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KRAUS MUSKELKRÄMPFE 52 TOUR 9 | 2009 Kampf dem Krampf Muskel-Krämpfe kennt jeder Sportler. Aber ǺǫǾǺ Robert Kühnen was kann man tun, um sie zu vermeiden? Und wie wird as Lance Armstrong am man einen Krampf wieder langen Marathon, sondern auch Ende der Königsetappe im Training? Dann neigen Sie verlos? TOUR hat die der diesjährigen Tour de mutlich zu Hitzekrämpfen – wobei France plagte, haben wohl die meisten die Bezeichnung etwas irreführend Antworten W Radsportler schon einmal am eigenen Leib erfahren: Krämpfe. Zum Ende eines langen, schweren Ritts geraten Muskeln bisweilen außer Kontrolle und kontrahieren, ohne dass man es will. Das Spektrum reicht von leichtem Muskelflattern bis zur schmerzhaften Blockade eines Muskels. Schlimmstenfalls ist das Rennen dann gelaufen. Krämpfe sind ein weitverbreitetes Phänomen. Untersuchungen an 2.600 Ausdauersportlern haben ergeben, dass zwei Drittel der Triathleten und Marathon-Läufer an Krämpfen leiden – am häufigsten in den Waden. Bei Radfahrern krampfen aber auch die Haupt-Arbeitsmuskeln: die vordere und rückseitige Oberschenkelmuskulatur. Exotischer sind beim Radfahren Krämpfe in Füßen, Händen oder Armen, aber auch sie kommen vor. Was führt zu Muskelkrämpfen? Sportwissenschaftler und Mediziner diskutieren verschiedene Theorien. Die bekannteste ist die vom Elektrolytmangel – sie wurde erstmals schon vor rund hundert Jahren postuliert. Sie beruht auf der Annahme, dass Sportler vor allem dann Krämpfe bekommen, wenn sie zum Beispiel bei hohen Temperaturen zu viel Flüssigkeit und damit zu viele Mineralstoffe verlieren, die die Muskeln dringend benötigen. Die Elektrolytthese wird jedoch zunehmend von der Ermüdungsthese verdrängt, die der südafrikanische Professor Dr. Martin Schwellnus 1997 erstmals veröffentlichte. Im Zentrum dieser Theorie steht die Fehlfunktion von ermüdeten Nervenzellen, die die Muskulatur steuern. Eine im vergangenen Jahr in den USA veröffentlichte neuere Studie benennt daher zwei Ursachen: Hitzekrämpfe und Ermüdungskrämpfe. Salz ist lebenswichtig Sind Sie ein „salziger“ Schwitzer? Bilden sich an Ihrer Radkleidung sichtbare Salzränder, nicht nur nach einem ist, weil nicht Hitze an sich, sondern massives Schwitzen als Auslöser gilt. Hitzekrämpfe befallen meist mehrere Muskeln gleichzeitig, und sie kündigen sich oft zaghaft an. „Salzige“ Schwitzer sollten in Phasen, in denen sie viel Schweiß verlieren, unbedingt Salz zu sich nehmen. Kündigen sich Hitzekrämpfe an, hilft konzentrierte Salzlösung: drei Gramm Salz (etwa drei Messerspitzen) auf einen halben Liter Kohlenhydratgetränk. Die Salzkonzentration im Körper sollte man generell möglichst konstant halten. Wer reines Wasser trinkt oder große Mengen mit sehr geringem Mineraliengehalt, verdünnt die Salzkonzentration. Im Extremfall kann das sogar zum Tod führen: Es sind schon Marathonläufer gestorben, weil sie exzessiv Wasser getrunken haben. Neben gewöhnlichem Kochsalz, das für den Körper lebenswichtiges Natrium enthält, wird häufig Magnesium empfohlen, um Krämpfen vorzubeugen. Von konzentrierter Magnesium-Zufuhr während des Wettkampfs rät 2PEAK-Ernährungsexperte Benoît Nave jedoch ab: „Unter Belastung und insbesondere während des Wettkampfs belasten Magnesiumpräparate nur unnötig den Magen.“ So sieht es auch Roman Gruber, diplomierter Vitalstoff-Therapeut und Berater zahlreicher ProfiSportler. Gruber rät, die Elektrolytspeicher vor Rennen analog zu den Kohlenhydratspeichern zu füllen, denn: „Viele Sportler vertragen Elektrolyt-Getränke nicht und vertrauen deshalb in langen Wettkämpfen lieber auf pures Wasser, wohl wissend, dass es so zu einem Mangel kommen kann.“ Grubers Tipp zur Vorsorge: „Zwei Handvoll Nüsse pro Tag decken den Bedarf an Magnesium.“ Im Rennen empfiehlt Gruber, der auch das Team Milram betreut, zwei Messerspitzen Salz pro Liter Getränk beizumischen. Eine Alternative dazu sind Salzkapseln, die mit Wasser runtergespült werden. Auch die Energiegel9 | 2009 TOUR 53 MUSKELKRÄMPFE Entspannungssignale, damit der Muskel nicht Trainieren Sie überlastet wird. Bei Ermüdung kippt das Gleichgewicht der beiden Sensoren: Die spezifisch, stretchen Spindeln sind nun viel erregter und zu viele Signale aus, die GolgiSie nach dem Training, senden Organe zu wenige. Diese Übererregung dann zum Krampf. ernähren Sie sich ausge- führtAber nicht nur Ermüdung stört die Balance aus Aktivierung und Entspanwogen und ersetzen Sie nung des Muskels. Der Mechanismus verliert auch an Wirksamkeit, wenn der Flüssigkeit und Salz bei Muskel in deutlich verkürzter Stellung angespannt wird. Da die Sehnen dann hoher Belastung schlaff sind, können die Golgi-Organe keine Müde Muskeln spielen verrückt Anspannung erfassen und senden entsprechend auch keine Signale aus. Besonders anfällig hierfür sind Muskeln, die zwei Gelenke überspannen, zum Beispiel die Wadenmuskulatur (beugt das Knie, streckt den Knöchel) oder der hintere langköpfige Teil des Biceps Femoris, der an der markanten Sehne angreift, die die Kniekehle nach außen begrenzt (streckt die Hüfte und beugt das Knie). Spannt man den Biceps Femoris in stark verkürzter Position an (flach auf den Bauch legen, Knie beugen, Füße berühren den Po), ist ruckzuck ein sehr schöner Krampf da – auch ohne dass der Muskel zuvor ermüdet wurde. Die Überlistung der Golgi-Organe reicht, um einen Krampf zu provozieren. Bei vielen Krämpfen können fehlende Elektrolyte jedoch nicht die Ursache sein. So krampfen zum Beispiel auch die Finger eines Musikers, ohne dass er dazu vorher viel Schweiß vergießen muss. Muskeln können zudem mit gezielten Bewegungen schnell zum Krampf gebracht werden. Aber auch bei langen Ausdauerbelastungen mit großen Schweißverlusten gerät die Elektrolytthese ins Langsam dehnen hilft Wanken: In mehreren Untersuchungen an Radfahrern, Läufern und Triathleten in langen Wettkämpfen wurde Lösen lässt sich ein lokaler Krampf mechanisch, indem festgestellt, dass es keinen Unterman den betroffenen Muskel dehnt. schied bezüglich Flüssigkeitsverlust Das Dehnen aktiviert die Golgi-Organe, oder Elektrolytkonzentration zwidadurch bekommt der Muskel Entspanschen jenen Sportlern gab, die nungssignale und lässt locker. Zum Krämpfe bekamen und solchen, die Stretchen der Muskeln muss man nicht davon verschont blieben. mal unbedingt vom Rad steigen (siehe Für solche Krämpfe liefert die Übungen in TOUR 7/09). Allerdings ist Ermüdungsthese die schlüssigeren richtiges – also langsames – Stretchen Erklärungen. Sie beruht auf der wichtig. Denn auf ruckartiges Dehnen Beobachtung, dass sich die Nervenreagiert die Muskelspindel und spannt aktivität bei Ermüdung verändert. den betroffenen Muskel reflexartig an Ein kleiner Exkurs in die Neuro– so wie beim Reflex-Test des Arztes: physiologie erklärt, wie alles zusamEin Schlag mit dem Hämmerchen auf menhängt: Die Muskelaktivität wird die Kniesehne lässt den Oberschenkel durch zwei Sensoren gesteuert und reflexartig kontrahieren und den Unkontrolliert, die in die Muskulatur terschenkel nach vorne schwingen. Nachdem der Krampf gelöst ist, eingebaut sind. Zum einen sind das sollte man zunächst mit verringerter die Muskelspindeln, von denen einiIntensität weiterfahren. Hat der Oberge parallel zu den Muskelfasern in schenkel gekrampft, dann spannen Sie den Muskelfaserbündeln angeordnet ihn zunächst nur in einem begrenzsind; zum anderen die sogenannten Golgi-Sehnenorgane, die am Überten Bereich der Pedalumdrehung an: gang zwischen Muskel und Sehne zwischen oberem Totpunkt und der Zwei-Uhr-Stellung der Kurbel; erweisitzen und messen, mit welcher Kraft tern Sie den Bereich langsam. Ist die der Muskel an der Sehne zieht. Die Wade betroffen, so arbeiten Sie weniger Nerven der Spindeln aktivieren die mit dem Fußgelenk und halten Sie die eigentliche Arbeitsmuskulatur, sie spannen den Muskel also an. Die Ferse tief. Golgi-Organe haben die Aufgabe, So mechanisch eindeutig die Thesen übermäßige Spannung zu vermeizum Krampf auch klingen – biologische den, sie senden bei Bedarf also Erschöpft und viel geschwitzt: Jetzt lauern Krämpfe Systeme sind komplex. Entsprechend 54 TOUR 9 | 2009 PX̘ PHOTO.DE /SCHUH Hersteller haben angefangen, ihren Produkten mehr Salz beizumischen. Achten Sie deshalb auf die Natrium-Angaben auf der Verpackung. Bisweilen werden Krämpfe aber auch mit Muskelschmerzen verwechselt, so die Erfahrung von Roman Gruber: „Besonders bei Frauen kommt es oft zu Eisenmangel, und dann kann der Körper selbst nicht mehr genug L-Carnitin bilden.“ In solchen Fällen empfiehlt der Experte, an Wettkampftagen täglich fünf Gramm L-Carnitin zu sich zu nehmen und an Trainingstagen zwei Gramm. Generell sollten Sie jedoch alle Arten von Nahrungsergänzung und Wettkampfnahrung unbedingt vorher im Training ausprobieren. Jeder reagiert anders. Machen Sie keine Experimente im Wettkampf! NEU! Besser vorbereiten tut gut Kritisch ist auch ein Kohlenhydratmangel. Wenn die Glykogenspeicher der Muskeln leer sind, steigt das Krampfrisiko. In einem Versuch unter Laborbedingungen, bei dem den Probanden kohlenhydratreiche Elektrolyt-Getränke verabreicht wurden, ließ sich zumindest der Zeitpunkt, ab dem die Krämpfe auftraten, deutlich hinauszögern. Hobbyfahrer, die meinen, ohne Essen und Trinken sei ihr Training effizienter, müssen sich über Krampfattacken also nicht wundern. Die Maßnahme Nummer eins, um Krämpfen unter Belastung vorzubeugen, ist angemessenes Training. Zu intensive Belastungen führen mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann zu Krämpfen. Sowohl außergewöhnlich lange als auch außergewöhnlich harte oder ungewohnte Belastungen setzen der Muskulatur zu. Der genaue Mechanismus der Ermüdung ist zwar nicht bekannt, aber aus Beobachtung weiß man, dass auch schon einige wenige ungewohnte Spitzenbelastungen den Keim für einen späteren Krampf legen können. Heißt: Wenn Sie Ihre Muskeln schon zu Beginn eine Marathons weit in den roten Bereich bringen (und dies nicht geübt haben) steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie später, wenn Ihre Muskeln insgesamt müder sind, einen Krampf bekommen. Unter sehr harten Bedingungen, wie zum Beispiel im Zeitfahren, bei dem maximale Anstrengung und eine weniger gewohnte Position ungünstig zusammentreffen, können sich auch binnen kurzer Zeiträume – in einigen Fällen schon, bevor 20 Minuten verstrichen sind – Krämpfe entwickeln. Unser Rat: Trainieren Sie spezifisch, stretchen Sie nach dem Training, ernähren Sie sich ausgewogen und ersetzen Sie Flüssigkeit und Salz bei hoher Belastung. Dann haben Sie schon viel getan, um Krämpfe zu vermeiden. Wenn Sie dennoch Krämpfe bekommen, ist das zumindest auch ein Zeichen dafür, dass Sie Ihre körper■ lichen Grenzen erfolgreich getestet haben. Drei bis zehn Muskelspindeln (violett) sind jeweils in Kapseln eingeschlossen und liegen parallel zur Arbeitsmuskulatur (rot). Die Muskelspindeln regeln über Nervenbahnen (gelb) die Anspannung der umgebenden Arbeitsmuskulatur. Im ermüdeten Muskel senden die Spindeln zu viele Signale an die Arbeitsmuskulatur, was dann zu Krämpfen führen kann Maximale Regeneration mit PeptoPro® Schnelle und dauerhafte Energie Isotonisches Getränkepulver mit spezieller Kohlenhydratmatrix Energie-Kick mit PeptoPro® Jeder Leser erhält 10 % Rabatt in unserem Onlineshop! Angebotscode: MEDICALPICTURE können die Ursachen für Krämpfe vielfältiger sein, als es die einfachen Theorien weismachen. Auch die Ernährung spielt dabei eine wichtige Rolle. Bei symmetrisch auftretenden Krämpfen hält Ernährungsexperte Benoît Nave beispielsweise exzessiven Genuss von Kuhmilchprodukten für eine häufige Ursache. „Das belastet die Leber und das venöse Blutsystem und damit den Rücktransport des Bluts vom Muskel“, erklärt Nave. Bei einseitigen Krämpfen dagegen fand Nave wiederholt heraus, dass blockierte Fuß- oder Hüftgelenke die Ursache waren und konnte diese durch osteopathische Behandlung beseitigen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die zum Krampf führen können. Ronald Andraczek, Rennfahrer aus Dresden, fand durch Ausprobieren den Auslöser für seine Krämpfe, die er vor allem im Wettkampf erlebte: Ein Gel mit Koffein-Zusatz war der Übeltäter. Als er das gleiche Gel ohne Koffein-Zusatz nahm, traten die Krämpfe nicht mehr auf. tm10 www.multipower-activeshop.de Offizieller Partner von: PROFESSIONAL CYCLING TEAM