Hoffnung beginnt mit Helfen - PATRIZIA KinderHaus

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Hoffnung beginnt mit Helfen - PATRIZIA KinderHaus
22.04.2014
Hoffnung beginnt mit Helfen
Ein Bericht vom Bau eines Patrizia Kinderhauses
Wer Zeuge wird, wie in Südafrika eine Hilfseinrichtung entsteht, begegnet tragischen
Geschichten, aber erlebt auch, wie das Beste im Menschen zutage kommt. All dies erfuhr eine
Mitarbeiterin der Patrizia Kinderhaus-Stiftung beim Bau des Kinderhauses ihrer
Organisation in Grabouw.
von Stefanie Wegner
„We could transport 2.000 liters of the soup and it would still not be enough”, erklärt Tim
Walker, als wir durch Grabouw fahren. Uns rennen Kinder hinterher, und obwohl ihre
Tupperdosen heute nicht gefüllt werden konnten, lächeln und winken sie uns zu.
Glasscherben im Sand reflektieren die glühend heiße Mittagssonne. Willkommen am
Straßenrand Südafrikas.
Es ist Freitag, 22. März 2013, und mein Weg führt mich nach Grabouw, einer 60.000 Seelen
Stadt ca. 80km östlich von Kapstadt. Dort wird morgen im Village of Hope das neue Patrizia
Kinderhaus eröffnet. Gerade überqueren Victoria von Gaudecker und ich im Fiat ohne
Klimaanlage den Sir-Lowry’s-Pass. Hinter uns liegen Gegensätze. Verlässt man Kapstadt,
zeigt sich deutlich, dass diese Regenbogennation tatsächlich aus viel Sonne, viel „Regen“ und
vielen Farben besteht. Entlang der N2 reiht sich kilometerlang eine Wellblechhütte an die
andere: grau, rot, blau, Müll. Vollkommen deplatziert erscheint das Städtchen Somerset West,
das an amerikanische Vororte diverser Hollywoodstreifen erinnert. Oder sind es die
Townships, die Problemviertel, die hier deplatziert sind? Die Bewohner der mit Stacheldraht
abgeschotteten Villen sind wohl eher überzeugt von letzterem.
Weiße Türen waren gestern, im Kinderhaus sind die Türen kindgerecht bunt gestaltet
Gegen Mittag erreichen wir das Village of Hope. Ein großgewachsener Mann durchquert in
Badelatschen die Baustelle und begrüßt mich freundlich: „Hi, ich bin Tim!“. Tim Walker kam
2008 mit seiner Frau Maz nach Südafrika und hat als Teil der Non-Profit Organisation
Thembalitsha seither verschiedene Hilfsprojekte für Menschen in und um Grabouw aufgebaut
und betreut diese mit seinem Team. Doch kaum, dass er mich begrüßt hat, ist er auch schon
wieder verschwunden.
Soup Run mit Tim Walker
Tim hat es eilig. Es ist kurz vor 12 Uhr, die Suppe, die wie jeden Freitag im Township verteilt
werden soll, steht im Partnerrestaurant zur Abholung bereit. Er fährt mit seinem in die Jahre
gekommenen Pickup vor, auf dessen Ladefläche große Töpfe gestapelt sind. Am Restaurant
angekommen, füllen wir dort die Suppe hinein. Tim freut sich über diese Kooperation: „Wir
möchten die Menschen miteinander vernetzen und ihnen zeigen, welche Hilfe mit wenigen
Mitteln möglich ist. So können sie sich vielleicht irgendwann selber helfen.“
Wir halten zunächst an einem Kindergarten. Eine Gruppe Frauen erwartet uns bereits. Die
folgenden Minuten hätten bewegender nicht sein können. Alle legen ihre Hand auf den
Topfdeckel und danken Gott für die Gabe. Ergriffen von der Art und der tiefen Aufrichtigkeit,
mit der sie dies tun, beobachte ich nun still, wie sich eine Schar von Kindern am Eingang
versammelt. In den Händen halten sie leere Margarineschachteln und Plastikschalen. Hunger
greifbar nahe. Ich streiche einem Jungen, der mich freundlich anlächelt, über den Kopf und
verlasse die Szene. Tim möchte weiterfahren und erdet mich wieder mit seinen knallharten
Fakten über die Probleme in diesem Land, die er dennoch hoffnungsvoll hervorbringt. Realist
und Optimist mit viel Herz.
Das Haus einer Tagesmutter im Township Iraq ist unser nächster Stopp. Hier gibt es keinen
Strom, kein fließend Wasser, keine sanitären Anlagen. Die Wellblechhütte besteht aus zwei
kleinen Räumen und einer Mini-„Küche“. Auf dem Boden hat die Tagesmutter Decken
ausgelegt, auf denen acht Babys liegen und schlafen. Die Wimpelfahne an der Decke ist
freundlich, ein kleines Mädchen hört nicht auf zu weinen. Erneut benommen beobachte ich
das Geschehen, fülle die Suppe in einen Topf und ernte einen mahnenden Blick, als etwas
daneben geht. Dieser Blick landet in meinem Herzen, denn mir wird bewusst, wie viel Wert
ein Löffel Suppe hier hat. Tim erkundigt sich nach aktuellen Sorgen und Nöten, ehe wir
unsere Fahrt fortsetzen.
Mit größtem Respekt stelle ich fest, dass man trotz all’ dieser Umstände nur lachende
Gesichter sieht, wenn Tim an den Hütten in Grabouw vorbeifährt. Er kennt die Winkel dieser
Stadt, die Menschen, die Kinder und ihre Geschichten. Hier und da nimmt er einige Kids mit,
um ihnen den schweren Weg durch die Mittagssonne abzukürzen. Am Straßenrand warten
nun überall die Kinder auf die Suppe, die Tim ihnen bringt. Die letzte Kelle ist leider bald
ausgegeben und viele von ihnen gehen leer aus. „Stefanie, we could transport 2.000 liters of
the soup and it would still not be enough”, erklärt er. Und alles was wir nun tun können ist,
den Kindern zurück zu winken und hoffen, dass sie ihren Hunger heute trotzdem noch stillen
können.
Das neue Patrizia Kinderhaus in Südafrika
Ein neues Zuhause für Kasim
Mehr als zwei Stunden waren wir unterwegs. Zwei Stunden die für Tim kaum ausreichten um
uns die Geschichte Grabouws, die Folgen der Apartheid, die Lösungsversuche der Regierung
und so viel mehr zu erklären. Zurück im Dorf treffen wir Maz, die gerade eine Tür weiß
anstreicht. Vom Blick auf das Ganze zoomt sie uns auf die Geschichte von Kasim und erzählt
uns, wie der kleine Junge ins Village kam.
Kasim und seine 19 Jahre junge Mutter sind HIV positiv. Trotz der hohen Infektionsrate in
Südafrika ist der Virus ein Tabuthema und wird bei Familie und Freunden verschwiegen.
Auch Kasims Mutter erzählte niemanden von dieser Last. Jeden Tag ging sie zur Arbeit, um
so den Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn verdienen zu können. Kasim wurde von einer
Tagesmutter betreut. Doch da auch die Tagesmutter nichts von Kasims HIV-Infektion wusste,
bekam er seine Medikamente nicht und musste irgendwann ins Krankenhaus gebracht
werden. Der vierjährige Junge war so geschwächt, dass er weder sitzen noch laufen konnte.
Nach vielen Gesprächen mit der jungen Mutter, die die Folgen der fehlenden
Medikamentengabe nicht abschätzen konnte, wurde Kasim im Village of Hope aufgenommen
und aufgepäppelt.
Mittlerweile hat seine Mutter mit Freunden und Familie über ihre Infektion gesprochen und
die Aussichten sind gut, dass Kasim bald zu ihr zurückkehren kann. Viele Kinder und
Familien teilen ein ähnliches Schicksal. Neben HIV drängt sich auch der Alkohol ins Leben
der verzweifelten Menschen. Immer wieder finden das Team von Thembalitsha oder die
Sozialarbeiter vor Ort vollkommen geschwächte Kinder, die dringend Hilfe benötigen. So wie
Kasim und seine Mutter. Im Patrizia Kinderhaus können künftig 15 Kinder Unterschlupf und
erhalten soziale, emotionale und bildungsseitige Unterstützung, bis gemeinsam mit ihrer
Familie oder dem Sozialamt eine Möglichkeit gefunden wurde, ihr Wohlbefinden dauerhaft
zu sichern. Doch ich nehme Kasim nun erst einmal an die Hand und teste mit ihm das
Trampolin.
Endspurt für‘s Kinderhaus
Am Samstag liefen noch einmal alle Bohrmaschinen heiß und alle packten ihre letzten
Energiereserven aus, um das Haus fertigzustellen. Dort wo morgens die Eröffnung noch
schier unmöglich erschien, hingen am Nachmittag bereits Bilder an der Wand. Überall
wuselte es, hier und da Freude, hier und da Erschöpfung und dann waren da auch noch die
rosafarbenen Lampen zu bändigen.
Die Housemoms umsorgen die Kinder mit viel Liebe und Freude
Doch gegen Abend macht es an ziemlich vielen Stellen „Klick“ und es war geschafft. Alle
trafen sich im neuen Haus um auf diese Leistung anzustoßen und das Kinderhaus
einzuweihen. Dem, dem Reden mit vielen „Dankeschöns“ zu langweilig sind, sei empfohlen,
nach Afrika zu kommen. Jedem Dankeschön folgt hier ein Applaus, dessen Gewalt an
aufgescheuchte Vogelschwärme erinnert; ausgelassener Freude folgt tränenreiche Rührung.
Es war eine ergreifende Eröffnungsfeier, mittendrin die gut gelaunten Arbeiter aus Grabouw,
die mich mehr als einmal überraschten. Und: Wer Gospel mag, wird die Housemoms hier im
Village lieben. Schon tagsüber schallte ihr Gesang durch die Räume und rundete am Abend
schließlich alle Worte und alle Umarmungen ab.
Hintergrund
1999 gründete Wolfgang Egger, Vorstandsvorsitzender der Patrizia Immobilen AG, die
Patrizia Kinderhaus-Stiftung. Mittlerweile hat sie in aller Welt gemeinsam mit Partnern
Kinderhäuser in einem Gesamtwert von rund 10 Mio. EUR errichtet, in denen bereits über
150.000 Kindern geholfen wurde. Jeder gespendete Euro kommt zu 100% im Projekt an.
In Patrizia Kinderhäusern erhalten hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche aus aller Welt
nach Bedarf eine schulische Ausbildung, medizinische Versorgung oder eine sichere,
liebevolle Unterbringung. Demnächst werden drei weitere Kinderhäuser in Sondoveni/Peru,
Songea/Tansania sowie in Augsburg eröffnet.
Stefanie Wegner ist seit 2011 bei der Patrizia Kinderhaus-Stiftung mit Sitz
in Augsburg. Das die Wirklichkeit in einem Land wie Südafrika von großen Gegensätzen
geprägt ist und ein Besuch dort auch gleichzeitig einem emotionalen Grenzgang gleicht, war
Stefanie Wegner vor ihrer Reise durchaus bewusst. Wie viele positive Gefühle, Freude und
auch Zuversicht ihr jedoch in dem Land am Kap der guten Hoffnung entgegengebracht
werden würden, war für sie überraschend – und überwältigend.
„Hoffnung beginnt mit Helfen“ erschien in der Jubiläumsausgabe des estatements-Magazin
der Patrizia Immobilien AG im März 2014. Mehr Informationen zur Patrizia KinderhausStiftung: www.kinderhausstiftung.de

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