Welche Folgen hat ein mehrtägiger Stromausfall auf

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Welche Folgen hat ein mehrtägiger Stromausfall auf
Welche Folgen hat ein mehrtägiger Stromausfall
auf Altenpflegeheime?
Analyse ausgewählter Altenpflegeheime in Berlin und Entwicklung von
Handlungsempfehlungen
Bachelorthesis zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts (B.A.)
an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Fachbereich 5: Polizei und Sicherheitsmanagement
Studiengang: Sicherheitsmanagement
Autor:
Gesa Schecker
Matr. Nr.:
77600704106
Eingereicht am:
10.01.2011
Bearbeitung:
innerhalb von zwei Monaten
1. Gutachter: Frau Prof. Dr. Birgitta Sticher
2. Gutachter: Herr Prof. Dr. Claudius Ohder
Anmerkung der Autorin
Um den Textfluss dieser Arbeit nicht zu unterbrechen, wird bei Personenbezeichnungen ausschließlich die männliche Form verwendet. Grundsätzlich wird die
weibliche Form mit eingeschlossen, sollte dieses im Text nicht anders angegeben
sein.
Abstract
Die vorliegende Arbeit behandelt die Thematik eines mehrtägigen Stromausfalls in Berlin und dessen Auswirkungen auf Altenpflegeheime. Die Basis der Untersuchung sind
qualitative Experteninterviews und eine umfassende Literaturrecherche. Ein weiterer
Untersuchungsgegenstand ist eine quantitative Erhebung der Einrichtungen und Personen, die von der Schadenslage betroffen wären. Die Analyse und Auswertung der
Untersuchungen werden anhand von Szenarien dargestellt. Den Risiken, Schwachstellen und Problemfelder werden Maßnahmen als Handlungsempfehlungen entgegengesetzt, die Altenpflegeheime vor negativen Folgen eines mehrtägigen Stromausfalls
schützen können.
Inhaltsverzeichnis
Anmerkung der Autorin .................................................................................... II Abstract ............................................................................................................ III Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. VI Tabellenverzeichnis ....................................................................................... VII 1 Einleitung ...................................................................................................... 1 1.1 Ziel der Arbeit, Fragestellung, Hintergrund und Methodik
3 1.2 Aufbau der Arbeit
5 2 Begriffliche, rechtliche und statistische Grundlagen ................................ 6 2.1 Was bedeuten Alter, altern und Alt sein?
6 2.2 Was ist Pflege, stationäre Pflege und Pflegebedürftigkeit
8 2.3 Erklärung und Abgrenzung verschiedener Heimarten und Wohnformen für alte
Menschen
10 2.4 Der demographische Wandel und seine Auswirkungen auf Altenpflegeheime in
Berlin
13 3 Die Altenpflegeheime in Berlin .................................................................. 15 3.1 Wer wohnt in Altenpflegeheimen?
18 3.2 Personal in Altenpflegeheimen
22 Interviews und Gespräche mit Experten ....................................................... 24 3.3 Auswahl der Methode „Experteninterview“
24 3.4 Ziel und Methodologie der Experteninterviews
24 3.5 Erläuterung der thematischen Komplexe des Interviewleitfadens
25 3.6 Vorstellung der der Interviewpartner und der jeweiligen Einrichtung
26 3.7 Ergebnisse der Experteninterviews
26 3.8 Fazit
30 4 Ein durchschnittlicher Tag in einem Altenpflegeheim ............................ 31 5 Szenario: Mehrtägiger Stromausfall in Berlin .......................................... 34 5.1 Szenario: Mehrtägiger Stromausfall im Altenpflegeheim im zeitlichen Verlauf
35 6 Maßnahmenkatalog als Handlungsempfehlung....................................... 42 6.1 Notstromversorgung
42 6.2 Vorratshaltung
43 6.3 Beleuchtung
45 6.4 Heizung
46 6.5 Information und Kommunikation
46 6.6 Dokumentation
47 6.7 Einweisen der Mitarbeiter
47 7 Fazit und Ausblick ...................................................................................... 49 8 Quellenverzeichnis ..................................................................................... 51 9 Anhang ........................................................................................................ 55 9.1 Empfohlener Lebensmittelvorrat für zwei Wochen, für einen Erwachsenen
55 9.2 Checkliste Utensilien für den Stromausfall
57 9.3 Interviewleitfaden Haus A
58 9.4 Interviewleitfaden Haus B
70 10 Eigenständigkeitserklärung ....................................................................... 82 Abkürzungsverzeichnis
AWO -
Arbeiterwohlfahrt
BBK
-
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
DRK
-
Deutsches Rotes Kreuz
HeimG -
Heimgesetz
Hrsg. -
Herausgeber
HWR -
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
LAGeSo -
Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin
NEA
Netzersatzanlage
-
ÖPNV -
öffentlicher Personennahverkehr
SGB XI -
Sozialgesetzbuch – Elftes Buch – (Soziale Pflegeversicherung)
USV
Unterbrechungsfreie Notstromversorgung
-
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Anzahl an Pflegeheimen/Pflegeheimplätzen für Alte in Berlin. .................... 14 Tabelle 2: Anzahl der Pflegeheime unterteilt in Größenklassen................................... 16 Tabelle 3: Träger der Pflegeheime in Berlin mit Anzahl der Pflegeheime .................... 16 Tabelle 4: Das Risiko verschiedener Altersgruppen an Demenz zu erkranken ........... 18 Tabelle 5: Pflegebedürftige Personen ab 60 Jahre in vollstationärer Pflege ................ 20 Tabelle 6: Prozentuale Einteilung pflegebedürftiger Alter Menschen in Pflegestufen. . 21 Tabelle 7: Familienstand Frauen und Männer ab 65 Jahre in Berlin ............................ 22 Tabelle 8: Personal in Berliner Pflegeheimen in Prozent und nach Bereichen ............ 22 1
1
Einleitung
In Deutschland beruhen der reibungslose Ablauf des alltäglichen Lebens und das
Funktionieren der Informationsgesellschaft grundlegend darauf, dass jederzeit Strom
verfügbar ist. Eine mehrtägige Unterbrechung der Stromversorgung würde zum Ausfall
Kritischer Infrastrukturen führen1.
Kritische Infrastrukturen sind Organisationen und Einrichtungen, die es möglich machen, die Bevölkerung mit wichtigen Gütern und Diensten zu versorgen und bei deren
Ausfall und der einhergehenden Versorgungsunterbrechung besonders in einer Industrienation wie Deutschland katastrophale soziale und ökonomische Folgen auftreten
können.2
Zu Kritischen Infrastrukturen zählen beispielsweise die Gesundheitsversorgung,
Transport und Verkehr und die Informations- und Kommunikationstechnik.
Altenpflegeheime, die der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind,
zählen zur Gesundheitsversorgung. Weitere Bereiche der Gesundheitsversorgung sind
beispielsweise Krankenhäuser und Rettungsdienste.
Personen, die in einem Krankenhaus versorgt werden oder in einem Altenpflegeheim
wohnen, bedürfen bei einem mehrtägigen Stromausfall besonderer Aufmerksamkeit.
Viele dieser Personen sind bereits im normalen Alltag unweigerlich auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen und könnten ohne diese Hilfe nicht überleben.
Die Gesundheitsversorgung ist in solch einer Schadenslage essentiell, hängt jedoch
stark von anderen Kritischen Infrastrukturen ab.
Auslöser eines mehrtägigen, flächendeckenden Stromausfalls in Berlin können
menschliches Versagen, technische Defekte, kriminelle Handlungen und auch Naturkatastrophen sein. In Deutschland ist es in den letzten Jahren vermehrt zu ungewöhnlich
starken Naturereignissen gekommen wie dem Elbehochwasser im August 2002 und
dem Orkan Kyrill im Januar 2007.3 Schnee- und Eislasten in Verbindung mit starken
1
Offizielle Definition des AK KRITIS im Bundesministerium des Inneren (BMI) vom
17.11.2003.: Einrichtungen und Organisationen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Vgl.: Lenz, Susanne, Vulnerabilität Kritischer Infrastrukturen;
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn 2009, S.18
2
Vgl.: Lenz, Susanne, 2009. S. 13/19.
2
Windböen ließen im westlichen Münsterland im November 2005 Strommasten und
Bäume umknicken und die Stromversorgung zusammenbrechen. Einige Orte konnten
mehrere Tage, teilweise eine Woche lang, nicht mit Strom versorgt werden. Insgesamt
waren rund 250.000 Menschen4, ein Krankenhaus in Rheine und ein Altenheim in
Coesfeld von dem Stromausfall betroffen. Während im Krankenhaus das Notstromaggregat ansprang und das Haus versorgte, musste das Altenheim evakuiert werden.5
Diese Ereignisse zeigen, dass ein mehrtägiger, flächendeckender Stromausfall nicht
auszuschließen ist.
Der sehr große und breit gefächerte Bereich der Altenpflege ist immer wieder Thema in
unserer Gesellschaft.
Wenn von „Sicherheit“ in Altenpflegeheimen gesprochen wird, dann ist die Rede von
der Sicherung der Finanzierung, der Rutschfestigkeit des Bodenbelags oder der Sicherstellung, dass schwer demente Personen nicht ohne Aufsicht von dem Heimgrundstück gelangen können.
Weitere realistische Bedrohungen wie ein mehrtägiger Stromausfall oder starker Personalmangel aufgrund einer Grippeepidemie werden vernachlässigt.
In Altenpflegeheimen leben überwiegend Menschen, die ohne Unterstützung das Gebäude nicht verlassen können. Um Evakuierungen von Altenpflegeheimen zu vermeiden und die Versorgung und die Sicherheit der Bewohner sicher zu stellen, sind Notfallpläne und präventive Sicherheitsvorkehrungen für den Schadensfall unausweichlich.
Die stetig ansteigende Lebenserwartung und der medizinische Fortschritt fördern den
Anstieg der älteren Bevölkerung in Deutschland. Die Anzahl der zu pflegenden alten
Menschen wächst und damit auch der Bedarf an sicheren Pflegeplätzen.6
3
Die wesentlichsten Naturkatastrophen in Deutschland nachzulesen unter:
http://www.bevoelkerungsschutzportal.de/SharedDocs/Standardartikel/BVS/DE/ohneMarginalsp
alte/Naturkatastrophen/wesentl_Naturkatastrophen.html?nn=405216 (Stand: 15.11.2010, 20:10)
4
Vgl.: Energiechronik von Udo Leuschner: http://www.udo-leuschner.de/energiechronik/051101.htm (Stand: 15.11.2010, 19:00)
5
Vgl.: Internetseite der Initiativen Pro Erdkabel NRW: http://pro-erdkabelnrw.npage.de/sturm_&_strom_43057889.html (Stand 16.11.2010, 09:00)
6
Weitere Ausführungen zur wachsenden Lebenserwartung und dem demografischen
Wandel in Kapitel 6.4
3
1.1
Ziel der Arbeit, Fragestellung, Hintergrund und Methodik
Die vorliegende Arbeit werden drei zentrale Fragen begleiten:
•
Was macht ein Altenpflegeheim und die Personen, die dort leben und arbeiten,
aus?
•
Welche Auswirkungen hätte ein mehrtägiger Stromausfall in Berlin auf diese Personen und die Einrichtungen?
•
Wie können die negativen Auswirkungen durch Vorbeugung minimiert werden?
Ziel dieser Arbeit ist das Entwickeln von Handlungsempfehlungen, die es ermöglichen,
die physische und psychische Gesundheit der Bewohner von Altenpflegeheimen und
deren Sicherheit und Versorgung während eines mehrtägigen Stromausfalls zu gewährleisten. Als Grundlage hierfür dienen das Aufzeigen und Analysieren von
Schwachstellen und Problemfeldern.
Die Eingrenzung des Themas auf Altenpflegeheime ist bedingt durch zwei Tatsachen.
Zum einen leben dort überwiegend pflegebedürftige Personen, die stets auf die Hilfe
Dritter angewiesen sind.
Weitaus gravierender ist jedoch, dass es keine Vorschriften, Verordnungen oder Gesetze gibt, die einen Notfallplan oder eine Notstromversorgung vorschreiben, wie es
beispielsweise für Krankenhäuser der Fall ist.
Um das Ausmaß der Schadenslage – mehrtägiger Stromausfall - festzustellen, ist es
notwendig, Einrichtungen, Bewohner und Mitarbeiter quantitativ zu erfassen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ausprägung der Pflegebedürftigkeit und die daraus resultierende Abhängigkeit der Bewohner.
Zu klären ist, ob die Einrichtungen auf ein solches Ereignis vorbereitet sind, ob bereits
Sicherheitsvorkehrungen bestehen und welches Ausmaß diese haben.
Um einen umfangreichen und repräsentativen Einblick in das Leben und Arbeiten in
Altenpflegeheimen zu bekommen, ist es notwendig unterschiedliche Einrichtungen in
verschiedenen Lagen zu untersuchen. Eine weitreichende Literaturrecherche, die Beobachtungen und die Gespräche mit der Leitung, des Personals und den Bewohnern
im Altenpflegeheim sind eine wichtige Voraussetzung, um Handlungsempfehlungen
zum Schutz der Bewohner und Mitarbeiter entwickeln zu können. Erfahrungen, die die
Experten in Krisen- und Notsituationen gesammelt haben, können für die Beantwortung der Fragestellungen von Bedeutung sein.
4
Hintergrund der Arbeit ist das Bundesforschungsprojekt TankNotStrom. Ziel dieses
Projektes ist, die Energie- und Kraftstoffversorgung von Tankstellen und Notstromaggregaten während eines mehrtägigen, flächendeckenden Stromausfalls in Berlin und
Brandenburg zu gewährleisten, um Versorgungsinfrastrukturen und damit die zivile
Bevölkerung zu schützen.7
7
Vgl.: TimeKontor AG (Hrsg.) Verbundprojektbeschreibung TankNotStrom, S.2.
5
1.2
Aufbau der Arbeit
Zu Beginn werden Begriffe erläutert und definiert die für die Arbeit relevant sind. Sie
geben Aufschluss darüber, wer „alt“ ist und was Pflegebedürftigkeit bedeutet. Des Weiteren werden die Unterschiede zwischen Altenpflegeheimen und anderen Altenwohneinrichtungen aufgezeigt und die Bedeutung des Demographischen Wandels erklärt.
Im nächsten Kapitel werden die Altenpflegeheime in Berlin beschrieben. Es wird dargestellt, welche Unterschiede es gibt, was den Bewohnern von Altenpflegeheimen geboten wird und warum mehr Frauen in Altenpflegeheimen leben als Männer. Die Bedeutung und die Häufigkeit von dementiellen Erkrankungen werden erklärt.
Im nächsten Schritt werden die Hintergründe zur Auswahl der Methode der Experteninterviews dargestellt. Die Experten werden vorgestellt und die Vorgehensweise und die
Ergebnisse der Befragungen erläutert.
Das fünfte Kapitel stellt einen Tagesablauf in einem Altenheim dar. Dieser wird anhand
eines Szenarios beschrieben, welches beschreibt wie eine Bewohnerin einen normalen
Tag erlebt, welche Mahlzeiten sie zu sich nimmt, mit welchen Personen sie Kontakt hat
und welche Fortbewegungsmöglichkeiten sie innerhalb des Gebäudes hat.
Im sechsten Kapitel wird durch Szenarien aufgezeigt, was in Berlin in der ersten Zeit
eines mehrtägigen Stromausfalls passiert und wie sich ein Energieausfall auf ein Altenpflegeheim im zeitlichen Verlauf auswirkt.
Das siebte Kapitel beinhaltet Handlungsempfehlungen für Altenpflegeheime. Es werden die präventiven Maßnahmen beschrieben, die Altenpflegeheime ergreifen sollten,
um sich auf die Schadenslage vorzubereiten und während eines mehrtägigen Stromausfalls die Versorgung und den Schutz der Bewohner gewährleisten zu können.
Das letzte Kapitel stellt einen Überblick über die Ergebnisse der Arbeit dar und zeigt
auf, was weiterhin nötig wäre, um alle Altenpflegeheime Berlins vor den negativen
Auswirkungen eines mehrtägigen Stromausfalls zu schützen.
6
2
Begriffliche, rechtliche und statistische Grundlagen
Zunächst werden die Begriffe definiert, aus denen sich „Altenpflegeheim“ zusammensetzt. Alt, Pflege und Heim. Danach wird erklärt, wer pflegebedürftig ist, was zur Pflegebedürftigkeit führt und welche Kriterien entscheidend sind, damit Personen den drei
Pflegestufen zugeordnet werden können. Als Grundlage dient das Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), in der Fassung vom 26.05.1994,
zuletzt geändert am 30.07.2009.
2.1
Was bedeuten Alter, altern und Alt sein?
In der Medizin wird das Thema „Alter“ immer wichtiger. Es gibt ein medizinisches Teilgebiet, die Geriatrie8 oder Altersheilkunde genannt, das sich mit Menschen im höheren
Lebensalter und deren Betreuung und Versorgung beschäftigt. In der Wissenschaft gibt
es den Bereich der Gerontologie,9 die Alterskunde. Dieser Bereich ist die Lehre vom
alten Menschen und befasst sich mit der Erforschung der altersbedingten Veränderungen der Gesamtperson. Da es diese Gebiete gibt, die sich ausführlich mit dem Alter,
dem Altern und dem Alt sein beschäftigen, gibt es reichlich Literatur, die „das Alter“
beschreibt. Ob ein Mensch jedoch als >alt< bezeichnet werden kann, hängt von vielen
Faktoren ab.
Chronologisches oder kalendarisches Alter
Das chronologische oder auch kalendarische Alter beschreibt die gelebten Jahre ab
dem Geburtsdatum einer Person. Das chronologische Alter erlaubt Rückschlüsse über
einschneidende Ereignisse im Leben des Einzelnen, wie Krieg/e oder die Wende. Des
Weiteren spielt das chronologische Alter eine wichtige juristische Rolle beispielsweise
im Bezug auf die Schulpflicht, die Volljährigkeit oder den Rentenanspruch.
Biologisches Alter
Das biologische Alter beschreibt den individuellen körperlichen Zustand im Vergleich
mit dem Durchschnitt. So kann das biologische Alter von gleichaltrigen Menschen sehr
unterschiedlich sein. Das Altern im biologischen Sinn kann beispielsweise bedeuten,
alterstypische Krankheiten zu bekommen. Typisch hierfür sind Gicht, Rheuma oder
Osteoporose, da das Knochengerüst mit der Zeit an Elastizität verliert.
8
Vgl.: Medizinlexikon im Internet: http://www.imedo.de/medizinlexikon/geriatrie (Letzter Stand:
07.11.2010, 10:00)
9
Vgl.: Medizinlexikon im Internet: http://www.imedo.de/medizinlexikon/gerontologie (Letzter
Stand: 07.11.2010, 10:10)
7
Psychologisches Alter
Das psychologische Alter steht nicht in direkter Verbindung mit anderen Aspekten des
Alters. Als psychisch jung geblieben wird jemand bezeichnet, der offen für Neues ist,
Interesse an Veränderungen hat, also wach und aufmerksam der sich wandelnden
Bevölkerung gegenüber steht und beispielsweise die Jugend toleriert. 10
Der Begriff „Alt-Sein“, so wie er in dieser Arbeit verwendet wird, ist nur bedingt abhängig vom chronologischen Alter. Vielmehr geht es um den Bedarf an Hilfe und Pflege,
die eine Person im Alter benötigt. Mit dem steigenden Alter in Jahren steigt auch das
Risiko auf Pflege angewiesen zu sein durchschnittlich an. Doch nicht jeder Mensch ist
mit zunehmender Anzahl von Lebensjahren gleichermaßen auf Hilfe angewiesen. Der
Beginn des Alterns kann nicht auf eine Konstante festgelegt werden, einigen Menschen bleibt ihre physische und psychische Fitness bis ins hohe Alter erhalten. Andere
wiederum erreichen ein hohes biologisches und psychologisches Alter bereits, wenn
sie vom chronologischen Alter noch zur erwerbsfähigen Bevölkerungsgruppe (Alter von
20-65 Jahren) gehören und bedürfen zu diesem Zeitpunkt der Hilfe Dritter.
Durch den medizinischen Fortschritt und die sichere Versorgung mit gesunden Lebensmitteln versterben immer weniger Personen an einem akuten Krankheitsfall, und
die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt.
Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mädchens bei der Geburt lag 2007 bei
81,8 Jahren, bei einem Jungen bei 76,2 Jahren. Für das Jahr 2030 wird die Lebenserwartung eines neugeborenen Mädchens auf 85,5 Jahre prognostiziert, die eines Jungen auf 80,6 Jahre.11
Zu bedenken ist, dass trotz des medizinischen Fortschritts das Risiko, eine chronische
Krankheit zu bekommen, ab einem Alter von 50 Jahren linear ansteigt.12
10
Vgl.: Internetportal für Altenpflegeschüler: http://www.altenpflegeschueler.de/psychologiesoziologie/altersaspekte.php (letzter Stand: 05.11.2010, 17:15)
11
Vgl.: Vgl.: Statistische Ämter des Bundes und des Landes (Hrsg.), Wiesbaden 2007; Demographischer Wandel in Deutschland – Heft 1 – Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im
Bund und in den Ländern. S.3, 10, 13.
12
Vgl.: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.), Berlin 2009, Alt und behindert Wie sich der demografische Wandel auf das Leben von Menschen mit Behinderung auswirkt,
S.6.
8
2.2
Was ist Pflege, stationäre Pflege und Pflegebedürftigkeit
Stationäre / teilstationäre Pflege nach §§ 41, 42 SGB XI
Das Gesetz unterscheidet zwischen vollstationärer Dauerpflege und der Pflege ausschließlich tagsüber oder nachts, der teilstationären Pflege. Der Anspruch auf vollstationäre Dauerpflege begründet sich, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht
möglich ist oder im Einzelfall nicht in Betracht kommt. Anspruch auf teilstationäre Pflege haben Pflegebedürftige, wenn häusliche Pflege nicht im erforderlichen Maße sichergestellt werden kann.13 Die dritte Variante der stationären Pflege ist die Kurzzeitpflege, diese wird im Folgenden erläutert.
Vollstationäre Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI
Falls die häusliche Pflege zeitweise (noch) nicht erbracht werden kann und die teilstationäre Pflege nicht ausreicht, entsteht der Anspruch auf vollstationäre Kurzzeitpflege.
Pflegebedürftigkeit nach § 14 Abs. 1 SGB XI
Als pflegebedürftig werden Personen bezeichnet, die für voraussichtlich mehr als
sechs Monate wegen einer Krankheit oder Behinderung (seelisch, körperlich, geistig)
für die Verrichtung und den Ablauf des alltäglichen Lebens Hilfe in erheblichem oder
höherem Maße benötigen.
Es gibt drei Stufen der Pflegebedürftigkeit, jede pflegebedürftige Person ist nach § 15
SGB XI eine dieser drei Pflegestufen zuzuordnen, um nach § 14 SGB XI als pflegebedürftig zu gelten.
13
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege, S. 4.
9
Pflegestufen nach § 15 SGB XI
Der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen zuzuordnen, die mindestens einmal täglich bei zwei Verrichtungen der Kategorien Körperpflege, Ernährung
oder Mobilität Hilfe benötigen. Zusätzlich müssen die Personen mehrmals in der Woche auf Hilfe in der hauswirtschaftlichen Versorgung angewiesen sein.
In der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind die gleichen Hilfen erforderlich
wie in Pflegestufe I, jedoch müssen die Personen anstatt einmal täglich dreimal täglich,
zu verschiedenen Tageszeiten Hilfe bei der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität
benötigen.
Der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind Personen zuzuordnen, die ebenfalls mehrfach in der Woche auf Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung angewiesen sind. In den Kategorien – Körperpflege, Ernährung oder Mobilität – benötigen
die Personen rund um die Uhr Hilfe.
Krankheiten oder Behinderungen nach § 14 Abs. 2 SBG XI
‐
Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat
‐
Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane
‐
Störungen des zentralen Nervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen.
„Hilfe“ besteht aus der Unterstützung, der teilweisen oder vollständigen Übernahme der
Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens und der Beaufsichtigung oder der Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen.
Die Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens nach § 14 Abs. 4 SBG XI
Körperpflege: Waschen, Duschen, Baden, Zahn- und Haarpflege, Rasieren und die
Darm- oder Blasenentleerung
Ernährung: mundgerechtes Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung
Mobilität: das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung
Hauswirtschaftliche Versorgung: Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder das Heizen der Räume
10
2.3
Erklärung und Abgrenzung verschiedener Heimarten und Wohnformen für alte Menschen14
Der gängigste Begriff für Einrichtungen für alte Menschen ist „Altenheim“ oder auch
„Altersheim“. Allerdings gibt es einige Unterschiede bei den Formen des institutionalisierten Wohnens wie auch bei deren Bezeichnung. Die Unterschiede liegen bei den
Serviceangeboten, der Leitungsform, dem Personal, den baulichen Eigenschaften sowie auch bei der Größe und der Trägerschaft der Einrichtungen. Ebenfalls sind die
Unterschiede der physischen und psychischen Verfassung der Bewohner von Bedeutung bei der Differenzierung der Wohnformen. Die verschiedenen Einrichtungen bieten
ein gestaffeltes Angebot unterstützender sozialer Dienste, von kleinen Hilfen im Alltag
bis zur Intensivpflege. Unterschieden werden:
Altenwohnheime
In Altenwohnheimen steht das Wohnen im Vordergrund. Die Bewohner leben in ihren
eigenen Ein- bis Dreiraumwohnungen, die den Bedürfnissen alter Menschen entsprechen. Sie führen weitestgehend ihren eigenen Haushalt. Versorgungsangebote, Betreuung und Hilfeleistungen werden im gewissen Maße angeboten.
Altenheime
I. d .R. leben die Bewohner in kleinen Einraumwohnungen oder in wohnungsähnlichen
Einzel- oder Zweibettzimmern, (selten in Mehrbettzimmern) denen ein eigener Sanitärbereich angeschlossen ist. Die Bewohner sind nicht mehr in der Lage einen eigenen
Haushalt zu führen und können dort versorgt und betreut werden.
In Altenwohnheimen und Altenheimen leben hauptsächlich ältere Menschen, die keine
Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten.15
14
Die ambulante Pflege ist für die vorliegend Arbeit nicht relevant und wird aus diesem
Grunde nicht genannt.
15
Vgl.: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2008, Pflegestatistik 2007 - Pflege im Rahmen der
Pflegeversicherung Deutschlandergebnisse, S. 7.
11
Pflegeheime:
Pflegeheime sind Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Menschen von ausgebildeten Pflegefachkräften gepflegt werden. Die Personen können dort ganztägig (vollstationär) oder nur am Tage oder nur nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt
werden.16 In Pflegeheimen leben nicht nur alte pflegebedürftige Menschen, sondern
auch junge pflegebedürftige Personen (i. d. R. volljährig). Die Personen, die in einem
Pflegeheim untergebracht und verpflegt werden, sind durch einen Versorgungsvertrag
(§ 72 SGB XI) zur voll-, teilstationären Pflege und /oder Kurzzeitpflege zugelassen oder
besitzen Bestandsschutz (§ 73 Abs. 3, 4 SGB XI).
Altenpflegeheime:
Altenpflegeheime beruhen auf den gleichen Rechtsgrundlagen wie Pflegeheime, können aber noch andere Leistungen aufgrund anderer Rechtsgrundlagen anbieten
(Bspw.: nach SBG V). In Altenpflegeheimen leben die Bewohner in Einzel- oder Zweibettzimmern (sehr selten in Mehrbettzimmern) mit Wohncharakter. Es steht ihnen rund
um die Uhr eine Betreuung und medizinische Versorgung zur Verfügung. Des Weiteren
können auch alte Personen zum betreuten Wohnen in der gleichen Einrichtung untergebracht werden. Hier spricht man von mehrgliedrigen Einrichtungen.
Mehrgliedrige Alteneinrichtungen:
Mehrgliedrige Alteneinrichtungen sind Kombinationen aus zwei der bereits beschriebenen Einrichtungen. Meistens ein Altenwohnheim oder ein Altenheim mit einem Pflegebereich. Sie können neben den Leistungen nach dem SGB XI auch aufgrund weiterer
Rechtsgrundlagen (Bspw.: SGB V)17 Leistungen bieten.18 Diese Einrichtungsart gibt es
um Menschen einen Umzug in ein Pflegeheim zu ersparen, wenn sie während ihres
Aufenthaltes in einem Altenheim oder Altenwohnheim pflegebedürftig werden.
16
Vgl.: Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung, 26.05.1994; §
71 (2) (Pflegeeinrichtungen)
17
Leistungen nach dem SGB V sind Leistungen nach der Gesetzlichen Krankenversicherung
18
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege, S. 4.
12
Seniorenstifte und Wohnstifte:
Eine Besonderheit von Stiften ist, dass sie privat finanziert und nur für finanzstarke
Bewohner bezahlbar sind. Altenwohnstifte bieten eine gehobene Versorgung, Betreuung und Pflege von alten Menschen. Jedem Bewohner stehen ein eigenes Zimmer
oder eine kleine Wohnung sowie gemeinschaftliche Räumlichkeiten zur Verfügung.
Meistens ähneln Seniorenwohnstifte einem Hotel.
Heutzutage sind die Grenzen zwischen den Einrichtungsformen nicht mehr starr, und
es ist nicht einfach, die Einrichtungsform anhand ihres Namens zu erkennen. Begriffe
wie „Seniorenresidenz“, „Seniorendomizil“, „Seniorenzentrum“, „Pflegeresidenz“ etc.
bezeichnen ebenfalls die genannten Einrichtungen. Die Literatur beschreibt diese Tatsache damit, dass ein „Altersheim“ noch immer mit einem Ort für abgeschobene Alte in
Verbindung gebracht wird und die Umbenennung ein Versuch zum Imagewechsel war
und ist. Durch das Entstehen des heutigen Heimgesetzes (HeimG) aus dem früheren
„Gesetz über Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime“ ist die gesetzliche Regelung der Begriffe weggefallen. Im HeimG werden lediglich die Anforderungen an Einrichtungen behandelt, damit sie als „Heim“ gelten.19 Das Wegfallen der Bezeichnungen
hatte zur Folge, dass Unklarheiten darüber entstanden, für welche Einrichtungen die
Heimaufsicht20 zuständig ist. So kam es, dass in vielen Kommentaren und in der Literatur zu §1 HeimG die Definition der Begriffe und die dahinter stehende Staffelung wieder
Einzug erhielten.
19
20
Vgl.: Heimgesetz (HeimG), 07.08.1974; § 1 (Anwendungsbereich)
Die Ordnungsaufgaben der Heimaufsicht werden in Berlin vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wahrgenommen.
13
2.4
Der demographische Wandel und seine Auswirkungen auf Altenpflegeheime in Berlin 21
Durch die sinkende Geburtenrate und die steigende Lebenserwartung, erhöht sich das
Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung. Dieser Wandel in der Altersstruktur wird
im Folgenden statistisch dargestellt. Als Grundlage dient der statistische Bericht über
ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste und Pflegeheime) in Berlin. Der Bericht ist eine statistische Datenbasis, die Informationen über die Pflegeeinrichtungen, deren Personal und die zu betreuenden Personen enthält. Der statistische
Bericht dient dazu, die Entwicklung in Angebot und Nachfrage von pflegerischen Leistungen rechtzeitig zu erkennen und auf Veränderungen eingehen zu können. Die Statistik wird seit 1999 als Bestandserhebung zweijährlich durchgeführt. Stichtag ist der
15. Dezember.22
Die Alterung der Bevölkerung wird mit dem Altenquotienten berechnet. Der Altenquotient sagt aus, im welchem Verhältnis die Gruppe der Personen im erwerbsfähigen Alter
(20-65 Jahre) zu den über 65 jährigen steht. Im Jahr 1991 kamen 24 Personen über 65
Jahre auf 100 Personen zwischen 20 und 65 Jahren. Im Jahr 2005 lag dieser Altenquotient bereits bei 32. Nach den Hochrechnungen der statistischen Ämter des Bundes
und der Länder werden im Jahre 2020 39 Personen über 65 Jahre der erwerbsfähigen
Bevölkerung gegenüberstehen. Im Jahre 2030 werden es 52 Personen sein. Im Jahre
2005 kamen drei Personen im erwerbsfähigen Alter für eine Person im Rentenalter auf,
im Jahre 2030 werden es nach den Hochrechnungen bereits nur noch zwei Personen
sein.
Die Personengruppe der heute unter 20 Jährigen ist bereits stark vom Geburtenrückgang betroffen. Im Jahre 2005 war ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung mit 20% noch
leicht über dem Anteil der Personen mit 65 Jahren und älter. Im Jahre 2030 wird ihr
Anteil nur noch 16% betragen und der der über 65 Jährigen bei 29% liegen.23
21
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege.
22
In die Erhebung wurden nur die Personen einbezogen, die Pflegegeld erhalten oder
von einer Pflegeeinrichtung ambulant oder stationär betreut werden und Leistungen
nach dem SGB XI erhalten.
23
Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft
1, 2007 S.23/24.
14
Diese Entwicklung hat bereits Auswirkungen auf die Altenpflegeheime. Deutlich zu
sehen ist dies bei dem Vergleich der Statistischen Berichte der Jahre 2005, 2007 und
2009 über ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen vom Amt für Statistik BerlinBrandenburg.
Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Altenpflegeheime in Berlin, der Pflegeheime24, die an eine Wohneinrichtung (Altenheim, Altenwohnheim, betreutes Wohnen)
angebunden sind und die Anzahl der Pflegeplätze, die insgesamt für ältere Menschen
zur Verfügung stehen in den Jahren 2005, 2007 und 2009
Pflegeheime -für ältere Menschen
-in Anbindung an Altenwohneinrichtung
-verfügbare Plätze für ältere Menschen
2005
2007
2009
317
326
342
26
46
46
28.800
30.653
31.954
Tabelle 1: Anzahl an Pflegeheimen/Pflegeheimplätzen für Alte in Berlin.
25
24
Wenn der Begriff Pflegeheime verwendet wird, handelt es sich um Pflegeheime, die
nicht explizit für alte Personen bestimmt sind.
25
Vgl.: Statistische Berichte K VIII, ambulante und stationäre Pflege. Bericht 2005 S.14/16,
Berichte 2007/2009 (Stichtag 15.12.) S.15/17.
15
3
Die Altenpflegeheime in Berlin
Wie schon aufgezeigt, steigen die Anzahl der pflegebedürftigen Alten und die der Altenpflegeheime in Berlin. Im Vergleich zu ambulant und zu Hause gepflegten Personen, wächst die Anzahl der älteren Heimbewohner verhältnismäßig schnell. Die Zahl
der zu Hause Gepflegten nimmt stetig ab und die Zahl der ambulant Gepflegten wächst
sehr langsam. Altenpflegeheime werden in Zukunft für viele Menschen, die von Angehörigen nicht gepflegt werden können, ein letztes Heim bieten. Die Bereitschaft und die
Möglichkeiten Angehörige zu Hause zu pflegen gehen stetig zurück.
In Berlin gibt es 378 Pflegeheime, von denen 342 Altenpflegeheime sind.26
Im Endeffekt gibt es drei verschiedene Arten von Altenpflegeheimen. Es gilt für jede
Person individuell, nach der besten Art von Heim zu suchen. Drei Fragen sind dabei
essentiell:
•
Städtisch oder ländlich gelegen?
•
Klein oder groß?
•
Religiös neutral oder konfessionell?
In Berlin gibt es nur wenige Pflegeheime, mit mehr als 200 Pflegeplätzen. Große Altenpflegeheime (150 Pflegeplätze und mehr), bieten meist ein größeres Angebot an
Betreuungs- und Freizeitmöglichkeiten, verbreiten aber auch selten emotionale Wärme. Man lebt dort unbeobachteter als in kleinen Heimen. Kleinere Heime bieten oft
mehr Geborgenheit, allerdings ist auch die soziale Kontrolle ausgeprägter.27 Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Heime in gestaffelten Größenklassen.
26
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege, S. 16.
27
Vgl.: Franke, Konrad, München 2008;. Gut Leben im Heim – unsere Alten- und Pflegeheime
sind viel besser als ihr Ruf. S. 55-58.
16
Anzahl Pflegeplätze
Anzahl Pflegeheime
1-50
161
51-100
111
101-150
82
151-200
17
201-300
5
301 und mehr
2
Tabelle 2: Anzahl der Pflegeheime unterteilt in Größenklassen28
Die Altenhilfe ist ein Bereich der Wohlfahrtspflege. Pflegeeinrichtungen sind einem
Träger, dem Betreiber, zuzuordnen. Die Träger der Einrichtungen sind die Arbeitgeber
und sorgen für finanzielle Mittel. Es gibt verschiedene Arten von Trägern.
Private Träger verfolgen keine gemeinnützigen, sondern betriebswirtschaftliche Ziele
und kommerziellen Profit.
Freigemeinnützige Träger sind Träger der freien Wohlfahrtspflege. Sie verfolgen keine eigenwirtschaftlichen, sondern gemeinnützige Ziele. Zu den freien Trägern gehören
religiöse (z.B. Caritas, Diakonie) und religiös neutrale Träger (z.B. die Arbeiterwohlfahrt
(AWO) und das Deutsche Rote Kreutz (DRK)).
Öffentliche Träger sind staatliche Träger, also auch öffentliche Einrichtungen und
Kommunen.29
Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der Pflegeheime unterteilt nach Trägerart.
Insgesamt
378
Private Träger
181
Freigemeinnützige Träger
188
Öffentliche Träger
9
Tabelle 3: Träger der Pflegeheime in Berlin mit Anzahl der Pflegeheime30
28
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege, S.16.
29
Vgl.: Glossar eines Internetportals für Betreuung und Pflege:
http://www.betreut.de/pflege/glossar/t/traeger.html (letzter Stand: 4.12.2010 14:25)
17
Dass die öffentlichen Träger im Vergleich nur sehr wenige Pflegeheime betreiben, liegt
daran, dass der Staat subsidiär einschreitet., also vorrangig Hilfe zur Selbsthilfe bieten
soll. Mit der Übernahme von Aufgaben (Betrieb oder Gründung von Pflegeheimen) wird
erst begonnen, wenn es privaten oder freigemeinnützigen Trägern nicht oder nicht
mehr möglich ist. Es gibt noch einen sehr geringen Anteil an Stiftungen, die ohne Gewinnabsicht Pflegeheime betreiben.
30
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010; Statistischer Bericht K VIII
1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege. S. 16.
18
3.1
Wer wohnt in Altenpflegeheimen?
Fast jeder Mensch lebt in der Hoffnung, ein langes, glückliches und gesundes Leben
zu führen. Viele Menschen bekommen mit dem alt werden gesundheitliche Probleme,
und der Alltag wird zur Herausforderung oder Überforderung. Es ziehen so gut wie
keine „rüstigen“ Rentner in Altenpflegeheime, wenn sie sich noch gut im Alltag zurecht
finden und keiner Hilfe bedürfen. In Altenpflegeheimen leben überwiegend Menschen,
die körperlich und/oder geistig zum Teil sehr stark beeinträchtigt sind. Sie können einige Verrichtungen des täglichen Lebens keinesfalls selber meistern und ihre Angehörigen sind nicht in der Lage sie zu betreuen und zu pflegen.
Gerade bei einer dementiellen Erkrankung im Alter ist eine Pflege durch Angehörige oft
nicht möglich. Die Demenz ist die häufigste Ursache zur Einweisung in ein Pflegeheim.
Wenn jemand an Demenz erkrankt ist, nehmen die Gedächtnisleistung und das Behalten und Wiedergeben von kürzlich erfahrenen gedanklichen Inhalten ab. Ebenfalls gehen das Denkvermögen und die Fähigkeit sich zu orientieren verloren. Im weiteren
Verlauf verändert sich die Persönlichkeit, und die Fähigkeit zu sprechen nimmt ab. Je
älter eine Person chronologisch wird, desto höher ist das Risiko an Demenz zu erkranken, wie die folgende Tabelle zeigt.31
Jahre
Risiko an Demenz zu erkranken
65-69
ca. 2%
80-84
10-17%
90 und älter
über 30%
Tabelle 4: Das Risiko verschiedener Altersgruppen an Demenz zu erkranken32
31
Vgl.: Informationsportal Gesundheit und Medizin:
http://www.netdoktor.de/Krankheiten/Demenz/ (letzter Stand: 16.12. 2010. 19:10)
32
Vgl.: Deutsche Alzheimer Gesellschaft (Hrsg.) Berlin, August 2010; Selbsthilfe Demenz - Das
Wichtigste 1 - Die Epidemiologie der Demenz, S.1.
19
Exkurs: Demenz
Dementielle erkrankte Personen zählen nach § 45a SGB XI zu Personen mit „erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf.“ Sie sind dauerhaft und erheblich in ihrer Alltagskompetenz beeinträchtig. Für die Bewertung, ob diese Beeinträchtigung zutrifft,
sind nach § 45a Abs. 2 SGB XI folgende Kriterien maßgebend33:
•
„unkontrolliertes Verlassen des Wohnbereiches (Weglauftendenz)
•
Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen
•
unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen
•
tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation
•
im situativen Kontext inadäquates Verhalten
•
Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse
wahrzunehmen
•
Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder
Angststörung
•
Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses,
herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von
sozialen Alltagsleistungen geführt haben
•
Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus
•
Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren
•
Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen
•
ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten
•
zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression“
Ein Teil der deutschen Bevölkerung wurde bisher selten im Zusammenhang mit Pflege
im Alter genannt, obwohl sie zum Anstieg der pflegebedürftigen Alten in Altenpflegeheimen beiträgt. – Lebenslang geistig oder mehrfach behinderte Menschen- Jeder dieser Personengruppe, der heute über 63 Jahre alt ist, hat das Zeitalter der Nazis überlebt, ist der „Vernichtung unwerten Lebens“ entgangen und wird in naher Zukunft das
33
Vgl.: Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung, 26.05.1994, §
45 a (Berechtigter Personenkreis).
20
Rentenalter erreichen. Die Eltern der betroffenen Personen sind meistens nicht mehr in
der Lage eine ausreichende Betreuung zu gewährleisten.34
Alters- und Bewohnerstruktur der Altenpflegeheime
Die Altersstruktur in Altenpflegeheimen kann unterschiedlich sein. Allgemein ist die
Personenanzahl der in Pflegeheimen Wohnenden in der Altersgruppe der 80-90 jährigen am höchsten, wie die folgende Tabelle zeigt.
Alter/Geschlecht
Personenanzahl
60-65
638
65-70
1.418
70-75
2.216
75-80
2.732
80-85
4.452
85-90
6.455
90-95
3.763
95 und älter
2.977
Männer
6.588
Frauen
19.425
Insgesamt
24.651
Tabelle 5: Pflegebedürftige Personen35 ab 60 Jahre in vollstationärer Pflege
(Stichtag 15.12.2009).36
34
Vgl.: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.) Berlin, März 2009; Alt und behindert - Wie sich der demografische Wandel auf das Leben von Menschen mit Behinderung auswirkt, S.4/5.
35
Personen sind Leistungsempfänger nach dem Pflegeversicherungsgesetz in vollstationärer
Dauer- oder Kurzzeitpflege. Im Folgenden weiterhin „Personen“ genannt.
36
Vgl. Statistischer Bericht K VIII 1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege. (Stichtag der Erhebung: 15.12.2009) S. 6.
21
Die nächste Tabelle zeigt, wie viel Prozent der über 60 jährigen pflegebedürftigen Personen der jeweiligen Pflegestufe zugeordnet sind.
Pflegestufe
Personenzahl
Pflegestufe I
37,7 %
Pflegestufe II
40,96%
Pflegestufe III
29,69%
der insgesamt
24.651 Personen
Tabelle 6: Prozentuale Einteilung pflegebedürftiger Alter Menschen in Pflegestufen.37
Deutlich wird, dass mehr als doppelt so viele über 60 jährige, pflegebedürftige Frauen
in Pflegeheimen leben wie Männer (s. Tabelle 5). Das geht auf die Tatsache zurück,
dass es mehr Frauen als Männer gibt, die ein hohes Alter erreichen. Daraus ergibt
sich, dass Frauen mit ansteigendem Alter zunehmend verwitwet sind. Männer hingegen leben heutzutage bis ins sehr hohe Alter überwiegend noch in der Ehe. Im Falle
einer Pflegebedürftigkeit des Mannes ist in den meisten Fällen die Ehefrau bereit, die
Pflege zu übernehmen. Wird die Frau pflegebedürftig, so ist sie zu einer nicht sehr geringen Wahrscheinlichkeit bereits verwitwet und wird ambulant bzw. von Angehörigen
gepflegt oder geht in ein Altenpflegeheim.38
37
Eigene Berechnung, Vgl. Statistischer Bericht K VIII 1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege.
S. 6/7.
38
Vgl.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Gender Datenreport –
Lebensformen von Männern und Frauen im Alter:
http://www.bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/4-Familien-und-lebensformen-von-frauen-undmaennern/4-8-lebensformen-von-frauen-und-maennern-im-alter.html (letzter Stand: 10.12.2010
09.05)
22
Die folgende Tabelle zeigt den Familienstand der Berliner Frauen und Männer ab 65
Jahren.
Männer
Frauen
Insgesamt
Insgesamt
283.300 (42,85 %)
377.800 (57,15 %)
661.200
Ledig
19.000 (40,7 %)
27.600 (59,3 %)
46.700
Verheiratet
210.300 (55,9 %)
166.600 (44,1 %)
376.700
Geschieden
26.700 (32,9 %)
54.700 (67,1 %)
81.200
Verwitwet
27.300 (17,5 %)
128.900 (82,5 %)
156.400
Tabelle 7: Familienstand Frauen und Männer ab 65 Jahre in Berlin
3.2
39
Personal in Altenpflegeheimen
In den Berliner Pflegeheimen arbeiten insgesamt 19.674 Menschen aus vielen Berufen, die sich in unterschiedliche Bereiche einteilen lassen. Die nachfolgende Tabelle
zeigt die prozentuale Verteilung der Mitarbeiter auf die verschiedenen Bereiche.
Personal insgesamt
19.674
Pflege und Betreuung
71,6%
Soziale Betreuung
3,7%
Zusätzliche Betreuung (§ 87b SGB XI)
3,2%
Hauswirtschaftsbereich
10,7%
Haustechnischer Bereich
2,3%
Verwaltung, Geschäftsführung 6,4%
Sonstiger Bereich
2,1%
Tabelle 8: Personal in Berliner Pflegeheimen in Prozent und nach Bereichen40
39
Vgl.: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Berlin, Dezember 2010; Statistischer Bericht
A I 11 – j / 09 Ergebnisse des Mikrozensus im Land Berlin 2009, S. 13.
40
Eigene Berechnung. Vgl. Statistischer Bericht K VIII 1 – 2j./09 Ambulante/Stationäre Pflege.
S. 19.
23
In Altenpflegeheimen werden meist viele Möglichkeiten geboten, um Bewohner zu beschäftigen. Neben beispielsweise Basteln oder Singen lesen in vielen Einrichtungen
ehrenamtlich tätige Personen den Bewohnern vor, oder lösen mit ihnen Kreuzworträtsel. Von Therapeuten werden Gespräche und zum Beispiel Musik- und Aromatherapien angeboten. In einigen Einrichtungen sind zusätzlich Zivildienstleistende tätig, die
sich um die Belange der Bewohner kümmern.
Ärzte kommen meist wöchentlich und nach Bedarf ins Haus.
24
4
Interviews und Gespräche mit Experten
4.1
Auswahl der Methode „Experteninterview“
Die Recherche nach vorhandener Literatur und verwertbaren Quellen zeigt, dass sehr
viele Schriften, Tabellen und Präsentationen für die Vorbeugung und den Umgang mit
medizinischen Notfällen und der Schadenslage Brand in Altenpflegeheimen existieren.
Im Gegensatz dazu gibt es keine repräsentativen Quellen über die Versorgung und
Sicherheit von Menschen in Altenpflegeheimen während eines mehrtägigen Stromausfalls.
Aus diesem Grunde wurden eigene Forschungen durchgeführt. Es wurden Experten –
Heimleitung, Bewohner und Mitarbeiter von Altenpflegeheimen – interviewt. Die Auswahl der Experten beruhte auf der Unterschiedlichkeit der Einrichtungen und der Bereitschaft der Personen zur Kooperation.
4.2
Ziel und Methodologie der Experteninterviews
Da verschiedene Heimleitungen interviewt wurden, und die Möglichkeit bestehen sollte,
die Aussagen gegenüberzustellen, konnten diese Gespräche nicht ausschließlich als
offene Interviews geführt werden.
Aus diesem Grunde wurden zunächst Fragen entworfen, deren Antworten die jeweilige
Einrichtung näher beschreiben sollten. Zudem wurden Probleme, die die Schadenslage
mit sich bringen könnte, und Fragen hierzu analysiert, die für das Interview relevant zu
sein schienen. Daraufhin wurde ein Gesprächsleitfaden konstruiert und mit verschiedenen Personen besprochen. Empfehlungen und Anregungen wurden umgesetzt und
eingearbeitet.
Die zu Rate gezogenen Personen waren mit der Thematik vertraut. Es handelte sich
um eine Professorin und Studenten des Vertiefungsgebietes „Krisenmanagement in
Berlin“ des Studiengangs „Sicherheitsmanagement“ an der Hochschule für Wirtschaft
und Recht Berlin (HWR). Die HWR ist Konsortialpartner des Projektes TankNotStrom.
Im Mittelpunkt des genannten Vertiefungsgebietes steht das Projekt TankNotStrom.
Das Ziel der eigenen Forschung war, Meinungen, Situationen und auch psychosoziale
Empfindungen der Experten qualitativ zu erheben. Weil zum Teil persönliche Fragen
gestellt wurden, musste eine vertrauensvolle Situation geschaffen werden. Um dieses
zu ermöglichen, wurde das persönliche Gespräch gewählt.
25
Die Methode der Gesprächsführung war ein problemzentriertes Interview, welches sich
durch die drei verwendeten Fragestile auszeichnet. Zu Gesprächsbeginn wurden allgemeine Einstiegsfragen zur Thematik gestellt, um herauszufinden welche subjektive
Bedeutung das Thema mehrtägiger Stromausfall in Berlin für den Gesprächspartner
hat und ob er dies für wichtig erachtet.
Weiterführend wurden die wesentlichen Fragen nach dem Interviewleitfaden gestellt.
Der dritte Fragestil besteht aus Ad-hoc-Fragen, die der Interviewer stellt, wenn sich
diese aus dem Gespräch ergeben und für das Interview oder die Thematik bedeutsam
sind.
Während der Befragung wurden von der Interviewerin Stichworte notiert und wesentliche Aussagen des Gespräches im Nachhinein schriftlich formuliert.41
4.3
Erläuterung der thematischen Komplexe des Interviewleitfadens42
Der Interviewleitfaden beginnt mit Fragen nach dem voraussichtlichen Befinden der
Heimleitung, der Bewohner und der Mitarbeiter während eines mehrtägigen Stromausfalls und die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Psyche.
Der zweite Fragenkomplex befasst sich mit der Anzahl der Bewohner und deren gesundheitlichen Zustand, dem Service der Einrichtung für die Bewohner, möglichen
Gemeinschaftsräumen und der Ausstattung der Zimmer.
Darauf folgen Fragen zur Notwendigkeit einer Notstromeinrichtung, ob eine vorhanden
ist, welche Bereiche und welchen Zeitraum diese abdeckt.
Der vierte Themenkomplex befasste sich mit der Art und dem Umfang der Haus- und
Sicherheitstechnik.
Danach folgen Fragen über die Verwaltung und nach dem Vorhandensein verschiedener Daten in Papierform.
Der sechste Komplex behandelte Fragen nach der Küche, der Wäscherei und der Vorratshaltung von Nahrungsmitteln, Getränken, medizinischen Versorgungsmitteln, Medikamenten und Verbrauchsmaterialien für die Hygiene.
Der Leitfaden endet mit Fragen zum Personal und zum möglichen Personalmanagement im Schadensfall.
41
Vgl.: Werner Stangls Arbeitsblätter: http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/FORSCHUNGSMETHODEN/ProblemzentriertInterview.shtml (letzter Stand:
03.01.2010, 12:14 Uhr)
42
Die Interviewleitfäden befinden sich im Anhang 10.3 und 10.4.
26
4.4
Vorstellung der der Interviewpartner und der jeweiligen Einrichtung
Da die Personen eine Anonymisierung von sich und ihren Einrichtungen wünschten,
werden die Einrichtungen im Folgenden „Haus A“ und „Haus B“ genannt und die jeweilige Heimleitung A oder B. Die Interviewpartner im Haus A waren die Heimleitung (A)
und eine Mitarbeiterin des zentralen Qualitätsmanagements. Im Haus B wurden zwei
Personen der Heimleitung (B) interviewt.
Haus A
Haus A ist ein relativ kleines Altenpflegeheim, in gehobener Wohnlage eines Berliner
Randbezirks. In der Einrichtung leben über fünfzig Bewohner in stationärer Dauerpflege. Alle drei Pflegestufen sind vertreten. Die Bewohner leben in Einzel- und Doppelzimmern im Erdgeschoss und zwei Obergeschossen. Jedes Zimmer ist möbliert, hat
einen Sanitärraum mit Dusche und WC. Kabel- und Telefonanschluss und sind vorhanden und jedes Zimmer ist mit dem hausinternen Notrufsystem ausgestattet. Haus A
hat eine interne Küche und eine interne Wascherei für die Bekleidung der Bewohner.
Es gibt einen Speisesaal, einen Garten und weitere Gemeinschaftsräume. Die Einrichtung hat eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), jedoch
keine Lebensmittelgeschäfte oder andere Läden in unmittelbarer Nähe.
Haus B
Haus B ist mit über 200 stationären Dauerpflegeplätzen ein großes Altenpflegeheim.
Auch in Haus B sind alle Pflegestufen vertreten. Die Einrichtung liegt innerhalb des
Berliner Rings. Die Anzahl der bewohnten Etagen geht über den vierten Stock hinaus.
Die Einzel- und Doppelzimmer sind möbliert, an den hausinternen Notruf angeschlossen, haben Kabel- und Telefonanschlüsse und der zugehörige Sanitärraum ist mit Dusche und WC ausgestattet. Es gibt Terrassen und wie in Haus A einen Speisesaal und
Gemeinschaftsräume. Auf jeder Etage gibt es einen Aufenthaltsraum für die Bewohner.
Die Küche und die Wäscherei sind hausintern. Es gibt eine sehr gute Anbindung an
den ÖPNV. Viele Lebensmittelgeschäfte und weitere Läden befinden sich in unmittelbarer Nähe.
4.5
Ergebnisse der Experteninterviews
Die Auswertung der Experteninterviews wurde auf die wichtigen und für die vorliegende Arbeit relevanten Aussagen beschränkt. Bei den Ergebnissen handelt es sich um
die Meinungen und Ansichten der Interviewpartner. In beiden Häusern ist kein Notfallplan für einen mehrtägigen Stromausfall vorhanden.
27
Haus A
Bewohner
Laut Aussage von A ist es keinem der Bewohner möglich, alleine zu laufen oder sich
anderweitig ohne Hilfe fortzubewegen. Viele der Bewohner sind bettlägerig. Es ist nicht
möglich dass Personen, die Zimmer im ersten und zweiten Obergeschoss bewohnen,
ohne den Fahrstuhl oder Hilfe (z.B. tragen der Personen) in das Erdgeschoss gelangen
können. Im Erdgeschoss befindet sich unter anderem der Speisesaal.
A schätzt, dass ein Stromausfall auch über mehrere Tage keine psychischen Auswirkungen auf die Bewohner haben würde. Die meisten der derzeitigen Bewohner kennen
solche Situationen noch aus dem Krieg.
Personal
A meint, dass ein mehrtägiger Stromausfall eine große Herausforderung bedeuten
würde. A würde sofort einen Krisenstab einrichten, bestehend aus der Heimleitung,
dem Haustechniker, der Hausdame und einer Pflegefachkraft. Zudem würde A sofort
die Rationierung aller Lebensmittel, Verbrauchsmaterialien und –gegenstände anordnen.
Als großes Problem bezeichnet A die möglichen Reaktionen der Mitarbeiter. Aus Erfahrungen weiß A, dass die Mitarbeiter bei einer Schadenssituation sehr wahrscheinlich
nicht zum Dienst in das Altenpflegeheim am Rande Berlins kommen würden. Einige
Mitarbeiter haben Kinder, diese müsste sie im Schadensfall nach Hause gehen lassen.
Diese Umstände könnten zu einer personellen Unterversorgung führen.
Die Stammdaten aller Bewohner und Informationen über Medikationen haben die Mitarbeiter immer schriftlich zur Hand.
A selber ist nach eigener Aussage auf Notfälle und schwierige Lagen vorbereitet und
bleibt erfahrungsgemäß ruhig und strukturiert. In der Notsituationen würde sie auch
Nachbarn um Hilfe bitten.
Pflege, Versorgung und Betreuung
A meint, dass die Kernaufgaben, die Pflege und die psychosoziale Betreuung der Bewohner auch ohne Strom weitgehend möglich wären. Ab und an wird in Haus A ein
Sauerstoffgerät benötigt, das über Strom betrieben wird und keine Akkus besitzt. Darauf ist A während des Interviews aufmerksam geworden und wird dieses ändern.
28
Notstromversorgung
Haus A ist mit einem Notstromaggregat ausgestattet. A schätzte, dass eine Notbeleuchtung der Flure und die Küche, jedoch ohne Kühlung an die Notstromversorgung
angeschossen sind und dass das Notstromaggregat drei bis vier Stunden Strom erzeugen würde. Im telefonischen Nachgespräch stellte sich heraus, dass die Notstromversorgung der Notbeleuchtung mindestens eine Woche lang gesichert wäre.
Vorratshaltung
Lebensmittel
In Haus A sind immer drei komplette Malzeiten eingefroren. Das und die restlichen
Lebensmittel würden nicht für eine Woche reichen. Getränke sind ebenfalls nicht auf
Vorrat eingelagert.
Leuchtmittel und Getränke
Im Haus A sind immer mehrere Taschenlampen und passende Batterien vorhanden.
Allerdings befinden sich aufgrund des Brandschutzes keine Kerzen im Haus.
Bettlaken, Bettbezüge und Handtücher
Bettlaken, Bettbezüge und Handtücher werden von einer externen Wäscherei gewaschen, diese liefert jede Woche für sieben Tage saubere Wäsche. Wie viel an sauberen Bezügen und Handtüchern vorhanden ist kommt darauf an, wie lange die letzte
Lieferung bei Eintritt des Stromausfalls her ist.
Medikamente, medizinische Verbrauchsmaterialien
Medikamente und medizinische Verbrauchsmateriealien sind immer ausreichend vorhanden. Ein mehrtägiger Stromausfall könnte überbrückt werden.
Haus B
Bewohner
Laut Aussage von B ist es achtzig Prozent der Bewohner nicht möglich, alleine zu laufen oder sich anderweitig ohne Hilfe fortzubewegen. Viele der Bewohner sind bettlägerig. Die meisten Personen sind auf die Personenfahrstühle oder Hilfe angewiesen um
die Stockwerke zu wechseln. Allerdings bleiben die meisten Bewohner auch im Alltag
auf der Etage, auf der sie wohnen.
B meint, dass die meisten Bewohner mit einem mehrtägigen Stromausfall gut umgehen
können, schätzt aber auch, dass ein paar Bewohner ängstlich und mit Verwirrung reagieren.
29
Personal
Auch in Haus B würde ein Krisenstab eingerichtet werden. Die Schichten der Mitarbeiter würden von derzeit acht Stunden auf zwölf Stunden angehoben werden. B ist sich
sicher, dass die Mitarbeiter gut mit der Situation umgehen könnten. Einen Mangel an
Personal befürchtet B nicht. Aus Erfahrungen weiß B, dass das Personal in Schadenslagen zur Einrichtung kommen würde, auch wenn sie niemand benachrichtigt. B selber
würde ab dem Zeitpunkt des Ausfalls der Energie rund um die Uhr in der Einrichtung
bleiben.
Die Stammdaten aller Bewohner und Informationen über Medikationen haben die Mitarbeiter immer schriftlich zur Hand.
Pflege, Versorgung und Betreuung
B ist sich sicher, dass die Kernaufgabe der Pflege auch ohne Strom weiterhin ausgeführt werden kann.
Notstromversorgung
Haus B ist mit einem Notstromaggregat ausgestattet. Während des Interviews war sich
B nur bei der Notbeleuchtung der Flure sicher, dass diese an das Notstromaggregat
angeschlossen ist. Die Notstromversorgung würde wahrscheinlich vierundzwanzig
Stunden abdecken.
Vorratshaltung
Lebensmittel und Getränke
Die Vorräte an Getränken und an Lebensmitteln die nicht zubereitet werden müssen
würden sieben Tage reichen.
Leuchtmittel
Ein paar Taschenlampen sind vorhanden. Wie in Haus A, befinden sich in Haus B aufgrund des Brandschutzes keine Kerzen.
Bettlaken, Bettbezüge und Handtücher
Ein Vorrat für ca. sieben Tage ist immer vorhanden.
Medikamente, medizinische Verbrauchsmaterialien
Medikamente und medizinische Verbrauchsmateriealien sind immer ausreichend vorhanden. Ein mehrtägiger Stromausfall könnte ca. sieben Tage überbrückt werden.
30
4.6
Fazit
In beiden Häusern hängt das weitere Funktionieren von der Wasserversorgung ab.
Wenn diese nicht mehr funktionieren würde, könnten beide Altenpflegeheime einen
mehrtägigen Stromausfall nicht kompensieren. Es käme in beiden Einrichtungen nach
ein paar Stunden, spätestens nach einem Tag zu Problemen in der Hygiene und zu
starker Geruchsbildung.
Die Befragten waren nach den Interviews alle der Meinung, dass es wichtig wäre, dass
Heizung, Beleuchtung, Wasserpumpen und Küche an die Notstromversorgung angeschlossen sind, falls es zum Schadensfall kommt.
Keiner fand es notwendig, dass die Computer im Haus weiter betriebsbereit wären.
Die Interviews zeigten, dass es in den Einrichtungen keine Vorbereitung explizit für das
Eintreten eines Stromausfalls gibt. Keiner der Befragten hatte im Vorfeld der Gespräche darüber nachgedacht sich auf diesen Fall vorzubereiten.
31
5
Ein durchschnittlicher Tag in einem Altenpflegeheim
Im Folgenden wird dargestellt wie ein Tag einer alten Frau sein kann, die in einem Altenpflegeheim in Berlin lebt. Beobachtungen in Einrichtungen und Unterhaltungen mit
Bewohnern und Mitarbeitern von Altenpflegeheimen bilden die Basis um einen normalen Tag einer Bewohnerin realistisch zu beschreiben.
Frau Seidel43 ist heute schon früh aufgewacht. Es ist 6:14 Uhr am Montagmorgen. Sie
hört, wie die Frauen der Frühschicht ins Dienstzimmer der Pflegekräfte kommen. Das
Aufstehen aus dem Bett würde sie sehr viel Kraft kosten, sie wartet lieber auf Schwester Sabine, die ihr dann beim Aufstehen, Waschen, Zähneputzen, Anziehen und beim
Frisieren hilft. Wenn sie doch nur ein bisschen mehr Kraft in den Händen hätte, aber
die Arthrose44 hat die Arme und Finger fast unbeweglich gemacht. Um 6:30 Uhr kommt
Schwester Sabine. Diese Zeit hat sie sich ausgesucht, um geweckt zu werden. Früher,
als ihr Mann noch lebte, haben sie immer um kurz nach 7 Uhr gefrühstückt. Dieses
Ritual möchte sie nicht ändern, sie würde ohnehin um 6:30 Uhr aufwachen.
Nach der Grundpflege, um 07:15 Uhr klopft Jens, der Zivildienstleistende, an ihre Zimmertür und schiebt sie in dem Rollstuhl zum Speisesaal. Sie fühlt sich in den letzten
zwei Wochen wieder in der Lage dazu und kann durch die starken Schmerzmittel sogar
selber essen. Eine Küchenmitarbeiterin bringt ihr das schon aufgeschnittene Brötchen
und die Marmelade, die sie jeden Morgen isst, an den Tisch - zusammen mit dem
Früchtetee. Im Speisesaal gibt es von 6:00-9:30 Uhr Frühstück, auf den Zimmern auch
später, ganz individuell. Für das Brötchen braucht sie heute Morgen eine dreiviertel
Stunde. Aber sie ist schon 86 Jahre alt und meint, sie habe ja auch die Zeit. Sie bleibt
noch ein paar Minuten sitzen, bis Jens sie wieder abholt. Es ist mittlerweile 08:15 Uhr.
Im Fahrstuhl, der sie wieder in den dritten Stock bringt, treffen sie Herrn Jahnke und
einen ihr unbekannten Pfleger. Herr Jahnke ist einer der ältesten Bewohner im Heim,
er ist 94 Jahre alt. Herr Jahnke hatte bereits mehrere Schlaganfälle, sitzt im Rollstuhl
und kann sich kaum verständigen, ist aber oft mit im Garten oder auf der Terrasse,
wenn schönes Wetter ist. Er hat eine mobile Ernährungspumpe, die ihn über eine Sonde ständig mit Nahrung versorgt.
43
44
Personen und Namen entsprechen keiner reellen Person.
„Bei Arthrose (Gelenkverschleiß) nutzt sich die Knorpelschicht des Gelenks nach und
nach ab. Der Gelenkverschleiß zieht mit der Zeit auch Knochen, Muskeln, Gelenkkapsel
und Bänder in Mittleidenschaft. Die Abnutzungserscheinungen bei Arthrose sind
schmerzhaft und gehen weit über das altersbedingte Maß hinaus.“ aus:
http://www.netdoktor.de/Krankheiten/Arthrose/ (letzter Stand: 16.12.2010, 17.55)
32
Wieder im Zimmer setzt sich Frau Seidel in ihren Lieblingssessel, den sie aus ihrem
viel zu groß gewordenen Haus mitgebracht hat. Ein paar Schritte kann sie selbstständig gehen, sodass sie sich in ihrem 16 qm Zimmer und dem kleinen Badezimmer eigenständig bewegen kann. Jetzt sieht sie ihre Lieblingsserien im Fernsehen. Um kurz
nach 10:00 Uhr kommt eine Schwester und fragt, ob alles in Ordnung sei und ob sie
etwas Obst möchte. Sie bekommt einen geschnittenen Apfel, und die Schwester hilft
ihr beim Toilettengang. Dass sie trotz ihrer starken Einschränkungen keine Inkontinenz- Produkte benötigt, macht sie schon ein bisschen stolz, fast alle Bewohner tragen
sie. Manche Bettlägerige haben auch Katheter, sonst käme es noch mehr zum Dekubitus45. Zwar haben alle Bettlägerigen im Haus eine Wechseldruckmatratze46, das Pflegepersonal muss aber dennoch aufpassen, dass jeder genug bewegt wird. Mittlerweile
ist es kurz vor 12 Uhr, und Frau Seidel wird wie die andern Patienten, denen es möglich ist, zum Mittagessen in den Aufenthaltsraum der Etage gebracht. Man kennt sich,
sie sind nur 5 von 14 auf der Etage, die herkommen können. Das Essen wird auf dem
Teller gereicht und für die meisten klein geschnitten. Es gibt Rosenkohl, Kartoffeln und
weiches Rindfleisch mit Sauce. Wo Hilfe benötigt wird, wird geholfen. Alle bekommen
irgendwelche Medikamente gereicht. Langsam wird es ruhig im Heim; viele machen
Mittagsschlaf. Frau Seidel hat ihre Zimmertür offen stehen gelassen, und Schwester
Sabine ruft kurz: „Bis morgen, Frau Seidel“, als sie kurz vor halb drei an ihrem Zimmer
vorbei Richtung Feierabend geht. Von 14.45 bis 15:15 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen,
für Frau Seidel heute auf der Terrasse, wo sie sich mit ein paar Bewohnern unterhält.
Von den Vieren sind drei ebenfalls auf einen Rollstuhl angewiesen, eine Bewohnerin
hat derweil auf ihrem Rollator Platz genommen, die Sitzfläche ist nicht so hoch, von
dort kann man gut wieder aufstehen. Wie jeden Nachmittag sieht man Ärzte, Ergotherapeuten und andere Leute durch das Haus gehen. Auch Frau Seidel wird zur Gruppengymnastik eingeladen, sie nimmt aber lieber das Angebot einer ehrenamtlich tätigen Frau wahr, die, wie jeden Montag, in einem der Therapieräume vorliest. Frau Seidels Augen sind so schlecht geworden, dass es zu anstrengend wäre, ein Buch zu
lesen und es zu halten, wäre fast unmöglich.
45
Dekubitus heißt Wundliegen. Das Wundliegen entsteht, wenn eine bettlägerige Person
lange nicht bewegt wird und lange zu viel Druck auf einer Stelle der Haut ist. Zunächst
kommt es zur Rötung der Haut, dann zur Blasenbildung, später stirbt das Gewebe ab.
Vgl.: http://www.onmeda.de/krankheiten/dekubitus.html (letzter Stand: 19.12.2010 17:50)
46
„Wechseldruckmatratzen bestehen aus verschieden angeordneten Luftkissen. Diese
werden abwechselnd mit Luft aufgepumpt. Dadurch wird eine mehrfach stündlich wechselnde Druckentlastung geboten.“ aus: http://www.dekubitus.de/dekubitusprophylaxehilfsmittel.htm (letzter Stand: 19.12.2010 17:45)
33
Um 19:00 Uhr nimmt sie das Abendbrot zu sich und ärgert sich über den Zivildienstleistenden. Eigentlich schaut sie um diese Zeit schon ihre Serie, aber er hat sie zu spät
abgeholt, sie musste erst eine Schwester rufen, die ihm Bescheid gab, jetzt verpasst
sie bestimmt viel. Um 20.30 Uhr ist noch ein Zusammentreffen im Speisesaal zum gemeinsamen Singen, heute möchte Sie aber nur noch in Ihren Sessel, fernsehen und
früh Schlafen gehen.
Einige Menschen, die ihr Leben lang ihre Tage im gleich bleibenden Rhythmus verbracht haben, wollen und können dies im Alter nicht ändern. Sie sind an bestimmte
Uhrzeiten gewöhnt und verbinden diese mit Tätigkeiten. Besonders oft haben Mahlzeiten ihre festgelegten Uhrzeiten. Grade Menschen mit leichter Demenz brauchen einen
sehr fest strukturierten Tagesablauf, sie brauchen ihre Bezugspersonen, die ihnen
vermitteln, noch gebraucht zu werden. Wenn Dinge immer an die gleichen Stellen gelegt werden und der Alltag in festen Zeiten gelebt wird, kann dieses ein Gefühl von
Sicherheit bieten. Auch der geregelte Tag-Nacht-Rhythmus, mit seinen Hell- Dunkelphasen gehört zu einem strukturierten Tag. 47
47
Vgl.: Bestwig 2006, SMMP-Seniorenhilfe GmbH
http://www.fachseminareseke.de/fileadmin/media_fachseminar/Informationsmaterial/Konzept_W
ohnen_und_Leben_21.09.06.pdf S. 9, (letzter Stand: 10.12.2010)
34
6
Szenario: Mehrtägiger Stromausfall in Berlin
Das folgende Szenario dient dazu, die komplexe Situation eines mehrtägigen Energieausfalls in Berlin außerhalb der Altenpflegeheime zu erfassen.
Gegebenheiten: Dienstag, 12 Uhr, Mitte April, tags ca. 14°C, nachts ca. 5°C.
In ganz Berlin fällt der Strom aus. Grund ist eine technische Störung, die einen Kaskadeneffekt auslöste. Der Stromausfall wird 6 Tage anhalten.
3 Min seit Stromausfall
Aufgrund der Erfahrungen nimmt die Bevölkerung an, dass der Strom innerhalb kurzer
Zeit wieder zur Verfügung steht. Niemand weiß, dass ganz Berlin betroffen ist und dieser Zustand die nächsten sechs Tage anhalten wird.
Aufgrund der Ampel-Ausfälle ereigneten sich zahlreiche Unfälle auf den Straßen.
Der gesamte Verkehr kommt zum Erliegen, auch Straßenbahnen und U-Bahnen bleiben ohne Energieversorgung stehen.
5 Min seit Stromausfall
Die Autofahrer stehen in langen Schlangen in den Straßen, es gibt kein Vorankommen
mehr.
10 min seit Stromausfall
Die Polizei ist mit allen verfügbaren Einsatzkräften im Einsatz, um den Verkehr zu regeln und Unfälle aufzunehmen. Sie haben es schwer, an ihre Einsatzorte zu gelangen.
Stehende Autos versperren den Weg, ebenso wie - auf Grund der Situation - ratlose,
fragende und aggressive Personen. Ebenfalls haben Rettungswagen kaum eine Chance durch die Autos hindurch zu den Verletzten der Verkehrsunfälle und zu weiteren
Patienten zu gelangen.
15 min seit Stromausfall
Aus Bahnen, die in U-Bahn-Tunneln oder auf hoch gelegenen Schienen stehen geblieben sind, müssen Personen befreit werden.
Die meisten Menschen versuchen per Handy zu telefonieren, um Verspätungen anzukündigen oder um Informationen über das Geschehen zu bekommen. Die Netze sind
so stark überlastet, dass das Zustandekommen von Gesprächen über das Handy unmöglich ist.
35
In den privaten Haushalten sind die meisten Telefone ausgefallen48, Licht, Kühlschrank
und Heizung und die Wasserver- und -entsorgung sind ebenfalls betroffen.
In vielen Betrieben muss die Arbeit niedergelegt werden. Kunden müssen Läden verlassen, weil das Öffnen der Kasse und das Abrechnen über EC- oder Kreditkarten ohne Strom vielerorts nicht möglich sind.49
6.1
Szenario: Mehrtägiger Stromausfall im Altenpflegeheim im zeitlichen
Verlauf
Altenpflegeheime sind, wie schon beschrieben, eine Kritische Infrastruktur, die stark
von anderen Kritischen Infrastrukturen abhängt. Das folgende Szenario wird die Frage
nach den Auswirkungen die ein mehrtägiger Stromausfall in Berlin auf die Personen
und die Einrichtungen haben könnte beantwortet.
Das Altenpflegeheim, das in dem Szenario beschrieben wird, existiert in dieser Form
nicht. Es handelt sich um eine Zusammenfassung der besuchten Einrichtungen.
Gegebenheiten: Altenpflegeheim in einem Berliner Randbezirk.
Bewohner: 50 Personen
•
keiner ist ohne Hilfe mobil
•
alle sind auf Pflege angewiesen
•
10 leicht demente Personen
•
15 schwer demente Personen
•
15 bettlägerige Personen
48
Schnurlose Telefone sind auf die Stromversorgung aus der Steckdose angewiesen.
Telefone mit Schnur werden über das Telefonnetz mit Notstrom versorgt. ISDN-Kunden
mit einem Telefon mit eigener Stromversorgung können ebenfalls weiter telefonieren.
Vgl.: http://www.tariftip.de/rubrik2/19554/3/Festnetz-und-Internet.html
(letzter Stand: 15.12.2010, 11:05)
49
Vgl.: Studiengang SiMa WS 09/10 Vertiefungsgebiet II - Szenario länger andauernder Stromausfall in Berlin. S.96-99.
36
Anwesende Mitarbeiter:
•
Heimleiterin, Frau Ahaus
•
Altenpflegerin, allein erziehende Mutter
•
Altenpflegerin
•
Altenpflegehelfer
•
Altenpflegehelferin, Mutter
•
Altenpflegehelferin, erkältet
•
Haustechniker, keine Erfahrung in der Pflege
•
Hauswirtschaftlerin, keine Erfahrung in der Pflege
•
Rezeptionistin, erkältet, keine Erfahrung in der Pflege
•
Köchin, allein erziehende Mutter, keine Erfahrung in der Pflege
•
Küchenhelferin, keine Erfahrung in der Pflege
•
Küchenhelferin, keine Erfahrung in der Pflege
•
Buchhalterin, Mutter, keine Erfahrung in der Pflege
12 der 50 Bewohner des Altenpflegeheimes befinden sich zum Mittagessen im Speisesaal, der im Erdgeschoss liegt. Zunächst ist nur offensichtlich, dass das Licht ausgegangen ist, der Speisesaal liegt im Erdgeschoss. Das Licht, das durch die Fenster
dringt, ist nicht ausreichend, um den Raum vollständig auszuleuchten. Der Hausmeister überprüft die Sicherungen, alles scheint in Takt. Daraus schließt er, dass der Strom
ausgefallen ist.
4 min. seit Stromausfall
Nach 4 Minuten springt das Notstromaggregat an. Einige Lampen gehen wieder, sodass die Flure einigermaßen beleuchtet sind. Durch das Notstromaggregat werden
eine Notbeleuchtung der Flure und der Betrieb der hausinternen Küche sichergestellt,
allerdings sind Kühl- und Gefrierraum nicht mit Notstrom versorgt.
8 min. seit Stromausfall
Im Fahrstuhl sind zwei Bewohner und eine Altenpflegerin auf dem Weg in den Speisesaal steckengeblieben. Um sie zu befreien, senkt der Hausmeister den Fahrstuhl manuell ab. Im Kellergeschoss kann die Tür des Fahrstuhls geöffnet werden. Die zwei
Bewohner sind beide auf den Rollstuhl angewiesen, sodass sie die Treppen nicht hinaufgehen können.
15 min. nach Stromausfall
Frau Ahaus und ihre Mitarbeiter beraten sich, ob sie warten oder die zwei Bewohner
ins Erdgeschoss tragen.
37
18 min. nach Stromausfall
Die zwei Bewohner und ihre Rollstühle werden vom Personal nach oben ins Erdgeschoss getragen. Dort wartet man darauf, dass die Stromversorgung wieder einsetzt.
Ohne Strom für den Fahrstuhl müssen alle Bewohner, die sich im Speisesaal befinden
und nicht im Erdgeschoss ihre Zimmer haben, in den ersten und zweiten Stock des
Hauses getragen werden, da keiner der 50 Bewohner in der Lage ist Treppen zu steigen.
Die Pflegekräfte sehen nach den Personen, die bettlägerig sind und über eine Magensonde mit elektrischen Ernährungspumpen künstlich ernährt werden.
30 min. seit Stromausfall
Die Heimleitung versucht telefonisch an Informationen über die Gründe und voraussichtliche Dauer des Stromausfalls zu gelangen. Das Festnetztelefon funktioniert nicht,
und das Handynetz ist überlastet. Frau Ahaus schickt eine Pflegerin um nachzusehen,
ob in der Nachbarschaft ebenfalls der Strom ausgefallen ist.
35 min. seit Stromausfall
Eine Nachbarin, die ein batteriebetriebenes Radio besitzt, teilt ihr mit, dass ganz Berlin
vom Stromausfall betroffen ist. Der Energieversorger sei dabei, alles zu tun, um schnell
wieder Strom zu liefern. Wie lange der Stromausfall andauere könne noch nicht benannt werden.
Die Nachricht löst Unruhe und Ratlosigkeit beim Personal aus. Frau Ahaus ordnet an,
die Bewohner nach und nach in die oberen Stockwerke zu tragen, damit sie in ihre
Zimmer können. Das Personal soll die Pflegebedürftigen beruhigen und wenn möglich
die Situation erklären.
Ebenfalls ordnet Frau Ahaus an, die künstlich ernährten Personen auf die Ernährung
via Schwerkraft50 umzustellen.
2 Std. seit Stromausfall, 14:05 Uhr
Alle Bewohner sind so weit wie möglich versorgt, dennoch muss auf jeder Etage ein
Mitarbeiter vom Pflegepersonal von Tür zu Tür gehen, weil der hausinterne Patientennotruf ausgefallen ist und einige demente Bewohner spüren, dass >etwas anders ist<
und dementsprechend beruhigt werden müssen.
50
Bei der Ernährung per Schwerkraft wird die Nahrung direkt aus einer Flasche oder
einem Beutel zugeführt. Hier wird die Schwerkraft für den Transport der Nahrung genutzt, wie bei einem Tropf. Vgl.:
http://www.pflegewiki.de/wiki/Enterale_Ernährung#Applikationsarten_f.C3.BCr_Sondenkost
(letzter Stand: 15.12.2009 15.45)
38
Über das Handy einer Pflegekraft, das ein integriertes Radio hat, hören sie, dass die
Dauer des Stromausfalls weiterhin nicht absehbar ist, und in den nächsten Stunden
kein Strom zur Verfügung stehen wird.
Zwei Mitarbeiterinnen der Pflege, die Köchin und die Buchhalterin, haben Kinder im
Kindergarten- und Schulalter. Sie machen sich bereits große Sorgen, da sie die Kinder
und die Einrichtungen, in denen sich die Kinder befinden, über die letzten zwei Stunden nicht erreichen können. Alle Mitarbeiter haben einen längeren Anfahrtsweg zum
Altenpflegeheim, das sich in einem Randbezirk Berlins befindet. Die Sorge um ihre
Kinder lässt die Mitarbeiterinnen sehr unruhig werden. Sie sind keine Hilfe sondern
eher eine Belastung in der Betreuung und Pflege der Heimbewohner. Frau Ahaus entschließt sich dazu, sie nach Hause fahren zu lassen, auch weil sie denkt, dass innerhalb der nächsten 25 Minuten die Spätschicht kommt.
3 Std. seit Stromausfall, 15:00 Uhr
Kein Mitarbeiter der Spätschicht ist zum Dienst erschienen, und Frau Ahaus kann niemanden von ihnen erreichen. Sie hat die Mitarbeiter aus der Frühschicht aufgefordert
zu bleiben, und da ebenfalls im Radio gebeten wurde, das Autofahren zu unterlassen,
bleiben sie. Das Altenpflegeheim ist, gerade für eine solch schwierige Lage, stark unterbesetzt.
Da die Wechseldruckmatratzen der Bettlägerigen ohne Strom nicht funktionieren, müssen die Patienten alle zwei Stunden51 gelagert52 werden. Diese Tätigkeit ist bereits eine
Stunde überfällig.
Ebenfalls müssen die Inkontinenzprodukte gewechselt und die Patienten gewaschen
werden. Anderen Bewohnern der Einrichtung muss beim Gang zur Toilette geholfen
werden. Medikamente müssen ausgegeben und verabreicht werden.
Das verbliebene Pflegepersonal und die Heimleitung arbeiten ohne Pause.
Immer wieder kommt es vor, dass verwirrte oder ängstliche Bewohner beruhigende
Worte brauchen.
5 Std. seit Stromausfall 17:00 Uhr
Frau Ahaus beginnt sich sehr große Sorgen um einen ihrer Bewohner zu machen. Der
alte Herr benötigt hin und wieder ein Sauerstoffgerät, das ohne Strom nicht funktioniert.
Sie bespricht sich mit ihren Mitarbeitern der Pflege und beschließt, ihn von einem
51
Vgl.: Thomas Kessler, Ambulanter Pflegedienst Limburg, Zeitung 1 Ausgabe 1 –Grundlagen
Lagerung bei Bettlägerigkeit. http://www.pflegedienst-limburg.de/index.php?id=35 (letzter Stand:
03.01.2010, 09:20)
52
Die Lagerung bedeutet das Bewegen der Bettlägerigen und das Hinlegen in einer anderen Position als zuvor.
39
Krankentransportwagen abholen zu lassen. Da sie diesen nicht erreicht, versucht sie
es über den Notruf. Hier erreicht sie die Leitstelle und bestellt einen Rettungswagen.
Aber der alte Herr ist nicht ihre einzige Sorge. Der kleine Krisenstab, den Frau Ahaus
einberufen hat, bestehend aus ihr, dem Haustechniker, der Hauswirtschaftlerin und der
Altenpflegerin, kommt zusammen:
Problem 1: Der Vorrat an Bettbezügen53 ist fast aufgebraucht. Die Lieferung der Wäscherei mit Handtüchern, Bettbezügen und Tischdecken hätte eigentlich um 10:00 Uhr
kommen sollen. Aus dem Lager im Keller werden Einmalbettlaken und Einmalwaschzeug geholt, welche eigentlich für den Infektionsschutz bei einer Grippewelle gedacht
sind.
Problem 2: Das Abendessen steht gleich an. Dass der Gefrierraum nicht mehr funktioniert, ist schon festgestellt worden. Da immer drei Malzeiten eingefroren sind, beschließen sie, eine davon aufzutauen und den Bewohnern auf die Zimmer zu bringen.
Problem 3: Voraussichtlich werden die Temperaturen zum Abend hin wieder unter 8°C
sinken, und das Haus kühlt bereits ab, da die Heizung nicht funktioniert. Erst mal werden Decken aus dem Keller geholt und auf die Zimmer verteilt.
6 Std. seit Stromausfall 18:00 Uhr
Mittlerweile wird es Abend. Nach 50 Minuten kommt der Rettungswagen und holt den
alten Herren ab. Hätte Frau Ahaus nicht schon vor 50 Minuten den Wagen gerufen,
wäre es eventuell zu einem dramatischen Notfall gekommen, da der Herr nun tatsächlich den zusätzlichen Sauerstoff benötigt.
Die Flure sind zwar notbeleuchtet, aber in den Bewohner- und Dienstzimmern ist kein
Licht. Die Bewohner, denen es möglich ist, sind überwiegend auf den Fluren. Immer
wieder muss das Personal die Bewohner beruhigen und die Situation je nach Verfassung des Bewohners individuell erklären. Eine an Demenz erkrankte Frau glaubt sich
im Krieg zu befinden und hat große Angst. Die Mitarbeiter müssen sich rund um die
Uhr um sie kümmern und ihr gut zureden.
Im Altenpflegeheim gilt ein striktes Verbot für offenes Feuer, Kerzen sind normalerweise untersagt. Um für den Notfall vorzusorgen, wurde die Rezeptionistin losgeschickt,
um Batterien und Kerzen zu kaufen. Sie konnte noch zwölf Kerzen in einer Drogerie
erwerben, Batterien hat sie keine bekommen. Als weitere Lichtquelle dienen ein paar
Taschenlampen. Frau Ahaus ordnet an, mit den Taschenlampen und Kerzen sehr
sparsam umzugehen, damit diese die Nacht über reichen.
53
Vor allem nachts müssen ca. 30 Betten neu bezogen werden, da fast alle Bewohner
inkontinent sind.
40
10 Std. seit Stromausfall 22:00 Uhr
Die Nachtschicht müsste jetzt zum Dienst kommen. Nur ein Pfleger erscheint zur Arbeit. Er berichtet von vielen Unfällen in der Stadt und dass viele Menschen keine
Wasserver- und -entsorgung haben. Vor allem Hochhäuser seien betroffen. Zunächst
wollte er nicht fahren. Er wohnt an einer großen Kreuzung mitten in Berlin. Einige Autos sind ohne Benzin auf den Straßen stehen geblieben, weil Tankstellen ohne Strom
keinen Treibstoff aus den unterirdischen Tanks fördern können. Zudem ist es sehr
dunkel, da die Straßenbeleuchtung ausgefallen ist. Er hätte es allerdings nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können und hat sich auf den Weg gemacht. Im Autoradio
hat er gehört, dass der Stromausfall zumindest bis in die frühen Morgenstunden anhalten wird. Aufgrund dieser Informationen sollen die Mitarbeiter Gefäße mit Wasser füllen, um das Waschen der Bewohner und das Spülen der Toilette zu gewährleisten.
11 Std. seit Stromausfall 23:00 Uhr
Das Lagern, Waschen und Versorgen der Bewohner wird zu einer Tortur. Gerade die
drei Mitarbeiter aus Pflege und Betreuung, die seit 6:00 Uhr arbeiten, und Frau Ahaus
sind erschöpft. Zwar werden sie, so gut es geht, von den Mitarbeitern aus den anderen
Bereichen unterstützt, müssen aber das Meiste unter schlechten Sichtverhältnissen
durch die Dunkelheit selber machen. Zudem sind zwei Mitarbeiterinnen (davon eine
Altenpflegehelferin), schwer erkältet und benötigen öfter Pausen, um nicht ganz auszufallen. Glücklicherweise schlafen viele der Bewohner. Einige Mitarbeiter können sich
ein wenig hinlegen und schlafen. Sie werden sich abwechseln, um das Mindestmaß
der Versorgung aufrecht zu erhalten. Das ungenügende Licht macht allen zu schaffen.
Tag 2, 20:00 Uhr
Der Akku des Handys mit Radio ist entladen. Zuletzt haben sie erfahren, dass der
Stromausfall auch weiterhin anhalten wird. Es ist aussichtslos, dass weiteres Personal
zur Unterstützung kommt. Die zwei erkälteten Mitarbeiter haben Fieber bekommen und
sind nur sehr gering einsatzfähig. Unter den Mitarbeitern werden Wut und Trauer immer deutlicher. Wut auf den Energieversorger, Wut auf die fehlenden Mittel, um der
Lage Herr zu werden, Traurigkeit darüber, dass niemand mit einem so lang anhaltenden Stromausfall gerechnet hat und keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wurden.
Der Haustechniker wurde am Tage losgeschickt, um Lebensmittel und irgendwelche
Lichtquellen zu erwerben, weil diese nicht mehr lange reichen werden. Er konnte kaum
etwas kaufen. Die meisten Läden waren geschlossen und es waren nur noch Lebensmittel zu haben, die gekocht oder gebraten werden müssen. Da das Notstromaggregat
kaum noch Diesel hat, braucht er diese nicht zu erwerben. Auf dem Grill werden sie
noch ein paar Lebensmittel garen können, allerdings nicht mal ausreichend für eine
Mahlzeit, da nicht genug Kohle vorhanden ist.
41
Tag 3, 22 Uhr
Mittlerweile ist das Haus so stark abgekühlt, dass einige Bewohner unterkühlen. Bettlaken sind keine mehr vorhanden, genauso wenig wie sauberes Geschirr, Inkontinenzprodukte und Lebensmittel. Im Garten stapeln sich bereits die Säcke mit Müll und Wäsche. Das Personal ist am Ende seiner Kräfte. Die Rationierung aller Lebensmittel und
Gebrauchsgegenstände hat das Altenpflegeheim bis hier hin versorgen können, nun ist
auch die Wasserversorgung ausgefallen. Frau Ahaus ist sich ihrer großen Verantwortung sehr bewusst. Sie und ihre Mitarbeiter versuchen Hilfe zu bekommen und hoffen,
dass diese so schnell wie möglich eintrifft.
42
7
Maßnahmenkatalog als Handlungsempfehlung
Durch einen Ausfall der Energieversorgung kann es in einem Altenpflegeheim durchaus dazu kommen, dass Bewohner in lebensbedrohliche Notlagen geraten, sei es
durch Kälte, Hitze, Wasser- oder Nahrungsmangel oder durch einen davon unabhängigen, medizinischen Grund. Auch psychisch kann es zu Herausforderungen kommen,
die zu Wut, Aggressionen oder Traurigkeit führen können. Zu bedenken ist, dass es
gerade in einer Extremsituation für einen Menschen schwer ist, wenn er sich nicht verständlich machen kann. Dies gilt für Bewohner von Altenpflegeheimen ebenso wie für
Mitarbeiter.
Ziel dieser Handlungsempfehlungen ist, dass präventiv Maßnahmen ergriffen werden
können, um die Folgen eines mehrtägigen flächendeckenden Stromausfalls zu minimieren und die Kernaufgaben eines Altenpflegeheimes - die psychosoziale Betreuung,
die Pflege und die Sicherheit der Bewohner – auch in dieser Extremlage zu gewährleisten. Das Erreichen des Ziels ist nur möglich, wenn Altenpflegeheime während eines
mehrtägigen Stromausfalls unabhängig von anderen Kritischen Infrastrukturen sind.
Diese Handlungsempfehlungen richten sich an Führungskräfte und Mitarbeiter von
Altenpflegeheimen, die für den sicheren Betrieb ihres Altenpflegeheims Verantwortung
tragen. Sie sollen eine Hilfestellung sein, damit Altenpflegeheime bei einem Stromausfall verlässlich einsatzfähig sind.54
Zu bedenken ist, dass es sich dennoch um eine Ausnahmesituation handelt und Einschränkungen kompensiert werden müssen.
7.1
Notstromversorgung
Für die Einrichtung einer Notstromversorgung ist es zunächst zu hinterfragen, ob ein
manueller Notbetrieb des Altenpflegeheims möglich ist. Wenn das nicht der Fall ist,
muss festgestellt werden, welche stromabhängigen Bereiche aufrechterhalten werden
müssen und in welchem Umfang. Wie die bisherige Arbeit zeigt, sollten hier die Heizung, die Beleuchtung, die Küche mit Kühlung und Wasserpumpen näher in Betracht
gezogen werden. Ebenfalls ist zu bedenken, dass Computer weiterhin funktionieren
sollten, wenn die Dokumentation der pflegerischen Arbeit nicht in Papierform vorliegt,
sondern nur auf dem Rechner gespeichert ist.
54
Vgl.: Backes, Gertrud M. / Clemens, Wolfgang Juli 2008: Lebensphase Alter: Eine Einführung
in die sozialwissenschaftliche Altersforschung. 3. Auflage, Juventa Verlag Weinheim und München, S.247/248.
43
Aus den Ergebnissen lässt sich der benötigte Energiebedarf feststellen.
Wenn eine Notstromversorgung eingerichtet wird, sollte für mindestens eine Woche
Diesel vorhanden sein, da dieser bei Stromausfall nicht geliefert oder geholt werden
kann.
Notstromaggregate
Grundlegend werden zwei Notstromversorgungsgeräte unterschieden:
Die Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) wird mit Akkus betrieben. Die
Besonderheit ist, dass der Strom bei einem Ausfall der öffentlichen Stromversorgung
ohne Unterbrechung weiter zur Verfügung steht. Die USV ist für eine festgelegte Dauer
einsatzbereit. Um die weitere Notstromversorgung zu gewährleisten wird während dieser Zeit eine Netzersatzanlage (NEA) eingeschaltet. NEAs sind meist Generatoren,
die mit Dieselmotoren angetrieben werden. Eine NEA kann auch ohne eine vorgeschaltete USV betrieben werden, wenn nicht zwingend notwendig ist, dass der
Strom unterbrechungsfrei fließt. Die Verzögerung bis zum Starten der NEA liegt meistens im Sekundenbereich.55
Wichtig ist zu bedenken, dass die Notstromversorgung nur für den berechneten Energiebedarf ausgelegt wird. Wenn weitere Geräte oder Arbeitsbereiche an die Versorgung angeschlossen werden, ist eine Aufrüstung nötig, damit es nicht zu einer Überlastung des Gerätes kommt. Eine Überlastung könnte zu einem Ausfall der Notstromversorgung führen.
Da die Technik der Notstromversorgung für die vorliegende Arbeit nicht relevant ist,
wird nicht weiter darauf eingegangen.56
7.2
Vorratshaltung
In Deutschland werden laufend frische und neue Waren zu den Läden transportiert.
Dem Verbraucher stehen so jeden Tag frische Waren zur Verfügung, und der Einzelhandel kann auf die teure Lagerung der Waren verzichten.57
55
Vgl.: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Bonn 2005, aktualisiert Juli 2008, Leitfaden - für die Einrichtung und den Betrieb einer Notstromversorgung - in
Behörden und anderen wichtigen öffentlichen Einrichtungen. S. 6.
56
Für Informationen zur Technik von Notstromanlagen siehe: Verband der Netzbetreiber,
VDN e.V. beim VDEW (Hrsg.) Berlin, 2004, Notstromaggregate – Richtlinie für Planung, Errichtung und Betrieb von Anlagenmit Notstromaggregaten.
57
Vgl.: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn August 2009,
Broschüre: Für den Notfall vorgesorgt - Vorsorge und Eigenhilfe in Notsituationen. 11. Auflage;
S.5.
44
Während eines mehrtägigen Stromausfalls können diese Logistik, der Transport und
Verkauf der Waren nicht gewährleistet werden. Die beschriebenen Szenarien zeigen,
wie wichtig eine Unabhängigkeit von diesen Systemen ist.
Im Folgenden werden Mittel und Wege aufgezeigt, die es ermöglichen, ohne hohen
Kostenaufwand Vorratshaltung für den Notfall zu betreiben. Als Grundlage hierfür dient
die Broschüre „Für den Notfall vorgesorgt“, herausgegeben vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).
In Altenpflegeheimen ist eine Vorratshaltung - für den Alltag - nicht notwendig. Gegen
die Vorratshaltung spricht ebenfalls, dass in einem Altenpflegeheim viele Personen
bewirtschaftet werden müssen. Dieses bedarf Raum für die Lagerung großer Mengen.
Ein weiteres Gegenargument ist, dass beispielsweise Batterien oder Lebensmittel, auch in Konserven - nicht ewig haltbar sind und diese vor dem Ablauf des Verfallsdatums genutzt, bzw. verzehrt werden müssen, damit nicht unnötig viel Geld für späteren
Abfall ausgegeben wird.
Zunächst sollte eine große Menge der länger haltbaren Lebensmittel und Getränke
eingelagert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass diese auch im Alltag verwendet
werden oder verwendet werden können. Spezielle Anforderungen, wie Spezialkost für
Diabetiker und künstlich ernährte Personen, sind zu berücksichtigen. Wenn alles eingelagert ist, wird weiterhin für den täglichen Bedarf eingekauft. Die neu erworbenen
Lebensmittel und Getränke werden hinter die bereits vorhandenen gestellt. Die jeweils
vorderen, älteren Produkte werden genutzt, so sind ein kontinuierlicher Austausch und
der Schutz vor dem Ablaufen der Lebensmittel und Getränke möglich. Dies gilt ebenfalls für Verbrauchsmaterialien, die nicht unbegrenzt haltbar sind, wie Batterien. Zu
beachten ist, dass nur eine Haltbarkeit unter achtzehn Monaten kenntlich gemacht
werden muss. Produkte, die nicht mit einem Haltbarkeitsdatum ausgezeichnet sind,
sollten mit dem Einkaufsdatum versehen werden. Die Lagerung sollte, wenn möglich,
kühl, trocken und lichtgeschützt erfolgen.
Lebensmittel und Getränke
Der Mensch ist auf Lebensmittel und vor allem auf Flüssigkeit angewiesen. Da es sehr
wahrscheinlich ist, dass bei einem mehrtägigen Stromausfall die Wasserversorgung
zusammenbricht, ist es wichtig neben Lebensmitteln auch Getränke für mindestens
eine Woche vorzuhalten. Eine Lebensmittel- und Getränkeliste als Beispiel einer Vorratshaltung für zwei Wochen befindet sich im Anhang (s. 10.1). Die eingelagerten Lebensmittel sollten sich auch ohne Zubereitung zum Verzehr eignen, da das Erwärmen,
Kochen oder Garen unter Umständen nicht möglich ist. Ebenfalls problematisch könnte
45
das Spülen des Geschirrs sein; damit ein gewisser Grad an Hygiene gewährleistet
werden kann, sollten Einweggeschirr und –besteck vorgehalten werden.
Aufgrund der großen Personenanzahl in einem Altenpflegeheim wird es nicht möglich
sein Mahlzeiten auf einem handelsüblichen Campingkocher zuzubereiten. Alternativen
wären ein Feuertopf oder ein Grill. Diese Gegenstände sind in einem Altenpflegeheim
meist vorhanden, weil sie auch bei Feiern genutzt werden. Allerdings müssen genügend Kohle, Gas, Holz oder entsprechende Brennstoffe vorrätig sein.
Medikamente und medizinische Verbrauchsmaterialien
Für das Einlagern von Medikamenten und medizinischen Verbrauchsmaterialien sollten
die gleichen Bedingungen beachtet werden wie für Lebensmittel. Zusätzlich muss bedacht werden, dass einige Medikamente, wie Insulin, gekühlt aufbewahrt werden müssen.
Wasserversorgung
Wie bereits erwähnt, wäre Wasser während der Extremlage voraussichtlich ein knappes Gut.
Um die Bewohner vor Infektionen zu schützen, müssen vor allem inkontinente Personen auch während eines Energieausfalls gewaschen werden. Um Wasser zu sparen,
sollten hierfür Einweghandschuhe zur Verfügung stehen, die gewechselt werden, damit
das Händewaschen nicht notwendig ist. Zudem sollten alle Sachen die beschmutzt
sind und nicht zwingend benötigt werden in Müllbeuteln/Müllsäcken verstaut werden.
Harte und glatte Oberflächen können mit Desinfektionsmittel und Haushaltspapier gesäubert und müssen nicht mit Wasser abgewaschen werden.
Durch diese Maßnahmen entsteht sehr viel Abfall. Müllbeutel sollten zahlreich bevorratet sein.
Eine zusätzliche Maßnahme ist, dass alle zur Verfügung stehenden Behälter mit Wasser gefüllt werden, damit beim Ausfall der Wasserversorgung noch eine Reserve vorhanden ist.
7.3
Beleuchtung
Da sich bei dementiell erkrankten Personen der Tages –Nachtrhythmus nach dem
Licht richtet, und die Erinnerungen an Treppen, Ein- und Ausgänge sowie andere bauliche Gegebenheiten weitestgehend fehlen, ist es notwendig, für eine ausreichende
Beleuchtung in der Einrichtung zu sorgen. Hinzu kommt, dass das Pflegen von Bewohnern ohne Licht fast unmöglich ist. Viele der Patienten sind nicht in der Lage zu
kooperieren und beispielsweise eine Wunde zur Behandlung zu zeigen.
46
Es sollten stromunabhängige Lichtquellen zur Verfügung stehen.
Eine Variante der Taschenlampe ist die Stirnlampe. Der Träger einer Stirnlampe hat
beide Hände frei, und sie leuchtet in die Richtung, in die er den Kopf dreht.
Zwar gibt es Taschenlampen, die mit Handkurbeln betrieben werden. Diese verursachen allerdings zusätzliche Arbeit und sind nur bedingt eine Option. Deshalb sollten
passende Batterien für die Lampen vorrätig sein.
Weitere mögliche Lichtquellen, neben Taschen- und Stirnlampen, sind Petroleumlampen und Kerzen. Da offenes Feuer in Altenpflegeheimen aus brandschutztechnischen
Gründen verboten ist, sollte bei der Lagerung von Kerzen, Petroleum und Zündmitteln
(Streichhölzer, Feuerzeuge) darauf geachtet werden, dass sie unzugänglich für die
Bewohner sind. Empfehlenswert ist, dass die Kerzen bei der Benutzung in Gefäße wie
Gläser gestellt werden, um das Risiko eines Brandes zu minimieren.
7.4
Heizung
Eine mit Strom betriebene Heizung fällt ohne Notstromversorgung aus. Öl- und Gasheizungen würden ohne Strom funktionieren, wenn Brenner, Steuerungen und Pumpen
nicht davon betrieben würden.
Für stromunabhängige Heizgelegenheiten sollten entsprechende Brennstoffe vorgehalten werden, wie Holz für Öfen oder Petroleum für Petroleumöfen.
Zusätzlich zu Heizmöglichkeiten sollten Decken vorhanden sein.
7.5
Information und Kommunikation
Für Menschen, die es gewohnt sind jederzeit über aktuelle Geschehnisse informiert zu
werden, kann es sehr beängstigend sein, wenn gerade in einer Extremlage alle technischen Informationsmöglichkeiten ausfallen.
Kommt es zu einem Stromausfall ist es wichtig über die Ausmaße und die Dauer des
Ausfalls informiert zu werden, um das weitere Vorgehen planen zu können.
Wie Taschenlampen gibt es auch Radios, die mit einer Handkurbel betrieben werden.
Für andere Geräte müssen passende Batterien vorhanden sein. Heute sind in den
meisten Handys und MP3 Playern Radios integriert, die so lange Informationen empfangen und liefern können, wie der Akku oder die Batterie des Gerätes hält.58
58
Eine Checkliste für benötigte Utensilien befindet sich im Anhang 10.2.
47
Telefon
Die Basisstationen für den Mobilfunk würden bei einer längeren Unterbrechung der
Stromversorgung schnell ausfallen. Es ist davon auszugehen, dass es bei einer eventuellen Verfügbarkeit der Netze, zu einer Überlastung der Kapazitäten kommt, und das
Telefonieren mit Mobiltelefonen nicht möglich ist.
In städtischen Gebieten ist es wahrscheinlich, dass das Telefonieren mit Festnetzgeräten, nach Ausfall der Stromversorgung, weiterhin mehrere Tage möglich ist. Voraussetzung ist, dass ein analoges Telefon oder ein ISDN-Telefon mit Notbetriebsmodus
verwendet wird. Die genannten Telefone werden über die Leitung mit Strom versorgt.
Das Absetzen von Notrufen über die Telefonnummer 112 ist anderen Telefonaten generell vorgeschaltet, sodass die Notrufzentralen auch bei einer Netzüberlastung erreichbar sind.59
Dementsprechend sollten für den Schadensfall ein ISDN-Telefon mit Notbetriebsmodus oder ein analoges Telefon vorhanden sein.
7.6
Dokumentation
In Altenpflegeheim besteht eine umfassende Dokumentation aller pflegerischen Tätigkeiten.60 Diese muss für den Notfall in Papierform vorliegen.
Um Hilfe von Personen annehmen zu können, die mit dem Altenpflegeheim und den
Bewohnern nicht vertraut sind, muss beschrieben sein, welcher Bewohner welche Hilfe
und Pflege benötigt. Des Weiteren ist für jeden Bewohner die Etagen- und Zimmernummer zu vermerken.
7.7
Einweisen der Mitarbeiter
Alle Mitarbeiter des Altenpflegeheims sollten über die Möglichkeit eines Stromausfalls
informiert werden. Es ist wichtig, dass in jeder Schicht mindestens ein Mitarbeiter im
Umgang mit dem Notstromaggregat eingewiesen ist. Die Mitarbeiter müssen wissen
welche Geräte im Haus ausfallen (Patientennotruf, Ernährungspumpen).
Die Mitarbeiter sollten ebenfalls in die Vorratshaltung für den Notfall eingewiesen werden.
59
Vgl.: Innenministerium Baden-Württemberg und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Stuttgart, Bonn 2009, Krisenmanagement bei einer großflächigen Unterbrechung der Stromversorgung - am Beispiel Baden-Württemberg- S. 156.
60
Die Dokumentation der Pflege für jeden Bewohner wird regelmäßig von der Heimaufsicht und
dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüft, um festzustellen ob der pflegerische Standard ausgeführt. Vgl.: § 117 ff SGB XI.
48
Alle für den Stromausfall vorgehaltenen Dinge, wie das batteriebetriebene Radio und
Kerzen sollten den Mitarbeitern zugänglich sein. Gegebenenfalls müssen die Mitarbeiter im Schadensfall den Generalschlüssel benutzen, der aus brandschutztechnischen
Gründen für die Feuerwehr hinterlegt ist.
Die Mitarbeiter des Altenpflegeheims sollten möglichst in ihrer Privatwohnung ein Telefon für den Fall einer längeren Unterbrechung der Stromversorgung bereithalten
(s. 11.5)
Übungen sind ratsam um im Ernstfall routiniert und sicher handeln zu können.
49
8
Fazit und Ausblick
Die Wahrscheinlichkeit einer Krise oder Katastrophe wird von der deutschen Bevölkerung als sehr gering eingeschätzt. Doch durch immer neue Technik und deren Vorzüge
von denen sich die Gesellschaft abhängig macht, wächst die Wahrscheinlichkeit das
Krisen oder Katastrophen eintreten. Der Fortschritt, der viele Möglichkeiten und Sicherheiten bietet, bringt auch viele Auffälligkeiten mit sich. Die Risiken und Gefahren
müssen ermittelt, bewertet und minimiert werden.
Eine weitere Entwicklung in unserer Gesellschaft birgt ebenfalls Risiken - der Demographische Wandel. Der durchschnittliche Pflegebedarf der alten Menschen wächst mit
dem Anstieg der älteren Bevölkerung. Die Menschen mit Pflegebedarf sind abhängig
vom Schutz durch die Gesellschaft. Es bedarf einer immer größer werdenden Zahl an
Altenpflegeheimen - Einrichtungen, wo alte Menschen in einer geschützten Umgebung
ihren Lebensabend verbringen.
Die Leitungen und Mitarbeiter der meisten Altenpflegeheime sind sehr bemüht, die
Gesundheit und das Wohlbefinden der alten Menschen zu erhalten und zu verbessern.
Auch während eines mehrtägigen Stromausfalls sind die Kernaufgaben der Einrichtungen die Pflege und die psychosoziale Betreuung der Bewohner. Um diese Aufgabe
erfüllen zu können, ist es notwendig, dass der Schutz vor negativen Auswirkungen der
Schadenslage wie Kälte, Hunger und Durst sichergestellt ist. Gerade Menschen, die
Schwierigkeiten haben sich zu orientieren und mit Schwerhörigkeit, Fehlsichtigkeit oder
Gedächtnisstörungen zu kämpfen haben, bedürfen einer gesicherten Umgebung. Es
wäre für diese Personen schwer mit einem Ausfall der Beleuchtung oder der Notrufanlage umgehen zu müssen. Menschen, die an Inkontinenz und hinzukommendem
Scharm leiden, sollten nicht in die Situation gebracht werden, dass keine Hygieneprodukte mehr vorhanden sind.
Es ist von großer Bedeutung, dass Notfallpläne entwickelt und präventive Maßnahmen
ergriffen werden um die Sicherheit und Versorgung der Menschen zu gewährleisten,
die das aus eigener Kraft heraus nicht mehr können.
Während der Recherche zu der vorliegenden Arbeit und der Suche nach geeigneten
Experten wurde deutlich, dass die Thematik „mehrtägiger Stromausfall“ von dem Gros
der verantwortlichen Personen nicht ernst genommen wird. Es ist sehr wichtig, dass
diesen Personen bewusst wird, dass solche Schadenslagen eintreffen, und ihre Einrichtung betreffen können.
50
Um alle Altenpflegeheime Berlins auf den Stand zu bringen, der das Leben und die
Gesundheit der Bewohner auch im Schadensfall schützt, wäre eine Vorschrift notwendig die Notfallpläne in einem gewissen Umfang vorschreibt.
Die Untersuchung des Themas hat gezeigt, dass Altenpflegeheime in den Köpfen der
Gesellschaft noch immer Einrichtungen sind, in denen alte Menschen - um die sich
sonst niemand kümmern will - auf den Tod warten. Die besuchten Einrichtungen zeigen, innen wie auch nach außen, dass sie bemüht sind für die Sicherheit und das
Wohlbefinden der Menschen viel zu tun. Die Altenpflegeheime sind Einrichtungen, die
das letzte „traute Heim“ von Menschen sind, die dort mit Hilfe von Mitarbeitern ihr Leben in einem beschützen Rahmen bis zum Schluss verbringen sollen.
51
9
Quellenverzeichnis
Literatur
•
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•
Backes, Gertrud M. / Clemens, Wolfgang, München Juli 2008: Lebensphase Alter:
Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Altersforschung. 3. Auflage, Juventa
Verlag Weinheim und München.
•
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn August
2009, Broschüre: Für den Notfall vorgesorgt - Vorsorge und Eigenhilfe in Notsituationen. 11. Auflage
•
Innenministerium Baden-Württemberg und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe (Hrsg.), Stuttgart, Bonn 2009, Krisenmanagement bei einer großflächigen Unterbrechung der Stromversorgung - am Beispiel Baden-Württemberg-
Internet
•
Bevölkerungsschutzportal:
http://www.bevoelkerungsschutzportal.de/SharedDocs/Standardartikel/BVS/DE/ohn
eMarginalspalte/Naturkatastrophen/wesentl_Naturkatastrophen.html?nn=405216
(Letzter Stand: 15.11.2010, 20:10)
•
Energiechronik von Udo Leuschner:
http://www.udo-leuschner.de/energie-chronik/051101.htm
(Letzter Stand: 15.11.2010, 19:00)
•
Internetseite der Initiativen Pro Erdkabel NRW:
http://pro-erdkabel-nrw.npage.de/sturm_&_strom_43057889.html
(Letzter Stand 16.11.2010, 09:00)
•
Medizinlexikon im Internet: http://www.imedo.de/medizinlexikon/gerontologie
(Letzter Stand: 07.11.2010, 10:10)
52
•
Internetportal für Altenpflegeschüler:
http://www.altenpflegeschueler.de/psychologie-soziologie/altersaspekte.php
(Letzter Stand: 05.11.2010, 17:15)
•
Glossar eines Internetportals für Betreuung und Pflege:
http://www.betreut.de/pflege/glossar/t/traeger.html (Letzter Stand: 4.12.2010 14:25)
•
Informationsportal Gesundheit und Medizin:
http://www.netdoktor.de/Krankheiten/Demenz/ (Letzter Stand: 16.12. 2010. 19:10)
•
Informationsportal Gesundheit und Medizin:
http://www.onmeda.de/krankheiten/dekubitus.html
(Letzter Stand: 19.12.2010 17:50)
•
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; Gender Datenreport
– Lebensformen von Männern und Frauen im Alter:
http://www.bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/4-Familien-und-lebensformen-vonfrauen-und-maennern/4-8-lebensformen-von-frauen-und-maennern-im-alter.html
(Letzter Stand: 10.12.2010 09:05)
•
Werner Stangls Arbeitsblätter:
http://arbeitsblaetter.stangltaller.at/FORSCHUNGSMETHODEN/ProblemzentriertInterview.shtml
(Letzter Stand: 03.01.2010, 12:14 Uhr)
•
Dekubitus Informationsportal: http://www.dekubitus.de/dekubitusprophylaxehilfsmittel.htm (Letzter Stand: 19.12.2010 17:45)
•
Bestwig 2006, SMMP-Seniorenhilfe GmbH
http://www.fachseminareseke.de/fileadmin/media_fachseminar/Informationsmateria
l/Konzept_Wohnen_und_Leben_21.09.06.pdf (Letzter Stand: 10.12.2010)
•
Informationsplattform für Telefonie:
http://www.tariftip.de/rubrik2/19554/3/Festnetz-und-Internet.html
(Letzter Stand: 15.12.2010, 11:05)
53
Informationsportal Pflege:
•
http://www.pflegewiki.de/wiki/Enterale_Ernährung#Applikationsarten_f.C3.BCr_Son
denkost (Letzter Stand: 15.12.2009 15.45)
•
Thomas Kessler, Ambulanter Pflegedienst Limburg, Zeitung 1 Ausgabe 1 –
Grundlagen Lagerung bei Bettlägerigkeit.
http://www.pflegedienst-limburg.de/index.php?id=35
(Letzter Stand: 03.01.2010, 09:20)
Zeitschriften und Broschüren
•
Lenz, Susanne, Vulnerabilität Kritischer Infrastrukturen; Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn 2009
•
Deutsche Alzheimer Gesellschaft (Hrsg.) Berlin, August 2010; Selbsthilfe Demenz Das Wichtigste 1 - Die Epidemiologie der Demenz
•
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.), Bonn 2005, aktualisiert Juli 2008, Leitfaden - für die Einrichtung und den Betrieb einer Notstromversorgung - in Behörden und anderen wichtigen öffentlichen Einrichtungen
Statistiken
•
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Berlin, Dezember 2010; Statistischer Bericht
A I 11 – j / 09 Ergebnisse des Mikrozensus im Land Berlin 2009
•
Statistische Ämter des Bundes und des Landes (Hrsg.), Wiesbaden 2007; Demographischer Wandel in Deutschland – Heft 1 – Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Bund und in den Ländern.
•
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (Hrsg.), Berlin 2009, Alt und behindert - Wie sich der demografische Wandel auf das Leben von Menschen mit Behinderung auswirkt.
•
Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Hrsg.) November 2010, Statistischer Bericht K
VIII 1 – 2j / 09 – Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie Empfänger
von Pflegegeldleistungen in Berlin 2009.
54
•
Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2008, Pflegestatistik 2007 - Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Deutschlandergebnisse
•
Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in
Deutschland, Heft 1, 2007
Gesetze
•
Sozialgesetzbuch (SGB) – Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung,
26.05.1994; letzte Änderung, 25.06.2009.
•
Heimgesetz (HeimG), 07.08.1974, letzte Änderung, 29.07.2009
Sonstige Quellen
•
Studiengang SiMa WS 09/10 Vertiefungsgebiet II - Szenario länger andauernder
Stromausfall in Berlin.
•
TimeKontor AG (Hrsg.) Verbundprojektbeschreibung TankNotStrom, S.2.
•
Altenpflegeheim A
•
Altenpflegeheim B
55
10 Anhang
10.1 Empfohlener Lebensmittelvorrat für zwei Wochen, für einen Erwachsenen61
Getreideprodukte
Vollkornbrot
1000 g
Brot
Zwieback
250 g
Kartoffeln
Knäckebrot
1000 g
Nudeln
400 g
Reis
250 g
Hafer-/Getreideflocken
750 g
Kartoffeln
1000 g
Bohnen in Dosen
800 g A.
Erbsen/Möhren in Dosen
900 g A.
Rotkohl in Dosen/Gläsern
700 g A.
Sauerkraut in Dosen
700 g A.
Spargel in Gläsern
400 g A.
Mais in Dosen
400 g A.
Pilze in Dosen
400 g A.
Saure Gurken im Glas
400 g A.
Rote Beete
400 g A.
Zwiebeln, frisch
500 g
Kirschen im Glas
700 g A.
Birnen in Dosen
250 g A.
Aprikosen in Dosen
250 g A.
Mandarinen in Dosen
350 g A.
Ananas in Dosen
350 g A.
Rosinen
200 g A.
Haselnusskerne
200 g A.
Trockenpflaumen
250 g A.
Obst, frisch (Äpfel, Birnen, Bananen, Zitrusfrüchte)
1000 g
Gemüse
4,6 kg
5,6 kg
Hülsenfrüchte
Obst
61
3,5 kg
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn August 2009, Broschüre: Für den Notfall vorgesorgt - Vorsorge und Eigenhilfe in Notsituationen. 11. Auflage;
S.41-43..
56
Getränke*
Mineralwasser
12 l
Stilles Wasser
12l
Zitronensaft
0,2 l
Kaffee
250 g
Schwarzer Tee
125 g
H-Milch
3l
Hartkäse
700 g
Thunfisch in Dosen
150 g A.
Fleisch
Ölsardinen in Dosen
100 g A.
Eier
Hering in Soße
100 g
Corned Beef in Dosen
250 g
Bockwürstchen im Glas/Dose
300 g A.
Kalbsleberwurst im Glas/Dose
100 g
Dauerwurst (z.B. Salami)
300 g
6 Eier
360 g
Streichfett
250 g
Öle
Öl (z.B. Maiskeim/Sonnenblumen)
0,3 l
Sonstiges nach
Belieben z.B.
Zucker
Milch
24 l
3,7 kg
Milchprodukte
Fisch
Fette
1,7 kg
0,5 kg
Süßstoff
Honig
Marmelade
Schokolade
Jodsalz
Fertiggerichte (z.B. Ravioli, getrocknete Tortellini, Fertigsuppen)
Kartoffeltrockenprodukte (z.B. Kartoffelbrei)
Mehl
Instantbrühe
Kakaopulver
Hartkekse
Salzstangen
A. = Abtropfgewicht
* Bei dem vorgeschlagenen Getränkevorrat wurde über den reinen Bedarf an Trinkwasser hinaus ein Zuschlag vorgenommen, um unabhängig von der öffentlichen
Trinkwasserversorgung auch über Wasser zur Zubereitung von Lebensmitteln wie z.B.
Teigwaren, Reis oder Kartoffeln zu verfügen.
57
10.2 Checkliste Utensilien für den Stromausfall62
Was ist bereits vorhanden?
Ja
Nein
Kerzen, Teelichte
Streichhölzer, Feuerzeug
Taschenlampe
Camping- / Spirituskocher mit Brennmaterial
Heizgelegenheit
Brennstoffe
62
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Hrsg.) Bonn August 2009, Broschüre: Für den Notfall vorgesorgt - Vorsorge und Eigenhilfe in Notsituationen. 11. Auflage;
S.41-43..
58
10.3 Interviewleitfaden Haus A
Einrichtung:
Haus A
Gesprächspartner:
Heimleitung, Mitarbeiterin im zentralen Qualitätsmanagement
Allgemeines:
Heimleitung:
Anonym
Adresse:
Anonym
Träger/ Verband/ Unternehmensgruppe:
Anonym,
Lage:
In einem Berliner Randbezirk
Gegründet (Datum):
Achtziger Jahre
ÖPNV:
Gute Anbindung, kurze Wege zu Stationen und Haltestellen
Infrastruktur:
Keine Lebensmittelläden oder Geschäfte in unmittelbarer Nähe
59
Stellen Sie sich bitte vor, dass in Berlin (und Brandenburg) der Strom für mehrere Tage ausfällt. Welche Auswirkungen wird dieses Geschehen voraussichtlich
auf Ihr Altenpflegeheim haben:
Die Frage löst zunächst Ratlosigkeit aus.
Die Heimleitung versucht sich ein Bild von der Situation zu machen. Die Interviewerin gibt weitere Informationen über den Ausfall anderer kritischer Infrastrukturen.
Die Heimleitung sagt, dass ein mehrtägiger Stromausfall wohl schon starke Auswirkungen auf die Einrichtung haben würde. Um welche Auswirkungen es sich wahrscheinlich handeln würde, konnte ad-hoc nicht beantwortet werden.
Was denken Sie, welche psychischen Auswirkungen ein mehrtägiger Stromausfall auf die Bewohner/-innen haben wird? Wie wird sich das äußern? (Denken Sie,
dass grade ältere/ alte Menschen durch ihre Erfahrung mit der Situation gut umgehen
oder wird diese Situation großes Unbehagen, vielleicht sogar Angst und Unruhe auslösen?)
Um die Bewohner macht sich die Heimleitung wenig Sorgen, da die meisten Bewohner solche Situationen noch aus dem Krieg kennen.
Einzelne Personen könnten eventuell Angst bekommen, an sich würde sich nicht
viel ändern im Vergleich zum Alltag. Die Mitarbeiter würden die Bewohner aufklären
soweit das möglich ist. Im Wesentlichen sieht die Heimleitung keine psychischen
Auswirkungen auf Bewohner und sagt, dass die Situation handhabbar wäre. Käme
auch immer auf das Klientel an, welches zu der Zeit im Heim wohnt.
Heimleitung macht sich eher Gedanken im Bezug auf die Mitarbeiter.
Was löst der Gedanke an einen mehrtägigen Stromausfall in Ihnen aus?
Heimleitung sagt direkt:
Das würde eine große Herausforderung bedeuten.
Die Heimleitung würde sofort alles rationieren, vom Müllbeutel bis zum Essen.
Ein Krisenstab müsste eingerichtet werden, darin müssten die Hausdame, die für
die Hauswirtschaft verantwortlich ist sein und der Hausmeister / Haustechniker.
Heimleitung überlegt, ob alle Bereiche des Hauses noch zugänglich wären und ob
auch alles zu sichern wäre. Kommt zu dem Entschluss, dass auch elektronisch
funktionierende Türen manuell zu bedienen wären.
Die Heimleitung denkt kurz über die Wäsche und den Müll nach, kommt dann zu
dem Entschluss, dass sie Müll und Wäsche in Säcken im Garten lagern würde.
60
Was denken Sie, wie Sie und Ihre Mitarbeiter/innen in dieser Situation reagieren?
Und welche Gefühle und Gedanke würden sich in solch einer Situation einstellen?
Heimleitung erwähnt, dass einige Mitarbeiter Kinder haben, die würden sich große
Sorgen um ihre Familien machen.
Aus Erfahrungen (starker Sturm) weiß sie, dass die Mitarbeiter nicht kommen würden und auch nicht alle bleiben würden.
Die Mitarbeiter zu holen, nach ihnen zu schicken wäre kaum möglich, da alle ziemlich weit entfernt wohnen. Keiner könnte das Heim fußläufig erreichen.
Das wäre eine sehr schwierige Situation und eine Unterversorgung / Unterbesetzung wäre sehr wahrscheinlich.
Wie würden Sie in dieser Extremlage mit der Verantwortung für so viele, von Ihnen abhängige, Menschen umgehen?
Heimleitung ist auf Notfälle, schwierige Lagen vorbereitet, könnte mit solch einer
Situation umgehen und auch strukturiert und ruhig weiter verfahren. Zur Not würde
die Leitung auch Hilfe von Nachbarn und anderen Menschen von Außen holen.
Fragen zur Pflege und zu den Bewohnern/-innen:
Derzeitige Anzahl der Bewohner/-innen:
um die 50
Anzahl der Bewohner/-innen mit Pflegeform I / II / III / ohne Pflegeform
Alle Pflegestufen sind vertreten
Wie viele Bewohner/-innen gibt es, die nicht alleine laufen können, bzw. sich mit
ihrem Rollstuhl nicht allein fortbewegen können?
Heimleitung sagt, dass alle Bewohner so weit eingeschränkt seien, dass keiner
ohne Fahrstuhl in ein anderes Stockwerk kommen könnte.
Wie viele Bewohner/-innen sind bei einer Verlegung ans Bett gebunden?
Einige
Wie viele Bewohner/-innen gibt es ohne Angehörige?
Das seien ca. 1/3 aller Bewohner
Wie viele Bewohner/-innen könnten im Falle eines mehrtägigen Stromausfalls bei
Angehörigen/Freunden unterkommen?
Das könne Niemand
61
Räumlichkeiten für Bewohner/- innen:
Anzahl Pflegeplätze:
--Anzahl Einzelzimmer:
über 25
Anzahl Doppelzimmer:
über 15
Etagen:
Erdgeschoss , 1. und 2. OG
Ausstattung der Zimmer:
Die Zimmer haben einen Sanitärraum mit Dusche und WC, es gibt Radio und TV
mit Kabelanschluss, einen Telefonanschluss, eine Hausnotrufanlage. Das mitbringen von eigenen Möbeln ist möglich.
Gemeinschaftsräume:
Es gibt einen Speisesaal, Aufenthaltsräume und Beschäftigungs-Therapieräume.
Sonstige Räumlichkeiten:
Es gibt einen Garten.
Service für die Bewohner/-innen (z.B. Einkaufsservice etc.):
Es werden die Zimmerreinigung und ein Wasch-und Reinigungsservice angeboten.
Es gibt einen Apothekenservice, einen Einkaufs-und Getränkeservice, ebenfalls
werden Hausmeisterleistungen angeboten Man kann Diätküche und Schonkost
wählen. Fußpfleger und Friseur kommen ins Haus. Es werden Ausflüge und Besichtigungen organisiert und angeboten. Auf ärztl. Verordnung: Ergotherapie, Gymnastik, Krankengymnastik.
62
Für welche Bereiche sind Redundanzen erforderlich?
Welche Arbeitsgeräte (Computer, Medizintechnische Geräte) und Bereiche (Verwaltung, Speisesaal) sind unbedingt aufrecht zu erhalten, um die Kernaufgaben
des Altenheims aufrecht zu erhalten?
Manchmal würde ein Sauerstoffgerät benötigt. Das Gerät verfüge über keine Batterie und keinen Akku. Für die Ernährung über Sonden gäbe es andere Möglichkeit
als elektrische Ernährungspumpen. Computer würde nicht benötigt werden.
Welche Aufgaben sehen sie als Kernaufgaben?
Die Pflege der Patienten und die psychosoziale Betreuung.
Notstromversorgung:
Ist eine Notstromversorgung eingerichtet oder geplant?
Ist eingerichtet.
Wenn nein, Warum nicht?
Kein Bedarf, teuer, aufwendig, noch nicht drüber nachgedacht, etc.
--Wenn ja: Art? Umfang?
Bei einer Notstromversorgung wird generell unterschieden zwischen USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung Æ Akkumulatoren) und NEA (Netzersatzanlage Æ Generatoren durch Dieselmotoren betrieben) (NEAÆ wann läuft diese an?)
Heimleitung war sich nicht sicher, Informationen gab es erst bei der Besichtigung
des Gerätes und im telefonischen Nachgespräch.
Für welchen Zeitraum ist die Notstromversorgung ausgelegt?
Heimleitung war sich nicht sicher, schätzte 3-4 Stunden
Ist die Notstromversorgung mobil oder stationär?
Stationär
Wenn NEA Æ gibt es einen Kraftstoffvorrat? Menge?
Wusste die Heimleitung nicht, Informationen erst beim telefonischen Nachgespräch
Wenn USV Æ gibt es einen (zusätzlichen) Einspeisungspunkt für NEV?
(z.B. für THW?)
Nein.
63
Wer ist zuständig/autorisiert für Wartung, Instandhaltung, Betrieb?
evtl. Fremdfirma?
Fremdfirma käme zum Warten der Anlage. Würde ein Mal im Monat vom Haustechniker angeschaltet und getestet. Der Haustechniker, die Heimleitung und Fachkräfte, von denen immer eine im Haus sei seien autorisiert. Haustechniker sei zuständig.
Ist das Gerät für autorisierte Personen immer zugänglich? (Schlüssel/ Zufahrt)
Ja
Wird regelmäßig gewartet, getestet und geübt? Intervalle?
Gewartet und getestet würde regelmäßig. Geübt nicht. 1x Monat Test.
Haustechnik:
Technik zur Sicherheit (zum Überleben) einzelner Bewohner:
Gibt es Bewohner/-innen, die auf lebenserhaltende Geräte angewiesen sind? Wie
viele? Und auf welche Geräte?
Ab und zu würde das eine Sauerstoffgerät benötigt, sonst nicht.
Sind diese Geräte Batterie-gepuffert? Wie lange können die Geräte noch betrieben werden? Werden die Personen in ein Krankenhaus verlegt?
Zur Not Krankenhaus.
Funktioniert das 24-Stunden-Notrufsystem noch bei Stromausfall?
Heimleitung ist nicht sicher, eher nein.
Gibt es ein elektronisches Sicherheitssystem zur Ortung einiger Bewohner/innen? (z.B. Sender in Armbanduhr)
Nein
Daten/ Verwaltung:
Haben alle Bewohner/-innen ihre Stammdaten und ihre Medikation immer schriftlich griffbereit?
Mitarbeiter hätten diese.
Sind die Stammdaten und die Medikation, ggf. Informationen über die Bewohner/-innen dem Personal zur Hand? (Nicht nur auf einem PC oder Massenspeichergerät?)
Ja
64
Ist es festgehalten, welche Bewohner/-innen sich derzeit im Gebäude aufhalten?
(Oder wer grade z.B. in der Stadt oder bei Verwandten ist?)
Ja, die Pflegekräfte wüssten immer Bescheid.
Gibt es Informationen darüber, welche Bewohner/-innen im Fall eines mehrtägigen Stromausfalls in ein Krankenhaus verlegt werden müssen?
(Wachkoma, weit fortgeschrittene Demenz?)
Es gäbe eine umfassende Dokumentation über die Patienten.
Kann festgestellt werden, ob Bewohner/-innen zurzeit unbemerkt das Gebäude/Gelände verlassen haben? (Weit fortgeschrittene Demenz?)
Ja, würde auffallen.
Ist schriftlich einzusehen, welches Personal sich gerade im Dienst befindet/ sich
im Haus aufhält?
Ja, wisse man auch so.
Welche Art von Fernmeldenetz gibt es? (Analog/ Digital?)
Digital
Wie kann in kürzester Zeit sämtliches Personal alarmiert werden?
(Gibt es >aktuelle< Alarmierungspläne für Personal i. d. Freizeit, im Urlaub, a. Dienst?)
Sei nicht möglich, Handynummern bekannt aber sonst keine Möglichkeit
Kann evtl. eine Durchsage gemacht werden für die interne Kommunikation, Information?
Lautsprecher wären da, würden nicht benutzt werden.
Gibt es einen Informations- und Sammelraum, wo sich die Bewohner/innen einfinden können bei allgemeinem Informationsbedarf (falls keine Durchsage etc.
möglich)
Es gibt Aufenthaltsräume, dennoch würden die Bewohner denen es möglich wäre
ins Dienstzimmer kommen.
Sind ausreichend Taschenlampen vorhanden? Können sich Bewohner/-innen
Taschenlampen z.B. aus einem Dienst-/Schwesternzimmer holen?
Es seien zwei pro Dienstzimmer vorhanden.
65
Technik allgemein:
Gibt es eine Notbeleuchtung? Wenn ja, in welchem Umfang?
Gäbe es, nur für Flure.
Gibt es eine Brandmeldeanlage (BMA)? Manuell oder automatisch? Funktioniert
diese bei Stromausfall?
Sei manuell. Wahrscheinlich sei diese NotstromversorgtGibt es eine Feuerlöschanlage? Manuell oder automatisch? Funktioniert diese
noch bei Stromausfall?
Feuerlöscher und Wandhydrant, dieser sei manuell
Weitere Sicherheitssysteme? (Einbruchmeldeanlage-EMA, Kameraüberwachung?):
--Sind Fahrstühle vorhanden? Haben diese eine Einrichtung, um manuell geöffnet
zu werden? Wie lange würde es dauern, um Personen aus dem Fahrstuhl/den
Fahrstühlen zu retten?
Ein Lastenaufzug, ein Personenaufzug. Würde kein Problem sein Personen zu befreien, käme im normalen Betrieb auch mal vor. Der Fahrstuhl würde in den Keller
herunter gefahren werden, Bewohner würden hoch getragen werden.
Sanitärtechnik:
Welche Technik gibt es in den Sanitärbereichen? (Hebe- und Senktechniken?)
Es gäbe eine Generalpumpe.
Wasserversorgung/-entsorgung:
Wofür wird Wasser benötigt? Sanitärräume, Küche, Wäscherei, Heizung? Sterilisieren von Geräten? Weitere?
Trinkwasser
Ist eine elektronische Wasserpumpe vorhanden? Funktion bei Stromausfall?
Wahrscheinlich sei diese über Notstrom betrieben.
66
Ab wann wird die nicht mehr funktionierende Abwasserentsorgung zum Problem? Stunden/ Tage? (Geruch, Infektionsgefahr?)
Nach einem Tag. (Überlaufbecken)
Küche intern: wäre Notstromversorgt.
Gibt es einen Kühlraum? Funktion bei Stromausfall? Wie lange ist die Kühlung
noch ohne Strom kühl?
Kühlraum und Gefrierraum nicht mit versorgt
Wie lange würden die Lebensmittel- und Wasservorräte (ohne weitere Lieferungen) reichen? (Lebensmittel, die nicht zubereitet o. gekühlt werden müssen)
drei komplette Essen sind eingefroren. Würde keine Woche reichen.
Von wo werden die Lebensmittel und Getränke bezogen?
Lieferung
Küche Extern:
Von wo werden die Mahlzeiten bezogen?
---
Wäscherei Intern:
Ist die Reinigung noch möglich?
--Wie viele Handtücher, Bettzeug etc. werden gewaschen gelagert?
Ab Lieferungstag eine Woche.
Wie oft werden normalerweise Handtücher und Bettzeug gewechselt?
Täglich, nach Bedarf
Ab wann ist ein Ausfall der Wäscherei hygienisch bedenklich?
Abhängig davon, wann Lieferung kam.
67
Medikamente:
Gibt es einen Medikamentenvorrat? Wie lange reicht dieser?
Ja, für ca. 4 Wochen
Müssen einige Medikamente gekühlt werden? (z.B. Insulin) Æ möglich?
Ja, draußen oder Keller.
Von wo werden die Medikamente bezogen?
Lieferung
Medizinische Verbrauchsmaterialien:
Welche medizinischen Verbrauchsmaterialien werden benötigt? (Verbandsmaterial, Spritzen, Kanülen, Katheter, Inkontinenz-Produkte?)
Rettungsdienst und Patiententransport:
Sind eigene Patiententransportwagen vorhanden? Wie viele?
--Haben Altenpflegeheime Vorrang bei Notfällen, Krankentransporten?
---
Personal (Art und Anzahl der Beschäftigten) Wie viele sind jeweils am Tage und nachts im Dienst?
Anzahl Personal gesamt:
über 30
68
Geschäftsführung und Verwaltung:
Außerhalb
Ärzte/ Ärztinnen:
Hausarzt 1x pro Wochen, bei Bedarf.
Pflege und Betreuung:
Über 20 Personen, Nachtschicht 2 Personen, Spät 3-4, Früh 4,5-5
Soziale Betreuung:
1 Sozialarbeiter, 1 Demenz-Betreuung
Hauswirtschaftsbereich:
Über 3
Haustechnischer Bereich:
Keine volle Stelle
Weitere:
---
Fragen zum Personal:
Wie viele der regulären Mitarbeiter/-innen werden Ihrer Einschätzung nach bei
einem Stromausfall zum Dienst erscheinen? Und wie viele Mitarbeiter/-innen
werden aufgrund von Problemen (große Entfernung, eigene familiäre Verpflichtungen) wahrscheinlich nicht kommen?
Fraglich ob jemand kommt.
Könnte es kompensiert werden wenn evtl. sogar die Hälfte des Personals aufgrund des Stromausfalls nicht zur Arbeit kommen kann? Wie würden Sie damit
umgehen?
Ja, Hilfe von Nachbarn holen.
69
Gibt es eine kritische Mitarbeiter(innen)anzahl, die nicht unterschritten werden
darf, um den Betrieb des Altenpflegeheims aufrecht zu erhalten?
12 eher 13
Gibt es eine/n Sicherheitsbeauftragte/n oder jemanden, der für etwaige Schulungen zuständig ist?
Haustechniker (Fortbildungen absolviert, z.B. Arbeitsschützer)
Gibt es einen Notfallplan, festgelegte Funktionsträger/-innen für einen Krisenfall? Wenn ja, welche?
Ja, Ersthelfer, Personal ist geschult z.B. Feuer zu löschen.
Weitere Fragen:
Wäre es möglich, dass es aufgrund eines mehrtägigen Stromausfalls zur Evakuierung des Altenpflegeheims kommt?
Unrealistisch aber möglich.
70
10.4 Interviewleitfaden Haus B
Einrichtung:
Haus B
Gesprächspartner:
Zwei Personen der Heimleitung
Allgemeines:
Heimleitung:
Anonym
Adresse:
Anonym
Träger/ Verband/ Unternehmensgruppe:
Anonym
Lage:
Innerhalb des Berliner Rings, zentral.
Gegründet (Datum):
Siebziger Jahre
ÖPNV:
Sehr gute Anbindung, kurze Wege zu Stationen und Haltestellen
Infrastruktur:
Viele Lebensmittelläden und Geschäfte in unmittelbarer Nähe
71
72
Stellen Sie sich bitte vor, dass in Berlin (und Brandenburg) der Strom für mehrere Tage ausfällt. Welche Auswirkungen wird dieses Geschehen voraussichtlich
auf Ihr Altenpflegeheim haben:
Zunächst hat die Interviewerin Informationsmaterial zum Projekt „TankNotStrom“
ausgegeben und die Bedeutung von kritischen Infrastrukturen im Bezug auf das
Thema erläutert.
Löst zunächst Ratlosigkeit aus. Die Heimleitung sagt, dass sie sich noch nie mit
dieser Situation, diesem Szenario auseinandergesetzt hat. Und fragt, wie wahrscheinlich das Eintreten ist. Interviewerin erläutert, dass es ein mögliches Szenario
ist und nennt Gründe hierfür.
Die Heimleitung kann sich die Situation schwer vorstellen. Noch wird ihnen nicht
bewusst, wie weitreichend und verheerend ein flächendeckender, mehrtägiger
Stromausfall in Berlin sein könnte, auch für ihr Altenpflegeheim.
Was denken Sie, welche psychischen Auswirkungen ein mehrtägiger Stromausfall auf die Bewohner/-innen haben wird? Wie wird sich das äußern? (Denken Sie,
dass grade ältere/ alte Menschen durch ihre Erfahrung mit der Situation gut umgehen
oder wird diese Situation großes Unbehagen, vielleicht sogar Angst und Unruhe auslösen?)
Die Heimleitung meint, dass wahrscheinlich ein großer Teil der Bewohner damit
umgehen könnte. Aus Erfahrung wissen sie, dass ein weiterer Teil ängstlich reagieren würde. Beim Testen der Brandmeldeanlage ist es in der Vergangenheit dazu
gekommen, dass sie Angst davor hatten, dass sich der Krieg wiederholen könnte.
Einige würden in der Situation wahrscheinlich herumirren und aus dem Gebäude
laufen. Probleme würden aber eher die jüngeren Haben, die es nicht mehr kennen,
dass kein Strom vorhanden ist.
Was löst der Gedanke an einen mehrtägigen Stromausfall in Ihnen aus?
Heimleitung findet den Gedanken an einen mehrtägigen Stromausfall nicht beängstigend, sind optimistisch. Meinen, dass viele Decken im Haus sind, falls es kälter ist.
In der Pflege der Patienten gibt es kaum elektrisch betriebene Sachen und das
könnte kompensiert werden, musste früher auch ohne gehen.
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Was denken Sie, wie Sie und Ihre Mitarbeiter/innen in dieser Situation reagieren?
Und welche Gefühle und Gedanke würden sich in solch einer Situation einstellen?
Die Heimleitung ist sich sicher, dass sich die Mitarbeiter behelfen können und dass
sie kreativ sind.
Es müsste schnell ein Notfallplan entwickelt werden, um alles auf ein Minimum herunter zu fahren.
Wie würden Sie in dieser Extremlage mit der Verantwortung für so viele, von Ihnen abhängige, Menschen umgehen?
Hausverwaltung würde einen kleinen Krisenstab im Haus einrichten, die Schichten
der Mitarbeiter von 8 Stunden auf 12 Stunden erhöhen. Die Heimleitung wäre sofort
rund um die Uhr vor Ort.
Fragen zur Pflege und zu den Bewohnern/-innen:
Derzeitige Anzahl der Bewohner/-innen:
--Anzahl der Bewohner/-innen mit Pflegeform I / II / III / ohne Pflegeform
Keine Aussage Datenschutz! Sind alle pflegebedürftig.
Wie viele Bewohner/-innen gibt es, die nicht alleine laufen können, bzw. sich mit
ihrem Rollstuhl nicht allein fortbewegen können?
80% können nicht alleine laufen oder sich alleine fortbewegen. Eigentlich sind alle
auf Hilfe angewiesen.
Wie viele Bewohner/-innen sind bei einer Verlegung ans Bett gebunden?
Viele
Wie viele Bewohner/-innen gibt es ohne Angehörige?
Die Meisten.
Wie viele Bewohner/-innen könnten im Falle eines mehrtägigen Stromausfalls bei
Angehörigen/Freunden unterkommen?
Vereinzelt jemand, könnte sein, ist aber sehr unwahrscheinlich.
Räumlichkeiten für Bewohner/- innen:
Anzahl Pflegeplätze:
über 200
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Anzahl Einzelzimmer:
Doppelzimmer können auch als Einzelzimmer genutzt werden
Anzahl Doppelzimmer:
über 100
Etagen:
7
Ausstattung der Zimmer:
Die Zimmer haben einen behindertengerechten Sanitärraum mit Dusche und WC,
einige Zimmer haben einen Balkon oder eine Terrasse. Hausinternes 24-Stunden
Notrufsystem. Zimmer sind teilmöbliert, Eigene Möbel und Haustiere möglich.
Gemeinschaftsräume:
Aufenthaltsräume, Beschäftigungstherapieräume, Bibliothek, Restaurant mit Terrasse, Räumlichkeiten für Privatfeiern, Snoezelenraum.
Sonstige Räumlichkeiten:
Terrassen, Garten.
Service für die Bewohner/-innen (z.B. Einkaufsservice etc.):
Großes Freizeit- und Betreuungsangebot, Diätküche, Schonkost und Vegetarische
Küche werden geboten. Hausmeisterleistungen werden erbracht. Einkaufsfahrten
und Fahrdienst sind möglich.
Für welche Bereiche sind Redundanzen erforderlich?
Welche Arbeitsgeräte (Computer, Medizintechnische Geräte) und Bereiche (Verwaltung, Speisesaal) sind unbedingt aufrecht zu erhalten, um die Kernaufgaben
des Altenheims aufrecht zu erhalten?
Am wichtigsten wäre die Wasserver- und entsorgung aufrecht erhalten zu können.
Dann die Beleuchtung und die Küche. Ebenfalls wichtig wären die Aufzüge, auch
wenn die Bewohner überwiegend auf ihren Stockwerken bleiben.
Welche Aufgaben sehen sie als Kernaufgaben?
Die Pflege und Betreuung der Hausbewohner.
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Notstromversorgung:
Ist eine Notstromversorgung eingerichtet oder geplant?
Ist eingerichtet.
Wenn nein, Warum nicht?
Kein Bedarf, teuer, aufwendig, noch nicht drüber nachgedacht, etc.
--Wenn ja: Art? Umfang?
Bei einer Notstromversorgung wird generell unterschieden zwischen USV (Unterbrechungsfreie Stromversorgung Æ Akkumulatoren) und NEA (Netzersatzanlage Æ Generatoren durch Dieselmotoren betrieben) (NEAÆ wann läuft diese an?)
Unterlagen ist zu entnehmen, dass es sich bei der Anlage um eine NEA handelt,
Anlaufverzögerung ist nicht genannt.
Für welchen Zeitraum ist die Notstromversorgung ausgelegt?
ca. 24 Stunden, Heimleitung ist sich nicht ganz sicher ob diese Zeitangabe richtig
ist.
Ist die Notstromversorgung mobil oder stationär?
Stationär
Wenn NEA Æ gibt es einen Kraftstoffvorrat? Menge?
Nein
Wenn USV Æ gibt es einen (zusätzlichen) Einspeisungspunkt für NEV?
(z.B. für THW?)
Ist fraglich
Wer ist zuständig/autorisiert für Wartung, Instandhaltung, Betrieb?
evtl. Fremdfirma?
Wahrscheinlich Fremdfirma für Wartung, sonst Haustechniker
Ist das Gerät für autorisierte Personen immer zugänglich? (Schlüssel/ Zufahrt)
Ja, für Hausmeister/Haustechniker, Hausleitung besitzt ebenfalls Schlüssel.
Wird regelmäßig gewartet, getestet und geübt? Intervalle?
Gewartet und getestet wird regelmäßig. Übungen sind nicht vorgesehen. Intervalle
sind nicht bekannt.
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Haustechnik:
Technik zur Sicherheit (zum Überleben) einzelner Bewohner:
Gibt es Bewohner/-innen, die auf lebenserhaltende Geräte angewiesen sind? Wie
viele? Und auf welche Geräte?
Nein
Sind diese Geräte Batterie-gepuffert? Wie lange können die Geräte noch betrieben werden? Werden die Personen in ein Krankenhaus verlegt?
Nein
Funktioniert das 24-Stunden-Notrufsystem noch bei Stromausfall?
24 Stunden lang
Gibt es ein elektronisches Sicherheitssystem zur Ortung einiger Bewohner/innen? (z.B. Sender in Armbanduhr)
Nein
Daten/ Verwaltung:
Haben alle Bewohner/-innen ihre Stammdaten und ihre Medikation immer schriftlich griffbereit?
Nein
Sind die Stammdaten und die Medikation, ggf. Informationen über die Bewohner/-innen dem Personal zur Hand? (Nicht nur auf einem PC oder Massenspeichergerät?)
Ja
Ist es festgehalten, welche Bewohner/-innen sich derzeit im Gebäude aufhalten?
(Oder wer grade z.B. in der Stadt oder bei Verwandten ist?)
Ja, wird morgens in der „Blitzrunde“ erwähnt und über den Tag fortgeschrieben.
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Gibt es Informationen darüber, welche Bewohner/-innen im Fall eines mehrtägigen Stromausfalls in ein Krankenhaus verlegt werden müssen?
(Wachkoma, weit fortgeschrittene Demenz?)
Ja, die Informationen sind immer auf dem aktuellen Stand
Kann festgestellt werden, ob Bewohner/-innen zurzeit unbemerkt das Gebäude/Gelände verlassen haben? (Weit fortgeschrittene Demenz?)
Schwierig, auch schon im Alltag.
Ist schriftlich einzusehen, welches Personal sich gerade im Dienst befindet/ sich
im Haus aufhält?
Ja
Welche Art von Fernmeldenetz gibt es? (Analog/ Digital?)
Digital
Wie kann in kürzester Zeit sämtliches Personal alarmiert werden?
(Gibt es >aktuelle< Alarmierungspläne für Personal i. d. Freizeit, im Urlaub, a. Dienst?)
Jemanden nach ihnen schicken. Würden aber auch von alleine kommen.
Kann evtl. eine Durchsage gemacht werden für die interne Kommunikation, Information?
Jemand (Heiml.) würde durch die Etagen gehen, dann Weitergabe der Infos.
Gibt es einen Informations- und Sammelraum, wo sich die Bewohner/innen einfinden können bei allgemeinem Informationsbedarf (falls keine Durchsage etc.
möglich)
Jede Etage hat Tagesräume, die dafür genutzt werden könnten.
Sind ausreichend Taschenlampen vorhanden? Können sich Bewohner/-innen
Taschenlampen z.B. aus einem Dienst-/Schwesternzimmer holen?
Auf jeder Etage ist eine Taschenlampe vorhanden.
Technik allgemein:
Gibt es eine Notbeleuchtung? Wenn ja, in welchem Umfang?
Ja, beim Umfang kann keine genaue Aussage getroffen werden, vermutlich Flure,
nicht die Bewohner-Zimmer.
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Gibt es eine Brandmeldeanlage (BMA)? Manuell oder automatisch? Funktioniert
diese bei Stromausfall?
Ja, automatisch, ob die bei Stromausfall funktioniert ist der Heimleitung nicht bekannt.
Gibt es eine Feuerlöschanlage? Manuell oder automatisch? Funktioniert diese
noch bei Stromausfall?
Feuerlöscher
Weitere Sicherheitssysteme? (Einbruchmeldeanlage-EMA, Kameraüberwachung?):
24 Std. Wachdienst
Sind Fahrstühle vorhanden? Haben diese eine Einrichtung, um manuell geöffnet
zu werden? Wie lange würde es dauern, um Personen aus dem Fahrstuhl/den
Fahrstühlen zu retten?
Mehrere, Rettung würde ca. 10-30 min dauern.
Sanitärtechnik:
Welche Technik gibt es in den Sanitärbereichen? (Hebe- und Senktechniken?)
---
Wasserversorgung/-entsorgung:
Wofür wird Wasser benötigt? Sanitärräume, Küche, Wäscherei, Heizung? Sterilisieren von Geräten? Weitere?
Nichts weitere.
Ist eine elektronische Wasserpumpe vorhanden? Funktion bei Stromausfall?
Ja, ob noch in Betrieb kann nicht beantwortet werden.
Ab wann wird die nicht mehr funktionierende Abwasserentsorgung zum Problem? Stunden/ Tage? (Geruch, Infektionsgefahr?)
Ziemlich schnell
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Küche intern: wäre Notstromversorgt.
Gibt es einen Kühlraum? Funktion bei Stromausfall? Wie lange ist die Kühlung
noch ohne Strom kühl?
Eher nicht versorgt.
Wie lange würden die Lebensmittel- und Wasservorräte (ohne weitere Lieferungen) reichen? (Lebensmittel, die nicht zubereitet o. gekühlt werden müssen)
Ca. 7 Tage
Von wo werden die Lebensmittel und Getränke bezogen?
Lieferung vom Großhandel
Küche Extern:
Von wo werden die Mahlzeiten bezogen?
---
Wäscherei Intern:
Ist die Reinigung noch möglich?
Nein
Wie viele Handtücher, Bettzeug etc. werden gewaschen gelagert?
ca. Vorrat für 7 Tage
Wie oft werden normalerweise Handtücher und Bettzeug gewechselt?
Handtücher täglich, Bettzeug alle zwei Tage und nach Bedarf
Ab wann ist ein Ausfall der Wäscherei hygienisch bedenklich?
Nach 7 Tagen
Medikamente:
Gibt es einen Medikamentenvorrat? Wie lange reicht dieser?
Ja, für ca. 7 Tage
Müssen einige Medikamente gekühlt werden? (z.B. Insulin) Æ möglich?
Ja, würden dann im Keller gelagert werden.
80
Von wo werden die Medikamente bezogen?
Lieferung
Medizinische Verbrauchsmaterialien:
Welche medizinischen Verbrauchsmaterialien werden benötigt? (Verbandsmaterial, Spritzen, Kanülen, Katheter, Inkontinenz-Produkte?)
Werden alle benötigt, Vorrat für ca. 7 Tage.
Rettungsdienst und Patiententransport:
Sind eigene Patiententransportwagen vorhanden? Wie viele?
Ein Bus, kann niemanden liegend transportieren.
Haben Altenpflegeheime Vorrang bei Notfällen, Krankentransporten?
Nein
Personal (Art und Anzahl der Beschäftigten) Wie viele sind jeweils am Tage und nachts im Dienst?
Anzahl Personal gesamt:
Tags über 30, nachts min. 5 (Pflege)
Geschäftsführung und Verwaltung:
keine konkrete, feste Zahl
Ärzte/ Ärztinnen:
keine konkrete, feste Zahl
Pflege und Betreuung:
s.o.
Soziale Betreuung:
keine konkrete, feste Zahl
Hauswirtschaftsbereich:
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keine konkrete, feste Zahl
Haustechnischer Bereich:
keine konkrete, feste Zahl
Weitere:
keine konkrete, feste Zahl
Fragen zum Personal:
Wie viele der regulären Mitarbeiter/-innen werden Ihrer Einschätzung nach bei
einem Stromausfall zum Dienst erscheinen? Und wie viele Mitarbeiter/-innen
werden aufgrund von Problemen (große Entfernung, eigene familiäre Verpflichtungen) wahrscheinlich nicht kommen?
Würden wahrscheinlich fast alle kommen.
Könnte es kompensiert werden wenn evtl. sogar die Hälfte des Personals aufgrund des Stromausfalls nicht zur Arbeit kommen kann? Wie würden Sie damit
umgehen?
Wird nicht eintreten. Zur Not müssten andere Mitarbeiter informiert werden.
Gibt es eine kritische Mitarbeiter(innen)anzahl, die nicht unterschritten werden
darf, um den Betrieb des Altenpflegeheims aufrecht zu erhalten?
25 Personen
Gibt es eine/n Sicherheitsbeauftragte/n oder jemanden, der für etwaige Schulungen zuständig ist?
Hausmeister (Brandschützer), Heimleitung
Gibt es einen Notfallplan, festgelegte Funktionsträger/-innen für einen Krisenfall? Wenn ja, welche?
Ja, Personal ist geschult, Hausleitung ist dann Einsatzleitung.
Weitere Fragen:
Wäre es möglich, dass es aufgrund eines mehrtägigen Stromausfalls zur Evakuierung des Altenpflegeheims kommt?
Theoretisch möglich. Aber erst nach drei Tagen.
82
11 Eigenständigkeitserklärung
Ich versichere, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Thema:
„Welche Folgen hat ein mehrtägiger Stromausfall auf Altenpflegeheime?
Analyse ausgewählter Altenpflegeheime in Berlin und Entwicklung von
Handlungsempfehlungen“
selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt
habe. Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, habe ich in jedem einzelnen Fall durch die Angabe der Quellen,
auch der benutzten Sekundärliteratur, kenntlich gemacht.
Ich versichere, dass ich bisher keine Prüfungsarbeit mit gleichem oder ähnlichem
Thema bei einer anderen Hochschule oder Prüfungsbehörde vorgelegt habe.
Berlin, 10.01.2011
---------------------------------------------------Gesa Schecker

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