BRD-InitiativeAusbildungsreifeDU

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BRD-InitiativeAusbildungsreifeDU
Bezirksregierung Düsseldorf
Die Initiative zur Stärkung der
Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung
Duisburger Hauptschüler/innen
Hintergrund und Ausrichtung
Erfahrungen und Konsequenzen
Reader zur Abschlussveranstaltung
am 31.05.2007
Europäischer
Sozialfonds
Inhaltsverzeichnis
Die Initiative zur Stärkung der Ausbildungsreife und
Berufswahlorientierung Duisburger Hauptschüler/innen
Seite
Werner Fuchs
Vorwort
1
1. Kapitel – zur Einführung in die Problemlage
Günter Rehn
Hans-J. Rulhoff
Zur Situation von Hauptschüler/inne/n
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005 / 2006
3
14
2. Kapitel - der Dokumentationsteil zum Projekt
Profile der vier beteiligten Schulen und Umsetzung der Initiative
Die Heinrich-Böll-Schule in Duisburg-Meiderich/Beeck
Die Schule Beim Knevelshof im Duisburger Süden
Die Emil-Rentmeister-Schule in Duisburg-Hochfeld
Die Schule Wiesbadener Straße Duisburg-Neumühl/Obermeiderich
(Berufswahlorientierung an der Wiesbadener Str.)
22
25
27
31
35
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen
37
48
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen
des Projekts sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
(Befragung der Ausbildungsbetriebe)
(Eine vorläufige Ausbildungsplatzbilanz)
56
58
60
Am Projekt beteiligte Unternehmen bilanzieren
Helga Kleinkorres
ABBEO im Kontext des Projektes
Rüdiger Bongers
Die Beteiligung des Psychologischen Dienstes
der Agentur für Arbeit Duisburg
Michael Vogel
Volker Grotensohn
Elisabeth Schulte
Die Aktivitäten von HKM mit der Partnerschule
„Beim Knevelshof“
Ausbildung von Jugendlichen mit
Hauptschulabschluss bei TKS
Bewerber-Chancen aus Unternehmer-Sicht und
Konsequenzen
65
75
81
82
87
3. Kapitel – mögliche Konsequenzen
Wolfgang Reuter
Anhang
Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
Autorinnen und Autoren
Projektbeteiligte
90
96
97
Werner Fuchs: Vorwort
Die Initiative zur Stärkung der Ausbildungs- und Berufswahlfähigkeit, die in dieser
Broschüre vorgestellt wird, geht auf einen Vorschlag von Herrn Regierungspräsidenten Büssow aus dem Jahr 2005 zurück.
Herr Büssow hatte anlässlich zweier Besuche in Duisburg dort erneut hautnah von
den Sorgen der Hauptschülerinnen und Schüler und ihrer Schulen um deren Ausbildungschancen erfahren. Zugleich konnte er aber auch die Potenziale erleben, die in
diesen jungen Menschen stecken.
Beeindruckt von der Arbeit der Schulen in sozialen Brennpunkten sagte Jürgen
Büssow: „Leitmotiv unserer Bildungsanstrengungen muss sein: Niemand darf zurückgelassen werden! “
„Meine ganz große Sorge gilt der hohen Zahl von Jugendlichen, die gleich nach dem
Schulabschluss erfahren muss, dass der Arbeitsmarkt keinen Platz für sie hat. Hier
sind Wirtschaft und Verwaltung, aber auch das berufsbildende Schulsystem in der
Pflicht.
Vor allem müssen die Jugendlichen in den Schulen und in Betrieben früh und möglichst authentisch erfahren, wo sie stehen und was die Ausbildungsbetriebe von ihnen erwarten. Nur dann kann Schule ihnen durch Förderung weiterhelfen und erreichen, dass sie sich motiviert auf die Berufswahl vorbereiten“, sagte der Regierungspräsident.
Zweiter wesentlicher Bestandteil der Initiative ist es, auf die Duisburger Ausbildungsbetriebe und – institutionen zuzugehen, die z.T. deutliche Kritik am ihrer Meinung
nach unzureichenden Bildungsstand der Hauptschulabgänger übten.
Auf Grund dessen hatte Büssow angeregt, in einer konzertierten Aktion aller Beteiligten ein Förderprojekt zur Stärkung der Ausbildungs- und Berufschancen der Duisburger Hauptschulabsolventen zu entwickeln.
Das im folgenden vorgestellte Projekt basiert auf der Grundidee, betriebliche Eingangstests als „Lernstandserhebungen“ bereits in den achten Klassen von Hauptschulen einzusetzen, um Schülern und Schule die Förderbedarfe deutlich zu machen
und einen Motivationszuwachs für die Schüler zu erzielen. Im Anschluss an die Testung wurden individuelle schulische Förderprogramme und Praktikumsangebote entwickelt.
1
Werner Fuchs: Vorwort
In konstruktiver Zusammenarbeit von vier Duisburger Hauptschulen, dem Schulamt
für die Stadt Duisburg, der UnternehmerverbandsGruppe, der UnternehmerHaus AG
und dem Projekt ABBEO, der Agentur für Arbeit Duisburg, der Industrie- und Handelskammer Duisburg, Vertretern der Ausbildungsbetriebe ThyssenKruppSteel und
Hüttenwerke Krupp-Mannesmann GmbH und der Bezirksregierung Düsseldorf ist
diese koordinierte Initiative entstanden:
207 Schülerinnen und Schüler der achten Jahrgänge des Schuljahres 2004/2005 der
Heinrich – Böll Schule, der Emil – Rentmeister – Schule, der Hauptschule Wiesbadener Straße und der Hauptschule Beim Knevelshof haben für zwei Schuljahre eine
besondere Förderung erhalten.
Dazu gehörten im Einzelnen:
-
eine ausführliche berufsbezogene Diagnose der persönlichen Stärken und
Schwächen durch die Arbeitsagentur Duisburg,
-
die Erstellung eines individuellen Förderplans durch die beteiligten Schulen,
-
die fachspezifische Förderung in Deutsch, Englisch und Mathematik sowie in
Allgemeinbildung,
-
der Abschluss eines individuellen Praktikumskontrakts zwischen Schüler/in
und Schule,
-
die Evaluation der Praktikumsplätze durch die Schulen und die systematische
Auswertung der Praktikumserfahrungen der Arbeitgeber,
-
Bereitstellung zusätzlicher Betriebspraktika durch engagierte Unternehmen vor
Ort,
-
die Betreuung der Schüler/innen durch besonders qualifizierte Experten der
Betriebe und
-
die Förderung von Schlüsselqualifikationen durch gezielte Maßnahmen, beispielsweise durch die Teilnahme an einem mehrtägigen Lebensfindungs- und
Berufswahlorientierungsseminar.
Auf Initiative der Bezirksregierung erhielt jede teilnehmende Schule befristet eine zusätzliche Lehrerstelle, um die Fördermaßnahmen durchführen zu können. Ebenso
erhielten die Schulen Fortbildungsunterstützung zur Erarbeitung der Förderpläne und
der Ausbildungskontrakte.
Im folgenden Reader erhalten Projektbeteiligte, vor allem Schülerinnen und Schüler,
ihre Lehrer/innen, Unternehmen und alle anderen beteiligten Partner Gelegenheit,
ihre Anteile in und Erfahrungen aus dem Projekt darzustellen und zu bewerten.
2
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Bildung, Ausbildung und gesellschaftliche Teilhabe
Muss man eigentlich begründen, wieso es Projekte gibt, die sich der Förderung der
Berufswahlorientierung und Förderung der Ausbildungsreife von Hauptschüler/inne/n
widmen? Nein.
Die zentrale Bedeutung von schulischer und beruflicher Bildung für gesellschaftliche
Chancen, soziale und ökonomische Teilhabe ist unbestreitbar. Eine demokratische
Gesellschaft, die sich nicht oder unzureichend der Aufgabe stellt, der nachwachsenden Generation diese Bildung in qualitativ und quantitativ ausreichender Form zur
Verfügung zu stellen, versagt mithin in diesem wichtigen Bereich der Sozialisation.
Ungeachtet der Diskussion dessen, was „die Wirtschaft“ von den Schulabgängern
erwartet1 ist es hierbei zunächst nicht wichtig, ob die seit Jahren in Deutschland jährlich etwa mehrere zehntausend junge Menschen umfassende Gruppe tatsächlich
oder nur gefühlt nicht ausbildungsreif ist. Entscheidend ist, dass eben diese jungen
Menschen sich oft vergeblich um eine berufliche Ausbildung bemühen, viele sich resigniert erst gar nicht bewerben. Ihre Chancen auf ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe sinken damit beträchtlich, ihr Armutsrisiko steigt, für viele zeichnen sich
in dieser für ihre Biographie wichtigen Orientierungsphase damit schon früh später
drohende Arbeitslosigkeit und Hartz IV-Karrieren ab.
Der Blick, der sich hier zunächst auf die Situation in ganz Deutschland richtet, wird
später zunehmend auf die Situation in NRW, dem Ruhrgebiet und natürlich vor allem
in Duisburg gerichtet werden.
1
dargestellt z.B. im Faltblatt der IHK NRW o.J. (2002): Was erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängern? Textfassung z.B. dokumentiert auf http://www.ihkkoeln.de/Navigation/AusUndWeiterbildung/Berufsbildungspolitik/Anlagen/BroschuereWirtschaft.PDF);
siehe hierzu auch den Beitrag von Volker Grotensohn, S. 82 ff.
3
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Die Chancen jugendlicher Schulabsolventen auf dem bundesweiten Ausbildungsmarkt
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung fasst in diesem Zusammenhang
die Lage in Deutschland im „IAB-Kurzbericht Nr. 2/2007“ wie folgt zusammen2 :
„Das formale Bildungsniveau der Schulabgänger hat sich in Deutschland seit Beginn
der 90er Jahre nicht wesentlich verändert. Allerdings steigt der Anteil von Altbewerbern bei den Bewerbern um eine betriebliche Ausbildungsstelle seit Jahren – bedingt durch die angespannte Ausbildungslage in Folge demographischer Veränderungen einerseits und konjunktureller sowie struktureller Entwicklungen
andererseits. Dieser Anstieg zeigt die wachsenden Probleme auch ausbildungsreifer
Jugendlicher – insbesondere mit schwächeren Schulabschlüssen – beim Übergang
in betriebliche Ausbildung.
Die Zugangsprobleme leistungsschwächerer Jugendlicher zu einer beruflichen
Ausbildung werden dadurch verstärkt, dass auch bei den Maßnahmen der Berufsvorbereitung sowie bei der Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen
eine zunehmende Konzentration auf relativ besser qualifizierte Jugendliche zu
beobachten ist. (...) Bedingt durch die angespannte Arbeitsmarktlage ist seit
Ende der 90er Jahre die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen mit beruflichem
Abschluss deutlich gestiegen, während die Zahl arbeitsloser Jugendlicher ohne berufliche Ausbildung auf einem hohen absoluten Niveau verharrte. Mit der
Einführung des SGB II sind 2005 verstärkt Jugendliche mit niedrigen bzw. ohne allgemeinbildende oder berufliche Abschlüsse neu als Arbeitslose erfasst worden, aber
auch die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen mit beruflichem Abschluss ist weiterhin
leicht gestiegen. (...)
Hervorzuheben ist ferner, dass bereits ab 2000 der Einsatz von Maßnahmen der
beruflichen Weiterbildung – zugunsten kürzerer Trainingsmaßnahmen – in einem
Ausmaß zurückgefahren wurde, das nicht allein mit der Veränderung der Qualifikationsstruktur der jugendlichen Arbeitslosen begründet werden kann. Arbeitslose Jugendliche mit unzureichender bzw. ohne berufliche Ausbildung
erhalten zwar immer seltener die zweite Chance auf Zugang zu einer beruflichen Ausbildung. Es ist jedoch noch offen, ob nicht mit kurzfristigen Maßnahmen
die gleiche nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt erreicht werden kann.“
Es lässt sich weiterhin feststellen, dass bundesweit die Lücke zwischen noch
nicht vermittelten Bewerbern und der Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze
zu Lasten der Bewerber seit 2002 ständig größer geworden ist. Hierbei hat kontinuierlich die Zahl der sogenannten „Altbewerber“ zugenommen, während die
Zahl der Lehreinmünder seit 2001 auf unter 50 Prozent gesunken ist. 2006 waren es nur noch 47,8 Prozent.
2
Auszüge aus dem Fazit S.6ff; Quelle: http://doku.iab.de/kurzber/2007/kb0207.pdf; Hervorhebungen
durch Rehn
4
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Die drei folgenden Grafiken des Bundesinstituts für Berufsbildung BIBB mögen dies
verdeutlichen:3
3
im Rahmen eines ausführlichen Berichts „Zwiespältige Vermittlungsbilanz der Bundesagentur für
Arbeit - Einerseits mehr Ausbildungsanfänger, andererseits mehr erfolglose Lehrstellenbewerber als
im Vorjahr“ (http://www.bibb.de/de/27399.htm) finden Sie diese Grafiken unter:
http://www.bibb.de/de/27403.htm, http://www.bibb.de/de/27427.htm, http://www.bibb.de/de/27433.htm
5
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
6
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Die Situation in NRW
Im „Bildungsreport NRW 2006“ des LDS (Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik NRW) kommt Wolfgang Seifert im Band 32 der Reihe „Statistische Analysen
und Studien Nordrhein-Westfalen“ zu ähnlich nachdenklich machenden Ergebnissen
für das Land Nordrhein-Westfalen.4
Der enge Zusammenhang zwischen schulischer und beruflicher Ausbildung zeigt
sich z.B. negativ darin, dass 95,7 Prozent der jungen Erwachsenen ohne allgemein
bildenden Abschluss auch keinen beruflichen Ausbildungsabschluss erreichen.
Wer keinen Schulabschluss hat, bei dem ist demnach die Wahrscheinlichkeit etwa
drei mal größer, dass er/sie auch keinen beruflichen Abschluss erwerben wird, als
bei jemand mit Hauptschulabschluss. Bei Personen mit (F)HR bleiben nur 8,7 Prozent ohne Berufsausbildung.5 Dieses Ticket wird von denjenigen mit Hauptschulabschluss schon deutlich weniger gelöst, vor allem bei jungen Frauen trifft dies zu.
4
Dr. Wolfgang Seifert: Arbeitsmarktintegration von jungen Erwachsenen. in: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Düsseldorf 2006, dort S. 27-35. Der komplette Report kann im Internet als
download bezogen werden (https://webshop.lds.nrw.de/webshop/gratis/Z089%20200656.pdf) und
wird im folgenden zitiert als „LDS 2006“
5
Seifert in: LDS 2006, S. 27; Analyse auf der Basis der Mikrozensus 2004
7
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Seine „natürliche“ Fortsetzung findet dieser Zustand im (leider fehlenden) Arbeitsmarktzugang. Auch hier sind Schulabsolventen mit Hauptschulabschluss gegenüber
denen mit höherwertigen Abschlüssen im Nachteil, auch wenn sie natürlich diejenigen ohne Schulabschluss deutlich hinter sich lassen.
Verschärfung der Jugendarbeitslosigkeit seit 2000
Die Zahlen für arbeitslose Jugendliche (bis 24 Jahre) sind bundesweit spätestens seit
dem Jahr 2000, als Deutschland im Vergleich von 15 EU-Staaten noch eine unterdurchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit aufwies, stark gestiegen und die Jugendarbeitslosigkeit lag 2005 mit ca. 15 Prozent nur noch etwas unter dem Durchschnitt von
16,5 Prozent der EU 15. 6
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind hierbei deutlich umso größer, je niedriger der Schulabschluss, liegt doch schon die Erwerbsquote bei Personen ohne
Schulabschluss (in NRW) bei jungen Frauen mit knapp 42 Prozent deutlich unter derjenigen von jungen Männern, die bei knapp 65 Prozent liegt.
Die Erwerbslosenquote fällt umso niedriger aus, je höher der Bildungsgrad ist – das
gilt leider natürlich auch umgekehrt:7
Bildungsarmut und Arbeitsmarktintegration
Als bildungsarm gelten Menschen, die weder einen allgemeinbildenden Schulabschluss noch einen beruflichen Bildungsabschluss haben sowie Personen mit Hauptschulabschluss, aber ohne berufliche Ausbildung. Dieses Merkmal trifft tendenziell
etwas eher für Frauen und jüngere Menschen (bis 24 Jahre) zu, vor allem aber auf
Ausländer/innen.8
6
nach OECD-Zahlen bei: Rothe/Tinter: IAB-Forschungsbericht Nr. 4/2007, S. 8; download:
http://doku.iab.de/forschungsbericht/2007/fb0407.pdf
7
Seifert in: LDS 2006, S. 29
8
Seifert in: LDS 2006, S. 32
8
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Die Gruppe mit der geringsten Erwerbstätigenquote bei den jungen Erwachsenen ist
eindeutig die junger Ausländerinnen. Sie sind hier nur zu 50,8 Prozent vertreten.
9
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Diese Erkenntnisse decken sich mit den Befunden des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2006. Die Ausbildungsquote von Ausländern bundesweit hat mit nur noch etwas mehr als einem Viertel im Jahre 2004 ihren Tiefpunkt
erreicht, wie die folgende Grafik zeigt9:
Die Ausbildungsquote der jungen ausländischen Männer geht kontinuierlich zurück,
während die Quote der jungen ausländischen Frauen schon seit Jahren bei einem
sehr geringen Wert von etwa einem Viertel verharrt bzw. sogar immer noch leicht
zurückgeht auf 23 Prozent im Jahre 200410:
9
http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a1_bwpplus_2006_01.pdf, Seite 4
ebd., Seite 4, weitere Zahlen auch in der Expertise des BIBB “Integration und berufliche Bildung”
unter http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a24_integration-und-berufliche-ausbildung.pdf, S. 1-5
10
10
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Pointiert gefasst, ist die Person, in der sich die Benachteiligung im Hinblick auf berufliche Ausbildung in Deutschland am Anfang des dritten Jahrtausends am stärksten
manifestiert, die junge Frau/der junge Mann mit Migrationshintergrund, die/der im
großstädtischen Ballungsraum die (Haupt-)Schule mit/ohne Abschluss verlässt und
keine Ausbildungsstelle erhält/antritt.
Dabei sind im Westen Deutschlands die Ruhrgebietsstädte Gelsenkirchen und eben
auch Duisburg die traurigen Spitzenreiter, wenn es um Arbeitslosigkeit, Armuts- und
Bildungsrisiken geht.11
Kumulierung hemmender Merkmale in Duisburg
In genau dieser räumlichen, sozialen, ökonomischen und (Aus-)Bildungssituation
finden sich die Schüler/innen wieder, für die das Duisburger Projekt „Förderung der
Ausbildungsreife“ initiiert wurde.
Nach der nun folgenden allgemeinen Darstellung der schulischen Situation von
Duisburger Hauptschüler/innen sowie einer Beschreibung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes (Beitrag Rulhoff) in Duisburg folgt in Kapitel 2 die Beschreibung der
vier beteiligten Schulen. Dort wird deutlich, wie prägend das Umfeld der Schulen auf
diese junge Generation einwirkt.
11
Vgl. hierzu auch die Werte des „Sozialindex“ im Regierungsbezirk Düsseldorf, Landtagsdrucksache
14/3797 der 14. Wahlperiode NRW vom 14.02.2007
11
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Allgemeine und spezifische Kennzeichen der Situation von Hauptschüler/innen
in Duisburg
Anteil der Hauptschüler/innen
Insgesamt ist in Duisburg der Anteil der Hauptschüler/innen an allen Schüler/innen
der Sekundarstufe I von 1994/95 bis 2004/2005 von 30 auf 20 Prozent zurückgegangen. Hiervon haben vor allem Real- und Gesamtschulen profitiert, die jeweils etwa
fünf Prozent hinzugewonnen haben.12 Dies ist allerdings ein Trend, der zumindest
teilweise für Deutschland insgesamt und NRW gilt.
Anteil ausländischer Schüler/innen
Der Anteil der ausländischen Schülerinnen und Schüler an den Hauptschüler/innen
betrug von 2000 bis 2005 nach dem formalen Kriterium der nicht-deutschen Staatsbürgerschaft jeweils zwischen 34,2 und 37,2 Prozent.13 Aus den uns vorliegenden
Namenslisten der am Projekt beteiligten vier Duisburger Hauptschulen lässt sich
nach vorsichtiger Schätzung ein realistischer Anteil von etwa 45 Prozent Jungen und
Mädchen mit Migrationshintergrund sowie etwa 10 Prozent Aussiedler errechnen.
Auch der Duisburger Schulentwicklungsplan betont, dass das formale Kriterium
Staatsbürgerschaft in Zukunft ergänzt werden sollte durch die Betrachtung der Zahl
der Kinder mit Migrationshintergrund, da ansonsten keine zuverlässige Prognose
über sprachliche und soziale Barrieren möglich sei.14
Duisburg: Schwerpunkt Arbeit/Ausbildung im Sektor Produktion
Wo finde ich in Duisburg eine Ausbildungsstelle und dann Arbeit?
Landesweit ist der Sektor Produktion für nordrhein-westfälische Hauptschulabsolventen mit 43,3 Prozent der nach wie vor zentrale Einsatzbereich. Auch in der Stadt
Duisburg spielt der produzierende Bereich als potentieller Ausbildungsbereich für
Hauptschüler immer noch eine wichtige Rolle, auch wenn die Zahl der im produzierenden Gewerbe insgesamt Beschäftigten von 39 Prozent (1998) auf 34 Prozent (inklusive 6 Prozent Bergbau) im Jahr 2004 gesunken ist.15
So erreicht der Arbeitsagenturbezirk Duisburg mit über 70 Prozent denn auch im
Sektor Industrie und Handel landes- und bundesweit den höchsten Wert (BRD: 58,5
Prozent) bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen (Erhebungen des
BIBB zum 20. September 2006). Es besteht somit die begründete Vermutung, dass
der Anteil der Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Produktion hier höher als im landes- und bundesweiten Durchschnitt ist. Allerdings ist es nicht so, dass bei boomender Stahlkonjunktur die Bäume in den Himmel wachsen, im Gegenteil: Bei einer Auslastung von 95 Prozent hat die Stahlindustrie im Jahre 2006 in Deutschland noch
einmal 500 Arbeitsplätze abgebaut16, etliche davon in Duisburg.
12
Stadt Duisburg – Dezernat für Familie, Bildung, Kultur: Schulentwicklungsplan Planungszeitraum
2007-11, Entwurfsfassung November 2006 (im folgenden zitiert als SEPL DU 2006), S. 55
13
SEPL DU 2006, S. 58
14
SEPL DU 2006, S. 58
15
SEPL DU 2006, S. 29)
16
Süddeutsche Zeitung vom 17.04.2007, S. 22
12
Günter Rehn: Zur Situation von Hauptschüler/innen
beim Übergang Schule – Berufsausbildung
Arbeitslosigkeit in Duisburg
Der Arbeitsagenturbereich Duisburg weist daher auch, bedingt wesentlich durch den
Strukturbruch (früher war Duisburg die „Stadt Montan“), zusammen mit Gelsenkirchen seit Jahren die höchsten Arbeitslosenzahlen im Ruhrgebiet aus. Im Januar
2007 liegt die Zahl bei 15,2 Prozent (NRW: 11,6 Prozent, BRD: 11,4 Prozent). Hierbei sind Ausländer/innen mit 26 Prozent (NRW) und jeweils die Frauen unter 25 Jahren diejenigen, die von Arbeitslosigkeit am stärksten betroffen sind. Bundesweit sind
dies bei den Deutschen 15,6 Prozent bei den Frauen zu 13,6 Prozent bei den Männern (nach anders berechneten ILO-Zahlen).17
Die „zweite Schwelle“ – und weitere Stolpersteine
An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass Jugendliche / junge Erwachsene nach der
„ersten Schwelle“ zwischen Schule und Ausbildung also auch noch die „zweite
Schwelle“ Eintritt in den Beruf (nach erfolgter Ausbildung) überwinden müssen - nach
der idealtypischen, mittlerweile überholten Vorstellung. Neuerdings spricht man ja
eher von einem von vielen Stolpersteinen für diejenigen, deren Leben nicht der
„Normalbiographie“ entspricht.
Die Überwindung dieser Probleme erweist sich für viele Jugendliche angesichts der
oben skizzierten Arbeitsmarktlage natürlich als zunehmend schwierig. 18 Und hier
steht hinter den Zahlen für das Ruhrgebiet und somit auch Duisburg eine erschreckende Situation.
Um die Ausbildungssituation bei Beginn des Projektes etwas genauer darzustellen,
folgen hier nun die von der Arbeitsagentur Duisburg ausgewählten wichtigsten Kennziffern des Duisburger Ausbildungsmarktes der Jahre 2005/2006, die den Beginn des
Projektes markierten.
17
Zahlen hierzu: http://statistik.arbeitsamt.de/statistik/index.php?id=D und
http://www.statistikportal.de/Statistik-Portal/de_zs02_nrw.asp sowie
http://www.destatis.de/indicators/d/arb440ad.htm)
18
Rothe/Tinter: IAB-Forschungsbericht Nr. 4/2007, S. 5 und 18ff
13
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
1. Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes Duisburg 1996 - 2006
In den letzten 10 Jahren hat sich der Ausbildungsmarkt in Duisburg ab dem Jahr
2002 für die Bewerber um eine Ausbildungsstelle negativ entwickelt. Während in
den Jahren zuvor die Lücke zwischen angebotenen Ausbildungsstellen und den
Ausbildungsstellensuchenden relativ gleich groß blieb, wurde das Missverhältnis
ab dem Jahr 2002 deutlich größer.
Im September des Jahres 2005 standen 2.708 gemeldeten Ausbildungsstellen
4.872 Bewerber um eine Ausbildungsstelle gegenüber.
Im September des Jahres 2006 waren 2.879 Ausbildungsstellen und 5.299 Bewerber gemeldet.
5500
5000
4500
4000
3500
3000
2500
2000
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
Ausbildungsstellen
2003
2004
2005
2006
Bewerber
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
In den Jahren 2005 und 2006 setzte sich der Trend weiter fort. Dem Anstieg
der gemeldeten Ausbildungsstellen um 171 in diesem Zeitraum (von 2.708 im
Jahre 2005 auf 2.879 im Jahre 2006) stand ein Anstieg von 427 Bewerbern
entgegen.
2005
2006
2708
5299
4872
2879
A usb i l d u n gsst e l l e n
B e we r be r
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
14
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
2. Die Relation der gemeldeten Ausbildungsstellen zu gemeldeten Bewerbern
Die Entwicklung des relativen Ungleichgewichtes auf dem Ausbildungsstellenmarkt in Duisburg wird besonders deutlich, wenn man sich die Relation der gemeldeten Ausbildungsstellen zu den gemeldeten Bewerbern ansieht.
Im Jahr 1993 waren pro Bewerber noch 1,06 Ausbildungsstellen gemeldet, so
dass rein rechnerisch ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsstellenmarkt verzeichnet werden konnte. Im Verlaufe der letzten Jahre hat
sich diese Relation deutlich auf 0,56 (2005) bzw. 0,54 (2006) verschlechtert.
1,3
Berufswahl mit
Alternativen
möglich
1,2
1,1 1,06
1
0,9
0,8
0,7
0,81
0,76
0,69 0,7 0,690,730,710,720,71
0,62
0,6
Rechnerischer Ausgleich von Angebot und Nachfrage
0,6
0,560,54
0,5
1994
1997
2000
2003
2006
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
3. Die Relation der Bewerber zu Ausbildungsstellen nach Berufswunsch
Betrachtet man die Relation der gemeldeten Ausbildungsstellen im September
2006 zu den gemeldeten Bewerbern in einzelnen Berufsfeldern, so kann man unterschiedlich stark ausgeprägte Ungleichgewichte erkennen.
Nur in 2 Bereichen (Verkehrsberufe und Elektroberufe) ist die Relation als günstig
zu bezeichnen In diesen Bereichen besteht ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis
zwischen Ausbildungsplatzangeboten und Ausbildungssuchenden.
Auch im Bezug auf die Entwicklung der Relationen in den einzelnen Berufsfeldern
können unterschiedliche Tendenzen ausgemacht werden:
Die Relationen in den Bereichen der technischen Berufe, der Ernährungsberufe,
der Verkehrsberufe der Gästebetreuer- und Körperpflegeberufe und der Warenund Dienstleistungskaufleute haben sich von 2005 zu 2006 zu Gunsten der Ausbildungsstellensuchenden verändert. Gleichwohl bleibt der Ausbildungsstellenmarkt auch in diesen Bereichen angespannt.
15
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
In den Bereichen der Bau- und Baunebenberufe, der Gesundheitsberufe, der Metallberufe, der Elektrikerberufe und der Büroberufe haben sich die Relationen für
die Ausbildungsstellensuchenden verschlechtert. Dies trifft Hauptschulabsolvent/inn/en besonders stark.
Ausbildungsstellen und Berufswünsche 2006
77
Technische Berufe: 37
Gemeldete Bewerber
233
Ernährungsberufe:
83
Bau - u. Baunebenberufe:
237
Gesundheitsberufe:
555
122
92
125
Verkehrsberufe:
Gästebetreuer u. Körperpfleger:
Gemeldete
Ausbildungsstellen:
468
464
231
768
Metallberufe:
414
264
255
Elektriker:
Waren - u. Dienstl.-kaufleute:
1.168
638
850
Orga.-, Verw.-, und Büroberufe:
567
0
200
400
600
800
1.000
1.200
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
Entwicklung des Verhältnisses von Ausbildungsstellen und Berufswünschen 2005 / 2006 (gemeldete Ausbildungsstellen pro Bewerber)
Berufsfelder
Technische Berufe
Ernährungsberufe
Bau- und Baunebenberufe
Gesundheitsberufe
Verkehrsberufe
Gästebetreuer und Körperpfleger
Metallberufe
Elektriker
Waren- und Dienstleistungskaufleute
Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe
2005
2006
0,55
0,48
0,43
0,36
0,39
0,51
0,29
0,22
1,62
1,36
0,43
0,50
0,52
0,54
1,17
0,97
0,51
0,55
0,75
0,67
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
16
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
4. Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Ausbildungsbereichen
Die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Duisburg ist von 3.132
im Jahre 2005 auf 3.230 im Jahre 2006 angestiegen. Diese Steigerung von 3,1 %
liegt knapp unter der Steigerungsrate von 4,0 % auf NRW Ebene.
Diese positive Entwicklung ist in erster Linie auf den Anstieg der Ausbildungsverträge im Bereich der Industrie und des Handels um 5,8 % zurück zu führen.
(2.139 Ausbildungsverträge in 2005 und 2.264 Ausbildungsverträge in 2006)
Im Bereich der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Handwerk muss für
Duisburg ein Rückgang um 4,6 % (629 in 2005 zu 597 in 2006) verzeichnet werden. Hier ist der Trend im Vergleich zu dem um 3 % gestiegenen Wert auf NRW Ebene gegenläufig.
Abgeschlossene Ausbildungsverträge nach Ausbildungsbereichen
2005:
2006:
3132
3230
Verträge
Verträge
2005
2006
2264
Industrie,
Handel
Handwerk
Landwirtschaft
Öffentlicher
Dienst
Freie Berufe
11
- 18,2 %
13
233
- 6,4 %
248
82
+ 7,3 %
76
43
+ 30,2 %
30
597
- 4,8 %
626
2139
+ 5,5 %
Sonstige
Quelle:
LDS-Berufsbildungsstatistik NRW, Az. 313.8321
17
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
5. Bewerberzahlen nach Schulabschluss
Bei der Betrachtung der Entwicklung der Bewerberzahlen zwischen 2005 und
2006 nach Schulabschlüssen fällt auf, dass aus allen Schulabschlussformen ein
Anstieg der gemeldeten Ausbildungsstellenbewerber zu verzeichnen ist.
Den prozentual höchsten Anstieg stellt man bei Bewerbern mit qualifizierteren
Schulabschlüssen fest. (Hochschulreife = + 9,2 %; Fachhochschulreife = + 25,8
%)
In wie weit die Einführung von Studiengebühren in NRW diesen Trend beschleunigt hat, kann aus Sicht der Arbeitsverwaltung nicht valide beurteilt werden.
Hochschulreife (+ 9,2 %)
488
Fachhochschulreife (+ 25,8 %)
400
+(45)
Kein Schulabschluss (+ 1,5 %)
269
mit
Hauptschulabschluss
1.581 (+ 6,3 %)
+(5)
+(103)
+(99)
+(161)
Mittlerer
Bildungsabschluss
2.502 (+ 6,4 %)
Bewerber 2006
(Steigerung zu 2005)
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
18
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
6. Berufswünsche der Bewerber
Betrachtet man die Entwicklung des Wunschverhaltens der Bewerber, so sind im
Zeitraum 2005 bis 2006 nur geringe Abweichungen zu verzeichnen.
Augenfällig ist allerdings, dass der Wunsch, eine Ausbildung im Bereich der Verkehrsberufe anzugehen, in 2006 um 19,5 % größer war als im Jahr davor.
Eine ähnlich hohe Steigerung konnte nur noch im Bereich der Gesundheitsberufe
festgestellt werden (17,3 %).
2005
4.827
Gemeldete Bewerber (gesamt)
2006
5.299
Die Entwicklung in den Berufswünschen im Einzelnen:
Technische Berufe:
sonstige
77 (+2)
360 (+33)
Ernährungsberufe:
233 (+12)
Organisations-, Verw.-,
und Büroberufe:
850 (+29)
Bau - u.
Baunebenberufe:
468 (+45)
Gesundheitsberufe:
555 (+96)
Waren - u.
Dienstleistungskaufleute:
1.168 (+133)
Verkehrsberufe:
92 (+18)
Gästebetreuer u.
Körperpfleger:
464 (+34)
Metallberufe:
768 (+52)
Elektriker:
264 (+18)
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
19
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
7. Verbleib von Ausbildungsbewerbern mit Hauptschulabschluss
Die Anzahl der Ausbildungsbewerber des Schulentlassjahrganges mit Hauptschulabschluss hat sich in 2006 im Vergleich zu 2005 um 30 % erhöht.
(2005 = 351; 2006 = 458)
Die Problematik des Ausbildungsstellenmarktes wird hier besonders deutlich. Da
die Bewerber durch eigene Bemühungen keinen Ausbildungsplatz haben finden
können, haben sie in zunehmendem Maße die Angebote der Berufsberatung der
Agentur für Arbeit Duisburg in Anspruch genommen.
Dafür spricht auch die Tatsache, dass sich bei einer Stichtagsbetrachtung zum
30.09.2006 mehr als doppelt so viele Bewerber in berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BVB) befanden als im Jahr davor. (2005 = 41; 2006 = 100)
Auch die Zahl der Bewerber, die über weiteren Schulbesuch ihre Qualifikation und
damit ihre Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt steigern wollen, ist in 2006
stark angestiegen.
Während in 2005 5,4 % der Bewerber weiter zur Schule gingen, ist dieser Anteil
im Jahr 2006 auf 18,9 % angestiegen (2005 = 19 von 351; 2006 = 87 von 458)
Die Grafiken auf der Folgeseite geben dies wieder.
20
Hans-Joachim Rulhoff: Der regionale Ausbildungsmarkt Duisburg 2005/2006
Schulentlassjahr 2005 (351 Ausbildungsbewerber)
Nicht vermittelte Bewerber am 30.09.
15
Sonstige 74
Einmündung 153
Unbekannt 33
Arbeit 16
BVB 41
Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen
Schule 19
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
Schulentlassjahr 2006 (458 Ausbildungsbewerber)
Unbekannt
38
Sonstige
52
Nicht
vermittelte
NVB
Am 30.09.Bewerber am 30.09.
12
12
Einmündung
158
Arbeit
11
BVB
Berufsvorbereitende
100100
Bildungsmaßnahmen:
Schule
87
Quelle: Informationsangebot der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA)
21
Die Profile der vier Schulen: die Heinrich-Böll-Schule
Heinrich-Böll-Schule
Städt. Gemeinschaftshauptschule
Gartsträucherstr. 54
47137 Duisburg
0203 / 44 94 811
Fax: 0203 / 43 57 46
Situation der Schule und des betrieblichen Umfeldes
Die Heinrich-Böll-Schule ist eine zwei- bis dreizügige Gemeinschaftshauptschule im
Duisburger Stadtteil Untermeiderich. Im Schuljahr 2006/07 wird sie von ca. 360
Schülern besucht.
Die individuelle Förderung des einzelnen Schülers ist uns besonders wichtig. Außerdem soll der Schüler die Schule als Lebensraum erfahren, was u.a. durch ein umfangreiches Ganztagsangebot im Rahmen des Programms „13+ (Schule über Mittag)“ verwirklicht wird.
Die Schule nimmt am Programm „Zusätzliche Sprachförderung 5/6“ teil. Dabei werden alle Schüler der Klassen 5 und 6 auf Basis eines Eingangstestes verschiedenen
Fördergruppen zugeordnet. Der Förderunterricht beläuft sich je nach Bedarf auf 2 bis
4 Stunden pro Woche.
Außerdem ist in den Jahrgängen 5 und 6 „Lernen lernen“ als eigenständiges Unterrichtsfach ausgewiesen.
Für Schüler der Jahrgänge 5 bis 7, die vorübergehend nicht am Unterricht teilnehmen können (z. B. Überforderung, Störung), ist ein durch Pädagogen besetzter Trainingsraum eingerichtet worden.
Im Jahrgang 8 werden Schüler zu Streitschlichtern ausgebildet und anschließend
auch aktiv eingesetzt.
Die Schüler können sich im Wahlpflichtbereich 9/10 individuelle Schwerpunkte im
Bereich Arbeitslehre oder Naturwissenschaften setzen. Dabei wird in allen Kursen in
Projektform gearbeitet und somit Theorie und Praxis miteinander verbunden.
Im Rahmen des Programms „13 plus (Schule über Mittag)“ bietet die Schule ein umfangreiches Ganztagsangebot (offene Angebote, Hausaufgabenbetreuung, Bastelgruppen, Jungen- und Mädchenclubs, sportliche Aktivitäten) an. Dabei gibt es für alle
Altersgruppen spezifische Angebote. Der Ganztagsbetrieb wird täglich (auch freitags)
bis mindestens 16 Uhr angeboten.
22
Die Profile der vier Schulen: die Heinrich-Böll-Schule
Berufswahlorientierung und -vorbereitung sind wichtige Bestandteile des Unterrichts ab Klasse 8. Dabei übernimmt das Fach „Arbeitslehre – Wirtschaft“ eine zentrale koordinierende Rolle. Zu den Elementen der Berufswahlorientierung und –
vorbereitung gehören u.a.
-
eine Berufsfindungswoche im Jahrgang 8,
ein dreiwöchiges Betriebspraktikum im Jahrgang 9,
weitere Betriebspraktika im Jahrgang 10
die berufsorientierende Ausrichtung von Wahlpflicht-Kursen in den Jahrgängen 9 und 10 (z. B. „Erzieherische und pflegerische Berufe“, „Bürosoftware“).
Hinzu kommen regelmäßige Beratungsgespräche mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit, BIZ-Besuche und Bewerbungstraining.
Zur Weiterentwicklung und Professionalisierung der Berufswahlorientierung und vorbereitung hat sich die Heinrich-Böll-Schule mit dem Jahrgang 8 des Schuljahres
2005/06 (Jahrgang 9 im Schuljahr 2006/07) am landesweiten Pilotprojekt ABBEO
NRW (Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung) beteiligt.
Der Jahrgang 9 des Schuljahres 2005/06 (Jahrgang 10 des Schuljahres 2006/07)
erhielt aufgrund des besonderen Engagements des Regierungspräsidenten Jürgen
Büssow für Duisburger Hauptschulen („Initiative der Bezirksregierung Düsseldorf zur
Stärkung der Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung“) eine zusätzliche gezielte
Förderung zur Verbesserung der Ausbildungsreife der Schüler(innen).
Das betriebliche Umfeld
Nachdem Thyssen als größter Arbeitgeber in Untermeiderich schon vor Jahren weggefallen ist, sind die Firma Linde (Sauerstoff, Edelgase) und eine Großwäscherei die
einzigen größeren Betriebe. Ansonsten gibt es lediglich Einzelhandelsgeschäfte, die
den täglichen Bedarf abdecken. Daher finden Schüler(innen) nur begrenzt im unmittelbaren Schulumfeld Praktikumsstellen. Sie weichen daher in die angrenzenden
Stadtteile (Mittel- und Obermeiderich, Hamborn, Beeck), z. T. auch in der Nachbarstadt Oberhausen aus.
23
Die Profile der vier Schulen: die Heinrich-Böll-Schule
Umsetzung der Initiative der Bezirksregierung Düsseldorf zur Stärkung der
Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung an der Heinrich-Böll-Schule
Phase 1: Ende des Schuljahres 2004/05 (Jahrgang 8) und 1. Halbjahr Schuljahr
2005/06 (Jahrgang 9)
Alle 93 Schüler(innen) wurden entweder vor den Sommerferien oder unmittelbar danach durch die Agentur für Arbeit getestet. Sie erhielten in Einzelgesprächen in Anwesenheit der Klassenlehrer(innen) ein Feedback zu ihrem Testergebnis.
Aufgrund dieser Testergebnisse wurden bis Ende Dezember 2006 für alle Schüler(innen) individuelle Förderpläne erstellt.
Vom 9. bis 27. Januar 2006 fand für alle ein dreiwöchiges Schülerbetriebspraktikum
statt.
Phase 2: 2. Halbjahr des Schuljahres 2005/06 (Jahrgang 9)
Aufgrund der Zuweisung einer Lehrerstelle konnte im 2. Halbjahr für alle Schüler(innen) ein dreistündiger Förderunterricht in Mathematik oder Deutsch eingerichtet
werden. Die Einteilung in die zehn Gruppen erfolgte durch die Klassenlehrer(innen)
auf der Basis der individuellen Förderpläne.
Am 26. März 2006 fand ein Informationsabend statt, auf dem den Eltern und Schüler(innen) das Projekt und seine Fortsetzung im Jahrgang 10 erläutert wurde.
Ein zweites Schülerbetriebspraktikum fand unter Einbeziehung des Dienstags nach
Pfingsten (Ferientag) vom 6. bis 14. Juni 2006 statt.
Phase 3: 1. Halbjahr des Schuljahres 2006/07 (Jahrgang 10)
Die Neubildung der Klassen zum Beginn des Schuljahres 2006/07 sah folgendermaßen aus:
Klasse 10 A1
„Praktikumsklasse“ – einwöchiges Einführungspraktikum (17. –
24.8.), dann Jahrespraktikum (ein Mal wöchentlich donnerstags)
Klassen 10 A2/A3 „normaler“ Unterricht (5 Tage pro Woche), unterbrochen von
zwei Schülerbetriebspraktika (18. bis 29. September 2006 und 8.
bis 19. Januar 2007)
Klasse 10 B
Unterricht nach der Stundentafel der 10 B, unterbrochen durch
ein dreiwöchiges Schülerbetriebspraktikum (8. bis 26. Januar
2007)
Der zweistündige Förderunterricht in Mathematik und Deutsch wurde auch im 1.
Halbjahr des Schuljahres 2006/07 fortgeführt.
Phase 4: 2. Halbjahr des Schuljahres 2006/07 (Jahrgang 10)
Der Förderunterricht wird auch im 2. Halbjahr 2006/07 fortgeführt.
Die Agentur für Arbeit führte am 14. März 2007 einen abschließenden Test mit den
Schülerinnen und Schülern durch.
24
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Schule Beim Knevelshof
Situation der Schule und des betrieblichen Umfeldes
Die Hauptschule GHS Beim Knevelshof liegt im Duisburger Süden in Wanheim,
gleich in der Nähe der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann. Das Einzugsgebiet der
Schule geht bis Wedau und Hüttenheim. Aus ca. 8 Grundschulen, auch aus dem
weiteren Umfeld, kommen die Schülerinnen und Schüler zu uns.
Das direkte Umfeld der Schule ist zu einem deutlichen Anteil von Arbeitslosigkeit,
sozialen Problemen und verschiedenen Migrationsproblemen gekennzeichnet. Die
Schule wird von Schülerinnen und Schülern aus 22 Herkunftsländern besucht.
Hinsichtlich der Schülerbetriebspraktika ist in räumlicher Nähe ein begrenztes Angebot vorhanden, z. B. im Einzelhandel (v. a. Lebensmittel), Schreinereien, Friseure,
etc.
Viele Jugendliche müssen eine etwas weitere Anfahrt in Kauf nehmen, um ein aus
ihrer Sicht interessantes Praktikum machen zu können. Dies ist manchmal schwierig,
z. B. weil das Geld für die Fahrkarten fehlt, sodass die Entscheidung oft für einen
Nicht-Wunschbetrieb, der eben in der Nähe liegt, oder für einen Betrieb, der gar nicht
ausbildet, fällt.
Für die Schule gilt außerdem, dass durch mehrere Langzeiterkrankte Personal fehlt.
Umsetzung des „Büssow-Projektes“
Ab dem 2. Halbjahr des Schuljahres 2005/2006 wurde das so genannte BüssowProjekt in unserer Schule in die Praxis umgesetzt.
Unter hohem Zeitdruck fielen die Entscheidungen, die immerhin einen kompletten
Schulstundenplan für ca. 300 Schüler beeinflussten und ca. 20 Betriebe und gut 60
Schüler umfassten.
Für die wenigen Wochen, die insgesamt im 2. Halbjahr zur Verfügung standen, hatten wir uns ein rotierendes System überlegt: Damit jeder Schüler wenigstens einmal
3 Tage im Tagespraktikum Erfahrungen sammeln konnte und außerdem an insgesamt 4 Förderkursen in Mathematik, Deutsch und Allgemeinwissen à 3 Unterrichtsstunden (insgesamt 6 Extra-Förderstunden pro Woche) teilnehmen konnte, wurde
die Besetzung der Stellen und der Kurse alle 3 Wochen geändert.
Gefördert wurden Mathematik, Deutsch und Berufsvorbereitung.
Intensiv wurde auf Einstellungstests und Vorstellungsgespräche vorbereitet unter
Verwendung von Rollenspielen und Beispielen aus realen Einstellungstests. Diese
Situationen und Testformate wurden den Schülern bekannt gemacht, damit die konkrete Situation sie nicht überfordert.
Diese Maßnahme möchten wir als sinnvoll und erfolgreich bewerten.
Einige Schüler kamen so gut zurecht, dass sie länger als drei Tage in ihrer Stelle
blieben und Angebote für das dreiwöchige Praktikum in der 10. Klasse und sogar
Ausbildungsplätze in Aussicht gestellt bekamen (drei Fälle).
Im Jahrgang 10 (Schuljahr 2006/2007) fand Folgendes statt:
Alle Schüler durchliefen direkt nach den Herbstferien ihr übliches 3-wöchiges Blockpraktikum. Hierbei sollten weitere gute Praktikumsstellen akquiriert werden. An-
25
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Schule Beim Knevelshof
schließend sollten zunächst alle Schüler jeden Montag ins Tagespraktikum gehen.
Es sollten nur Praktikumsplätze in Betrieben akzeptiert werden, die auch ausbilden.
Dieses Vorhaben erwies sich bei der konkreten Planung als für unsere Schule undurchführbar, da alleine aufgrund von langzeiterkrankten Kolleginnen, die nicht durch
andere Lehrerinnen und Lehrer ersetzt werden, ein entsprechender Stundenplan
nicht aufgestellt werden konnte.
Es gab eine andere Lösung. Die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen bekamen
im weiteren Verlauf wöchentlich drei Stunden Förderunterricht, um sich auf ihr Berufsleben vorzubereiten und z. B. gute Bewerbungen zu schreiben.
Vom 5. – 16. März 2007 haben sie außerdem die Möglichkeit bekommen, ein ExtraPraktikum zu absolvieren, falls dieses Praktikum Aussicht auf Erfolg hat, sprich ein
konkreter Ausbildungsplatz in Aussicht steht. Davon haben 4 Schüler Gebrauch gemacht.
Das Ergebnis: Ein Schüler kann auf einen Ausbildungsplatz als Schreiner hoffen,
weil er sich im Betrieb sehr gut dargestellt hat.
Ein weiterer Schüler kann in einem Alten- und Pflegeheim ein Jahrespraktikum machen (begleitend zur Schule) und, wenn er gut ist, dort in einem Jahr einen Ausbildungsplatz bekommen.
Ein Schüler kommt offenbar für das nächste Jahr in die engere Wahl (Garten- und
Landschaftsbau) für einen Ausbildungsplatz.
26
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Emil-Rentmeister-Schule
Emil-Rentmeister-Schule
Städt. Gemeinschaftshauptschule
Gitschiner Straße 107
47053 Dui sburg
Im gemeinsamen Unterricht
Situation der Schule in der Stadt
Die Emil-Rentmeister-Schule liegt im Duisburger Stadtteil Hochfeld, einem Ortsteil
des Bezirks Innenstadt, der mit 36 % Migranten die zweithöchste Anzahl von Ausländern in der Kombination ethnischer Minderheiten (15 Nationen) aufweist. Etwa
50 % gehören der türkischen, ca. 15 % der ehemaligen jugoslawischen und um
die 12 % der griechischen Staatsangehörigkeit an. Einem Rückgang von 18 % an
deutschen Einwohnern steht eine Zunahme von 29 % ausländischen Einwohnern
in den letzten Jahren gegenüber.
Unsere Schule besuchen 60 % Schülerinnen nicht deutscher Nationalität. Hochfeld ist ein junger „Stadtteil”, insofern der Anteil der Kinder und Jugendlichen, gemessen an der Gesamtstadtteilbevölkerung überdurchschnittlich hoch ist. (Altersdurchschnitt 38 Jahre / 50 % unter 25 Jahren)
Gleichzeitig zählt Hochfeld zu den Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf.
Die wirtschaftliche Strukturschwäche macht ihn zum Ort mit der höchsten Zahl von
Arbeitslosen im erwerbsfähigen Alter in ganz Duisburg.
Dies zeigt Auswirkung in der Sozialstruktur. Ein weit über dem Mittelwert liegender
Anteil von Haushalten mit Wohngeldbezug, eine an zweiter Stelle in Duisburg liegende Anzahl von Haushalten mit Sozialhilfebezug, zeitigen Auswirkungen im
Rahmen sozialer Ausgrenzung, der Zerrüttung familiärer Struktur, Gewalterfahrung
in häuslicher Krisensituation bis hin zur Vernachlässigung/Überforderung elterlicher
Erziehungskompetenz. Beengte Wohnverhältnisse bewirken ein Übriges. Zunehmend weite Teile der dritten und vierten Einwanderungsgeneration verfügen über
unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache und sind nicht unerheblich auch
der eigenen Heimatsprache nicht kundig.
Das betriebliche Umfeld
Das betriebliche Umfeld der Emil-Rentmeister-Schule ist gekennzeichnet durch viele Einzelhandelsgeschäfte, die entlang der „Hauptstraße” des Stadtteils angesiedelt
sind. Ebenso finden sich Niederlassungen der bekannten großen Markenfirmen der
Nahrungsmittelbranche und Drogerieketten. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet
sich ein evangelisches Krankenhaus. Im Umkreis von 4 km zur Schule liegt ein Industriegebiet mit Betrieben der Metall- und Logistikbranche. Zwei Kilometer von der
Schule entfernt liegt die Duisburger Innenstadt mit den bekannten betrieblichen Ansiedelungen einer typischen Ruhrgebietsgroßstadt; zwei Kilometer davon entfernt
liegt der Duisburger Innenhafen.
Die Emil-Rentmeister-Schule arbeitet in überschaubarer Schülerzahl standortnah
im Stadtteil Hochfeld. Unsere Schule versteht sich gemeinwesenorientiert als
Lebensraum, Lern- und Freizeitort. Wir lassen Zeit für soziale Erfahrungen und
eröffnen Lebenserfahrungen über das Klassenzimmer hinaus.
Die Unterrichts- und Erziehungsarbeit zielt gleichermaßen auf individuelle Förde27
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Emil-Rentmeister-Schule
rung und gemeinsames Lernen. Wir akzeptieren und begrüßen die Heterogenität
unserer Schülerinnen unter dem Motto „Es ist normal verschieden zu sein” und versuchen, die Potenziale der Lernenden konstruktiv zu berücksichtigen und zu nutzen.
Im Rahmen des „gemeinsamen Unterrichts” bilden Schülerinnen mit besonderem
Förderbedarf und Regelschüler gemeinsame Klassen. Die Klassen werden im
Team von Sonderschulpädagogen und Regelschullehrern betreut. Im Rahmen
dieser Vielfalt befinden wir uns auf dem Wege zu einer „Inklusiven Schule".
Die Emil-Rentmeister-Schule nimmt Seiteneinsteiger der Jahrgänge 8-10 mit dem
Leitziel auf, dass die Schülerinnen und Schüler einen Sprachstand erreichen, der
sie zu 80 % zu einem Hauptschulabschluss in der Regelklasse befähigt. Die Schule
legt besonderen Wert auf notwendige Schlüsselkompetenzen, fördert Selbständigkeit und Kooperation, achtet auf Konfliktfähigkeit und Toleranz, fördert Zuverlässigkeit und Belastbarkeit.
I n den Klassen 8 10 steht die Berufsorientierung und daraus folgend die
Berufswahl im Zentrum des Förderangebots.
Mit dem Ziel berufsorientierende und -qualifizierende Inhalte zu vermitteln, werden
Profile von Berufsfeldern und Berufen als Basisanforderung der Wirtschaft in Erfahrung gebracht und auf der Folie der eigenen Neigungen, Stärken und Schwächen
im Hinblick auf die Ausbildungsreife systematisch erfasst. Es werden passgenaue
Tages- und Wochenpraktika absolviert.
Um Nähe zur betrieblichen Lern- und Arbeitssituation zu gewährleisten sind Projektgruppen eingerichtet, die mit „Ernstcharakter” schulinterne Aufgaben wahrnehmen: Service - Gerätewartung/Pflege der Außenanlagen des Schulgartens/Renovierung im Gebäude / Essen und Schulkiosk /Netzwerkpflege/ Freizeitund Sozialbetreuung (auch im Stadtteil). Vor dem Hintergrund des gesunkenen
Tauschwertes einfacher Schulabschlüsse bemüht sich die Emil-Rentmeister-Schule
intensiv um Vernetzung mit der Arbeits-Agentur, Betrieben, Berufsschulen und Trägern von Berufsförderungsmaßnahmen. Unsere Schule hat im Februar 2007 im
Rahmen des Hauptschulwettbewerbs einen Preis durch das Ministerium für Schule
für ihr berufsorientiertes Engagement erhalten. In der BUS-Klasse werden benachteiligte Jugendliche gefördert und zum Hauptschulabschluss geführt. Sie leisten an
2 Tagen der Woche ein Praktikum in einem Betrieb, an drei Tagen werden sie in
der Schule unterrichtet.
Mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 ist der Ganztag in den Klassen 5 eingeführt
worden, gemäß dem Landesmotto: "Immer mehr Ideen. Ganztägig lernen."
28
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Emil-Rentmeister-Schule
Umsetzung des „Büssow"-Projekts
1. Gezielte individuelle Förderung schulischen Wissens und sachlogischer
Fähigkeiten in den Fächern Deutsch- Mathematik und Allgemeinwissen
−
−
−
−
Im Portfolio-Konzept vom Klassenlehrer betreut:
differenziert nach 3 Klassen in 5 Anspruchshöhen mit 3 Zusatzstunden pro
Woche
themenbezogen, zeitbegrenzt wechselnd
nach Erfolgserlebnissen ausgewertet und
als Förderplangespräch mit Eltern und Schülern evaluiert.
2. Intensive Trainings- und Informationsmodule zur Stärkung von Berufswahlreife, Berufswahl und Bewerbung um einen Ausbildungsplatz
a) schulintern
− im Erwerb notwendig grundlegender Kompetenz zur Erstellung von Lebenslauf und Bewerbungsschreiben
− ausgiebig betreuter Begleitung zu Auswahl und Durchführung sowie Eignungsauswertung von Tages- und Wochenpraktika
− ausführliche Fürsorge zur Wahrnehmung von Ausbildungsplatzbewerbungen bis hin zur Begleitung in dem in Frage kommenden Betrieb und Rücksprache in den Familien
b) extern
- Besuch des BIZ (Arbeitsagentur) / Besuche von Ausbildungszentren
- Eignungstests (Arbeitsagentur)
- Vorstellung unterschiedlicher Berufsfelder im Rahmen der ABBEO-Dienste
(Frau Kleinkorres)
- Auswertung betrieblicher Bewährungsgutachten, auch mit Fragebögen auf
beiden Seiten
- Social-Trainee-Maßnahmen als Lebensfindungsseminare
- Betriebserkundungen / Partnerschaft mit Betrieben
- Praktika auch außerhalb der Schulzeit
3. Lehrertätigkeit des Projekt-Lehrers
Diese Arbeit bestand insgesamt aus der umfangreichen Koordination aller Aktivitäten als festem Ansprechpartner für Schule und Betrieb/Institution. Bei höchstem
zeitlichem Aufwand für Akquisition, Organisation und Auswertung der Praktika galt
es weiterhin z.B. auch, die regelmäßig wöchentlich wiederkehrende Beratung in der
Runde der Klassenlehrerinnen zu begleiten.
Die Tätigkeit des Abbeo- bzw. Projekt-Lehrers wurde stundenmäßig aufgeteilt auf
die betreffenden Klassenlehrerinnen und eine Kollegin, die erst im letzten Schuljahr
des Projektes an die Schule kam. Diese hatte u. a. die Akquisition von Praktikumsstellen auf dem Hintergrund der individuellen Schülerwünsche zur Aufgabe.
Besonderes Gewicht wurde hierbei auf Praktika bei Handwerksbetrieben gelegt.
Hinzu kamen Besuche bei neuen Praktikumsbetrieben hinsichtlich der Ausbildungsfähigkeit der Betriebe und Ausbildungseignung der Schülerinnen, sowie wöchentlich
29
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die Emil-Rentmeister-Schule
beratende Gespräche mit den Klassenleitungen.
Im letzten Schulhalbjahr wurden zusätzlich zwei Schulstunden pro Woche für die
individuelle Beratung der Schüler/innen in Bezug auf Lehrstellensuche (auch) im
Internet, Hilfe beim Verfassen von Bewerbungsschreiben im Medienzentrum der
Schule und Information zum Übergang zu Berufskollegs angeboten. Die Beratungsstunden hinsichtlich einer „externen”, vom Klassenlehrer unabhängigen, Person
konnten zur Entlastung der Klassenlehrer hilfreich sein, indem die konsequente, individuelle Bearbeitung des Berufswahlpasses erfolgte.
Die Beurteilungsbögen der Praktikumsbetriebe waren in Gesprächen mit den Schüler/innen aufzuarbeiten und eine Zukunftsanalyse zu erstellen.
Besondere Aufmerksamkeit musste der entstehenden Kooperation mit einem naheliegenden Industriebetrieb gewidmet werden, der unserer Schule die Möglichkeit
bevorzugter Praktikumsplätze anbot.
Im Rahmen des ABBEO-Projekts wurde der Bewertungsbogen der Praktikumsbetriebe statistisch ausgewertet, um Konsequenzen für weitere Praktika und schulinterne Maßnahmen zur Verbesserung von Berufswahlreife und - Orientierung zu
ziehen. Zum Schluss des Projektes wurden die Schülerinnen anonym befragt und
die Befragung ausgewertet sowie Schüleräußerungen und Lehrermeinungen zum
Projekt analysiert.
30
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die GHS Wiesbadener Straße
Situation der Schule und des betrieblichen Umfelds
Die Hauptschule Wiesbadener Straße liegt in einem durch große Verkehrswege begrenzten Gebiet im Nordosten Duisburg-Meiderichs an der Stadtgrenze zu Oberhausen.
In diesem Stadtteil „Hagenshof“ wohnen 2 große Bevölkerungsgruppen: zum einen
eine ca. 60 % ausmachende Gruppe von deutschen Bürgern, die hier geboren und
aufgewachsen sind und die im Allgemeinen als „bildungsfern“ zu kennzeichnen ist.
Dies bedeutet häufig geringe Unterstützung der eigenen Kinder bei der schulischen
Bildung und bei der Orientierung hinsichtlich möglicher Ausbildungsgänge nach der
Hauptschule. Damit ist vielfach auch verbunden eine sehr geringe Ausformung der
für Schule und Beruf notwendigen Basisqualifikationen wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Genauigkeit etc. - sowohl bei Erziehungsberechtigten als auch Schülerinnen
und Schüler. Ein weiteres Merkmal dieser Gruppe ist eine starke Arbeitslosigkeit – z.
T. über längere Zeit - mit den einschlägig bekannten und wie oben ausschnittweise
schon angesprochenen Konsequenzen.
Die zweite starke Bevölkerungsgruppe bilden vor allem seit Mitte der 90er Jahre zugezogene Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion, die sich zum Teil sehr schwer tun mit der Lebensplanung und Gestaltung, sowohl bei den Eltern – als auch in der nachwachsenden Generation. Dies
erklärt sich natürlich aus sprachlichen Defiziten, aber eben auch mit Defiziten im Verständnis der deutschen Gesellschaft in ihrer ganzen Differenziertheit, in der Bedeutung der Eigeninitiative für die schulische und berufliche Perspektivplanung und in
der Kenntnis des deutschen Schul- und Ausbildungssystems, um nur einige Aspekte
zu nennen.
Vor diesem Hintergrund kommt der schulischen Integrations- und Erziehungsarbeit
große Bedeutung zu, insbesondere eben auch im Bereich Übergang Schule – Beruf.
Hier muss die Schule Leistungen erbringen, die weit über eine reine Informationsvermittlung hinausgehen, die vielmehr die Schülerinnen und Schüler an die Hand
nehmen muss, um die vielfältigen Prozesse der Berufswahl zu initiieren, durchzuführen, zu begleiten, längerfristig im Auge zu behalten, auch zu „überwachen“ und die
Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung, Ausformung, Einübung und vor allem
der Nachhaltigkeit bei den Basiskompetenzen immer wieder zu fordern und zu stützen.
Zusammenfassend gesagt, befindet sich die Hauptschule Wiesbadener Straße in
einer nicht nur regionalen Insellage, vielmehr kann man auch von einer mentalen
Insellage sprechen, die durch eigene soziale und sprachliche Strukturen gekennzeichnet ist, in der nur sehr bedingt die für Schule und Beruf wichtigen Kompetenzen
Unterstützung finden.
Innerhalb der "mentalen Insel“ hat man gute Überlebensstrategien entwickelt, die
aber auf die "Außenwelt“ nicht unbedingt übertragbar sind. Das führt in letzter Konsequenz zu häufig uneingestandenen Berührungsängsten. Man neigt dazu, sich
künstliche Barrieren aufzubauen, um „seine Insel“ nicht verlassen zu müssen – auch
bei der Berufswahl.
Dies bedeutet für die GHS Wiesbadener Str. ein hohes Maß an kontinuierlicher Erziehungsarbeit, die von den Lehrerinnen und Lehrern zu leisten ist.
31
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die GHS Wiesbadener Straße
Betriebliches Umfeld und Praktikumswahl
Das unmittelbare betriebliche Umfeld der GHS Wiesbadener Straße lässt sich wie
folgt beschreiben:
1.)
Gewerbegebiet Obermeiderich (unmittelbar in der Nähe der Schule)
Verschiedene Autohäuser mit den einschlägigen Berufsbildern (zunehmend
werden nur Schülerinnen und Schüler von anderen Schulformen mit mindestens FOR-Abschluss genommen)
Metallbaubetriebe (keine Ausbildung)
Einzelhandelsgeschäfte verschiedener Ketten mit zentraler Ausbildungsplatzvergabe
2.) Zentrum Meiderich (Entfernung 3-5 km)
Einzelhandelsgeschäfte mit zentraler Ausbildungsplatzvergabe
Handwerksbetriebe ( Maler / Lackierer, Metallbau, Installationsfirmen ) mit und
ohne Ausbildungsplatzangeboten, jeweils Ausbildungsplatzvergabe durch Betrieb.
3.) Gewerbegebiet Neumühl (Entfernung 3-5 km)
Verschiedene Autohäuser s.o.
Handwerksbetriebe (Metallbau, Installation, Baugewerbe, Friseure, Maler / Lackierer) mit und ohne Ausbildungsplatzangeboten und Ausbildungsplatzvergabe durch den jeweiligen Betrieb
Einzelhandelsgeschäfte verschiedener Ketten mit zentraler Ausbildungsplatzvergabe
4.) Darüber hinaus kommen im Umkreis von ganz Duisburg Ausbildungsplätze in
Frage.
Das zuvor beschriebene wirtschaftliche Umfeld spiegelt sich unmittelbar in der Branchenstruktur der Praktikumsbetriebe wider. Der Einzelhandel stellt den größten Teil
der Praktikumsplätze zur Verfügung, dicht gefolgt von regionalen Handwerksbetrieben. Auffallend ist der sehr geringe Anteil der Industrie. Nur drei Praktikanten fanden
den Weg zur Stahlindustrie, für deren flächendeckende Präsenz Duisburg einst berühmt war.
Es konnte beobachtet werden, dass von der Seite der Schülerinnen und Schüler her
zunächst Ausbildungsplätze im unmittelbaren und näheren Umfeld der Schule angestrebt werden und die Blickrichtung auf weiter entfernte Angebote von außen (Arbeitsagentur, Schule) geweckt und verfolgt werden muss.
32
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die GHS Wiesbadener Straße
Tagespraktikum der GHS Wiesbadener Straße in den Klassen 9 und 10
Schuljahr 2006/2007
24 Praktikanten
Handwerk
Einzelhandel
Industrie
Dienstleistungen
Medizinisch-Sozialer Bereich
14 Praktikanten
6 Praktikanten
33 Praktikanten
3 Praktikanten
Verteilung der Praktikumsplätze nach Branchen
Tagespraktikum der GHS Wiesbadener Straße in den Klassen 9 und 10
Schuljahr 2006/2007
Mittelmeiderich
Obermeiderich
9 Praktikanten
4 Praktikanten
Neumühl
15 Praktikanten
Beek
Hamborn/Marxloh
Sonstige DU
Sonstige
14 Praktikanten
20 Praktikanten
4 Praktikanten
14 Praktikanten
Verteilung der Praktikumsplätze nach Stadtteilen
33
Die Profile der vier beteiligten Schulen –
die GHS Wiesbadener Straße
Umsetzung des "Büssow-Projektes"
4- Säulen-Modell
Praktikum
Betreuung
Förderunterricht
Lebensplanung
● Tagespraktikum jeweils dienstags
● durch Betreuungslehrer
● Lebensplanungsseminar
● Bewerbertraining
● Rechtskundeunterricht
● Betreuung strukturiert durch:
- Praktikumsberichte
- Selbstbeurteilungsbogen
- Firmenbeurteilungsbogen
● Regelmäßige Praktikumsreflexionsgespräche
mit den Schwerpunkten
- Eignung
- Voraussetzungen
- Leistungen
- Basiskompetenzen
● Insgesamt 5 Stunden
- Mathematik (2)
- Deutsch (2)
- Allgemeinwissen (1)
● Inhalte orientiert an:
● Abschließende Reflexion in
Klassenaufsatz
● Unterstützung bei/durch
- Praktikumsberichterstellung
- Bewerbungsschreiben und
Lebenslaufproduktion
- Berufsberatungsgespräche
- Elterngespräche
● Schulische Begleitung der
von ABBEO organisierten Veranstaltungen zum Kennenlernen unterschiedlicher Berufsfelder
● intensive ständige Rückkopplung von Bewerbungsbemühungen
● Vorlauf durch 5-tägiges Einführungspraktikum
- festgestellten Defiziten
- zu erwartenden Anforderungen
- projektspezifischen Aufgaben
● Material
- selbst produziert bzw.
- aus Berufshilfeprojekten
● Gruppenbildung
- vier leistungsheterogene Gruppen
- eine Seiteneinsteiger – Gruppe
mit Schwerpunkt Deutsch
● Praktikumsplätze durch
- Schule
- Eigeninitiative
- Unterstützung Unternehmerhaus
34
Berufswahlorientierung an der GHS Wiesbadener Str. (Übersicht)
8. Schuljahr
Berufswahl
Berufe kennen lernen
Einführung eines Portfolios „Mein Weg in die
Arbeitswelt“ *
Berufsfindungswoche
(2 Seminartage, 2 Betriebsbesichtigungen, Besuch im BIZ)
getrennt nach Geschlechtern, in Zusammenarbeit
mit der Regionalstelle
„Frau & Beruf“
Betriebsbesichtigungen
im Metall- und Baugewerbe*
„Berufeparcours“ – Testen der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten
Erste Entwürfe von Lebensläufen
9. Schuljahr
10. Schulj. (1.HJ)
10. Schulj. (2.HJ)
Berufswahl
Berufswahl
Berufswahl
Berufe erkunden
Sich bewerben
Perspektiven festigen
Betriebspraktikum
Sowohl im 9. als auch im 10. Schuljahr eine Woche Blockpraktikum vor den Herbstferien
danach bis Schuljahresende als Tagespraktikum jeden Dienstag
mit detaillierter Beurteilung durch den Praktikumsbetrieb*
Expertengespräche in der Schule*
- Bahn & Häfen
- Logistik
- etc.
Betriebsbesichtigungen*
Bewerbungsmappen mit Lebenslauf, Anschreiben
und Anlagen vorbereiten*
2. BIZ - Besuch
Kompetenzcheck
in Zusammenarbeit mit der GfB
zur Festigung der eigenen Vorstellungen
von Zielen und Chancen
Berufsberaterin der Arbeitsagentur spricht mit
jedem Schüler / jeder
Schülerin in der Schule
Bewerbungen abschicken,
sich auf Einstellungstests und Vorstellungsgespräche vorbereiten
3-tägige Klassenfahrt
mit dem Seminarthema
„meine Zukunft“*
Anmeldung zu weiterführenden Schulen
- Berufskollegs
- Gesamtschule
35
Berufswahlorientierung an der GHS Wiesbadener Str. (Übersicht)
Unterricht
Unterricht
Klassenfahrt im Rahmen
der Suchtprophylaxe unter Einbeziehung relevanter Themen zur Berufswahlorientierung (eigene
Kompetenzen besser
kennen lernen, u.ä.)
2-tägiges Lebensplanungsseminar*
Lernstandserhebungen in
den Hauptfächern
Unterricht
Unterricht
Förderunterricht*
Sowohl im 9. als auch im 10. Schuljahr pro Woche 6 Stunden
(2 Std. Mathe, 2 Std. Deutsch, 2 Std. Allgemeinwissen)
Der Inhalt des Förderunterrichts ist ausgerichtet auf die Anforderungen bei Einstellungstests.
Wahlpflichtunterricht
im Fach AW mit dem Thema „sich richtig bewerben“ zur Vertiefung des allgemeinen AW-Unterrichts
Abschlussprüfung
* Die kursiv und fett gesetzten Elemente sind aufgrund des Projekts neu eingeführte Bausteine
36
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Erfahrungen machen und weitergeben
In allen Schulen haben Schülerinnen und Schüler noch einmal darüber nachgedacht,
was ihnen die Arbeit im Projekt eigentlich gebracht hat. Es ist interessant festzustellen, wie sich die Jugendlichen selbst sehen. Hinter der Freude über die endlich gefundene Ausbildungsstelle, der Freude über die Aussicht, in ein befriedigendes Arbeitsleben einzutreten, steht oft auch der berechtigte Stolz auf das, was sie im Praktikum geleistet und erfahren haben.
Darüber hinaus wurden an den Schulen auch Fragebögen eingesetzt, die zentrale
Ansätze und Aspekte im Zusammenhang mit dem Projekt beleuchten und Rückmeldungen aus Schülersicht ermöglichen sollten.
Auch die Ergebnisse aus diesen Befragungen waren und sind für die Lehrerinnen
und Lehrer im Projekt Anlässe, über die Nachhaltigkeit der Wirkungen des Projekts
weiter nachzudenken und Erfahrungen aus dem Projekt an die jetzt folgenden Jahrgänge weiterzugeben und in die dauernde schulische Arbeit einzufügen.19
Erfahrungen von Schüler/innen der Emil-Rentmeister-Schule
Um die Effektivität der Berufswahlorientierung durch das ABBEO-Projekt zu untermauern, wurde im März 2007 bei den Schülerinnen und Schülern der beteiligten
Klassen 10 eine anonyme Umfrage durchgeführt.
Bei der Frage, ob sich die Teilnahme am Büssow-Projekt/ ABBEO-Projekt für die
Schülerinnen gelohnt hätte, antworteten 50 % der Befragten zustimmend.
Besonders die Praktika haben den Schülerinnen und Schülern bei ihrer Berufswahl geholfen. Über 90% der Befragten fanden die Praktika wichtig für
ihren Einblick in den beruflichen Alltag.
-„Ich habe in den Praktika Erfahrungen gesammelt und ich weiß jetzt wie man mit
Kunden umzugehen hat. ...... Mir haben die Praktika auch gebracht, dass ich mehr
Verantwortung tragen muss. Es ist sehr wichtig, wenn ich immer pünktlich und zuverlässig bin und ich Teamfähigkeit besitze. Die Praktika haben mich...auch im Berufsleben und in der Schule weiter gebracht. Ich weiß jetzt, was ich werden will, bevor ich
die Praktika gemacht habe, wusste ich nicht so genau, was ich werden wollte, ...Ich
weiß jetzt, dass ich alleine für mein Berufsbild verantwortlich bin.“
-„Die Praktika haben mir gezeigt, wie anstrengend die Arbeit sein kann und wie
hektisch es in einer Firma sei kann."
- ,.Die Praktika waren alle sehr nützlich.... Die letzten beiden Praktika waren ziemlich
anstrengend, weil man noch nicht so gewohnt ist, an Arbeitstagen voll da zu sein.
Man konnte auch lernen, selbst verantwortlich zu sein für was man selbständig zu
arbeiten hat, mit Erwachsenen umzugehen...man sieht die Welt mit anderen Augen.
19
Vgl. z.B. die Übersicht zur Berufswahlorientierung an der GHS Wiesbadener Straße auf den beiden vorigen Seiten
37
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Irgendwie freut man sich, neu anzufangen mit arbeiten, aber diesen Schritt zu tun ist
für die meisten schwieriger."
Auch die Beurteilungen durch die Praktikumsbetriebe hinsichtlich der
Leistungen der Schülerinnen zeigen zu 84% eine positive Resonanz.
Besonders wirkungsvoll war für die SchülerInnen das Lebensfindungsseminar.
So haben 72 % angegeben, dass die Teilnahme am Seminar für sie eine hilfreiche Komponente für ihre persönliche Entwicklung darstellt.
„Die Lebensfindungsseminare haben mir sehr geholfen für meine zukünftige Arbeitsstelle. Dort habe ich gelernt, dass Teamarbeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit sehr
wichtig für Berufe sind.”
...."was mir dabei geholfen hat, waren die Übungen zum Vorstellungsgespräch, das
war sehr gut, da es mir mehr Selbstvertrauen eingebracht hat."
Die durch das ABBEO-Projekt ermöglichten zusätzlichen Förderstunden in Mathematik, Deutsch und Allgemeinwissen wurden von 60 % der Befragten als positive
Komponente zur Steigerung ihrer Leistungsnoten gesehen.
Zusammengefasst ist positiv zu vermerken, dass sich unsere Schülerinnen nicht
als minderwertige Anwärter im Vergleich zu Realschülern oder Gymnasiasten
sehen. 66,7 % gaben an, dass die Aussage nicht stimme, sie bekämen als
Hauptschüler sowieso keinen Ausbildungsplatz. Sicherlich trägt die Tatsache,
dass fast alle in den Praktika erfolgreich waren, zu dieser Einschätzung bei.
Fit für einen Ausbildungsplatz fühlen sich 83,3 % unserer Schülerinnen.
52,8 % der Befragten geben einerseits an, den Wert einer Ausbildung erkannt zu
haben; andererseits meinen 30 %, Geldverdienen sei wichtiger als eine Ausbildung
Von unseren Schülerinnen haben z. Z. 41,6 % einen Nebenjob. wobei mehr Jungen als Mädchen nebenbei Geld verdienen.
Die Berufswahlentscheidung findet zu einem großen Teil nicht durch Mithilfe der
Lehrer, der Familie (66 % sagen, die Familie spielt keine Rolle) oder des Arbeitsamtes statt.
Mobilität steht im Rahmen einer Lehrstelle hoch im Kurs; 70 % geben an, sie würden
für eine Ausbildung auch über Duisburg hinaus fahren.
Drei Monate vor Schulschluss haben 70 % unserer Schülerinnen und Schüler Bewerbungen abgeschickt.
Die Schülerinnen schreiben dazu:
„Ich habe nur sechs Bewerbungen geschrieben und versendet, davon bekam ich vier
zurück, drei Absagen und eine Einladung zum Einstellungstest, welchen ich nicht
bestand. Er war schließlich auch sehr schwer. Ich habe sechs Bewerbungen geschrieben, weil meine Lehrerin, mein Rektor und die Berufsberaterin es so wollten,
obwohl ich ihnen mein Desinteresse erklärte. Ich möchte noch keine Ausbildung
machen, weil ich mich weiterbilden und einen hochwertigen Beruf erlernen möchte.“
38
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Interessanterweise möchten 70 % durch den Besuch eines Berufskollegs bzw.
einer gymnasialen Oberstufe einen höheren Schulabschluss erlangen. Sie verschieben damit oft genug eine verantwortend anstehende Entscheidung durch
Aufnehmen einer „Warteschleife” in die Zukunft. „Behütetsein” und Beharren in
gewohnten Bahnen wird einer vermeintlich Kraft fordernden, anstrengenden Berufstätigkeit vorgezogen. Die vorhandene Umsetzung der Berufswahlreife wird so
relativiert auf eine vorgeblich bessere Zukunft.
Auf den folgenden Seiten folgen Ergebnisse von entsprechenden Befragungen als
Anlagen 1-3.
Interessant ist hierbei natürlich auch die Beurteilung von Basiskompetenzen durch
die Praktikumsbetriebe, die den Schülerinnen und Schülern ein überwiegend positives Verhalten und guten Einsatz bescheinigen. In allen Punkten sind immer mindestens zwei Drittel der Bewertungen hier sehr gut und gut!
(Dies spiegelt sich auch in den weiter unten für alle Schulen dargestellten Ergebnissen ab Seite 58.)
39
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Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Anhang 1
ABBEO Abschlussbefragung Emil-Rentmeister-Schule
100%
80%
60%
40%
Ablehnung in %
Egal in %
Zustimung in %
20%
0%
40
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Anhang 2
Emil-Rentmeister-Schule Duisburg; Auswertung Abbeo-Fragebogen Klassen 10 Abschluss des Projekts
Anzahl der Befragten: 36 SchülerInnen / 61 % 16 Jahre und älter
Zustimmung in % Egal in % Ablehnung in %
Die Teilnahme am Büssow -Projekt hat sich für mich gelohnt
Der Berufswahlpass hat mir beim Finden eines geeigneten Ausbildungsplatzes geholfen.
Die Praktika von Klasse 9-10 fand ich wichtig für den Einblick in den beruflichen Alltag.
Die Teilnahme am Lebensfindungsseminar war hilfreich für meine persönliche Entwicklung.
Der Beurteilungsbogen vom Betrieb ergab gute Informationen über meine Fähigkeiten.
Die zusätzlichen Förderstunden in Deutsch, Mathematik und Allgemeinwissen haben meine Leistungsnoten verbessert.
Ich habe mich schon beworben.
Auf mein Bewerbungsschreiben erwarte ich eine positive Antwort
Meine Eltern finden, dass vor allem die Schule für meine Berufswahl verantwortlich ist.
Mein Ausbildungsplatz muss auf jeden Fall nahe Duisburg sein.
Die Berufsberatung durch die Arbeitsagentur hat meine Entscheidung beeinflusst.
Die Lehrer haben für meine Berufswahl eine wesentliche Rolle gespielt.
Bei meiner Ausbildungsplatzsuche höre ich auf den Rat der Familie.
Durch den Besuch eines Berufskollegs/ einer gymnasialen Oberstufe möchte ich einen höheren Schulabschluss erlagen.
Als Hauptschüler bekomme ich in Konkurrenz zu Realschüler und Gymnasiasten sowieso keinen Ausbildungsplatz.
Ich fühle mich auf jeden Fall fit für einen Ausbildungsplatz
Ausbildungsplätze gibt es sowieso zu wenig. Geldverdienen ist mir wichtiger.
Geld verdiene ich auch schon während der Schulzeit in einem Nebenjob.
50
22,3
91,7
52,2
83,3
61,1
8,3
13,9
0
0
2,8
8,3
41,6
63,9
8,3
27,7
11,9
30,5
70,6
60
27,2
30,5
41,6
33,4
27
69,5
0
11,4
8,3
0
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69,4
47,3
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67,5
30,5
22,2
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41,6
11,1
2
8
16,7
66,7
13,9
52,8
58,3
41
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Anlage 3: Bewertung durch die Prakitikumsbetriebe
Emil-Rentmeister-Schule Duisburg Praktikumsauswertung 06/07 2. Halbjahr
100%
90%
80%
70%
60%
nicht gut
befriedigend
gut
sehr gut
50%
40%
30%
20%
10%
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42
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Ergebnisse aus der Heinrich-Böll-Schule
Auch den Schüler/innen wurde ein Fragebogen, der in den Grundzügen von der
Emil-Rentmeister-Schule übernommen worden ist, vorgelegt.
Er wurde von 64 Schüler(innen) des Jahrgangs 10 ausgefüllt und anschließend von
vier Schülerinnen zusammen mit der Schulleitung quantitativ ausgewertet.
Die häufigsten Nennungen wurden grau schraffiert. Dunkelgrau hinterlegt sind Felder, wenn 50 % oder mehr der Nennungen dort abgegeben worden sind.
Die Auswertung ist auf der nächsten Seite abgedruckt.
43
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Auswertung der Fragebögen Klassen 10 im Schuljahr 2006/07
(Die Befragung an der Heinrich-Böll-Schule erfolgte zwischen dem 16. und 22.03.2007)
Gesamtauswertung (m u. w.) Alter:15 J./3 Sch. – 16 J./30 Sch. – 17 J./27 Sch. – 18 J./4 Sch.
Im Rahmen der Berufswahl hast du an dem vom Regierungspräsidenten Jürgen Büssow
initiierten Projekt teilgenommen. Ziel war es, dich für deine Berufswahl fit zu machen.
Ist das geglückt? Bitte kreuze an:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
Die Teilnahme am Büssow-Projekt hat sich für
mich gelohnt
Der Berufswahlpass hat mir beim Finden eines geeigneten Ausbildungsplatzes geholfen.
Die Praktika von Klasse 9-10 fand ich wichtig
für den Einblick in den beruflichen Alltag.
Die Teilnahme am Lebensfindungsseminar
war hilfreich für meine persönliche Entwicklung. (*Seminar hat an HBS nicht stattgefunden.)
Der Beurteilungsbogen vom Betrieb ergab
gute Informationen über meine Fähigkeiten.
Die zusätzlichen Förderstunden in Deutsch
und Mathematik haben meine Leistungsnoten
verbessert.
Ich habe mich schon beworben.
Auf mein Bewerbungsschreiben erwarte ich
eine positive Antwort
Meine Eltern finden, dass vor allem die Schule für meine Berufswahl verantwortlich ist.
Mein Ausbildungsplatz muss auf jeden Fall
nahe Duisburg sein.
Die Berufsberatung durch die Arbeitsagentur
hat meine Entscheidung beeinflusst.
Die Lehrer haben für meine Berufswahl eine
wesentliche Rolle gespielt.
Bei meiner Ausbildungsplatzsuche höre ich
auf den Rat der Familie.
Durch den Besuch eines Berufskollegs/ einer
gymnasialen Oberstufe möchte ich einen höheren Schulabschluss erlagen.
Als Hauptschüler bekomme ich in Konkurrenz
zu Realschülern und Gymnasiasten sowieso
keinen Ausbildungsplatz.
Ich fühle mich auf jeden Fall fit für einen Ausbildungsplatz
Ausbildungsplätze gibt es sowieso zu wenig.
Geldverdienen ist mir wichtiger.
Geld verdiene ich auch schon während der
Schulzeit in einem Nebenjob.
Stimmt
100 %
Stimmt
Stimmt
wenig
0
32
5
10
Stimmt
überhaupt
nicht
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3
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40
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3
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12
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2
6
6
17
20
2
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6
24
20
8
11
8
12
25
6
14
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18
10
13
8
10
17
6
16
4
20
14
22
16
4
6
15
8
15
3
18
17
35
15
3
3
8
7
17
7
23
7
14
13
1
7
28
44
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Schüler/innen der GHS Wiesbadener Straße
M. O., Klasse 10B
Ich habe mein Praktikum bei der Firma Elektro Paul Düppe in Duisburg - Stadtmitte
gemacht.
Ich habe gelernt, wie man Steckdosen anschließt, wie man Motoren reinigt und wie
man überprüft, ob sie noch heile sind.
Das Praktikum hat keine besondere Belastung für mich dargestellt, weil es mir sehr
viel Spaß gemacht hat, ich mit den Leuten gut zu Recht gekommen bin und die Arbeit mir sehr gefällt. Ein Bekannter hat mir die Praktikumsstelle besorgt. Weil ich gut
beim Praktikum war, habe ich auch in dieser Firma einen Ausbildungsplatz als Elektroniker für Haus- und Gebäudetechnik bekommen. Darüber bin ich sehr glücklich.
In der Schule haben wir zusätzlichen Förderunterricht bekommen. Das finde ich in
Ordnung, weil man da Sachen lernt, die für den richtigen Unterricht und das spätere
Berufsleben sehr hilfreich sein können. Der Förderunterricht war somit eigentlich
auch keine große Belastung für mich, außer dass man jeden Tag um 7.30 Uhr in der
Schule sein muss und um 14.20 Uhr erst wieder zuhause ist.
Auch das Bewerbungstraining bei Herrn Hanschmidt war sehr sinnvoll. Wir haben
gelernt, wie man Bewerbungen schreibt, wie man sich bei Bewerbungsgesprächen
verhält und wie man in Teamarbeit schwierige Aufgaben lösen kann.
Außerdem hatten wir die Möglichkeit verschiedene Betriebe zu besichtigen. Wir waren unter anderem bei DK Recycling und uns wurde gezeigt, wie man Stahl macht.
Wir waren außerdem im BIZ (Berufsinformationszentrum) und haben am Computer
die Berufe raus gesucht, die unseren Interessen entsprechen.
Eine weitere Hilfe bei der Interessenfindung war Frau Hansen vom Arbeitsamt. Sie
hat mit uns Gespräche geführt und uns Post zugeschickt mit verschiedenen Ausbildungsangeboten, die unseren Interessen entsprechen.
Insgesamt fand ich die Hilfen, die durch das Büssow-Projekt gegeben wurden, sehr
hilfreich und sinnvoll.
R. W., Klasse 10B
Ich bin fünfzehn Jahre alt, komme aus Polen und lebe seit fast zwei Jahren in
Deutschland. Ich mache mein Praktikum bei der Maurerfirma M. Wehr in Duisburg Hochfeld. Herr Heitzer, ein Lehrer unserer Schule, hat mir geholfen die Praktikumsstelle zu finden.
Wir fahren immer zur Baustelle, legen dort Fliesen, fugen die Wände und reparieren
alles was anfällt. Die Arbeit ist sehr schwer. Wir arbeiten die ganze Zeit ohne zu
sprechen; nur wenn Pause ist, unterhalten wir uns. Trotzdem macht mir die Arbeit
auch etwas Spaß.
Mein Berufswunsch ist Zahnarzttechniker. Dazu habe ich viele Sendungen im Fernsehen gesehen.
Insgesamt habe ich zwei Bewerbungen verschickt, eine an ThyssenKrupp als Elektroniker und eine zu einem Zahnarzt. Da ich bisher noch keine Rückmeldung bekommen habe und keine passende Berufsschule gefunden habe, habe ich beschlossen,
die Klasse 10B noch einmal zu wiederholen. So habe ich die Möglichkeit, eine bessere Qualifikation zu bekommen, so dass ich später bessere Chancen habe, eine
Berufsschule oder einen Ausbildungsplatz zu finden.
45
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Im Förderunterricht habe ich viel gelernt. Er hat mir bei der Interessenfindung für
meinen Beruf geholfen und ich finde das gut.
Beim Bewerbertraining im Bürgerhaus hatte ich viel Spaß. In der Gruppe sollten wir
verschiedene Aufgaben lösen, beispielsweise ein volles Glas Wasser auf eine Plane
stellen, und diese durch alle Räume tragen, ohne dass das Glas umkippt.
Auch die Übung mit dem Telefon war sinnvoll. Ich sollte bei einem Betrieb anrufen
und fragen, ob ich eine Praktikumsstelle bekomme. Erst wollte ich nicht mitmachen,
weil ich Angst bekommen habe, weil ich nicht so gut deutsch konnte. Doch dann habe ich es trotzdem versucht und es war gar nicht so schlecht. Es hat Spaß gemacht
und mir die Angst genommen.
An Informationsveranstaltungen und Betriebsbesichtigungen konnte ich leider nicht
teilnehmen, weil ich in kurzer Zeit oft innerhalb Duisburgs umgezogen bin. Trotzdem
finde ich die Möglichkeiten, die mir durch das Büssow-Projekt gegeben wurden, sehr
gut, auch wenn der Förderunterricht, meiner Meinung nach, viel Zeit in Anspruch genommen hat.
S. K., Klasse 10 A
Ich habe bei Kodi in Duisburg-Neumühl mein Betriebspraktikum als Einzelhandelskauffrau gemacht. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, den Kunden das Sortiment zu
erklären. Ich habe mich bei Kodi beworben und wurde dann auch zu einem Einstellungstest eingeladen. Leider bin ich nicht eingestellt worden, weil ich mich im Fachbereich Geschichte nicht so gut vorbereitet hatte. Meine Mitarbeiterinnen fanden es
schade, dass ich durchgefallen bin. Sie waren bis jetzt sehr zufrieden mit mir, weil ich
hilfsbereit, zuverlässig, freundlich und vor allem pünktlich bin. Außerdem pflege ich
ihrer Meinung nach einen guten Kundenkontakt. Ich selber bin auch sehr enttäuscht
darüber, dass ich den Ausbildungsplatz nicht bekommen habe, weil ich gerne Einzelhandelskauffrau geworden wäre. Ich werde nach der zehnten Klasse nun die
Handelsschule besuchen, an der ich bereits angenommen wurde.
Den Förderunterricht in der Schule finde ich sehr sinnvoll, weil wir durch die zusätzlichen Unterrichtsstunden unsere Noten verbessern konnten und Übungen für Einstellungstests gemacht haben. Allerdings finde ich, dass die Arbeitsbelastung durch das
Praktikum jeden Dienstag und den zusätzlichen Förderunterricht sehr groß ist. Ich
finde es zwar in Ordnung, dass wir mehr Förderunterricht haben, aber ich denke,
nach einer Zeit wird es zu viel für uns Schüler.
Eine Hilfe waren für mich das Bewerbertraining bei Herrn Hanschmidt und die Beratung durch meinen Klassenlehrer, Herrn Heitzer. Das Bewerbungstraining, in dem
zum Beispiel ein Vorstellungsgespräch geübt wurde, hat mir sehr gut gefallen. Herr
Hanschmidt hat uns dabei immer wieder erklärt, wie wir es besser machen könnten,
was sich für mich echt gelohnt hat.
Mein Klassenlehrer Herr Heitzer gibt uns viele Betriebsadressen, bei denen wir uns
bewerben können. Er überlegt mit uns zusammen, welche Berufe zu uns passen
würden. Er macht sich, genau wie meine Familie und meine Mitarbeiterinnen, viele
Gedanken darüber, was zu mir passen könnte.
Ich finde es schön, dass viele Menschen, auch aus der Schule, uns Schüler beim
Finden von Ausbildungsplätzen unterstützen und uns beim Planen unseres späteren
Lebens helfen.
46
Erfahrungsberichte und Befragungen von Schüler/innen
Schüler der Hauptschule Beim Knevelshof
Zwei Schüler aus der 10A haben ihre Erfahrungen aufgeschrieben:
C. B., Klasse 10 A (Garten- und Landschaftsbau)
Das Extra-Praktikum im „Büssow-Projekt“ hat mir neue Eindrücke von einem Berufszweig gegeben, den ich gerne einschlagen würde. Ich war in demselben Betrieb, in
dem ich schon einmal ein Praktikum hatte. Es war ein Betrieb im Garten- und Landschaftsbau. In diesem Praktikum hatte ich mehr mit Pflanzen und Gartenpflege zu
tun und bin beeindruckt, wie vielseitig dieser Beruf ist, denn im letzten Praktikum
musste ich mehr bei Pflasterarbeiten aushelfen. Durch das zweite Praktikum habe
ich gemerkt, dass mir der Bereich Garten und Pflege mehr Freude bereitet als Pflasterarbeiten.
Leider konnte die Firma mich nicht einstellen, aber im nächsten Jahr habe ich gute
Chancen, in der Firma eingestellt zu werden, da sie mich jetzt besser kennen.
Die Praktika haben mich in meinem Berufswunsch bestärkt.
M. W., Klasse 10A (Stahlindustrie: Hüttenwerke Krupp Mannesmann)
Ich habe am „Büssow-Projekt“ teilgenommen, wir hatten viel mehr Förderunterricht
als normalerweise und konnten uns dadurch besser auf Einstellungstests vorbereiten. Besonders wichtig für mich war es, dass wir viel Mathe geübt haben, vor allem
die Formeln.
Ich war bei den zehn Schülern, die bei HKM (Hüttenwerke Krupp Mannesmann) den
Einstellungstest gemacht haben und ich habe bestanden.
In der Schule wurden wir mit Rollenspielen und Gruppenarbeiten auf Vorstellungsgespräche vorbereitet. Dies hat mir im Vorstellungsgespräch bei HKM geholfen und ich
habe einen Ausbildungsplatz bekommen.
Jetzt fange ich im August eine Ausbildung als Industriemechaniker bei HKM an.
Ich freue mich sehr, dass ich diesen Ausbildungsplatz bekommen habe.
47
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Erfahrungsberichte aus der Heinrich Böll-Schule Berichte von Lehrerinnen, die am Projekt beteiligt waren
Frau Schwarz, Klassenlehrerin 10 A 1 (Praktikumsklasse)
Will man die Auswirkungen des Projekts auf den Unterricht beschreiben, so muss m.
E. festgestellt werden, dass die Fächer Deutsch und Mathematik durch die Einrichtung der Förderkurse entlastet werden konnten. Den Lehrenden der Klasse 10 A 1
war es möglich, den für die Zentralprüfung notwendigen Stoff zu bearbeiten, ohne
sich um die Aufarbeitung alter Defizite kümmern zu müssen. Dies war insbesondere
ein Vorteil, weil die Lernenden in den vorangegangenen Schuljahren z. B. in Mathematik in insgesamt 5 verschiedenen Kursen unterrichtet wurden. Aber nicht nur die
Aufarbeitung im Rahmen des Förderunterrichts kann als positiv bewertet werden.
Auch die zunehmende Flexibilität der Lernenden in Bezug auf den Stoff war vorteilhaft, da der Förderunterricht nicht parallel zu den Inhalten der Fachunterrichte stattfand. Für zukünftige Projekte böte es sich m. E. an, einen Schwerpunkt auf die Förderung der Allgemeinbildung zu legen. So war es im Rahmen des Projekts möglich,
die Lernenden intensiv auf Eignungstests vorzubereiten. Hier wurde immer wieder
deutlich, dass Fragen zur Geschichte oder Geografie die gleichen Hindernisse wie
Fragen aus dem Bereich Naturwissenschaften darstellen. Mit zunehmender Sicherheit konnten hingegen Mathematikaufgaben gelöst und Deutsch- und Konzentrationstests bestanden werden. Dies zeigt m. E., dass die Lernenden daran scheitern,
bereits erworbene Kenntnisse abzurufen und einzuordnen.
Aber nicht nur die Auswirkungen auf den Unterricht sollten betrachtet werden, wenn
man das Projekt reflektiert. Eine besondere Rolle nahm die Erstellung von Bewerbungsunterlagen ein. Im Rahmen des Projekts wurden u.a. wöchentlich 2 Stunden
nach dem Unterricht angeboten, in denen Bewerbungen erstellt werden konnten.
Auch die Suche nach Ausbildungsplätzen z. B. über die Internetauftritte der Kammern oder der Arbeitsagentur konnte in dieser Zeit erfolgen und so wurde in der
Klasse 10 A 1 die Erstellung von mehr als 100 Bewerbungsmappen möglich. Hierdurch konnte die besondere Situation der Lernenden berücksichtigt werden, denn
mehr als die Hälfte von ihnen verfügt zu Hause über keinen PC.
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob das Projekt Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im Jahrgangsteam hatte. Auch diese Frage ist positiv zu beantworten, denn die
regelmäßigen Sitzungen ermöglichten einen fachlichen und inhaltlichen Austausch
zwischen den Kolleginnen.
Bliebe noch die Perspektive für die Lernenden, die an dem Projekt teilgenommen
haben: Die Einrichtung von Förderunterrichten konnte vielleicht die Sach- und
Selbstkompetenz der Lernenden fördern, nicht jedoch den Mangel an geeigneten
Ausbildungsplätzen aufheben. Viele Lernende der 10 A 1 werden weiter zur Schule
gehen, weil sie bisher keine Stelle gefunden haben. Anzumerken ist hier, dass keine
Bewerbung zu einem Einstellungstest oder -gespräch geführt hat. Es bleibt zu vermuten, dass die Bewerbungen abgelehnt wurden, weil es sich um Absolventen einer
Hauptschule im Duisburger Norden handelt. Einen Imagewandel konnte das Projekt
also nicht bewirken.
48
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Frau Kleinow, Klassenlehrerin 10 A 2 an der Heinrich –Böll-Schule
Meine Beratungsarbeit lag darin, dass sich die Schüler und Schülerinnen meiner
Klasse über ihre Berufsziele und ihre Berufswünsche im Klaren wurden. Sie sollten
sich gezielt über Berufe informieren, über Internetrecherchen einem Berufswunsch
nähern, Einblicke durch Betriebsbesichtigungen erlangen und gezielte, auf sie persönlich zugeschnittene Praktika absolvieren.
Meine Planungsarbeit beinhaltete unterschiedlichste Methoden, z.B. Referate zum
Thema „Mein Ausbildungswunsch“, „Bewerbungsschreiben erstellen und formulieren“, „ein Vorstellungsgespräch vorbereiten, auswerten und üben“. Durch Übungen
zu Testverfahren und den zusätzlichen „Förderunterricht“ in den Fächern Mathematik
und Deutsch, wurde es den Jugendlichen erleichtert, einen Zugang für ihre berufliche
Zukunft zu öffnen.
Teamsitzungen wurden im kollegialen Zusammenhang unabdingbar.
Meine zusätzlichen Belastungen als Lehrerin lagen darin, differenzierte Praktikumsplätze zu suchen, Telefonate mit Firmen und Betrieben zu leisten, Praktikumsbetriebe aufzusuchen und die Schüler und Schülerinnen vor Ort zu betreuen. Weitere
Schwerpunkte waren die Bewerbungsschreiben, Terminerinnerungen für die Berufskollegschulen, kontinuierliche Weiterführung des Berufswahlordners, als auch die
Auswertung der betrieblichen und persönlichen Bewertungsbögen.
Bewertungen
Abschließend möchte ich anmerken, dass das Projekt den Jugendlichen als Abschlussklasse einer Hauptschule eine Chance geboten hat.
Beginnend mit einem erhöhten Austausch auf Seiten der Lehrkräfte, einer gemeinsamen Planungszeit, Problembesprechung und Analyse, war der Schüler/die Schülerin immer im Fokus. Eine persönliche Schüler - Lehrerbeziehung wuchs über eine
individuelle Förderung heran.
Als Lehrerin im ersten Ausbildungsdurchgang haben die Rücksprachen mit dem Lehrerteam und die Betriebsbesichtigungen mich einen Schritt näher an die Berufswelt
der Schüler und Schülerinnen geführt.
Als besonders wichtig sehe ich die zur Verfügung gestellten „Zeitressourcen“ und
die persönliche Betreuung der Jugendlichen an.
Frau Föhr, Klassenlehrerin 10 B an der Heinrich-Böll-Schule
Als langjährig an der GHS Heinrich Böll beschäftigte Lehrerin hatte ich oftmals Abschlussklassen zu betreuen, davon allein vier Mal eine Klasse 10 B/Abschluss Fachoberschulreife.
Die Betreuung der Schüler(innen) war noch niemals so intensiv wie in diesem 10er
Jahrgang – sowohl im Bereich der Berufswahlvorbereitung als auch im – notwendigerweise damit einhergehenden – persönlichen Bereich. Es war aber auch noch
niemals so notwendig wie in diesem Jahr, da die Leistungen und Fähigkeiten vieler
Jugendlicher an der Hauptschule eindeutig rückläufig sind.
Schwerpunkt im 9. als auch im 10. Schuljahr war die Vorbereitung der Schülerbetriebspraktika. Die Schüler(innen) ihren Berufswünschen gemäß in die adäquaten
Betriebe zu vermitteln erforderte sehr viel Engagement von meiner Seite, allerdings
war dies eine lohnenswerte Aufgabe. Auch war es interessant, Gespräche mit den
Praktikumsbetreuern in den einzelnen Betrieben zu führen und die Betriebe näher
49
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
kennen zu lernen. Die Jugendlichen arbeiteten fast ausnahmslos sehr engagiert, was
die Atmosphäre, in der sich die Praktikumsbetreuung vollzog (z.B. Gespräche mit
den Betreuern), insgesamt sehr positiv beeinflusste.
Meine mit den Schülern durchgeführten Betriebsbesichtigungen waren auch für mich
eine Bereicherung. Ich lernte mir vorher unbekannte Produktionsstätten kennen und
kam mit den für die Ausbildung von Jugendlichen zuständigen Personen in Kontakt.
Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit bestand in der Betreuung und Kontrolle der
Bewerbungsunterlagen der Schüler(innen), da es ihnen sehr schwer fällt, eigenständig korrekte Bewerbungen zu verfassen. Dies stellt eine große Belastung dar. Es
war und ist oft auch nicht einfach, die vielen Absagen der Betriebe aufzufangen und
die Jugendlichen zu ermuntern, es weiter zu versuchen.
Eine Nachbetreuung der Jugendlichen von schulischer Seite erscheint mir als überaus sinnvoll, da ich den Eindruck habe, durch die intensive Zusammenarbeit mit den
Schüler/innen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut zu haben und dadurch Hilfestellung geben zu können bei sicherlich oftmals auftretenden Schwierigkeiten im Berufsleben - unabhängig davon, ob die Jugendlichen in Ausbildung einmünden, einen
Lehrgang absolvieren oder ein Berufskolleg besuchen.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die Arbeit im Projekt meinen Erfahrungshorizont bezüglich Berufswahl enorm bereichert hat. Ich konnte Kontakte herstellen, die
mir vorher verschlossen waren. Die Arbeit war teilweise sehr umfangreich, zumal
parallel dazu die Abschlussprüfungen vorzubereiten waren und wodurch man
manchmal gar nicht mehr weiß „wo einem der Kopf steht.“
Der zusammenfassende Bericht der Schule Beim Knevelshof
Planungsarbeit
Der Planungs- und Organisationsaufwand war sehr hoch, das lag sicher auch daran,
dass noch keine Erfahrungen vorlagen. Der schnelle Wechsel der Plätze in der 9.
Klasse erwies sich als nahezu undurchführbar, da jeder Jugendliche und jeder Betrieb individuell betreut werden musste. Ebenfalls problematisch ist eine ordentliche
Evaluation in einer solchen Konstellation.
Betreuungsarbeit
Die Betreuung der Schüler im Praktikum ist ein zeitlich enormer Aufwand. Jeder Jugendliche muss individuell betreut werden. Ebenso jeder Betrieb. Daraus ergeben
sich unzählige Gespräche und Telefonate, vor allem, wenn Probleme auftauchen.
Bei ca. 60 Schülern und entsprechend vielen Betrieben entwickelt sich ein enormes
Zeitproblem, wobei so erstaunlich wie lobenswert ist, wie ausführlich manche Betriebe Probleme besprechen.
Arbeitsbelastung
Die Arbeitsbelastung für den zuständigen Projekt-Lehrer ist sehr hoch, wenn deroder diejenige sich alleine um die Vermittlung und Betreuung von ca. 60 Schülerinnen und Schülern und um die Betreuung bzw. den Kontakt mit entsprechend vielen
Betrieben kümmern muss. Dazu kommt der zusätzliche Förderunterricht in der Schule.
50
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Erfahrungsbericht der Emil-Rentmeister-Schule
Unsere Schülerinnen benötigen unendlich viel Hilfe, Ermutigung und Motivation. Durch
das ABBEO-Projekt konnten zusätzliche Förderstunden eingerichtet werden, in denen in
kleinen Lerngruppen nach individuellen Förderplänen gefördert wurden. Förderstunden
und Berufswahlpass waren förderliche Unterstützungsmaßnahmen des Projekts.
Die Praktika werden auch von Lehrerseite positiv bewertet.
„Die Schülerinnen haben durchweg gute Erfahrungen mit den Praktika gemacht.
Selbst negative Dinge werden als sinnvolle Erfahrung bezeichnet. Sie sind der Ansicht, für das Leben gelernt zu haben.” „Fast alle Kinder haben für sich den Eindruck
gewonnen, in ihrer Persönlichkeit gereift zu sein. Sie geben an, offener und selbstbewusster geworden zu sein.“
„Selbst Schüler, die im Unterricht Schwierigkeiten haben und verhaltensauffällig sind,
haben sich angestrengt, waren zuverlässig und fleißig.”
Probleme zeigten sich bei den Praktikumsplätzen insofern, als zwar Adressen
möglicher Firmen angeboten wurden, aber bei Nachfrage viele Firmen keine Praktikanten aufnahmen. Besonders im handwerklichen Bereich war die Akquisition
von Praktikumsplätzen schwierig. Das lag zum Teil am geringen Angebot von
Praktikumsplätzen im Handwerk, zum Teil auch an der fehlenden Mobilität unserer Schüler.
„Bei der Wahl der Praktikumsbetriebe zeigten sich die Schüler wenig flexibel. Sie bevorzugten Stellen im Stadtteil, waren selten bereit, einen weiteren Weg in Kauf zu
nehmen." (Klassenlehrer)
Handwerksbetriebe nehmen zwar für zwei Wochen Praktikanten auf, aber im Hinblick
auf Übernahme in eine Ausbildung wird eine Betonung auf das Erreichen der Fachoberschulreife erwähnt, die nur einige Schülerinnen erhalten. Der Eindruck bei den
Praktika ist der, dass Betriebe unsere Schüler als fleißig einschätzen, aber sich nicht
den Ruck geben können, die positive Erfahrung mit unseren Schülern in eine Lehrstelle
umzuwandeln. Viele Betriebe und Firmen kannten das ABBEO-Projekt nicht.
Die betreuenden Lehrer betonen, dass den Schülern nur bedingt durch ABBEO geholfen werden konnte. Unsere Schüler haben mit den gleichen Problemen zu kämpfen
wie in den Jahren zuvor: mangelnde, passende Lehrstellenangebote für Hauptschüler;
gerade in niedrig qualifizierten Berufen. In Berufen des Bauhandwerks z. B. gab es
keine Stellen. Erschwerend kam die Motivationsproblematik hinzu:
„Die meisten Schüler haben gar nicht vor, eine Ausbildung zu machen. Es ist ihnen zu
anstrengend. Sie können es sich nicht vorstellen, täglich zur Arbeit zu gehen. Sie setzen sich lieber noch ein Jahr auf die Schulbank. Sie haben zwar Bewerbungen geschrieben, aber hauptsächlich, um den Lehrern einen Gefallen zu tun.”
Problematisch und äußerst aufwändig gestaltete sich die Kontaktaufnahme zu Ausbildungs- und Wirtschaftsbetrieben. Kooperationsverträge mit unserem Partnerbetrieb beginnen erst zu wachsen.
51
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Joachim Heitzer: Ein Jahr als Projekt-Lehrer in der Büssow-Initiative –
Ein Erfahrungsbericht von der GHS Wiesbadener Straße
Februar 2006
Den 45 Schülerinnen und Schülern der neunten Klassen werde ich von meinem
Schulleiter, Herrn Gerber, als der neue Projekt-Lehrer vorgestellt. 45 mir bis dahin
Unbekannte sehen mich interessiert, aber auch skeptisch an und hören gleichzeitig
gespannt darauf, was mein Auftauchen an ihrer Schule für Neuigkeiten mit sich bringen soll: wöchentlich fünf Stunden Förderunterricht und ein Praktikumstag während
des gesamten Schuljahres und darüber hinaus bis zum Ende der Klasse 10 - zusätzlich zum normalen Lehrplan, versteht sich. Ich kann die skeptischen Blicke und aufkommenden Unmutsäußerungen verstehen. Meinem Schulleiter gelingt es halbwegs,
daran zu appellieren, dass diese enorme Arbeitsbelastung sich in Wettbewerbsvorteile auf dem heiß umkämpften Ausbildungsmarkt umwandeln solle.
Von Schülerseite gut angenommen wird aber bereits in der darauf folgenden Woche
das zur Einstimmung auf die berufliche Orientierungsphase von der Fa. Hanschmidt
aus Köln durchgeführte Seminar zur Berufs- und Lebensplanung im Bürgerhaus Hagenshof. Die Inhalte des Seminars helfen den Jugendlichen, eine Perspektivplanung
für das kommende Jahr aufzustellen.
Erstaunlicherweise schafft es ein Großteil der Schülerinnen und Schüler sehr schnell,
selbstständig Praktikumsstellen zu finden. Fehlende Stellen werden aus dem Fundus
der Schule zugewiesen oder von mir akquiriert. Kurz darauf beginnt für die Neuntklässler nach einer kompletten Woche "Kennenlernpraktikum" das zum Förderkonzept gehörende Tagespraktikum. Jeden Montag gehen die Schüler in Praktikumsbetriebe, um die Arbeitswelt hautnah zu erfahren. Ich überprüfe bei meinen regelmäßigen Betriebsbesuchen, ob die Praktikumsbetriebe grundsätzlich für eine Ausbildung geeignet sind und natürlich auch, ob das Klima zwischen Betrieb und Praktikanten stimmt.
Mir wird schnell klar, dass trotz der grundsätzlichen Eignung viele Betriebe keinen
Ausbildungsplatz anbieten werden. In nur wenigen Betrieben gibt es klare Aussagen
darüber, wer wann was entscheidet. Oft werde ich von FilialleiterInnen darauf hingewiesen, dass Personalentscheidungen von den zentralen Gebietsleitungen getroffen
würden. Die Aussichten, das Büssow-Projekt mit einem Plus an Ausbildungsstellen
abzuschließen, sehen in meinen Augen zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gerade vielversprechend aus.
Juni 2006
Vier Monate Büssow-Projekt liegen hinter uns. Für die Schüler sind Förderunterricht
und Tagespraktikum zur Selbstverständlichkeit geworden. Gut, über die zusätzliche
Arbeitsbelastung wird seitens der Schüler geschimpft. Schließlich müssen sie mehrmals wöchentlich bereits um 7.30 Uhr zum Unterricht erscheinen, der oft bis 14.30
dauert. Doch die Belastung wird mit Murren akzeptiert.
Den fünfstündigen Förderunterricht, den wir parallel in vier Gruppen in Deutsch, Mathematik und Allgemeinbildung erteilen, nehmen die meisten der Schülerinnen und
Schüler ernst, obwohl für den Unterricht keine Noten erteilt werden. Die ersten Fortschritte sind - zumindest in Mathematik - bereits zu erkennen. Die Ergebnisse der
Mathematikklassenarbeiten verbessern sich für einige Schüler deutlich. Die Fortschritte in Deutsch sind nicht so greifbar.
52
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Auch meine Betriebsbesuche sind zur Routine geworden. Die zusätzlichen Stundenkontingente, die auf Initiative unseres Regierungspräsidenten den am Projekt beteiligten Schulen bewilligt wurden, erlauben es mir, den Praktikumstag der Schüler für
meine Betriebsbesuche und Beratungsgespräche zu nutzen. Da ich nicht alle 40 Betriebe wöchentlich besuchen kann, habe ich mir einen Besuchsplan aufgestellt. So
etwa zehn Betriebe "schaffe" ich wöchentlich, der Rest wird angerufen.
Die Schüler freuen sich in der Regel, mich in "ihrem" Betrieb zu sehen. Sie genießen
es, mir ihre Aufgaben vorzustellen und mir so zeigen zu können, was sie "drauf haben". Auch die BetriebsinhaberInnen und FilialleiterInnen sind meist gerne bereit, mit
mir über die Schüler und ihre Leistungen, aber auch über Misserfolge zu sprechen.
Die schriftlichen Beurteilungen, um die ich die Anleiter im Betrieb bitte, fallen durchweg positiv aus. Hoch gehandelte Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Fleiß werden einem Großteil unserer Schülerinnen und Schüler bescheinigt, selbst vielen, die ich im ganz normalen Unterricht mit diesen Tugenden
nicht in Verbindung bringen kann.
September 2006
Aus den Neuner-Schülern sind die Zehner geworden, genau gesagt, 10A und 10B.
Zusätzlich zu meinen bisherigen Aufgaben bin ich jetzt Klassenlehrer der 10A. Die
Zeit seit Beginn des Schuljahres habe ich genutzt, die neu zusammengesetzte Klasse daran zu gewöhnen, dass die von den Betrieben bescheinigten Schlüsselqualifikationen auch im Schulalltag gezeigt werden dürfen. Anleitung zur Pünktlichkeit, zum
Mitbringen von schriftlichen Entschuldigungen und zum regelmäßigen Unterrichtsbesuch haben bisher viel Kraft gekostet - sowohl von Schüler- als auch von Lehrerseite.
Der Förderunterricht hat eine neue Qualität angenommen. Standen vor wenigen Monaten die KollegInnen und ich noch oft in der 0. Stunde, sprich um 7.30 Uhr, vor stark
dezimierter Schülerzahl, so sind die Reihen inzwischen deutlich voller geworden immer noch ohne Notendruck. Offensichtlich hat sich in Schülerkreisen herumgesprochen, dass die zusätzliche Förderung sich auf die Noten in den regulären Schulfächern positiv auswirkt. Etliche aus der Schülerschaft genießen es sichtlich, in einer
recht kleinen Fördergruppe eine ungewohnte Ruhe zum Lernen und Üben zu haben.
Jetzt, im September, beginnt auch die neue Staffel des Tagespraktikums, das sich
bis zu den Abschlussprüfungen der Zehner im April des kommenden Jahres ausdehnen soll. Wir haben uns diesmal für den Dienstag als Praktikumstag entschieden,
damit der Montag dazu genutzt werden kann, die Schüler nach dem Wochenende
auf die Schul- und Arbeitswoche einzustimmen. Entgegen meinen Erwartungen sind
nur wenige Schülerinnen und Schüler bereit, die bereits bekannten Praktikumsbetriebe wieder aufzusuchen. An der Bereitschaft der Betriebe liegt es nicht - meist
auch nicht an möglichen negativen Erfahrungen der Schüler im Betrieb. Ganz praktische Kriterien werden von Schülerseite an einen Praktikumsbetrieb gestellt: Er muss
möglichst fußläufig oder mit dem Fahrrad zu erreichen sein, darf also keine Kosten
verursachen, die Arbeit muss Spaß machen und - bei einigen Schülern ein Argument
- er muss das Potenzial für einen Nebenjob abgeben. Gerade dem Kostenaspekt
kommt eine große Bedeutung zu, da die finanziellen Mittel der Schüler schon bei der
wöchentlichen Buskarte für vier Euro ihre Grenzen finden. Ich merke deutlich, dass
insbesondere die älteren Schüler versuchen, eine solche Praktikumsstelle zu finden,
die berechtigte Aussichten auf einen echten Nebenjob bietet, um die inzwischen gestiegenen finanziellen Bedürfnisse für Handy, Führerschein und Freizeitgestaltung
selbst erfüllen zu können. Die Suche nach geeigneten Stellen ist für die meisten der
53
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
Zehner kein großes Problem. Da fast alle gefundenen Betriebe zudem auch ausbildungsfähig sind, beginnt das Praktikum recht entspannt.
Probleme erwachsen allerdings recht bald daraus, dass sich gegen Ende des letzten
Praktikumsabschnittes eine kleine Gruppe von praktikumsresistenten Schülerinnen,
die weibliche Form ist hier zutreffend, herauskristallisiert hat, die sich auch jetzt gegen jegliche Beratung in Richtung Praktikumsaufnahme vehement zur Wehr setzt.
Da diese kleine, resistente Gruppe zugleich aus Schülerinnen meiner 10A besteht,
habe ich das nächste Problem, als einige der Damen ihren Unmut gegenüber dem
Praktikum mit Fehlzeiten im Unterricht kundtun. Intensive Beratungsarbeit sowie Gespräche mit Eltern, Schülerinnen und Schulleitung können Schulabbrüche noch verhindern.
Januar 2007
Die letzten Monate waren geprägt von breit gefächerter Berufswahlorientierung. Alle
Schülerinnen und Schüler haben längst vorzeigbare Bewerbungsmappen, viele von
ihnen haben auch bereits Bewerbungen verschickt. Frau Kleinkorres von ABBEO,
dem Projekt zur Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung, war unermüdlich darin,
Termine für Betriebserkundungen durch die Schüler der vier am Büssow-Projekt teilnehmenden Schulen zu vereinbaren. Es gibt wohl kaum eine Branche in Duisburg,
die wir nicht gemeinsam mit ihr und unseren Schülern kennen gelernt haben. Im Dezember nahmen unsere beiden Zehner-Klassen zudem an einer dreitägigen Seminarfahrt nach Bad Honnef teil. Das Seminar führte der allen bereits bekannte Berufstrainer Herr Hanschmidt mit dem Ziel durch, den Schülerinnen und Schülern den letzten Schliff im Verhalten bei Vorstellungsgesprächen zu geben.
Februar 2007
Durch die ersten beiden Ausbildungsplatzzusagen ihrer Mitschüler - übrigens in den
Praktikumsbetrieben - zusätzlich motiviert, nutzen die Schüler im Unterricht jede Gelegenheit, um Bewerbungen zu verfassen und im Internet nach freien Ausbildungsstellen zu suchen. Die Lage sieht nicht gerade rosig aus. Für Hauptschüler werden
im Internetportal "meinestadt.de", das aus Angeboten der Arbeitsagentur gespeist
wird, gerade einmal 50 Ausbildungsangebote im 25-Kilometer-Radius um Duisburg
angeboten. Dennoch stellen sich die ersten Erfolge der Bewerbungen ein. Fast wöchentlich berichten Schülerinnen und Schüler stolz von Einladungen zu Einstellungstests - leider aber auch enttäuscht von ersten Absagen.
In einigen Praktikumsbetrieben kann ich bei meinen Besuchen teilweise einen Stimmungsumschwung feststellen. PraktikumsanleiterInnen, die mir vor einiger Zeit noch
begeistert von der Motivation und der Einsatzbereitschaft unserer Schülerinnen und
Schüler berichtet haben, äußern sich jetzt zunehmend verhaltener. Liegt es am näher
kommenden Entscheidungszeitpunkt für ein Ausbildungsplatzangebot an die Jugendlichen oder ist inzwischen nach einem Dreivierteljahr Tagespraktikum "die Luft
´raus"? Auf meine direkte Frage nach Übernahmemöglichkeiten erhalte ich meist nur
indirekte Antworten mit dem Hinweis auf die unsichere wirtschaftliche Situation oder
die Vielzahl der anderen auch sehr guten BewerberInnen.
54
Erfahrungsberichte von Lehrer/innen der vier Schulen
März 2007
Nach Ablauf eines Jahres ist es an der Zeit, ein vorläufiges Fazit zu ziehen.
Bei einer anonymen Schülerbefragung geben 30 von 39 SchülerInnen und Schülern
unserer Zehner-Klassen an, dass sich aus ihrer Sicht die Mehrbelastung durch das
Büssow-Projekt gelohnt hat. 30 SchülerInnen betonen, dass ihnen die Praktika einen
guten Einblick in die Arbeitswelt verschaffen konnten und 35 von den 39 behaupten,
dass sie sich fit für die Ausbildung fühlen.
Die Halbjahreszeugnisse sind für die meisten recht gut ausgefallen. 29 SchülerInnen
führen das auf den intensiven Förderunterricht zurück. Alles in allem gesehen, zeigen
mir diese Umfrageergebnisse, dass unsere intensiven Bemühungen um eine umfassende Berufsorientierung in die richtige Richtung weisen. Auch wenn ich berücksichtige, dass rund ein Drittel der Zehner-SchülerInnen keine berufliche Ausbildung anstrebt, bin ich noch unzufrieden mit der Zahl der Ausbildungsverträge. Zum jetzigen
Zeitpunkt haben fünf Schüler den Ausbildungsvertrag in der Tasche, ein weiterer zumindest die Absichtserklärung, übernommen zu werden. Alle Ausbildungsplätze sind
aus dem Praktikum erwachsen.
Diese noch relativ geringe Zahl an Ausbildungsverträgen bedeutet allerdings nicht,
dass die Jugendlichen ohne Vertrag perspektivlos in die Zeit nach dem Schulabschluss sehen müssen. Drei von Ihnen wurden von der Gesamtschule für die Sekundarstufe II angenommen und 15 erhielten bereits den Aufnahmebescheid der Berufsfachschulen. Die restlichen Schülerinnen und Schüler haben sich zumindest bei den
Berufskollegs angemeldet und werden dort noch getestet oder befinden sich auf der
Warteliste.
Das Motto, unter dem die Büssow-Initiative vor einem Jahr gestartet wurde, lautet
"Niemand darf zurückgelassen werden". Die Chancen stehen nicht schlecht, dass im
Juni alle Schülerinnen und Schüler der beiden Abschlussklassen nicht nur ihr Abschlusszeugnis, sondern auch eine Perspektive für die Zeit nach der Schule in der
Hand halten.
55
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Ansatzpunkte und Erfahrungen bei der Arbeit mit Hauptschülern; Veränderungen, Erfolge und Grenzen, Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Die Ausgangslage bei ausgewählten Kompetenzen der Schüler/innen, exemplarisch
dargestellt anhand der Ergebnisse des BWT der Arbeitsagentur, kann im Artikel von
Rüdiger Bongers nachgelesen werden.
Mindestens ebenso wichtig wie die faktische Basis von Wissen und Kompetenzen
sind jedoch die psychischen und sozialen Voraussetzungen der Jugendlichen, vor
allem in Bezug auf die nahe/ferne Arbeitswelt.
Schulen und Lehrer/innen berichten, dass viele Schüler/innen Schwierigkeiten damit
haben, sich in eine konkrete Zukunftsperspektive zu begeben, die länger als vier
Monate beträgt. Die Jugendlichen leben in einem sozialen Umfeld, das sie von Tag
zu Tag leben lehrt. Die Gewissheit, einen Ausbildungsberuf aufnehmen zu müssen
um den Lebensunterhalt zu sichern, geht immer mehr verloren, die Schule sieht sich
der Aufgabe gestellt, dass die Gewissheit, dass Sozialhilfekarrieren „vererbt werden“,
durchbrochen werden muss.
Doch auch wir Lehrer/innen stellen fest, dass der Übergang in Ausbildung und Beruf
noch mehr als schon bisher in unseren Fokus genommen werden muss.
Veränderungen durch das Projekt, erste Erfolge
Insgesamt ist, wie es auch in vielen Abschnitten des vorangegangenen Kapitels
schon latent oder explizit zum Ausdruck kommt, festzustellen, dass durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Arbeitsfeld "Berufsfindung“ im Rahmen des Büssow-Projektes sowohl bei den direkt betroffenen Schülerinnen und Schülern der 10.
Klassen, aber auch durch die schulinterne Kommunikation bei den nachfolgenden
Klassen eine positiv veränderte Einstellung zur Berufswahl und Berufsfindung festzustellen ist. Dies lässt sich zum Beispiel festmachen an der Zahl der Bewerbungen, an
der Zahl der besuchten einschlägigen Informationsveranstaltungen und der gezielten
Nutzung der Angebote der Arbeitsagentur (Berufsberatung, BIZ-Besuche, Nutzung
von Internetausbildungsbörsen).
Durch die mehr als zweijährige Arbeit im Projekt ist der Bereich „Übergang Schule –
Beruf“ für alle sichtbar deutlich stärker in den Mittelpunkt des Schulprogramms und
der praktischen schulischen Arbeit gerückt.
Die Einführung von bis zu sechs Wochenstunden umfassendem zusätzlichen
Förderunterricht,
die deutliche Ausweitung der Praktika und
die Einführung eines wöchentlichen Praktikumstages für Schüler(innen), die
beispielsweise im Schuljahr 2006/07 in einer Klasse zusammengefasst wurden,
haben dazu geführt, dass nicht nur im Klassenraum, sondern auch in allen anderen
schulischen Bereichen (Kollegien, Lehrer- und Schulkonferenzen) eine intensive
Auseinandersetzung mit dem Thema stattfand, so zum Beispiel die Erfahrungen der
Heinrich-Böll-Schule.
Das Projekt hat auch gezeigt, dass die Schüler(innen) zur individuellen Aufarbeitung
der Berufswahlschritte regelmäßige, intensive Laufbahn- und Beratungsgespräche
benötigen.
„Unsere Schüler haben größere Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, wenn
sie einen persönlichen Kontakt aufbauen können. Die spezielle Vorbereitung führt zu
56
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
einer besseren Orientierung und einem zielgerichteteren Verhalten der einzelnen
Schüler. Sie entwickeln eine entschlossenere Herangehensweise an das Berufsleben und träumen nicht bis zum Ende der 10. Klasse davon, dass es ewig so weitergehen möge in der Schulbank. Allerdings sind leider nicht alle Schüler erreichbar.“
Doch auch der „sozialpädagogische“ und positiv-emotionale Ansatz darf nicht unterschätzt werden. So wird berichtet, dass die Schüler/innen in „kritischen Situationen“
regelrecht an die Hand genommen werden müssen. So wurden zum Beispiel die
zehn Schüler, die zum Einstellungstest bei HKM gingen, von einer Lehrerin dorthin
begleitet und zusätzlich ermutigt, ein Zuspruch, den man eigentlich schon von den
Eltern erwartet oder zumindest erhofft.
Eine Hauptschule betont, dass Praktika in Handwerksbetrieben bzw. in kleinen
Privat-Unternehmen für einige Schülergruppen sinnvoller sind als in solch großen
Unternehmen. Eine Übernahme sei dort wahrscheinlicher als bei den Großbetrieben, da die Durchfallquote bei den theoretisch anspruchsvollen Einstellungstests
trotz vermehrter Förderstunden sehr hoch ist.
Basiskompetenzen verbessert
Zudem ist aber auch festzustellen, dass die immer wieder beschriebenen und eingeforderten Basiskompetenzen für eine Berufsausbildung wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Genauigkeit, Fleiß etc. sowohl in Schule wie im Praktikum von den Schülerinnen und Schülern zunehmend realisiert werden konnten, was auch von den Praktikumsbetrieben in Abfragen so bestätigt wurde. (s. Emil-Rentmeister, S. 42)
Beispielhaft kommt dies im Ergebnis der Befragung der Praktikumsbetriebe, z.B.
durch die Hauptschule Wiesbadener Straße, zum Ausdruck.
Kriterien
B e fra g u n g d e r Au s b ild u n g s b e trie b e z u r P ra k tik a n tin / z u m P ra k tik a n te n
B e trie b s p ra k tik u m d e r K la s s e n 9 (B ü s s o w -In itia tiv e ) d e r G H S W ie s b a d e n e r
S tra ß e v o m 2 0 .0 2 .0 6 b is z u m 1 2 .0 6 .0 6
A n w e s e n h e it
P ü n k tlic h k e it
F le iß
In te re s s e fü r A rb e its a b lä u fe
Ü b e rb lic k ü b e r A rb e its a b lä u fe
U m s ic h t
fa c h g e re c h te s A rb e ite n
O rd n u n g
E rn s th a ftig k e it
S e lb s ts tä n d ig k e it b e im A rb e ite n
U m g a n g m it M ita rb e ite rn
E in s c h ä tz u n g d e r M ita rb e ite r
m it d e m P ra k tik a n te n z u frie d e n
V e rg le ic h m it A z u b is
0%
p o s itiv
m itte lm ä ß ig
n e g a tiv
20%
40%
60%
80%
100%
E in s c h ä tz u n g
Auch die Gesamtergebnisse aller vier Schulen spiegeln dieses Ergebnis im Wesentlichen wieder.
57
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts sowie Konsequenzen für die weitere schulische
Arbeit
Befragung der Ausbildungsbetriebe zur Praktikantin / zum Praktikanten
Betriebspraktikum (Büssow-Initiative) im 2. Schulhalbjahr 2005/2006
GHS Emil-Rentmeister-Schule, GHS Wiesbadener Straße, GHS Heinrich-Böll-Schule und GHS Beim Knevelshof
100%
6,3
3,5
9,0
3,0
6,0
Bewertung der Praktikanten durch die Betriebe
90%
80%
31,0
39,5
50,5
70%
43,3
49,5
60%
nicht zufriedenstellend
50%
zufriedenstellend
sehr gut
40%
30%
62,8
20%
57,5
46,0
47,8
Interesse für
Arbeitsabläufe
Eigeninitiative
44,5
10%
0%
Pünktlichkeit und
Zuverlässigkeit
Ordnung
Teamfähigkeit
Bewertungskriterien
58
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
An dieser Stelle mag man sich daran erinnern, was „die Wirtschaft von den Schulabgängern“ erwartet.20 Es ist wohl nicht selbstverständlich, dass Hauptschüler/innen in
derartig vielen Bereichen so positiv bewertet werden.
Schulische Leistungen
Zudem zeigt sich im Notenspiegel in den Förderfächern Deutsch und Mathematik
eine positive Tendenz, was nicht zuletzt auf eine gesteigerte Motivation der Schüler
zurückzuführen ist – und das trotz der gefühlten Mehrbelastung durch den erweiterten Stundenplan.
Besonders hervorzuheben bei den erzielten Leistungen ist (für drei der vier Schulen
trifft diese Konstruktion zu) dabei die Bedeutung des/der die Schülerinnen und Schüler betreuenden so genannten "Projekt-Lehrers/Lehrerin“, der/die sich eben nicht nur
für Planung und Organisation des Tagespraktikums und der Kommunikation mit den
Betrieben verantwortlich zeigte, sondern durch unermüdliches Nachhaken, Ansprechen, Begleiten etc. von Schülerinnen und Schülern diese auf ihren Berufsfindungsweg brachte.
Weitere wichtige Erfolge:
- Die Zufriedenheit der Schüler/innen
Eine anonyme Befragung der Schülerinnen und Schüler zu den Ergebnissen des
Büssow-Projektes zeigt, dass die meisten der Befragten mit dem Erreichten zufrieden sind und die Förderung durch die Initiative zu schätzen wissen.
Hierzu beispielhaft wiederum Ergebnisse einer Befragung der GHS Wiesbadener
Straße.
Stimmt 100 %
Stimmt
GHS Wiesbadener Straße
Auswertung Büssow-Initiative Klassen 10 (2006/2007)
0%
20%
Die Teilnahme am Büssow-Projekt hat sich
für
mich gelohnt
14
Die zusätzlichen Förderstunden in
Deutsch, und Allgemeinwissen haben
Mathematik
meine
Leistungsnoten verbessert.
20
28
6
3
4
0
2
15
3
3
20
3
7
14
9
4
0
4
2
18
100%
2
13
9
Der Beurteilungsbogen vom Betrieb ergab
guteInformationen über meine
Fähigkeiten.
80%
16
17
Die Teilnahme am Lebensfindungsseminar
war
hilfreich für meine persönliche
Entwicklung.
Ich fühle mich auf jeden Fall fit für
einen
Ausbildungsplatz
60%
14
Die Praktika von Klasse 9-10 fand ich wichtig
für den Einblick in den beruflichen
Alltag.
Die Berufsberatung durch die Arbeitsagentur
hatmeine Berufswahl-Entscheidung beeinflusst.
40%
Stimmt wenig
Stimmt überhaupt nicht
4
8
2
13
5
7
0
4
0
(s.o. Beitrag Rehn, S. 3 Fußnote 1 sowie den Beitrag von Volker Grotensohn, S. 79ff.)
59
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Eine vorläufige Ausbildungsplatzbilanz
Der Prozentsatz der in Ausbildungsplätze vermittelten Schüler ist augenscheinlich
höher als sonst, dies kann aber noch nicht abschließend ausgesagt werden.
Im (wenn also auch vorläufigen) Gesamtergebnis gilt es vor allem zu beachten,
dass zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses 15.05.2007 insgesamt etwa 28
Schülerinnen und Schüler bereits einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen
haben. Dies sind knapp 20 % aller jetzt noch in den Abschlussklassen befindlichen Schüler/innen.
Im Vergleich zu den Vorjahreszahlen aus dem Bezirk des Schulamtes Duisburg, die
zwischen sechs und zehn Prozent liegen, ist dies sicherlich ein beachtliches Zwischenergebnis.
Dabei sind noch weitere positive Ergebnisse des Projektes festzuhalten:
- Die meisten Ausbildungsplätze stammen aus den jeweiligen Praktikumsbetrieben.
- Mit drei bei ThyssenKrupp-Steel erreichten Ausbildungsplätzen treten Schüler der
GHS Wiesbadener Straße in ein Unternehmen ein, das bisher keine Schüler/innen
dieser Schule ausgebildet hat. Drei der vier bei HKM über die „zweite Chance“ Eingestellten haben einen Migrationshintergrund.
- Es besteht die von allen Schulen geteilte und von der Schule Beim Knevelshof geäußerte Vermutung, dass dies auf eine sichtbare Stärkung der Ausbildungsreife
bei vielen Schüler/innen zurückzuführen ist.
Kommunikation der Projektbeteiligten und verändertes Verständnis
Ein anderes positives Ergebnis des Projektes ist das durch die intensive Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Beteiligten (Schule, Wirtschaft, Arbeitsagentur,..) entstandene bessere gegenseitige Verständnis.
Die Schulen fühlen sich hervorragend unterstützt vom Haus der Unternehmer, indem
den Schülerinnen und Schülern verschiedene Berufsfelder konkret vorgestellt wurden und gute Praktikumsplätze vermittelt wurden. Ebenfalls sinnvolle Unterstützung
erfuhren die Schulen durch Informationen der IHK.
Die erweiterten Unterrichtsinhalte, vor allem in der Berufsvorbereitung, haben eine
deutliche Zunahme des Interesses an Berufen im Allgemeinen bewirkt.
Das ABBEO- Projekt (siehe den Beitrag von Frau Kleinkorres) initiierte die Anschaffung des Berufswahl-Passes, welcher den Schüler/innen half, ihre Unterlagen strukturiert zu dokumentieren. Der Pass mit seiner Nachhaltigkeit war und ist
sinnvoll. Zur individuellen Aufarbeitung der Berufswahlschritte bedürfen die Schülerinnen regelmäßiger Laufbahn- und Beratungsgespräche und der Umsetzung
eines Portfolio-Konzeptes.
60
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Probleme und Grenzen des Projekts
- Ausbildungsplatzvergabe bei großen Ketten
Als Vermittlungshindernis erweist sich oft die zentrale Ausbildungsplatzvergabe bei
großen Ketten und die besondere Gewichtung von Einstellungstests. Es entsteht oft
der Eindruck, dass von Filialbetrieben bescheinigte gute Leistungen bei dem über ein
Jahr dauernden Tagesbetriebspraktikum kaum oder gar nicht berücksichtigt werden.
- Einbeziehung der Erziehungsberechtigten
Als ebenfalls durchaus problematisch erwies sich der Versuch, die Erziehungsberechtigten in das Projekt einzubeziehen. Nicht nur die von der Schule angebotenen
Beteiligungsmöglichkeiten (Elterninfoabende, Berufsplanungs- und Praktikumsreflexionsgespräche, Elternsprechtage) wurden teilweise gering genutzt, vielmehr fehlte
es auch oft an der notwendigen Unterstützung seitens der Eltern in Problemsituationen in Schule und Praktikum. Hier blieben Schule und Schüler meistens auf sich alleine gestellt.
- Berufskolleg als (un-) geliebte Alternative
Manche Schüler/innen erreicht die Maßnahme nicht, so wollen einige lieber in ein
Berufskolleg wechseln, auch wenn der Anteil derjenigen, die sich bewusst für das BK
entscheiden, offensichtlich zugenommen hat.
Konsequenzen:
- Nachbetreuung /Lehrerstellen für Berufswahlvorbereitung von Hauptschüler/innen
Die intensive Zusammenarbeit mit den Schüler(innen) hat zu einem Vertrauensverhältnis geführt, das mit dem Tag der Schulentlassung nicht abrupt enden darf. Daher
sollte von der abgebenden Schule eine Nachbetreuung geleistet werden können,
deren Lehrerinnen und Lehrer die jeweiligen Jugendlichen in ihrem Arbeitsverhalten
kennen und sie in ihrer persönlichen Entwicklung auch bei Anpassungsschwierigkeiten in der neuen Situation unterstützen können.
Diese Lehrer(innen) müssen für einen begrenzten Zeitraum noch Hilfestellungen bei
auftretenden Schwierigkeiten geben – unabhängig davon, ob die Jugendlichen in
Ausbildung einmünden, einen Lehrgang absolvieren oder ein Berufskolleg besuchen.
Diese besonders positiven Erfahrungen der intensiven Betreuung, die u. a. auch zu
einem hohen Maß an Vertrautheit von Schülern und Lehrern führte, müssen zu Konsequenzen führen, da sich beispielsweise die zusätzlichen Laufbahn- und Beratungsgespräche ohne zusätzliche personelle Ressourcen nicht im notwendigen
Umfang verwirklichen lassen.
Diese „Nachbetreuung“ bis Ende 2007 wird an allen vier Schulen für den jetzigen
Jahrgang 10 nach der Entlassung initiiert werden, aber auch für die nachfolgenden
Jahrgänge sollte eine entsprechend intensive Betreuung und inhaltliche Förderung
durch Bereitstellen entsprechender Stellenanteile realisiert werden. So können auch
die nachfolgenden Jahrgänge vom Projekt profitieren.
61
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
- Veränderungen im Berufswahlvorbereitungskonzept
Eine weitere folgernde schulische Konsequenz liegt in der verstärkten Bereitstellung
von Tagespraktika. So kann durch längerfristige Bewährung ein Unternehmen seine
möglichen Bewerber besser kennen lernen. Eine flexible Praktikumsgestaltung mit
passgenauer Zuordnung und qualifizierter Betriebsbegleitung gerade für mehr Nischenberufe ist besonders bedeutsam. Auch besondere Fördermaßnahmen und die
Vorbereitung auf Einstellungstests sind notwendig.
Erfahrungen mit Klassen, in der die Schüler(innen) einen wöchentlichen Praktikumstag haben, führen zur Übernahme dieser Modelle in laufende Planungen.
Insgesamt werden die Block- und Tagespraktika flexibler gestaltet und damit den unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen besser angepasst.
Beispiel für eine Umsetzung
Die Erfahrungen, die bei der Durchführung des „Büssow-Projektes“ gemacht wurden,
haben an der GHS Wiesbadener Straße zum Beispiel zu Veränderungen im Berufswahlvorbereitungskonzept geführt.
1. Planung, Organisation, Durchführung und Auswertung der Betriebspraktika wurden unter Einbezug der im "Büssow-Projekt“ gemachten Erfahrungen und verwendeten Materialien neu gestaltet.
2. Das Modell des Förderunterrichts konnte aufgrund der hinreichenden Stellenbesetzung auch in der Klasse 9 realisiert werden und ist fester Bestandteil des Schulprogramms geworden.
3. Elemente der Förderung im Bereich lebenspraktischer und berufsvorbereitender
Projekte (Lebensplanungsseminare, Standortfindung – Wer bin ich? Wo stehe ich?
Wo will ich hin? Wie kann es mit mir weiter gehen? – Netzwerkarbeit mit der AWO
und der Caritas zur Berufsfindung) werden in Ergänzung zur bisherigen Berufswahlkonzeption in Klasse 8 und 9 in das Berufswahlvorbereitungsprogramm aufgenommen.
4. Insgesamt gesehen hat sich eine schärfere Fokussierung auf den Prozess der Berufswahlvorbereitung ergeben und zwar hinsichtlich der Bedeutsamkeit des möglichen frühen Beginns der konkreten Berufswahlvorbereitung mit Beginn der Klasse 8
durch
-
eine Berufsfindungswoche, zum Teil geschlechtsspezifisch ausgerichtet
Besuche von Ausbildungsbetrieben, Bildungszentren des Handwerks
zielgerichteten Besuch des BIZ
Initiierung einer individuellen Berufswahlvorbereitungsmappe.
5. Angebote zur Vorstellung von unterschiedlichen Berufsfeldern durch entsprechende Fachleute sollten schülerinteressenorientiert genutzt werden.
62
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Als sehr gut bewertet werden die Initiativen von Thyssen Krupp Steel und HKM, berufsvorbereitende Lehrgänge im Betrieb anzubieten und daher streben die Hauptschulen auch weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen an.
Auch das Lebensfindungsseminar als wesentlicher Bestandteil des Unterrichtskonzeptes gehört in diesen Zusammenhang. Hier wird durch außerschulische Partner
die Arbeit der Schule – auch über den Berufswahlkontext hinaus gehend - effektiv
unterstützt. Mentale Blockaden, Probleme devianter Lebensentwürfe und Diskriminierung vermeintlich minderwertiger „Hauptschulklientel” bedürfen nachhaltiger sozialer Arbeit.
- Weitere Vorschläge und Ideen
Des Weiteren schlägt zum Beispiel die Emil-Rentmeister-Schule vor:
-
Durch Projektarbeiten mit konkretem Alltagsbezug (Bau eines Gartenhauses,
eines Backhauses, Umsetzen einer technischen Service- AG oder einer Mensa-AG) sollten Schüler/innen praktisch in geöffnetem Unterricht frühzeitig berufliche Interessen und Stärken erproben dürfen.
-
Individuelle Portfoliokonzepte und Ausbau der Förderschienen in den Hauptfächern/im Bereich Allgemeinwissen müssen implementiert werden.
-
Pädagogische Arrangements zur Stärkung von Selbstbewusstsein und körperlicher Leistungsfähigkeit sollten also in Schulfirmen, in den Stadtteil durchaus
geöffnet, eine Form von „Produktionsschule” schaffen.
-
Schule muss neu gedacht, Unterricht anders konzipiert werden und Lehrern
neue Bildungshorizonte nahegebracht werden.
63
Vier Duisburger Projektschulen ziehen Bilanz:
Ansatzpunkte und Erfahrungen; Veränderungen, Erfolge und Grenzen des Projekts
sowie Konsequenzen für die weitere schulische Arbeit
Gemeinsame Stellungnahme der vier Duisburger Hauptschulen:
Zweieinhalb Jahre „Initiative der Bezirksregierung Düsseldorf zur Stärkung
der Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung“
Unsere Bilanz und unser Ausblick: Was muss nun passieren?
Die in der Projektphase gemachten Erfahrungen lassen die vier beteiligten Schulen
zu folgenden gemeinsamen Überlegungen und Forderungen kommen, die als
Grundbedingungen für die Verbesserung der erforderlichen Ausbildungsreife unverzichtbar erscheinen und die die Chancen für eine verstärkte Vermittlung in Ausbildungsberufe deutlich erhöhen können:
-
-
Eine institutionell verankerte qualitative Vernetzung zwischen Schulen einerseits
sowie Industrie und Handwerk andererseits muss nachhaltig ausgebaut werden.
Dabei ist eine Ausweitung auf die bislang nicht beteiligten öffentlichen Arbeitgeber sowie auf karitative Einrichtungen erforderlich.
Unbedingt erforderlich erscheint dabei eine Ausweitung des Ausbildungsplatzangebotes durch
die vermehrte Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in Migrantenbetrieben und bei öffentlichen Arbeitgebern,
die Ausweitung von Ausbildungsprofilen, die weniger theorielastig sind
und somit für Hauptschüler eine Perspektive bilden,
die Erhöhung des Stellenwertes der im Praktikum gezeigten Leistungen innerhalb des Bewerbungsverfahrens. Dabei müssten in Filialbetrieben die Praktikumsleistungen an die Zentrale weitergeleitet werden, damit sie dort berücksichtigt werden können.
-
-
-
Eine nachsorgende Betreuung der Jugendlichen nach der Schulentlassung durch
die bisherige Vertrauensperson (Klassenlehrer/in, Berufswahllehrer/in) soll in einer wichtigen Lebensphase Stabilität schaffen und dadurch auch vorzeitige Abbrüche von Ausbildungsverhältnissen verhindern.
Die Sicherung der hohen Qualität der Berufsvorbereitungsarbeit und der nachsorgenden Betreuung kann nur mit entsprechenden zusätzlichen Stellenanteilen
geleistet werden
Zusätzliche Stütz- und Stärkungsmaßnahmen, wie sie z. B. an einigen der beteiligten Schulen in Form von Lebensfindungsseminaren durchgeführt wurden, müssen finanzierbar sein. Eine Umlegung der Kosten auf die Eltern und Schüler würde eine zusätzliche soziale Auslese bedeuten.
Es muss gelingen, dass die Erziehungsberechtigten ein größeres Engagement im
Berufswahlfindungsprozess zeigen. Sie dürfen nicht aus der Pflicht für die schulische und berufliche Entwicklung ihrer Kinder entlassen werden.
Duisburg, im April 2007
64
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
1.
1.1.
Ausgangssituation
ABBEO und die Initiative zur Stärkung der Ausbildungsreife
Im Februar 2005 startete das landesweite Projekt ABBEO – Projekt zur Förderung
der Ausbildungsreife und Berufsorientierung in Duisburg (abbeo.nrw.de. / Unternehmerhaus-AG) mit 10 Pilotschulen. ABBEO ist ein Beratungsprojekt, das helfen soll,
Berufsorientierung in Schulen zu vertiefen und zu systematisieren. Hauptziel ist,
Schüler und Schülerinnen möglichst frühzeitig und gezielt auf die Berufswahl vorzubereiten.
Im Herbst 2005 wurde im Rahmen eines Treffens der Kooperationspartner zur Büssow-Initiative deutlich, dass bereits 2 Schulen von 4 ausgewählten Hauptschulen
durch das ABBEO-Projekt gefördert wurden. Das Aufgabenspektrum des Projektes
überzeugte, da Parallelen in der Zielsetzung erkannt wurden und eine Betreuung vor
Ort wichtig erschien. Um die Koordinierung und Finanzierung der Maßnahmen vor
Ort zu gewährleisten, wurde daher beschlossen, auch die beiden weiteren Schulen
dem Projekt „zuzuschlagen“. Da ABBEO im Herbst allerdings zunächst planungsgemäß mit dem 8.Jahrgang in allen Pilotschulen startete, wurden die vier 9-er Klassen
zusätzlich aufgesetzt und parallel in den unteren Jahrgängen gearbeitet.
1.2.
Aufgaben von ABBEO im Rahmen der Büssow-Initiative
Angelehnt an die Zielsetzungen und Umsetzung im Projekt ABBEO können folgende Aufgabenfelder definiert werden:
• Projektmanagement - Koordinierung der Maßnahmen
• Finanzierung von Maßnahmen
• Beratung der Schulen im Kontext von ABBEO
• Kontakte zur Wirtschaft:
o Angebote zur Kooperation mit Unternehmen vor Ort
o Veranstaltungen zur Vorstellung von Ausbildungsberufen – insbesondere für Hauptschüler
o Unterstützung in der Akquise und Weitergabe von Praktikums- und
Ausbildungsplätzen
o Austausch mit Unternehmen zu den Ergebnissen
• Fortbildungsangebote für Schüler und Lehrer
o Schulungen zur Einführung des Berufswahlpasses
o Workshops zum Thema „Praxislernen“ - zur Vertiefung des Unterrichtsstoffes in der betrieblichen Praxis
o Angebot Lehrerbetriebspraktikum
o Kompetenzchecks für Schüler
o Workshops zur Lebens- und Berufswahlorientierung, Telefontrainings,
Bewerbungstrainings für Schüler
o Impulstage für Lehrer zur Förderung des Erfahrungsaustausches und
Kennen lernen von Angeboten für Schüler z.B: Berufeparcours, Trainingsangebote, Kontakte zu Unternehmen, Informationen zum regionalen Arbeitsmarkt (z.B. Veranstaltung zur Zukunft der einfachen Berufe),
Kennen lernen von Auswahlverfahren
65
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
2.
Vorgehensweise
Die Vorgehensweise mit der Initiative im Rahmen des ABBEO-Projekt ist von zwei
Seiten gesteuert: einmal durch die in den Lenkungssitzungen der Kooperationspartner beschlossenen Maßnahmen (Testung durch die Arbeitsagentur, zusätzliche
Praktika, Stärkung der Kernkompetenzen), zum anderen durch die in den Einzelgesprächen mit den Schulen beschlossenen Maßnahmenpakete. Im Laufe des ABBEOProjektes wurde ein Portfolio von Unterstützungsangeboten entwickelt auf Basis der
Beratung und konkreten Erfahrungen im Projekt mit den Schülern. Die Vorgehensweise ist dabei prozessorientiert zu sehen – die Maßnahmen wurden aus den jeweiligen Bedürfnissen entwickelt.
Ausgangspunkt der Beratungsarbeit an den Schulen war eine Ist-Standsanalyse, um
ein auf die Schule und das Umfeld passende Unterstützung anbieten zu können. Der
Fragenkatalog zur Analyse basiert auf dem Kriterienkatalog des „Siegels zur Berufsorientierung an Schulen“, der zur Zertifizierung führen kann. Die Auswertung erfolgt
in der Schule mit der Festlegung von Zielen zur Optimierung der Berufsorientierung
und Entwicklung von geeigneten Unterstützungsmaßnahmen. Ziel ist, in Anlehnung
an die allgemeinen Zielsetzungen von ABBEO, Berufsorientierung für Schüler, Lehrer
und Eltern als Prozess sichtbar zu machen und ein Gesamtkonzept zu entwickeln,
das möglichst frühzeitig – hier ab Jahrgang 8 – startet und das in Fachcurricula und
Schulprogramm festgehalten wird.
In der Analyse wurden einige Gemeinsamkeiten deutlich:
Die Schulen sind sehr engagiert und haben eine Vielzahl von Maßnahmen entwickelt, um den Übergang ihrer SchülerInnen von der Schule in den Beruf zu ermöglichen. In den vergangenen Jahren ist es zunehmend schwieriger geworden, diese
Schüler in Ausbildung zu bringen (hierzu mehr in den Darstellungen der Schulen selber). Weiter besteht ein großer Informationsbedarf zu Möglichkeiten auf dem Ausbildungsmarkt und es fehlen Kontakte in die Wirtschaft – insbesondere das Handwerk
wird hier genannt.
Als Hauptursache wurde benannt:
Der Arbeitsmarkt bietet Hauptschülern nicht mehr ausreichende und passende
Ausbildungsangebote.
Externe Unterstützung wurde eingefordert:
- Informationen über den regionalen Ausbildungsmarkt und seine Chancen
für Hauptschüler
- Unterstützung bei der Suche nach fehlenden Praktikumsplätzen
- Entwicklung weiterer Maßnahmen, die geeignet sind, Schlüsselkompetenzen
der Schüler zu verbessern.
2.1. Kontakte zu Unternehmen
Ein wesentliches Ziel des Projektes ist, die Kontakte zu der Wirtschaft in der Region
zu den Schulen zu vertiefen. Kontakte zur Arbeitswelt sind unabdingbar, um Berufsorientierung zu konkretisieren und erfahrbar zu machen – für Schüler und Lehrer.
Informationen aus erster Hand sollen auf die Anforderungen in den jeweiligen Ausbildungsberufen und ihre Einstellungsvoraussetzungen vorbereiten, die Darstellung
der Tätigkeiten und des betrieblichen Umfeldes einen realistischen, begreifbaren Zugang ermöglichen. Im Rahmen des ABBEO-Projektes wurde auf diese Bedarfe ent66
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
sprechend reagiert durch entsprechende Informationsveranstaltungen mit regionalen
Unternehmen, Kontaktvermittlung zu unterschiedlichen Betrieben, Betriebserkundungen, Ausbildern im Unterricht, Berufe-Vorstellungen in Unternehmen oder in den
Schulen, Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Praktika oder Weitergabe
von Ausbildungsplatzangeboten.
2.1.1 Ergänzende Informationen zum Ausbildungsmarkt – insbesondere für
Hauptschüler
Im Zuge des Wandels von der Montan- zur Dienstleistungsindustrie auf dem regionalen Arbeitsmarkt brechen auch für Auszubildende viele traditionelle Ausbildungsberufe weg. Das macht eine Orientierung schwieriger. Berufliche Vorbilder (sofern sie
vorhanden sind), die zur unkritischen Nachahmung anregten, fehlen an vielen Stellen. In Ergänzung zum Informationsangebot der Arbeitsagentur wurden spezielle Informationsveranstaltungen angeboten. Im Herbst 2005 beispielsweise zur „Zukunft
der einfachen Berufe“ gemeinsam mit der UnternehmerverbandsGruppe e.V.. Hier
referierten zwei Unternehmer - von Lekkerland/Tobaccoland und McDonalds zu den
Chancen für Hauptschüler in ihren jeweiligen Unternehmen. Für viele Pädagogen
überraschend waren die bisher unbekannten Möglichkeiten, sich hier zu bewerben
und auch „Karriere“ zu machen. Die Unternehmer schilderten aber auch die Schwierigkeiten, geeignete Auszubildende zu finden. Fehlende Motivation und Leistungsbereitschaft, mangelnde Basiskenntnisse (Deutsch, Mathematik etc.) und Unkenntnis
der beruflichen Anforderungen. Die große Resonanz (ca. 100 Teilnehmer) zeigte,
dass diese Veranstaltung ein großer Erfolg war. Dies zeigte sich auch in späteren
Einzeldiskussionen mit Pädagogen in den Schulen: Das Wissen über Ausbildungsmöglichkeiten in einfachen Tätigkeiten ist gefragt, aber weitaus nicht so bekannt wie
zuvor gedacht. Im Laufe des Projekts wurde diesem Aspekt Rechnung getragen
durch weitere Informationsveranstaltungen beispielsweise auch im Rahmen einer
Ausbildungsakquise für die neu eingerichteten Ausbildungsberufe in Duisburger
CallCentern, die den Bildungsabschluss nicht zum alleinigen Kriterium ansetzen,
sondern auch geeigneten Hauptschülern eine Chance gaben. Die Liste der Unternehmen, die auch Hauptschülern eine Chance geben – beispielsweise durch die
Schaffung etlicher zweijähriger Ausbildungen – ist daraufhin kontinuierlich ergänzt
worden.
2.1.2 Berufevorstellungen für Hauptschüler in Unternehmen und in den Schulen
Um den SchülerInnen diese für sie geeigneten Ausbildungsangebote und die Unternehmen in der Region bekannt zu machen, wurde eine Vielzahl von einzelnen Berufevorstellungen mit Ausbildern und Personalverantwortlichen durchgeführt. Diese
Veranstaltungen fanden sowohl in den Betrieben (sofern möglich), als auch in den
Schulen statt. Hierzu waren insbesondere die ca. 230 SchülerInnen der BüssowInitiative angesprochen. Im folgenden Schuljahr konnten auch die nachfolgenden
Jahrgänge von diesen Veranstaltungen profitieren. Maximal 20 SchülerInnen konnten an den jeweiligen Veranstaltungen teilnehmen. Voraussetzung war, dass sie geeignet oder interessiert waren und sich auf diesen Termin mit Internetrecherche und
Fragen zum Beruf vorbereitet hatten. Die Erfahrung mit ähnlichen Veranstaltungen –
z.B. Betriebserkundungen, Berufsmessen – hat gezeigt, dass derartige Massenveranstaltungen nicht zum gewünschten Ziel führen, da viele Schüler kein Interesse zeigen und schlecht vorbereitet sind. Die gezieltere Auswahl machte möglich, dass etli67
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
che Schüler sich im Anschluss auf die angebotenen Ausbildungsplätze beworben
haben. Der direkte Kontakt zu den Ausbildern und Auszubildenden vor Ort erleichterte die Kontaktaufnahme auf beiden Seiten. Auch zeigte sich, dass interessiertes
Nachfragen bei den Ausbildern die Bereitschaft steigerte, es mit den Bewerbern „zu
versuchen“. Dies ist neben einem Praktikum eine weitere Erfolg versprechende
Maßnahme, die Schülern und Ausbildern die Gelegenheit zum näheren Kennen lernen gibt.
Aus dieser Arbeit konnten viele wertvolle Hinweise für den Bewerbungsprozess und
über die Anforderungen gewonnen werden – für Schüler und Pädagogen gleichermaßen. Hier einige Beispiele in Stichpunkten zum Auswahlmanagement in Unternehmen:
-
viele Bewerbungsfristen starten direkt nach den Sommerferien am Ende des
9. Schuljahres – Fristen müssen in Erfahrung gebracht werden
auch viele Bewerbungen sind kein Garant für ausreichende Auswahl: etliche
Plätze bleiben unbesetzt
Chancen haben nur Bewerbungen, die den Standards entsprechen und ein
entsprechend formuliertes Anschreiben aufweisen (konkret auf das Unternehmen und die beruflichen Anforderungen ausgerichtet).
Für die Pädagogen war sicherlich auch noch einmal wertvoll zu erfahren, dass viele
Hinweise, die sie zwar auch selbst an die Schüler weitergeben (aber oft ungehört zu
bleiben scheinen), nun durch die externen Forderungen an Relevanz gewinnen. Darüber hinaus haben die Schulen wertvolle Kontakte gewonnen, die auch zukünftig genutzt werden können.
Die Erfahrungen mit diesen Veranstaltungen waren unterschiedlich, aber durchaus
gewinnbringend. Vielen Hauptschülern fällt es schwer, sich in diesen Veranstaltungen zu artikulieren und die „richtigen Fragen“ zu stellen. Hier ist sicherlich die in der
Arbeit mit dem Berufswahlpass entwickelte Fragemethodik hilfreich, die allerdings
lange Übung voraussetzt. Da die Arbeit mit dem BWP in diesem Jahrgang nur sporadisch aufgegriffen werden konnte, greift diese Methode hier nur wenig, macht aber
eine frühere angeleitete Übung sinnvoll.
Erfreulich war, dass viele Schüler auch einen langen Anfahrtsweg in Kauf nahmen
und selbstständig – ohne Lehrerbegleitung - das Ziel erreichten. Das machte auch
auf die Ausbilder Eindruck.
Der Erfolg rechtfertigt letztendlich den recht hohen organisatorischen Aufwand, insbesondere, wenn Schüler konkrete Ausbildungsangebote erhalten und darauf reagieren. Die Recherche im Internet oder das Lesen von Berufsbildern in Broschüren kann
letztendlich die praktischen Einblicke nicht ersetzen. Dies gilt vor allem für Hauptschüler, die die konkrete Anschauung, z.B. in Betrieben vor Ort, im Gespräch mit
Auszubildenden oder hautnah bei den Arbeitsprozessen, benötigen.
68
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
Liste der vorgestellten Berufe:
Übersicht: Beispielhafte Termine in Unternehmen und Schulen mit Unternehmensvertretern zur Vorstellung von Ausbildungsberufen, den Anforderungen
und Bewerbungsmodalitäten
Koordination und Realisation: Projekt ABBEO
Termin
Unternehmen
Ausbildungsberufe
Ort /Zeit
06.09.2006
Bildungszentrum des Bauhandwerks, Krefeld
Referetnen: 1-2-3- Azubi-fit, Ausbildungsleiter
und die jeweiligen Meister im
Handwerk
Auszubildende
Verschiedene AusbilBildungszentrum
dungsberufe im BauKrefeld
handwerk (Dachdecker,
9.30 – 13.00 Uhr
Fliesenleger, Baugeräteführer, Beton- und Stahlbetonbauer, Estrichleger,
Kanalbauer, Gleisbauer,
Maurer, Rohrleitungsbauer Straßenbauer u.a.
in überbetrieblicher Ausbildung
06.09.2006
Bäckerei Bolten,
Referenten: Ausbildungsleiter,
Auszubildende, Fachkräfte
Bäcker/-in
Konditor/-in
September
Backstube, Duisburg
8.00 – 10. 30 Uhr
Fachverkäufer/-in
07.09.2006
Bildungszentrum des Handwerks
Referenten: Ausbilder im Handwerk
Termin
Unternehmen
19.09.06
Eisenbahn + Häfen
Referenten: Personalabteilung/Ausbildungsbetreuung
21.09. 06
Verband der Spediteure und Logistik, Düsseldorf
Referentin: AUsbildungsleiterin
Rheinkraft International GmbH,
Hamborn
Referent:Abteilungsdirektor
2-jährige Ausbildungen:
BZH
- Bauten- und Objektbe- 13.00 – 15.00 Uhr
schichter
- KFZ-Servicemechaniker
- Tischler
Ausbildungsberufe
Ort /Zeit
Eisenbahner im Betriebs- GHS Emildienst
Rentmeister
9.00 – 11.30 Uhr
Berufe im Bereich Logis- GHS Wiesbadener
tik:
Straße
- Fachkraft für Lagerlogis- 11.30 13.00 Uhr
tik
- Servicefahrer
Speditionskaufmann/frau
Oktober
69
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
18.10.06
20.10.06
Evangelisches Christophoruswerk Altenpflegehelfer/-in
e.V.
1-jährige Ausbildung
Referenten: Ausbildungsleiterin
und Auszubildende
Christophoruswerk
9.30 – 12.00 Uhr
DK Recycling und Roheisen
GmbH
Referenten:Personaldirektor
Ausbildungsleiter, Facharbeiter
Industriemechaniker im
Betriebsdienst
Elektroniker
Bürokauffrau
DK Recycling
12.00 bis 15.00 Uhr
IKEA
Fachkraft für Lagerlogistik
Kauffrau/-mann im Einzelhandel
Duisburg
10.00 – 13.00 Uhr
November
15.11.06
Referenten: Ausbildung, Personalentwicklung)
-Angebot: Bewerbungstraining
Februar
2.2.
Gala – Garten- und Landschaftsverband NRW
Referentin: Öffentlichkeitsarbeit
Landschafts-gärtner
Duisburg-Hamborn
Unterstützung bei der Akquise von Praktika und Ausbildungsplätzen
Die von der Initiative bevorzugte Vorgehensweise, praktische betriebliche Erfahrung
durch zusätzliche Praktika zu ermöglichen, erforderte einen großen logistischen Aufwand und wurde durch ABBEO unterstützt, wo es an konkreten Angeboten mangelte
oder zusätzliche Angebote nachgefragt wurden. Insgesamt wurden 41 Praktikumsplätze über das Projekt ABBEO angeboten. Teils waren Angebote dabei, die
bisher nicht im Fokus der Schüler standen, z.B. in der Briefzustellung oder im Pflegebereich. Viele Anfragen kamen außerdem zu den handwerklichen Berufen, die in
Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft befriedigt werden konnten. Wichtig
ist in diesem Zusammenhang, dass sämtliche angefragten Unternehmen sofort bereit
waren, Plätze zur Verfügung zu stellen – auch wenn vorige Erfahrungen mit Praktikanten nicht immer glücklich waren.
Durch die Vielzahl der Unternehmenskontakte konnten auch etliche Ausbildungsplätze (über 35) direkt oder indirekt angeboten werden. Leider muss festgestellt werden,
dass die Schüler selten diese Chance nutzten. Einigen Schülern gelang es in Auswahlverfahren zu kommen oder sogar einen Ausbildungsplatz. Zu erhalten.
2.3.
Portfolio an Maßnahmen zur Berufsorientierung
Wie oben beschrieben wurden im Laufe des ABBEO Projektes zahlreiche bedarfsgerechte Angebote entwickelt oder aufgegriffen, um SchülerInnen die Gelegenheit zu
geben, sich noch zielgenauer zu orientieren. Dies waren z.B. Impuls-Workshops zur
Lebens- und Berufsorientierung, Benimmkurse zum Kontakt mit Unternehmen oder
Telefontrainings. Mit der Handwerkerschaft wurden Kompetenzchecks und Berufeparcours entwickelt und durchgeführt, damit Schüler sich auch einmal praktisch erproben und ihre Chancen im Handwerk entdecken können. Allerdings zeigten sich
auch hier deutlich die Defizite, wenn berufliche Anforderung und beispielsweise man70
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
gelnde Mathematikkenntnisse Wunsch und Wirklichkeit aufzeigten. Vielen Schülern
fehlte hier eine realistische Einschätzung von eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten,
gerade dies aber wird in den Bewerbungsgesprächen den Schülern abverlangt und
ist unabdingbar für eine berufliche Entscheidung.
Diese Angebote wurden nicht flächendeckend, sondern nach jeweiligem Bedarf abgefragt. Nicht jede Schule wollte oder konnte – beispielsweise aus zeitlichen Gründen – darauf zurückgreifen. Daher sind die Erfahrungen damit unterschiedlich. Sofern es möglich war, hat die Verfasserin an diesen Trainings partiell teilgenommen
um sich einen Eindruck zu verschaffen und Angebote mit weiterzuentwickeln. Ein
konkreter Erfahrungsbericht eines Referenten, Herrn Hanschmidt (Workshop zur Berufs- und Lebensorientierung) wird zur Veranstaltung am 31.05.2007 vorgelegt. Die
Angebote zu Fortbildungen für Lehrer wurden ebenfalls bedarfsgerecht in Anspruch
genommen. Trotz der restriktiven Politik und dem erhöhten Arbeitsaufwand war die
Resonanz auf die Veranstaltungen sehr hoch. Erfreulich ist beispielsweise auch festzustellen, dass die Nachfrage nach einem Lehrerbetriebspraktikum nach einem entsprechenden Workshopangebot gerade aus diesen Hauptschulen kommt.
3.
Erfahrungen und Resultate
3.1
Erfahrungen mit Unternehmen in der Region
Ausgangspunkt der Initiative war die Aussage des RP Büssow, die Wirtschaft engagiere sich zu wenig im Kontext Ausbildung und biete Hauptschülern keine Chancen.
Die Erfahrungen im Projekt zeigen, dass es durchaus reelle Chancen gibt, die vielfach wenig genutzt werden oder unbekannt sind. Die allgemeine Ausbildungsplatzsituation konnte durch die Initiative nicht beeinflusst werden.
Die Bewerbungssituation auf dem gegenwärtigen Ausbildungsmarkt ist für Abgänger
aller Schulformen, die sich um einen Ausbildungsplatz bemühen, denkbar schwierig.
Einerseits fehlen – trotz erheblicher Anstrengungen – immer noch viele Ausbildungsplätze, andererseits bleiben zum Teil etliche Ausbildungsplätze unbesetzt.
Die folgende Zusammenfassung der Ursachen kann nur exemplarisch erfolgen, da
hier keine
umfassende Befragung mit den Unternehmen durchgeführt wurden. Im Rahmen von
ABBEO wurden insgesamt ca. 100 Unternehmen akquiriert. Durchweg signalisierten
die Gesprächspartner ihre Bereitschaft, mit Schulen zusammen zu arbeiten (gemeint
sind hier alle ABBEO Schulen). Sofern das Gespräch im Unternehmen stattfand,
wurden diese Gespräche auch protokolliert Die Ergebnisse können für das Projekt
allerdings durchaus repräsentativ sein, da sich viele Aussagen wiederholen.
3.2.
Wesentliche genannte Ursachen für die mangelnde Ausbildungsreife
bzw. Berufsorientierung von Hauptschülern
Hier noch einmal zusammengefasst die teils schon beschriebenen Ursachen für die
Ablehnung von Bewerbern:
• geringe Kenntnisse über den angestrebten Ausbildungsberuf – keine konkrete
Vorstellung über die Tätigkeiten und Anforderungen
• geringe Kenntnisse über den Ausbildungsbetrieb und die jeweilige Branche
71
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
•
•
•
•
Eindruck von fehlender Motivation und Leistungsbereitschaft
wenig Selbstreflexion zu den eigenen Fähigkeiten und Kenntnissen
stark eingeschränkte kommunikative Fähigkeiten
mangelnde Kenntnisse in den Kernfächern Deutsch und Mathematik
Diese Feedbacks decken sich größtenteils mit den Beobachtungen der Lehrer und
der Berater der Arbeitsagentur – siehe auch Ergebnisse des Testverfahrens. Es
bleibt zu hoffen, dass durch die vereinten Anstrengungen ein Teil der o.g. Faktoren
ausgeschlossen werden kann.
3.3.
Zur Bereitschaft, Hauptschüler in Unternehmen einzustellen
Im Rahmen der Projektarbeit wurden zunächst Branchen und Unternehmen in der
Region identifiziert, die HauptschülerInnen einstellen (würden). Das Ergebnis ist
durchaus positiv: Es gibt nach wie vor etliche Betriebe, die bereit sind, Hauptschüler
einzustellen, bzw. aussagen, dass hier ihre Zielklientel ist. Solide Beherrschung von
Kernkompetenzen in Mathematik und handwerkliches Geschick stehen hier im Vordergrund. Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier manchmal etwas auseinander, da die
Hauptschüler oft nicht mehr die Anforderungen erfüllen, die diese Gruppe möglicherweise vor ca. 15-20 Jahren kennzeichnete. So haben sich beispielsweise etliche
Ausbilder selbst nach einem einfachen Bildungsabschluss nach oben gearbeitet. Der
Ruf nach den „guten Hauptschülern“ ist da, doch diese werden meist in höhere Bildungsabschlüsse weiterempfohlen, so dass diese klassische Zielklientel sich zu diesem Zeitpunkt kaum ansprechen lässt auf eine „Karriere mit Lehre“. In diesem Zusammenhang wäre es einmal wichtig zu erfahren, ob diese Bildungswege auch zum
gewünschten Erfolg führen.
Zum anderen spielt sicherlich auch eine Rolle, dass die Verschiebung der Adoleszenz dazu führt, dass sich viele Jugendliche den Anforderungen in der Berufswelt –
noch nicht - gewachsen fühlen und eine konkrete berufliche Entscheidung vor sich
herschieben.
Die Idee, das regionale Arbeitsumfeld beispielsweise gezielt mit den Schülern zu erforschen, ist bei der Hauptschule Beim Knevelshof geübte Praxis und galt auch für
die anderen Schulen als nachahmungswertes Beispiel. Hier zeigte sich – wie auch in
vielen anderen Bereichen, dass ein intensiver Austausch für alle Beteiligten immer
wieder fruchtbar ist.
3.4.
Anforderungen an Hauptschüler im Bewerbungsprozess heute
Ein Ziel des Projekts war, Schulen die Anforderungen und Kriterien in der Bewerberauswahl in Unternehmen näher zu bringen. Dies geschah vor allem durch die Vermittlung zahlreicher Kontakte zwischen Personalverantwortlichen zu Schülern und
Lehrern. Ausbilder kamen beispielsweise in die Schulen und stellten Berufsbilder vor
und erläuterten die Bewerbungsmodalitäten. Umgekehrt kamen Schüler in Betriebe
und konnten sich vor Ort ein Bild machen. Lehrer äußerten sich positiv über den Effekt, dass einmal „Außenstehende“ den Schülern Botschaften weitergaben, die von
Seiten der Lehrer und auch Eltern nicht immer ernst genommen werden. Bewerbungstrainings wurden gezielt angeboten. Aber auch für viele Pädagogen gab es
72
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
viele neue Aspekte, die sich nur in so einem engen Kontakt zu den Ausbilder ergeben können und in der Offenheit des gegenseitigen Austausches.
Die veränderten Anforderungen in der Arbeitswelt hin zur Dienstleistungsgesellschaft
machen natürlich auch nicht Halt bei den so genannten „einfachen Berufen“. Insofern
sind die Anforderungen insbesondere im Hinblick auf kommunikative Fähigkeiten und
ein großes Maß an Selbstständigkeit gefragt.
Beispielhaft mag das hier am Bewerbungsmanagement der Schüler dargestellt werden. Über eine saubere, gut strukturierte Bewerbungsunterlage hinaus verlangen
Personaler heutzutage vor allem ein gut formuliertes Anschreiben, in dem die Motivation, gerade diesen Beruf ausüben zu wollen, zum Ausdruck kommt und das zeigt,
dass sich der Bewerber aktiv mit dem Unternehmen befasst hat. Dies stellt insbesondere Hauptschüler auf eine große Probe und setzt voraus, dass sich die Schüler
sehr aktiv mit ihrer Berufswahl auseinandersetzen. Häufig werden hier, um das Procedere zu vereinfachen, Textbausteine entwickelt, die sich dann aber in etlichen Bewerbungen wieder finden, die im selben Unternehmen aufschlagen. Auch fehlt es
häufig an der nötigen Sorgfalt, gezielt nach namentlich zu nennenden Ansprechpartnern oder nach der korrekten Berufszeichnung zu suchen.
3.5.
Handlungsfelder Schule und Unternehmen
Die Erfahrungen mit diesem Jahrgang im Projekt zeigen, dass der vertiefte Berufsorientierungsprozess tatsächlich spätestens im 8. Jahrgang beginnen muss, um
Schüler und Schülerinnen beruflich zu orientieren. Schüler wissen viel zu wenig über
ihre möglichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die enge Zusammenarbeit mit der
Wirtschaft ist dringend erforderlich, um Voraussetzungen und Eckdaten zu kennen.
Häufige Fehler, die vermieden werden könnten:
• Schüler setzten sich immer noch zu wenig mit künftigen Arbeitsfeldern und den
Betrieben, in denen sie sich bewerben, auseinander
• Schüler bewerben sich zu spät oder gar nicht
• Problematik Berufskolleg: Nach den Anmeldefristen geht es für die Schüler „irgendwie“ weiter
• Fehlende Motivation (zu wenige Bewerbungen, kein Interesse an unbekannten
Berufsfeldern, mangelnde Eigeninitiative)
Eine bessere Kenntnis der beruflichen Anforderungen und Bewerbungsmodalitäten
bei Schülern und Lehrern kann helfen, den Bewerbungsprozess besser zu koordinieren. Tatsache ist, dass Schule nicht leisten kann, was zum Teil erforderlich wäre, um
Schüler „in Bewegung“ zu setzen. Ein überraschendes Ergebnis ist sicherlich, dass
Schüler konkrete Ausbildungsangebote oft ausschlagen bzw. nicht zeitnah darauf
reagieren.
Hier ist Ursachenforschung weiterhin wichtig. Möglicherweise kann auch das Konzept der „Ausbildungspatenschaften“, das zu Beginn der Maßnahme diskutiert wurde,
helfen, die Arbeit der Lehrer zu unterstützen. Ausbildungspaten begleiten SchülerInnen kontinuierlich in ihrem Bewerbungsprozess und sorgen dafür, dass Bewerbungen geschrieben und abgegeben werden und dass die Kandidaten auch tatsächlich
und vorbereitet zum Bewerbungsgespräch erscheinen.
73
Helga Kleinkorres: ABBEO im Kontext des Projektes
Im Verlauf des Projektes hat sich herausgestellt, dass die nachfolgenden Jahrgänge
von den Erfahrungen der Kollegen durchaus profitieren. Beispiel: Die GHS HeinrichBöll und GHS Beim Knevelshof nahmen das Angebot eines schulinternen ABBEOWorkshops Anfang Herbst 2006 an, um sich jahrgangsübergreifend über den Projektstatus auszutauschen. Hier waren der Jahrgang 8, der nun mit ABBEO startete,
genauso dabei wie die Projektstarter der ersten Stunde (Jahrgang 9) und die Schüler
der Büssow-Initiative (Jahrgang 10). Es war ein guter Anfang, alle Kollegen dieser
Jahrgänge mit „ins Boot zu holen“ und von den Erfahrungen der Kollegen profitieren
zu lassen.
Die angesprochenen Unternehmen zeigten sich sofort bereit, im Rahmen des Schulprojektes mitzuwirken. Schwieriger ist es, die Unternehmen dann auch tatsächlich ins
alltägliche Schulleben zu integrieren. Als Praktikumsgeber sind sie willkommen, als
Unterrichtsbegleiter - Stichwort Praxislernen – schwer zu integrieren. Zu diesem
Zeitpunkt im Projekt war eine andere Umsetzung allerdings nicht leistbar. Einige
Schulen haben inzwischen engere Kooperationen mit Unternehmen beschlossen
oder umgesetzt.
Da viele Projekte und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen Praktika bei den Unternehmen abfragen, sind diese aktuell stark in Anspruch genommen. Viele Schülerpraktikanten haben auf diesem Markt weniger Chancen, die Qualität der Praktika darf
darunter keinesfalls leiden. Der beschrittene Weg, mehr zweijährige Ausbildungsangebote zu schaffen, gibt auch Hauptschülern ohne FOR–Abschluss eine Chance,
auch wenn diese noch viel zu wenig genutzt wird. Zu diesen Abschlüssen müssen
verstärkt Informationen in Schulen und auch in Elternhäuser fließen um sie attraktiv
zu machen.
74
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
Zielgerichtete Testung
Den am Projekt beteiligten Schulen war es wichtig, ihre Schüler „zielgerichtet“ auf
betriebliche Ausbildungen vorzubereiten bzw. geeignete individuelle Fördermaßnahmen anzubieten. Um dies zu erreichen, war es von Bedeutung, den aktuellen Stand
(bezogen auf schulabhängige Kenntnisse) ihrer Schüler in entsprechenden betrieblichen Auswahlverfahren zu erfahren. Leider war es dazu nicht möglich, auf die betrieblichen Testverfahren zurückzugreifen, sondern es mussten andere Möglichkeiten
der objektiven Erfassung dieser Kenntnisse gewählt werden.
Hier bot es sich an, den Psychologischen Dienst der Agentur für Arbeit zu nutzen,
der unter anderem mit dem Berufswahltest (BWT) über eine Eignungsuntersuchungsserie verfügt, die den betrieblichen Testverfahren sehr ähnlich ist. Dieser Test
beinhaltet Verfahren, die unter anderem „Räumliches Vorstellen“, „Rechnerisches
Denken“, „Sprachbeherrschung“ und „Rechtschreibung“ erfassen.
Bei dem Berufswahltest handelt es sich um ein Verfahren, das sich an Haupt- und
Realschüler ab 14 Jahren wendet, die eine berufliche Ausbildung anstreben. Der Berufswahltest soll den Schülern bei der Beantwortung folgender Fragen helfen:21
-
Bringe ich die Voraussetzungen für meine Wunschberufe mit?
Wie kann ich mehr über meine Fähigkeiten und beruflichen Interessen erfahren?
Welche Berufe/Berufsbereiche passen zu mir?
Soll ich eine weiterführende Schule besuchen?
Bundesweit werden jährlich ca. 35.000 Untersuchungen mit diesem Berufswahltest
durchgeführt, aber die tatsächliche Anzahl der Personen, die jährlich Tests aus dieser Batterie bearbeiten, ist noch wesentlich höher (über 100.000 Ratsuchende), denn
die Verfahren des BWT sind auch Bestandteil von zahlreichen psychologischen Untersuchungen in den Arbeitsagenturen. Dabei liefert der Berufswahltest nicht nur
schulbezogene Vergleichswerte, sondern auch berufsbezogene.
In kurzfristigen Abständen werden regelmäßig Überprüfungen vorgenommen, ob die
erhobenen Vergleichswerte noch gültig sind. Die zuletzt durchgeführte Untersuchung
fand im Jahre 2004 statt. Daran wird deutlich, dass es sich bei diesem Testverfahren
um ein wissenschaftlich abgesichertes Verfahren handelt, mit einer Datenbasis, die
viele andere auf dem Markt verwendete Tests nicht vorweisen können.22
Frühere Ergebnisse des Berufswahltestes wurden beispielsweise für die Feststellung
von Veränderungen in den kognitiven Leistungsvoraussetzungen der Schulabgänger
hinzugezogen oder verwendet.23 In diesem Artikel ist sicherlich die schon 1979 von
Seiten der Ausbildungsbetriebe geäußerte Kritik interessant, dass die tatsächlichen
Leistungen der Bewerber nicht den betrieblichen Anforderungen entsprechen.
21
so der Flyer „Fit für den Sprung ins Berufsleben?“ der Bundesagentur für Arbeit
Weiter gehende Informationen dazu enthält der Artikel von W. Engelbrecht, Computerunterstützte
berufsbezogene Testauswertung im Dienst der Berufsberatung, Zeitschrift für Arbeits- u. Organisationspsychologie (1994) 38 (N.F.12) 4)
23
siehe dazu den Berufsbildungsbericht 1999, „Leistungsvoraussetzungen von Schulabgängern und
Schulabgängerinnen“; Quelle:
http://berufsbildungsbericht.info/_htdocs/bbb1999/teil2/kap_3/teil2_3_2_6.htm
22
75
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
Die Testdurchführung
Zur Feststellung der Ausgangssituation an den Schulen des Projektes stützte sich
der Psychologische Dienst der Agentur für Arbeit u. a. auf folgende Testverfahren
aus dem BWT:
Sprachbeherrschung, bestehend aus:
- Sprachlogisches Denken
- Sprachliche Abstraktionsfähigkeit
Rechtschreibung
Rechnerisches Denken, bestehend aus:
- Textrechnen
Grundrechnen
Bruch-, Dezimal-, Prozentrechnen24
Um den Schülern eine Rückmeldung nicht nur über ihre Kenntnisse in den Bereichen
Deutsch und Mathematik geben zu können, sondern ihnen eventuell auch Tipps und
Hinweise für ihre weiteren beruflichen Zielplanungen mitteilen zu können, wurden
zusätzliche Verfahren aus dem BWT zum räumlichen Vorstellungsvermögen und
zum technischen Verständnis (wichtig für viele handwerklich-technische Berufe) mit
einbezogen, Verfahren, die kein Schulwissen, sondern eher die Begabung für bestimmte Bereiche erfassen.
Auch wurde der Faktor „Logisches Denken“ gesondert durch zwei Verfahren aus
dem Leistungsprüfsystem von Horn25 erfasst. Die Fähigkeit, logisch zu denken wird
in zahlreichen Intelligenztheorien als Bestandteil menschlicher Intelligenz betrachtet
und findet somit auch Eingang in entsprechenden Testverfahren zur Personalauswahl.
Die Ergebnisse in den Bereichen Deutsch und Mathematik dieser ersten Untersuchung im Jahre 2005 bildeten für entsprechende Fördermaßnahmen die Grundlage.
Dabei wurde für jeden Schüler ein Datenblatt mit seinen Leistungen in den einzelnen
Aufgabengruppen erstellt, um individuell den Förderbedarf festzuhalten.
Die Gesamtergebnisse dieser Untersuchungen im Jahre 2005 sind nachfolgend
dargestellt. Untersucht wurden insgesamt 207 Schüler der 8. Klassen von 4 Hauptschulen.
24
Die Beispielaufgaben zum mathematischen Teil sind im Anhang enthalten.
In diesem Zusammenhang sei auch auf den Artikel von L. Schmitz-Atzert, B. Deter und S. Jaeckel,
Prädiktion von Ausbildungserfolg: Allgemeine Intelligenz (g) oder spezifische kognitive Fähigkeiten?,
(Zeitschrift für Personalpsychologie, 3 (4), 147-158, Hogrefe Verlag, Göttingen 2004) verwiesen.
25
Wolfgang Horn: Leistungsprüfsystem, Göttingen 1983, Hogrefe
76
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
(n=207)
unterdurchschnittliche Leistungen
durchschnittliche Leistungen
überdurchschnittliche Leistungen
Logisches Denken
28,1 % (58)
59,9 % (124)
11 % (25)
Sprachbeherrschung
63,8 % (132)
33,8 % (70)
2,4 % (5)
57 % (118)
37,7 % (78)
5,3 % (11)
Rechnerisches Denken
60,9 % (126)
37,7 % (78)
1,5 % (3)
Räumliches Vorstellen
48,3 % (100)
47,8 % (99)
3,9 % (8)
Technisches Verständnis
49,2 % (102)
44,9 % (93)
5,8 % (12)
Rechtschreibung
Die Ergebnisse zeigen sehr anschaulich, dass über 70 % der Schüler über zumindest
ausreichende und bessere Fähigkeiten im schlussfolgernden sprachfreien Denken
verfügen, eine wichtige Voraussetzung, um überhaupt lernen zu können. Im Bereich
der Kulturtechniken dagegen verfügt über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler
nicht über eine ausreichende Sprachbeherrschung. Ebenso unzureichend sind die
Rechtschreibkenntnisse und die Leistungen in der Aufgabengruppe „Rechnerisches
Denken“. In den schulunabhängigen Aufgabengruppen „Räumliches Vorstellen“ und
„Technisches Verständnis“, Aufgaben, die eher die Begabung erfassen, also kein
Schulwissen, gibt es eine Gleichverteilung, was unterdurchschnittliche und durchschnittliche (und bessere) Leistungen betrifft.
Rechenart
(n=207)
beherrscht
nicht beherrscht
Addition
93,2 % (193)
6,8 % (14)
Subtraktion
71,0 % (147)
29,0 % (60)
Multiplikation
73,4 % (152)
26,6 % (55)
Division
45,9 % (95)
54,1 % (112)
Bruchrechnen
9,7 % (20)
90,3 % (187)
Dezimalrechnen
15,0 % (31)
85,0 % (176)
Prozentrechnen
6,8 % (14)
93,2 % (193)
77
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
Von den vier Grundrechenarten beherrschen die Schülerinnen und Schüler das Addieren am besten. Jede vierte Schülerin bzw. Schüler kann dagegen von fünf einfachen Subtraktionsaufgaben keine vier Aufgaben richtig lösen. Dies gilt auch für das
Multiplizieren. Noch größere Probleme zeigen sich beim Dividieren. Hier gelingt es
noch nicht einmal jeder zweiten Schülerin/jedem zweiten Schüler, vier von fünf einfachen Divisionsaufgaben erfolgreich zu bearbeiten.
Unzureichende Kenntnisse sind außerdem im Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnen
festzustellen. Von zehn Schülern gelingt es einem beispielsweise im Bruchrechnen,
von vier Aufgaben drei richtig zu lösen. Das Dezimalrechnen gelingt etwas besser
(15 % beherrschen es), jedoch nur 14 Schüler von 207 (nur 6,8 %) „beherrschen“
das Prozentrechnen.
Ergebnisse der Leistungstests an den vier Duisburger Hauptschulen im Sommer 2005 und Frühjahr 2007 im Vergleich
Um abzuklären, inwieweit die Förder- bzw. Unterstützungsmaßnahmen an den vier
Schulen gegriffen haben, wurde im März 2007 eine erneute Testung durchgeführt.
Es wurde sich aber jetzt darauf beschränkt, ausschließlich die geförderten Bereiche
abzufragen. Es wurden also ausschließlich Verfahren zur Überprüfung der sprachlichen und mathematischen Leistungen eingesetzt, um in einem direkten Vergleich
zum Test im Jahr 2005 Veränderungen abzulesen. An dieser Vergleichsuntersuchung nahmen insgesamt 135 der vorherigen 207 Schüler teil, und die Ergebnisse
dieser 135 Schüler bilden die Grundlage für den Vergleich.
unterdurchschnittliche durchschnittliche überdurchschnittliche
Leistungen
Leistungen
Leistungen
(n=135)
2005
2007
2005
2007
2005
2007
Sprachbeherrschung
61,5%
(83)
38,5%
(52)
37,0%
(50)
43,7%
(59)
1,5%
(2)
17,8%
(24)
Rechtschreibung
59,3%
(80)
37,0%
(50)
34,1%
(46)
51,1%
(69)
6,7%
(9)
11,9%
(16)
Rechnerisches Denken
58,5%
(79)
48,9%
(66)
40,0%
(54)
42,3%
(57)
1,5%
(2)
8,9%
(12)
Die Ergebnisse zeigen, dass es den Schülern im Vergleich zur ersten Testung gelungen ist, sich hoch signifikant zu verbessern. Während 2005 61,5 % der Schüler
keine ausreichende Sprachbeherrschung aufweisen konnten, sind es im Jahr 2007
nur noch 38,5%. Auch in der Rechtschreibung sind entsprechende Verbesserungen
78
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
festzustellen. Noch 2005 zeigten 80 Schüler (59,3%) keine ausreichenden Rechtschreibleistungen, im Jahr 2007 dagegen waren es „nur“ noch 50 (37%). 79 Schüler
(58,5%) hatten 2005 im rechnerischen Denken größere Schwierigkeiten. Im Jahr
2007 waren/sind es „nur“ noch 66 Schüler (48,9%). Die statistische Überprüfung dieser Verbesserungen bestätigt in den genannten Vergleichsgruppen hoch signifikante
Unterschiede auf einem Signifikanzniveau von 5% (bei zweiseitiger Fragestellung).
Inwieweit diese Unterschiede (Verbesserungen) nun auch tatsächlich (unter streng
wissenschaftlichen Gesichtspunkten) in erster Linie auf die Fördermaßnahmen zurückzuführen sind, kann jedoch leider aus psychologischer Sicht nicht eindeutig beantwortet werden. Es fehlen zum Vergleich Testergebnisse von einer Gruppe von
Schülern, die keine Fördermaßnahmen erhalten haben.
Rechenart
beherrscht
nicht beherrscht
(n=135)
2005
2007
2005
2007
Addition
94,1% (127) 95,6% (129)
5,9% (8)
4,4% (6)
Subtraktion
74,8% (101) 80,7% (109)
25,2% (34)
19,3% (26)
Multiplikation
74,1% (100)
71,1% (96)
25,9% (35)
28,9% (39)
Division
50,4% (68)
51,9% (70)
49,6% (67)
48,1% (65)
Bruchrechnen
11,1% (15)
14,8% (20)
88,9% (120) 85,2% (115)
Dezimalrechnen
15,6% (21)
29,6 (40)
Prozentrechnen
6,7% (9)
17,8% (24)
84,4% (114)
70,4 (95)
93,3% (126) 82,2% (111)
Signifikant bessere Leistungen gelingen den Schülern ebenfalls im Bruch-, Dezimalund Prozentrechnen. Im Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnen sind teilweise erhebliche Steigerungen (z.T. über 10%) festzustellen, dennoch kommen über die Hälfte
der Schüler mit diesen Rechenarten immer noch nicht ausreichend zurecht. Hier ist
somit noch Handlungsbedarf, um die Schüler konkurrenzfähiger zu machen. Verbesserungen sind auch in der Bearbeitung der Subtraktionsaufgaben festzustellen, jedoch sind diese nicht signifikant.
Besonders auffällig ist noch ein Ergebnis. Multiplikationsaufgaben wurden 2005 besser gelöst als in diesem Jahr. Die Unterschiede sind jedoch nicht signifikant, so dass
es sich wohl eher um „zufällige“ Unterschiede handelt. Keine wesentlichen Unterschiede zeigen sich bei der Überprüfung der Leistungen beim Dividieren.
79
Rüdiger Bongers: Der Beitrag des Psychologischen Dienstes der Arbeitsagentur
Anhang
Beispielaufgaben:
Textrechnen (Rechnerisches Denken):
Die Herstellung eines Kastens dauert ½ Stunde. Wieviel Kästen werden in 15 Stunden hergestellt?
Walter verdient 13 € pro Stunde. Wieviel € verdient er in 7 Stunden?
Grundrechnen:
Eine Rechenart gilt als beherrscht, wenn von 5 Aufgaben mindestens 4 gelöst werden.
Addition: 369 + 789
Subtraktion: 1745 – 868
Multiplikation: 24 x 38
Division: 1680 : 48
Bruch-, Dezimal- und Prozentrechnen
Eine Rechenart gilt als beherrscht, wenn von 4 Aufgaben mindestens 3 gelöst werden.
Bruchrechnen: 1/8 : 1/3
Dezimalrechnen: 9 : 0,3
Prozentrechnen: 4 ist ? % von 80
80
Michael Vogel: Aktivitäten der HKM mit der Partnerschule „Beim Knevelshof“
Kurzer Abriss der Aktivitäten der HKM mit der Partnerschule „Beim Knevelshof“, Duisburg
Wir haben unsere Aktivitäten auf die Schulabgänger 2007 konzentriert. Frau Kroll, im
Rahmen der Initiative tätige Lehrerin an der Schule „Beim Knevelshof“, hat zunächst
die Anzahl der Schulabgänger insgesamt festgestellt. Dies waren 65.
Anschließend hat sie analysiert, wer von den Schulabgängern an den bei HKM ausgebildeten Berufen im Metall- und Elektrobereich interessiert ist. Das waren zehn
ernsthaft Interessierte. Diese zehn Schüler haben in enger Abstimmung mit mir als
zuständigem Ausbildungsleiter der HKM das Erstellen von Bewerbungen in der
Schule trainiert, zusätzlich gab es über einen längeren Zeitraum intensiven Unterricht, ebenfalls in der Schule, zu den möglichen Themen im Eignungstest.
Alle zehn interessierten Schüler waren dann geschlossen beim Eignungstest bei
HKM. Das Ergebnis war, dass vier von zehn bestanden haben, anschließend durch
ein Assessmentcenter gelaufen sind und ab 13. August 2007 eine Ausbildungsstelle
haben, vorbehaltlich des Ergebnisses der werksärztlichen Untersuchung bei HKM.
Wir meinen, dass vier erfolgreiche (von zehn) Bewerbern ein toller Erfolg ist. Wir haben mit dieser Aktion einen kompletten Jahrgang, der sich vorher als interessiert gemeldet hat, erfasst und den Leistungsstand im Eignungstest chancengleich analysiert.
Besonders erfreulich ist, dass von den vier Bestehern drei einen Migrationshintergrund haben.
Die im Eignungstest ermittelten "Grenzgänger" werden von der Schule weiter betreut.
Die Büssowinitiative war aus unserer Sicht ein guter Erfolg. Die vier Schüler hätten
ohne die intensive Betreuung durch die Schule und die ebenso intensive Beratung
durch HKM möglicherweise keine Ausbildungsstelle erhalten.
81
Volker Grotensohn: Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
Ausgangslage
Während die Anforderungen an eine duale Ausbildung in vielen Berufen kontinuierlich steigen, wächst die Zahl von Schulabgängern/-innen, die diesen Anforderungen
nicht gerecht werden. So haben bei der ThyssenKrupp Steel AG am Standort Duisburg im Einstellungsjahr 2006 von 1328 getesteten Bewerbern für einen industrielltechnischen Beruf 60 % den Einstellungstest nicht bestanden. Bei den Bewerbern
mit Hauptschulabschluss lag die Quote deutlich höher. Die Struktur der Bewerber
nach Schulabschlüssen für die industriell-technischen Berufe zeigt nachfolgende
Grafik:
Bei den Bewerbern um einen kaufmännischen oder IT-Beruf fallen diejenigen mit einem Hauptschulabschluss nicht ins Gewicht (2 %).
Insgesamt haben sich am Standort Duisburg 312 junge Menschen mit einem Hauptschulabschluss beworben, von denen 209, also 67 %, zum Einstellungstest eingeladen wurden. 182 (87 %) haben am Test teilgenommen; eingestellt wurden schließlich
12 (7 %) junge Menschen mit Hauptschulabschluss. Zum Vergleich: für alle industriell-technischen Berufe lag die Quote der besetzten Ausbildungsplätze zu den Bewerbungen bei 1:16, also 6,25 %, wobei die Quoten in den einzelnen Berufen sehr
unterschiedlich sind und zwischen 1 % (Chemielaboranten) und 20 % (Tischler) liegen.
Das Verhältnis 1:16 zwischen den zu besetzenden Ausbildungsplätzen (143) und der
Anzahl der Bewerber (2279) suggeriert, dass ThyssenKrupp Steel am Standort Duisburg, sozusagen „aus dem Vollen“ schöpfen und alle Ausbildungsplätze nur mit sehr
guten Ausgewählten und Abiturienten besetzen könnte. Dieser Eindruck ist falsch !
82
Volker Grotensohn: Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
Tatsache ist, das ThyssenKrupp Steel jedes Jahr bis zum letzten Tag vor Ausbildungsbeginn geeignete Bewerber sucht und in einzelnen Berufen auch Jugendliche
einstellt, die den selbst gesetzten und allgemeinen Anforderungen (siehe unten) nicht
entsprechen. Aus diesem Grund unterstützt ThyssenKrupp Steel auch die BüssowInitiative, weil sich einerseits für den Hauptschüler aufgrund der vielfältigen Maßnahmen eine realistische Perspektive für den Arbeitsmarkt entwickeln kann und andererseits die prinzipiell vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen dieser Personengruppe für die Ausbildung bei TKS von Nutzen sein können.
1
Anforderungen der Wirtschaft an Bewerber
Die Anforderungen der Wirtschaft an Lehrstellenbewerber sind im Faltblatt „Was
erwartet die Wirtschaft von den Schulabgängern?“ der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen eingehend beschrieben.26 Die wichtigsten Kriterien für die Auswahl von Auszubildenden sind:
Fachliche Kompetenzen
1. Grundlegende Beherrschung der deutschen Sprache
- klare Sprache, verständliche Formulierungen
- Rechtschreibung und Grammatik
2. Beherrschung einfacher Rechentechniken
- Grundrechenarten
- Dezimalzahlen und Brüche
- Maßeinheiten
- Dreisatz und Prozentrechnen
- Berechnung von Fläche, Volumen und Masse
- Grundlagen der Geometrie
- Textaufgaben verstehen
Soziale Kompetenzen
1. Kooperationsbereitschaft – Teamfähigkeit
2. Höflichkeit – Freundlichkeit
3. Konfliktfähigkeit
4. Toleranz
26
vgl. den Hinweis im Beitrag Rehn auf S. 3, Fußnote 1
83
Volker Grotensohn: Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
Persönliche Kompetenzen
1. Zuverlässigkeit
2. Lern- und Leistungsbereitschaft
3. Ausdauer – Durchhaltevermögen – Belastbarkeit
4. Sorgfalt – Gewissenhaftigkeit
5. Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik
Auffällig ist, dass die größten Defizite eindeutig im Bereich der Beherrschung einfacher Rechentechniken liegen.
Die Aufstellung der 10 wichtigsten Eigenschaften bei Auszubildenden sieht so aus.
Merkmale von Ausbildungsreife („Top Ten“)
Einschätzungen der Fachleute
Einschätzungen der Auszubildenden
1. Zuverlässigkeit
1. Zuverlässigkeit
2. Bereitschaft zu lernen
2. Bereitschaft zu lernen
3. Bereitschaft, Leistung zu zeigen
3. Bereitschaft, Leistung zu zeigen
4. Verantwortungsbewusstsein
4. Höflichkeit
5. Konzentrationsfähigkeit
5. Verantwortungsbewusstsein
6. Durchhaltevermögen
6. Konzentrationsfähigkeit
7. Beherrschung der Grundrechenarten
7. Durchhaltevermögen
8. Einfaches Kopfrechnen
8. Beherrschung der Grundrechenarten
9. Sorgfalt
9. Sorgfalt
10. Rücksichtnahme
10. Selbstständigkeit
2
Wahrnehmung von Hauptschüler/-innen
Die Hauptschüler/-innen, die sich bei TKS bewerben, ein Praktikum absolvieren oder
am Tag der offenen Tür erscheinen, fallen auf:
-
Sie haben oftmals schlechte Deutschkenntnisse.
-
Ihr Sozialverhalten entspricht häufig nicht den Vorstellungen; sie verhalten
sich unangepasst und wirken uninteressiert.
-
Die Bewerbungsunterlagen haben vielfach Formfehler und Rechtschreibmängel.
84
Volker Grotensohn: Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
-
Im persönlichen Gespräch sind sie häufig unbeholfen, wenig mitteilsam und
uninformiert.
Trotzdem entsteht oft der Eindruck, dass in dieser Personengruppe ein Potential vorhanden ist, das weitaus größer ist, als die äußeren Erscheinungsformen erkennen
lassen.
3
Ausbildungserfolg und Schulabschlüsse
Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde der Auswahlprozess für Auszubildende bei
ThyssenKrupp Steel evaluiert. Dafür ist ein Teil der umfänglichen Daten (TKS stellt
seit Jahren ca. 320 Auszubildende pro Jahr ein und erhält pro Jahr ca. 6500 Bewerbungen) des Einstellungsprozesses bei ThyssenKrupp Steel analysiert und bewertet
worden. Die abschließende Auswertung ergab u.a.:
-
Der Anteil der Hauptschüler an den Ausgebildeten lag im industrielltechnischen Bereich bei ca. 5 %, im kaufmännischen Bereich bei ca. 0 %.
-
Die Anzahl der geeigneten Bewerber (nach Einstellungstest) im Verhältnis
zur Gesamtzahl der Bewerber ist in den einzelnen Berufen sehr unterschiedlich.
-
In einem Beruf gibt es weniger geeignete Bewerber als Ausbildungsplätze,
obwohl sich elfmal mehr Schulabgänger beworben haben, als Plätze vorhanden waren.
-
Auszubildende mit höheren Schulabschlüssen zeigen bessere Leistungen in
der Abschlussprüfung.
-
Auszubildende mit höheren Schulabschlüssen zeigen keine besseren Leistungen im praktischen betrieblichen Einsatz.
Zusammenfassung der Evaluation des Auswahlprozesses für die industrielltechnischen Berufe
Trotz der vielen Bewerbungen und der hohen Bewerberquote gibt es für einzelne
Berufe nicht ausreichend geeignete Bewerber. Auszubildende mit Hauptschulabschluss haben geringere Chancen eingestellt zur werden, erreichen niedrigere
Durchschnittswerte in der Abschlussprüfung, werden aber im praktischen Einsatz in
den Betrieben und Abteilungen nicht schlechter bewertet als Auszubildende mit höherem Schulabschluss.
Da für den beruflichen Erfolg die Beurteilung durch die Fachkräfte und Vorgesetzten
innerhalb eines Unternehmens bedeutsamer ist als die Abschlussnote, sind die Ausgebildeten mit Hauptschulabschluss insgesamt nicht schlechter zu bewerten als andere.
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Volker Grotensohn: Ausbildung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss
4
Bedeutung des „Kennens“ von Hauptschülern bei der Bewerberauswahl
Aus den zuvor beschriebenen vielschichtigen Erfahrungen hinsichtlich der Beteiligung und des geringen Erfolges von Bewerbern mit Hauptschulabschluss innerhalb
des regulären Auswahlverfahrens bei der ThyssenKrupp Steel AG, muss, damit
Hauptschüler gleichberechtigte Chancen haben, das Bewerbungsverfahren um eine
auf die Bedürfnisse der Hauptschüler ausgerichtete Komponente erweitert werden.
ThyssenKrupp Steel hat im Rahmen des Projektes „Stärkung der Ausbildungsreife
und Berufswahlorientierung von Duisburger Hauptschülern“ positive Erfahrungen mit
Hauptschülern gemacht, die über einen längeren Zeitraum jeweils einen Tag in der
Woche ein Praktikum absolvierten. Die Schüler wurden mit unterschiedlichen handwerklichen Aufgaben betraut. Bei der Abwicklung konnten die oben beschriebenen,
notwendigen Kompetenzen beobachtet und erkannt werden. Auch wenn die Teilnehmer an diesem Praktikum den Einstellungstest nicht bestanden, konnte ihnen die
„Ausbildungsreife“ attestiert werden. Die festgestellten Defizite im Test resultieren
m. E. aus der kurzen Verweildauer (ca. drei Jahre) in der BRD und können in der
Ausbildung ausgeglichen werden.
Ohne den Aspekt „Kennen“ hätten die im Rahmen des Projektes “Stärkung der Ausbildungsreife und Berufswahlorientierung von Duisburger Hauptschülern“ besonders
geschulten Hauptschüler wohl keine Chance auf einen Ausbildungsplatz bei ThyssenKrupp Steel gehabt.
In die Richtung „Kennen“ geht auch eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme,
die TKS in Kooperation mit der katholischen Jugendberufshilfe „Duisburger Werkkiste“ und der Agentur für Arbeit Duisburg seit Jahren durchführt.
Die Beurteilung der Teilnehmer hinsichtlich der Kenntnisse, Fertigkeiten und Schlüsselqualifikationen erfolgt durch regelmäßige gemeinsame Treffen der Ausbilder und
Lehrer der beiden Lernorte. Dadurch wird eine differenzierte Einschätzung der Stärken und Schwächen jedes Teilnehmers gewährleistet, denn häufig stehen guten
praktischen Fähigkeiten desolate schulische Leistungen gegenüber.
Der über neun Monate laufende Lehrgang ermöglicht es, Ausbildern und Lehrern
Tendenzen und Entwicklungen der Teilnehmer genauer zu erfassen, so dass eine
Entscheidung hinsichtlich einer Übernahme in ein Ausbildungsverhältnis leichter zu
treffen ist.
In den vergangenen Jahren konnten auf diese Weise jeweils 13 bis 14 Jugendliche
eine Ausbildung bei ThyssenKrupp Steel beginnen.
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Elisabeth Schulte, UnternehmerverbandsGruppe e.V.:
Bewerber-Chancen aus Unternehmer-Sicht und Konsequenzen
Bewerber-Chancen aus Unternehmer-Sicht und Konsequenzen
Immer wieder ist zu hören: „Hauptschüler haben sowieso keine Chance am Ausbildungsmarkt“. Dieses Urteil ist nicht nur falsch, sondern auch verheerend in seiner
Wirkung vor allem auf die SchülerInnen. Bekommen diese nämlich das nur allzu oft
gesagt, so glauben sie daran, und es passiert das Schlimmste, was passieren kann:
Sie geben sich selbst auf, bemühen sich nicht um Lernerfolg in der Schule und bewerben sich erst gar nicht. Somit haben sie tatsächlich keine Chance.
Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Die Büssow-Initiative zeigt, dass es mit
vereinten Kräften geht, jedenfalls ein Stück weit. Es lassen sich keine Wunder vollbringen, aber jeder einzelne, der eine Perspektive erhält – sei es in der Ausbildung,
in einer konkreten Zusage auf Ausbildung in einem Jahr, sei es durch eine Arbeitsstelle oder durch bessere Kenntnis und gestärkte Persönlichkeit, mit der er oder sie
die weitere Schullaufbahn einschlägt –, zeigt, dass sich das Engagement lohnt.
Gespräche mit Ausbildern oder Personalleitern machen deutlich, was auch die Erfahrungen aus der Büssow-Initiative bestätigen: Unternehmen lehnen nicht Bewerber ab, nur weil sie aus der Hauptschule kommen. Es lohnt, tiefer nach den Wurzeln
zu forschen, warum so wenige Hauptschulabsolventen in Ausbildung gelangen, um
gezielt ansetzen zu können, die Chancen zu verbessern.
„Die Wirtschaft“ einheitlich gibt es sowieso nicht. Insofern gilt es, bereits hier zu differenzieren: Es gibt Unternehmen, die gerne Hauptschüler nehmen. Gymnasiasten
sind für sie überqualifiziert und springen später ins Studium ab – dann lohnt sich der
Aufwand nicht. Realschüler sind schon häufiger eine ernst zu nehmende Konkurrenz
für Hauptschüler. Aber wenn ein Hauptschüler richtig Werkunterricht mit Metall oder
Holz gehabt hat, ist er so manchem kopflastigen Realschüler im betrieblichen Alltag
überlegen. Es hängt wirklich davon ab, was der Betrieb benötigt.
Daher sind viele Unternehmer erst einmal offen gegenüber der Schulform: Viel wichtiger ist, dass der Bewerber pünktlich, einsatzbereit und zuverlässig ist und nicht
zwei linke Hände hat. Das reicht so manches Mal schon aus. Um das zu beweisen,
helfen allerdings weniger Schulnoten als das persönliche Kennenlernen.
Andere Unternehmen suchen sich ihre passenden Bewerber über einen Test aus.
Da hängt es davon ab, ob dieser theoretisch anspruchsvoll ist oder eher Allgemeinwissen, logisches Denken oder räumliches Denkvermögen abfragt. Hier hängt das
Bestehen des Tests also auch nicht von der Schulform ab als vielmehr davon, ob
solche Tests vorher geübt wurden. Natürlich gibt es Erfahrungswerte bei Firmen, so
dass immer wieder die Äußerung kommt: „Schüler mit dem Hauptschulabschluss
10A schaffen unseren Test in der Regel nicht.“ Damit sind aber eben nicht Hauptschüler von vorne herein ausgeschlossen.
Ein gewisses Niveau muss über Test oder generell Bewerbungsunterlagen natürlich
nachgewiesen werden, weil die Unternehmen genau wissen, dass sonst der Jugendliche die Abschlußprüfung insbesondere im theoretischen Teil nie schaffen
wird. Dies ist auch ein Schutz für die Jugendlichen, damit sie nicht unnötig sich auf
bestimmte Berufe konzentrieren und drei Jahre später feststellen, dass alles umsonst war.
87
Elisabeth Schulte, UnternehmerverbandsGruppe e.V.:
Bewerber-Chancen aus Unternehmer-Sicht und Konsequenzen
Zu Beginn der Bewerbungsphase müssen bereits Grundstandards in den Bewerbungsunterlagen eingehalten worden sein – aber auch dies ist nicht abhängig von
der Schulform, sondern davon, wieviel Mühe sich der Bewerber macht, z.B. sich über den Beruf zu informieren und das Unternehmen, bei dem er sich bewirbt.
Letztlich entscheidend ist natürlich auch das persönliche Auftreten des Kandidaten
im Bewerbungsgespräch. Aber auch hier erwartet der Ausbilder nicht geistiges
Hochreck, sondern eher authentisches Herüberbringen seiner Persönlichkeit. Wenn
die Noten in relevanten Fächern nicht zu schlecht sind, ist entscheidend, ob der Bewerber in seinem Charakter zur Belegschaft paßt.
In unserer jahrzehntelangen Erfahrung als UnternehmerverbandsGruppe mit Unternehmen und Schulen – seit über 40 Jahren organisiert der Unternehmerverband den
Pädagogen Einblicke in die Wirtschaft vor Ort – und in unseren daraus mit der Tochtergesellschaft UnternehmerHaus AG entwickelten wirtschaftsbezogenen Schulprojekten wie Unternehmen#Schule in Oberhausen oder ABBEO in Duisburg und im
Kreis Wesel zeigt sich, dass Information, praktisches Kennenlernen von Wirtschaft,
Berufen und „selber machen dürfen“ das A und O sind, um Schüler besser auf das
Berufsleben vorzubereiten. Wenn SchülerInnen wissen, warum sie mathematische
Formeln lernen sollen – nämlich weil der Betrieb um die Ecke diese zur Herstellung
der Schrauben benötigt -, dann fängt die Theorie an zu leben. Wenn Schüler selber
eine Firma gründen oder eine Geschäftsidee entwickeln dürfen und von echten Unternehmensvertretern hinterher beurteilt werden, dann steigt enorm die Motivation.
Das erleichtert dann auch den Pädagogen den Alltagsunterricht.
Es bleibt unerlässlich, dass Schulen und Unternehmen enger zusammenarbeiten.
Selbstverständlich gehört auch die Agentur für Arbeit vor Ort mit zu den wichtigen
Partnern im Hinblick auf Berufsberatung. Die Eltern und Familien müssten eine große Rolle spielen – aus den Beiträgen in dieser Schrift wird deutlich, wie schwierig es
aber ist, sie einzubeziehen. Zudem ist das konkrete Engagement der Lehrer, aber
auch Unternehmen gefordert. Hierzu bedarf es unserer Erfahrung nach einer regionalen Koordinierungsstelle, die individuell zwischen Unternehmen der Region und
weiterführenden Schulen der Region bedarfsgerecht wirtschaftsbezogene Schulprojekte initiiert, mit den Beteiligten abstimmt und auf Qualitätsstandards achtet. Diese
Funktion hatte in der Büsssow-Initiative das ABBEO-Projekt (Frau Kleinkorres)
übernommen.
Nur so können dauerhaft die Unternehmen gewonnen werden, sich für SchülerInnen
einzusetzen. Auch die LehrerInnen brauchen eine gewisse Unterstützung darin, die
für sie passenden Firmenkontakte und Projekte aufzubauen. Klassenlehrer, die nur
alle paar Jahre eine Klasse zum Abgang führen und dann neu Kontakte erst aufbauen müssen und sich ein Grundwissen über neue Berufe erst aneignen müssen,
sind zeitlich überfordert. Es ist aber entscheidend, den SchülerInnen ein wirklichkeitsnahes, realistisches Bild von der Vielfalt der Unternehmen und daran hängenden Berufsbildern und Chancen zu vermitteln. Wenn sich SchülerInnen – auch und
gerade von der Hauptschule - richtig bewerben, bei den passenden Unternehmen
für die ihren Fähigkeiten angemessenen Berufe, dann haben sie gute Chancen.
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Elisabeth Schulte, UnternehmerverbandsGruppe e.V.:
Bewerber-Chancen aus Unternehmer-Sicht und Konsequenzen
Berufswahlkoordinatoren und Aufgabenteilung an Schulen bei der systematischen
Vermittlung relevanter Kenntnisse und Erfahrungen über mehrere Jahrgänge und
auch mehrere Fächer hinweg müssen in Zukunft Standard werden – die BüssowInitiative hat auch das deutlich gezeigt. Hier sind die Bezirksregierung wie auch das
Schulministerium gefordert, durch klare Regelungen und Stundenkontingente diese
wichtige Arbeit an Schule zu gewährleisten.
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Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
Sind Schule, Wirtschaft und Gesellschaft gescheitert, den Übergang von der
Schule in die Berufs- und Arbeitswelt für alle Schülerinnen und Schüler zu organisieren?
Diese Frage impliziert zwei Grundannahmen: Erstens, es ist eine Aufgabe der Schule, den Übergang von der Schule in den Beruf zu organisieren und zweitens, es ist
ein wirtschaftliches und gesellschaftspolitischer Anliegen, allen Jugendlichen einen
angemessenen Platz im Arbeits- und Berufsleben einzuräumen.
Aber offensichtlich haben sich die Verhältnisse so entwickelt, dass - wohlwollend
formuliert - „Zweifel“ am gemeinsamen Erfolg angebracht sind; schärfer ausgedrückt:
Die Zahl der unversorgten Jugendlichen, und hier sind die Statistiken der Arbeitsagentur unerbittlich, zeigt, dass, allen Bemühungen zum Trotz, alle drei - Schulen,
Wirtschaft und Gesellschaft - es nicht geschafft haben, einer Vielzahl junger Menschen eine berufliche Perspektive und damit auch einen Eintritt in die Gesellschaft zu
vermitteln. Weniger als 10 % der Duisburger Hauptschülerinnen und Hauptschüler
mit dem Sekundarabschluss nach Klasse 10 können direkt im Anschluss an ihre
Schullaufbahn eine Ausbildung beginnen und sind darauf verwiesen, andere Möglichkeiten einer zusätzlichen schulischen Qualifizierung oder der Berufsförderung
wahrzunehmen. Bei denjenigen, die den mittleren Bildungsabschluss (Fachoberschulreife) erreicht haben, werden es immerhin noch 75 % sein, die diesen Weg gehen. Gleichzeitig erhebt die Wirtschaft schon seit Jahren den Vorwurf, die Schulen
entließen immer mehr Jugendliche, die nicht ausbildungsfähig sind, weil ihnen sowohl die fachlichen Kenntnisse als auch die Sozialkompetenzen fehlen und ihre persönliche Einstellung zur Arbeit und zum Beruf zu Wünschen übrig lässt.
Dabei schien gerade die Hauptschule am ehesten von allen Schulformen gut gerüstet zu sein, ihre Schülerinnen und Schüler auf das Berufsleben vorzubereiten. Bereits
die ersten Richtlinien und Lehrpläne, die Anfang der Siebziger Jahre erschienen
(„Blaues Wunder“), legten verbindlich fest, dass sie im Lernbereich Arbeitslehre eine
systematische Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung im Unterricht vermitteln muss. Gesamtschulen haben diesen verbindlichen Lehrplan übernommen, weil
auch ihre Schülerinnen und Schüler, die nach Klasse 9 oder 10 die Schule in Richtung Ausbildungsberuf verlassen, entsprechend vorbereitet sein müssen. Das obligatorische Betriebspraktikum mit einer Dauer von drei Wochen in Klasse 9 ist in beiden
Schulformen bis zum Ende der Siebziger Jahre als fester Termin in der Jahresplanung etabliert und sollte gerade dieser Altersgruppe erste Berührungen und Erfahrungen mit der Arbeits- und Berufswelt ermöglichen, um eine gezielte und rational
begründete Berufsorientierung und Berufswahl zu bewirken.
An keiner dieser beiden Schulformen standen genügend ausgebildete Lehrerinnen
und Lehrer zur Verfügung, was die Wirtschaft damals zu Recht und heftig kritisierte.
Viele arbeiteten fachfremd und autodidaktisch, und sie hatten damit Erfolg. Die
Schulpolitik reagierte hierauf mit der Bildung der so genannten „PÄDAGOGISCHEN BEIRÄTE“, die unter der Leitung der Unteren Schulaufsicht Konzepte entwickelten, „Wirtschafts- und Unternehmerwissen“ in die Schulen zu tragen und dort zu verankern,
und die Betriebspraktika, die zunehmend auch von den Realschulen angeboten wurden, zu koordinieren. Der regelmäßige Meinungs- und Erfahrungsaustausch von
Lehrern, Vertretern der Kammern und der Arbeitsverwaltung, die Organisation von
Lehrerbetriebspraktika (auf freiwilliger Basis!) und die Erprobung erster Kooperationsmodelle zwischen Schulen und Unternehmen sind wesentliche Ergebnisse aus
diesen ersten Jahren gemeinsamer Arbeit. Die Gründung der „ARBEITSGEMEINSCHAF90
Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
SCHULE UND W IRTSCHAFT“ durch die Industrie unterstützten von Anfang an mit
einem vielfältigen und umfassenden Angebot an Informationen, Betriebserkundungen und Fortbildungsveranstaltungen die Bemühungen, vor allem in den Hauptschulen eine größere Bereitschaft, sich mit wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen
Fragestellungen zu beschäftigen, in den Unterricht einfließen zu lassen und die Berufsorientierung und Berufswahl zu unterstützen. Die Resonanz in den Schulen war
sehr unterschiedlich, aber überall dort nachhaltig, wo das persönliche Engagement
einzelner Lehrkräfte sich auf die Schulleitung und das Kollegium übertrug und ins
schuleigene Curriculum eingebettet wurde.
TEN
Als sich spätestens ab der Mitte der Achtziger Jahre deutlich abzeichnete, dass sich
die Schere zwischen Schulabgängern und Ausbildungsplätzen immer mehr öffnet,
regierte die Schulpolitik mit der Verlängerung der Schulpflicht von 9 auf 10 Jahre,
differenzierteren Abschlüssen sowie verstärkten Bemühungen, den Schulen größere
Spielräume einzuräumen, damit sie die Berufsorientierung und die Berufswahlvorbereitung noch stärker in die Schulcurricula einbinden und im Schulprogramm verankern. Der Erlasse zum „BEIRAT SCHULE UND BERUF“, der den „Pädagogischen Beirat“
ablöste, erhob es zur Pflichtaufgabe aller Schulen, die Berufsorientierung und die
Berufswahlvorbereitung zum Thema des allgemeinen und fachübergreifenden Unterrichts. Seitdem haben vor allem die Hauptschulen, die Gesamtschulen und die Förderschulen ihre Instrumente und ihre Verbindungen in die Wirtschaft vielfältig ausgebaut und verfeinert, und sie sind - wie das Beispiel des vorliegenden Projekte bestätigt - immer noch offen dafür, neue Ideen aufzugreifen, zu entwickeln und umzusetzen.
Etwa gleichlaufend zu dieser Entwicklung veränderte sich aufgrund vieler Faktoren
der Ausbildungsmarkt: Die Zahl der Ausbildungsplätze sank seitdem dramatisch, so
dass immer weniger Jugendliche im Anschluss an ihre Schulzeit sofort eine Ausbildung beginnen konnten; die Eingangsbedingungen für immer mehr Berufe verschärften sich so, dass immer weniger Hauptschüler sie erfüllen konnten, und bereits in
den Einstellungstests scheiterten; aufgrund der hohen Zahl von Schulabgängerinnen
und Schulabgängern verschärfte sich der Wettbewerb um immer weniger Ausbildungsstellen, auch weil viele Unternehmen die „gute Angebotslage“ an potentiellen
Auszubildenden nutzten, um sich die besten auszuwählen; je höher der Schulabschluss war, desto besser die Eignung auch für solche Ausbildungsberufe, in denen
bis dahin der Hauptschulabschluss nach Klasse 9 als Qualifikation durchaus ausreichend gewesen war; das Bild des „nicht ausbildungsfähigen“ Jugendlichen ging in
Umlauf und diente häufig genug als Entschuldigung dafür, überhaupt keine Jugendlichen mehr auszubilden; der Auszubildende, der bereits komplett die Schule verlässt
und sich „übergangslos“ und kostengünstig in den Arbeitsprozess integrieren lässt,
erschien schemenhaft am „Ausbildungshimmel“ auf.
Es ist auch diese - sicher überspitzt dargestellte - Entwicklung gewesen, die zumindest in der Öffentlichkeit das Bild der Hauptschule und ihrer bildungs- und erziehungspolitischen Aufgaben und Möglichkeiten verfälscht hat.
Es sind in der Vergangenheit immer wieder von beiden Seiten gegenseitige Vorwürfe
erhoben, Vorurteile gepflegt und Abgrenzungen vorgenommen worden, aber nicht in
dieser Härte und Beharrlichkeit: „Die Schulen kommen ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag immer weniger nach und bilden nicht diejenigen Jugendlichen aus, die
die Wirtschaft (dringend) benötigt“ gegen „wir haben einen ganzheitlichen Bildungsund Erziehungsauftrag und nicht die Aufgabe Nachwuchsschmiede für die Wirtschaft
zu sein“, oder „die Schule arbeitet nicht abnehmerorientiert und daher am Markt vor91
Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
bei“ und „wir können nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn Unternehmen
falsche Entscheidungen treffen, die Konjunktur negativ verläuft und die Globalisierung Arbeits- und Ausbildungsplätze zerstört.“
Sicher ist, dass es eine Reihe von schwerwiegenden Entwicklungen und Faktoren
aus der Vergangenheit gibt, die die wirtschaftliche Lage und damit auch die Lage am
Ausbildungsmarkt nachhaltig beeinflussen und weiterhin prägen werden. Sie können
an dieser Stelle nicht alle genannt werden. Die wesentlichen sind folgende:
• Die Konjunktur in Deutschland befindet sich seit zwei Jahrzehnten in einem Abwärtstrend, was sich an der Zahl der Firmenpleiten ebenso festmachen lässt wie an der ständig gestiegenen Arbeitslosenzahl und dem
dramatischen Rückgang von Ausbildungsplätzen
• Umstrukturierungen, ständige Veränderungen in den wirtschaftlichen
Strukturen, der Wegfall ganzer Industriezweige wie die Montanindustrie
im Ruhrgebiet oder - ganz aktuell - des Steinkohlebergbaus und die damit einhergehende Gefährdung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlage, verunsichern immer mehr Menschen.
• Über Jahrzehnte hinweg ignorierte die Politik, dass sich Deutschland
zum Einwanderungsland entwickelt hatte, und unterließ die notwendigen
Maßnahmen für eine zukunftsweisende Eingliederung der Menschen mit
Integrationshintergrund in die Gesellschaft.
• Die demographische Entwicklung mit der dramatischen Verschiebung in
der Alterspyramide führt zu tief greifenden Veränderungen und zum Teil
schmerzhaften Einschnitten in die Sozialversicherungssysteme und den
so genannten „Generationenvertrag“.
• Zunehmend wird der Verfall eines allgemein gültigen Wertebewusstseins
und die Orientierungslosigkeit vor allem der jüngeren Bevölkerung als
Ursache für eine Reihe gesellschaftspolitischer Probleme beklagt.
•
Die PISA- Studien haben das gesamte System der deutschen Schulbildung auf den Prüfstand gestellt und zur großen Überraschung der Öffentlichkeit und auch der Schulpolitik festgestellt, dass unser Schulsystem mit einer modernen demokratischen Wirtschaftsgesellschaft und ihren gehobenen Ansprüchen an Bildung nicht mehr kompatibel ist.
Unter der langjährigen Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt leiden vor allem die
Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen, der Förderschulen sowie der Gesamtschulen. Schon ihre Zeugnisse reichen häufig nicht aus, um mit der Konkurrenz aus
den Realschulen und der Gymnasien Schritt halten zu können. Die ständig sinkenden Anmeldezahlen an den Hauptschulen sind seit Jahren ein Anzeichen dafür, dass
diese Schulform für die Mehrheit der Eltern keine erstrebenswerte Schullaufbahn
mehr für ihre Kinder darstellt.
Hinzu kommt, dass die Grundschulen verpflichtet sind, in Klasse 4 eine Eignungsaussage für die weiterführenden Schulen zu treffen. Inzwischen sind es in Duisburg
weniger als 15 % der Schülerinnen und Schüler, die nach Klasse 4 in die Hauptschule wechseln, meistens weil ihnen bereits die Grundschule die Eignung für eine Realschule oder ein Gymnasium abspricht. Am Ende der Klasse 6 müssen diejenigen
Schülerinnen und Schüler von den Realschulen und den Gymnasien in die jeweils
„untere Schulform“ wechseln, bei denen sich die Nichteignung erst am Ende der Erprobungsstufe heraus stellt.
92
Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
In Duisburg entspricht ihre Gesamtzahl der Größe einer ausgebauten Hauptschule,
also weit über 300 Schülerinnen und Schüler. Die Mechanismen, Schülerinnen und
Schüler entsprechend ihrer Begabung der angemessenen Schulform zuzuführen,
funktionieren schon seit Jahren nicht. Die Frage, ob sie jemals funktioniert haben,
kann an dieser Stelle ebenso wenig erörtert werden wie die Frage, ob die Definitionen der drei Begabungsprototypen, die dem gegliederten Schulsystem zugrunde liegen, jemals zutrafen oder nicht vielmehr Zuschreibungen gewesen sind, gesellschaftliche Statusfragen und gewollte Abgrenzungen zu regeln.
Festgestellt werden kann aber, dass zwischen den drei weiterführenden Schulformen
immer eine Rangfolge bestanden hat, die sich auch in den Bezeichnungen widerspiegelt: Volksschule/ Hauptschule, Realschule/ Mittelschule, Gymnasium/ Höhere
Schule. Der inzwischen auch in Deutschland von vielen internalisierte Zusammenhang, dass die Wahl der „richtigen Schulform“ und der „richtigen Schule“ die beste
Eingangsvoraussetzung für eine schulische und berufliche Karriere ist, hat die Entwicklung der Hauptschule als einer Schule beschleunigt, die sich schwerpunktmäßig
nur noch den sozial- und bildungspolitisch benachteiligten Kindern widmet. Dass sie
diese Aufgabe immer noch mit Bravour bewältigt, ließe sich an vielen positiven Beispielen belegen. In Nordrhein- Westfalen sorgt sie jedenfalls auch dafür, dass der
Anteil derjenigen Schülerinnen und Schüler, die ihre Schullaufbahn ohne Abschluss
beenden, bundesweit am geringsten ist. Die Öffentlichkeit nimmt dies zwar zur
Kenntnis, einer entsprechenden Würdigung dieser pädagogischen Arbeit dagegen
enthält sie sich weitgehend, entrüstet sich aber in besonderer Weise, wenn Hauptschule aufgrund ihrer besonderen Problemlagen negative Schlagzeilen wie die RütliSchule in Berlin erzeugt.
Die Frage, was getan werden muss, um allen Schülerinnen und Schülern eine adäquate Ausbildung zu ermöglichen, kann allerdings nicht ausschließlich damit beantwortet werden, die Wirtschaft müsse eine ausreichend große Zahl an Ausbildungsplätzen schaffen und alle Probleme sind gelöst. Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte und die damit einhergehenden Veränderungen kann niemand, der sich um
die Zukunft der Schülerinnen und Schüler kümmert, außer Acht lassen. Die Ausbildungs- und Arbeitsplätze sind komplexer geworden, erfordern von Anfang an ein höheres Fachwissen und zusätzliche Sozialkompetenzen, die in früheren Zeiten zum
großen Teil erst während der Ausbildung selbst vermittelt worden sind. Viele Schülerinnen und Schüler sind tatsächlich - obwohl sie erst mit einem Durchschnittsalter
von 19 Jahren ihre Ausbildung beginnen - nicht in dem Maße „ausbildungsfähig“, wie
dies Industrie und Handwerk fordern.
Schule kann dies allerdings ebenso wenig allein bewältigen wie dies Industrie und
Handwerk tun können. Es ist eine grundlegende gesellschaftspolitische Aufgabe, bei
denen beide Institutionen in gemeinsam an Lösungen arbeiten müssen. An der
Schnittstelle des Übergangs von der Schule in den Beruf kann festgemacht werden,
wie wichtig diese Kooperation zwischen Unternehmen und Schulen ist. Denn die Beschreibung des Problems, dass Schülerinnen und Schüler immer weniger ausbildungsfähig sind, weil ihnen neben den Grundkenntnissen in Deutsch, Mathematik
und in den Naturwissenschaften Fachkenntnisse und Fachkompetenzen fehlen und
sie nicht ausreichend über Sozialkompetenzen und eine entsprechende persönliche
Einstellung verfügen, erklärt zwar einigermaßen hinreichend die vorhandenen Defizite, enthebt aber weder die Schulen noch die Wirtschaft der Verantwortung, wirkungsvoll dagegen vorzugehen.
Allerdings müssen andere Kräfte sie hierbei unterstützen. Natürlich müssen sich die
Rahmenbedingungen für Schulen ändern, damit sie einen pädagogischen Raum
93
Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
schaffen können, in dem die individuelle Förderung jedes einzelnen Jugendlichen im
Mittelpunkt der Bemühungen steht. An dieser Stelle ist allerdings auch die Frage erlaubt, ob die bereits jetzt vorhandenen Bedingungen nicht bereits ausreichen würden, wenigstens einen großen Teil der notwendigen Veränderungen zu verwirklichen
und Kooperationen zu ermöglichen, die sowohl dem Bildungs- und Erziehungsauftrag des Öffentlichen Bildungssystems und den Anforderungen aus der Wirtschaft
gerecht werden. Praktiker aus beiden Lagern haben dies in der Vergangenheit jedenfalls erfolgreich bewiesen und höhere Übergangs- bzw. Übernahmequoten von Schulabgängerinnen und –abgängern erreicht. Die eigenverantwortliche Schule wird ihr
pädagogisches Profil innerhalb der gesetzlichen Vorschriften des Schulgesetzes neu
gestalten können und müssen. Schulentwicklung und Unterrichtsentwicklung sind
zentrale gesetzliche Forderungen, denen sich keine Schule entziehen kann.
Individuelle Förderung, die andere pädagogische Herausforderung, sollte die Kreativität und die Innovationsbereitschaft in der Schulgemeinde auslösen, die hierzu nötig
ist. Schulleitungen werden das personalrechtliche Rüstzeug erhalten, um dieses
neue Profil mit Menschen in Schulleben umzusetzen.
Auch der Schulträger selbst steht in der Verantwortung. Dies ergibt sich bereits aus
der gemeinsamen Verantwortung von Schule und Jugendhilfe. Schulsozialarbeit ist
die Forderung der Hauptschulen, um wenigstens etwas Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zu erhalten. Sie ist inzwischen zwar durchgesetzt, reicht aber
bei weitem nicht aus. Schulsozialarbeit ist auch deswegen wichtig, weil sie eher diejenigen Erziehungsberechtigten erreicht, die in einer gewissen „Bildungsferne“ zur
Schule stehen. Hier gilt es
Neben schul- und bildungspolitischen Entscheidungen und Maßnahmen liegen die
Möglichkeiten in relativ aufwändigen Maßnahmen, die aber spürbare Verbesserungen der Chancen von Schülerinnen und Schülern bewirken, indem verstärkt berufliche Praxis in die Schulen hineingetragen und im Unterricht zu verankert wird. Ohne
die tägliche Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer zu schmälern, ist festzustellen, dass
der Ausbilder z. B. von Thyssen-Krupp-Steel oder der Ausbildungsmeister einer Innung wesentlich authentischer und glaubwürdiger vermitteln können, was in der
Ausbildung tatsächlich gebraucht wird, denn sie arbeiten an der Basis und sie sind
keine Lehrpersonen. Warum muss der Fachlehrer allein Mathematik oder Technik
unterrichten? Kann er sich nicht den Handwerksmeister in den Unterricht holen,
wenn Flächen oder die Anteile einer Brotbackmischung berechnet werden sollen?
Können Lehrerinnen und Lehrer nicht für ihre tägliche Arbeit davon profitieren, wenn
sie erfahren, wie in einem Betrieb Teamarbeit gepflegt wird? Können nicht Projekte
entwickelt werden, in denen Schülerinnen und Schüler mit Auszubildenden gemeinsam zum Beispiel eine Schülerfirma ins Leben rufen? Sind nicht Arbeits- und Sozialformen denkbar und machbar, in denen Schülerinnen und Schüler einen Teil ihrer
Lernzeit in einem Betrieb zubringen, um die Sinnhaftigkeit von Unterricht unter realen
Bedingungen erleben, sich selbst erproben und Berufswahlentscheidungen treffen
können, die eher rational und weniger emotional begründet sind? Nicht alles davon
wird im Rahmen der Schule und des Unterrichts erledigt werden können; aber es darf
in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass Jugendliche zur Selbstverantwortung erzogen werden und selbst an der Gestaltung einer beruflichen Perspektive mitarbeiten können und sollen. Schließlich geht es um ihre Zukunft!
Und die Wirtschaft? Sie akzeptiert inzwischen, dass sie zusätzliche Ausbildungsangebote bereitstellen muss, auch Angebote entwickeln muss, die „niederschwellig“
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Wolfgang Reuter: Einschätzung der Situation und mögliche
schulische und arbeitsmarktpolitische Konsequenzen
und modular aufgebaut, um individuelle Stärken und Schwächen berücksichtigen.
auszugleichen und in sehr unterschiedliche Berufsqualitäten einmünden zu lassen,
zu denen die Zuarbeit ebenso gehört wie die verantwortliche Leitung eines Produktionsprozesses.
Das vorliegende Projekt zieht eine Zwischenbilanz, die neben den überwiegenden
Stärken beweist, dass gemeinsames Denken und Handeln von Schule und Wirtschaft erfolgreich ist, Vorwürfe und Vorurteile unnötig Fronten erzeugen und von einer sinnvollen Zusammenarbeit abhält und die Lösung einer schwierigen Aufgabe
nicht in Kürze zu erledigen ist, sondern nachhaltig angelegt sein muss und einen
„langen Atem“ erfordert, wenn sie eine dauerhafte positive Veränderung des Bewusstseins und der Einstellungen bewirken soll.
Vieles von dem, was an schulpolitischen und arbeitsmarktpolitischen an anderer Stelle dargestellt und gefordert wurde, hat dieses Projekt nicht nur in Ansätzen verwirklicht. Wenn es in den nächsten Jahren - auch unter veränderten Rahmenbedingungen - fortgeführt werden wird, baut es auf einer soliden Grundlage auf, nämlich der
Bereitschaft aller Akteure, mehr als das Geforderte zu tun und die Offenheit der
Schülerinnen und Schüler, sich auf die neuen Chancen einzulassen und sie tatsächlich auch wahrzunehmen.
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Autorinnen und Autoren
Bongers, Rüdiger
Psychologischer Dienst Agentur für Arbeit Duisburg
Föhr, Eva
Lehrerin an der GHS Heinrich-Böll-Schule
Fuchs, Werner
LRSD, Regionaldezernent für Duisburg bei der
Bezirksregierung Düsseldorf
Gerber, Jürgen
Schulleiter der GHS Wiesbadener Straße
Gith, Klaus
Schulleiter der GHS Heinrich-Böll-Schule
Grotensohn, Volker
Bereichsleiter Bildung und Technikzentren bei der TKS
ThyssenKruppSteel
Heitzer, Joachim
Lehrer an der GHS Wiesbadener Straße
Kleinkorres, Helga
ABBEO-Projektleiterin Unternehmerhaus
Kleinow, Susanne
Lehrerin an der GHS Heinrich-Böll-Schule
Kortmann, Hubert
Schulleiter der GHS Emil-Rentmeister-Schule
Meyer, Wolfgang
stellv. Schulleiter der GHS Beim Knevelshof
Rehn, Günter
pädagogischer Mitarbeiter bei der Bezirksregierung
Düsseldorf
Reuter, Wolfgang
Schulamtsdirektor beim Schulamt für die Stadt Duisburg
Rulhoff, Hans-Joachim Teamleiter Berufsberatung Agentur für Arbeit Duisburg
Schulte, Elisabeth
Geschäftsführerin Unternehmerverbandsgruppe
Schwarz, Cassandra
Lehrerin an der GHS Heinrich-Böll-Schule
Vogel, Michael
Leiter der Ausbildungsabteilung HKM Hüttenwerke Krupp
Mannesmann GmbH
Wilbertz-Kroll, Barbara Lehrerin an der GHS Beim Knevelshof
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Projektbeteiligte
ABBEO
Agentur für Arbeit Duisburg
Bezirksregierung Düsseldorf
Bildungszentrum für das Handwerk
GHS Emil-Rentmeister-Schule
GHS Wiesbadener Straße
GHS Beim Knevelshof
GHS Heinrich-Böll-Schule
HKM Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH
Niederrheinische IHK Duisburg – Wesel – Kleve zu Duisburg
Schulamt für die Stadt Duisburg
Seminare & Präsentationen Michael Hanschmidt
TKS ThyssenKruppSteel
UnternehmerHaus AG
UVG Unternehmerverbandsgruppe
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