcher durch Natur und Selbstkultur mit
Kindern spielen, mit Kindern leben, von
Kindern lernen, sich nach Kindern sehnen kann, wird in einer Schule angestellt
werden … Und angestellt werden diese
Lehrer nur nach einem Probejahr, nach
dem nicht nur die Prüfungsbeisitzer –
die das ganze Jahr hindurch den Unterricht verfolgt haben – sondern auch die
Kinder ihr Urteil aussprechen!“
Ellen Key fügt ihrem Traum noch viele
weitere Bilder und Wünsche hinzu und
begründet diese auch. Ihr „Traum“ endet
mit einer sehr konkreten Aufforderung,
die wohl auch heute noch Gültigkeit hat:
„Meine geträumte Schule kommt solange
nicht zustande, wie die Staaten ihre größten Opfer für den Militarismus bringen.
Erst wenn dieser überwunden ist, wird
man es in der Entwicklung so weit gebracht haben, dass man einsieht, dass der
teuerste Schulplatz – der wohlfeilste ist.“
Impulse für die Reformpädagogik
Ellen Key hat selbst nie ihre Träume in
einem eigenen Schul- oder Erziehungsprojekt verwirklicht, war aber sehr wohl
Initiatorin oder Richtschnur für viele andere. Sie besuchte das von Gustav Wyneken gegründete Landerziehungsheim
Wickersdorf und des Öfteren Paul und
Edith Geheeb in ihrer 1909 gegründeten Odenwaldschule. Sie nahm an den
Diskussionen um die pädagogische Ausrichtung der Schule teil und die Geheebs
nannten sie gar die „Prophetin“ ihrer
Schule. Paul Geheeb sah Keys Ideen zur
„Schule der Zukunft“ weitgehend in der
Odenwaldschule verwirklicht.
Nur wenige Monate nach dem Erscheinen vom „Jahrhundert des Kindes“ gründeten Lizzie und James Gibson – beides
Freunde von Ellen Key – in Göteborg das
erste schwedische ReformpädagogikProjekt: die „Högre Samskola“. Sie ist
heute eine der größten freien Schulen
in Schweden mit 1600 Kindern und Jugendlichen. Rilke, der 1904 Ellen Key
besuchte, schrieb nach der Besichtigung
dieser „Schule“:
„Es ist eine ungewöhnliche, eine völlig
unimperativische Schule, eine Schule, die
nachgibt, eine Schule, die sich nicht für
fertig hält, sondern für etwas Werdendes,
daran die Kinder selbst, umformend und
mitbestimmend, arbeiten sollen … Die
Kinder sind in dieser Schule die Hauptsache. Man begreift, dass damit verschie-
dene Einrichtungen fortfallen, die an
anderen Schulen üblich sind, z. B. jene
hochnotpeinlichen Untersuchungen und
Verhöre, die man Prüfungen genannt hat,
und die damit zusammenhängenden
Zeugnisse … Man ist in einer Schule, in
der es nicht nach Staub, Tinte und Angst
riecht, sondern nach Sonne, blondem
Holz und Kindheit.“
Rilke war von der Högre Samskola derart
beeindruckt, dass er mit seiner Frau Clara
im Bremer Raum ebenfalls einen solchen
Schulversuch wagen wollte, der aber
scheiterte. Auf viele ähnliche Geschichten
könnte man verweisen. Ola Stafseng, ein
norwegischer Autor, meint gar in der
Kinderkonvention der Vereinten Nationen Ellen Keys „Handschrift“ erkennen
zu können. Rilke schrieb einst über das
„Jahrhundert der Kinder“: „Dieses Buch,
in seiner stillen, eindringlichen Art, ist ein
Ereignis, ein Dokument, über das man
nicht wird hinweggehen können.“
Das gilt auch heute noch.
Sämtliche Zitate sind entnommen
aus:
Baader, Meike Sophia / Jacobi, Juliane /
Andresen, Sabine (Hrsg.): „Ellen Keys reformpädagogische Vision. ‚Das Jahrhundert des Kindes‘ und seine Wirkung“, Beltz
Taschenbuch 63
Key, Ellen: „Das Jahrhundert des Kindes“,
Beltz Taschenbuch 28
Mann, Katja: „Ellen Key. Ein Leben über
die Pädagogik hinaus“, Primus Verlag
Rainer Wisiak
ist Waldorf- und
Montessori-Pädagoge
und Vater einer Jugendlichen in der LWS
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Karin Siakkos, Vorstandsmitglied im Familiennetzwerk der Freilerner, lebt mit ihrem Mann Niko und den
drei gemeinsamen Kindern in Eichgraben, wo sie auch die Kreativwerkstatt leitet. Seit 2007 beschäftigt
sie sich intensiv mit dem Thema „Home- bzw. Unschooling“ und erzählt dem freigeist vom gemeinsamen
Alltag ohne Schule.
X
nser Weg ins Unschooling hat
schon vor der Geburt unseres ersten Kindes begonnen, als wir in
der Schwangerschaft passende Literatur bekommen haben. Unter anderem
war da das für mich wichtigste Buch
zum Thema Kinder-“Erziehung“: „Auf
der Suche nach dem verlorenen Glück“
von Jean Liedloff. Attachment Parenting
hat uns die Augen geöffnet und hat
sich vom ersten Augenblick an aus dem
Bauch heraus richtig angefühlt. Ein weiterer Meilenstein war dann das Buch
„Teach Your Own – Bildung in Freiheit“
von John Holt, von dem ich daraufhin
alle Bücher eines nach dem anderen
verschlungen habe. Seine Entwicklung
vom hoch motivierten, aber vom System
frustrierten Regelschul-Lehrer hin zum
großen Verfechter des Unschoolings war
für mich als Lehrerin unglaublich spannend und bereichernd. Ich weiß nicht,
wie viele Aha-Erlebnisse ich bei der Lektüre hatte! Von da weg haben wir beide
viele der „Klassiker“ gelesen wie Jesper
Juul, Gordon Neufeld, etc.
Je mehr wir über diese Art von Beziehung mit Kindern gelesen haben, desto
sicherer wurden wir in unserer Entscheidung, unser erstes Kind zu tragen, im
Familienbett zu schlafen, zuhause zu
gebären, auf Windeln, Schnuller und
Fläschchen zu verzichten, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen. Oftmals unter ziemlichem Unverständnis
unserer Umgebung, besonders meiner
Familie. Nicht immer war ich dabei ganz
ohne Zweifel. Mein Sohn allerdings
hat uns vom ersten Tag an den Weg
gezeigt, den er bereit war zu gehen.
Jeder Tag war (und ist) eine Lektion in
Vertrauen. In mein Kind, in mich selbst,
meinen Partner und unsere Gefühle.
Das braucht viel Reflexion und verlangt
oft nach einem Innehalten und genau
Hinschauen, ob wir noch am richtigen
Weg sind. Schließlich haben wir alle eine
andere Prägung erhalten, waren viele
Jahre lang in der Schule, haben das herkömmliche Werte- und Gesellschaftssystem eingeimpft bekommen.
Als unsere Tochter geboren wurde, hatten wir ein kurzes Intermezzo in einem
Regelkindergarten. Innerhalb von zwei
Monaten hat sich damals unser Sohn
von einem aufgeweckten, neugierigen
Kind in ein wütendes, aggressives Bündel verwandelt. Nach dem Beschluss,
ihn da wieder rauszunehmen, wollte er
selbst im Kindergarten anrufen und sich
verabschieden. Er hat damals einfach
am Telefon gesagt: „Ich komme nicht
mehr.“ Besonders ich musste damals
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mit meinen aufkeimenden Ängsten fertig werden, dass wir uns von da an ins
soziale Out geschoben hätten. Das Gegenteil war der Fall: Wir waren zuhause,
hatten Zeit und alle wussten das. Daher
war (und ist) bei uns immer was los!
Trotz der positiven Erfahrungen, die wir
zuhause gemacht hatten, haben wir uns
dann doch entschlossen, unseren Sohn
noch einmal in eine alternativpädagogische Kindergruppe zu geben, wo er eineinhalb Jahre bis zur Schulreife war. Erinnert er sich jetzt daran zurück, dann wird
er ganz melancholisch, wie schön es dort
war. Während dieser Zeit allerdings hat er
uns jeden einzelnen Tag gefragt, warum
er dort überhaupt hingehen muss. Er
wollte immer schon zuhause bleiben.
Mit dem Einstieg in die Schule bzw. dem
Beginn des offiziellen „häuslichen Unterrichts“ dann war endlich alles klar.
Er war zuhause und mit ihm sein Vater
und die kleine Schwester. Trotz allem
hat er das erste Jahr gebraucht, um zuhause anzukommen. Er war glücklich
und erfüllt und hat so gut wie nie nach
anderen Kindern gefragt. Endlich hatte
er seine Ruhe und konnte tun, was er
wollte: Sich um seinen stetig wachsenden kleinen Streichelzoo kümmern und
mit seinem besten Freund von gegenüber möglichst viel Zeit verbringen.
In diesem ersten Schuljahr ist es für uns
als Eltern immer wichtiger geworden,
mit anderen Freilerner-Familien Kontakt
zu haben und eine Gruppe von Gleichgesinnten zu haben, an die man sich
wenden kann, wenn man einmal keinen
so guten Tag hat. Und ja, die gibt es auch:
Die Tage, an denen man flucht, weil das
Haus schmutzig und chaotisch ist, man
nie ausschlafen kann, es immer laut ist,
man ständig nur her- und wegräumt
und keine Sache mal zu Ende bringen
kann, ohne dass nicht mindestens ein
Kind etwas braucht.
Wir haben dieses Problem gelöst, indem
wir von unseren Kindern das fordern, was
Allem voran: Wir freuen uns, zukünftig regelmäßig Artikel für den freigeist beisteuern
zu können! Und nun wollen wir – das „Familiennetzwerk der Freilerner, Verein zur
Förderung freier Bildung und Unterstützung
von Familien im häuslichen Unterricht“
- uns zum Auftakt hier vorstellen … eine
schwierige Aufgabe, wie sich herausgestellt
hat. Das liegt daran, dass wir uns zwar in
einem losen Netzwerk zusammengeschlossen, aber dennoch den individuellen Lebens- und Lernweg ganz in der jeweiligen
Eigenverantwortung der einzelnen Fami-
lien belassen haben. Daher werden unsere
AutorInnen für den freigeist immer über ihre
eigenen Erfahrungen und Zugänge schreiben und auf diese Weise den LeserInnen unterschiedlichste Einblicke vermitteln, wie ein
Leben als Freilernerfamilie aussehen kann.
Speziell in Niederösterreich hat sich in den
letzten Jahren eine sehr aktive Gruppe an
Gleichgesinnten zusammengetan, sodass
es nahe liegt, in dieser aktuellen Ausgabe
Karin Siakkos, die mit ihrer Familie in Eichgraben wohnt, mit einem Bericht beginnen
zu lassen.
Wer gerne über Veranstaltungen und Treffen der NÖ-Freilerner informiert werden
möchte, schreibt ein Mail an [email protected] oder findet uns auf Facebook
unter Freilerner Niederösterreich.
Natürlich wird auch auf ZZZIUHLOHUQHUDW
über unsere Aktivitäten informiert.
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ist Obfrau Familiennetzwerk der Freilerner
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wir ihnen bieten: gegenseitigen Respekt
und Rücksichtnahme. Im Klartext heißt
das, dass auch wir uns unsere „Auszeiten“
nehmen dürfen, und dass es okay ist,
wenn ich auch einmal Raum für meine Bedürfnisse fordere. Klar kann ich das nicht
immer und von jedem Kind verlangen,
aber es funktioniert erstaunlich gut.
Die Zeiten, in denen wir genießen, dass
wir nicht frühmorgens außer Haus müssen, die Kinder irgendwo hin schleifen
müssen und in denen wir einfach nur in
den Tag hinein leben, möchten wir auf
gar keinen Fall missen. Wir verreisen,
wenn wir gerade Lust darauf haben und
müssen uns nicht an Ferienpläne halten.
Wir gehen ins Museum, ins Theater, machen Sport, wenn wir die Räumlichkeiten
mehr oder weniger für uns haben, weil
alle anderen in der Schule oder in der Ar-
beit sind. Die Vorteile überwiegen für uns
bei weitem die Nachteile. Alleine schon,
dass für die dritte Schwangerschaft und
die Neugeborenenzeit so viel Zeit und
Ruhe da war, macht alles andere wett.
Wir sind immer alle zuhause, da geht
das Zusammenleben nicht ohne Regeln. Unser oberste Familiendoktrin ist
z.B. „We say what we do and we do as we
say“ (Dr. Suess). Das bedeutet, dass man
sich gegenseitig aufeinander verlassen
kann, und dass wir immer miteinander
reden. Über alles. Wir haben oft philosophische Gespräche mit unseren Kindern
- davon hätte ich in meinen besten Studentenzeiten nur geträumt...
Wenn ich jemandem von unserer Art des
Daseins erzähle, kommen unweigerlich
immer die gleichen Fragen auf. Daher
hier ein fiktives“Interview“ mit mir selbst.
Ich nehme als Beispiel mal den heutigen
Tag her. Heute sind die Kinder wie üblich so um sieben herum aufgestanden,
haben noch lange mit uns beiden gekuschelt und sind im Pyjama herumgekugelt. Nach dem Versorgen der Tiere, um
die sich unser Sohn täglich kümmert,
haben wir gemeinsam gefrühstückt. Die
Kinder haben ein Zelt im Garten aufgebaut und dann darin gepicknickt. Dazwischen hat Tamino Tischtennisspielen
gelernt (er kann öfters plötzlich neue
Dinge, ohne dass er sie „geübt“ hätte).
Danach haben beide Kinder einen Staudamm im Bach gebaut, dabei Regenwürmer gesammelt, um sie den Hühnern zu füttern. Wieder zurück im Haus,
haben sie eine Schatzsuche veranstaltet.
Tamino hat Hinweiszettel geschrieben
und vorgelesen (bis vorletzte Woche
hätte er freiwillig nie auch nur einen Stift
in die Hand genommen) und Allegra hat
aufgeregt den „Schatz“ gesucht. Beide haben daraufhin für uns Eltern eine
Schnitzeljagd geplant. Nach einer halben Stunde im Trampolin sind die beiden
dann ins Haus und haben sich zur Erholung einen Film angesehen. Wir haben
gegessen und gemeinsam aufgeräumt.
Wir haben uns dabei Rätselfragen gestellt, und die Kinder wollten, dass ich
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Schulgegenstände sind eine Erfindung
des (Regel-)Schulsystems. Das Leben
ist eine chaotische Mischung, die Übergänge sind fließend. Unsere Kinder haben die soziale Prägung von guten und
schlechten, leichten und schwierigen,
interessanten und uninteressanten Gegenständen nie bekommen. Dementsprechend darf sich jeder immer für alles
interessieren und natürlich gibt es da Vorlieben und Interessensschwerpunkte. So
finden und ihnen zu zeigen, wo und wie
sie Informationen bekommen können.
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Ich habe die Erfahrung gemacht, dass
meine Ausbildung als Lehrerin dem Unschooling eher im Wege steht, als dass
sie mir helfen würde. Oft falle ich schnell
in eingefahrene Denkweisen, wie etwas
zu tun ist und auf welche Arten die Kinder sich Wissen „anzueignen haben“. Es
kommt ganz oft vor, dass ich aktiv dagegen steuern muss, nicht in solche Muster
zu fallen. Freilernen kann jeder, immer
und überall, egal welche Vorgeschichte,
welche Bildung, welche soziale Schicht.
Freilernen ist meiner Meinung nach eher
eine Haltung: Offenheit, Neugier und die
Lust, gemeinsam Geheimnissen auf die
Spur zu kommen ist alles, was man dazu
braucht. Und den Willen, mit seinen Kindern den Tag gemeinsam zu verbringen.
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sind das z.B. bei Tamino die Tiere. Alleine
dadurch, dass er Hühner hat, um die er
sich kümmern muss, von denen er die
Eier verkauft, die er züchtet und für die
er die Nahrung kaufen muss, hat sich ihm
ein ganzes Universum an Themen und
Problemstellungen erschlossen. Durch
die Hühner musste er sich (und wir mit
ihm) unter anderem beschäftigen mit:
Pflege & Aufzucht, Tierhaltung, Krankheit & Tod, Umweltschutz und Fleischkonsum, Schädlinge, die Nahrungskette
im Tierreich, Vermarktung & Verkauf
von Waren inklusive Kundenbetreuung,
Kalkulation von Investition & Gewinn,
vorausschauende Planung beim Einkauf,
Wirtschaften und Haushalten mit dem
erarbeiteten Gewinn, Bau von artgerechten Behausungen inklusive Auslauf...
Wiederum in schulischen Gegenständen
sprechend hat er mit und wegen seinen
Hühnern vor allem gelernt, zu rechnen.
Aber er hat ganz besonders auch ein unglaublich gutes Gefühl für den Wert von
Geld bekommen. Er weiß genau, wie lange es dauert und wie viel Arbeit es beeinhaltet, bis eine gewisse Summe zustande
kommt. Es kommt schon vor, dass er sich
mit seinem eigenen Geld Dinge leistet,
die wir ihm nicht kaufen würden. Aber
er würde niemals das Wohl seiner Tiere
aufs Spiel setzen und gibt daher nicht
leichtsinnig große Summen aus. Nie
werde ich vergessen, als er seiner kleinen
Schwester ein langersehntes Spielzeug
gekauft hat, weil sie das so gerne haben
wollte und wir nein dazu gesagt haben...
Die Kinder lernen das, was sie brauchen,
um ein Problem, das sich ihnen stellt, zu
lösen. Es besteht ein Bedürfnis, für das
sie eine Lösung finden wollen. Wir sehen
unsere Aufgabe darin, sie in ihren Interessen und Stärken zu unterstützen, ihnen zu helfen, ihre eigenen Lösungen zu
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Fotos: Autorin
ihnen Rechenaufgaben stelle. Dann hat
Tamino mir Rechenaufgaben gegeben,
die ich „sicher nie schaffe“.
Ich habe die letzten Vorbereitungen für
die anstehende Kreativwerkstatt getroffen und die Kinder sind mit Niko zum Singen und Karatetraining gefahren. Wir achten darauf, dass wir nicht zu viele solcher
Aktivitäten planen, da wir der Meinung
sind, dass die Kinder viel Ruhezeit brauchen. Wir finden außerdem, dass sie erst
aus der „Langeweile“ heraus selbst aktiv
werden können. Die Eigeninitiative ist uns
wichtig. Zur Zeit ist bei uns so viel los, dass
wir schön langsam kürzer treten müssen,
weil wir nicht täglich drei Sachen gleichzeitig haben können und wollen. Soviel
zum Thema Sozialkontakte.
Gegen Abend haben die Kinder den Besucherkindern aus der Kreativwerkstatt das
Haus und die Tiere gezeigt. Allegra und
Tamino haben geholfen, den Garten zu
gießen und die restlichen Pflänzchen auszusetzen. Wir haben uns gemeinsam noch
kurze Dokumentationen über Roboter angeschaut und dann darüber diskutiert.
Würde ich das alles in „schulisch“ übersetzen müssen, wären da höchstwahrscheinlich alle Schulgegenstände irgendwie eingebaut. Wir haben gelebt,
wir haben gelernt.
Wo ein Wille, da ein Weg. Wir sind nicht
reich, haben nicht geerbt, haben keine
Sponsoren oder sonstige wundersame
Einnahmequellen. Wir kaufen so gut wie
nie etwas neu. Wir machen keine teuren
Urlaube und sind trotzdem oft und lange auf Reisen. Wir tauschen, reparieren,
sammeln und verwenden mehrmals. Wir
versuchen, so viel wie möglich selbst zu
machen, schon einfach, damit die Kinder
sehen, wie etwas gemacht wird und wie
viel Mühe und Zeit in Dingen steckt. Aber
auch, weil wir Freude daran haben, unsere eigenen Lebensmittel herzustellen,
mit den Kindern im Garten zu arbeiten,
Altes wieder zum Leben zu erwecken. Wir
haben die Zeit dazu, nach Alternativen
zum Geldausgeben zu suchen. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Geld man aus-
kommen kann, wenn man dazu bereit ist.
Wir möchten unseren Kindern vermitteln,
dass Dinge nicht glücklich machen.
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Diese Frage kommt mit Garantie bei jedem Gespräch über unsere Lebensweise. Ich habe sie absichtlich hier ans Ende
gestellt. Wir sind davon überzeugt, dass
wir zuerst einmal in unserem direkten
Umfeld sozialisiert werden, sprich in
der Familie. Diese ist das Übungsfeld
für jede weitere Sozialisation in unserer
Gesellschaft und die Basis für die Kinder,
in ihren sozialen Erfahrungen weitere
Kreise zu ziehen. Sie befreunden sich
mit Kindern in ihrem Alter, mit jüngeren,
älteren, sie haben Bekanntschaften und
Freunde, die doppelt so alt oder zehnmal
so alt wie sie selber sind. Sie kennen die
Idee unseres Schulsystems nicht, dass
sie nur mit Gleichaltrigen Kontakt haben
sollten. Sie kennen auch Noten nicht. Sie
treffen Menschen, die für sie interessant
oder sympathisch sind und nehmen mit
ihnen Kontakt auf.
Die Kinder leben bei uns unseren Alltag aktiv mit: Sie haben mit uns Häuser
renoviert und neu gebaut, Computer
zerlegt und wieder zusammen gebaut,
genäht, gebastelt, jede erdenkliche Art
von Maschinen gebaut, repariert, ausgedacht, sie machen mit im Haushalt, sie
kümmern sich um Lebensmittel, sie beobachten und staunen über die Natur, sie
sind Teil unseres Lebens.
Das ist für mich abschließend das größte
Geschenk unseres Lebensstils: Freilernen ist ansteckend!
Je mehr wir unseren Kindern die Freiheit
gewähren, sich nach ihren Interessen
und Vorlieben zu richten, desto mehr erlauben wir auch uns selbst, die Neugier
wieder zu entdecken, täglich Neues zu
erfahren, voneinander zu lernen.
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in der Steiermark im Pfadfinderzentrum Leibnitz von Freitag, 21.6. bis Dienstag, 25.6. Einige Familien werden das
Zusammensein am Campingplatz bis
Freitag, 28.6. verlängern. Nähere Infos,
Anmeldung und Programm unter:
ZZZIUHLOHUQHUDW
EXFK WLSS
John Holt
Bildung in Freiheit
Genius Verlag, Bremen, 2009
ISBN 978-3-934719-29-3
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Leitung der Kreativwerkstatt Eichgraben
Lehramt für Bildnerische
Erziehung und deutsche
Philologie
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GHUXQVWUXNWXULHUWHUDXP
Der deutsche Kinderarzt und Publizist Herbert Renz-Polster wirft einen Blick in
die Evolution, um Kinder zu verstehen. Interview: Kirstin Breitenfellner
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitschrift „Falter“
)DOWHU In ihrem Buch „Kinder verstehen“
schreiben Sie: „Es könnte nicht grausamer
sein: Wir bekommen Kinder geliefert, denen es am besten geht, wenn sie einen Erwachsenen von seinem „normalen“ und
für ihn befriedigenden Leben abhalten!“
Passen Kinder nicht mehr in unsere Welt?
5HQ]3ROVWHU Das habe ich geschrieben?
Das klingt schon sehr provokant. Ja, ich
glaube, dass Kinder sehr gut vorbereitet
sind auf eine Welt, die untergegangen ist.
Normalerweise schauen wir in Hinblick
auf Kinder eher in die Zukunft. Es ist aber
auch wichtig zu sehen, dass sie schon
eine Geschichte in sich tragen, wenn sie
geboren werden. Und die weist auf eine
Welt, in der Menschen als jagende und
sammelnde Gruppen lebten. Spätestens
in den letzten zwei-, dreihundert Jahren
haben wir die Welt aber komplett umgebaut. Da gibt es Anpassungsprobleme,
die alle Eltern kennen.
- Können Sie Beispiele nennen? Von Eltern
werden diese Probleme oft als Störungen
empfunden, aber Sie bestehen darauf, dass
sie sehr wohl einen Sinn haben.
Ich gehe sogar noch weiter. Kinder kommen aus der evolutionären Perspektive
mit Stärken auf die Welt. Verhaltensweisen, die auf den ersten Blick keinen
Sinn machen, sind in Wirklichkeit keine
Defekte, sondern haben den Kindern
geholfen zu überleben. Zum Beispiel
schlafen: Eltern stellen sich vor, dass Babys schlafen wie Oma oder Opa: Man
legt sich abends hin und wacht morgens
wieder auf. Aber Kinder haben ein ganz
anderes Programm, sie wollen in der
Nähe einer verlässlichen Bezugsperson
sein. Das erfordert unsere Präsenz und
wird als lästig angesehen.
- Dazu rechnen Sie auch das Trotzalter ...
Schon der Name impliziert eine Wertung, die Zornphasen werden verstanden als Trotz gegen uns, auch weil es da
immer gegen die Bindungsperson geht
und nicht gegen die Nachbarin. Wir etikettieren dieses Verhalten, das man rund
um den Globus beobachten kann und
das ein wichtiger Entwicklungsschritt ist
– sagen, das ist ein Problem, die Kinder
wollen die Macht im Hause übernehmen. Aber mit Blick auf die Vergangenheit liegt darin eine Stärke. Denn früher
kam nach spätestens drei Jahren das
nächste Kind – und das Schoßkind musste selbstständig werden.
Ausgangslage. Wenn Sie mit einem Partner leben, der nicht so ist, wie Sie es sich
vorstellen, dann sagen Sie gleich mal:
Das ist Protest. Der geht gegen mich.
Viele Schlaftrainings sind nichts anderes
als ein aktiver Bruch einer Beziehung,
denn kein Kind kann verstehen, dass seine Bindungsperson bis acht Uhr verfügbar, verlässlich, feinfühlig, authentisch
mit ihm umgeht und danach genau das
Gegenteil der Fall ist. Die Eltern stehen
hinter der Tür – und sind auch nicht eins
mit sich. Die wichtigste Ressource in der
Erziehung ist nicht, dass Kinder lang gestillt oder lang getragen werden, sondern eine funktionierende Beziehung.
- Jean Liedloff, die in den 1970er Jahren bei
südamerikanischen Indianern lebte, hat ja
behauptet, dass Trotzanfälle bloß Resultat
eines westlichen Erziehungsfehlers sind.
In Liedloffs Buch geht es ja vor allem um
Babys, und sie hat sich um die Kultur der
Nähe und des Tragens von Säuglingen
verdient gemacht. Und sie war keine Ethnologin. Studien haben aber erwiesen,
dass Kinder weltweit durch Zornphasen
gehen, wo sie ihren Willen durchsetzen,
sogar Primaten wie Schimpansen oder
Gorillas. Nach Liedloff läuft alles harmonisch, wenn wir natürlich leben. Aber in
sozialen Verbänden wie dem menschlichen werden auch Ressourcen verteilt.
Gemeinsames Leben und Großwerden
beinhaltet immer Konflikte, Verhandlungen und Kompromisslösungen.
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- Das heißt, der Blick zurück macht nicht
alles gut? Ist Kindererziehung nicht angeboren?
Menschen haben keine fixen Programme. Das bedeutet, dass wir in jedem Kulturraum und jeder Lebensphase
neue Wege finden müssen, wie wir mit
unseren Kindern umgehen und wie wir
ihnen helfen, kompetent zu werden.
Denn Sozialisation ist die Umsetzung
von Kompetenzerwartung der Erwach-
Foto: Renz-Polster
K
erbert Renz-Polster fragt nicht danach, was Kindern fehlt, sondern
nach den Vorteilen, die sie mit auf die
Welt bringen. Also nicht danach, warum
sie so ungern gehorchen, sondern danach,
warum es wichtig ist, dass sie selbstständig
werden. Und er fragt nach den Gründen:
Warum schlafen Babys nicht alleine ein?
Warum bekommen Kinder weltweit Trotzanfälle? Die findet er in der Evolution. Die
Botschaft hinter seinem Konzept, das dazu
angetan ist, Eltern zu entspannen und ihnen Schuldgefühle zu nehmen: Kinder sind
okay so, wie sie sind. Erziehung ist nicht alles. Und Fehler sind erlaubt.
Zum Gespräch mit dem Falter kommt
Renz-Polster nach einem Vortrag in der
Freiraum-Schule Klosterneuburg und in
der Lernwerkstatt Pottenbrunn ins Wiener
Café Central, das den großen, gut aussehenden Mann Marke Naturbursche sichtlich
beeindruckt. Dabei kennt er Wien seit über
20 Jahren. Damals machte er mit seiner
schwangeren Frau und dem ersten Sohn,
drei Jahre alt, eine sechsmonatige Tour
per Tandem durch Europa, inklusive dem
damals noch wilden Osten. Vor den Toren
Wiens in Kritzendorf am Donauufer wollte
man sich mit einer Jause stärken – und
wurde prompt von zwei Frauen ins Haus
eingeladen. Die Freundschaft besteht übrigens bis heute.
senen. Natürlich heißt das im Hochland
von Kamerun, wo man seine Rolle in
einem engen sozialen Rahmen ausfüllen
muss, etwas ganz anderes als in einer
individualistischen Kultur. In unserem
Erziehungsmodell hängen wir an viele
ganz normale Verhaltensweisen ein pädagogisches Etikett. Wir sagen, Kinder
sollen früh lernen, sich selbst zu regulieren, und glauben, dass das funktioniert,
indem wir ihnen Nähe entziehen. Behandeln sie, als ob sie schon ein bisschen
größer wären, mit dem Gedanken: dann
werden sie schon größer werden. Das
bringt viele Eltern in echten Stress, weil
es sie aus der Beziehung zu ihren Kindern hinauswirft. Weil sie den Kindern
Ziele setzen, die nicht von deren Welt
sind, und ihnen latent Vorwürfe machen,
wenn sie diese nicht erreichen. Etwas
„Schlafprotest“ zu nennen ist keine gute
- Wer soll Kinder erziehen? Die Eltern oder
die Schule?
Gängige Theorien gehen immer vom
dominierenden Einfluss der Erwachsenen aus, aber wenn man sich anschaut,
wie Kinder weltweit aufwachsen, spielen
auch Geschwister eine große Rolle, aber
vor allem informelle Spielgruppen, die
wilde Kinderhorde, die es früher in jedem
Dorf und so gar in der Stadt gab. Erst seit
einer Generation wachsen Kinder auf,
ohne sich ganz dicht mit anderen Kindern in einem unstrukturierten Umfeld
auszutauschen und zu spielen und dabei
so etwas wie eine Art Selbstorganisation
zu betreiben. In Kindergruppen fördern
Kinder sich gegenseitig, sprachlich und
sozial.
- Was größere Kinder anschaffen ist für
kleinere ja viel mehr Gesetz als das, was
Eltern sagen ...
Ab dem dritten Lebensjahr entwickeln
sich Kinder, die sich bislang stark an Er-
wachsenen orientiert haben, zu einem
Gruppenwesen. Ältere Kinder bieten
Entwicklungsreize nach oben, aber
auch die jüngeren sind wichtig. Es gibt
einen Vorbildabstand, zwei, drei Jahre,
und einen Empathieabstand, auch zwei,
drei Jahre. Ein sechsjähriges Kind kann
sich gut einem dreijährigen widmen. Es
merkt, wie es an Status gewinnt, wie es
helfen kann. Das ist ein gutes Gefühl,
während es unter Gleichaltrigen viel
Konkurrenz gibt.
- Unterdrücken in der wilden Kindergruppen nicht die Älteren die Jüngeren?
Das darf man sich tatsächlich nicht zu
romantisch vorstellen. Ich habe kürzlich
mit meiner Mutter darüber geredet, die
jetzt 86 ist. Natürlich gibt es da auch Zoff
und schwierige Typen. Die Kindergruppe ist so wie das echte Leben auch nicht
immer optimal, aber hier läuft immer so
was wie ein Quirl. Das heißt, die Kinder
kommen als die Jüngeren rein und durch
den Altersfortschritt immer in andere
Positionen. Irgendwann mal sind auch
schüchterne Kinder die, denen andere
zuhören. Kindergruppen funktionieren
dann gut, wenn deren Bindung im Elternhaus funktioniert, denn da lernen
die Kinder den Keim der Empathie, ohne
den unstrukturiertes Spiel schwierig ist.
Kindergärtnerinnen in sozialen Brennpunkten erzählen, dass es dort kaum
Kinder mit Doppelstrategie gibt, die also
sowohl für sich selbst als auch für die
Gruppe sorgen können, die die Regeln
und die Kultur der Gruppe kennen und
pflegen. Wenn sie funktioniert, liefert die
Kindergruppe den Kindern Dinge, die sie
in keinem anderen System kriegen können, denn die grundlegenden sozialen
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EXFKWLSS
Herbert Renz-Polster: Kinder verstehen. Born to be wild. Wie die Evolution unsere Kinder prägt.
Kösel, 511 S., 20,60
Herbert Renz-Polster: Menschenkinder. Plädoyer für eine artgerechte Erziehung.
Kösel, 191 S., 18,50
Kurosch Yazdi
Junkies wie wir
edition a: 2013
Kurosch Yazdi:
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- Halten Sie auch deswegen zu viel Behütung und zu frühe formale Bildung für gefährlich?
Kinder wollen wirksam sein, von sich aus
die Welt gestalten. Wenn sie alles von Erwachsenen vorgesetzt bekommen, verlieren sie die Lust und Begeisterung, die
es auslöst, wenn man sich selbst Freundschaften aufbaut oder sich mit anderen
ausgleicht. Es ist nett, wenn Kinder ein
paar Brocken Chinesisch können oder
ihren Zahlenraum erweitern, aber das
hilft ihnen nichts, wenn sie nicht mit
sich selbst und in Gruppen klar kommen. Ohne sich in einer widerständigen
Welt seinen Weg suchen zu dürfen, ist es
schwer, fundamentale Kompetenzen zu
erwerben.
- Ihr neues Buch, das im Herbst erscheint,
handelt vom Thema Natur ...
Natur heißt nicht nur Bäume und Grün,
es bedeutet unstrukturierte Räume, die
keine Ziele vorgeben. Und genau diese
werden immer weiter zurückgebaut.
Studien zeigen aber, dass es Kinder genau dort hinzieht. Dort können sie am
besten archetypische Spiele spielen, Behausung schaffen oder ihr Lager. Kinder
interessiert nicht, wie ein Bach dahinfließt, sondern wie er aufgestaut wird.
Sie suchen unmittelbare Erfahrungen,
es zieht sie zu Matsch, Wasser, zum Licht.
Alle Eltern wissen: Wenn Kinder draußen
waren, schlafen sie besser, sind ausgeglichener. Die Welt, die ich Natur nenne
– das kann aber genauso ein altes Fabrikgelände sein – vermittelt Freiheit.
In einer Stadt wie Wien gibt es solche Räume wenig.
Deswegen ist es wichtig, dass Kindergärten mehr „Naturelemente“ enthalten,
wo nicht alles durchorganisiert ist. Da
treffen aber immer gleich zwei Kulturen
aufeinander: Die eine Elternfraktion
sagt: Wir brauchen mehr freies Spiel,
mehr Räume, die die Kinder ausfüllen
und gestalten können. Und die andere
sagt: Und wo lernen sie dann ihre Chinesischvokabeln? Wenn sich sage: Natur
ist gut für Kinder, sagen alle juhu! Aber
wenn es um die Umsetzung geht, sieht
man, dass das schon architektonisch gar
nicht vorgesehen ist. Und wenn es hart
auf hart kommt, sagen alle: Eigentlich
müssen die Kinder ihren Zahlenraum erweitern.
- Eltern wollen es nicht mehr so machen
wie früher, aber viele wissen gar nicht
mehr, was sie tun sollen. Muss man Kinder
überhaupt erziehen? Darf ich mein Kind
strafen?
Die unverhandelbare Entwicklungsressource und das, was Kinder suchen, sind
funktionierende Beziehungen. Ist die
Beziehung verlässlich und authentisch,
funktioniert die Entwicklung. Wie das
dann ausgefüllt wird, ist vielleicht was
anderes – die einen werden vielleicht
ihre Kinder ganz anders erziehen wie die
sich selbst eintreten müssen, um erfolgreich zu sein. Zu den häufigsten Fragen
zählt, ob man das Kind nicht verwöhnt
oder abhängig macht, wenn man sein
Nähebedürfnis befriedigt. Selbstständigkeit ist natürlich ein wichtiges Ziel,
aber wie Kinder selbstständig werden
hat nichts damit zu tun, dass wir ihnen
Nähe wegnehmen. Die ganze Menschheitsgeschichte haben Kinder ganz viel
Nähe bekommen, und mussten das
auch, um überhaupt zu überleben und
sich zu entwickeln. Die mussten bei ihren
Bezugspersonen schlafen, die wurden
getragen, lange gestillt – die hatten all
das, von dem wir heute gleich denken,
dass es Verwöhnung wäre. Und sie sind
trotzdem selbstständig geworden. Und
damals war die Welt noch nicht in Plüsch
ausgelegt ...
anderen. Ein Rezept gibt es dafür aber
leider nicht.
Sie haben vier Kinder, sind Sie ohne Strafen
ausgekommen?
Ich glaube, dass keiner in der Erziehung,
ob er es will oder nicht, im Alltag ganz
ohne Strafe auskommt. Manchmal ist
man gestresst und dreht durch, die Kinder drehen auch durch, und man schlägt
um des lieben Friedens Willen ein paar
Pfeile rein. Die Kritik gegen Strafen ist
aber trotzdem berechtigt. Denn Strafen
ersetzen oft echte Beziehungen. Zum
Beispiel weiß man, dass das Maß, in
dem Kinder lügen, mit den Kosten der
Wahrheit zusammenhängt. Wenn Sie in
einer Beziehung leben, die Ihnen, wenn
Sie ehrlich sind, gleich mal Kosten aufbürdet, seien es Strafen, Nachteile oder
Verlust an Ruf („Wie kannst du nur!“),
dann wird gelogen. Je verlässlicher und
tragfähiger eine Beziehung ist, desto
weniger wird gelogen und desto weniger wird gestraft. Die meisten Probleme
kann man im Rahmen von Beziehungen
lösen. Ein Nein zu erklären ist immer besser, als eine Strafe einfach zu verhängen,
in einem Roboter-Automatismus. Wenn
du das machst, passiert automatisch das.
Noch besser ist natürlich, sich zusammenzusetzen und zu sagen: Das funktioniert für mich nicht mehr. Sag du, was
du dazu meinst.
- Welche Frage bekommen Sie am häufigsten gestellt? Und was antworten Sie
darauf?
Vieles dreht sich um die Selbstständigkeit, das ist in unserer Kultur das
Höchste. Wir nehmen an, dass Kinder für
Mehr zu Herbert Renz-Polster unter:
ZZZNLQGHUYHUVWHKHQGH
Foto: Rober t Fleischanderl
Kompetenzen, die rund um den Globus
immer geholfen haben, um erfolgreich
zu sein, können nicht in einem didaktischen Rahmen vermittelt werden, die
müssen erfahren werden. Wenn das Kind
merkt: Es tut mir gut, dass ich diesem
kleinen Kind geholfen habe. Selbstständigkeit kann man nur durch das Ausfüllen seines Erfahrungsraums lernen.
.LUVWLQ
%UHLWHQIHOOQHU
Kirstin Breitenfellner lebt als Autorin, Journalistin und Yogalehrerin und -ausbildnerin in
Wien, verheiratet, zwei Kinder.
“Wir verbringen immer mehr Zeit im Internet. Wir surfen, plaudern in sozialen
Netzwerken, kaufen ein, spielen Onlinespiele. Für immer mehr Menschen
wird das Internet zur unkontrollierbaren
Sucht”, warnt der Linzer Psychiater und
Suchtexperte Kurosch Yazdi eindringlich.
Sein neues Buch „Junkies wie wir“ nimmt
Verhaltenssüchte unserer Gesellschaft
- hier speziell Online-, Kauf- und Spielsüchte unter die Lupe.
Als Leiter der Suchtabteilung der Nervenklinik Wagner-Jauregg kann er dabei
aus dem Nähkästchen plaudern, seine
Kapitel sind mit etlichen Fallbeispielen
aus seiner ärztlichen Praxis gespickt.
Wie jenes eines 26jährigen Studenten,
der seit acht Jahren das Online-Spiel
World of Warcraft spielt und das Zimmer
im Haus der Eltern kaum mehr verlässt.
Der Arzt schildert, wie einerseits die
wachsende Entfremdung und Isolation das Suchtverhalten des Betroffenen
verstärkt, aber auch in welch starke CoAbhängigkeit Eltern von Betroffenen
rutschen können.
„Unsere Gesellschaft hat verstanden,
dass Heroin oder Alkohol ein großes
Problem sein können. Doch wenn es um
Online- und Verhaltenssüchte geht, existiert noch kein Problembewusstsein“,
postuliert Yazdi, der einfordert, dass
auch wir Erwachsenen uns diesem Thema stellen - und neben aller berechtigen
Sorge um das Wohlergehen unserer Kinder nicht uns selbst und unsere eigenen
Suchtfallen außer Acht lassen.
Facebook und anderen sozialen Plattformen attestiert der Autor kein geringeres Suchtpotential, besonders für
weibliche Teenager, die durch den Faktor
Kommunikation einem echten Bedürfnis
nach Kontakt folgen - in eine Welt der
Pseudobeziehungen, Pseudokommunikation, Pseudowertschätzung und Pseudovertrauensverhältnisse:
Facebook,
“die Sucht mit dem sozialen Gesicht”.
Ebenfalls im Buch beschrieben sind Mechanismen bei Glücksspiel- und Kaufsucht, bei denen die Industrie willfähriger Komplize der Verhaltenssucht wird.
Kein gutes Haar lässt der Autor folglich
auch an den politisch Verantwortlichen.
Doch unabhängig, um welche Sucht es
sich handelt: Die Opfer solcher Süchte
sind nicht süchtig nach Schuhen, Geld
oder Internetseiten sondern von Verhaltensmustern abhängig, die an das
Kaufen, das Spielen und das Surfen gekoppelt sind. Jenen Verhaltensmustern
auf der Spur führt Yazdi seine Leser in die
Hauptschaltzentrale von Süchten: unserem Hirn mit dem dort angesiedelten
- und seit der Steinzeit funktionell unveränderten - Belohnungssystemen.
Wenn auch teils überzeichnet und allzu
schematisch präsentiert, legen Yazdis
Aussagen und Argumente unmissverständlich den Kern des Problems frei:
Die gesellschaftlich gesehen flächendeckende Ignoranz gegenüber Verhaltenssüchten wie der Kaufsucht und der Internetsucht gepaart mit einer politischen
Vogelstrauß-Taktik aus Angst davor, als
wirtschafts-, technologie oder gar demokratiefeindlich eingestuft zu werden.
Ein Buch, das klare Stellung bezieht – zu
einer gesellschaftlichen Dynamik, die
uns fester im Griff zu haben scheint, als
wir das vielleicht gerne zugeben wollen.
Noch dazu eines der wenigen Bücher
zu diesem Thema, das von der Situation
hierzulande ausgeht.
David Meixner
IUHLJHLVWVRPPHU
IUHLJHLVWVRPPHU
HUIDKUXQJHQPLWGHUOZV
Interview mit Baumeister Ing. Johann Schania
Das Interview führte Paul Braunstätter
fühlt sich hier recht wohl. Auffällig ist sicher der gute Umgang dieser Burschen
mit den Kunden.
-RKDQQ 6FKDQLD Ich bin hier in Potten-
)UHLJHLVWKonnten Sie Unterschiede fest-
brunn aufgewachsen und habe nach
dem Gymnasium die HTL besucht und
nach 5 Jahren Praxis die Baumeisterprüfung und danach die Zimmermeisterprüfung abgelegt und durfte dann mit
diesen Meisterprüfungen den Betrieb
führen. Ich stehe der Lehre sehr positiv
gegenüber, mein Sohn hat z. B. bei uns
Zimmerer gelernt und ist jetzt in einem
anderen Betrieb. Wir bilden auch sowohl
im Zimmerer- als auch im Baumeisterbetrieb Lehrlinge aus. Mit unserem Betrieb
hier sind wir bereits seit über 100 Jahren
tätig und machen alles rund ums Einfamilienhaus und gelegentlich Arbeiten
für kleine Gewerbebetriebe. Heute beschäftigen wir uns sehr viel mit Niedrigenergie- und Passivhausbau.
stellen von der Persönlichkeit bzw. vom
Verhalten her gegenüber anderen Lehrlingen, die aus dem sogenannten Regelschulsystem kommen?
den Sie auch Lehrlinge aus. Mehrere dieser
Lehrlinge sind von der Lernwerkstatt gekommen. Welche Erfahrungen haben Sie
damit gemacht?
-RKDQQ 6FKDQLD Insofern schon, als ich
durchaus den Eindruck habe, dass in der
Lernwerkstatt Spiel, Sport und der gebotene Freiraum sich positiv auf die Schüler
auswirken. Jener Bursch, der letztes Jahr
den Lehrabschluss machte, war enorm
gelenkig und sehr flott gleich auf den
Dächern unterwegs, obwohl er das im
ersten Lehrjahr mitunter noch gar nicht
dürfte. Also motorisch ist er gut drauf
gewesen und die Kommunikation hat
auch gepasst. Ich hatte auch bemerkt,
dass sich eine intensivere und bessere
Eltern-Kind-Beziehung positiv auswirkt,
das würde ich jetzt aber nicht unbedingt
auf’s Schulsystem beziehen. Wenn irgendwo bei einem Lehrling das Elternhaus nicht passt, dann geht’s schon sehr
schnell drunter und drüber.
-RKDQQ 6FKDQLD Positive Erfahrungen
)UHLJHLVW Von Seiten der Wirtschaft wird
)UHLJHLVW Wie bereits angesprochen bil-
habe ich zu vermerken: Ein Lehrling hat
2012 tadellos die Lehrabschlussprüfung
Zimmerei bestanden und macht jetzt
Zivildienst. Er ist das Ganze sehr offen
angegangen und sehr schnell und gut
bei den Kunden angekommen, weil er
durchaus bei der Kommunikation mit
Kunden einen sehr guten Umgang hatte.
Im Herbst 2012 haben wir gleich wieder
mit einem Lehrling Nachschub von der
LWS bekommen. Dieser aktuelle Lehrling ist wieder in der Zimmerei tätig und
Fotos: Paul Braunstätter
M
ohann Schania hat den elterlichen Betrieb in Pottenbrunn 1995 übernommen.
)UHLJHLVW Zurzeit wird viel über die not-
wendige Reform des Bildungssystems
diskutiert, gibt es aus Ihrer Sicht dazu
irgendwelche Vorschläge, was man verbessern könnte?
-RKDQQ6FKDQLD Mir persönlich fällt
schon auf, dass z. B. der EDV ein Gewicht
beigemessen wird, wo ich denke, das lernen die Kinder sowieso selbst. Gewisse
Grundkenntnisse in Mathematik, Geographie und Geschichte scheinen mir oft
wichtiger – also eine gewisse Allgemeinbildung. Ich habe schon oft den Eindruck, die Schüler werden vollgestopft.
Das allgemeine Schulsystem kommt mir
schon leider als die große Spielwiese der
Politik vor: Die einen wollen dies, die anderen das; und jene, die es auszuführen
hätten, so mein Eindruck, mauern. So
gesehen gefällt mir das, was in der Lernwerkstatt mit den Kindern gemacht wird
auf alle Fälle. Das belebt sicherlich das
Schulwesen.
)UHLJHLVW Das ist ein schöner Abschluss,
Herr Schania; wir danken für das Gespräch.
***
-RKDQQ6FKDQLD
ja immer wieder Kritik am Bildungssystem laut, dass junge Leute, die aus der
Schule kommen nicht genug für die Ausbildung in einem Betrieb gerüstet seien.
Haben Sie diesbezüglich Erfahrungen
gemacht, die dies bestätigen?
3DXO%UDXQVWlWWHU
-RKDQQ6FKDQLD Diesbezüglich muss ich
sagen, hat jeder, egal wo er herkommt,
Stärken und Schwächen. Derzeit fällt uns
wie gesagt am krassesten der Einfluss
des Elternhauses auf. Wenn hier etwas
nicht passt, färbt das sofort auf die Jugendlichen ab. Beim Schulsystem bin ich
völlig offen, für den einen passt dieses
besser, für den anderen jenes. Hier wie
da gibt es zu Beginn mitunter Defizite
(etwa beim Rechnen), die jedoch aufgeholt werden können. Das ist unabhängig
vom Schulsystem, da will ich gar nicht
den Schwerpunkt drauf legen. Unsere
Mitarbeiter müssen sich in der Praxis bewähren; ein guter Umgang mit den Leuten ist mir (wir sind ein kleiner Betrieb)
viel wichtiger, als ein Abschlusszeugnis
mit vielen Einsern und der Mensch ist
sonst eine „Pflaume“.
)LUPHQVLW]LQ3RWWHQEUXQQ
ist Bautechniker, Vater eines
Schülers der LWS und zweier
mittlerweile erwachsener
Töchter, die ebenfalls die
LWS besuchten.
IUHLJHLVWVRPPHU
IUHLJHLVWVRPPHU
ZHQQVFKXOHQHXJLHULJPDFKWXQGELOGXQJQHXHZHJHJHKW
Die Gesellschaft braucht in Zukunft sicherlich Menschen mit Herzens- und Geistesbildung, mit emotionaler Intelligenz. In der Schulwerkstatt wird für diesen Entwicklungsprozess neben dem herkömmlichen
Erwerb der Grundfertigkeiten des Lesens, Rechnens und Schreibens und der Aneignung von vielen
Wissensgebieten viel geleistet. Ein Bericht über die Schulwerkstatt Ebreichsdorf von Ruth Laimer, Sabine
Oberhauser und Petra Falk.
Å)UXQVLVWHVZLFKWLJ7DOHQWH]XI|UGHUQ
XQG GLH .LQGHU LP ULFKWLJHQ 0RPHQW DP
ULFKWLJHQ2UWDE]XKROHQ´
sagt die Gründerin der Schulwerkstatt
Ruth Laimer, die als Südtirolerin ein anderes Schulsystem kennengelernt hat
und in der Studienzeit auch als Legasthenie- und Gedächtnistrainerin viel
Erfahrung darüber gesammelt hat, wie
man Kinder auf ihrem Weg des Lernens
unterstützt.
In unserem Team gibt es ausschließlich
Fachkräfte: Pernilla, unsere Naturwissenschaftlerin und Mathematikerin aus
Schweden, Andrea, die Tanzpädagogin,
Paul, den Theaterpädagogen und Musiker, Elli, die Kunsttherapeutin sowie
Anita, Nativ-Speakerin für Englisch. Gemeinsam versuchen wir, den Kindern
die Welt zu zeigen, Wissen zu vermitteln,
ihnen Raum für Neugierde und Experimentieren zu lassen und ein respektvolles Miteinander zu leben.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass jedes Kind lernen will und grundsätzlich
sein Bestes gibt. Es liegt an den Lehrerinnnen, den Unterricht auf so hohem
Niveau zu gestalten, dass jederzeit für
jeden etwas dabei ist. Das ist vor allem
für hochbegabte Kinder wesentlich, auf
die die Schulwerkstatt spezialisiert ist.
Die Zusammenarbeit mit der Hochbegabtentrainerin Katja Hiegatzberger
Geografie oder Sozialkunde, die gesamte Museumspädagogik kann den
Schülerinnen Inhalte wesentlich detaillierter und interessanter präsentieren,
als es in den vier Wänden einer Schule
im Rahmen des Unterrichts möglich ist.
Die SchülerInnen lernen so Zusammenhänge herzustellen und das Gehörte,
Gesehene und Erlebte im Kopf zu behalten. Im letzten Semester erlebten wir im
Rahmen des Semesterthemas „Tierisch
gut“ tolle Ausflüge: in Sparbach auf den
Spuren der Wildschweine, Langenlois
und seine Straußenfarm, die Burg Greifenstein mit der Falknerei. Natürlich
bietet auch der Tiergarten Schönbrunn
fantastische Führungen, von den Affen
bis zum Regenwaldhaus und das Naturhistorische Museum darf nie fehlen.
3URMHNW(UQlKUXQJ
$IULNDWDJ
eröffnet uns Möglichkeiten, die im Volksschulbereich einzigartig sind.
Anders als in der Regelschule wird der
Unterricht stark vernetzt-fächerübergreifend gestaltet. Dazu gehört auch,
dass wir viel unterwegs sind, nicht nur
in der Natur, auch in Museen und anderen Institutionen, die das laufende Semesterthema bereichern. Die Experten
aus den Gebieten Biologie, Geschichte,
Sowohl die Sechsjährigen als auch die
Jugendlichen profitieren sehr von diesen Lehrausflügen, die nicht nur Wissen
vermitteln, sondern auch besonders die
Sozialkompetenz stärken. Kindern muss
die Möglichkeit gegeben werden, sich
im akademisch-kreativen wie im sozialen Bereich gleichermaßen entwickeln
zu dürfen. Um das zu ermöglichen, muss
man ihnen Zeit und Raum lassen und Ak-
6FKXO:HUNVWDWW(EUHLFKVGRUI
Wienerstraße 25
2483 Ebreichsdorf
[email protected]
www.schul-werkstatt.at
Tel.: 06642346148
$P6WUDQGYRQ%DUFHORQD
tivitäten bieten, die im herkömmlichen
Schulsystem schwer umsetzbar sind.
Den SchülerInnen werden beispielsweise stets Kurse angeboten, in denen es
um Stille geht: Yoga, Kinesiologie, Gehirnjogging, Brain-Kinethik. Die Kinder
müssen sich auch ausreichend bewegen
können: Tanz, Theater- und Turnunterricht und ein großer Garten und Wald
bieten bei uns das geeignete Umfeld dafür. Kreative Momente werden durch Zusatzangebote geschaffen: Gemeinsam
mit Norberto Bertassi „Teatro“ studierten
die Mädels der Schule heuer die Geggis
von Mira Lobe ein und präsentierten das
Stück den Eltern und MitschülerInnen.
Einige SchülerInnen haben in den letzten Jahren beim Kunstwettbewerb
„Kunst schätzen unter dem Hammer“
mitgemacht. Die Werke wurden in den
Börsesälen für die Karl-Schubert-Schule
in Wien versteigert.
Fotos: Autorinnen
H
in bestens ausgebildetes LehrerInnenteam beschreitet mit Kindern und Eltern in Sachen Bildung
und Schule neue Wege! Die Schulwerkstatt arbeitet nach den Prinzipien von
Jesper Juul, dem dänischen Psychologen und Familientherapeuten und den
Hirnforschern Manfred Spitzer und G.
Hüther. Derzeit besuchen 32 Mädchen
und Burschen im Alter von 5-15 die reformpädagogische Ganztagsschule. Das
Klassenzimmer ist immer dort, wo die
Kinder sind, wohin ihre Neugierde sie
trägt. Einen starren Stundenplan gibt
es in unserer Schule nicht, die SchülerInnen haben die Möglichkeit, sich vom
Frontalunterricht bis hin zu völlig frei gestalteten Einheiten eine gute Mischung
auszusuchen. Eine große Vielfalt an Material ermöglicht es den Kindern, sich
das herauszusuchen, was für sie gerade
passt: für die einen ist es das traditionelle
Schulbuch, für die anderen das Montessorimaterial; die einen eignen sich Wissen über Filme an, die anderen hören
lieber dem Lehrer oder der Lehrerin zu,
je nach Lerntyp, ganz verschieden.
LQIR
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Für die Sekundarstufe wurde heuer der
Wunsch Realität, in eine große europäische Stadt fliegen zu dürfen: Wir waren
mit den Kids in Barcelona! Am Afrikatag
lernten die Kinder die nigerianische Kultur kennen, indem uns ein Gast viel darüber erzählte. Jedes Jahr gibt es in der
Schule eine Projektwoche. Wir waren in
Zell am See, in Podersdorf, in Laa an der
Taya, Zelten in Kobersdorf - jedes Mal ist
es ein großes Erlebnis für Groß und Klein.
Für die Mädchen und Burschen und auch
für die LeherInnen bedeutet das eine
Menge Eigenverantwortung und setzt
bei den Kindern eine Selbständigkeit
voraus, die täglich im Unterricht auch
geübt werden kann.
Den Eltern und Pädagoginnen gelang
es in diesem Schuljahr im Rahmen des
Bildungsforums, zwei große Veranstaltungen mit Dr. Manfred Spitzer und Dr.
Michael Winterhoff zu organisieren. Wir
sehen uns nämlich dafür verantwortlich,
die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft in unser pädagogisches Konzept
einfließen zu lassen und diese Erkenntnisse auch anderen zur Verfügung zu
stellen. Nur so ist es möglich, gesellschaftspolitisch etwas zu verändern.
Bildung geht neue Wege, wenn engagierte Menschen den Mut haben, Kin-
dern eine Lernatmosphäre zu bieten, in
der sie für ihren Lebensweg profitieren.
Die Mädchen und Buben entwickeln
einen unglaublichen Ehrgeiz und können nicht genug von Lernen und Schule bekommen, wenn Schule und Leben
nicht isoliert voneinander stattfinden.
Die Schulwerkstatt arbeitet nicht nach
einschlägigen pädagogischen dogmatischen Richtungen, sondern strebt an,
Lebensfreude zu vermitteln, Selbstentfaltung zu ermöglichen und Empathie
zu lehren.
Denn Jesper Juul sagt: “In naher Zukunft
werden alle erkennen, dass die Empathie
die härteste und wichtigste Währung
von allen ist!“ Die Schulwerkstatt schafft
somit Rahmenbedingungen, die Kinder
in der Entwicklung ihrer Lebenskompetenz unterstützen.
5XWK/DLPHU
Mag., Päd. Leiterin der Schulwerkstatt,
Mutter von Jakob (10) und Anabelle (7), seit 12
Jahren Unterrichtserfahrung, Gedächtnistrainerin, Suggestopädin, Legasthenietrainerin,
Leiterin der Lernwerkstatt Ebreichsdorf
6DELQH2EHUKDXVHU
Mutter von Niklas (7), Redakteurin bei der
Kronenzeitung
3HWUD)DON
Sprechtrainerin und Moderatorin
IUHLJHLVWVRPPHU
IUHLJHLVWVRPPHU
IHVWGHUELOGXQJRGHUGDVUHFKWXQVHUHUNLQGHUDXIGLHIL
QDQ]LHUXQJLKUHVVFKXOXQGNLQGHUJUXSSHQSODW]HV
G
ie Plattform „Zukunft Bildung“ ist
ein Zusammenschluss der reformpädagogischen
Bildungseinrichtungen in Niederösterreich. Obwohl ihre
Schulen das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt bekamen, ihre Kindergruppen und
Kindergärten somit von den Behörden
anerkannte Einrichtungen sind, haben sie
kein Recht auf gesicherte finanzielle Zuwendungen. Der Vorstand der Plattform
„Zukunft Bildung“ empfindet dies als eine
unzumutbare Belastung. Auch für die Eltern der rund 2000 Kinder ist diese Situation unverständlich:
„Wir zahlen Steuern
und Gemeindeabgaben wie alle anderen.
Wieso haben unsere
Kinder nicht das Recht
0DWWKLDV
auf Finanzierung ihres
6WDGOHU
Schul- oder Kindergruppenplatzes?“, fragt Mag. Ing. Egbert
AMANN-ÖLZ, Vater von 4 Kindern und
Obmann der Plattform.
Bürgermeister Mag. Matthias STADLER
hob in seiner Eröffnungsrede hervor,
dass St. Pölten über 60.000 Ausbildungsplätze (mehr als Einwohner) hat und betonte die große Auswahlmöglichkeit, die
hier dank zahlreicher privater Initiativen
wie der Lernwerkstatt in Pottenbrunn
besteht. Er wisse, dass sich Schule heute verändern müsse.
Er wünschte unserem
Bildungswesen,
dass
es abwechslungsreich,
bunt und modern sei
und jedem eine indivi-RKDQQ
duelle Chance geben
+HXUDV
möge. Der zweite Niederösterreichische Landtagspräsident
Mag. Johann HEURAS bedankte sich bei
allen Verantwortlichen des Festes und
betonte, dass
hier das Entscheidende,
nämlich
die
(Reform)Pä dagogik,
im
Mittelpunkt
*HRUJ7DSSHLQHU stehe. Dieser
Grundsatz solle
zusammenführen und die Richtlinien der Fördermaßnahmen seien zu überdenken im Sinne
von reformpädagogischen Ansätzen. Bei
allen pädagogischen, schulischen und
bildungspolitischen Überlegungen solle
das Kind im Mittelpunkt stehen.
Den ganzen Tag über bot der Rathausplatz Raum für Präsentationen der
einzelnen Bildungsinitiativen, ihrer
Konzepte und vielfältige Angebote für
Kinder. Währenddessen zeigten auf der
Freilichtbühne Gruppen von Kindern
und Jugendlichen ihr Können und im Cinema Paradiso fand ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm statt:
Reformpädagogische Schulen und Kindergärten aus Niederösterreich stellten
ihre Aktivitäten in einem Kurzfilmprogramm vor, die Filme „Wie Kinder lernen“ von Ilse CRILLOVICH und „1+1=100
oder die Schule des Lebens“ von Doris
KITTLER wurden gezeigt, wobei jeweils
die Regisseurinnen nach dem Film für
ein Gespräch zur Verfügung standen.
Auch die Theatergruppe „Pistatschios“
der Lernwerkstatt sorgte mit dem Kindertheaterstück „Grüffelo“ für einen ausverkauften Saal.
Am Beginn des Programms im Cinema
Paradiso stand ein Podiumsdialog mit
BildungsexpertInnen und PolitikerInnen
zu der Frage: „Reformpädagogische
Schulen und Hirnforschung heute – was
hat sich nach 100 Jahren Montessori
in der Bildungslandschaft verändert?“
Mag. Georg TAPPEINER gelang es in seiner Moderation, einen repräsentativen
Querschnitt
durch die vielfältigen
und
teilweise gegensätzlichen Dialogbeiträge der
einzelnen TeilnehmerInnen zu
vermitteln. Das
$QGUHD3LVD
Publikum folgte
dem zeitweise
sehr emotionalen Dialog mit großer Begeisterung und Anteilnahme.
Prof. Thomas MOHRS von der Pädagogischen Hochschule OÖ meinte zu Beginn, dass sich in den letzten Jahren
offensichtlich nicht genug verändert
habe. Er wies auch auf die Erkenntnis der
Gehirnforschung hin, dass Gehirne sich
nur selbst belehren können. Auch ist es
völliger Unsinn, Kinder in Jahrgangsstufen zu unterrichten, da jedes Kind seine
individuelle kognitive und auch emotionale Bildungsbiografie hat; man kann
daher
verschiedenen
Kindern
einer Altersstufe
nicht dasselbe zumuten. Kognitive
Leistungsfähigkeit
und Ratio werden
gnadenlos überschätzt, während
'RULV.LWWOHU
die
eigentliche
Kommandozentrale das limbische System ist, das die Emotionalität steuert.
Kinder können daher nur das lernen, was
ihnen attraktiv erscheint. In Angstsituationen wird Lernen verhindert. Wenn man
Fotos: Paul Braunstätter
Am 27. April setzte die NÖ Plattform „Zukunft Bildung“ ein kräftiges Lebenszeichen
am Rathausplatz in St. Pölten. Von Paul Braunstätter
Statistiken glaubt,
wonach ca. 40 %
der Kinder bereits
in der Volksschule
mit Angst in die
Schule gehen, ist
das ein verhee+HLGL6FKURGW
rendes Zeugnis.
Nach
aktuellen
Studien zum Bewegungsdrang von Kindern wird der Peak im Alter von 6 bis 8
Jahren erreicht. Wenn man reflektiert,
dass Kindern dieses Alters in der Regelschule zugemutet wird, drei bis vier
Stunden stillzusitzen, muss man eigentlich sagen, das ist eine Form der Kindesmisshandlung. MOHRS größter Wunsch
wäre es, die natürliche Entdeckerfreude
der Kinder zu nutzen, damit sie sich optimal entwickeln können.
Mag. Heidi SCHRODT, Vorsitzende der
Initiative Bildung Grenzenlos bedauerte
das Fehlen eines nationalen Konsens
über alle Parteigrenzen hinweg als Vision einer notwendigen Reform in der Österreichischen Bildungspolitik.
Der Philosoph Bertrand STERN stellt die
Institution Schule grundsätzlich in Frage:
„Ist es Ignoranz, Verblendung oder ist es
Dummheit? Ist es die Angst der Wohlerzogenen, die wir alle mehr oder weniger
sind, dass
wir aus mangelndem
Vertrauen so
tun, als könne es nichts
,ORQD7U|OV+RO]ZHEHU anderes geben?“
Die NÖ Bezirksschulinspektorin für
Schulversuche und reformpädagogische
Schulen in freier Trägerschaft Mag. Ingrid HEIHS bemüht sich, dass gerade die
Schulversuchsklassen Bildungsarbeit leisten und Kolleginnen und Kollegen mit
einbinden, um diese gelingenden Beispiele auch in die Breite zu bringen.
Die NÖ Landtagsabgeordnete Ilona
TRÖLS-HOLZWEBER stellte die Arbeit der
Jugendberatungsstelle „Ampel“ vor. Auffällig sei, dass die Jugendlichen mit immer größeren und vielfältigeren Problemen in die Beratung kommen.
Mag. Andrea PISA, Schulleiterin der Neuen Schule Eichgraben und Vorstand der
NÖ-Plattform Zukunft Bildung berichtete von ihren Erfahrungen, von den
Behörden so lange im Kreis geschickt
zu werden, bis eine Legislaturperiode
endet. Sie hat den Eindruck, dass die zuständigen Beamten und Politiker so Zeit
schinden, um
keine Entscheidungen fällen
zu müssen.
Der Bildungssprecher
der
Grünen im NÖ
Landtag Emmerich WEIDERBAU(PPHULFK
ER
berichtete
:HLGHUEDXHU
davon, dass er
bei seiner Arbeit
im Landtag immer wieder mit dem Aufruf
konfrontiert sei: „Macht nicht die Schulen
so schlecht, wir haben eh schon so ein
schlechtes Image und alles liegt ja wirklich nicht am Boden!“ Den Grund dafür,
warum noch immer nicht alles am Boden
liegt, sieht er jedoch darin, dass es immer
noch PädagogInnen gibt, die auch bei
schlechtesten Rahmenbedingungen bemüht sind, das Beste aus den Kindern herauszuholen, damit sie sich gut entwickeln
können. Das hält das System aufrecht und
nicht die Parteien. Er fordert für die re-
formpädagogischen Initiativen in privater
Trägerschaft die gleichen finanziellen
Mittel, die den konfessionellen Initiativen
zustehen: „Ihr braucht die gleiche Bezahlung, um gut arbeiten zu können“.
Prof. Karl GARNITSCHNIG von der Uni Wien
spricht sich für eine Öffnung der Schule
im Sinne einer
größtmöglichen
,QJULG+HLKV
Autonomie aus
und betont die
Bedeutung der
Wertschätzung
des Kindes für
die Motivation
und die Notwendigkeit der
finanziellen Unterstützung für alle Initiativen.
Der 2. NÖ Landtagspräsident Mag. Johann HEURAS sorgt sich um das Image
von Schule und Bildung und spricht sich
für eine Stärkung der Autonomie von
Schulen aus. Niederösterreich geht verstärkt den oft komplizierten Weg von
Schulversuchen, weil der bundesgesetzliche fehlt. HEURAS schlägt eine Art Kopfquote zur Stärkung der Autonomie vor.
Was an finanziellen Mitteln notwendig
ist, um einen
Schüler zu begleiten, sollte
den Schulen
in
Eigenverantwortung
zur Verfügung
gestellt werden. Mehr Autonomie, mehr .DUO*DUQLWVFKQLJ
Selbstständigkeit und mehr Verantwortung bei den
Schulen, das ist für ihn ein Ansatz, über
den man diskutieren sollte. >>>
IUHLJHLVWVRPPHU
Nun, diskutiert wird darüber ja schon länger, aber wie stehen die Chancen, dass
dies tatsächlich
7KRPDV0RKUV
zu einer Änderung dieser für
viele unverständlichen Situation
führt?
GARNITSCHNIG:
„Das Modell des
Bildungsgutscheines gibt es in Österreich schon seit Jahrzehnten. Ich weiß, dass
darüber auch in den Ministerien gesprochen wurde. Aber offensichtlich hat man
Angst davor, dass tatsächlich die Subjekte
als solche beginnen würden, ihre Bildungswege selbst zu entscheiden. Wenn
Menschen tatsächlich über Bildungsgutscheine diese Freiheit der Wahl hätten,
wo und wie sie ihre Bildung und ihre
Entwicklung wahrnehmen wollen, dann
müsste auch jede Schule sich viel stärker
dieser autonomen Individuen annehmen
und der ganze Prozess der Schulentwicklung würde sich radikal verändern.“
STERN schlägt vor, die finanziellen Mittel,
die ein Staat für Bildung vorgesehen hat,
nicht an Institutionen, die immer kontraproduktiv sind, zu verteilen, sondern
direkt an die Personen: Jeder Mensch
bekommt Geld für Bildung von der Geburt bis zum Tod. Das heißt, weg von der
passiven Bildung hin zum Recht sich frei
zu bilden.
So wurden vielfältige Ideen in den Dialog
eingebracht, Vorschläge zur Diskussion
gestellt und Wünsche zu notwendigen
Reformen geäußert. Doch wer beginnt
damit, diese umzusetzen?
MOHRS: „Ich denke, wir brauchen eine
systemische Veränderung. Das System
will unmündige, passive Weisungsempfänger, die man leicht regieren kann, das
System will unkritische, unreflektierte
IUHLJHLVWVRPPHU
KonsumentInnen, denen man jeden
Mist verkaufen kann. Wir brauchen ein
System, in dem die Menschen mündige
Subjekte ihres eigenen Lebens sind.“
PISA zeigte sich sehr glücklich über die
allgemeine
Wertschätzung
und Anerkennung, welche
heute der Reformpädagogik
entgegengebracht werden
%HUWUDQG6WHUQ
und wünscht
sich, dass diese
Wertschätzung nicht nur mündlich geäußert wird, sondern sich endlich auch
in finanzieller Hinsicht niederschlägt.
STERN: „Der Wandel wird kommen,
wenn Ihnen Ihre Tochter oder Ihr Sohn
unmissverständlich verkündet: ‚Ich will
da nicht hin‘!“
VFKXODOOWDJUROOHQVSLHO
Von Norbert Mlinar
VFKXOHQGHU]XNXQIW
Y
Prof. Dr. Gerald Hüther zählt zu den renommiertesten Hirnforschern Deutschlands. Er wurde 1951 in Gotha geboren,
hat in Leipzig studiert und in Jena promoviert, bevor er zum Max-PlanckInstitut für Experimentelle Medizin in
Göttingen wechselte. Gerald Hüther interessiert sich vorwiegend für die frühen
Erfahrungen im menschlichen Leben
und deren Einfluss auf die Hirnentwicklung, wozu vor allem emotionale Reaktionen wie Angst und Stress gehören.
Seine Erkenntnisse veröffentlicht Hüther
nicht nur für die Fachwelt, sondern auch
in gut zugänglichen Sachbüchern.
Gemeinsam mit Daniel Hunziker leitet er
die Initiative Schulen der Zukunft, eine
Initiative für eine Kultur der Potentialentfaltung.
Die Initiative Schulen der Zukunft setzt
sich für eine lebensnahe, dem Wesen
von Kindern und Jugendlichen entsprechende Bildung ein. Diese orientiert sich
an der Natur des Menschen und den Gesetzmäßigkeiten des Lebendigen in ihm.
Gelingt dies, zeigt sich das Lernen vom
Kindergarten bis in die Berufsschulen
und Gymnasien als lustvoller, freudiger
Prozess und die Beteiligten erleben sich
als wertvoll, fühlen sich in ihrer Gemeinschaft aufgehoben und können dadurch
ihre Potentiale besser entfalten.
Die Initiative Schulen der Zukunft steht
entwicklungsbereiten Bildungseinrichtungen auf diesem Weg zur Seite. Am
Wegrand sucht und sammelt sie Projekte, bei denen Bildung in diesem Sinne
gelingt und modellhaft für andere Bildungseinrichtungen steht.
„Modellschulen sind Schulen, welche
wir kennen und als modellhaft für eine
potentialentfaltende Bildungseinrichtung ansehen.“, schreiben die Leiter der
Schulen der Zukunft.
Neben Modellschulen in Deutschland
und in der Schweiz ist die Lernwerkstatt
im Wasserschloss die bisher einzige Modellschule Österreichs.
Foto: Autor
Die Lernwerkstatt ist Modellschule!
erkleiden, schminken, in verschiedene Rollen schlüpfen, Erlebtes nachund ausspielen, selbst Geschichten
erfinden und sie mit FreundInnen spielen, dafür gibt es im zweiten Stock des
Wasserschlosses den Rollenspielbereich
mit Postamt und Einkaufsladen und unter
einem Hochplateau eine Art Wohnküche,
die aber jederzeit zu einem Wirtshaus,
einem Kindergarten, einem Juwelierladen oder einem Schuhgeschäft umfunktioniert werden kann.
Aber nicht nur im Rollenspielbereich stöckeln feine Damen herum, schreien Kleinkinder, bellen Hunde oder überfallen
Räuber die Post, tagtäglich finden auch in
anderen Bereichen Rollenspiele statt.
Im Bewegungsraum werden Schaumstoffmatratzen und –pölster zu einem
Haus oder einem Turm, zu einem Labyrinth, zu einer Geisterbahn oder zu einer Höhle, in der sich Katzen im Kampf
gegen einen verfeindeten Katzenclan
verkriechen. Der Außenbereich wird
zum Dschungel oder Jurassic Park, ein
Teil des Sprachbereiches zu einem Klassenzimmer, wo eine autoritäre Lehrerin
aufmüpfige Schülerinnen zu disziplinieren versucht, und nebenan im Rechenbereich verlassen Geldscheine die Bank
und den Bankomaten.
Das Rollenspiel ist ein Zusammenspiel
von Sprache, Bewegung, Emotionen und
Sinnen. Es eröffnet uns das Verständnis
für die Welt, die uns umgibt, und bereitet
uns letztlich darauf vor, verantwortlicher
Teil eines Ganzen zu werden.
Eine sehr strukturierte Form des Rollenspiels ist das Theaterspiel. Die Theatergruppe Pistatschios, die mit ihren Stücken seit 18 Jahren in der Öffentlichkeit
auftritt, vereint Kinder und Jugendliche
aller Altersstufen in einem gemeinsamen Projekt: Im Prozess vom Finden
der richtigen Geschichte, aus der die
Bühnenfassung entsteht, bis hin zum
Abschminken und Wegräumen nach einer Aufführung, können alle die ihrem
Alter entsprechenden und für ihre Entwicklung notwendigen Möglichkeiten
finden, Dinge zu erfahren, zu tun und
Verantwortung zu übernehmen.
Wir Erwachsene würden sagen, dass
das Theaterspiel einen „hohen erziehe-
rischen Wert“ für die Persönlichkeitsentwicklung hat, ein weites Übungs- und
Lernfeld darstellt, vor allem auch ein soziales, und eine Fülle unterschiedlichster
Herausforderungen bietet, Fähigkeiten
und Fertigkeiten zu entwickeln.
Die Gehirnforschung vermeldet, dass es
für eine gute Gehirnentwicklung eigentlich nur Dreierlei braucht: Bewegung,
Natur und Theaterspielen.
Kinder und Jugendliche spielen aber
nicht Theater, weil es einen erzieherischen Wert darstellt oder weil sie spüren, dass es ihrer Gehirnentwicklung gut
tut; sie spielen Theater, weil es ihnen einfach Spaß und Freude macht.
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ist Begleiter in der LWS,
Leiter der LWS a.D.
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Eigentlich ist es in dieser Zeitschrift ja
nicht üblich, Lebensweisheiten zum Besten zu geben. Nichtsdestotrotz will ich
dieses ungeschriebene Gesetz brechen.
Also, aufgepasst: „Wenn Sie ein Schwerhöriger anlächelt und nickt, dürfen Sie
sicher sein, dass er kein Wort verstanden
hat!“ Diese Weisheit gilt jedenfalls in der
männlichen Form und wahrscheinlich
auch in der weiblichen. Der Schreiber
dieser Zeilen – er meint jetzt nur die maskuline Form - gehört dieser gar nicht so
seltenen menschlichen Spezies an, die
gemeinhin als Schwerhörige oder gar terrisch bezeichnet wird. Die Bezeichnung
Terrischer habe ich, wenn auch meist
pseudo-jovial benutzt, stets besonders
verletzend empfunden. So Sie dazu in
der Lage sind, lade ich Sie ein das Wort
„Terrischer“ möglichst nach Kärntner Art
intoniert (langes a!) laut zu rufen:
T-e-h-r-i-sch-a! Und dabei stellen Sie sich
die Bedeutung vor: terrisch bezeichnet
eine Person, die aufgrund mangelnden
Hörvermögens zweck- und sachdienliche Informationen nicht verarbeiten
kann und umgangssprachlich auch als
dumm bezeichnet wird. Sie verstehen
meine Verletzung? Ergo: wenn mich jemand unbedingt als dumm bezeichnen
möchte, dann soll er/sie das tun, aber dabei bitte meine Ohren aus dem Spiel las-
sen! Wobei, genau genommen sind es ja
nicht meine Ohren, sondern vielmehr ist
es mein Hören, das mir diesen speziellen
Zugang zur Welt gestattet. Mein eingeschränktes Hörvermögen schafft zwischen mir und meiner Umwelt – Mensch,
Tier, Pflanzen und Straßenverkehrslärm
eingeschlossen – eine Pufferzone. Die
Außenwelt dringt primär über den Hörsinn an uns heran und das meist ungefragt obendrein. Mein Hören dämpft
diese Eindrücke. Beispiel gefällig? Gelsen
höre ich nicht. Gespräche, die hinter mir
stattfinden, verstehe ich nicht. Hohe
Töne – z.B. Wecker – zwecklos. Stille
Post – ein Kindheitstrauma! Andererseits
lernte ich Lippenlesen und erkenne am
Fernsehbildschirm, auch ohne nervende
Kommentatorenstimme im Hintergrund,
was der deutsche Fußball-Bundestrainer
seinem Einwechselspieler an der Linie
verbal mit ins Spiel gibt. Und Verkehrslärm – welcher Verkehrslärm?
Es lässt sich in dieser gedämpften Welt
gut leben, vor allem morgens, beim Frühstück, visuell hinter einem deutschen
Großformat verborgen, akustisch von der
hektischen Betriebsamkeit der Kleinfamilie geschützt. So gestaltet sich der Weg
in die Isolation – zuhören wird anstrengend. Nicht erst im Alter wird’s einsam.
„Papa, ich rede mit Dir! Hast wohl nicht
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Franz Josef Gaugg
deine Hörgeräte drin, was!“ brüllt eine
meiner Töchter nicht sehr liebevoll. Der
Informationsfluss versiegt, ich weiß nicht,
was vor sich geht um mich herum, vielleicht werde ich doch langsam – terrisch?
„Nein, soweit kommt es nicht!“, denke ich
mir und gebe jetzt doch meine Hörgeräte
rein. Ein morgendlicher Konflikt zwischen
unseren beiden Töchtern erreicht just in
diesem Moment einen Höhepunkt. Die
Jüngere fordert lauthals und selbstbestimmt Respekt von der älteren Schwester ein. Meine Hörgeräte beben und
mein Trommelfell droht beinahe zu platzen, doch gottlob hat sich - im Moment
des höchsten Geräuschpegels - das dünne Röhrchen des Gerätes, welches Gehörgang und Außenwelt verbindet, mit
Ohrenschmalz verklebt. Dieser Umstand
wirkt sich in diesem Fall günstig aus, da
ihre Stimmchen jetzt nur gedämpft an
mein Trommelfell pochen. Vielleicht auch
deshalb begleite ich die Beiden heute gelassen durch den Morgen.
Das ist die eine Seite des Lächelns und
Nickens. Die andere möchte ich den geneigten Leserinnen – der Schreiber benutzt bewusst die feminine Form – nicht
vorenthalten: „Nicht jeder, der Sie anlächelt und nickt, ist schwerhörig!“
0X Hier sind die neuen Beobachtungs-
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liegt hier die Quintessenz aller Pädagogischen Forschung vor uns.
9D Ja, aber was haben wir davon?
0X Endlich können wir genau berechnen,
welcher Input nötig ist, damit unser Kind
optimal entwickelt ist, wenn es fertig ist.
9D Zeig her. Ah, hier stellt man ein, welcher Beruf und welche Beziehungsform
es leben wird.
0X Ist das nicht fantastisch? Ich nehme
mal – hier –Tierarzt. Was braucht es um
Tierarzt zu werden?
9D Monogamer Tierarzt?
0X Na sicher. Kinder?
9D Nein, die sind hinderlich für die Karriere.
0XNa, da nehmen wir doch einfach die
passende Frau dazu. So.
9D O.K. Hier liest man das Ergebnis ab.
Zwei Stunden Kulturtechnik täglich in
der optimalen sensiblen Phase, Bewegungsraum drei Stunden wöchentlich,
fünf Stunden Zielorientiertheit üben,
abstrahiertes Denken entwickeln, Rollenspiel, vorzüglich Doktorspiele, –
0X Nein, das ist die falsche Spalte. Hier,
Tierarzt. Pferdespiel.
9D Ah ja. Geschichte, Geographie, …
und so weiter und so fort. Du, wäre da
nicht eine Regelschule angebrachter?
0X Nein, die schauen nicht auf die sensiblen Phasen. Das soll ja alles selbstbestimmt passieren.
9D Und wie kriegen wir sie da hin? Ich
meine, selbstbestimmt das zu tun, was
wir wollen?
0X Naja. Und merken sollen sie es ja
auch nicht.
9D Vielleicht peilen wir einen anderen
Beruf an. Lass mal schauen…
0X Wir geben mal ein, was unser Kind
jetzt so tut….
9DErgebnis?
0X Verdammt.
9D Waas? Straßenkehrer?!
0X Warte, wenn ich da ein bisschen
mit Mathe was tue …und etwas Fremdsprachen… und hier drehe, kommt…
kommt… Pädagoge raus.
Luise Muschailov
9D Damit kann man leben.
0X Allerdings nicht monogam und 14
Kinder.
9D Damit kann man auch noch leben.
0X Gut. Dann schauen wir, dass wir
noch die nötige Menge Mathe in ihn
hineinkriegen, dann ist es geritzt. Hier
kann man die sensiblen Phasen eintragen und im Auge behalten. Das macht
eh die Schule.
9D Was ist, wenn er was merkt und was
anderes will?
0X Hier ist eben pädagogisches Fingerspitzengefühl gefragt.
9D Und das macht eh die Schule.
0X Sag ich doch. Und nun können wir
frei von Zukunftssorgen unser Leben genießen.
9D Ja, wir machen das mit deiner
Karriere, Sohn!
0XVertrauen verpflichtet.
9D Geiz ist geil.
0X Und vergiss nicht die Faserschmeichler…
9D und 0X singen beseelt: Wir streicheln
und schmeicheln uns eeeiiin…
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann
faserschmeicheln sie noch heute…
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Ein Schaf für‘s Leben nach Maritgen Matter
Samstag | 7. Dez. 2013
beim Schloss-Advent in der Lernwerkstatt
lws veranstaltungen
Do It Yourself !
Windrad Workshop
Mit Jonathan Schreiber
Freitag | 5. Juli bis Mittwoch | 10. Juli 2013
Do it yourself-Windrad-Workshop
Praxisorientierter Einblick zur Herstellung von
Kleinwindrädern mit Jonathan Schreiber. Im
Zuge des Workshops wird ein komplettes
Windrad aus einfachen, möglichst recycelten
Materialien gebaut.
Ort: LWS Pottenbrunn
Kosten (inkl. Mittagessen): € 300 (Unterkunft/Verpflegung im Schloss: € 60)
Infos und Anmeldung: 0680-3048338, [email protected];
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Eine Schulführung bietet die Gelegenheit, einen
Einblick in das Leben der Lernwerkstatt zu bekommen. Anhand von Filmszenen aus dem Schulalltag
und einer Führung durch die Räume im Wasserschloss stellen wir Ihnen die Pädagogik der Lernwerkstatt vor.
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Nach Absolvierung einer Schulführung ist das
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Samstag | 26. Okt. 2013 | ab 09:00
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Ein Tag mit vielen Kursangeboten für Körper,
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Ort: LWS Pottenbrunn
Freitag | 8. Nov. 2013 | 19:00 Vortrag
9. und 10. Nov. 2013 | ab 10:00 Workshop
Original Play - von Herzen spielen mit
Fred O. Donaldson
„Kleine Kinder spielen aus dem gleichen Grund, wie Wasser fließt und Vögel fliegen. Für den Erwachsenen heißt
ursprüngliches Spiel, mit sich selbst, miteinander und mit
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am 17.10.2013 und 21.11.2013
jeweils Do, 16-18:30
Eintritt frei!
Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung!
[email protected] oder 02742/43550
Führung Spielwerkstatt 14:30 - 16 Uhr,
Anmeld. 02742/43802
„Original Play“ bedeutet in Verbindung sein mit
dem eigenen Herzen und in liebevollen Kontakt
treten mit anderen Lebewesen. Ursprüngliches
Spiel zwischen Kindern oder zwischen Kindern
und Erwachsenen sieht auf dem ersten Blick
aus wie lustiges Balgen. Es gibt keine Konkurrenz und keinen Wettstreit, es gibt keine GewinnerInnen und keine VerliererInnen. Original Play
ist von der UNESCO anerkannt als Prävention
von Gewalt gegen Kinder.
Ort: LWS Pottenbrunn
Spendenbeitrag: € 15/12 (V), € 190 (WS inkl. V), Anmeldungen erforderlich bis 04.10.2013 unter [email protected], 02742/43550
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