„Wildobst ist im Trend“, in Gärtner+Florist 05/2014

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„Wildobst ist im Trend“, in Gärtner+Florist 05/2014
Gartenbau
Prunus tomentosa – die kleinen süßen, weichselähnlichen Früchte sind wegen ihres sehr guten Geschmacks sehr beliebt
Wildobst ist im Trend
Vor zwanzig Jahren war Wildobst absolut kein Thema. Wildobstarten finden heute jedoch wieder
Verwendung im Hausgarten. Fast jede Baumschule bietet dem Privatkunden und Gartenbesitzer
daher ein zumindest überschaubares Wildobst-Sortiment an.
S
Wildobstarten überzeugen mit
neuen
Geschmacksnoten und
intensivem
Fruchtgeschmack
ie versorgen uns mit wertvollen Mineralstoffen, Vitaminen und auch anderen gesundheitsfördernden Inhaltstoffen. Abgesehen davon, dass diese
Früchte völlig neue, bisher oft unbekannte Geschmacksnoten in unseren Alltag bringen, verwöhnen sie uns mit intensivem Fruchtgeschmack, mitunter sogar mit süßlich-tropischen Geschmacksnuancen. Leicht herbe Geschmacksmomente runden den Reigen an neuen
Fruchterlebnissen ab. Das „Gute“ an den
Wildobst- und seltenen Obstarten ist
auch, dass sie in jedem Garten gedeihen.
Naschfrüchte werden direkt von den
Sträuchern herunter frisch verzehrt. Andere wiederum können zu überaus
wohlschmeckenden
Marmeladen,
Fruchtmus, Fruchtsäften, etc., verarbeitet werden.
Lenzbeere
Welche Wildobstarten eignen sich für
den kleinen Garten oder als „Kübel-
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5/2014
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GARTNER
+ Florist
pflanze“ auf Balkon oder Terrasse? Beginnen wir gleich einmal im späten
Frühjahr mit der Lenz- oder Maibeere
(Lonicera caerulea var. kamtschatica). In
manchen Gartencentern oder Baumschulen wird sie auch als Sibirische Blaubeere oder Kamtschatka-Heckenkirsche
verkauft. Leider werden für diese Art
mehrere lateinische Namen verwendet,
was durchaus zu Verwirrung führen
kann. Bärtels (Gartengehölze ) führte sie
noch als L. kamtschatica, während im
Zander diese Art jetzt nicht mehr existiert, dafür wird sie hier als Unterart der
heimischen Blauen Heckenkirsche angeführt (L. caerulea var. edulis). Wie bereits erwähnt, ist der kaum 1 bis 1,5 m
hohe Strauch mit leicht behaarten Blättern und unscheinbaren Blüten ein naher Verwandter unserer heimischen
Blauen Heckenkirsche (L. caerulea). Sie
blüht sehr früh im Jahr und die Früchte
reifen bereits ab Ende Mai bis Mitte Juni,
also noch vor allen anderen Obstarten.
Darauf bezieht sich auch der Name
Lenz- oder Maibeere (letzterer ist ein
geschützter Name der Fa. Häberli
Schweiz). Die 1 bis 1,5 cm großen blauschwarz bereiften Früchte erinnern im
Geschmack ein wenig an Heidelbeeren.
Sie weisen eine durchaus interessante
und angenehme Geschmacksnote auf.
Es werden mittlerweile zahlreiche Sorten angeboten. Jedes Jahr kommen
neue mit verbesserter Fruchtqualität,
bzw. mit größeren Früchten hinzu. Die
Pflanzen bevorzugen durchlässige, eher
neutrale Böden, dafür kommen sie mit
sehr tiefen Wintertemperaturen noch
zurecht. Wichtig wäre es, zumindest
zwei Sorten auszupflanzen, da sie dann
weitaus besser fruchten als eine einzelne Pflanze.
Filz-Kirsche
In die Reihe der Naschfrüchte gesellt sich
auch die Korea- oder Filz-Kirsche (Prunus tomentosa). Dieser absolut frost-
Fotos: Helmut Pirc
Lonicera kamtschatica blüht sehr früh und die Früchte reifen bereits ab Ende Mai bis Mitte Juni
harte Strauch wird etwa mannshoch,
blüht bereits Ende März und schmückt
sich dabei mit unzähligen weißen Blüten. Im Juni reifen dann die kleinen süßen, weichselähnlichen Früchte mit sehr
gutem Geschmack. Man genießt sie roh
oder bereitet daraus ein feines Kirschkompott. Der Name Filz-Kirsche bezieht
sich übrigens auf die – bei Kirschen ansonsten unüblichen – behaarten Triebe
und Blätter. Die Pflanzen fruchten bereits im dritten bis vierten Jahr nach der
Aussaat, allerdings sind sie dann mit
etwa 10 bis 12 Jahren bereits überaltert.
Auch hier gilt: besser zwei oder gleich
mehrere Sträucher auspflanzen, bei
gegenseitiger Bestäubung fruchten sie
einfach besser.
Felsenbirne
An der inzwischen zum Standardsortiment zählenden Felsenbirne (Amelanchier lamarckii ‘Ballerina‘) führt kein
Weg vorbei. Diese Sorte überzeugt mit
schönem Habitus, guter Blütenwirkung
und brillanter Herbstfärbung gleichermaßen als Zierstrauch wie als Fruchtgehölz. Bereits im April öffnen sich die
reinweiß leuchtenden Blüten in überhängenden Trauben. Im Juni folgen die
anfangs roten, später blauschwarzen
Früchte. Weil ihre getrockneten Früchte
ähnlich wie Rosinen (Korinthen) schmecken, wird diese Felsenbirne auch gerne
als Korinthenstrauch bezeichnet.
Kornelkirschen
Kornelkirschen oder Dirndl (Cornus mas)
haben in den vergangenen Jahrzehnten
eine Erfolgsstory geschrieben. Anfangs
beinahe vergessen, wird sie inzwischen
sogar als Plantagenfrucht kultiviert. Dieser attraktive Frühjahrsblüher benötigt
mit seiner 4 bis 6 m Wuchshöhe allerdings schon etwas mehr Platz im Garten.
Gute Verwertungsmöglichkeiten, wertvolle Inhaltstoffe und der ganz besondere Geschmack haben diese Wildobstart wieder in unser Gedächtnis gerufen.
Natürlich tragen auch die großfruchtigen Auslesen wie ‘Jolico‘, ‘Kasanlaker‘,
etc. dazu bei, denn diese lassen sich
leichter beernten und auch bei der Verwertung bieten die großen Früchte Vorteile. Als Naschfrucht sind sie nur in voll
reifem Zustand empfehlenswert. Hauptsächlich sind Kornelkirschen Verarbeitungsfrüchte. Sie bereichern als Fruchtsaft, Marmeladen, Konfitüren, KuchenBelag etc. die heimische Küche.
Sanddorn
Der Sanddorn (Hippophae rhamnoides)
ist ein etwas sparriger Geselle im Garten.
Amelanchier lamarckii überzeugt mit schönem Habitus, guter Blütenwirkung und brillanter
Herbstfärbung gleichermaßen als Zierstrauch wie als Fruchtgehölz
Gartenbau
Hippophae rhamnoides enthalten sehr viel Vitamin C
Im Hausgarten sind die
Sorten der
Apfelbeere nicht nur
begehrte
Frucht-, sondern auch
sehr attraktive Blütensträucher
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Aronia melanocarpa ‘Hugin‘ ist extrem winterhart
Weil die Pflanzen zweihäusig sind, benötigt man für die weibliche Fruchtsorte
einen männlichen Befruchtungspartner.
Er treibt auch gerne Ausläufer, was im
Garten ein bisschen lästig sein kann. Immerhin belohnt er uns mit prächtig
orange gefärbten Sanddorn-Früchten,
die sehr viel Vitamin-C enthalten. Die
Früchte sind so sauer, dass sie nicht einmal für hartgesottene Wildobstfetischisten als Naschfrucht geeignet sind. Aber
immerhin: aus den Früchten lässt sich ein
gesunder (Misch-)Fruchtsaft herstellen,
auch als Kuchen-Belag ist eine selbst
hergestellte Sanddornpaste sehr empfehlenswert.
Zum Beernten legt man die abgeschnittenen Zweige am besten einige Stunden
in die Tiefkühltruhe. Danach lassen sich
die tief gefrorenen Früchte leichter abklopfen, bzw. abrebeln. Wenn man jedes Jahr Früchte ernten möchte, dann
pflanzt man am besten zwei Fruchtsträucher und beerntet jedes Jahr einen
und belässt den zweiten. Dies ist notwendig, da die Blüten bzw. Früchte immer erst im zweiten Jahr, also am vorjährigen Trieb gebildet werden. Oder
man schneidet nur einen Teil der Triebe
zur Ernte ab und belässt die restlichen
jungen Neutriebe für die nächste Saison.
Auch vom Sanddorn gibt es inzwischen
eine größere Anzahl interessanter und
bewährter Sorten.
Sorbus ‘Titan‘-Früchte schmecken nur leicht
herb und angenehm süß
Cornus mas ‘Jolico‘: Kornelkirschen werden
heute sogar als Plantagenfrucht kultiviert
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GARTNER
+ Florist
Schwarze Apfelbeere
Aus der Familie der Rosengewächse, zu
der auch die Felsenbirne zählt, gibt es
noch zahlreiche weitere Vertreter, die als
Wildobstarten in Frage kommen wie z. B.
die Schwarze Apfelbeere (Aronia x prunifolia, bzw. A. melanocarpa). Sie ist eine
Verwandte der Eberesche und stammt
ursprünglich aus Amerika. Allerdings
wurde sie bereits Anfang des vorigen
Jahrhunderts in Russland von Mitschurin
züchterisch bearbeitet und ist über die
ehemaligen „Ostblockstaaten“ nach Mitteleuropa gelangt. Dieser etwa mannshohe Strauch trägt weiße Blütenstände
und entwickelt kleine schwarze ebereschenähnliche Früchte. Die Sorten von
A. melanocarpa bringen kleinere, glänzend schwarze, jene von A. x prunifolia
etwas größere, mattschwarze Früchte
hervor. Diese sind sehr adstringierend.
Auch wenn der adstringierende Geschmack im vollreifen Zustand etwas
nachlässt und die Früchte süßer werden,
als Naschfrüchte werden sich Apfelbeeren sicher nicht durchsetzen. Sie sind jedoch hervorragende Verarbeitungsfrüchte, lassen sich zu Marmeladen und
Säften verarbeiten bzw. mit Apfel gut mischen. Die Früchte der inzwischen auch
in Plantagen angebauten Pflanzen dienen primär zum Färben von Lebensmitteln. Im Hausgarten sind die Sorten der
Apfelbeere nicht nur Fruchtsträucher,
sondern auch sehr attraktive Blütensträucher mit wunderbarer Herbstfärbung.
Auch sie zählen zu den Wildobstarten
mit extrem guter Winterhärte. Bevorzugt
werden neutrale bis leicht saure Böden.
Ebereschen-Hybriden
Wer es gerne etwas herb möchte, dem
die Früchte der Eberesche aber doch zu
herb erscheinen, dem sei die Ebereschen-Hybride-‘Titan’
empfohlen.
Diese und deren Verwandte werden in
den Baumschulen zu Recht unter der Bezeichnung „Strauch-Vogelbeeren“ geführt. Diese Sorte wächst nur zu einem
größeren Strauch oder kleineren Baum
von 3 bis 4 m Wuchshöhe heran und
sieht aus wie eine kleine Eberesche mit
ebenfalls gefiederten Blättern. Allerdings sind die Früchte von ‘Titan‘ nicht
rot oder orange wie jene der Ebereschen, sondern wein- bis granatrot gefärbt. Ihre Früchte erinnern im Geschmack sehr an die Eberesche, ohne
den stark adstringierenden Beigeschmack zu besitzen – also leicht herb,
von angenehmer Süße und mit einer besonders schönen Farbe – wenn man sie
z. B. als Marmelade verarbeitet. Man
kann sie auch mit Apfel oder anderen
Früchten mischen. ‘Titan‘ fruchtet jedoch leider nicht jedes Jahr regelmäßig.
Dafür ist sie in den fruchtenden Jahren
Gartenbau
sehr ertragreich! Für die Anlage von
Wildfrucht-Hecken eignen sich natürlich
auch die nächsten verwandten, etwas
kleiner bleibenden Sorten wie ‘Burka‘,
‘Likjornaja‘, ‘Granatnaja‘ und ‘Bursinka‘.
Die essbare oder mährische Eberesche
(Sorbus aucuparia var. edulis) ist natürlich auch nicht zu vernachlässigen. Der
Baum ist meist auf Crataegus als Unterlage veredelt und fruchtet deshalb
schon nach wenigen Jahren. Er bringt
malerische Fruchtstände mit zahlreichen
roten bitterstofffreien Früchten hervor.
Diese enthalten ebenfalls viel Vitamin-C
und schmecken daher auch sauer. Verarbeitet schmecken sie natürlich als
Mischfrucht am besten, z. B. als Saft oder
Marmelade mit Apfel gemischt.
Minikiwi
Keinesfalls sollten die Minikiwis (Actinida arguta und deren Hybriden) unerwähnt bleiben. Sie sind im Gegensatz
zur großen Kiwi ausreichend winterhart
und auch in kälteren Gebieten noch verwendbar. Weil sie sehr früh austreiben,
sind die Pflanzen leider spätfrostgefährdet. Zum Ausreifen benötigen sie einen
schönen, warmen Spätsommer bzw.
Herbst. Minikiwis sind in der Regel zweihäusig. Man benötigt zur Befruchtung
der weiblichen Pflanzen einen männlichen Befruchtungspartner. Ob die neuerdings angebotenen selbstfruchtbaren
Sorten bzw. kernlose Sorten halten was
sie versprechen, muss erst verifiziert
werden. ‘Issai‘ ist so eine selbstfrucht-
Goji-Beere: Lycium barbarum ‘Sweet Lifeberry‘
Minikiwi: Actinidia arguta ‘Weiki‘ ist winterhart
bare Sorte mit kleineren Früchten. Als
verlässliche Fruchtsorte möchte ich allerdings ‘Weiki’ empfehlen. Sie fruchtet regelmäßig, bringt Früchte mit ausgezeichnetem würzigem Geschmack hervor und ist auch ansonsten problemlos
– braucht aber auch einen Befruchtungspartner. Natürlich sind auch die anderen
Sorten einen Versuch wert. Das Sortiment wird jedes Jahr erweitert, inzwischen gibt es auch rotfrüchtige und rotfleische Sorten der Minikiwis. Als starkwüchsige Kletterpflanze benötigt sie ein
starkes Gerüst, einen Erziehungs- und
einen regelmäßigen Erhaltungsschnitt.
beere“, die auch als Wolfsbeere und
unter zahlreichen weiteren Namen bekannt ist. Weil die Früchte von Lycium
barbarum oder L. chinense extrem viele
gesundheitsfördernde Stoffe enthalten
sollen, wird diese Pflanze in China
schon seit Jahrhunderten als Plantagenpflanze kultiviert. Sie macht sehr
viele Wurzelausläufer bzw. Wurzelbrut
und benötigt entsprechende Schnittmaßnahmen. Ursprünglich als krankheitsfrei betrachtet, ist Lycium doch sehr
anfällig für Mehltau. Die inzwischen
zahlreich angebotenen Fruchtsorten
unterscheiden sich deutlich in Geschmack und Fruchtgröße. Getrocknet
sind sie inzwischen in zahlreichen Müsli-Mischungen, Fruchtsalaten usw. enthalten.
Helmut Pirc
Goji-Beere
Sehr viel Aufsehen gibt es um die GojiBeere, eine sogenannte „Wunder-
Minikiwis sind
im Gegensatz
zur großen
Kiwi ausreichend winterhart und auch
in kälteren
Gebieten noch
verwendbar
Wildobstarten
Sorten
Geschmack
Reifezeit
Lenz-/Maibeere
‘Maistar‘, ‘Maitop‘, ‘Amur‘, ‘Balalaika‘,
‘Blue Velvet‘, ‘Eisbär‘, ‘Kalinka‘, etc.
würzig-süß
Ende Mai/Juni
Felsenbirne
‘Ballerina‘, ‘Prince William‘, ‘Bluemoon‘,
‘Smoky‘, ‘Forestburg‘, etc.
süß
Juni/Juli
Korea-Kirsche
keine Sorten
süß,
leichter Weichselgeschmack
Juni/Anf. Juli
Kornelkirsche
‘Jolico‘, ‘Schönbrunner Gourmet-Dirndl‘,
‘Kasanlaker‘, ‘Schumener‘, ‘Yellow‘, ‘Shan‘, etc.
unreif säuerlich herb,
reif süß
September/Oktober
Sanddorn
‘Leikora‘, ‘Askola‘, ‘Hergo‘, ‘Dorana‘, ‘Frugana‘, ‘Orange Energy‘, ‘Sandora‘, etc.
sehr sauer
September/Oktober
Apfelbeere
‘Nero‘, ‘Viking‘, ‘Hugin‘, ‘Aron‘, etc.
herb, vollreif herb und süßlich
August/September
StrauchEberesche
‘Titan‘, ‘Burka‘, ‘Likjornaja‘,
‘Granatnaja‘, etc.
leicht herb
August/September
Mini-Kiwi
‘Weiki‘, ‘Ambrosia‘, ‘Maki‘, ‘Issai‘,
‘Purpurna Sadova‘, etc.
süß bis würzig süß,
sehr geschmackvoll
September/Oktober
Goji-Beere
‘Big Lifeberry‘, ‘Sweet Lifeberry‘,
‘Nr. 1 Lifeberry‘, ‘Nima‘, ‘Lhasa‘, etc.
süßlich,
mitunter etwas „hantig“
August bis Oktober
Tabelle: Helmut Pirc/Grafik: Fassler
Wildobstarten für den Hausgarten
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GARTNER
+
Florist
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