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Als sub-intern in der Neuen Welt Geschafft! Der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, besser bekannt als Zweites Staatsexamen, ist überstanden, damit sind meine Tage in Hörsälen und Kursräumen einstweilen vorüber, das nun kommende Praktische Jahr, die letzte Etappe auf dem Weg zur Approbation, ist – wie schon der Name sagt – der praktischen Ausbildung gewidmet, die am Krankenbett stattfindet. Jeweils vier Monate in den Pflichtfächern Innere und Chirurgie sowie in meinem Wahlfach Pädiatrie erwarten mich von jetzt bis zum Dritten Staatsexamen, mit dem ich mein Studium im kommenden Jahr abschließen soll. Mit diesen Gedanken starte ich mein letztes Jahr als Student. Nun stellte sich natürlich schon vor geraumer Zeit die Frage, wo und wie das PJ zu verbringen sei – wie lerne ich am meisten? Wo bieten sich mir die besten Ausbildungschancen? Welche Erfahrungen möchte ich machen? Klar war von vorne herein, dass ich einen Teil des PJ im Ausland ableisten würde. Die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen am Klinikum der Heimuni mögen zwar nicht die schlechtesten sein, doch in anderen Ländern bietet sich die Gelegenheit, zusätzlich völlig neue persönliche Erfahrungen zu machen. Von meinen Famulaturen im Ausland wusste ich, dass jedes Land seine ganz eigenen Vorzüge und Geheimnisse hat, die es zu entdecken gilt. Zu guter Letzt wollte ich mich bemühen, in diesem – wie ich finde – entscheidenden Studienabschnitt die bestmögliche Ausbildung zu erhalten. Dies ist traditionellerweise im angloamerikanischen Raum gegeben, wo dem bedsideteaching, überhaupt dem teaching deutlich mehr Bedeutung beigemessen wird als hierzulande. Also bewarb ich mich und erhielt Zusagen für ein gesplittetes Tertial Innere Medizin in New York City und Toronto. Am 1.4., nur wenige Tage nach dem mündlichen Teil meiner Staatsexamensprüfung, setzte ich mich ins Flugzeug nach New York, wo mein elective am Memorial Sloan Kettering Cancer Center am 4.4. begann. Das MSKCC ist Lehrkrankenhaus des Joan and Sanford I. Weill Medical College of Cornell University und rühmt sich, zu den drei besten Tumorkliniken der Welt zu gehören. Insofern waren meine Erwartungen bezüglich der dortigen Ausbildung hoch, und sie wurden nicht enttäuscht. In den ersten zwei Wochen war ich der Abteilung thoracic oncology zugeteilt, in der überwiegend Patienten mit Lungenkrebs behandelt werden. In der ambulanten clinic konnte ich hautnah miterleben, wie an einem großen Krebszentrum neueste Forschungen in die Therapie integriert und im Rahmen von Studien evaluiert werden, um die Behandlung zu verbessern. Nach zwei schnell vergangenen Wochen wechselte ich sowohl die Abteilung als auch aus dem ambulanten in den stationären Bereich – im Memorial Hospital arbeitete ich in den kommenden 6 Wochen als sub-intern in den ward teams mit. Als sub-intern war ich für eine Anzahl von Patienten verantwortlich, für die ich der primäre Ansprechpartner war und die ich von der Aufnahme bis zur Entlassung zu betreuen hatte. So lernte ich in je 3 Wochen GU oncology und GI oncology die Aufgaben eines intern zunächst kennen und dann mehr und mehr auch zu bewältigen. Dabei arbeitete ich weitgehend selbständig, hatte jedoch in meinem resident jederzeit einen Ansprechpartner, um Fragen und Probleme zu besprechen. Der Tag begann morgens um 7 Uhr mit der Übergabe der Patienten durch die Nachtschicht, anschließend sah ich meistens meine Patienten kurz und überprüfte Laborwerte oder ähnliches, was über Nacht angefallen war, um für die round mit dem attending vorbereitet zu sein, die meist gegen 8.30 Uhr begann und sich über den Großteil des Vormittags erstreckte. Hierbei war es meine Aufgabe, dem attending neue Patienten vorzustellen, die Entwicklung der bereits bekannten Patienten zu besprechen und einen plan für die weitere Behandlung vorzuschlagen. Hierfür bedurfte ich in der Anfangsphase häufig der Hilfe meines residents, später konnte ich weitgehend selbstständig an der Diskussion teilnehmen. Nach der morning round, die sich bisweilen bis weit in den Nachmittag hinein erstrecken konnte, folgte die Lunch Conference, bei der zum einen die Möglichkeit bestand zu essen, zum anderen eine Stunde teaching in Form eines Vortrags oder eines mehr interaktiven Fallbeispiels angeboten wurde. Anschließend ging es zurück auf die Station, wo die Patienten versorgt und die progress notes geschrieben sowie Neuaufnahmen durchgeführt wurden. Zum Ende des Nachmittags kam der attending noch einmal auf Station, um in der afternoon rounds über die Ereignisse des Tages informiert zu werden und meist eine Stunde teaching zu einem aktuellen Thema zu machen. Hatte man alle seine Tagesaufgaben erledigt, war der Tag vorbei, ansonsten beendete man seine Aufnahmen o.ä., bevor man in den Feierabend gehen konnte. War man on call, hatte man noch ein paar weitere Stunden mit Neuaufnahmen vor sich. Der durchschnittliche Arbeitstag dauerte so etwa 12 Stunden, die Woche hatte 6 Arbeitstage, aber da ich das Gefühl hatte, wirklich von jedem Tag eine Menge zu profitieren, hat das nicht weiter gestört. Insgesamt waren sowohl die Qualität als auch die Quantität des angebotenen Teachings am beeindruckendsten: es verging kaum ein Tag, an dem ich nicht in den Genuss von mindestens ein bis zwei Stunden exzellenten teachings kam - zusätzlich zur teaching round. In 8 Wochen habe ich unglaublich viel gelernt, theoretisch ebenso wie praktisch. Natürlich gab es auch Bedrückendes: in einer hochspezialisierten Krebsklinik wie dem MSKCC waren viele besonders schwere und tragische Fälle von Erkrankungen, die meisten Patienten konnten nicht mehr kurativ behandelt werden, viele starben während ihres Aufenthalts, ebenso viele wurden nicht nach Hause, sondern in Hospize entlassen. So verlor auch ich einige der Patienten, für die ich verantwortlich war – Alltag auf einer onkologischen Station, aber deshalb nicht weniger belastend. Trotzdem überwogen die positiven Erfahrungen, auch und gerade mit denjenigen Patienten, die unvermeidlich dem Tod entgegengingen. Neben der Arbeit genoss ich in etwas beschränktem Maße das gigantische Kultur- und Freizeitangebot, das New York zu bieten hat. Egal für welchen Geschmack, in New York findet man mehr Angebote, als man auch nur annähernd wahrnehmen kann. Limitierender Faktor ist dabei eigentlich nur der eigene Geldbeutel, denn wie alles andere ist auch Freizeitvergnügen in Manhattan teuer, und nach oben gibt es keine Grenzen. Jazz im Village, klassische Musik in Carnegie Hall und Lincoln Center, Theater und Musical auf dem Broadway, Rockkonzerte im Madison Square Garden, Baseball, Football, Basketball, der Central Park, Museen, Clubs, Bars, Restaurants… Unvorstellbar und unerschöpflich! Im Kolping House, wo ich wohnte, fanden sich schnell Kontakte zu anderen, und gemeinsam ließ sich der Big Apple nach Belieben und den zeitlichen wie finanziellen Möglichkeiten erkunden. Nach 8 unendlich lehr- und erlebnisreichen Wochen verließ ich Ende Mai New York und flog weiter nach Toronto, wo ich weitere 8 Wochen verbringen sollte. Toronto, am Lake Ontario gelegen, zwei Stunden entfernt von den Niagara Falls an der Grenze zu den USA, ist bekannt vor allem für den CN Tower und den SkyDome, bietet aber zudem die renommierteste Universität Kanadas, ein buntes und sehr junges Stadtbild und eine Bevölkerung, die zur Hälfte aus Einwanderern aus aller Welt besteht. In Toronto hatte ich einen Platz am St. Michael’s Hospital, einem der großen Lehrkrankenhäuser der University of Toronto. Ich begann auf der Kardiologie, wo ich in vier Wochen eine Menge nicht nur über die Arbeit auf einer kardiologischen Station, sondern auch über die Möglichkeiten kardiologischer Diagnostik lernte und miterlebte: Herzkatheter, Herzecho, Belastungstests, nuklearmedizinische und kernspintomographische Bildgebung. Der Stationsablauf war sehr ähnlich dem in New York, täglich gab es zusätzlich zur normalen Arbeit mindestens eine Fortbildung, die Oberärzte legten großen Wert darauf, dem Team ihre teaching points zu vermitteln, und ich wurde ähnlich wie im MSKCC schnell ins Team integriert und erhielt eigene Patienten zugewiesen. Im Katheterlabor konnte ich Angiographien und –plastien live beiwohnen, auf der Coronary Care Unit erlebte und erlernte ich das dortige Management akuter Herzinfarktpatienten. Nach vier Wochen wechselte ich in den Emergency Room, wo ich in der verbleibenden Zeit Gelegenheit hatte, die Arbeit einer Notaufnahme nach anglo-amerikanischem Muster kennen und schätzen zu lernen. Anders als (meist noch) in Deutschland ist die Notaufnahme nicht zwischen internistischen und chirurgischen Fächern getrennt, sondern alle Patienten stellen sich in einer zentralen Notaufnahme vor, die dortigen Ärzte haben emergency medicine als eine eigene Fachrichtung und sind in der Lage, Notfälle in nahezu allen medizinischen Gebieten zu versorgen. Dementsprechend vielfältig ist das Spektrum an Patienten und Beschwerden, das ich zu Gesicht bekam. Der schnelle Wechsel zwischen ganz unterschiedlichen Disziplinen, von Traumatologie zu Innere und zwischen Lappalien im einen und lebensbedrohlichen Situationen im nächsten Moment machte die Arbeit für mich besonders spannend. Immer einem der attending physicians zugeordnet, konnte ich auch hier weitgehend selbstständig, aber mit wenn nötig stets greifbarer Hilfe die Patienten versorgen und mich weiter im Untersuchen, Diagnostizieren, Nähen, Gipsen… üben. Die Arbeit machte unglaublich viel Spaß, und die Zeit verging wie im Flug. Auch außerhalb des Krankenhauses gefiel mir Toronto vom ersten Augenblick an. Zwar kann das kulturelle Angebot nicht ganz mit New York mithalten (welche Stadt könnte das?), aber es immerhin, insbesondere in den Sommermonaten, eine Unmenge an Festivals und Events ganz verschiedener Art geboten, die zum Besuch einladen, dazu eine große und sehr vielfältige Bar- und Kneipenszene, unzählige Restaurants (Essengehen ist ein Hobby der Torontonians) und natürlich die Ausflugsziele: die Toronto Islands, grüne Oase im Lake Ontario, nur zehn Minuten per Fähre vom Stadtkern, nach Norden die Weiten Ontarios mit unendlichen Wäldern, die zum Hiking, Rafting, Canoeing einladen, die Niagara Falls nur zwei Autostunden entfernt… Toronto hat mich nicht wegen seiner großen Attraktionen überzeugt (ich bin auf den CN Tower nicht einmal hochgefahren), sondern einfach als Ganzes, ein wunderschöner Ort, ich kann nur jedem empfehlen, dort einmal hinzufahren. Viel zu früh war der Juli beinahe vorbei, und ich checkte ein zum Rückflug, der mich wieder nach Frankfurt brachte. BK