Leitfaden für Angehörigenarbeit in Pflegeheimen der Stadt Dornbirn

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Leitfaden für Angehörigenarbeit in Pflegeheimen der Stadt Dornbirn
Ingrid Matiz
Leitfaden für Angehörigenarbeit in
Pflegeheimen der Stadt Dornbirn
(„Hand in Hand – für unsere Zufriedenheit“)
Abschlussarbeit
Karl-Franzens-Universität Graz
Dr. Paul Koch
2013
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit
wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Fassung.
30. Juni 2013
Ingrid Matiz
2
Inhaltsverzeichnis
Abstract ................................................................................................................................................ 4
1 Einleitung ..................................................................................................................................... 6
2 Zielsetzung des Leitfadens ..................................................................................................... 7
3 Fragestellung .............................................................................................................................. 7
4 Methodik....................................................................................................................................... 7
5 Hauptteil ....................................................................................................................................... 8
5.1
Allgemeine Überlegungen ............................................................................................................ 8
5.1.1 Themenorientierte Angehörigenarbeit............................................................................................... 8
5.1.2 Übertritt ins Pflegeheim und die Bedeutung ................................................................................. 10
5.1.3 Typen von pflegenden Angehörigen ................................................................................................ 12
5.1.4 Mögliche Ursachen für Konflikte in der Angehörigenarbeit ................................................... 14
5.2
Strategien in der Angehörigenarbeit...................................................................................... 15
5.2.1
Grundhaltung in der Begegnung mit den Angehörigen ........................................................ 16
5.2.2
Schulung der Kommunikation ......................................................................................................... 16
5.2.3
Beschwerdemanagement .................................................................................................................. 17
5.2.4
Angehörigenkonzepte ......................................................................................................................... 20
6 Leitfaden und Implementierung ....................................................................................... 23
6.1
Ziele .................................................................................................................................................... 23
6.2
Die Vorgangsweise ........................................................................................................................ 23
6.3
Voraussetzungen ........................................................................................................................... 24
6.4
Leitfaden für die Pflegeheime der Stadt Dornbirn („Hand in Hand – zur
Zufriedenheit aller“)................................................................................................................................ 25
7 Reflexion und Ausblick ......................................................................................................... 30
8 Literaturverzeichnis.............................................................................................................. 31
9 Internetverzeichnis ............................................................................................................... 32
10 Anhang ..................................................................................................................................... 33
Anhang A ...................................................................................................................................................... 33
Anhang B ...................................................................................................................................................... 35
Anhang C ...................................................................................................................................................... 36
3
Abstract
Angehörigenarbeit in der heutigen Zeit gewinnt in der Langzeitpflege immer mehr an Bedeutung. Deshalb wird in dieser Arbeit ein Leitfaden erstellt und vorgestellt wie Angehörigenarbeit in den Pflegeheimen der Stadt Dornbirn stattfinden soll.
Im Hauptteil wurde der Frage der Bedeutung des Heimeinzuges für die beteiligten Personen nachgegangen. Die Rolle der Angehörigen und Ursachen für die Entstehung von möglichen Konflikten und auch die verschiedenen Typen von Angehörigen und ihre Motivationen werden dargestellt.
Es werden verschiedene Strategien in der Angehörigenarbeit erläutert. Dazu zählt die
Grundhaltung, mit denen die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter Angehörigen begegnen. Diese
wird kurz erläutert. Verschiedene Kommunikationsmodelle werden aufgezählt, aber nicht
weiter erläutert, da dies zu ausführlich wäre. Der Umgang mit Beschwerden bzw. Kritik
wird ebenfalls erläutert, und verschiedene Angehörigenkonzepte werden beschrieben.
Während der Sterbephase einer Bewohnerin/eines Bewohners benötigt es einer sehr einfühlsamen und kontinuierlichen Begleitung der Angehörigen. Auf diese Phase der Angehörigenarbeit wird aber in dieser Arbeit nicht eingegangen, da dies schon von einer anderen
Mitarbeiterin der Institution im Rahmen des Palliativlehrganges behandelt wurde.
Im Kapitel 6 erfolgt schlussendlich die Beschreibung des Leitfaden und dessen Implementierung.
4
Abkürzungsverzeichnis
bzw.
beziehungsweise
d.h.
das heißt
K.H.
Krankenhaus
PDL
Pflegedienstleitung
usw.
und so weiter
vgl.
vergleiche
WBL
Wohnbereichsleitung
WBLn
Wohnbereichsleitungen
5
1 Einleitung
Motivation und Situationsbeschreibung:
Auf Grund meiner Erfahrungen als Wohnbereichsleiterin ist es mir ein persönliches Anliegen, einen Leitfaden für Angehörigenarbeit für die Pflegeheime der Stadt Dornbirn zu
entwickeln. Dabei spielen die folgenden Faktoren eine wesentliche Rolle.
Seit der Übernahme der Wohnbereichsleitung vor zwei Jahren fallen Angehörigengespräche in meinen Aufgabenbereich.
Im ersten halben Jahr kam es nur zu sehr spärlichen Kontakten mit den Angehörigen. Dies
hatte mehrere Gründe. Zum einen kamen die Besucherinnen/Besucher meist erst dann
wenn ich schon frei hatte oder einfach auch wenn ich keinen Dienst hatte. Der Grund dafür
waren unter anderem meine Arbeitszeiten (Montag bis Freitag von 07:15 bis 15:45h). Da
der Großteil der Angehörigen berufstätig ist, kommen sie entweder abends oder am Wochenende zu Besuch.
Ausschlaggebend für den Wunsch einer Erstellung eines Konzeptes bzw. Leitfadens war
die Begegnung mit einer Angehörigen. Dabei kam es zur folgenden Situation: Die Angehörige kam sehr verärgert in den Wohnbereich und erkundigt sich nach mir, da es „wieder
einmal“ Probleme mit der Pflege ihrer Mutter gab. Begrüßt wurde ich mit dem Satz: „Aha,
Sie also sind die neue Leiterin. Jetzt lerne ich sie endlich einmal persönlich kennen.“
Nach dieser Begegnung beschloss ich, einen Brief an alle Angehörigen des Wohnbereiches
zu verschicken. In diesem Brief stellte ich mich vor, beschrieb meine bisherigen Tätigkeiten und Erfahrungen und legte ein Foto von mir bei. Ich bot den Angeschriebenen die
Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch an. Dieses Angebot wurde von einigen Leuten in Anspruch genommen.
Aus diesen Gesprächen heraus und dem persönlichen Kontakt mit den Angehörigen wuchs
das Interesse einen Leitfaden bzw. ein Konzept für die Angehörigenbetreuung für die Pflegeheime der Stadt Dornbirn zu erstellen.
Bis jetzt war es nämlich so, dass zwar Maßnahmen und Ideen betreffend Angehörigenarbeit vorhanden waren (beispielsweise Sommerfeste, zu denen auch die Angehörigen eingeladen wurden), diese jedoch eher spontan, unstrukturiert und konzeptlos durchgeführt wurden.
Ich suchte das Gespräch mit der Pflegedienstleitung und bekam den offiziellen Auftrag zur
Erstellung eines Leitfadens. Vorgabe war, dass die entsprechenden Maßnahmen in den
Pflegealltag gut integrierbar sein sollen.
6
2 Zielsetzung des Leitfadens
Erstellung eines einheitlichen Leitfadens für die Angehörigenarbeit in allen
Pflegeheimen der Stadt Dornbirn mit der Zielsetzung, eine durchgängige Betreuung und
Begleitung der Angehörigen zu gewährleisten.
3 Fragestellung
Wie muss ein Leitfaden für die Angehörigenbetreuung der Pflegeheime der Stadt Dornbirn
konstruiert sein und welche Maßnahmen sind notwendig, um diesen zu implementieren?
4 Methodik
Die Recherchen zu dem Thema Angehörigenarbeit und Implementierung fand hauptsächlich durch Lesen von Fachliteratur mit den Hauptschwerpunkten Angehörigenbetreuung
und Kommunikation statt. Dies erfolgte durch Literaturstudien und Internetstudien, angewendet wurde dabei eine hermeneutische Vorgehensweise.
Zusätzlicher fand ein Erfahrungsaustausch mit Expertinnen/Experten aus dem Pflegebereich anderer Institutionen statt. Dabei sollte herausgefunden werden, welche positiven
Erfahrungen andere Pflegeeinrichtungen mit dem Thema Angehörigenbetreuung gemacht
haben. Erfolgreiche Konzepte wurden eingesehen und diskutiert, negative Erfahrungen
kamen ebenso zur Sprache. Beide Aspekte wurden in der Arbeit mitberücksichtigt.
Dadurch kam es einerseits zu einer Wissenserweiterung und anderseits kam mir auch die
langjährige Erfahrung als Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester zugute.
Damit die Umsetzung der Angehörigenimplementierung in den Pflegeheimen der Stadt
Dornbirn Erfolg hat, versandte ich einen Fragebogen an alle Wohnbereichsleitungen, die
Pflegedienstleitung und an den Leiter der Verwaltung.
Ziel war es, die Auffassungen und Meinungen der befragten Personen in das Konzept einfließen zu lassen. Es sollte ein gemeinsamer Konsens gefunden werden, der zu einem Gelingen hinsichtlich erfolgreicher Angehörigenarbeit beiträgt. Die gestellten Fragen sowie
die Auswertung und Interpretation sind in Anhang A nachzulesen.
7
5 Hauptteil
5.1 Allgemeine Überlegungen
5.1.1 Themenorientierte Angehörigenarbeit
Im Strafgesetzbuch werden Angehörige wie folgt definiert: (1)„Unter Angehörigen einer
Person sind ihre Verwandten und Verschwägerten […] zu verstehen. (2) „Personen, die
miteinander in Lebensgemeinschaft leben […] behandelt.1
Eine weitere Definition nach W. und U. George lautet: „Als Angehörige werden im Folgenden all diejenigen Personen bezeichnet, die sich in einer vertrauten, häufig auch verpflichtenden Nähe zum Patienten befinden und somit neben Familienangehörigen auch
Freunde oder Lebensgefährten sein können.“2
Hier wird deutlich, dass als Angehörige nicht nur jene Personen zählen, die mit der Bewohnerin/dem Bewohner verwandt sind. Es können auch Freunde oder Nachbarn sein, die
sich an der Pflege beteiligen. Diese Begriffserweiterung ist in der heutigen Zeit sinnvoll,
da nicht immer nur Verwandte oder Lebensgefährten pflegen. Die Übernahme der Pflege
kann von Personen aus dem Umfeld aus unterschiedlichen Gründen übernommen werden.
Sei es, dass die zu pflegende Person keine gesetzlichen Verwandten mehr hat oder weil sie
kein gutes Verhältnis zu ihnen hat und deshalb die Freunde als Familie zählen. Schlussendlich gilt es als Erstes abzuklären, wer für die Bewohnerin/den Bewohner zur Familie gehört.
Das Miteinbeziehen der Angehörigen ist in der Langzeitpflege ein wichtiger Bestandteil.
Sie sind am Anfang oft das einzige Bindeglied zwischen der jetzigen und der vorher gelebten Welt. Sie sind oft der einzige kontinuierliche Faktor für die Bewohnerin/den Bewohner. Dies gibt emotionale Sicherheit unabhängig von der Qualität dieser Beziehung. Dieses
muss dem Personal bewusst sein, denn nur so kann eine gute Pflege gelingen.3
Die Angehörigen sind, wenn die Bewohnerinnen/Bewohner auf Grund kognitiver Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind Information zu liefern, oft die einzigen Personen, die dies können. Dies spielt auch eine wichtige Rolle in der Biographiearbeit. Sind die
Betroffenen selber nicht mehr in der Lage genaue Angaben zu machen, können die Ange1
Fuchs H./Dr. Maleczky O., 2011, S 25, §72
2
George W. /George U., 2003, S.16
3
Vgl. Daneke S., 2010, S.17-18
8
hörigen für die Pflegenden von großer Bedeutung in der Erhebung der Biographie sein.
Diese wiederum ist ein wichtiger Teil für den Pflegeprozess. Biographiearbeit kann zu
einem besseren Verständnis für das Verhalten der Bewohnerin/des Bewohners führen. Es
kann dem Personal Ansatzpunkte liefern, warum sich eine Bewohnerin/ein Bewohner in
einer gewissen Situation so und nicht anders verhält.
Trotz dieser Bedeutung gelten Angehörige bei vielen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern immer
noch im Wesentlichen als Störfaktor. Der Kontakt mit ihnen wird eher vermieden als gefördert. Dies gilt vor allem für Angehörige, die immer wieder aus verschiedenen Gründen
den Kontakt mit dem Pflegepersonal suchen. Dieses Verhalten der Angehörigen wird dann
als fordernd anstatt als Ressource angesehen. Die Angehörigen sind aber im Laufe der
Zeit, in der sie ihren Angehörigen zu Hause gepflegt haben, zu Expertinnen/Experten in
der Betreuung geworden sind.4 Somit verfügen sie über ein Wissen, das für die Pflege von
Bedeutung sein kann z.B.: Vorlieben und Abneigungen der Bewohnerin/des Bewohners.
Deshalb ist es wichtig, die Angehörigen in den Pflegealltag miteinzubeziehen. Oft reicht
den Angehörigen das Gefühl, gehört und mit ihren Wünschen und Bedürfnissen ernst genommen zu werden. Schlussendlich wollen sie genauso, wie das Pflegepersonal, nur das
Beste für ihre Angehörige/ihren Angehörigen.
Deshalb ist eine gute Beziehung zu den Angehörigen immer von Vorteil. Beziehung entsteht durch Kontakt. Eine bewusste Beziehungsgestaltung ist daher Inhalt einer professionellen Begleitung. Wird eine destruktive und schwierige Beziehungsdynamik nicht erkannt
und gelingt es nicht diese aufzulösen, kommt es zu einem Scheitern in der Begleitung mit
den Angehörigen.5
Dies kann immer wieder zu Konfliktsituationen führen, welche die Ursache dafür sind,
dass der Kontakt zu den Angehörigen völlig gemieden wird. Für alle Beteiligten ist diese
Situation mit viel Zeit verbunden, die besser genützt werden könnte.
Deshalb ist Angehörigenarbeit etwas anderes als die (zufällige) Begegnung mit Angehörigen, der Begriff meint Arbeit für, an und mit Angehörigen.6
4
Vgl. Daneke S., 2010, S.22
5
Vgl. Schneider J., 2002, S.32
6
Daneke S., 2010, S.99
9
5.1.2 Übertritt ins Pflegeheim und die Bedeutung
Beim Übertritt in das Heim kann es in der Angehörigenbetreuung einen Unterschied machen, ob der Heimeinzug freiwillig geschieht oder ob die jeweiligen Personen dazu gezwungen werden. Entscheidet sich eine Familie gemeinsam dafür, dass die Pflege zu Hause nicht mehr gewährleistet werden kann und alle Beteiligten damit einverstanden sind,
dass ein Heimeinzug notwendig ist, führt dies in der Betreuung zu weniger Konflikten.
Sehr oft geht dem Heimeinzug eine jahrelange Pflege durch Angehörige voraus. Erst dann,
wenn sie die Betreuung aus verschiedenen Gründen nicht mehr übernehmen können,
kommt es zum Heimeinzug. Meist sind die pflegenden Angehörigen schon psychisch und
physisch so an ihre Grenzen gestoßen, dass der Heimeinzug der letzte Ausweg aus ihrer
Situation bedeutet. Dies ist häufig begleitet von einem schlechten Gewissen seitens der
Angehörigen.
Prinzipiell kann gesagt werden, je weniger ein Heimeinzug geplant wurde und umso weniger Möglichkeiten der Vorbereitung es gab, desto größer sind die Chancen, dass die neue
Lebenssituation als krisenhaft erlebt wird.7
Dazu möchte ich kurz folgende Situation einer Angehörigen beschreiben: „Ich habe meine
Mutter jahrelang gepflegt und versucht mein Bestes zu geben. Zuerst hat sie in ihrer eigenen Wohnung gelebt und ich habe sie täglich unterstützt. Mit der Abnahme ihrer Gedächtnisleistung konnte sie nicht mehr alleine leben und sie zog zu uns nach Hause. Dadurch
kam es immer mehr zu Konflikten zwischen ihr und meinem Mann, da meine Mutter mich
für sich alleine wollte. Sie lief mir den ganzen Tag hinterher. Mein Mann, meine Kinder
und ich hatten kein eigenes Familienleben mehr. Auch dies führte zu Konflikten. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich kam an einen Punkt, wo ich mir sagte: „Entweder geht meine
Familie kaputt oder meine Mutter muss ins Heim. Aber ich kann sie doch nicht einfach
abschieben. Es ist doch meine Pflicht sie zu pflegen, aber ich kann nicht mehr, auch wenn
sie lieber zu Hause sein würde. Ich muss auf meine Familie und mich schauen.“
Dieses Beispiel zeigt deutlich auf, wie sich das Rollenverhältnis mit Beginn der Pflegebedürftigkeit zwischen den Beteiligten verändern kann. Es kommt zu einer Umkehrung der
früheren Kind-Eltern-Abhängigkeit. Nicht mehr die Eltern betreuen die Kinder sondern die
Kinder die Eltern.8
7
Vgl. Matolycz E., 2011, S.78
8
Vgl. Daneke S., 2010, S.19
10
Dazu kommen noch Schuldgefühle. Einerseits, weil sie die Mutter ins Pflegeheim gibt,
anderseits auch, weil sie das Gefühl hat, versagt zu haben.
Am Anfang stellen sich Angehörige oft Fragen wie beispielsweise: „Was habe ich falsch
gemacht? Wäre es besser gelaufen, wenn ich es anders gemacht habe?“ usw.
Diese Ängste und Schuldgefühle können bei den Angehörigen weiterhin bestehen bleiben.
Einerseits, wenn sie beobachten können, dass sich die Bewohnerin/der Bewohner in ihrer
neuen Lebenssituation wohl fühlt und sich eventuell auch noch körperlich verbessert. Dadurch können wieder Versagensängste auftauchen und Gefühle, dass sie in ihrer Betreuung
etwas falsch gemacht haben. Hier ist es sehr wichtig, den Angehörigen immer wieder die
Anerkennung für das Geleistete zu geben und ihnen das Gefühl zu bestätigen, alles Mögliche getan zu haben. Andererseits können sie Schuldgefühle bekommen, wenn sie bei ihren
Besuchen immer wieder mit den Klagen konfrontiert werden oder sehen, dass der körperliche bzw. geistige Zustand sich verschlechtert.
In beiden Fällen ist ein regelmäßiger Kontakt und Informationsaustausch zwischen den
beteiligten Personen sehr wichtig. Die wichtigste Hauptaufgabe in der Angehörigenbetreuung, vor allem zu Beginn des Heimeinzuges, ist die psychische und emotionale Unterstützung der Angehörigen. Ein offener und wertschätzender Umgang mit den Angehörigen
kann dazu führen, dass weniger Konflikte entstehen.
Die Angehörigen müssen zuerst zu den Pflegenden ein Vertrauensverhältnis aufbauen,
damit sie ihre Ängste und verständlichen Unsicherheiten, ob die Qualität der Pflege und
Betreuung gut ist, abbauen können.9 Sie wollen mit ihren Ängsten und Sorgen wahrgenommen werden und ihre Bedürfnisse sind genauso wichtig, wie die der Bewohnerin/des
Bewohners. Werden Angehörige nicht miteinbezogen, kann dies zur Folge haben, dass der
Kontakt zu ihnen verloren geht oder dass das Personal immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert wird.
Wichtig ist es auch die Vorteile und Nachteile für den Angehörigen herauszuarbeiten,
wenn er sich entscheidet die Pflege zu Hause nicht mehr zu leisten.
Einen Vorteil könnte darin gesehen werden, dass die Aufgabe der Pflegetätigkeit zu einer
körperlichen Entlastung für den Pflegenden führt. Die psychische Belastung jedoch kann
sich am Anfang auf Grund der Schuldgefühle und Ängste sogar noch verstärken. Im folgenden sind einige Aussagen von Angehörigen angeführt, die diese Situation verdeutlichen
9
Vgl. Leptihn T., 2007, S.22
11
sollen: „Ich weiß nicht was im Heim passiert; zu Hause habe ich die Kontrolle gehabt, hier
nicht; hier bin ich nur noch Besucher, ich kann nichts machen, fühle mich machtlos“
Ein weiterer Vorteil ist die zeitliche Entlastung. Der Nachteil darin ist zu sehen, dass viele
Angehörige auf Grund der Pflege ihre sozialen Kontakte und ihre Hobbys vernachlässigt
haben und am Anfang nicht wissen, was sie mit ihrer neuen Zeit anfangen können. Sie
müssen erst wieder lernen, die freie Zeit für sich zu nützen und zu genießen.
Das Pflegepersonal sollte sich bewusst sein bzw. bewusst machen, welche Gedanken und
Gefühle Angehörige haben. Dies ist aber nur möglich, wenn sich das Personal mit den Angehörigen auseinandersetzt. Indem die Angehörigen eingebunden sind, werden sie aus der
Rolle des kritischen Beobachters herausgeholt. Das bedeutet, dass Lösungsfindungen mit
der Hilfe der Angehörigen geschehen sollen, damit befriedigende und nachhaltige Ergebnisse erzielt werden können.10
Dadurch besteht die Möglichkeit Konflikte weitgehend zu vermeiden bzw. durch gute
Kommunikation konstruktiv gemeinsam Lösungen zu finden.
5.1.3 Typen von pflegenden Angehörigen11 12
Angehörige sind keine homogene Gruppe. Sie engagieren sich unterschiedlich aktiv in der
Betreuung und Pflege ihrer Angehörigen. Trotzdem können auf Grund von Beobachtungen
verschiedene Typen definiert werden. In der Realität ist meist keine klare Abgrenzung dieser Typen möglich, die Übergänge sind fließend. Häufig verändern sich die Angehörigen
im Laufe der Zeit in ihrem Verhalten und es kommt auch zu einem Wechsel des Angehörigentyps.
Diese Einteilung soll ein Hilfsmittel für das Personal sein, um das Verhalten der Angehörigen besser zu verstehen. Dies kann zu weniger Konflikten führen und den Umgang mit
ihnen erleichtern.

Aktiv pflegende Angehörige
Laut MUG-Studie gehört jeder zehnte Angehörige dazu.
Aktiv pflegende Angehörige: Dabei handelt es sich meist um solche Personen, die schon
zu Hause die Pflege übernommen haben. Diese Angehörigen kennen die Wünsche, Bedürfnisse und die pflegerischen Tätigkeiten sehr genau. Sie können Verantwortung nur
schwer abgeben. Sie kommen täglich auf Besuch und übernehmen pflegerische Tätigkeiten
10
Vgl. Stabentheimer H., 2009, S 19
11
Vgl. Daneke S., 2010, S.144-151
12
Vgl. Koch P., Seminarunterlagen 2012, S.22-25
12
(z.B.: Essen geben usw.). Einerseits wird das Personal dadurch entlastet, andererseits
kommen diese Angehörigen immer wieder mit verschiedensten Wünschen zum Personal.
Die Erfüllung dieser Wünsche bedeutet oft einen erhöhten Zeitaufwand und dies kann zu
Konflikten führen.
Werden diese Angehörige kritisiert, fassen sie dies meist als persönlichen Angriff auf, da
sie ja schon jahrelang gepflegt haben und der Meinung sind, besser zu wissen, was ihre
Angehörigen brauchen.
Mögliche Interventionen im Umgang mit dieser Art der Angehörigen wären:
Bestätigung für ihre geleistete Arbeit zu geben und für das, was sie alles geleistet haben.
Erlaubnis zu geben, dass sie nicht alles tun müssen, damit sie die Anerkennung von
ihren Familienmitgliedern und dem Personal bekommen.
Anleitung in pflegerischen Tätigkeiten. Z.B. Aufklärung über vereinfachte Mobilisationstechniken.
Information über das Krankheitsbild und die damit verbundenen psychischen und körperlichen Veränderungen.
Ermutigung wieder auf sich selbst zu achten, sich mehr auf die Betreuung, wie auf die
Pflege zu konzentrieren. Sich zu schonen, damit sie selber nicht krank werden.
Ermunterung Fortbildungen zu besuchen und den gedanklichen Austausch mit anderen
Betroffenen pflegen.

Psychosozial stabilisierende Angehörige
Knapp ein Drittel der Angehörigen gehört zu dieser Gruppe.
Psychosozial stabilisierende Angehörige betätigen sich vermehrt in der Betreuung. Die
pflegerischen Aufgaben überlassen sie dem Personal, denn in diesem Einsatzfeld haben sie
nach Hilfe gesucht. Sie gehen mit der Bewohnerin/dem Bewohner spazieren und machen
Ausflüge mit. Sie haben Kontakt zu ihren anderen Angehörigen. Durch das Mitteilen von
Geschehnissen in der Familie und Nachbarschaft bringen sie das Leben von draußen in die
Welt der Bewohnerin/des Bewohners. Sie führen gemeinsam mit der Bewohnerin/dem
Bewohner Gespräche über ihre Probleme und Dinge die sie belasten. Dadurch kann ein
möglichst vertrautes Leben in der Institution für die Bewohnerin/den Bewohner weiter
bestehen.

Flankierend unterstützende Angehörige
Ungefähr ein Drittel der Angehörigen zählen zu diesem Typ. Das durchschnittliche Alter
in dieser Gruppe beträgt 62 Jahre und es handelt sich meist um die Kinder der Bewohnerin/des Bewohners. Sie unterstützen vor allem in der psychosozialen Betreuung und bei der
13
Biographiearbeit. Das Angebot von Sprechstunden nehmen sie zwar in Anspruch, aber
weniger häufig, als die anderen Gruppen.

Sich distanzierende bzw. delegierende Angehörige
Circa ein Viertel nimmt diese Position ein. Dazu zählen vor allem die Kinder und Schwiegerkinder, selten sind es Ehepartner. Diese betrachten das Heim eher als Serviceleistung.
Sich selbst sehen sie eher in der Überwachungsfunktion. Sie kümmern sich hauptsächlich
um die finanziellen Angelegenheiten oder um Besorgungen. Dabei handelt es sich meist
um Angehörige, die ein gespanntes Beziehungsverhältnis haben. Sie möchten sich mit den
Wünschen, Bedürfnissen und Beschwerden der Bewohnerin/des Bewohners nicht auseinandersetzen. Dies kann verschiedene Ursachen haben.
Mögliche Interventionen im Umgang mit diesen Angehörigen wären:
Information: Diese Gruppe benötigt vor allem verschiedenste Informationen z.B.: über
Pflegegeldeinstufung, die verschiedenen Arbeitsabläufe, das Krankheitsbild usw.
Aufforderung gemeinsam mit den Bewohnern am Sommerfest, Nikolaus, Adventsfeier,
Geburtstag usw. teilzunehmen.
Einladung die Pflegeplanung mit zu gestalten, damit ein Einblick gewonnen werden kann,
welche Arbeit das Personal leistet.
5.1.4 Mögliche Ursachen für Konflikte in der Angehörigenarbeit
Das Forschungsprojekt „Möglichkeiten und Grenzen einer selbstständigen Lebensführung
in Einrichtungen“ ist zu dem Ergebnis gekommen, dass nur 9% der Angehörigen ernsthafte
Konflikte in der Pflegeeinrichtung haben. 30% haben die Konflikte als „harmlos“ empfunden, 61% wiederum berichten, dass sie keine Konflikte haben.
Der Hauptgrund mit 42% (von denen, die über Konflikte berichten) des Konfliktes war
meist die Qualität der Pflege. An zweiter Stelle mit 35% gaben die Angehörigen das Verhalten der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter als Grund an. Auch hat sich in diesem Projekt gezeigt, dass vor allem die aktiv und psychosozial stabilisierenden Angehörigen einen Konflikt haben.
Auch wenn Konflikte lediglich mit 9% der Angehörigen entstehen, sollten diese ernst genommen werden und nach Lösungen gesucht werden. Bestehende Konflikte gehen immer
mit viel Energie- und Zeitverlust einher. 13
Viele Angehörige berichten immer wieder von Schuldgefühlen, weil sie die Pflege zu Hause nicht mehr verrichten können. Dieses Schuldgefühl kann dazu führen, dass sie vermehrt
13
Vgl. Engels D./Pfeuffer F., 2007, S.58 und 59 [online]
14
versuchen, das Personal zu kontrollieren, um sich von ihrem schlechten Gewissen zu entlasten. Dies führt beim Personal dazu, dass sie sich kritisiert fühlen und lieber den Kontakt
mit den Angehörigen meiden als suchen.
Häufig beklagen sich Angehörige, dass zu wenig Zeit für Gespräche vorhanden ist. Sie
fühlen sich mit ihren Wünschen und Bedürfnissen alleine gelassen. Auch bekommen sie
immer wieder unterschiedliche Informationen oder zu wenige Informationen bezüglich
ihrer Angehörigen. Dies führt zu Unsicherheit und dazu, dass sie immer wieder nachfragen. Beim Personal entsteht das Gefühl, dass die Angehörigen ihren Aussagen nicht trauen.
Grund dafür ist häufig der unterschiedliche Informationsstand unter den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern auf Grund ihrer fachlichen Kompetenz. Die Angehörigen wissen oft
nicht, wer ihre Ansprechperson ist.
Unstimmigkeiten zwischen dem Personal und den Angehörigen entstehen auch, wenn beide eine unterschiedliche Auffassung bezügliche der pflegerischen Tätigkeiten haben. Fühlen sich die Angehörigen mit ihren Erwartungen nicht ernst genommen und werden diese
nicht erfüllt, kann dies zu Konflikten führen. Denn wie schon in Kapitel 5.1.1 erwähnt,
sind auch die Angehörigen im Laufe ihrer pflegerischen Tätigkeiten zu Expertinnen/Experten bezüglich der Pflege und Betreuung ihres Angehörigen geworden. Auch
wenn ihr Wissen nicht immer dem neuesten pflegerischen Stand entspricht, ist es wichtig,
die Angehörigen anzuhören.
Schlussendlich können verschiedene Ursachen zu Konflikten führen. Es benötigt eine klare
Kommunikation und gegenseitige Information aller Beteiligten. Dadurch können Konflikte
vermieden, bzw. Lösungen für Konflikte können gefunden werden.
5.2 Strategien in der Angehörigenarbeit
Eine offene, empathische und kongruente Haltung in der Begegnung mit Angehörigen ist
ein wichtiger Faktor in der Beziehungsgestaltung. Eine gute Beziehungsgestaltung ist wiederum ein wichtiger Bestandteil in der Angehörigenarbeit. In den folgenden Kapiteln wird
beschrieben, welche Möglichkeiten es geben kann, um diese Beziehungsgestaltung zu optimieren und den Kontakt mit den Angehörigen zu erhalten.
15
5.2.1 Grundhaltung in der Begegnung mit den Angehörigen
Die Transaktionsanalyse geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass die Menschen in
Ordnung sind. Das heißt, es gilt für alle Menschen dasselbe. Sie alle haben ihren Wert und
Würde als Mensch. Auch wenn das Verhalten nicht immer ein Passendes ist, der Mensch
selbst ist in Ordnung. Alle Menschen bewegen sich auf der gleichen Ebene.14
Legt man diese Annahme der Betreuungsarbeit zugrunde, bedeutet dies, dass in der Begegnung mit den Angehörigen die Grundhaltung zum Ausdruck kommt: „Ich bin o.k.- du
bist o.k.“ In dieser Haltung ist es uns möglich, den Anderen so zu nehmen wie er ist - mit
all seinen Stärken und Schwächen. Solange jemand diese Haltung einnimmt, ist er offen
für Gespräche. Dabei ist wichtig, dem Angehörigen zuzuhören um zu verstehen, welches
Anliegen er hat. In erster Linie geht es darum, zu verstehen was die Angehörigen wollen.
Erst dann ist es möglich, gemeinsam eine Lösung für ihr Problem zu finden.
Ein wertschätzender Umgang mit den Angehörigen gibt ihnen das Gefühl, dass sie mit
ihren Anliegen ernst genommen werden und das Personal sich Zeit für sie nimmt. Häufig
möchten die Angehörigen nur mit ihren Sorgen und Ängsten gehört werden und das Gefühl haben, dass das Pflegepersonal Verständnis für ihre Bedenken hat.
Das Personal sollte immer mit einer Grundhaltung auf die Angehörigen zugehen, die dem
Angehörigen das Gefühl vermitteln, mit seinen Problemen, Wünschen und Anregungen
willkommen zu sein.
5.2.2 Schulung der Kommunikation
Kommunikation bedeutet nicht nur, dass wir miteinander reden und Informationen austauschen, sondern auch, dass wir mit dem Gegenüber in Kontakt treten.
Das erste Axiom von P. Watzlawick lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“15
Kommunikation kann sowohl verbal (Worte, Tonfall) als auch nonverbal (Mimik, Gestik,
Körperhaltung) sein. Das bedeutet, auch wenn wir uns nicht mit anderen Personen unterhalten, kommunizieren wir über unsere Körperhaltung und unser Verhalten. Z.B.: Sobald
Angehörige den Wohnbereich betreten, verschwindet das gesamte Personal in den Zimmern. Dies kann den Eindruck erwecken, dass Angehörige nicht erwünscht sind und keine
Zeit für sie vorhanden ist.
14
Vgl. Stewart I./Joines V., 1990, S.28
15
Vgl. Watzlawick P., 1974, S 51-53
16
Deshalb bedarf es einer Schulung in Kommunikation aller Berufsgruppen, die im Pflegeheim arbeiten. Im Vorfeld gilt es abzuklären, welche finanziellen Mittel vorhanden sind,
um eine Kommunikationsschulung durchzuführen. Auch ist zu bedenken, dass nicht jede
Mitarbeiterin/jeder Mitarbeiter dieselben Voraussetzung für eine gute Kommunikation
mitbringt. Es ist immer abhängig von der Tagesverfassung, der Erfahrung, der Bereitschaft
usw. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Kommunikation erlernbar ist. In der Literatur
werden verschiedene Kommunikationsmodelle genannt (Transaktionsanalyse, P. Watzlawick, M. Rosenberg, usw.), die sich in ihren Inhalten häufig überschneiden. Egal für welches Kommunikationsmodell sich die Institution entscheidet, wichtig ist die Bereitschaft
der Leute sich mit der Thematik der Kommunikation auseinander zu setzen. Das Ziel einer
jeden Kommunikation ist lösungsorientiertes Arbeiten. Wenn in einer Kommunikation
nicht alles gut verlaufen ist, benötigt es im nach hinein immer einer guten Reflexion des
Gespräches um zu erkennen, was gut und was nicht so gut gelaufen ist. In der Metakommunikation werden die Verständigungsprobleme erst oft sichtbar und der semantische Aspekt – oder im Sinne von Watzlawick – der „Inhaltaspekt“ kommt klarer zur Geltung.
Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter müssen ihre Konsequenzen ziehen, wenn es zu einer Beeinträchtigung der Kommunikation von Seiten der Angehörigen gekommen ist, d.h., sie passen ihr Verhalten und ihre Kommunikation den Angehörigen an um einen positiven Effekt
zu erreichen.16
In den Pflegeheimen der Stadt Dornbirn werden zurzeit alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter,
die eine Führungsposition besetzen, einer Schulung in Kommunikation unterzogen. Im
Jahr 2014 kommt es zu einer Weiterführung der Schulung sämtlicher anderer Personen.
5.2.3 Beschwerdemanagement
Viele Konflikte, die entstehen können, werden durch gutes Beschwerdemanagement schon
im Vorhinein abgefangen. Wichtig sind hier sowohl gezielte Information als auch die
Schulung des Personals. Die Angehörigen und Bewohnerinnen/Bewohner sollen schon
beim Heimeinzug Informationen erhalten, wie mit Beschwerden an der Institution umgegangen wird und wie diese gehandhabt werden. Sie brauchen das Gefühl, dass Beschwerden ihrerseits nicht als Angriff gesehen werden, sondern dazu dienen gemeinsam Lösungen
zu finden. Beschwerden sollen als Vorschlag und nicht als Angriff angesehen werden.
Beschwerden geben der Institution wichtige Anhaltspunkte über die Qualität ihrer Arbeit.
Sie geben auch Aufschluss, wo Schwachstellen sein können. Grundsätzlich gilt, dass Be16
Vgl. Daneke S., 2010, S.33
17
schwerden von Angehörigen immer ernst genommen werden müssen. Hinter jeder Beschwerde steckt ein Anlass, der geprüft werden muss.
Angehörige sollen von Anfang an dazu aufgefordert werden ihre Kritik, Wünsche und
Verbesserungsvorschläge zu äußern. Nur dann ist es möglich, konstruktiv gemeinsam an
einer Lösung zu arbeiten. Nur wenn die Angehörigen das Gefühl haben, dass ihre Vorschläge als Möglichkeit zur Veränderung in Betracht gezogen werden, fühlen sie sich ernst
genommen. Denn auch eine Beschwerde zu äußern, ist nicht immer einfach. Viele Angehörigen haben Angst, dass Kritik und Beschwerde zum Nachteil der Bewohnerinnen/Bewohner sein könnte. Deshalb warten sie lieber ab. Dies führt zu Unzufriedenheit
und einer Störung im Kontakt. Grundsätzlich kann man unterscheiden:

Schriftliche Beschwerden
Dafür soll es eine zentrale Beschwerdestelle geben, bei der diese schriftlich abgeben werden können. Die Bearbeitung erfolgt durch eine dafür zuständige Person.

Mündliche Beschwerden
Meistens werden diese spontan gegenüber den Pflegepersonen vorgebracht und diese sind
auf solche Äußerungen nicht vorbereitet. Je nach momentaner Verfassung der Pflegeperson und auch wie sie gelernt hat mit Kritik umzugehen, ist es meist Zufall, wie diese Beschwerde bearbeitet wird. Viele unvorhersehbare Konfrontationen sind durch eine gewisse
Intuition aber doch beeinflussbar.
Wichtig Voraussetzungen für dieses Gespräch sind:
Es soll in einer ungestörten Umgebung stattfinden und ausreichend Zeit vorhanden sein.
Die Angehörigen sollen das Gefühl haben, dass sie verstanden werden.
Aktives Zuhören und warten bis die Angehörigen ausgeredet haben.
Keine Zugeständnisse von Seiten der Pflegeperson, gemeinsam nach Lösungen suchen.
Angehörige darin bestätigen, dass die Kritik als positiv für die Institution gesehen wird.17
Auch sollen die Angehörigen Information darüber bekommen, wer ihre Ansprechperson
ist.
Wichtig bei der Bearbeitung von Beschwerden ist eine Evaluation nach dem Erstgespräch.
Was hat sich verändert? Wie empfinden die Angehörigen den Umgang mit ihren Beschwerden? Gibt es noch Unzufriedenheiten?
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass sie
jederzeit wieder kommen können.
17
Vgl. Daneke S., 2010, S.180-181
18
Auch die bestehende Beziehung zu den Angehörigen ist ein wesentlicher Faktor beim Umgang mit Beschwerden. Eine gute Beziehung führt dazu, dass auch wenn Kritik geübt wird,
alle Beteiligten besser damit umgehen können. Begangene Fehlleistungen werden von den
Angehörigen eher vergessen bzw. entschuldigt.

Öffentliche Beschwerden18
Wenn es soweit kommt, dass Angehörige sich an die Öffentlichkeit wenden, besteht schon
über eine längere Zeit ein nicht wahrgenommener Konflikt. Meist haben sie das Gefühl in
ihrer Kritik nicht ernst genommen zu werden.
Die Motive für solche Beschwerden können unterschiedlichster Natur sein. Dies kann ein
schlechtes Gewissen der Betroffenen sein, aber oft ist es auch Eifersucht, weil sie sehen,
dass sich die Bewohnerin/der Bewohner wohl fühlt. Auch wenn sie das Gefühl haben, sie
werden von den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern zu wenig beachtet, d.h., sie erfahren zuwenig Zuwendung seitens des Personals, kann dies der Grund sein. So genannte notorische
Nörgler haben das Gefühl, dass mit ihnen zu wenig kommuniziert wird. Oft würden diese
sich nicht öffentlich beschweren, wenn sie eine qualifizierte Ansprechperson hätten. Angehörige, die sich, ohne vorher ihre Kritik zu äußern, an die Öffentlichkeit wenden, fühlen
sich meist enttäuscht von der Institution, weil sie eventuell nicht beachtet wurden.
Das Ziel eines jeden Beschwerdemanagement ist laut Helmut Wallrafen-Dreisow:19

Herstellung von (Beschwerde-)Zufriedenheit

Vermeiden von Kosten anderer Reaktionsformen unzufriedener Kunden (z.B. anlassbezogene Prüfung

Umsetzung und Verdeutlichung einer kundenorientierten Unternehmungsstrategie

Schaffung zusätzlicher akquisitorischer Effekte mittels Beeinflussung der Mundkommunikation

Reduzierung interner und externer Fehlerkosten
18
Vgl. Daneke S., 2010, S.180-185
19
Wallrafen-Dreisow H., S.9
19
5.2.4 Angehörigenkonzepte
Angehörigenkonzepte sind ein essentieller Bestandteil in der Angehörigenarbeit. Durch
den Austausch mit verschiedenen Expertinnen/Experten aus dem Pflegebereich anderer
Institutionen und Lesen von Fachliteratur werden im folgenden Angehörigenkonzepte vorgestellt. Welche in den Pflegeheimen der Stadt Dornbirn schlussendlich zum Einsatz
kommen, wird im Leitfaden näher erörtert.

Einzelgespräch
Dieses sollte schon vor dem Heimeinzug bei einem Hausbesuch stattfinden. Hier können
wichtige Informationen von den Angehörigen und den zukünftigen Bewohnerinnen/Bewohnern bezüglich ihrer Wünsche, aber auch der pflegerischen Aufgaben erhoben
werden. Gleichzeitig bekommen die Angehörigen und Bewohnerinnen/Bewohner Information über das Pflegeheim und die verschiedenen Abläufe.
Weitere Gespräche folgen bei dem Heimeinzug und am Anfang in klar definierten Abständen. Später können diese Gespräche nach einer Terminvereinbarung erfolgen und zwar je
nach Notwendigkeit von Seiten der Angehörigen oder der WBL.
Zu beachten ist, dass diese Gespräche in einer ruhigen Atmosphäre in einem geschützten
Rahmen und nicht zwischen Tür und Angel, stattfinden sollen. Dadurch können schwierige
Themen gezielt behandelt werden. Einzelgespräche können auch telefonisch erfolgen, um
die Angehörigen über ein anstehendes Thema zu informieren. z.B. über eine Pflegegelderhöhung, den veränderten pflegerischen Zustand usw. Bei einer telefonischen Information
einer Veränderung, sollte in Betracht gezogen werden, dass es vielleicht noch ein Nachfolgegespräch benötigt. Dies ist den Angehörigen in jedem Fall anzubieten.
Diese Gespräche werden von der WBL durchgeführt und sollen vorbereitet sein. Die Frage
nach dem Ziel des Gespräches steht im Vordergrund.
Einzelgespräche können aber auch spontan auf dem Wohnbereich stattfinden. Hier kann es
jede Mitarbeiterin/jeden Mitarbeiter treffen. Für diese Gespräche sollte berücksichtigt werden, dass die Möglichkeit besteht, sich mit dem Angehörigen in einen Raum zurückzuziehen. Um den Kontakt mit den Angehörigen aufrecht zu erhalten, ist es oft auch notwendig
solche Einzelgespräche während des Besuches zu führen, d.h., dass das Personal auch aktiv
auf die Angehörigen zugehen soll, um ein Gespräch anzuregen. Hier ist es wichtig, dass
die Zuständigkeit im Vorfeld abgeklärt wurde.
20

Klar definierte Sprechstunden
Die WBL steht in einem klar definierten Zeitraum (z.B.: Freitag von 10 Uhr bis 12 Uhr)
für die Wünsche und Anregungen der Angehörigen zur Verfügung. Aber auch hier wäre es
von Vorteil, wenn die Angehörigen im Vorfeld einen Termin ausmachen würden. Ansonsten könnten Wartezeiten entstehen, wenn mehrere Angehörige zur gleichen Zeit ein Gespräch wünschen. Auch ist bei dieser Form zu beachten, dass viele Angehörige noch berufstätig sind und deshalb dieses Angebot für sie nicht in Frage kommt.

Angehörigenabende für das gesamte Pflegeheim
Diese können als Schwerpunkt Information für Angehörige beinhalten. Dies könnte z.B.
sein:
Rückblick auf das letzte Jahr
Veranstaltung, die im kommenden Jahr geplant sind
Vorstellungen von Projekten, die abgeschlossen bzw. gerade am Laufen sind
Projekte, bei denen sich die Angehörigen beteiligen können
Vorträge über bestimmte Krankheitsbilder
Pflegeheime als Unternehmen usw.
Ein Vorteil wäre hier, dass die Angehörigen das Unternehmen besser kennen lernen. Sie
erhalten auch fachliche Auskunft über die Erkrankungen. Ein weiterer Aspekt ist, dass es
dadurch zum Kontakt und Austausch mit anderen Angehörigen.
Ein Nachteil könnte sein, dass auf Grund der Größe der Veranstaltung individuelle Themen nicht behandelt werden können, bzw. die Angehörigen sich nicht trauen, diese anzusprechen. Auch ist aus der Erfahrung anderer Institutionen der Besuch dieser Veranstaltungen durch Angehörige eher gering.
Anwesend sollten auf jeden Fall die Pflegedienstleitung und WBLn sein.

Gemütliches Treffen der Angehörigen eines Wohnbereiches zu einem bestimmten
Zeitpunkt.
Das Ziel wäre hier, dass sich die Angehörigen untereinander besser kennen lernen würden.
Es könnte ein gemeinsamer Austausch stattfinden. Der Rahmen, indem es stattfindet, wäre
auf jedem einzelnen Wohnbereich mit der jeweiligen Leitung abzuhalten. Die Angehörigen
bekommen Kaffee und Kuchen. Auch könnte ein Thema, dass den Angehörigen wichtig
ist, gemeinsam besprochen werden. Ein Vorteil im Gegensatz zu den Angehörigenabenden
für das gesamte Pflegeheim ist hier, dass es persönlicher ist und die Angehörigen eher den
Mut haben, bestimmte Themen anzusprechen. Wenn es notwendig ist, können die Angehörigen auch hier ein Einzelgespräch mit der WBL führen.
21

Angehörigenbefragung
Damit diese Vorgehensweise Erfolg zeigt, muss den Angehörigen erklärt werden, warum
die Befragung durchgeführt wird. Es muss den Angehörigen vermittelt werden, dass ihre
Mitarbeit wichtig ist. Die Befragung kann durch ein persönliches Interview oder einen
Fragebogen erfolgen. Dieser kann auch anonym sein, je nachdem wie es die Angehörigen
möchten. Wichtig ist, dass die Angehörigen über das Ergebnis informiert werden und welche Konsequenzen das Unternehmen daraus zieht. Die Angehörigen sollen in die Problemlösungen miteinbezogen werden. Auch die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter müssen über das
Ergebnis informiert werden und in die Lösungsfindung einbezogen werden.20

Angehörigenbeirat21
Dieser soll die Interessen der Bewohnerinnen/Bewohner vertreten, sollten diese selber dazu nicht mehr in der Lage sein. Die Wahl erfolgt ausschließlich durch die Bewohnerinnen/Bewohner, egal in welchem kognitiven Zustand sie sind. Sie sollen als Unterstützungen für die Bewohnerinnen/Bewohner und deren Angehörige angesehen werden und vertreten deren Belange. Sie können verschiedene Aufgaben haben:
Patenschaft: Sie sollen als Hilfe für Angehörige und neue Bewohnerinnen/Bewohner dienen, da sie oft mehr Zeitressourcen und eventuell mehr Engagement für die Erwartungen
und Wünsche haben, als die nicht direkt betroffenen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter haben
wollen bzw. können.
Vertretung für Belange von Bewohnerinnen/Bewohnern, die sich auf Grund ihrer kognitiven Einschränkung selbst nicht vertreten können und keine aktiven Angehörigen haben.
Vermittlung bei Konflikten zwischen den Angehörigen und dem Pflegepersonal, da sie
unvoreingenommen sind. Die Angehörigen können den Angehörigenbeirat hinzuziehen
und manche Beschwerde kann auf diesem Weg geklärt werden.
Öffentlichkeitsarbeit Angehörige sind Bindeglied zwischen der Institution und der Öffentlichkeit. Dies ist hauptsächlich wichtig bei öffentlichen Beschwerden und Aufsehen.
20
Vgl. Daneke S., 2010, S. 175, 178-179
21
Vgl. Daneke S., 2010 S.165-166
22
6 Leitfaden und Implementierung
Im folgenden Kapitel wird der Bezug zum Leitfaden für Angehörigenarbeit der Stadt
Dornbirn vorgestellt werden. Dabei werde die Ergebnisse aus dem Fragebogen berücksichtig und es soll ein Bezug auf die praktische Umsetzung hergestellt werden.
Wie schon erwähnt, besteht noch kein Konzept für eine konkrete Vorgangsweise für die
Angehörigenbetreuung in den Pflegeheimen der Stadt Dornbirn. Deshalb wurde ich von
der PDL damit beauftragt einen Leitfaden zu erstellen, der in den Pflegealltag integrierbar
ist. Dieser beschreibt nicht nur die genaue Vorgehensweise, in welchen Abständen Angehörigenkontakte stattfinden sollen, sondern beinhaltet auch einen Fragebogen mit möglichen Fragen. Diese sind wichtig in der Angehörigenbefragung beim Erstkontakt bzw. den
darauf folgenden Gesprächen. (siehe Anhang B)
Im Leitfaden findet sich auch ein Informationsblatt für Angehörige, in dem dargelegt wird,
was unter Angehörigenarbeit verstanden wird (siehe Anhang C). Dieser Leitfaden wird in
die bereits bestehende Hausbesuchmappe integriert.
6.1 Ziele

Gewährleistung einer einheitlichen und kontinuierlichen Angehörigenarbeit

Steigerung der Qualität in der Angehörigenarbeit (z.B. durch Schulung in der
Kommunikation)

Vermeidung von Konflikten durch regelmäßige Angehörigengespräche.

Die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter sollen sich bewusst werden, wie wichtig Angehörigenbetreuung ist.
Eine gute Angehörigenarbeit in der Langzeitpflege ist ein essentieller Bestandteil. (vgl.
Punkt 5.1.1). Die Angehörigen sind ein wichtiger Teil im Leben jeder Bewohnerin/jedes Bewohners. Das Miteinbeziehen der Angehörigen kann den Umgang mit ihnen sehr erleichtern.
6.2 Die Vorgangsweise
Nachdem der Auftrag von der PDL ausgesprochen war, wurden die einzelnen WBLn darüber in Kenntnis gesetzt. Damit sich der Leitfaden im Pflegealltag bewähren kann, wurde
als Erstes ein Fragebogen an die einzelnen WBLn, die PDL und den Leiter der Verwaltung
versandt. Hier war es wichtig herauszufinden, welche Vorstellungen die einzelnen Füh23
rungskräfte bezüglich Angehörigenarbeit haben. Dies ist eine Grundvoraussetzung, damit
sie sich auch mit dem neuem Konzept identifizieren können. Auf Grund der Ergebnisse,
die in Anhang A beschrieben sind, wurde danach der Leitfaden erstellt. Als Erstes wird
dieser der PDL vorgestellt und bezüglich des Inhaltes durchgesprochen. Es wird eine
sechsmonatige Pilotphase vereinbart. Dadurch ist es möglich zu sehen, wie sich die Umsetzung in die Praxis bewährt. Danach wird eine Evaluierung durchgeführt, um möglicherweise eine notwendige Anpassung zu bewerkstelligen. Nachdem der Leitfaden von der
PDL freigegeben wird, wird er im Rahmen einer WBL-sitzung vorgestellt. Das restliche
Personal wird in den jeweiligen Teamsitzungen von mir, über die neue Vorgehensweise
informiert, da Angehörigenarbeit nicht nur Aufgabe der Führung ist.
6.3 Voraussetzungen
Um eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten, ist es notwendig, dass sich alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter bewusst sind, warum Angehörigenarbeit wichtig ist. In erster Linie
aber müssen sich die Führungskräfte darüber einig sein, dass eine gute Angehörigenarbeit
wichtig für den täglichen Arbeitsablauf ist, denn diese sollen als Vorbild für das restliche
Personal dienen und im Pflegealltag mit guten Beispiel vorangehen. Die Bedeutung der
Angehörigenbetreuung wurde in den vorangegangen Kapiteln immer wieder beschrieben.
Zusätzlich benötigt es, wie schon in Punkt 5.2.2 beschrieben, Schulungen in Kommunikation für das gesamte Personal. Pflegepersonen, die noch wenig Training im Bereich Kommunikation haben, können dies mit erfahrenen Pflegepersonen üben um Sicherheit zu erlangen. Gleichzeitig soll den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern immer wieder bewusst gemacht werden, welche Grundhaltung (vgl. Punkt 5.2.1) im Kontakt mit Angehörigen eingenommen werden soll. Dies kann Thema bei einer Teamsitzung sein oder aber auch als
fester Bestandteil der Mitarbeiterinnen-/Mitarbeiterschulung in bestimmten Abständen
während der Arbeitszeit aufgenommen werden. Nur wenn die Bedeutung für das gesamte
Personal klar ist, kann es gelingen, eine gute und kontinuierliche Angehörigenarbeit zu
gewährleisten. Wichtig ist es auch, dass sowohl die Angehörigen als auch das Personal
darüber informiert ist, wer die zuständige Ansprechperson ist. In erster Linie wird der Kontakt durch die WBL erfolgen. Aber wie schon in Punkt 5.2.4 unter Einzelgespräche beschrieben, haben auch andere Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter immer wieder Kontakt mit Angehörigen und führen Gespräche mit diesen.
24
6.4 Leitfaden für die Pflegeheime der Stadt Dornbirn („Hand in
Hand – zur Zufriedenheit aller“)
Liebe Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter
Das Leitbild der Pflegeheime der Stadt Dornbirn beschreibt Angehörige wie folgt:
Angehörige sind ein wichtiger Teil unserer Betreuung und immer willkommen. Wir begleiten und unterstützen sie aktiv in diesem veränderten Lebensabschnitt.22
Deshalb haben sich die Pflegeheime zum Ziel gesetzt, einen Leitfaden für Angehörigenarbeit zu erstellen. Dieser soll eine kontinuierliche und durchgängige Angehörigenbetreuung
gewährleisten. Eine gute Angehörigenarbeit ist aber nur möglich, wenn wir regelmäßig mit
den Angehörigen in Kontakt sind und diese in die Betreuung miteinbeziehen.
Angehörigenarbeit ist aber nicht nur Aufgabe der Führung.
Bedeutung und Funktion der Angehörigen im Kontext der Pflege
Angehörige sind ein wichtige Bestandteil im Leben unserer Bewohnerinnen/Bewohner.
Sie können uns Information über die Bewohnerinnen/Bewohner geben, die wertvoll in der
Pflege und Betreuung sind.
Angehörige engagieren sich unterschiedlich aktiv in den verschiedenen Lebensphasen und
mit individuellem Zeitmanagement.
Angehörige kennen die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Angehörigen.
Angehörige brauchen Vertrauen zu den Pflegenden, damit sie ihre Ängste und Zweifel
abbauen können.
Angehörige brauchen jemanden, der zuhört und ihnen das Gefühl vermittelt, dass sie mit
ihren Ängsten und Sorgen ernst genommen werden.
Angehörige benötigen vielfach Hilfe und Unterstützung in der Verarbeitung ihrer seelischen Anspannungen. Viele Angehörige haben über einen längeren Zeitpunkt zu Hause
22
Leitbild der Pflegeheime, S1
25
gepflegt und der Heimeinzug ist oft der letzte Ausweg. Dies führt bei ihnen vielfach zu
einem schlechten Gewissen und Schuldgefühlen. In dieser Phase brauchen sie vermehrt
emotionale und psychische Unterstützung durch das Personal.
Angehörige brauchen auch in bestimmten Lebensphasen der Bewohnerinnen/Bewohner
z.B.: Verschlechterung der Krankheitsbildes oder Sterbephase, eine gute Begleitung.
Grundhaltung
Unsere Grundhaltung den Angehörigen gegenüber ist eine offene und empathische. Wir
gehen aktiv auf die Angehörigen zu und gestalten eine wertschätzende Kommunikation mit
ihnen. Dies führt zu Vertrauen und Offenheit. Es geht darum zu verstehen, welches Anliegen die Angehörigen haben. Dadurch ist es möglich gemeinsam eine Lösung zu finden.
Kontaktaufnahme und Informationsaustausch

Erstkontakt
Bei einer bevorstehenden Aufnahme nimmt die WBL telefonisch Kontakt mit den Angehörigen auf und vereinbart einen Termin für einen Hausbesuch.
Im Rahmen dieses Hausbesuches kommt es zum ersten persönlichen Kontakt mit dem Angehörigen und der zukünftigen Bewohnerin/dem zukünftigen Bewohner.
Es werden die ersten wichtigen Informationen ausgetauscht und mögliche Fragen geklärt.
(siehe Anhang B).
Die betroffenen Personen bekommen von der WBL ein Informationsblatt für Angehörige,
wie Angehörigenarbeit von der Institution verstanden wird. (siehe Anhang C).
Die Angehörigen und die Bewohnerin/der Bewohner bekommen einen Überblick über die
Institution und deren Ablauf. Die WBL erhält Informationen über die Pflegebedürftigkeit,
die Gewohnheiten, Wünsche und Erwartungen der betroffenen Personen.
Sie macht sich ein Bild, ob die Institution der richtige Platz für die Bewohnerin/den Bewohner ist.
Nach diesem Hausbesuch wird die PDL über das Ergebnis informiert. Ist ein Heimeinzug
seitens der Institution möglich, wird ein Termin für diesen mit den Angehörigen vereinbart.

Organisatorisches vor dem Heimeinzug
Vom Sozialamt der Stadt Dornbirn werden im Vorfeld schon einige organisatorische Belange geklärt. Dazu gehört die Finanzierungsabklärung, Erhebung der Daten von den Angehörigen und der Bewohnerin/des Bewohners, Gründe für den Heimeinzug, Organisation
eines Kurzarztbriefes und einer Sachwalterschaft, wenn notwendig. Es wird auf die Frei-
26
willigkeit der zukünftigen Bewohnerin/des zukünftigen Bewohners geachtet. Auch werden
die betroffenen Personen auf eine Vorsorgevollmacht oder
Patientinnen-/Patientenverfügung angesprochen. Im Vorfeld wird auch innerhalb der Familie eine Vertrauensperson definiert.
Vertrauliche Informationen über die Bewohnerin/den Bewohner und wichtige Entscheidungen werden nur mit der Vertrauensperson besprochen beziehungsweise geklärt.

Heimeinzug
Die Angehörigen und die Bewohnerin/der Bewohner werden auf dem Wohnbereich begrüßt. Es werden ihnen das Zimmer, die Institution, zeitliche Ablauf im Heim gezeigt und
erklärt.
Im Rahmen dieses Einzuges werden noch offene Fragen geklärt. Die Angehörigen bekommen die Information, wer ihre Bezugspersonen sind. Dies ist in erster Linie die WBL
und für jede Bewohnerin/ jeden Bewohner eine zusätzliche Pflegeperson.

Gesprächstermin nach drei Wochen
Dieser wird mit den Angehörigen im Rahmen des Heimeinzuges vereinbart. Bei diesem
Gespräch soll nach dem Befinden der Angehörigen und der Bewohnerin/des Bewohners
gefragt werden. Erfragen ihrer Eindrücke, die sie bis jetzt von der Institution haben. Aber
auch welche Wünsche, Bedürfnisse und Anregungen seitens der Angehörigen und der Bewohnerin/des Bewohners noch offen sind. Wichtige Fragen für die WBL/Institution können dabei geklärt werden. Es soll eine Vereinbarung eines weiteren Termins in drei Monaten erfolgen.

Einzelgespräche
Diese sind vor allem in den ersten paar Wochen nach dem Heimeinzug von großer Bedeutung. Deshalb sollen die Angehörigen die Information erhalten, dass sie jederzeit bei Fragen, Wünschen und Anregungen den Kontakt mit der WBL oder der definierten Bezugsperson aufnehmen können. Einzelgespräche sollen in einer ruhigen Atmosphäre und in
einem geschützten Rahmen stattfinden.
Von großer Bedeutung sind diese auch in der Phase des Sterbeprozesses und bei einschneidenden Ereignissen.
Wir animieren Angehörige, wenn sie auf Besuch sind, aktiv den Kontakt zur WBL oder
der zuständigen Bezugsperson zu suchen, um Informationen zu erhalten. Auch soll den
27
Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern bewusst sein, dass sie aktiv auf die Angehörigen zugehen
sollen. Dadurch entsteht ein guter Austausch zwischen allen Betroffenen.

Telefonische Gespräche
Hier wird die Vertrauensperson informiert, dass z.B.: eine Pflegeeinstufenerhörung erfolgt
ist. Aber auch Informationen über bestimmte Vorkommnisse (z.B.: Sturzgeschehen) werden telefonisch mitgeteilt. Es ist auf jeden Fall darauf zu achten, dass der Vertrauensperson
ein weiterer persönlicher Gesprächstermin angeboten wird, wenn dies von ihr/ihm benötigt
wird.
Telefonisch können auch Angehörige, die nicht regelmäßig auf Besuch kommen, über
Veranstaltungen informiert werden und aktiv eingeladen werden.

Sprechstunden
Sie finden jeden Freitag, außer dem ersten im Monat, zwischen 10 Uhr und 12 Uhr statt.
Nach Möglichkeit soll eine Terminvereinbarung getroffen werden.

Angehörigenabend
Einmal im Jahr werden die Angehörigen und die WBLn von der PDL zu diesem Anlass
eingeladen.
Schwerpunkte dieses Abends sind verschiedene Informationen für Angehörige.
Inhalte können sein: Vortrag über bestimmte Krankheitsbilder, Information über Freiheitsbeschränkung, Sterben und Tod, Vorstellung zukünftiger Projekte in der Institution, Rückblick auf das vergangene Jahr usw.
Hier können Angehörige Fragen stellen und haben auch die Möglichkeit sich mit anderen
auszutauschen.

Angehörigentreffpunkt
Zu diesem Treffpunkt werden die Angehörigen einmal im Jahr von der WBL eingeladen.
Er findet auf den jeweiligen Wohnbereichen statt und kann individuell gestaltet werden. Es
kommt zu einem gemeinsamen Austausch bei Kaffee und Kuchen. Die Angehörigen können sich miteinander unterhalten. Sie haben auch die Möglichkeit Fragen an die WBL zu
stellen. Hier kann auch ein kurzer Input über Themen, die die Angehörigen interessieren,
gegeben werden.

Angehörigenbefragung
Diese Befragung wird alle zwei Jahre durchgeführt und dient dazu, die Zufriedenheit der
Angehörigen zu erfassen.
28

Feste gemeinsam feiern
Angehörige werden zu den gemeinsamen Festen, wie Sommerfest, Bewohnerinnen/Bewohnerausflug, Adventsfeier usw. eingeladen. Diese sollen sie gemeinsam mit den
Bewohnerinnen/Bewohnern feiern. Außerdem gibt es noch verschiedene besondere Anlässe (z.B.:Musiknachmittag), die von den Wohnbereichen individuell gestaltet werden.

Information der Angehörigen bei neuen Führungspersonen
Angehörige sollten zeitnah informiert werden, wenn eine neue Führungsperson tätig wird.
Dies erfolgt durch einen Brief, indem sich die neue Führungsperson persönlich mit Foto
vorstellt. Dieser Führungswechsel ist aber auch jederzeit auf der Homepage ersichtlich.

Begleitung durch Angehörige
Vorzugsweise sollen Angehörige für die Bewohnerin/den Bewohner Termine für Arztbesuche ausmachen und sie/ihn begleiten. Auch kleinere Besorgungen sollen von Angehörigen getätigt werden.
29
7 Reflexion und Ausblick
Beim Studieren der Fachliteratur und der vertieften Auseinandersetzung mit dem Thema
wurde mir noch einmal mehr bewusst, wie wichtig die Angehörigenbetreuung im Pflegealltag ist. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in der Institution schon Einiges für
Angehörige gemacht wird. Dies geschieht aber zurzeit eher spontan und je nach Einstellung der Pflegepersonen. Deshalb wurde in dieser Arbeit auf die Wichtigkeit der Angehörigenbetreuung hingewiesen.
Eine zentrale Aufgabe der Führungspersonen besteht darin, die Wichtigkeit der Angehörigenarbeit allen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern näher zu bringen. Sie müssen ein Vorbild für
die anderen Pflegepersonen sein. Den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern muss immer wieder
bewusst gemacht werden, welche Ressourcen Angehörige für den täglichen Alltag im Leben der Bewohnerinnen/Bewohner darstellen. Die Angehörigen sollen nicht als „Störfaktor“ aufgefasst werden, sondern sie sollen als willkommene und unterstützende Personen
angesehen werden. Das Ziel soll daher ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander sein.
Beim Gespräch mit meiner PDL und den anderen WBLn kam für mich deutlich zum Ausdruck, dass die Angehörigenbetreuung sehr erwünscht ist. Es sind alle bemüht, an der Umsetzung des neuen Konzeptes mit zu arbeiten.
Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, dass eine gute und kontinuierliche Angehörigenarbeit ein Teil des Pflegealltages ist. Dies hat den Effekt, dass es zu einer Erhöhung der
Zufriedenheit der Angehörigen kommt. Sie fühlen sich vom Pflegepersonal willkommen,
ernst genommen und miteinbezogen. Dadurch kommt es zu einer besseren Beziehungsgestaltung. Dies wiederum führt dazu, dass es zu weniger Konflikten kommt, bzw. mit Konflikten konstruktiver umgegangen wird. Die Angehörigen werden nicht als Belastung, sondern als Entlastung gesehen. Schlussendlich hat es für alle Beteiligten Vorteile. Die Pflegepersonen lernen zu verstehen, welche Motive die Angehörigen haben und fühlen sich
dadurch von ihnen nicht in ihrer Arbeit angegriffen. Durch die Informationen, die sie von
den Angehörigen erhalten, kann es zu einem besseren Verständnis für manche Verhaltensweisen von Bewohnerinnen/Bewohnern kommen. Dies führt zu einer Erleichterung in der
Pflege. Die Angehörigen fühlen sich willkommen und in die Pflege und Betreuung miteinbezogen. Dies kann für die Pflegepersonen ebenfalls eine Erleichterung darstellen.
30
8 Literaturverzeichnis
Daneke, Sigrid (2010): Achtung Angehörige! Kommunikationstipps und wichtige Standards für Pflege- und Leitungskräfte.
Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hannover
Fuchs, Helmut Univ.-Prof.Dr./Maleczky, Oskar Dr. (2011): Kodex des österreichischen
Rechts – Strafrecht. 34. Auflage
LexisNexis Verlag ARD Orac GmbH&CoKG, Wien
George, Wolfgang/George, Ute (2003): Angehörigenintegration in der Pflege.
Ernst Reinhardt, GmbH&Co KG Verlag, München
Koch, Paul (2011): Angehörigenarbeit – Angehörigenbegleitung;
Skriptum Universitätskurs Case- und Caremanagement mit integriertem Mittleren Pflegemanagement, Uni for Life, 04.10.2012
Leptihn, Tilman (2007): 50 Tipps für die Angehörigenarbeit in der Altenpflege
2. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Brigitte Kunz Verlag, Hannover
Matolycz, Esther (2011): Pflege von alten Menschen
Springer Verlag, Wien
Schneider,Johann (2002): Auf dem Weg zum Ziel. Der Vertragsprozess – ein Schlüsselkonzept erfolgreicher professioneller Begleitung.
Jungfermann Verlag, Paderborn
Stabentheimer, Helga (2009): Pflegeheime und Angehörige. Ein Leitfaden für eine gelingende Zusammenarbeit mit Angehörigen.
Hrsg. Martin Hebenstreit im Auftrag des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und der
connexia – Gesellschaft für Gesundheit und Pflege, Reihe connexia 02, Bregenz
Kostenlos erhältlich bei Connexia
Stewart, Ian/Joines,Van (1990): Die Transaktionsanalyse – Eine Einführung.
2. Auflage als Taschenbuch (16. Gesamtauflage), Herder Verlag 2000
Watzlawick, Paul (1974): Menschliche Kommunikation - Formen, Störungen, Paradoxien
4. unveränderte Auflage, Hans Huber Verlag, Bern,Stuttgart,Wien
31
9 Internetverzeichnis
Engels, Dietrich/Pfeuffer Frank (2007): Die Einbeziehung von Angehörigen und Freiwilligen in die Pflege und Betreuung in Einrichtungen, Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Möglichkeiten und Grenzen einer selbstständigen Lebensführung in Einrichtungen“. Untersuchung des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.V.
URL:http://www.isg-institut.de, download ISG-Bericht MuG4.pdf
(Zugriff am 17.06.2013)
Wallrafen-Dreisow Helmut (2011): Beschwerdemanagement in der Pflege.
Vortrag: „Wenn ich mich kritikfähig, zeige, kann der Dialog beginnen.“ – Vom Umgang
mit Reklamation und Kritik in der Pflege.
URL:http://www.connexia.at/bildung, Suchbegriff: Leitfaden,
download Leitfaden/Beschwerdemanagement in der Pflege
(Zugriff am 18.06.2013)
32
10 Anhang
Anhang A
Im Folgenden sollen die Ergebnisse der qualitativen Umfrage, die in die Arbeit miteinbezogen wurden, kurz erläutert werden.
Die Umfrage erfolgt an insgesamt 9 Personen mittels Fragbogen.
Es wurde den Personen verdeutlich, dass erst eine strukturierte Angehörigenarbeit eine
Entlastung für alle beteiligten Personen darstellt. Zusätzlich wurde darauf hingewiesen,
dass die Arbeit mit Angehörigen ein kontinuierlicher Prozess und nicht eine einmalige Sache ist. Es wurde auf die Wichtigkeit von Interventionen beim Eintritt einer Bewohnerin/eines Bewohners aufmerksam gemacht. Dies könnte man als Beeinflussung der befragten Personen sehen. Jedoch wollte ich dadurch erreichen, dass die beteiligten Personen sich
im Vorfeld bewusst sind, welch hohen Stellenwert Angehörigenarbeit im Pflegeheim
Dornbirn einnimmt.
Folgende Fragen waren im Fragebogen enthalten:
1. In welchen zeitlichen Abständen sollten zu Beginn des Eintritts in das Pflegeheim
Gespräche mit Angehörigen stattfinden?
Diese Frage diente dazu heraus zu finden, wie die beteiligten Personen die Wichtigkeit
einer kontinuierlichen Angehörigenarbeit beurteilen. Auf Grund der Ergebnisse kam klar
zum Ausdruck, dass alle Führungspersonen sich einig sind, dass es am Anfang sehr wichtig ist, den Angehörigen Gespräche anzubieten. Auf Basis ihrer Vorschläge wurde ein gemeinsamer Konsens gefunden und die Abstände so definiert, wie dies auf Seite 25-27 unter
Erstkontakt, Heimeinzug, Gesprächstermin nach drei Monaten, Einzelgespräche und telefonische Gespräche beschrieben wurde.
2. Was sollte am Anfang unbedingt mit den Angehörigen und den zukünftigen Bewohnerinnen/Bewohnern abgeklärt werden?
Aus den Ergebnissen dieser Frage wurde der Gesprächsleitfaden, in dem alle Fragen, die
für die befragten Personen wichtig sind, zusammengestellt. Von besonderer Bedeutung
waren hier Fragen bezüglich pflegerischer und medizinischer Interventionen. Die anderen
beiden Kategorien von Fragen kamen in unterschiedliche Anzahl zur Sprache und wurden
von mir zum Gesprächsleitfaden hinzugefügt.
33
3. Sollen Angehörigenabende angeboten werden, in welcher Form sollen sie angeboten werden und in welchen Abständen sollen sie durchgeführt werden? Welche Inhalte sind hier besonders wichtig?
Acht Personen gaben hier an, dass Angehörigenabende ein- bis zweimal im Jahr erwünscht
sind. Eine Person wies darauf hin, dass dies nicht benötigt wird, wenn es Sprechstunden
geben würde, da aus ihrer Erfahrung diese Abende nur von wenigen Personen besucht
werden. Bezüglich der Inhalte wurden verschiedenste Themengebiete genannt. Vorgeschlagen wurden pflegerische und medizinische Fachvorträge, aber auch Informationen
über laufende Projekte und eine Rückschau über das vergangene Jahr. An solchen Abenden können die Angehörigen mit anderen Angehörigen in Kontakt treten und Erfahrungen
austauschen. Leider nehmen Angehörige sich oft nicht die Zeit für solche Abende.
4. Sollte es Angehörigensprechstunden geben?
Sechs Personen sprachen sich für klar definierte Sprechstunden aus. Drei Personen gaben
zu bedenken, dass fixe Zeiten für Sprechstunden schwer einzuhalten sind, da viele Angehörige noch im Arbeitsprozess stehen und während der Woche untertags keine Zeit haben.
Diese drei Personen plädieren für die Vereinbarung von individuellen Terminen und für
Einzelgespräche.
5. Was soll bei der Integration von Angehörigen berücksichtigt werden?
Bei dieser offenen Fragestellung sollte eruiert werden, welche Anliegen die Führungskräfte
in der Angehörigenbetreuung noch haben.
Es waren sich alle einig, dass Angehörige miteinbezogen werden sollen. Angehörige sollen
darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie in unserer Institution willkommen sind und
immer noch ein Teil des Lebens der Bewohnerin/des Bewohners sind und bleiben sollen.
Es soll ihnen auch klar gemacht werden, dass sie die Verantwortung nicht an die Institution
abgeben, sondern weiterhin für die Bewohnerin/den Bewohner da sein sollen. Sie sollen
aktiv an den Veranstaltungen teilnehmen. Arztbesuche und kleine Besorgungen sollen von
den Angehörigen übernommen werden.
6. Welche Vor- und Nachteile der Angehörigenarbeit sehen Sie?
Insgesamt überwiegten ganz klar die Vorteile der Angehörigenarbeit.
Im Folgenden eine Liste der Aussagen.
Angehörige verstehen die Rolle und die Perspektiven der Pflege besser.
Angehörige werden „ins Boot“ geholt, nur gemeinsam kommen wir voran.
Ressourcen können genützt werden und sie können unterstützend in der Pflege und
Betreuung tätig sein.
34
Der Kontakt zu den Angehörigen bleibt erhalten.
Probleme können frühzeitig erkannt und angesprochen werden.
Eine Vertrauensbasis kann sich entwickeln.
Angehörige sind wichtig für Bewohnerinnen/Bewohner.
Über einen einzigen „Nachteil“ waren sich alle einig. Angehörigenarbeit ist zeitaufwendig
und braucht viel Erfahrung und Geduld. Deshalb müssen alle Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter
der Bedeutung von Angehörigenarbeit bewusst sein.
Anhang B
Gesprächsleitfaden:
Folgende Fragen an die Angehörigen und an die Bewohnerin/den Bewohner sollten am
Anfang der Kontaktaufnahme geklärt werden. Dies sind mögliche Fragen und sollen für
(neue) Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter eine Hilfe darstellen.
Allgemeine Fragestellungen:

Welche Erwartungen haben die Angehörigen und die Bewohnerin/der Bewohner?

Wie pflegebedürftig ist die Bewohnerin/der Bewohner?

Welche Wünsche, Bedürfnisse, Abneigungen und Ziele hat die Bewohnerin/der
Bewohner? Was ist realistisch, was ist unrealistisch?

Welche Biographie hat die Bewohnerin/der Bewohner?

Wie stellen sich die Angehörigen ihre weiteren Kontakte mit der Bewohnerin/dem
Bewohner vor? Z.B.: regelmäßige Besuche, Teilnahme an Veranstaltungen usw.
Hier ist es wichtig den Angehörigen gleich zu vermitteln, dass Besuche erwünscht
sind.

Hat die Bewohnerin/der Bewohner Wertgegenstände? Gleichzeitige Information
über den Umgang innerhalb der Institution.

Welchen Tages- bzw. Nachtrhythmus hat die Bewohnerin/der Bewohner?

Welche bestimmten Gewohnheiten bzw. Verhaltensweisen sind bekannt?

Welche Erwartung haben die Angehörigen und die Bewohnerin/der Bewohner in
pflegerischer Hinsicht? Welche Dienstleistungen bieten wir an.
35
Emotional – psychische Fragestellungen

Wie geht es Ihnen mit dem bevorstehenden Heimeinzug ihres Angehörigen?

Was glauben Sie, wie es ihrer Angehörigen/ihrem Angehörigen dabei geht?

Was ist besonders belastend für Sie?

Haben Sie Strategien, um mit Ihrer Belastung umzugehen?

Haben Sie jemanden, der Sie unterstützt?

Wie können wir Ihnen dabei helfen?

Welche Beziehung haben Sie zu ihrer Angehörigen/ihrem Angehörigen?

Welche Rolle übernehmen Sie in der Betreuung?
Medizinische und pflegerische Fragestellungen
Die folgenden Fragen sind behutsam zu stellen. Sie sollten dennoch möglichst rasch abgeklärt werden.

Was verstehen die Angehörigen unter lebensverlängernden Maßnahmen?

Welche Wünsche hat die Bewohnerin/der Bewohner bezüglich lebensverlängernden Maßnahmen? Sollen alle medizinischen Maßnahmen ergriffen werden? Sind
die Angehörigen derselben Ansicht? Diese Fragen sollten sobald wie möglich, aber
im Rahmen eines Gespräches mit dem Hausarzt, den Angehörigen, der Bewohnerin/des Bewohners und der WBL stattfinden.

Bei welchen besonderen Vorkommnissen möchten die Angehörigen informiert
werden? Z.B.: Sturz, Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Einweisung ins
KH, Tod, usw.

Möchten die Angehörigen zu jeder Tages- und Nachtzeit informiert werden?

Welche Einstellungen haben die Angehörigen zum Thema Tod? Ist eine Begleitung
erwünscht? Möchten sie in der Sterbephase dabei sein?
Anhang C
Informationsblatt für Angehörige und Bewohnerinnen/Bewohner
Sehr geehrte Angehörige und Bewohnerinnen/Bewohner
Unter dem Motto „Hand in Hand – zur Zufriedenheit aller“ möchten wir Sie informieren,
dass unserer Institution die Angehörigen und die Bewohnerinnen/Bewohner sehr am Herzen liegen.
Deshalb ist der Kontakt mit Angehörigen für uns sehr wichtig. Der Heimeinzug ist sowohl
für Angehörige als auch für die zukünftigen Bewohnerinnen/Bewohner eine einschneiden36
de Veränderung. Unser Ziel ist es, Sie in der Phase der Eingewöhnung und in der darauf
folgenden Zeit zu begleiten. Wir möchten Sie dabei unterstützen und bemühen uns durch
eine gezielte Betreuung und Begleitung die zukünftige Zeit unter bestmögliche Bedingungen individuell zu gestalten.
Angehörige sind ein wichtiger Teil im Leben unserer Bewohnerinnen/Bewohner. Sie sind
eine Brücke zwischen dem jetzigen und dem früheren Leben. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass sie weiterhin aktiv am Leben Ihrer Angehörigen/Ihres Angehörigen teilnehmen.
Wir sind jederzeit offen für ihre Fragen. Bei Unklarheiten oder Anregungen ihrerseits sind
wir bemüht, mit Ihnen gemeinsam eine Lösung zu finden.
Im Folgenden finden sie eine Auflistung, welche Angebote wir für Angehörige bieten:

Einzelgespräche
Diese finden am Anfang des Heimeinzuges in bestimmten Abständen statt. Der erste Kontakt erfolgt bei einem Hausbesuch, bei dem die Wohnbereichsleitung Sie und ihre pflegebedürftige Angehörige/ihren pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause besucht. Im Rahmen dieses Gespräches erhalten sowohl Sie, als auch die Institution vorrangige Informationen.
Beim Heimeinzug wird Ihnen das Haus gezeigt und Sie erhalten weitere notwendige Informationen (Tagesablauf, Überblick über die Institution usw.). Auch werden hier zwei
weiterer Gesprächstermine mit Ihnen vereinbart. Natürlich haben Sie immer die Möglichkeiten, dazwischen ein Gespräch zu führen, wenn Sie das Bedürfnis haben. Wir fordern Sie
auch aktiv auf, bei Ihren Besuchen auf die Wohnbereichsleitung oder Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter zuzugehen. Hier möchten wir Sie aber darauf aufmerksam machen, dass
unsere Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter auf Grund der anfallenden Arbeit nicht immer die Zeit
für ein Gespräch haben, die Sie vielleicht benötigen. Für Themen, bei denen Sie glauben
mehr Zeit zu benötigen, ist es deshalb wichtig, einen Termin zu vereinbaren beziehungsweise die Sprechstunden zu nützen. Dort ist es möglich sich genügend Zeit für Sie, ihre
Wünsche und Anregungen zu nehmen.
Für Einzelgespräche ist vorrangig die Wohnbereichsleitung zuständig. Zusätzlich bekommen Sie eine Bezugsperson zugeteilt, die für Sie und ihre Fragen zuständig ist. Natürlich
sind auch alle anderen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter gerne offen für Ihre Fragen.
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
Sprechstunden
Wir bieten jeden Freitag eine Sprechstunde von 10 Uhr bis 12 Uhr in jedem Wohnbereich
an. Vorzugsweise, um eventuelle Wartezeiten zu vermeiden, bitten wir Sie, auch hier einen
Termin zu vereinbaren.
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Angehörigenabend
Dieser wird einmal im Jahr für das gesamte Pflegeheim veranstaltet. Anwesend sind die
Wohnbereichsleitungen und die Pflegedienstleitung. Zusätzlich werden externe Vortragende, die zu bestimmten Themen referieren und für Fragen offenstehen, eingeladen.
Schwerpunkte an diesen Abenden sind z.B.:
Rückblick auf das letzte Jahr
Vorstellungen von aktuellen Projekten
Vorträge von Fachpersonen über bestimmte Krankheitsbilder, Pflegegeldeinstufung,
Sturzprophylaxe, Sterben und Tod usw.
Termin und Inhalt des Abends wird Ihnen frühzeitig bekannt gegeben.

Angehörigentreffpunkt
Dieser findet einmal pro Jahr auf jedem Wohnbereich statt. Dieser Treffpunkt findet in
einer gemütlichen Atmosphäre bei Kaffee und Kuchen statt. Sie haben hier auch die Möglichkeit Fragen an die Wohnbereichsleitung zu stellen. Zusätzlich kann ein Austausch zwischen Ihnen und den anderen Angehörigen stattfinden.

Angehörigenbefragung
Diese findet alle zwei Jahre statt und ist anonym. Sie bekommen von uns einen kurzen
Fragebogen und wir bitten sie um rege Teilnahme. Dies ermöglicht uns, unsere Stärken
und Schwächen zu erkennen. Auch erhalten wir Informationen über Ihre Wünsche und
Bedürfnisse und können auf diese gezielt eingehen.

Feste gemeinsam feiern
Wir möchten Sie dazu einladen unsere Feste (Sommerfest, Adventsfeier, Fasching, Bewohnerinnen-/Bewohnerausflug) gemeinsam mit uns und den Bewohnerinnen/Bewohnern
zu feiern. Es gibt immer wieder verschiedene besondere Angebote (z.B.: Musiknachmittag), an denen Sie gerne teilnehmen können.
Zusätzlich zu diesen Angeboten haben wir im Erdgeschoss für Sie und ihre Angehörigen
ein gemütliches „Wiener Kaffee“. Dies können Sie bei Ihren Besuchen nutzen und einen
gemütlichen Nachmittag verbringen.
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Biographiearbeit
Jeder Mensch hat seine eigenen Lebenserfahrungen. Um die Lebenserfahrung unserer Bewohnerinnen/Bewohner zu verstehen, ist es für uns wichtig etwas darüber zu erfahren. Oft
sind die Bewohnerinnen/Bewohner aber nicht mehr in der Lage, uns darüber Auskunft zu
geben. Deshalb brauchen wir ihre Mithilfe. Die Biographiearbeit hilft uns, die Wünsche
und Bedürfnisse unserer Bewohnerinnen/Bewohner zu erkennen und zu verstehen. Dies
ermöglicht uns eine individuelle Pflege und Betreuung.
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Beschwerden
Wir sind immer offen für neue Anregungen und fordern Sie auf, aktiv auf uns zuzukommen. Wir nehmen jede Beschwerde von Ihnen ernst und bemühen uns gemeinsam mit Ihnen, eine Lösung zu finden. Kritik beziehungsweise Anregungen können Sie direkt an die
Wohnbereichsleitung herantragen. Auch steht Ihnen die offizielle Beschwerdestelle im
Haus zur Verfügung. Wir sehen Beschwerden nicht als Vorwurf, sondern als Vorschlag.
Sie geben uns Aufschluss über die Qualität unserer Arbeit und können uns Schwachstellen
aufzeigen. Auch positive Rückmeldungen nehmen wir gerne entgegen. Um unsere Pflegeheime kennen zu lernen, können Sie gerne nach einer Terminvereinbarung, bei uns vorbeischauen. Wir zeigen Ihnen gerne unsere Institution und beantworten Ihre Fragen. Auch im
Internet unter www.dornbirn.at, Pflegeheime Dornbirn, finden Sie weitere Informationen.
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