Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware
Transcrição
Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware
Herrmann, Thomas (1994), Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware, In: Hartmann, Anja; Herrmann, Thomas; Rohde, Markus; Wulf, Volker (Hrsg.) (1994): Menschengerechte Groupware - Software-ergonomische Gestaltung und partizipative Umsetzung. Stuttgart: Teubner Verlag, S. 65-107. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware Thomas Herrmann 0 Einleitung Die Entwicklung von Grundsätzen zur ergonomischen Gestaltung von Software ist bislang vorrangig an Einzelarbeitsplätzen orientiert. Ansätze, die zur Ergonomie von Groupware beitragen, sind vergleichsweise in der Minderzahl (zum hier zu Grunde gelegten Verständnis des Begriffs „Groupware“ s. Abschnitt 3). Vorarbeiten wurden z. B. von Bannon (1986) geleistet; beachtenswert sind auch der BERKOM-Bericht (1987) und der Band von Ohnsorge (1990); bezogen auf konkrete Beispiele wie Computer-Conferencing oder E-mail, finden sich bei Pankoke-Babbatz (1985) und Höller (1993) entsprechende Arbeiten; weiterhin ist die Übertragung von rechtlich-normativen Grundsätzen auf vernetzte Systeme als ein Ansatz zu werten, der auch für die ergonomische Gestaltung Relevanz hat. Für die menschengerechte Gestaltung von Groupware fehlt u. E. jedoch eine Zusammenstellung allgemeiner Grundsätze, die auf unterschiedliche Arten von Systemen anwendbar ist, ähnlich wie dies bei der DIN-Norm (66234, Teil 8) oder bei den VDI-Richtlinien (5005) für Einzelplatzsysteme der Fall ist. Wir gehen im folgenden davon aus, daß diese Normen (ebenso wie ihr internationales Pendant, ISO 9241) und Richtlinien mit Hinblick auf die Gestaltung von Groupware zu modifizieren bzw. zu ergänzen sind, da bei Groupware die kooperierenden Teilnehmer durch die Aktivierung derselben Funktion unterschiedlich betroffen sind. Bei Einzelplatzsoftware mußte die Ergonomie solche Unterschiede nicht berücksichtigen. Um spezielle Grundsätze für ergonomische Groupwaregestaltung herauszuarbeiten, gehen wir im folgenden hypothetisch davon aus, daß die für Einzelarbeitsplätze relevanten Grundsätze bereits realisiert wären. Unsere Beschreibung von Grundsätzen stellt also jene, die bereits im Rahmen der Software-Ergonomie entwickelt wurden, nicht mehr explizit dar, sondern setzt sie voraus. Dies gilt z. B. insbesondere für den Grundsatz der Erwartungskonformität, demgemäß eine zunehmende Vereinheitlichung der Dialogbedingungen innerhalb und zwischen verschiedenen Anwendungssystemen anzustreben ist, damit Erwartungen der Benutzer übertragbar werden. Diese Übertragbarkeit impliziert im Falle von Groupware, daß die Benutzungsbedingungen der gemeinsam benutzten Software an den verschiedenen Dialogstationen möglichst einheitlich sein sollten. Auf solche bereits bekannten Anforderungen wird im folgenden nur eingegangen, wenn Modifikationen oder Einschränkungen erforderlich sind. 18 Thomas Herrmann Ausgangspunkt der Konzipierung von Grundsätzen ergonomischer Groupwaregestaltung ist die Einsicht, daß die Komplexität der Vorgänge, die von Groupware-Designern im voraus zu analysieren und ggf. zu modellieren sind, bei Groupware entscheidend zunimmt. Dieses Antizipationsproblem ist durch die Vielzahl von häufig wechselnden Tätigkeiten, Zielsetzungen und Perspektiven der Benutzer bedingt, die mit Hilfe von Groupware einen Arbeitszusammenhang bilden. Verschärfend kommt hinzu, daß sich in Abhängigkeit von Arbeitssituationen und jeweiligen Rollen der Benutzer gegenläufige Interessen herausbilden (vgl. Wulf 1994); die jeweils geeignete Auflösung solcher Interessenkonflikte ist kaum antizipierbar. Daraus folgt, daß Groupware im Vorfeld der Einsatzplanung und nach dem Beginn der Nutzung mehrere Anpassungen durchlaufen muß (vgl. Oberquelle 1994). Eine von mehreren Anforderungen der Anpaßbarkeit ist es, Flexibilität zuzulassen und grundsätzlich aus verschiedenen Perspektiven Wahlmöglichkeiten für den einzelnen Benutzer zu eröffnen. Hierauf sind die im folgenden beschriebenen Gestaltungsgrundsätze orientiert.1 1 Vorgehensweise bei der Entwicklung von Gestaltungsgrundsätzen Die Erfahrungsgrundlagen, auf denen die von uns ausgearbeiteten Gestaltungsgrundsätze beruhen, setzen sich aus verschiedenen Bereichen zusammen. Zum einen finden sich in der Literatur zahlreiche Beschreibungen von Kommunikations- und Kooperationsproblemen, die beim Einsatz vernetzter Systeme auftreten bzw. erwartet werden (vgl. Berr/ Feuerstein 1988, Friedrich 1988, Hurtmann/ Schönecker 1987). Weiterhin beschreiben die meisten Publikationen, die sich mit der Verbesserung von Groupware-Systemen befassen, im Ausgangspunkt Probleme, die es zu überwinden gilt. So konnten wir eine erste Übersicht zu Problemstellungen entwickeln. Diese läßt sich mit grundlegenden normativen Anforderungen für den Umgang mit Informationen und für die Ermöglichung von Kommunikation in vernetzten Systemen ergänzen. Zu nennen sind hier die aus Artikel 2 des Grundgesetzes abgeleiteten Grundrechte auf informationelle und kommunikative Selbstbestimmung (vgl. Roßnagel 1991). Beides zusammen, Problembeschreibung und normative Grundlagen, wurden 1 Die Bedeutung von Wahlmöglichkeiten wird hier deshalb explizit erwähnt, weil sie dem Ansatz der Standardisierung der Dialogmöglichkeiten und Funktionen entgegengerichtet ist. Standardisierung wird aber in der Praxis häufig als Ultima Ratio der Sicherung ergonomischer Standards bei Vernetzung angesehen. Dieser Ansatz, der aufgrund der verwirrenden Vielfalt software-technisch koppelbarer Systeme naheliegend ist, bietet jedoch keine Grundlage, um den Anpassungs- und Differenzierungserfordernissen von Groupware gerecht zu werden. Unsere Erfahrungen legen den Ansatz nahe, daß einander ähnliche Funktionen zwar möglichst ähnliche Aktivierungsbedingungen haben sollten, daß aber ansonsten die Funktionen und ihre Aktivierungsbedingungen bei Groupware genauso vielfältig und unterschiedlich sein können (müssen) wie die zu unterstützenden Kooperationen und Kommunikationsbeziehungen. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 19 mit gängigen software-ergonomischen Anforderungen (vgl. DIN, VDI, Oppermann 1992) und den dabei relevanten Humankriterien (Ulich 1991; Hacker 1986) abgeglichen, wobei der Aspekt der Persönlichkeitsförderlichkeit ausschlaggebend ist (s. Abb. 1). Bei diesem Abgleich zeigten sich Defizite, von denen ausgehend erste Annahmen zu einer groupware-spezifischen Erweiterung software-ergonomischer Gestaltungsgrundsätze entwickelt wurden. Dabei erwies sich eine Clusterung als sinnvoll, die die Aspekte Informationsangemessenheit, Transparenz, Steuerbarkeit und Flexibilität, Aushandelbarkeit, Konfiguration und Fehlerrobustheit sowie Normkonformität als wesentlich identifizierte. Problembeschreibungen kommunikative und informationelle Selbstbestimmung arbeitspsychologische Humankriterien softwareergonomische Gestaltungsgrundsätze Annahmen zur software-ergonomischen Verbesserung bei Groupware explorative empirische Phase Präzisierung Gestaltungsgrundsätze statistischer Beleg für Grundannahmen zu den Grundsätzen (bzgl. Interessenunterschiede) Abb. 1 Vorgehen bei der Entwicklung der Gestaltungsgrundsätze Diesen Thesen schloß sich eine empirische, explorative Untersuchung zu Nutzungsproblemen bei vernetzten Systemen in zwei Anwendungsfeldern an (vgl. Kahler 1994). Im Rahmen ihrer Auswertung konnten die Ausgangsannahmen zu einer Beschreibung von Gestaltungsgrundsätzen umgearbeitet werden. Die explorative Phase diente hierbei insbesondere als Mittel zur Bereitstellung verfeinerter Problembeschreibungen, auf die die Annahmen zur ergonomischen 20 Thomas Herrmann Groupware-Gestaltung abgestimmt werden konnten. 1 In einer weiteren empirischen Studie wurden statistisch einige Grundannahmen belegt, auf denen die zentralen Gestaltungsgrundsätze „Transparenz“ und „Aushandelbarkeit“ aufbauen. Es wurde gezeigt, daß Beurteilungsunterschiede auftreten, die auf Interessensdifferenzen bei der Nutzung groupware-spezifischer Funktionen verweisen und daß diese durch das Angebot von Transparenz und Aushandelbarkeit ausgeglichen werden können (vgl. Rohde 1994). 2 Begriffliche Grundlagen Unter Groupware werden hier Software-Systeme verstanden, die die Kooperation, Kommunikation und Koordination bei der arbeitsteiligen Bearbeitung von Aufgaben unterstützen. Dies gilt auch für Systeme, die für Kooperationsbezüge eingesetzt werden können, bei denen partiell gegenläufige Ziele verfolgt werden oder es zu Konflikten kommen kann, die nicht geplant sind, die fremdbestimmt sind oder die durch ein Hierarchiegefüge geprägt sind. Das Spezifikum von Groupware besteht darin, daß ihre Einführung die Durchführung gemeinsamer Aufgabenbearbeitung erleichtert, indem sie z. B. die Bezugnahme von Kommunikation auf die Aufgabe vereinfacht, Koordinationserfordernisse transparent macht oder den Zugang zu gemeinsam zu bearbeitendem Material unterstützt. Die Eigenarten von Groupware implizieren zwei Besonderheiten, die bei der software-ergonomischen Gestaltung zu berücksichtigen sind: - Durch die Aktivierung einer Funktion seitens eines Benutzers kann unmittelbar ein anderer Benutzer bzw. sein Arbeitsbereich beeinflußt werden. - An der Aktivierung einer Funktion können mehrere Benutzer beteiligt sein. Wir konzentrieren uns auf Goupware-Anwendungen, bei denen die Computerunterstützung dazu dient, räumliche oder zeitliche Barrieren zu überwinden. Mit dem Begriff Gestaltungsgrundsatz2 meinen wir Beschreibungen, die folgenden Aufgaben dienen: 1 Es erwies sich als sinnvoll, nicht nur Probleme in Betracht zu ziehen, die unmittelbar beim Umgang mit vernetzten Systemen auftreten, sondern auch Kooperations- und Kommunikationshindernisse zu berücksichtigen, die neben der Rechnerbenutzung relevant sind. Daran anknüpfend kann die Frage behandelt werden, wie sich Kommunikationsvorgänge auf vernetzten Systemen darstellen und wie sie durch software-ergonomische Maßnahmen beeinflußbar sind (vgl. Kahler 1994). 2 Im Unterschied zu der Veröffentlichung von Herrmann, Wulf und Hartmann (1993) ist hier nicht von Gestaltunganforderungen die Rede (auf diesen Begriff wird im vorliegenden Band häufig Bezug genommen), sondern von Gestaltungsgrundsätzen. Beide Begriffe können synonym verwendet werden; in diesem Beitrag soll jedoch die Analogie zu den „Grundsätzen der Dialoggestaltung“ (DIN 66234, Teil 8) betont werden. Zur Differenzierung der Begriffe "Gestaltungsgrundsätze" und "-kriterien" siehe Dzida (1994). Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 21 - sie geben Orientierungshilfen bei der Gestaltung und Konfiguration von Groupware-Systemen, um wichtige ergonomische Aspekte im Zusammenhang betrachten zu können; - sie helfen, Defizite bei bestehenden Systemen zu identifizieren; - vorhandene und neue Gestaltungsentscheidungen können im Rahmen der Grundsätze eingeordnet und systematisiert werden; - sie unterstützen den Diskurs und die Entscheidung bei der Auswahl von Groupware sowie der Organisation ihres Einsatzes (vgl. Hartmann 1994). Gestaltungsgrundsätze geben keine konkreten Detailhinweise zur Realisierung eines Groupware-Systems; die unten angegebenen Beispiele dienen nur der Veranschaulichung und sind nicht als Vorschriften zur Umsetzung eines Grundsatzes zu verstehen. Die Güte eines Systems von Gestaltungsgrundsätzen bzw. seiner Beschreibung bemißt sich daran, ob ihnen vorhandene ergonomische Gestaltungskonzepte bzw. -kontroversen zugeordnet werden können und ob diese mit den Beschreibungselementen der Grundsätze faßbar werden. Ferner bemißt sich ihre Brauchbarkeit an der Allgemeinheit oder Übertragbarkeit der Grundsätze. Diese Übertragbarkeit verdeutlichen wir exemplarisch anhand von fünf Anwendungen, an denen die begrifflichen Grundlagen und die Grundsätze jeweils - soweit es sinnvoll ist - erläutert werden: Die Leserinnen und Leser sollten die Beispiele im weiteren Verlauf ihrer Lektüre selektiv zur Kenntnis nehmen, indem sie sich auf diejenige Bereiche konzentrieren, mit denen sie besonders vertraut sind oder die sie als interessant oder hinsichtlich der Anwendbarkeit eines Gestaltungsgrundsatzes als kritisch einschätzen. U. U. erleichtert es die Lektüre, wenn man direkt die in Abschnitt 3 dargestellten Grundsätze nachliest und nur bei Bedarf die Grundbegriffe dieses Abschnitts nachschlägt. a) E-mail: E-mail ist die Grundlage für viele Groupware-Anwendungen. Eine Erweiterung im Sinne von Groupware ist mit dem Konzept der active mail (vgl. Goldberg et al. 1992) oder semi-structured Messages gegeben (vgl. Malone 1988). Eine aktive Mail sendet automatisch an alle diejenigen Nutzer, die mit ihr zu tun hatten (als Sender, Empfänger einer Kopie, Verändernder, Weiterleitender etc.) eine Nachricht, sobald sie weiterverarbeitet wird. Semi-structured Messages erlauben es, Teile einer zu übersendenden Nachricht so zu strukturieren, daß sie vom Empfänger leicht einsortiert oder gefiltert werden können. Für die arbeitsorientierte Gestaltung von E-mail sind insbesondere betriebliche Anwendungen von Interesse, da sie im Rahmen einer Organisationsentwicklung regelbar und konfigurierbar sind. b) Gemeinsame Datennutzung: Hier ist an Anwendungen gedacht, bei denen Konstrukteure, Designer u. a. über die Nutzung von gemeinsamem Material kooperieren. Unter gemeinsamem Material wollen wir in diesem Zusammenhang Dokumente verstehen, die zur Einsicht oder Veränderung durch andere 22 Thomas Herrmann freigegeben werden können, die u. U. aufeinander abgestimmt werden müssen, die zerlegt oder integriert werden können etc. Insbesondere kommen hierbei auch multi-mediale Dokumente in Betracht. Unter multi-medial wird hier verstanden, daß Daten, Bilder (bewegt und stehend), Ton, gesprochene Sprache und ausführbare Programme kombiniert werden können. c) Koordination und Vorgangssteuerung: Groupwaresysteme können helfen, die Abfolge und die Durchführung verschiedener Arbeitsschritte abzustimmen. Ein bekanntes Beispiel ist der COORDINATOR (s. Winograd 1988) und darauf aufbauende Erweiterungen (vgl. Medina-Mora et al. 1992). Besonderes Interesse findet eine Klasse von Systemen, die der Steuerung der Vorgangsbearbeitung dienen: Hierbei kann vereinbart werden, welches Dokument wann, von wem versendet, bearbeitet oder weitergeleitet wird. Ein typisches Beispiel ist die Bearbeitung eines Antrages in einer Behörde. Es kann sinnvoll sein, in diese Anwendungen auch einen Terminkalender zu integrieren. Somit wird ein komplexes System vorstellbar, das hier zur Veranschaulichung von Gestaltungsgrunsätzen als Konstrukt eingeführt wird. Mit Hinblick auf den Groupware-Charakter gehen wir allerdings davon aus, daß die Koordination nicht ausschließlich von einer zentralen Stelle ausgeht, sondern zumindest potentiell von jedem beteiligten Nutzer. d) Shared screens: (z. B. WYSIWIS: What you see is what I see). Es handelt sich um Systeme, bei denen die Ein-Ausgabe-Systeme mehrerer Nutzer (i.d.R. zwei) zur Durchführung von Gestaltungsaufgaben gekoppelt werden (vgl. Greenberg 1991). So kann z. B. an zwei Monitoren ein Dokument gleichzeitig bearbeitet werden; die Eingabeaktivitäten und ausgelösten Veränderungen sind auf beiden Seiten nachvollziehbar. WYSIWIS läuft im Unterschied zu den Anwendungen a) - c) nicht zeitversetzt, sondern synchron. D. h., daß Verzögerungen bei der Datenübertragung so gering sind, daß die Groupware-Nutzer subjektiv den Eindruck haben, daß ihre Aktivitäten von anderen genauso schnell wahrgenommen werden, wie von ihnen selbst. e) Telefonie: Telefonie ist nur im weitesten Sinne als Groupware-Anwendung zu verstehen. Auf sie wird hier jedoch eingegangen, weil jeder im Umgang mit diesem synchronen Medium Erfahrungen hat und an diesem Beispiel verschiedene Grundprinzipien vernetzter Systeme darstellbar werden. Außerdem ist zu erwarten, daß die zunehmende Integration von Telefonie und Software und auch die computergestützte Verwaltung von voice-mail (gesprochene Nachrichten, wie sie auf Anrufbeantwortern zu finden sind) immer mehr Gemeinsamkeiten zur Groupware etabliert. In Abbildung 2 sind die Teilnehmer und Relationen bei der Groupware-Nutzung eingetragen, auf die sich die folgende Begriffserklärung bezieht. Die Kreise stellen Personen dar, die an der Groupware-Nutzung teilnehmen können, sie werden im folgenden als Teilnehmer bezeichnet und sind noch zu differenzieren. Teilnehmer können untereinander in direkter Verbindung stehen Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 23 (Doppelpfeil in Konturdarstellung) oder in indirekter Verbindung (unterbrochener Doppelpfeil). Direkte Verbindungen definieren sich hier über ihren Zweck: Sie dienen bei synchronen Anwendungen der Vermittlung eines Datenflusses. Dieser Datenfluß kodiert z. B. gesprochene Sprache (Telefonie) oder Steuerungsbefehle und Bildübertragung (WYSIWIS). Bei asynchronen Systemen (E-mail, Koordination) ermöglichen direkte Verbindungen den Austausch von Dokumenten. Dokumente sind datenbasierte Darstellungen von Informationen, die zusammengefaßt sind. Abb. 2: Teilnehmer und Relationen bei der Groupware-Nutzung Die Zusammenfassung von Informationen zu einer Einheit ist in Abhängigkeit von der Arbeitsaufgabe zu verstehen; typische Beispiele sind Briefe, Akten, Formulare etc. Die Präsentation von Datenflüssen oder Dokumenten an Ausgabegeräten gegenüber dem Benutzer nennen wir im folgenden Informationsdarstellung. Bei indirekten Verbindungen nutzt ein Teilnehmer einen gemeinsamen Speicher (Rechteck), in den er ein Dokument so ablegen kann, daß ein anderer Teilnehmer darauf Zugriff haben kann1. Zugriff bedeutet, daß Informationen über ein Dokument (z. B. von wann eine Entwurfszeichnung ist) oder sein Inhalt (Aussagen des Entwurfs) erfahrbar sind oder daß das Dokument oder sein Inhalt 1 Das Ablegen von Informationen zu einem Dokument oder des Dokumentes selbst in einen gemeinsamen Speicher muß nicht physikalisch realisiert werden, sondern kann auch virtuell stattfinden, indem Zugriffsrechte in den persönlichen Arbeitsbereich eines anderen Teilnehmers gewährt werden. Die Redeweise von einem gemeinsamen Speicher dient hier eher der Veranschaulichung der Unterscheidung zwischen teilnehmerbezogenen und gruppenbezogenen Speicherbereichen. 24 Thomas Herrmann bearbeitet werden kann. Indirekte Verbindungen dienen also der gemeinsamen Datennutzung. Jedem Teilnehmer ist ein Speicher zugeordnet, auf den im Rahmen der regulären Bearbeitung von Aufgaben nur er Zugriff hat (eine Ausnahme zur Regel stellt z. B. das Back-up dar). In Speichern werden Dokumente bereit gehalten. Alle abspeicherbaren Entitäten, die in Dokumente integriert oder mit Ausgabemedien darstellbar sind, nennen wir auch Objekte. Ein Speicher, auf den nur ein einzelner Teilnehmer Zugriff hat und die ihm zugeordneten Funktionen sowie Dialogmöglichkeiten ergeben insgesamt den jeweils eigenen Arbeitsbereich eines Teilnehmers. Die Möglichkeiten eines Teilnehmers, bestimmte Funktionen auf bestimmte Objekte anwenden zu können, bezeichnen wir als seine Rechte. Die Teilnehmer nutzen Funktionen (abgerundete Rechtecke). Funktionen sind Teile ausführbarer Anwendungssoftware, mit denen z. B. Verbindungen aufgebaut werden, Dokumente erzeugt oder verändert werden etc. Tafel 1 gibt hierzu Beispiele. e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefon Verbindungsaufbau Senden einer Mail Dokument in den gemeinsamen Speicher legen; auf ein Dokument zugreifen festgelegte Weiterleitung eines Dokumentes veranlassen Sharing zweier Monitore veranlassen Teilnehmernummer wählen Bearbeitung Mitteilung der Adresse des Absenders festlegen Teile eines Dokuments kennzeichnen, die andere verändern dürfen Terminzusage für die Lieferung eines Dokumentes stornieren gemeinsam sichtbare Objekte vergrößern Verschlüsselung Tafel 1: Beispiele für Funktionen Neben Verbindungsaufbau und Bearbeitung von Dokumenten gibt es noch andere Zwecke, für die Funktionen angeboten werden. Von besonderem Interesse sind z. B. auch steuernde Funktionen, sie werden unter 3.4 besprochen. Zu unterscheiden ist bei Groupware zwischen globalen und lokalen Funktionen. Globale Funktionen sind solche, deren Aktivierung immer andere Teilnehmer beeinflußt. Lokale Funktionen beeinflussen dagegen zunächst nur ihren unmittelbaren Nutzer (z. B. beim Erstellen eines Textdokumentes) und nur dann einen anderen Teilnehmer, wenn ihr Ergebnis durch eine globale Funktion weiterverarbeitet wird (z. B. Versenden des Textdokumentes per Mail). Die Grenze zwischen lokalen und globalen Funktionen ist fließend. Während die Nutzung von Textbausteinen zur Erstellung eines E-Mail-Dokumentes lokalen Charakter hat, beeinflußt sie bei WYSIWIS die Nachvollziehbarkeit der durchgeführten Aktion durch andere. Die hier vorgenommenen Differenzierungen sind relevant für die spätere Unterscheidung von Gestaltungsgrundsätzen. Informationsangemessenheit (s. 3.1) nimmt z. B. Bezug auf lokale Funktionen zur Bearbeitung von Dokumenten und Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 25 Datenflüssen. Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung ist im wesentlichen auf globale Funktionen des Verbindungsaufbaus orientiert. Dialogmöglichkeiten sind die Eigenschaften eines Systems, die die Aktivierung von Funktionen ermöglichen und Feedback zu den Folgen dieser Aktivierung geben (Rautensymbole in Abb. 2). Wir verzichten hier auf die Ausdifferenzierung der Dialogmöglichkeiten in eine Ein-Ausgabe- und eine Dialogbzw. Steuerungsebene entsprechend dem IFIP-Modell (vgl. hierzu auch Oberquelle 1994). Von den Dialogmöglichkeiten hängt es ab, wie Teilnehmer zwischen verschiedenen Alternativen wählen können, um verschiedene Wirkungen zu erzeugen. Die Auswahlmöglichkeit kann zum einen so realisiert sein, daß zu einem gegebenen Zeitpunkt für verschiedene Funktionen entscheidbar ist, ob sie aktiviert werden oder nicht. Zum anderen kann die gleiche Menge von Alternativen zur Auswahl stehen, indem eine Funktion mit verschiedenen Parametern aktivierbar ist. Im folgenden werden wir diese Differenzierung nicht vertiefen und in beiden Fällen von wählbaren Funktionsalternativen sprechen. Hinsichtlich der Grundmenge aller Funktionen, die potentiell auf einem Groupware-System verfügbar sind, können bezüglich ihrer Aktivierung und Aktivierbarkeit Untermengen gebildet werden: Funktionen eines Teilnehmers sind solche, die ein einzelner Teilnehmer prinzipiell aktivieren kann. Diese Menge ist durch die Konfiguration (vgl. Oberquelle 1994) determiniert, aber von der Nutzungssituation unabhängig. Bei Groupware ist es bedeutsam, die Menge der aktivierbaren Funktionen derjenigen Teilnehmer zu kennen, mit denen man unter Nutzung bestimmter technischer Unterstützung in Verbindung treten möchte. Vorbereitete Funktionen eines Teilnehmers: Menge aller Funktionen, deren Aktivierung so von einem Teilnehmer vorbereitet ist, daß sie beim Eintreten einer bestimmten Nutzungssituation automatisch aktiviert werden. Die aktivierende Nutzungssituation kann auch von einem anderen Teilnehmer herbeigeführt werden. Die Menge der Funktionen, deren Aktivierung in diesem Sinne vorbereitet werden kann, hat bei Groupware besondere Bedeutung, da an ihrer Aktivierung mehrere Teilnehmer beteiligt sind, die einen zur Vorbereitung und die anderen zur Auslösung der Funktion. Die Menge der vorbereiteten Funktionen ist für die Aufstellung von Gestaltungsgrundsätzen von besonderer Bedeutung, da Teilnehmer wissen sollten, wann sie als Betroffene eine vorbereitete Funktion auslösen, und sie sollten diesbezüglich Wahlmöglichkeiten (s. 3.4) und ein Einspruchsrecht haben (s. 3.5). Aktuelle Funktionen eines Teilnehmerkreises: Menge aller Funktionen, die zum aktuell gegebenen Zeitpunkt ausgeführt werden und mit einem bestimmten Kreis von Teilnehmern in Verbindung (im Sinne von Abb. 2) stehen. In Verbindung stehen bedeutet hier, die Funktionen vorbereitet oder ausgelöst zu haben oder von ihnen betroffen zu sein. 26 Thomas Herrmann e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefonie Vorbereiten -------> Auslösen Es wird festgelegt, daß Mails zu bestimmten Themen ausgefiltert werden. ---> Die Ausfilterung geschieht, wenn eine entsprechende Mail eintrifft. Für Objekte eines Dokuments wird eine Anzeige vorbereitet, daß sie bis zu einem Zeitpunkt X nicht verändert werden sollen. ---> Die Anzeige erscheint erst bei Änderungsversuchen. Für ein Formular wird festgelegt, in welcher Reihenfolge es zu welchen Teilnehmern weitergeleitet wird. ---> Die festgelegte Weiterleitung erfolgt, wenn das Formular freigegeben wird. Ein Monitor wird zur Koppelung mit einem anderen freigegeben. ---> Die Koppelung erfolgt erst, wenn der andere Monitor eingeschaltet wird. Eine Umleitung wird an einen Telefonapparat geschaltet. ---> Die Umleitung geschieht im Falle eines Anrufs. Tafel 2: Vorbereitung und Auslösen von Funktionen Das Verhältnis zwischen aktuellen Funktionen und Teilnehmern erlaubt es, unterschiedliche Rollen bei Groupware-Nutzern zu differenzieren, von denen hier nur zwei beschrieben werden (s. Tafel 3): - Aktivator: Derjenige, der eine globale Funktion aktiviert oder vorbereitet. - Betroffene: Diejenigen Teilnehmer, auf die eine Funktion einwirkt, die von einem anderen Teilnehmer aktiviert oder vorbereitet wurde. Die Betroffenen sind diejenigen, wegen denen (d. h. etwa wegen ihrer Verfügbarkeit, wegen ihrer Aufgaben, wegen ihrer Kenntnisse etc.) eine Funktion aktiviert wird. Eine Funktion wirkt auch auf einen Teilnehmer ein, wenn sie Inhalte oder die Konstellationen seines eigenen Arbeitsbereiches verändert. Auf die beschriebenen Rollen wird bei der Darstellung der Gestaltungsgrundsätze jeweils eingegangen, weil dadurch deutlich wird, daß die Gestaltung und Nutzung von Groupware unterschiedlichen Interessen gerecht werden muß. Dabei ist zu beachten, daß die Rollen ständig situationsabhängig wechseln können, je nachdem, wer eine Funktion aktiviert. Weiterhin könnten noch andere Rollen unterschieden werden, etwa wenn in eine Verbindung Teilnehmer intervenieren (z. B. Anklopfen in eine bestehende Telefonverbindung). Interventionsmöglichkeiten können auch von Instanzen wie Netzadministration und/oder Diensteanbietern wahrgenommen werden (s. Abb. 2). Solche Instanzen werden relevant, wenn sie die Arbeit mit Groupware während der Nutzungsphasen beeinflussen können oder die Nutzungsbedingungen vorab konfigurieren. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefon Aktivator Absender einer Mail Teilnehmer, der Zugriff auf ein Dokument erteilt -------------------Teilnehmer, der auf ein Dokument zugreift Teilnehmer, der einen Bearbeitungstermin auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt Teilnehmer, der ein Objekt verändert Teilnehmer, der eine Umleitung schaltet der Anrufende 27 Betroffener Empfänger Teilnehmer, der Zugriffsberechtigung erhält -------------------Teilnehmer, auf dessen Dokument zugegriffen wird Teilnehmer, der das Bearbeitungsresultat zu dem vereinbarten Termin benötigt Teilnehmer, der die Veränderung sofort nachvollzieht und Einverständnis oder Ablehnung bekunden kann Teilnehmer, die aufgrund der Umleitung miteinander verbunden werden die Angerufenen Tafel 3: Aktivator und Betroffene Ein wesentlicher Gestaltungsgrundsatz bei Groupware bzw. vernetzten Systemen ist die „Transparenz“ (vgl. 3.2 und Wulf 1994). Funktionsbezug 1) verfügbare Funktion insgesamt 2) verfügbare Funktion pro Teilnehmer (relevant sofern ein Unterschied zu 1 besteht) Personenbezug Nutzungsbezug 3) vorbereitende Funktion pro Aktivator 4) aktuelle Funktion 5) stattgefundene Funktionen Abb. 3: Aspekte der Transparenz Wir sprechen von „Transparenzdatensätzen“, die erzeugt und abgespeichert werden können und die Nutzung und die Nutzungsmöglichkeiten des Systems widerspiegeln. Sie können in einem Transparenzspeicher abgelegt werden. Sofern globale Funktionen genutzt werden, kann auch das Kooperations- und Kommunikationsverhalten der beteiligten Personen transparent werden. Transparenzdaten können entsprechend der oben dargestellten Untermenge von 28 Thomas Herrmann Funktionen differenziert werden (s. Abb. 3). Von besonderer Bedeutung sind Transparenzdatensätze zu Funktionen, die einen Personenbezug und darüber hinaus einen Nutzungsbezug haben. Da die Tatsache der Aktivierung von Funktionen auch noch nach ihrer Nutzung abgespeichert sein kann (hier stattgefundene Funktionen genannt), wird über die Datensätze zu nutzungsbezogenen Funktionen das Kooperationsverhalten über einen längeren Zeitraum transparent. 3 Gestaltungsgrundsätze In diesem Abschnitt werden die Gestaltungsgrundsätze in folgender Reihenfolge beschrieben: 3.1 3.2 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.6 3.7 3.8 Informationsangemessenheit (Ergänzbarkeit, Referenzierbarkeit, Strukturierbarkeit) Transparenz Informationelle Moderierbarkeit Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung Steuerbarkeit der Erreichbarkeit Steuerbarkeit der Verteilung Steuerbarkeit des Zugriffs Aushandelbarkeit Gruppenorientierte Konfigurierbarkeit Groupware-spezifische Fehlerrobustheit Normkonformität Die Beschreibungen der einzelnen Grundsätze sind in der Regel nach folgendem Schema aufgebaut: - Probleme, die den Grundsatz erforderlich machen - abstrakte Definition und zentrale Bestandteile des Grundsatzes - Beispiele Bei den Beispielen wird i.d.R. sowohl die Perspektive des Aktivators einer Funktion, als auch des Betroffenen thematisiert. Soweit eine Gegenüberstellung sinnvoll ist, wird sie für die jweilige Anwendung an derselben Funktion vorgenommen. Stellenweise werden zu Gunsten der Anschauung die Möglichkeiten für Aktivator und Betroffene an zwei unterschiedlichen Funktionen erläutert. - Beziehung des Grundsatzes zu anderen. Der Zusammenhang der Grundsätze und ihre gegenseitige Abhängigkeit sowie Gegenläufigkeit werden im zusammenfassenden Abschnitt (4) dargelegt. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 29 3.1 Informationsangemessenheit Bei der Nutzung von Groupware ist davon auszugehen, daß die meisten Darstellungen von Informationen, die von Teilnehmern wahrzunehmen sind, nicht vom Systemdesigner, sondern von anderen Teilnehmern erzeugt werden. Die Qualität der vermittelten Informationen hängt also nicht nur vom Entwickler des Systems, sondern wesentlich von den Teilnehmern selbst ab; unter diesem Aspekt hat Groupware eine besondere Qualität. Folgende Probleme lassen sich im Umgang mit Informationsdarstellungen beobachten: - Unvollständigkeit der Informationen bzw. Unsicherheit, ob die vorhandenen Informationen vollständig oder korrekt sind, - Informationsüberflutung, - Unüberschaubarkeit und unzureichende Strukturierung von Informationen, - mangelndes Wissen um den Kontext, aus dem heraus Informationen entstanden sind. Diese Probleme verschärfen sich oder bleiben zumindest bestehen, wenn keine ergänzenden Informationen darüber vorhanden sind, - wie man Informationslücken schließen kann, - wie man aus der Informationsflut relevante Teile auswählen kann - wie man sich bei unüberschaubaren Informationsdarstellungen orientieren kann. Generell ist es als besonderes Merkmal medial vermittelter Kommunikation zu werten, daß der Kontext der Kommunikationssituation nicht mehr direkt wahrgenommen werden kann und durch einen Akt der Interpretation vom aktiven Teilnehmer in eine weiterleitbare Kontextinformation umzuwandeln ist (vgl. Herrmann, 1993). Unter Kontext wird hier die physikalische und soziale Situation verstanden, in die ein Kooperationsvorgang eingebunden ist. Hierzu gehört die Identität und der soziale Status der Kooperierenden, das Verständnis, das man voneinander und von der Situation hat, sowie andere aktuelle und vorangegangene Ereignisse und Handlungen, soweit sie die Kooperation beeinflussen. Diese Probleme lassen sich reduzieren, wenn Groupware-Systeme nach dem Grundsatz der Informationsangemessenheit gestaltet werden. Eine Groupware ist informationsangemessen, wenn ihren Benutzern Funktionen und Dialogmöglichkeiten zur Verfügung stehen, - um Kontext und Zusatzinformationen explizit ergänzend darzustellen bzw. diese Darstellung rezipieren zu können (Ergänzbarkeit), - um auf Kontext ergänzend zu verweisen bzw. die Verweise (ggf. softwareunterstützt) erkennen und nutzen zu können (Referenzierbarkeit) und 30 Thomas Herrmann - um mit Groupware vermittelte Darstellungen strukturieren zu können bzw. strukturiert rezipieren zu können (Strukturierbarkeit). Informationsangemessenheit bezieht sich sowohl auf Dokumente als auch bei synchronen Verbindungen auf Datenflüsse. Ergänzbarkeit1 bedeutet, daß das Ablegen und Zuordnen expliziter Kontextund Zusatzinformationen sowie zusätzlicher Informationsquellen durch Funktionen, Defaultwerte, Formularfelder, erinnernde Hinweise etc. unterstützt wird. Insbesondere ist hierbei die Möglichkeit relevant, Dokumente multimedial aus Teilen unterschiedlicher Darstellungsarten (Bild, Ton, Text etc.) zu kombinieren. Tafel 4 gibt Beispiele für Ergänzbarkeit auf der Ebene einzelner Anwendungen. Zusätzlich kann Ergänzbarkeit jedoch auch realisiert werden, indem Informationsdarstellung einer Anwendung (z. B. Mail) durch Darstellungen einer anderen (z. B. Fax) ergänzt werden. Dies ist ein entscheidender Aspekt von Ergänzbarkeit, der jedoch den Aufbau geeigneter Verweisstrukturen zwischen den Anwendungen voraussetzt, die wir unter „Referenzierbarkeit“ behandeln. e-mail Gemeinsame Datennutzung Koordination 1 Aktivator, der eine Informationsdarstellung erzeugt, die über eine globale Funktion andere beeinflußt Der Inhalt eines Briefes, auf den die zu erstellende Mail eine Antwort darstellt, kann ganz oder in Teilen in diese Mail aufgenommen werden; Betroffener, der eine Informationsdarstellung wahrnimmt und ergänzen möchte Angenommen, es wird eine Mail empfangen, die sich auf einen Brief des Betroffenen bezieht und ihn in Teilen wiedergibt. In einem solchen Fall unterstützt das Sywenn an der Erstellung einer E-mail stem die Möglichkeit, eine Aliasmehrere Autoren mitgearbeitet haben, version des Dokuments bei der dann fragt das System automatisch, ob Archivierung der Mail anzuhefes deren Absender ebenfalls angeben ten. soll. Ein Konstrukteur legt die Kopie einer Bevor ein gemeinsam zugreifbaZeichnung in einem gemeinsamen Da- res Dokument geöffnet wird, kann tenspeicher ab. Sobald er am Original sich der Zugreifende die Konweiterarbeitet, wird abgefragt, ob die- textinformationen anzeigen lasser Sachverhalt als Kontextinformasen, die andere hinsichtlich des tion bei den abgelegten Dokumenten Bearbeitungsstandes hinzugefügt angezeigt werden soll. haben. Wenn ein Teilnehmer die WeiterleiWenn eine unüberschaubare tung einer Menge zusammengehören- Menge zur Kenntnis zu nehmender Dokumente veranlaßt der Dokumente empfangen wird, (vergleichbar einer elektronischen kann sich der Betroffene mit Hilfe Umlaufmappe), so wird er vom Sydes Systems ein Inhaltsverzeichstem bei der Erstellung eines Inhalts- nis zu der Dokumentensammlung verzeichnisses unterstützt, das den beim Absender abfordern. Empfängern Selektionshinweise gibt. Die Bezeichnung „Ergänzbarkeit“ erwies sich als sinnvoller, als das bei Herrmann u.a. (1993) verwendete Wort „Kontextualisierbarkeit“. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware WYSIWIS Telefonie 31 Die Geschichte vorgenommener Veränderungen ist als Zusatzinformation an die jeweils veränderten Objekte anhängbar. Falls ein Dritter während eines TeleMan ist während eines Anrufverfonats in einem Raum ist (und dadurch suchs u.U. davon betroffen, nur zum situativen Kontext gehört), so ein andauerndes Freizeichen oder kann er über Freisprechen in das Ge- Besetztzeichen zu bekommen. spräch integriert werden. Man kann dann die Angabe ergänzender Adressen und Medien anfordern, über die der Gesprächspartner erreichbar ist. Tafel 4: Beispiele zu Ergänzbarkeit Referenzierbarkeit meint, daß Kontext- und Zusatzinformationen sowie ergänzende Informationsquellen nicht explizit dargestellt werden, sondern daß nur auf sie verwiesen wird. Durch referenzierende Hinweise können Dokumente, Dokumententeile, Datenflüsse oder Informationsquellen (ggf. auch Teilnehmer) aufeinander bezogen werden. Benutzer werden beim Festlegen von Referenzen unterstützt; soweit wie möglich wird die Bildung einer Referenz vom System vorgeschlagen und nach einer Bestätigung des Teilnehmers realisiert. Die Referenzierung im Sinne eines gegenseitigen Verweises zwischen zwei Dokumenten ist besonders wichtig, wenn sie einem Teilnehmer über eine Verbindung übermittelt werden, aber ihm von zwei verschiedenen Endgeräten dargestellt werden (z. B. Fax und E-mail). Aktivator, der eine Referenz darstellt e-mail In einer Mail wird angegeben, welche den Inhalt der Mail ergänzenden Dokumente beim Aktivator vorhanden sind. Betroffener, der eine Referenz nutzt Nach Markierung von interessanten Referenzen in einer empfangenen Mail kann eine Funktion genutzt werden, die per E-Mail die Zusendung der referenzierten Dokumente anfordert. gemeinsame Datennutzung Wenn ein gemeinsam verfügbares Dokument Wenn das Symbol an einer geänderten Stelle verändert wird, dann wird - unterstützt vom aktiviert wird, dann wird die alte Fassung System - an jeder geänderten Stelle ein Sym- dieser Stelle angezeigt. bol hinzugefügt, das auf die alte Fassung verweist. 32 Thomas Herrmann Koordination Wenn mehrere Teilnehmer ein Formular bearbeiten, so kann jeder Bearbeiter seinen Namen oder ein Codewort eintragen. Dieser Eintrag wird mit ihren Eingaben zu dem Formular verbunden. Wenn ein Bearbeiter eines Formulars eine bestimmte Stelle im Formular aktiviert, so wird der dazugehörige Name bzw. das Codewort angezeigt; hierüber können Anfragen an vorherige Bearbeiter gerichtet werden. WYSIWIS Falls ein Objekt gemeinsam verändert wird, dann kann für jeden Teilnehmer der Sitzung direkt angezeigt werden, in welchen Dokumenten der Gruppe dieses Objekt Verwendung findet. Telefonie Wenn im Verlauf eines Gesprächs ein weiterer zu kontaktierender Gesprächspartner vom Angerufenen genannt wird, so kann er die Nummer, die auf diesen Gesprächspartner verweist, direkt an seinem Gerät eintasten (ggf. auch per programmierter Wahltaste). Sie wird dann zum Gerät des anderen Teilnehmers übermittelt und steht dort zum Verbindungsaufbau zur Verfügung. Tafel 5: Beispiele zu Referenzierbarkeit Referenzierbarkeit ist im Vergleich zu Ergänzbarkeit insbesondere dann sinnvoll, wenn man sich bezüglich der zu ergänzenden Information nicht sicher ist, ob sie der Betroffene zur Kenntnis nehmen möchte oder ob sie ihm zu umfangreich ist. Die Realisierung von Referenzierbarkeit sollte beispielsweise beinhalten, daß Nutzer mit Nachdruck auf Referenzen aufmerksam gemacht werden und daß referenzierende Daten genutzt werden können, um programmgesteuert die Inhalte bereitzustellen, auf die die Referenz verweist. An den Beispielen wird erkennbar, daß für die einzelne Anwendung eine Nomenklatur vereinbart werden muß, damit eine Konvention vorhanden ist, nach der die einzelnen Dokumente so bezeichnet werden können, daß eindeutige Verweise möglich sind. Strukturierbarkeit stellt ein Mittel der Informationsangemessenheit dar, das sowohl eigenständige Bedeutung hat als auch zur Optimierung von Ergänzbarkeit und Referenzierbarkeit dient: - Es muß eine klare Trennung zwischen Basisinformation einerseits und ergänzender Information andererseits mit Hilfe des Systems darstellbar sein. - Informationsdarstellungen (s. Abschnitt 2) müssen hinsichtlich ihrer Ausführlichkeit in verschiedenen Stufen erzeugbar sein. Ggf. sind Teile von Dokumenten und Datenflüssen verdeckt zu halten und nur auf Abruf sichtbar zu machen. - Man muß zwischen schwach und stark strukturierten Darstellungen in verschiedenen Abstufungen wählen können. - Es muß Möglichkeiten geben, innerhalb eines Dokumententeiles Strukturen erkennbar zu machen (etwa durch Vielfalt des Zeichensatzes oder durch graphische Mittel). Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 33 - Solche Informationen, die vom System automatisch verarbeitet werden und der Spezifizierung von Funktionen dienen, müssen klar erkennbar sein (z. B. Adressen, die zum Aufbau von Verbindungen genutzt werden können). Aktivator, der die Strukturierungs-möglichkeiten zur Informationsdarstellung nutzt e-mail Sofern Termine in einer Mail genannt werden, sollte es möglich sein, diese speziell zu kennzeichnen. Betroffener, der die Strukturierung bei der Rezipierung von Informationen nutzt Bei der Liste eingegangener Mails sollte es möglich sein, daß alle, die Termine enthalten, hervorgehoben werden und die Termine in der Übersicht dargestellt werden. gemeinsame Datennutzung Verweise auf Dokumente, die mit einem zum Zugriff freigegebenen Dokument in Verbindung stehen, können vom Aktivator als Buttons in das Dokument eingefügt werden. Der Betroffene kann die Buttons aktivieren und erhält dann Informationen zu den entsprechenden Dokumenten. Ähnlich können Annotationen in gesprochener Sprache abgespeichert und in ein Textdokument eingeordnet werden. Man erhält so gestufte Informationsdarstellungen (wie z. B. auch bei Hypertext üblich). Koordination Dem Aktivator werden Mittel zur Verfügung gestellt, um Teile eines Dokumentes zu kennzeichnen, so daß für unterschiedliche Betroffene, an die ein Dokument weitergeleitet wird, klar erkennbar ist, welchen Teil sie bearbeiten müssen, welchen sie lediglich zur Kenntnis nehmen sollten und welcher irrelevant ist. WYSIWIS Bei mehreren Teilnehmern kann das System so geschaltet werden, daß immer nur einer aktiv sein kann. Sein Arbeitsplatz wird für die anderen erkennbar gekennzeichnet. Es können Steuerungsmechanismen gewählt werden, um die Rolle des Aktivators zu wechseln. Telefonie Bei Telefonkonferenzen (drei Teilnehmer und mehr) sollte man den anderen signalisieren können, daß man zu Wort kommen möchte. Tafel 6: Beispiele zu Strukturierbarkeit Es wird deutlich, daß sich Strukturierbarkeit bei synchronen Verbindungen auf den zeitlichen Ablauf von Datenflüssen bezieht. Der Gestaltungsgrundsatz Informationsangemessenheit bezieht sich in erster Linie auf Daten, die die Teilnehmer selbst in ein System eingeben oder die sie verändern, nachdem sie eingegeben worden sind. Es handelt sich also um Objekte, die direkt zu den Inhalten einer Arbeitsaufgabe gehören und die mittels Groupware bearbeitet oder anderen zugänglich gemacht werden. Wir sprechen daher auch von Inhaltsdaten (vgl. Hammer, Pordesch, Roßnagel, 1993, S. 32). Wenn Teilnehmer die Möglichkeit haben, die Darstellung dieser Daten auf Ausgabemedien zu beeinflussen, dann ist der Grundsatz der Informationsangemessenheit anwendbar. Es gibt demgegenüber auch Daten, deren Abspeicherung vom Systementwickler oder vom System veranlaßt wird und die z. B. darstellen, welche Eigenschaften und Dialogbedingungen mit einer Funktion verbunden sind, welche Funktionen von wem genutzt wurden oder wer miteinander verbunden war etc. Auf die Bereitstellung und Darstellung solcher Daten bezieht sich der Gestaltungsgrundsatz der Transparenz. 34 Thomas Herrmann 3.2 Transparenz Transparenz bei der Groupwarenutzung läßt sich auf Probleme beziehen, die bei der Organisation von Kooperation generell zu beobachten sind. Zum Beispiel: - Es herrscht öfter Unklarheit über den Bearbeitungsstand eines Falles, wenn mehrere Personen daran beteiligt sind. - Man weiß nicht, wo bzw. bei wem man benötigte Unterlagen finden kann. - Es ist nicht vorhersehbar, ob und wo man jemanden erreichen kann. Bei der Nutzung von Groupware kann man Datensätze generieren und abspeichern, die die genannten Probleme beheben helfen. Die Koordination des Kooperierenden kann damit erleichtert und einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens (s. Ulich 1992, S. 120 f.) entgegengewirkt werden. Andererseits können dieselben Daten auch zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle genutzt werden, wodurch das Wohlbefinden und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beeinträchtigt werden. Dieser Zwiespalt zwischen erwünschter Unterstützung der Koordination und unerwünschten Überwachungsmöglichkeiten wird als „Ambivalenz der Transparenz“ bezeichnet. Die Problematik dieser Ambivalenz kann teilweise aufgefangen werden, wenn eine Transparenz der Transparenz ermöglicht wird. Dies bedeutet, daß es für einen Teilnehmer erkennbar sein muß, ob jemand anderes sein Verhalten mit Hilfe der Groupware nachvollzieht. Dieses Prinzip korrespondiert mit einer Forderung, die im Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthalten ist: Jeder muß wissen können, wer was über ihn weiß. Die Ausgestaltung von Groupware muß diesem Prinzip gerecht werden, und jeder muß wissen, daß nach diesem Prinzip verfahren wird. Groupware sollte somit nicht nach der Architektur des „Zwingenden Blickes“ (vgl. Ortmann, 1984) realisiert werden, bei dem das Verhalten von Kontrolleuren nicht nachvollziehbar ist. Es sollte vielmehr erkennbar und sanktionierbar werden, wenn Transparenz zu anderen Zwecken als zur Koordination genutzt wird. Die folgende Definition setzt die Beschreibung der Grundbegriffe in Abschnitt 2) voraus (s. Abb. 3). Ein Groupware-System ist nach dem Grundsatz der Transparenz gestaltet, wenn - Daten zur möglichen und zur aktuellen Nutzung von Funktionen (s. Abb. 3) abgespeichert werden können. - Die abgespeicherten Transparenzdatensätze bei Bedarf von Teilnehmern abgerufen werden können und entsprechend ihren Informationsbedürfnissen in unterschiedlicher Detaillierung auf einem Ausgabemedium dargestellt werden können (aber nicht müssen). Hierzu gehört auch, daß der Nutzer Voreinstellungen wählen kann, aufgrund derer ihm zeit- oder situationsabhängig bestimmte Transparenzdatensätze automatisch angezeigt werden. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 35 Ob ein Benutzer Transparenzdatensätze zur Kenntnis nimmt, hängt bei diesem Verständnis von Transparenz ausschließlich von den Entscheidungen der Teilnehmer ab und wird nicht vom Systementwickler festgelegt. Gemäß der unterscheidbaren Transparenzaspekte (Abb. 3) gehört zu diesem Grundsatz auch die Transparenz der Funktionen (funktionale Transparenz, vgl. Wulf 1994). Hierzu zählt, daß die Dialogbedingungen und die Wirkung dargestellt werden können. In dieser Hinsicht korrespondiert Transparenz zur „Selbstbeschreibungsfähigkeit“ laut DIN 66234, Teil 8. Bei Groupware sind jedoch folgende Spezifika von besonderem Interesse: - Es ist nicht nur die Wirkung der Funktion auf den Arbeitsbereich des Teilnehmers darzustellen, der die Funktion aktiviert. Vielmehr ist die Wirkung auf die Arbeitsbereiche anderer Teilnehmer von besonderer Relevanz. - Es muß für jeden einzelnen Teilnehmer transparent sein, über welche groupware-spezifischen Funktionen die anderen Teilnehmer im einzelnen verfügen, damit die aufzubauenden Verbindungen auf die vorhandene Funktionalität abgestimmt werden können. So sollte man z.B. erkennen können, von wem man für ein bestimmtes Dokument Zugriffsrechte erhalten kann. - Es wird z. T. auch nachvollziehbar, wie die Teilnehmer die Groupware benutzen. Bei der Nutzung ist zu unterscheiden, ob die Aktivierung einer Funktion zum einen vorbereitet wird und mit welcher Wirkung für wen (und von wem) sie zum anderen tatsächlich aktiviert wird. Beides wird als nutzungsbezogene Transparenz angesehen (vgl. Wulf 1994). Gemäß dieser Auflistung sind die meisten groupware-spezifischen Transparenzaspekte personenbezogen (s. auch Abb. 3). Hierdurch ist die oben beschriebene Ambivalenz bedingt. Die folgende Tabelle verdeutlicht mögliche Erscheinungsformen dieser Aspekte an Einzelbeispielen. Die Transparenz hinsichtlich vorbereiteter Funktionen ist von besonderer Bedeutung, damit die von einer Vorbereitung betroffenen im Rahmen von Steuerbarkeit (3.4) und Aushandelbarkeit (3.5) Wahlmöglichkeiten haben. e-mail vorbereitete F. genutzte F. Aktivator (A) Betroffene (B) A sollte wissen, ob B die Angabe im Subject-Feld nutzt, um Mail automatisch auszufiltern B sollte wissen, ob das Öffnen einer bestimmten Mail das Absenden einer automatischen Eingangsbestätigung aulösen wird. B muß u. U. nachvollziehen können, ob eine Empfangsbestätigung abgeschickt wurde, die auch die Beschreibung einer Weiterleitung beinhaltet. A kann per Empfangsbestätigung feststellen, ob seine Mail beim Empfänger angekommen ist oder nicht (weil sie z. B. ausgefiltert worden ist). 36 Thomas Herrmann gemeinsame Datennutzung vorberei- Statt das allgemeine Zugriffsrecht auf Man sieht, ob die Beendigung eines tete F. ein Dokument direkt zu beendigen, Zugriffsrechts zu einem gegebenen kann man die Beendigung zu einem Zeitpunkt vorprogrammiert ist. bestimmten Zeitpunkt vorbereiten und bekommt angezeigt, wer dann betroffen ist. genutzte Wenn ein allgemein zugreifbares Do- Zum Zugriff freigegebene Dokumente, F. kument durch eine neue Version ersetzt die von anderen geändert wurden, sind wird, so wird angezeigt, wer bereits besonders gekennzeichnet. Objekte der alten Version genutzt hat. Koordination vorberei- Wenn man die Auslieferung eines Do- Bevor man ein zu bearbeitendes Dotete F. kuments, die zu einem bestimmten kument öffnet, kann man sehen, ob und Zeitpunkt zugesagt ist, auf einen späte- an wen eine automatische Weiterleiren Termin programmiert, dann kann tung vorgesehen ist. man sehen, wer davon betroffen ist (wer z. B. Zusagen gemacht hat, die von dieser Verschiebung tangiert werden). genutzte Wer die Weiterleitung eines DokuWenn sich jemand anzeigen läßt, ob F. ments über mehrere Teilnehmer ein in Weiterleitung befindliches Dozwecks Bearbeitung veranlaßt hat, kument bei B ist, so wird dieser Sachkann sich jederzeit zeigen lassen, wo verhalt bei B angezeigt (Transparenz sich das Dokument befindet. der Transparenz). WYSIWIS vorberei- Man erkennt, welche Objekte oder Funktionen ein Teilnehmer der Veränderung tete F. bzw. der Nutzung durch andere zugänglich gemacht hat. genutzte Man erkennt, welche Veränderungen an einem Objekt der jeweils andere vorgeF. nommen hat bzw. welche Funktionen er dazu genutzt hat. Telefonie vorberei- Solange man eine Umleitung geMan erkennt, ob jemand, den man antete F. schaltet hat, muß man zu jedem ruft, eine Umleitung aktiviert hat Zeitpunkt erkennen können, ob dies an (bevor die umgeleitete Signalisierung dem Apparat, auf denumgeleitet wird, des Anrufwunsches eintritt). angezeigt wird. genutzte Man kann nachträglich feststellen, wer Man sieht, wer einen anruft. F. von der aktivierten Umleitung als Anrufer betroffen war. Tafel 7: Beispiele zu Transparenz Insbesondere für personenbezogene Transparenzdaten muß für jede Gruppe, die einen Kooperationszusammenhang bildet, festlegbar sein, zu welchen Aspekten welche Daten abgespeichert werden oder nicht. Das System muß entsprechend dieser Festlegungen konfiguriert werden (gruppenorientierte Konfigurierbarkeit, s. 3.6); umgekehrt muß transparent sein, welche Entscheidungen hinsichtlich der Konfiguration getroffen sind. Darüber hinaus ist Transparenz auch hinsichtlich der Wahlmöglichkeiten erforderlich (Steuerbarkeit der wechselseitigen Beeinflussung, s. 3.4), die einzelnen Teilnehmer in Abhängigkeit von der Nutzungssituation zur Verfügung stehen. Einzelne Teilnehmer können Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 37 beliebig Transparenzdaten abrufen, die sich auf keine Person oder nur auf den Abrufenden selbst beziehen. Sobald Daten zu anderen Teilnehmern mit abgerufen werden, ist deren Einverständnis erforderlich, das u. U. auch über das genutzte Medium eingeholt werden kann (Aushandelbarkeit, s. 3.5). Das Einverständnis kann dabei auch verweigert werden. Die Teilnehmer sollten insbesondere im Einzelfall festlegen können, daß personenbezogene Daten nur in eingeschränktem Maße dargestellt werden (informationelle Moderierbarkeit), soweit es die Arbeitsaufgabe erfordert. 3.3 Informationelle Moderierbarkeit Die Nutzung von Informationsangemessenheit kann dazu führen, daß Dokumente oder Datenflüsse entstehen, die umfangreiche Informationen zur Zusammenarbeit von Teilnehmern und zu ihrem persönlichen Verhalten beinhalten. Angezeigte Transparenzdatensätze können in diesem Zusammenhang als Objekte in Dokumente oder Datenflüsse integriert werden (z. B. Absender einer Mail oder parallele Gebührenanzeige während eines Telefonats). Die Grundsätze „Transparenz“ und „Informationsangemessenheit“ ermöglichen also eine Ausweitung von Informationsdarstellungen. Dies steht im Widerspruch zu solchen Zielsetzungen, bei denen mit Rücksicht auf Geheimhaltungspflichten, Vertraulichkeit und Schutz personenbezogener Daten eher eine Reduzierung der Verbreitung bestimmter Informationen angestrebt wird. Dies wird an folgenden Problemen deutlich, die durch Transparenz und erweiterter Informationsdarstellung begünstigt werden: - Es kann zu Einschränkungen des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung kommen, indem z. B. personenbezogene Kontextinformationen oder Verbindungsdaten weitergereicht werden, ohne daß die Betroffenen bestimmen können, ob sie damit einverstanden sind. - Es werden Leistungs- und Verhaltenskontrollen möglich, die vertraglichen Regelungen widersprechen, die im Rahmen betrieblicher Interessensausgleiche abgeschlossen wurden. - Vorbereitungsphasen zu Entscheidungsprozessen, in denen zunächst anonym Wünsche, Vorschläge und Kritikpunkte gesammelt werden sollen, sind mit Groupware nicht möglich, solange an die gesammelten Dokumente Transparenzdaten angehängt werden, die den Absender identifizieren. - Beispiele zur Bearbeitung bestimmter Arten von Fällen (z. B. auszufüllende Formulare) können nicht zur Anleitung und Unterstützung von Teilnehmern verteilt werden, wenn sie zuviele vertrauliche Detailinformationen beinhalten. - Es können vertrauliche Sachinformationen an Teilnehmer weitergegeben werden, die nicht zu einer Gruppe gehören. Dies ist problematisch, wenn die Informationen zu jenem Teil des Know Hows der Gruppe zählen, über den nur diese Gruppe verfügt und über den sie sich von anderen Gruppen abgrenzt. 38 Thomas Herrmann Solche Probleme können vermieden werden, wenn die Teilnehmer technisch unterstützt werden, den Informationsgehalt von Dokumenten, Objekten oder Transparenzdatensätzen zu reduzieren. Ein System steht im Einklang mit dem Gestaltungsgrundsatz der informationellen Moderierbarkeit, wenn es Funktionen und Dialogmöglichkeiten anbietet, mit deren Hilfe Teilnehmer von Dokumenten, Objekten und Transparenzdatensätzen Kopien mit reduziertem Informationsgehalt erzeugen können. Die wegzunehmenden Informationsdarstellungen (incl. Referenzen) müssen beliebig wählbar sein. Der Teilnehmer, der die informationelle Moderierbarkeit nutzt, muß auch festlegen können, unter welchen Bedingungen (z. B. Ablauf von Stillschweigefristen) die Reduktion eintritt, aufrechterhalten oder aufgehoben wird. Insbesondere muß die automatische Anbindung von Verbindungsdaten an Dokumente unterdrückbar sein. Im folgenden werden aus der Sicht zweier Teilnehmerrollen Beispiele zu informationeller Moderierbarkeit gegeben. Dabei wird der Aktivator als derjenige dargestellt, der Funktionen im Rahmen informationeller Moderierbarkeit nutzt (hier in bezug auf Informationsdarstellungen, die aus Dokumenten und ihren Objekten bzw. aus Datenflüssen zu gewinnen sind). Betroffener ist derjenige, der (hier am Beispiel von Transparenzdatensätzen) von der Nutzung dieser Funktion direkt beeinflußt wird. In allen Fällen ist das Interesse des mittelbar Betroffenen berührt, auf die sich die Informationen beziehen, deren Darstellung reduziert wird. bzgl. Informationsdarstellung (Inhaltsdaten) e-mail Man kann festlegen, daß Teile des Inhalts einer Mail erst zu einem bestimmten Zeitpunkt angezeigt werden (wenn z. B. eine Vertraulichkeitsfrist abläuft). gemeinsame Datennutzung Jemand hat ein seltenes Formular auszufüllen und sucht ein Beispiel, wie man dies adäquat macht. Andere Teilnehmer können diese Beispiele zum Zugriff bereitstellen, nachdem sie sie auf komfortable Weise anonymisiert haben. Koordination Falls nach dem Prinzip des Umlaufs von mehreren Teilnehmern Vorschläge zur Lösung eines Problems abgerufen werden, dann kann man festlegen, daß die bereits gesammelten Vorschläge solange nicht sichtbar sind, bis man den eigenen Vorschlag eingegeben hat. Es kann z. B. auch die Zuordnung der Vorschläge zu denjenigen, die sie unterbreiten, verdeckt werden. bzgl. Transparenzdatensätze (z.B. Verbindungsdaten) Man erhält Empfangsbestätigungen für Mails; allerdings ohne Angaben von Empfangsuhrzeit und -datum und/oder ohne Angaben über stattgefundenes Forwarding. Man sieht, ob jemand und wer auf ein Dokument zugegriffen hat, aber nicht, wie oft und wann dies der Fall war. Man kann nachvollziehen, bei welchen Teilnehmern ein elektronisch weitergeleiteter Antrag zur Bearbeitung liegt, aber nicht, seit wann dies der Fall ist. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware Telefonie Bei Telefonkonferenzen kann festgelegt werden, daß einige Teilnehmer nur von einigen anderen gehört werden (wenn sie z. B. als Simultandolmetscher aktiv sind) und auch selbst nicht alles hören. 39 Die Anzeige der Nummer des Anrufenden auf dem Display kann unterdrückt oder aggregiert dargestellt werden (z. B. extern, intern), wenn sie andere zu erreichen versuchen. Tafel 8: Beispiele zu informationeller Moderierbarkeit Informationelle Moderierbarkeit bildet offensichtlich einen Gegenpol zu den Grundsätzen der Informationsangemessenheit und Transparenz. Hieraus können sich Konflikte ergeben: - Ein Betroffener kann die Darstellung von ausführlicheren Informationen fordern, als sie ihm von Nutzern informationeller Moderierbarkeit zugebilligt werden. - Ein Teilnehmer kann entgegen den Interessen eines mittelbar Betroffenen die Nutzung von informationeller Moderierbarkeit verweigern, weil er den Arbeitsaufwand zur Unterdrückung von Informationen sparen will. Zur Lösung solcher Konflikte kann Aushandelbarkeit (3.5) genutzt werden. Informationelle Moderierbarkeit hilft verschiedene Versionen von Dokumenten etc. zu erzeugen und bezieht sich nicht auf die Frage, wer wann zu einem Dokument Zugang hat oder nicht. Dies wird im Rahmen der Grundsätze zur Steuerbarkeit der wechselseitigen Beeinflussung (3.4) behandelt. Gäbe es informationelle Moderierbarkeit nicht, so könnte man im Rahmen der Steuerbarkeit nur entscheiden, ob jemand Zugriff erhält oder nicht; eine Differenzierung nach verschiedenen Versionen wäre nicht möglich. 3.4 Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung Es sollte Nutzern von Groupware möglich sein, zwischen verschiedenen Alternativen wählen zu können hinsichtlich der Art und Weise, wie sie auf andere Teilnehmer und deren Arbeit aktiv einwirken, bzw. auf sich einwirken lassen. Diese Wahlmöglichkeiten (s. Abschnitt 2) werden hier in Anlehung an die DIN 66234, Teil 8 als „Steuerbarkeit“ bezeichnet.1 Hierzu korrespondieren ähnliche Grundsätze wie etwa die Forderung nach Handlungsflexibilität (vgl. VDI 1 Wir sind uns darüber bewußt, daß mit einer solchen Begriffswahl eine Setzung verbunden ist, da das Angebot verschiedener Wahlmöglichkeiten, etwa zur Strukturierung eines Dokumentes, auch als Bestandteil von Aufgabenangemessenheit angesehen werden kann. Eine solche Setzung macht Sinn, wenn mit ihr die Entscheidung einhergeht, den Benutzern auf besondere Weise auf der Dialogebene zu signalisieren, daß sie eine Wahlmöglichkeit im Rahmen der Steuerbarkeit wahrnehmen und damit von einer Defaulteinstellung abweichen. Eine solche nachdrückliche Signalisierung wäre z. B. beim Anklopfen in bestehende Telefonate sinnvoll, damit Benutzer deutlicher erkennen, daß sie anklopfen, als dies bei einigen Nebenstellenanlagen der Fall ist. 40 Thomas Herrmann 1988, S. 17) und nach Entscheidungsspielräumen hinsichtlich des Einsatzes von Arbeitsmitteln (vgl. Dunckel 1989). Die Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung läßt sich anhand dreier Teilgrundsätze beschreiben:2 - Erreichbarkeit: Hier geht es darum, wie man es bewirken kann, daß andere Teilnehmer zu der Herstellung einer Verbindung aktiv beitragen, bzw. wie ein Teilnehmer, auf den der Versuch einer Verbindungsherstellung gerichtet ist, dies beeinflussen kann. - Verteilung: Dies betrifft die Frage, welchen Teilnehmern unter welchen Bedingungen und auf welche Art und Weise Dokumente etc. zugänglich gemacht werden bzw. wie man Einfluß darauf hat, welche Dokumente man wie erhält. - Zugriff: Dies betrifft die Abgrenzung zwischen individuellem und gemeinsamen Speicherbereichen und den dabei möglichen Differenzierungen, aus der Sicht sowohl derjenigen, die Zugriffsrechte verteilen, als auch derjenigen, die sie erhalten. 3.4.1 Steuerbarkeit der Erreichbarkeit Die Probleme, die damit verbunden sind, wenn ein Teilnehmer einen anderen zu erreichen versucht, sind allgemein bekannt: Es kann Streß entstehen, weil man jemanden gar nicht erreicht bzw. nicht rechtzeitig (gemessen an der Arbeitsaufgabe) oder weil man nicht weiß, ob man eine geeignete Verbindung rechtzeitig herstellen können wird. Für den Betroffenen, der erreicht werden soll, ergibt sich das Problem, daß er bei der Arbeit unnötig unterbrochen wird oder daß er sich beim Aufbau von Verbindungen beteiligt, ohne zu wissen, daß er dadurch mit Teilnehmern und Themen konfrontiert wird, die nicht mit seiner aktuellen Arbeitsaufgabe in Verbindung stehen. Man ist u. U. auch gestreßt, wenn man für jemanden erreichbar sein will und dies aber nicht sicherstellen kann. Der Grundsatz „Steuerbarkeit der Erreichbarkeit“ sieht demgegenüber vor, daß Teilnehmer zwischen verschiedenen Medien und Funktionen beim Verbindungsaufbau wählen können. Insbesondere kann der Aufbau von Verbindungen so vorbereitet werden, daß er in Abhängikeit von wählbaren Bedingungen automatisch erfolgt bzw. wiederholt wird. Teilnehmer können ihre Erreichbarkeit einschränken (bis hin zur Abschottung) und diese Einschränkungen hinsichtlich 2 Die hier angebotene Differenzierung ist nicht unstrittig. Mit einer praxis-orientierten Sicht mag es intuitiv nachvollziehbar sein, daß die Frage, ob und wie man erreichbar ist (Erreichbarkeit), von dem Problem zu unterscheiden ist, welche Dokumente man erhält (Verteilung). Formal betrachtet überschneiden sich jedoch die beiden Problemstellungen, ob man sich für die Zustellung eines Dokumentes erreichbar hält und ob man beeinflußt, in welcher Weise man ein Dokument übermittelt bekommt. Die hier dargestellte Systematisierung ist nur als intuitiver Vorschlag zu werten. Es erschien daher sinnvoll, die drei unter 3.4.1 bis 3.4.3 dargestellten Grundsätze unter der "Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung" zusammenzufassen. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 41 ausgewählter Zeiträume, Teilnehmer und Inhalte spezifizieren. Von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit, den Aufbau von Verbindungen umzuleiten. Die folgenden Beispiele sollen zeigen, daß der Grundsatz der steuerbaren Erreichbarkeit unterschiedliche und sogar gegenläufige Bedeutungen hat, je nachdem, in welcher Rolle sich ein Teilnehmer befindet. Aktivator (A) e-mail Man kann festlegen, daß beim Empfänger einer Mail deren Eintreffen solange regelmäßig signalisiert wird, bis er sie abruft oder daß eine Mail nach Ablauf einer Frist nicht mehr ausgeliefert wird. gemeinsame Datennutzung Wenn jemand ein Dokument für einen anderen Teilnehmer (B) zum Zugriff freigibt, so kann er entscheiden, ob dies direkt an B signalisiert wird oder nicht. Signalisierung bedeutet hier im Unterschied zu Transparenz, daß ohne Aktivität von B eine Anzeige auf seinem Bildschirm erfolgt. Koordination Man kann beliebig Terminvorschläge in die individuellen Terminkalender anderer Teilnehmer eintragen. Der Terminkalender muß hierfür - mit Ausnahme der eigenen Einträge - nicht einsehbar sein (im Unterschied zum Zugriff). WYSIWIS Falls es einer der Teilnehmenden beim gemeinsamen Konstruieren für nötig hält, den anderen zu sehen oder zu hören, so sollte er jederzeit eine Audio-Video-Verbindung einschalten können. Betroffener (B) Man kann den Empfang von Mails (etwa von bestimmten Absendern) ausfiltern, indem die Angaben im e-mail-Kopf automatisch ausgewertet werden. Die Signalisierung von Mail kann unterdrückt werden. B sollte das Anzeigen von Signalisierungen auf seinem Schirm unterdrücken können oder festlegen, daß sie zu einem bestimmten Zeitpunkt gebündelt dargestellt werden. Man kann den Eintrag von Vorschlägen in den eigenen Terminkalender jederzeit für andere unterbinden bzw. selektieren, wer Einträge machen kann und wer nicht. Für diejenigen, die Einträge vornehmen können, hält man sich durch die Gewährung eines partiellen Zugriffsrechtes (s. 3.4.3) auf den Terminkalender indirekt erreichbar. Wenn man durch die Aktivierung einer Audio-Video-Verbindung betroffen ist und in Ton und Bild am Monitor eines anderen Teilnehmers dargestellt wird, so hat man jederzeit die Möglichkeit, die Verbindung zu unterbrechen oder einzuschränken (auf Ton oder Video). Telefonie Der Anrufende kann seine Chancen erhöhen, Man kann sich gegenüber störenden Anrufen den anderen zu erreichen, indem er einen au- abschotten, indem man das Telefon abschaltomatischen Rückruf schaltet oder in ein be- tet oder eingehende Anrufe direkt umleitet. stehendes Gespräch mit einem Anklopfsignal interveniert. Tafel 9: Beispiele zu Steuerbarkeit der Erreichbarkeit 3.4.2 Steuerbarkeit der Verteilung Hinsichtlich der Verteilung von Dokumenten und Informationen wird beklagt, daß man Unterlagen einerseits unnötigerweise erhält und andererseits gar nicht 42 Thomas Herrmann oder zu spät oder erst nachdem sie bereits ein anderer in Bearbeitung hatte. Ein Problem stellt es auch dar, wenn man keine Kopie einer Unterlage hat, um andere in die Bearbeitung eines Vorgangs einzubeziehen, oder wenn die Erstellung solcher Kopien nicht erlaubt bzw. nicht zweckmäßig ist. Besondere Probleme kann die Starrheit von Bearbeitungsreihenfolgen bei wechselnden Personalsituationen bewirken. Zugriff ermöglichen Punkt zu Punkt Gruppen-Verteiler programmierte Verteilung Verteilender baumartiger Verteiler Umlauf Betroffener Abb. 4 Wählbarkeit verschiedener Verteilungsformen (z. B. aus der Sicht des Verteilenden) Steuerbarkeit der Verteilung bedeutet angesichts dieser Probleme, daß Teilnehmer zunächst wählen können, ob Dokumente bzw. Kopien über direkte Verbindungen (Versandprinzip) oder indirekte Verbindungen (Zugriffsprinzip) den anderen erreichen. Im Falle des Versandprinzips können sie entscheiden: - an wen sie ein Dokumente jeweils verteilen, - in welcher Reihenfolge und unter welchen Bedingungen andere Teilnehmer Dokumente erhalten (Programmierbare Verteilung), - über welche Medien die Verteilung erfolgt, - unter welchen Bedingungen oder in welcher Reihenfolge Rechte (s. Abschnitt 2), die sie anderen erteilt haben, von diesen weitergegeben werden dürfen (dies kann man auch als Weitergabe eines Dokumentes interpretieren, das als ein Objekt ein ausführbares Programm erhält, welches die Wahrnehmung eines Rechts ermöglicht). Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 43 Weiterhin müssen Teilnehmer, die von Verteilungsentscheidungen betroffen sind, zwischen verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten wählen können. Für die Festlegung von Verteilungen sind verschiedene Strukturen denkbar, zwischen denen man wählen können sollte (s. Abb. 4) Bei den folgenden Beispielen wird wiederum auf die Rolle desjenigen eingegangen, der von der Wahl der Verteilungsform betroffen ist. Auch für solche Teilnehmer kann es sinnvoll sein, uneingeschränkt über die Weiterverteilung entscheiden zu können. Hier können sich Konflikte zwischen jenen Teilnehmern ergeben, die am Anfang einer Verteilung stehen und jenen, die danach über den weiteren Umgang mit einem Dokument zu entscheiden haben. Aktivator (A) e-mail Man kann sich beliebige Verteiler aufbauen, um Mails an Gruppen unterschiedlicher Zusammensetzung zu verteilen. gemeinsame Datennutzung Man kann die Reihenfolge für die Weitergabe von Zugriffsrechten festlegen. Man kann beliebig festlegen, wie Zugriffsrechte weitervererbt werden. Wenn fünf Personen nacheinander an einem Dokument arbeiten, dann kann A das Zugriffsrecht an B geben und festlegen, daß dieser das Zugriffsrecht an C (und an sonst niemanden) und C es D sowie E weitergeben darf. Zuletzt haben alle Zugriff. Koordination Man kann festlegen, in welcher Reihenfolge ein Dokument im Rahmen eines Bearbeitungsvorgangs an verschiedene Teilnehmer übermittelt wird und von welchen Bedingungen (etwa zeitlicher Art) die Übermittlung abhängt. WYSIWIS Zu Beginn einer gemeinsamen Sitzung kann A, der die Sitzung eröffnet, das Recht auf Federführung pro Applikationsfenster an einen anderen Teilnehmer delegieren. Der entscheidet dann, wann das Fenster für Veränderungen geöffnet und wann es geschlossen wird. Die Federführung kann nur an A abgegeben werden. Betroffener (B) Man kann eigenständig veranlassen, daß man aus Verteilern anderer Teilnehmer entfernt wird. Man kann bzgl. Dokumenten, für die man das Zugriffsrecht erhält, dieses beliebig weitergeben, um flexibel Kooperationsbezüge aufbauen zu können. Als Empfänger eines zu bearbeitenden Dokuments hat man das Recht, dieses beliebig anderen Teilnehmern zuzuleiten, um sich bei der Bearbeitung unterstützen zu lassen. Wer das Recht der Federführung hinsichtlich eines Applikationsfensters erhält, kann dies jederzeit an andere entsprechend seiner Wahl weitergeben. 44 Thomas Herrmann Telefonie Steuerbarkeit der Verteilung setzt bei Telefonie voraus, daß Speichermedien genutzt werden, auf denen man z.B. verschiedene Ansagen ablegen kann. Dann sollte wählbar sein, wer (bei Identifizierung des Anrufenden) welche Ansage hören kann bzw. zu welchen Zeiten welche Ansage zu hören ist. Tafel 10: Beispiele zu Steuerbarkeit der Verteilung 3.4.3 Steuerbarkeit des Zugriffs Bei der gemeinsamen Nutzung von Dokumenten zeigen sich in der Praxis zahlreiche Probleme. Der bekannteste Fall ist darin zu sehen, daß zwei gleiche Dokumente von unterschiedlichen Teilnehmern aktualisiert werden, die beide meinen, daß sie die Version bearbeiten, an der die Gruppe insgesamt Änderungen vornimmt. Um solche Probleme zu vermeiden, werden Zugriffsrechte i.d.R. drastisch eingeschränkt, was dazu führen kann, daß man auf dringend benötigte Informationen nicht zugreifen kann oder daß man bei ausschließlich lesendem Zugriff oder Zugriff auf Kopien offensichtlich notwendige Verbesserungen nicht ad hoc einzuarbeiten vermag. Darüber hinaus kommt es vor, daß Objekte eines Dokumentes bereits weiterverwendet werden, obwohl sie aus der Sicht einiger Teilnehmer noch verändert werden müssen. Steuerbarkeit des Zugriffs bedeutet, - daß man für Dokumente oder Transparenzdatensätze, die nur man selbst im eigenen Arbeitsbereich abgespeichert hat, wählen kann, wer auf sie zugreifen kann, und zwar wann, wie lange, unter welchen Bedingungen und auf welchem Zugriffslevel (Festlegung, was man mit einem Dokument machen darf). - daß man Möglichkeiten hat, auf Dokumente, Objekte und Transparenzdaten zuzugreifen, die man selbst bearbeitet hat oder die für die Erledigung von Arbeitsaufgaben relevant sind. Dies gilt insbesondere auch nach Abbruch einer indirekten Verbindung oder wenn ein Dokument weitergeleitet worden ist. Steuerbarkeit des Zugriffs hat also zwei potentiell konfligierende Aspekte: Gewährung von Zugriff und Einforderung von Zugriff. Beide Aspekte werden in den folgenden Beispielen veranschaulicht. Aktivatoren sind diejenigen, die Zugriffe erteilen oder einfordern. Betroffene sind alle, die entweder Zugriffe erteilt bekommen oder auf deren Dokumente jemand zugreifen will. Die Rollen können sich beim Zugriffsprinzip schnell ändern: Zuerst ist man Betroffener, weil man ein Zugriffsrecht in einer bestimmten Form erhält, dann kann man Aktivator sein, der einen Zugriff vornimmt. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware Aktivator (A) e-mail Solange eine abgesandte Mail vom Empfänger noch nicht angesehen wurde, hat A die Entscheidungsfreiheit, diese Mail durch eine später abgesendete, aktualisierte bzw. korrigierte Version zu ersetzen. gemeinsame Datennutzung Man kann zwischen verschiedenen Zugriffsstufen, die man anderen Teilmehmern gewährt, wählen und auch Zeitlimits setzen. Es kann z. B. ein Dokument nur zum Lesen freigegeben werden. Betroffener (B) Man kann auf alle Dokumente zugreifen, die man für seine Arbeit benötigt. Koordination Im Rahmen einer Vorgangsbearbeitung kann jemand, der an einem Dokument schon Bearbeitungsschritte vorgenommen hat, jederzeit entscheiden, nochmals auf das Dokument zuzugreifen, auch wenn es schon bei einem anderen Teilnehmer abgelegt ist. WYSIWIS Man kann bei WYSIWIS frei auf alle Funktionen zugreifen, die bei den anderen Teilnehmern zur Veränderung der gemeinsam sichtbaren Objekte zur Verfügung stehen. Man kann den Zugriff auf alle Dokumente verweigern, die man in Arbeit hat. Telefonie Man kann beliebig auf die Kurzwahlspeicher anderer Teilnehmer zugreifen, um die abgelegten Nummern zu nutzen (bei Telefonnebenstellenanlagen). 45 B kann festlegen, daß sein Speicher für eingehende Mail in Abhängigkeit von bestimmten Terminen oder Bedingungen gegenüber jedem Einfluß von außen abgeschottet ist. Man kann die Erteilung eingeschränkter Zugriffsrechte prinzipiell zurückweisen oder prinzipiell der Aufgabe entsprechend ausweiten. Hat man ein Dokument zur Bearbeitung empfangen und im eigenen Arbeitsbereich abgelegt, so darf man auch als Empfänger uneingeschränkt entscheiden, wer darauf Zugriff hat und wer nicht. Man kann frei wählen, ob andere Teilnehmer auf bestimmte Funktionen, über die man sonst alleine verfügt, zugreifen können. Dies gilt insbesondere bei Makros, die man selbst entworfen hat. Man muß diese Funktionen nicht den uneingeschränkten Zugriff anderer preisgeben. Man kann den Kurzwahlspeicher als Bestandteil des eigenen Arbeitsbereiches ansehen, für den man wählen kann, wer darauf zugreifen darf. Tafel 11: Beispiele zu Steuerbarkeit des Zugriffs 3.4.4 Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung im Verhältnis zu anderen Gestaltungsgrundsätzen Steuerbarkeit bezieht sich auf die Auswahl zwischen verschiedenen Alternativen, um eine angestrebte Wirkung zu erzielen. Dabei geht es im Rahmen von Kooperation und Kommunikation im wesentlichen darum, wie Verbindungen aufgebaut und zu bearbeitende Dokumente, Objekte etc. zugänglich gemacht werden - insbesondere auch solche, die im Rahmen von Informationsangemessenheit, informationeller Moderierbarkeit und Transparenz hervorgebracht und geformt werden. Transparenz hat dabei eine zweiseitige Rolle: Sie liefert Inhalte für Informationsdarstellungen (die z. B. zu verteilen sind), und sie ist selbst auf 46 Thomas Herrmann Steuerbarkeit anzuwenden, da die zur Auswahl stehenden Alternativen stets nachvollziehbar sein sollten. Welche Auswahlalternativen angeboten werden, ist im Rahmen der gruppenorientierten Konfiguration (s. 3.6) festzulegen. Es wurde am Beispiel der Rollen „Aktivator“ vs. „Betroffener“ gezeigt, daß die Möglichkeiten der Steuerbarkeit unterschiedliche Bedeutung haben können bzw. rollenabhängige Dialogmöglichkeiten und Funktionen zu ihrer Realisierung benötigen. Würde man Steuerbarkeit jedem Teilnehmer immer uneingeschränkt gewähren, so gäbe es Situationen, in denen Teile der Groupware in Zustände versetzt werden, die einander widersprächen. Solche Konstellationen können durch Aushandelbarkeit aufgelöst werden. 3.5 Aushandelbarkeit als Möglichkeit zur Konfliktlösung Die Umsetzung von Steuerbarkeit sowie die Gegenläufigkeit von Informationsangemessenheit und Transparenz einerseits und informationeller Moderierbarkeit andererseits kann problematische Konfliktkonstellationen hervorrufen. Diese Konflikte würden auch unabhängig von den beschriebenen Gestaltungsgrundsätzen auftreten, da Groupware-Nutzer in Abhängigkeit von ihren Nutzungsrollen unterschiedliche Interessen haben. Eine Lösung könnte darin gesehen werden, daß man versucht, mögliche Problemkonstellationen vorherzusehen und im vorhinein zu entscheiden, wie sie aufzulösen sind. Hierzu müßte zum Zweck der Konfiguration einer Groupware ein hoher Antizipationsaufwand vor ihrem Einsatz betrieben werden. Somit könnte dann z. B. festgelegt werden, wer an wen Umleitungen vornehmen darf, wer auf welche Arten von Dokumenten Zugriff hat und in welcher Reihenfolge Bearbeitungsvorgänge ablaufen. Wäre dies realisierbar, so wären nicht nur viele Nutzungsmöglichkeiten im einzelnen festgelegt, sondern auch die mit ihnen verbundenen Kooperationsmöglichkeiten. In Unternehmen, bei denen Organisationsstrukturen in diesem Sinne weitgehend antizipiert sind und detailliert festgelegt werden (durch Richtlinien oder entsprechend konfigurierte Systeme), kann sich das Problem mangelnder Flexibilität bei der Aufgabenbearbeitung ergeben. Hierdurch werden Arbeitsabläufe ineffizient, wenn z. B. ein Mitarbeiter nicht erreichbar ist und aufgrund organisatorischer Regelungen auch nicht von einem anderen vertreten werden kann. Der Aufbau informeller Kooperationszusammenhänge und Kommunikationsbeziehungen wird eingeschränkt. Innovative und flexible Anpassung an sich ändernde Anforderungen werden erschwert. Zur Vermeidung solcher Probleme wird hier vorgeschlagen, Konflikte nicht durch generalisierte Regelungen aufzufangen, sondern zwischen den betroffenen Teilnehmern aushandeln zu lassen. Der Gestaltungsgrundsatz der Aushandelbarkeit sieht vor, daß ein Teilnehmer (B) als Betroffener Einfluß hat auf einen anderen Teilnehmer (A), der eine globale Funktion (F) aktiviert oder deren Aktivierung vorbereitet (s. Abschnitt 2 und Abb. 2), falls: Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 47 - B durch die Wirkung der aktivierten Funktion betroffen ist und - B Alternativen zur Auswahl hat, deren Aktivierung eine andere Wirkung als die Funktion F hervorruft. Daß der Betroffene B Einfluß auf A hat bedeutet, daß er der Aktivierung (bzw. der Vorbereitung einer Aktivierung) von Funktion F zustimmen kann, sie ablehnen darf oder berechtigt ist, eine Modifikation vorzuschlagen. Diese Einflußnahme kann ggf. auch die Forderung beinhalten, daß die Wirkung einer bereits zur Anwendung gekommenen Funktion modifiziert bzw. zurückgenommen werden soll. A x x' Steuerbarkeit für A … x" wählbare Alternativen Steuerbarkeit für B B Aushandlung A schlägt X vor Zustimmung*, Gegenvorschlag (X") oder Ablehnung durch B * Zustimmung*, Gegenvorschlag (X') oder Ablehnung durch A weitere Aushandlung * andere Form der Einigung vorab festgelegte Alternative Realisierung der ausgehandelten Alternative Abb. 5: Möglicher Ablauf bei der Nutzung von Aushandelbarkeit Voraussetzung für diese Reaktionsmöglichkeiten von B ist, daß die auf ihn bezogenen Aktivitäten von A transparent sind. Wenn A also z. B. die Umleitung 48 Thomas Herrmann eingehender Mails zu B vorbereiten will, so muß B dies sofort erkennen können. B kann dann hierzu die Zustimmung verweigern oder auf einen begrenzten Zeitraum einschränken. Dies muß auch noch möglich sein, wenn B erst zu einem späteren Zeitpunkt festellt, daß eine Umleitung vorbereitet wurde oder wenn er sieht, daß bereits eine umgeleitete Mail bei ihm eingetroffen ist. Teilnehmer A kann dann auf die Entscheidung von B nach dem gleichen Prinzip reagieren. Falls B die Aktivierung einer Funktion F durch A ablehnt, kann A auf die Aktivierung insistieren; falls B eine Modifikation vorschlägt (etwa veränderte Parameter für F), dann kann A zustimmen, ablehnen oder eine weitere Modifikation vorschlagen. Diese zweite Stufe der Aushandlung kann in Abhängigkeit von der Aufgabe oder von der speziellen Nutzungssituation auch übersprungen werden, sie ist optional. Deshalb ist sie in Abb. 5 durch ein Feld dargestellt, daß mit einer unterbrochenen Linie eingefaßt ist. Ebenfalls optional ist die Möglichkeit, daß der Betroffene B nochmals zur Reaktion von A Stellung nehmen kann (gestrichelter Pfeil in Abb. 5). Dadurch werden mehrschleifige Aushandlungsprozesse möglich. Eine wesentliche Eigenschaft von Aushandelbarkeit besteht darin, daß dieser Prozeß der Zustimmung bzw. Ablehnung über dasselbe Medium ablaufen soll, auf den es sich bezieht. Zum Zweck der Aushandlung soll also kein Medienbruch stattfinden. Es kommt in besonderem Maße darauf an, daß die Dialogbedingungen der Aushandlung sehr einfach zu handhaben sind, damit der Aushandlungsprozeß für B nicht mehr Aufwand erfordert, als es durch die Hinnahme der Aktivierung der zu verhandelnden Funktion F verursacht würde. Deshalb sollten die Dialogmöglichkeiten zur Aushandlung soweit wie möglich strukturiert sein. Abb. 5 stellt das Aushandlungsprinzip als Ablaufschema dar: Ausgangssituation einer Aushandlung ist, daß A und B unterschiedliche Alternativen verfolgen und daß A entsprechend seiner Vorstellung eine Aktivierung initiieren will. Die Aushandlung kann sich insbesondere auch auf Alternativen beziehen, zu deren Realisierung die Aktivierung einer Funktion vorbereitet wird (z. B. bei Telefonabschottung). Über vorbereitete Funktionen verhandelt ein Betroffener i.d.R. spätestens dann, wenn diese durch ein spezielles Ereignis automatisch aktiviert wird und er hierdurch betroffen ist. B verhandelt dann mit dem Ziel, daß speziell für ihn in der gegebenen Situation die Wirkung der automatischen Funktionsaktivierung keinen Bestand haben soll. Die Verhandlung kann auch früher beginnen, wenn durch die Konfiguration des Systems oder auf Veranlassung durch A den Betroffenen die Vorbereitung einer Funktion vor ihrer Aktivierung bekannt wird. Dieser Weg ist bei asynchronen Systemen sinnvoll. Der Aushandlungsprozeß endet im Einverständnis, wenn von einer Seite eine Zustimmung zu den ausgetauschten Stellungnahmen erfolgt. Es sollte vorgesehen werden, daß die Teilnehmer ihre Stellungnahmen kommentieren können. Falls sie sich nicht einigen, können sie sich signalisieren, daß sie das Problem über ein anderes Medium (etwa Telefon) oder im direkten Gespräch klären wollen (nach außen weisender Pfeil). Ansonsten tritt die Alternative in Kraft, die im Rahmen der Konfi- Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 49 guration für den betreffenden Fall festgelegt wurde. Diese Alternative kann ebenfalls den Vorschlag beinhalten, daß man sich auf anderem Weg einigen soll (nach oben weisender Pfeil). Diese Möglichkeiten beinhalten, daß Aushandelbarkeit keinesfalls als Ersatz für direkte Kommunikation anzusehen ist, sondern nur als Klärungsinstrument in einfach strukturierbaren Situationen. Bei der Ausgestaltung von Aushandelbarkeit bestehen hinsichtlich verschiedener Aspekte Wahlmöglichkeiten (vgl. auch Wulf 1994): - Soll die Aushandlung einschleifig oder mehrschleifig sein? Soll die zweite Stufe der Aushandlung (Reaktion von A) unterbleiben? Unter welchen Bedingungen soll die Aushandlung abbrechen? Welcher Zustand tritt im Falle der Nichteinigung ein? Wie kann eine per Aushandlung gebilligte Wirkung rückgängig gemacht werden? - In welchem Grad werden die Reaktionsmöglichkeiten der Aushandelnden vorstrukturiert? Die folgenden Beispiele sollen mögliche Aushandlungssituationen/-vorgänge verdeutlichen und zeigen, daß für den Fall der Nicht-Einigung die vorgegebenen Alternativen zu realisieren sind. e-mail einschleifig Ein Teilnehmer (A) teilt einem anderen mit, daß er künftig alle Mails ausfiltern wird, die nicht einen Subject-Eintrag aufweisen, der aus einer ebenfalls übermittelten Liste stammt. Diese Mitteilung wird entweder durch Aktivierung eines eigens vorgesehenen Buttons (stark strukturiert) oder durch Absendung einer vorbereiteten Mail mit Freitext (schwach strukturiert) vollzogen. Falls der Betroffene (B) sein Einverständnis signalisiert, wird die Filterung automatisch aktiviert. B kann auch als Modifkation vorschlagen, daß die Liste um fünf Einträge erweitert wird. Bei Zustimmung wird die Liste automatisch erweitert. Falls B A's Vorschlag oder A B's Modifikation ablehnt, kommt eine vorab festgelegte Entscheidung für den Konfliktfall zum Zuge: Z. B. daß die Filterung nicht möglich ist oder nach einer Woche automatisch aufgehoben wird. mehrA kann B's Vorschlag für fünf weitere Einträge nach Streichung zweier Einträge schleifig zurücksenden usw. gemeinsame Datennutzung einJemand (A) hat sich Änderungen zu einem Dokument ausgedacht, auf das er nur schleifig lesenden Zugriff hat. Er kann durch ein hierfür bereitgestelltes Dialogfenster direkt die Erweiterung des Zugriffsrechts verlangen. Beim Zugriffsvergebenden (B) wird ebenfalls ein Dialogfenster geöffnet, das durch Wahl einer von drei Alternativen geschlossen wird. Wählbar sind Zustimmung, Ablehnung oder Modifikation (z. B. daß eine Kopie des Dokuments erzeugt wird). Solange B sein Fenster nicht schließt, ist der Zugriff für A und B nicht möglich. Falls keine Einigung zustande kommt, wird entsprechend der vorgegebenen Konfiguration entschieden; z. B. daß eine Kopie des Dokumentes erzeugt wird. mehrBei Ablehnung durch B kann A nochmals auf den schreibenden Zugriff insistieschleifig ren und eine freitextliche Begründung anfügen, oder A kann eine Modifikation vorschlagen. 50 Thomas Herrmann Koordination einFalls jemand (A) auf ein Dokument, das er selbst bearbeitet hat, zugreifen will schleifig (z. B. kopieren), obwohl es schon in den Arbeitsbereich eines anderen Teilnehmers (B) übermittelt wurde, dann kann B wie folgt reagieren: Ablehnung oder Zustimmung zum Zugriffswunsch oder Modifikation (z. B. Zugriff zu einem späteren Zeitpunkt). Falls keine Einigung erzielt wird, entscheidet die Gruppenkonvention (z. B. daß das Dokument über A geleitet wird, sobald B es freigegeben hat). mehrA kann bei Ablehnung oder Modifikation durch B nochmals auf den Zugriff beschleifig harren oder eine eigene Modifikation vorschlagen. WYSIWIS einBei Abschluß einer WYSIWIS-Sitzung muß entschieden werden, wer welche schleifig Objekte als Bestandteil seines Arbeitsbereichs zugeordnet bekommt. Falls jemand ein gemeinsam bearbeitetes Objekt für sich allein beansprucht, können die anderen dem zustimmen, ablehnen oder vorschlagen, daß das Objekt in dem Zustand belassen wird, in dem es vor der Sitzung war. Falls kein Vorschlag Zustimmung findet, greift die vorkonfigurierte Konvention: Ein Objekt bleibt bspw. solange gesperrt, bis man sich auf anderem Weg geeinigt hat. mehrEs können bei Uneinigkeit in der ersten Verhandlungsschleife andere Alternatischleifig ven zur Verhandlung angeboten werden, z.B. daß Kopien des Objektes erzeugt werden und daß man auf die Kopien nur lesenden Zugriff hat. Telefonie einWenn man (A) sein Telefongerät abgeschaltet hat, kann ein anrufender Teilnehschleifig mer (B) dies erkennen. Er kann die Abschottung akzeptieren, indem er auflegt oder auf den Gesprächswunsch beharren, indem er eine Dringlichkeitstaste drückt. A hört dann ein Anrufsignal und kann akzeptieren (Hörer aufnehmen) oder ablehnen, indem er die Abschottungstaste erneut drückt. Je nachdem, ob die Konfigurationsentscheidung der Gruppe eine Abschottung von A gegenüber B zuläßt oder nicht, wird das Anrufsignal dann endgültig unterbrochen oder ist weiter zu hören. mehrDie Dringlichkeitstaste kann ein zweites Mal von B gedrückt werden; A kann schleifig nicht nur ablehnen, sondern auch modifizieren, indem er für den anderen sichtbar festlegt, wann die Abschottung beendet sein wird. Tafel 12: Beispiele für die Nutzung von Aushandelbarkeit Für Aushandelbarkeit ist die Transparenz von zentraler Bedeutung, da über sie der Betroffene von der Aushandlung Kenntnis gewinnt. Ebenso zentral ist die gruppenorientierte Konfigurierbarkeit, über die festgelegt wird, was aushandelbar ist und welche Zustände im Falle der Nicht-Einigung realisiert werden. Dabei ist hinsichtlich der Normkonformität (s. 3.8) zu beachten, daß aus der Aushandlung keine Zustände resultieren dürfen, die Verträgen oder Rechtsnormen widersprechen. 3.6 Gruppenorientierte Konfigurierbarkeit Für den Umgang mit konfliktären Konstellationen bei der Nutzung globaler Groupwarefunktionen wurden in 3.5 zwei gegensätzliche Lösungsstrategien thematisiert: Vermeidung von Konfliktfällen durch Antizipation und Regelungen für das gesamte System sowie für alle möglichen Situationen einerseits ver- Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 51 sus Aushandlung des Konflikts für jede einzelne Situation andererseits. Die durch den Grundsatz der Aushandelbarkeit eröffnete Flexibilisierung des Verlaufs jeder einzelnen Konfliktsituation kann jedoch neue Probleme eröffnen; z. B.: - Effizienzverlust durch sich wiederholende Aushandlungen und Zeitverlust, da man das Ende der Aushandlung abwarten muß, - Verstoß gegen Erwartungskonformität, da für unterschiedliche Teilnehmer voneinander abweichende Regelungen gelten, die im einzelnen ausgehandelt wurden, - Gefahr, daß sich durch die Aushandelbarkeit Verfahrensweisen etablieren können, die gegen Normen verstoßen oder auch formalen oder informellen Konventionen der Zusammenarbeit innerhalb eines betrieblichen Kontextes zuwiderlaufen. Angesichts dieser Probleme wird deutlich, daß Aushandelbarkeit nicht dazu führen kann, daß man auf eine Konfiguration bzw. Festlegung von Eigenschaften der Groupware vor der Nutzung des Systems verzichtet. Dabei sollten jedoch nicht generalisierte Festlegungen entschieden und umgesetzt werden, sondern die Konfiguration an den Aufgaben, Bedürfnissen und Interessen einzelner Gruppen1 orientiert werden. Ein System ermöglicht gruppenorientierte Konfigurierbarkeit, wenn zu möglichst allen Aspekten, hinsichtlich derer unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Anforderungen haben, Funktionsalternativen wählbar und festlegbar sind. Der Umfang der Funktionsalternativen sollte so groß sein, daß zu den spezifischen Kooperationsgewohnheiten einer Gruppe jeweils spezifische Funktionsalternativen vorhanden sind, die zu diesen Gewohnheiten passen. Konfigurierbarkeit bedeutet, daß für die einzelnen Teilnehmer einer Gruppe festlegbar ist, welche Funktionsalternativen ihnen in welcher Nutzungssituation zur Verfügung bzw. zur Auswahl stehen und welche nicht. Die Komplexität des Konfigurierungsvorganges sollte hinsichtlich der Erlernbarkeit, der Zuverlässigkeit etc. nicht höher sein als bei den anderen Nutzungsprozessen. Von besonderer Bedeutung im Rahmen der gruppenorientierten Konfigurierbarkeit sind folgende Festlegungen: - wie die Gruppe zu anderen Gruppen Verbindungen aufbaut, - wie sich die Nutzungsmöglichkeiten von Gruppenmitgliedern gegenüber denen von externen Teilnehmern unterscheiden, - mit welchem Ergebnis Aushandlungsprozesse beendet werden, bei denen sich die Aushandelnden nicht einigen konnten, - hinsichtlich welcher Funktionsalternativen Aushandelbarkeit zugelassen wird. 1 Unter einer Gruppe wird hier eine Menge von Teilnehmern verstanden, die sich aus organisatorischer Sicht (hinsichtlich der Arbeitsteilung) zu einer sinnvollen Einheit zusammenfassen lassen. Hierzu gehören z. B. Teams, Projekte, Abteilungen etc. 52 Thomas Herrmann Im folgenden werden Beispiele für mögliche Konfigurationsaspekte gezeigt: e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefonie Eine Gruppe kann für sich festlegen und nach außen mit einer einheitlichen Liste verdeutlichen, zu welchen Themen (Angaben im Subject-Feld) sie Mail annehmen oder ausfiltern wird. Nach innen kann sie einen einheitlichen Transparenz-Datensatz bei Empfangsbestätigungen vorsehen. Eine Gruppe kann für sich festlegen, welche verschiedenen Abstufungen von Zugriffsmöglichkeiten sie vorsehen will und was im Falle von Zugriffskollisionen passiert. Es kann innerhalb einer Gruppe festgelegt werden, wer mit Hilfe des Systems Bearbeitungsreihenfolgen für welche Teilnehmer definieren darf. Ähnlich ist konfigurierbar, über wen eine Weiterleitung nach außen (zu anderen Gruppen) erfolgt oder wer in welchen Terminkalender Voreinträge vornehmen darf und wie im Konfliktfall zu entscheiden ist. Es ist pro Gruppe auf dem System hinterlegbar, wem eine Teilnahme anzubieten ist, wenn WYSIWIS-Sitzungen zu einem bestimmten Aufgabenbereich vorbereitet werden. Es kann festgelegt werden, ob es jeweils einen Leiter zu WYSIWIS-Sitzungen geben soll und wie dessen Rolle im System umgesetzt wird. Eine Gruppe kann für ihre Teilnehmer festlegen, wer gegenüber wem abschotten darf, wer auf wen umleiten darf und wie im Rahmen dieser Möglichkeiten bei fehlender Einigung in Aushandlungsprozessen zu verfahren ist. Tafel 13: Gruppenorientierte Konfigurierbarkeit Gruppenorientierte Konfiguration hat einen Bezug zu den meisten anderen Grundsätzen, wie bei deren Beschreibung verdeutlicht wurde. Insbesondere können die Auswahlmöglichkeiten, die bei der Steuerbarkeit zur Verfügung stehen, durch die Konfiguration eingeschränkt werden. Aushandelbarkeit wird nicht nur durch gruppenorientierte Konfiguration vorbereitet, sondern hilft auch, deren Ergebnisse akzeptierbar zu machen: Es ist davon auszugehen, daß eine Festlegung eher akzeptiert wird, wenn die betroffenen Teilnehmer wissen, daß sie über die Aushandelbarkeit Ausnahmen gegenüber dieser Festlegung einfordern können. Die Wahlmöglichkeiten bei der Konfiguration sind selbst wiederum eingeschränkt, soweit dies wegen des Grundsatzes der Normkonformität erforderlich ist. 3.7 Groupware-spezifische Fehlerrobustheit Fehler, die beim Umgang mit interaktiven Systemen auftreten können, haben bei Groupware besonderes Gewicht, wenn von ihrer Wirkung andere Teilnehmer betroffen sind. Dies bedeutet, daß sich Groupware-Nutzer gegen Fehler schützen müssen bzw. deren Folgen zu beheben haben, obwohl sie diese u. U. gar nicht verursacht haben. Für denjenigen, der einen Fehler auslöst, bestehen nach Abbruch von Verbindungen kaum noch Möglichkeiten, dessen Wirkung auf betroffene Teilnehmer zu beheben. Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 53 Der Grundsatz der groupware-spezifischen Fehlerrobustheit beinhaltet zum einen, daß es auf die Aktivierung globaler Funktionen oder auf deren Vorbereitung ein besonderes Feedback gibt und daß eine versehentliche Aktivierung solcher Funktionen erschwert wird. Zum anderen müssen Möglichkeiten angeboten werden, um Fehler zu revidieren, die mit globalen Funktionen verursacht werden. Die Erschwerung der Aktivierung ist bei solchen Funktionen vorgesehen, die etwa das Löschen oder Umbenennen von Dokumenten eines gemeinsamen Archivs bewirken oder durch die Referenzierungen oder Zugriffsrechte verändert werden. Auch die Zustimmung zu Vorschlägen im Rahmen der Aushandelbarkeit sollte besonders gesichert werden. Weitere derartige Beispiele enthält die folgende Tabelle. Für die Revidierbarkeit sind zwei Fälle zu unterscheiden: Bestimmte Fehler muß ein Benutzer ad hoc rückgängig machen können, auch wenn dadurch andere betroffen sind; in anderen Situationen muß der Revision ein Aushandlungsprozeß vorangehen. Die Zuordnung zu diesen Fällen ist von den Erfordernissen der Aufgabenstellung abhängig zu machen und im Rahmen gruppenorientierter Konfiguration im vorhinein festzulegen. Darüber hinaus muß es definierbare Ausgangssituationen geben, zu denen nach Aushandlungs- oder Konfigurationsprozessen jederzeit zurückgesprungen werden kann. Fehlerrobustheit hat nicht nur einen engen Bezug zur Aushandlung und Konfiguration, sondern ist auf alle Dialogmöglichkeiten und Funktionen anzuwenden, die im Rahmen der beschriebenen Grundsätze bereitgestellt werden. e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefonie Vor dem Absenden einer Nachricht wird nochmals eine gesonderte Bestätigung abgefragt. Ausgefilterte Mail wird nicht weggeworfen. Bei einer Änderung des Filters fragt das System, ob Mails, die unter den neuen Bedingungen ausgefiltert worden wären, angezeigt werden sollen. Bevor man ein Zugriffsrecht zu einem Dokument an einen Teilnehmer erteilt, erhält man eine Liste all jener Teilnnehmer angezeigt, denen man bzgl. des Dokuments schon Zugriff gewährt hat, damit man das Auftreten möglicher Kollisionen vermeiden kann. Niemand darf Objekte eines Dokuments ändern können, für deren Bearbeitung andere zuständig sind. Innerhalb einer Gruppe (wie sie entsprechend der Konfiguration definiert ist), können Teilnehmer ein UNDO auf ihre Bearbeitungsschritte vornehmen, auch wenn das betroffene Dokument schon weitergeleitet wurde. Aushandelbar wäre dann z. B. - je nach Konfiguration - nur der Zeitpunkt des UNDO. Der Zustand, den Objekte vor der WYSIWIS-Sitzung hatten, kann jederzeit wieder hergestellt werden. Bei der Aktivierung von Makros laufen diese schrittweise und zeitverzögert ab und sind jederzeit anzuhalten, damit die durchgeführten Veränderungen von allen nachvollziehbar sind. Die Tatsache, daß ein dritter Teilnehmer zu einem Gespräch dazugeschaltet wird, muß für alle sofort und jederzeit deutlich erkennbar sein. Bei Rufumleitung muß dem umgeleiteten Teilnehmer dies durch eine Ansage mitgeteilt werden, bevor der Empfänger des umgeleiteten Gesprächs eine Signalisierung bekommt. Tafel 14: Beispiele für Fehlerrobustheit 54 Thomas Herrmann 3.8 Normkonformität In der Einleitung wurde der Anspruch skizziert, daß die Konstellationen von Groupware so vielfältig und flexibel sein sollten wie die zu unterstützenden Kooperations- und Kommunikationsbezüge einer Gruppe. Die Realisierung dieses Anspruchs kann dazu führen, daß Zustände oder Vorgänge erzeugt werden, die mit bestehenden Gesetzen, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen, Verträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen etc. nicht vereinbar sind. Die Zustände oder Vorgänge sind dann nicht normkonform. Normkonformität sieht demgegenüber vor, - daß eine Untermenge von Funktionen so implementiert ist, daß ihre Wirkung nicht durch Steuerbarkeit, Aushandlung oder Gruppenkonfiguration veränderbar ist bzw. vorgenommene Veränderungen beim Eintreten vordefinierter Randbedingungen wieder zurückgenommen werden, - daß der Zugriff auf bestimmte Transparenzdaten, Dokumente, Datenflüsse etc. für bestimmte Teilnehmer prinzipiell unterbunden werden kann. Besonders schutzwürdig sind jene Dokumente und Transparenzdatensätze, aus denen personenbezogene Informationen abgeleitet werden können. Normkonformität kann auch beinhalten, daß ständig Protokollierungsfunktionen aktiviert werden, damit die Einhaltung der Normen überprüfbar wird. Es wird deutlich, daß Normkonformität die Möglichkeiten der partizipativen Weiterentwicklung von Systemen im Rahmen von Anpaßbarkeit einschränkt, da die Veränderbarkeit von Funktionen limitiert ist. Hierzu können auch alle Funktionen gehören, die im Rahmen der beschriebenen Grundsätze benötigt werden. e-mail gemeinsame Datennutzung Koordination WYSIWIS Telefonie Organisationseinheiten, die etwa aus Sicherheitsgründen ständig erreichbar sein müssen, dürfen keine Filter einrichten können. Das gilt auch für Empfangsstationen, über die eine Mail zu einer solchen Einheit weitergeleitet wird. Bei Dateien mit personenbezogenen Daten dürfen Zugriffsrechte nicht weiter verteilbar sein. Jemand, der aus rechtlichen Gründen die Bearbeitung eines Dokumentes zu verantworten hat, darf in keinem Fall bei der Festlegung der Bearbeitungs-reihenfolge als letzte Kontrollinstanz übergehbar sein. Falls WYSIWIS zwei Rechtspersonen zusammenführt und das entwickelte Ergebnis der Produkthaftung unterliegt, so muß protokolliert werden, wer welche Veränderungen zu verantworten hat. Es müßte technisch sichergestellt werden, daß ein Gespräch nicht ohne Einverständnissignalisierung der Teilnehmer aufgezeichnet werden kann. Tafel 15: Beispiele für Normkonformität Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 4 55 Zusammenfassung Der wesentliche Teil dieses Beitrages besteht in der Differenzierung und Präzisierung von Grundsätzen zur menschengerechten Gestaltung von Groupware. Abbildung 6 gibt hierzu einen Überblick und macht Zusammenhänge und Widersprüche deutlich. Informationsangemessenheit informationelle Moderierbarkeit Transparenz Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung bzgl. der Erreichder des barkeit Verteilung Zugriffs Aushandelbarkeit Meta-Bezug groupwarespezifische Fehlerrobustheit Normkonformität gruppen -oriertierte Konfigurierbarkeit mögliche Widersprüche Abb. 6: Überblick über die Gestaltungsgrundsätze „Informationsangemessenheit“, „informationelle Moderierbarkeit“ und „Transparenz“ sind Grundsätze, die Funktionen und Dialogmöglichkeiten bereitstellen, welche während der unmittelbar aufgabenorientierten Nutzung von Groupware relevant sind. Diese drei Grundsätze liegen daher auf einer Ebene. 56 Thomas Herrmann Sie erleichtern sowohl den Aufbau von Verbindungen als auch die Bearbeitung von Dokumenten und Datenflüssen, die über diese Verbindungen vermittelt werden sollen (s. auch Abb. 2). „Informationelle Moderierbarkeit” steht im Gegensatz (s. Doppelpfeile) zu den anderen beiden Grundsätzen dieser Ebene, da sie auf eine Reduzierung der zu vermittelnden oder anzeigbaren Informationen abzielt, während es sonst um eine potentielle Ausweitung der Informationsdarstellungen geht. Die Nutzung von Funktionen auf der unmittelbar aufgabenorientierten Ebene basiert auf Voreinstellungen (Defaults). Die Veränderung dieser Voreinstellungen kann im Rahmen von „Steuerbarkeit“ im allgemeinen Sinne (nach DIN 66234, Teil 8) erfolgen. Sie ist nach unserem Verständnis dieses Grundsatzes nur indirekt auf die Aufgabenbearbeitung orientiert, da sie hilft, diese zu effektivieren. „Steuerbarkeit“ ist daher auf einer eigenen Ebene plaziert. Mit ihr kann bei der Nutzung von Funktionen zwischen verschiedenen Alternativen der Aktivierung oder der angestrebten Wirkungen gewählt werden (in Abweichung von vorgegebenen Voreinstellungen des Systems). Es wurde in der Einleitung darauf hingewiesen, daß für „Steuerbarkeit“ im allgemeinen Sinne sowie auch für andere Grundsätze gängiger Normen und Richtlinien unterstellt wird, daß sie für die lokalen Funktionen, wie sie auch bei Groupware angeboten werden, bereits realisiert seien. Von besonderem Interesse hinsichtlich der globalen Funktionen ist dann die „Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung“. Für sie wird eine Dreiteilung vorgeschlagen, wobei sich für jeden Teilgrundsatz zeigt, daß er von verschiedenen Teilnehmern mit unterschiedlichem, situationsabhängigen Interesse genutzt werden kann. Dies wurde exemplarisch an der Gegenüberstellung von Aktivator und Betroffenem plausibel gemacht. Es zeigt sich also im Verlauf der Ausarbeitung der Gestaltungsgrundsätze, daß Widersprüche auftreten, und zwar sowohl zwischen den Grundsätzen als auch zwischen Teilnehmern, die die Funktionen im Rahmen eines Grundsatzes in Anspruch nehmen. Es gibt verschiedene Wege, die Auflösung solcher Widersprüche in Angriff zu nehmen. Einer könnte darin bestehen, in Abhängigkeit von antizipierten und typisierten Nutzungssituationen genau anzugeben, zugunsten welcher Interessen das System die Inanspruchnahme eines Gestaltungsgrundsatzes jeweils eröffnet bzw. sperrt. Wir gehen davon aus, daß der Antizipationsaufwand hierzu bei Groupware zu groß ist. Deshalb soll die mögliche Auflösung eines Widerspruchs zwischen den Teilnehmern direkt in derjenigen Situation ausgehandelt werden können, in der er auftritt. Hierzu wird „Aushandelbarkeit“ angeboten, bei der im Unterschied zur Steuerung mindestens zwei Teilnehmer aktiv beteiligt sind. Die ermöglichte Aushandlung soll mit Hilfe des gleichen Mediums erfolgen können, dessen Benutzung auch Anlaß der Verhandlung ist. Dies ist jedoch nur ein Angebot an die Teilnehmer, die ansonsten frei darüber entscheiden können sollten, wie und mit Hilfe welcher Kommunikationstechnik sie eine Aushandlung durchführen. Da sich der Grundsatz der „Aushandelbarkeit” auf die Widersprüchlichkeiten beziehen läßt, die bei den davor beschriebenen Gestaltungsgrundsätzen auftreten können, wird sie Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 57 auf einer eigenen Ebene eingeordnet. Der Bezug auf die anderen Ebenen gibt „Aushandelbarkeit“ den Charakter eines Meta-Grundsatzes (kräftige Pfeile). Dies gilt auch für „Transparenz“, durch die ein Teilnehmer auch erkennen können muß, welche Möglichkeiten und Konstellationen bei ihm und anderen in bezug auf „Steuerbarkeit wechselseitiger Beeinflussung“, „Aushandelbarkeit“ und „gruppenorientierter Konfigurierbarkeit“ vorliegen. „Gruppenorientierte Konfigurierbarkeit“ ermöglicht es Teilnehmern, die in einer Organisationseinheit zusammengefaßt sind, ein Groupware-System jeweils für eine längere Phase an die Kommunikations- und kooperationsgewohnheiten bzw. -erfordernisse dieser Einheit anzupassen, soweit sie bekannt sind oder im Rahmen der Systemnutzung erkannt werden. Da bei dieser Konfiguration auch der Spielraum und die Regeln für die Aushandelbarkeit festgelegt werden können, ist es sinnvoll, gruppenorientierter Konfiguration eine eigene Ebene zuzuordnen. ”Normkonformität“ und ”groupware-spezifische Fehlerrobustheit“ nehmen eine besondere Stellung in unserer Systematik ein (gedrehte Darstellung). Diese Grundsätze müssen auf sämtliche Funktionen einer Groupware angewendet werden. Die Systemeigenschaften, die aus ihnen resultieren, dürfen durch Prozesse des Konfigurierens, Aushandelns oder Steuerns nicht verändert werden können. Fehlerrobustheit und Normkonformität bestimmen also die Grenzen der Flexibilität eines Groupware-Systems und garantieren gegenüber den Teilnehmern das notwendige Minimum an Erwartungskonformität (im Sinne der DIN 66 234, Teil 8). Die Anordnung der Grundsätze in Abbildung 6 kann auch in umgekehrter Reihenfolge betrachtet werden, um nachzuvollziehen, wie ein System schrittweise für die Nutzung bei einer konkreten Aufgabenstellung spezifiziert werden kann. Zunächst legt die Anwenderorganisation die Eigenschaften einer Groupware fest, die hinsichtlich Normkonformität und Fehlerrobustheit gegeben sein müssen und unveränderlich sind. Dann werden auf der nächsten Ebene bzw. in der nächsten Phase von einzelnen Gruppen auf sie zugeschnitte Konfigurationsentscheidungen getroffen und umgesetzt. Dabei können jedoch Entscheidungen für bestimmte Alternativen offen bleiben. Die Wahl zwischen diesen Alternative wird im Rahmen der Aushandelbarkeit durch diejenigen Teilnehmer getroffen, deren Interessen je nach Art der Entscheidung unterschiedlich berührt sind. Wünschenswert ist, daß die Aushandlung Systemkonstellationen zur Folge hat, die über längere Nutzungsphasen stabil sind. Stabilität kann hier auch bedeuten, daß zyklisch zwischen zwei oder mehreren Konstellationen in Abhängigkeit von eindeutig zuzuordnenden Situationstypen gewechselt wird. Durch die Erfahrung mit Aushandlungen kann sich bei den Teilnehmern auch ein Bewußtsein hinsichtlich der Frage herauskristallisieren, welche Wahlmöglichkeiten im Rahmen von Steuerbarkeit wahrgenommen werden können, ohne in Konflikte mit anderen Teilnehmern zu geraten. Steuerungen bereiten die letzte Phase vor, bei denen es zu Nutzungsprozessen zum Zwecke der direkten Aufgabenbearbeitung kommt, die durch die Grundsätze der obersten Eben (Abb. 6) unterstüzt werden. 58 Thomas Herrmann Diese schrittweise durchführbare Spezifizierung von Groupware eröffnet auch Möglichkeiten der zyklischen Vorgehensweise: Über ausgewählte Alternativen kann neu verhandelt werden, häufige Aushandlungen in einer Angelegenheit können Anlaß für weitere Konfigurationsentscheidungen sein. Somit unterstützen die beschriebenen Grundsätze zyklische und partizipative Vorgehensweisen bei der Systemausgestaltung und bei der Organisationsentwicklung. 5 Literatur Bannon, Liam J. (1986): Computer-Mediated Communication. In: Norman, Donald A.; Draper, Stephen W. (Eds.): User Centered System Design. New Perspectives on HumanComputer Interaction. London: Lawrence Erlbaum Associates, 433 - 452 Berkom (1987): Proceedings Workshop "Gestaltung von Benutzeroberflächen für BreitbandKommunikationsdienste". PROGRIS Projektgruppe Informationssysteme. Berlin Berr, Marie-Anne; Feuerstein, Günter (1988): Arbeits- und Kommunikationsanalysen aus Arbeitnehmersicht. Dortmund DIN 66234 Teil 8 (1988) Deutsches Institut für Normung e. V. (Hrsg.): DIN 66234 Teil 8. Grundsätze ergonomischer Dialoggestaltung. Berlin: Beuth-Verlag Dunckel, Heiner (1989): Arbeitspsychologische Kriterien zur Beurteilung und Gestaltung von Arbeitsaufgaben im Zusammenhang mit EDV-Systemen. In: Maaß, Susanne; Oberquelle, Horst (Hrsg.): Software-Ergonomie '89. Stuttgart: Teubner, 69 - 79 Dzida, Wolfgang (1994): Bestimmung und Anwendung ergonomischer Gestaltungskriterien im Prozeß der Software-Entwicklung (in diesem Band) Friedrich, Jürgen; Jansen, Klaus-Dieter; Manz, Thomas (1988): Informations- und Kommunikationstechnik im Büro von morgen. In: Jahrbuch der Bürokommunikation 4, BadenBaden: FBO-Verlag, 48 - 52 Goldberg, Yaron; Safran, Mailyn; Shapiro, Ehud (1992): Active Mail - A Framework for Implementing Groupware. In: Procedings of the CSCW '92, 31.10 - 04.11.1992 in Toronto, New York: ACM-Press, 75 - 84 Greenberg, Saul (1991): Personizable Groupware: Accomodating individual roles and group differences. In: Bannon, Liam; Robinson, Mike; Schmidt, Kjeldt (Eds.): Proceedings of the Second European Conference on Computer Supported Cooperativ Work, Amsterdam, 17 31 Hacker, Winfried (1986): Arbeitspsychologie. Bern, Stuttgart, Toronto: Verlag Hans Huber. Hammer, Volker; Pordesch, Ulrich; Roßnagel, Alexander (1993): ISDN-Anlagen rechtgemäß gestaltet. Berlin u. a.: Springer Hartmann, Anja (1994): Integrierte Organisations- und Technikentwicklung - ein Ansatz zur sach- und bedürfnisgerechten Gestaltung der Arbeitswelt (in diesem Band) Herrmann, Thomas (1993): Loss of Situative Context and its Relevance for Computer Mediated Communication and Cooperation. In: Proceedings of Networking - IFIP 9.1 Working Conference, June 16-18, Vienna Herrmann, Thomas; Wulf, Volker; Hartmann, Anja (1993): Kriterien zur software-ergonomischen Gestaltung von Groupware. In: Müller, W.; Senghaas-Knobloch, E. (Hrsg.): Arbeitsorientierte Technikbewertung und Softwaregestaltung - Leitbilder, Methoden und Werkzeuge. Münster, Hamburg: LIT-Verlag, 193 - 211 Grundsätze ergonomischer Gestaltung von Groupware 59 Höller, Heinzpeter (1993): Kommunikationssysteme - Normung und soziale Akzeptanz. Braunschweig Hurtmann, Frank; Schönecker, Horst G. (1987): Bürokommunikation auf integrierten Wegen. In: Jahrbuch der Bürokommunikation 3. Baden-Baden: FBO-Verlag, 144 - 149 ISO 9241 (1993): Ergonomic requirements for office work with visual display terminals (VDTs) Teil 10: Dialogue Principles. 1st DIS, Feb 2 Kahler, H. (1994): Von der Empirie zur Gestaltungsanforderung - Beispiele für die Bedeutung explorativer Empirie bei der Entwicklung von Gestaltungsanforderungen für Groupware (in diesem Band) Malone, Thomas W.; Grant, Kenneth R.; Lai, Kum-Yew; Rao, Ramana; Rosenblitt, David (1988): Semistructured Messages are Surprisingly Useful for Computer-Supported Coordination. In: Greif, Irene (Ed.): CSCW: A Book of Readings. Morgan-Kaufmann, San Mateo, 311 - 334 Medina-Maro, Raul; Winograd, Terry; Flores, Rodrigo; Flores, Fernando (1992): The Action Workflow Approach to Workflow Management Technology. In: Procedings of the CSCW '92, 31.10 - 04.11.1992 in Toronto, New York: ACM-Press, 281 - 288 Oberquelle, Horst (1994): Situationsbedingte und benutzerorientierte Anpaßbarkeit von Groupware (in diesem Band) Ohnsorge, H. (1990): Benutzerfreundliche Kommunikation: Vorträge des am 12./13. März 1990 in München abgehaltenen Kongresses. In: Telecommunications, Band 15 Oppermann, Reinhard (1992): Software-ergonomische Evaluation. Der Leitfaden EVADIS II. Berlin: Walter de Gruyter & Co. Ortmann, Günther (1984): Der zwingende Blick. Frankfurt, New York: Campus Pankoke-Babbatz, Uta (1985): Benutzeraspekte beim Einsatz eines computergestützten Kommunikationssystems. In: Proceedings zur 15. GI-Jahrestagung. Berlin u. a.: Springer, 318 326 Rohde, Markus (1994): Evaluationsstudie zum Konzept gestufter Metafunktionen (in diesem Band) Roßnagel, Alexander (1991): Vom informationellen zum kommunikativen Selbstbestimmungsrecht. In: Kubicek, Herbert: Telekommunikation und Gesellschaft (Bd. 1). Karlsruhe, 86 - 111 Ulich, Eberhard (1991): Arbeitspsychologie, Stuttgart: Poeschel Verein Deutscher Ingenieure (VDI) (1988): Richtlinien: Bürokommunikation. Software-Ergonomie in der Bürokommunikation. Düsseldorf Winograd, Terry (1988): A Language / Action Perspective on the Design of Cooperative Work. In: Greif, Irene (Ed.): CSCW: A Book of Readings, Morgan-Kaufmann Publisher: San Mateo, 311 - 334 Wulf, Volker (1994): Das Konzept gestufter Metafunktionen - ein Mittel zur Moderation von Konflikten in Groupware (in diesem Band)