Assessmentinstrumente für die Pflege
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Assessmentinstrumente für die Pflege
Assessmentinstrumente für die Pflege a.o. Univ. Prof. Dr. Elfriede Fritz Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie UMIT, Hall in Tirol Vortrag beim Ländlepflegetag am 15.11.2013 Übersicht Begriffe zu Assessments Instrumentenbezogene Gütekriterien für Assessmentinstrumente Anwendungsbezogene Gütekriterien für Assessmentinstrumente Instrumente für die Pflegeanamnese (ADL Skalen, Pflegediagnoseorientierter Anamnesebogen, RAI, BESA, PAS, ePA, LEP) Andere Instrumente: für die Pflege bei Personen mit Schmerzen, von Demenzkranken, zum Erfassen von Risiken wie z.B. Dekubitus … können nicht berücksichtigt werden! Begriff – Assessment (Bartholomeyczik, 2009) Assessment= Einschätzung, Beurteilung, Abwägung Dazu gehören: Informations- und Datensammlung Interpretation der Daten Aufgaben von Assessmentinstrumenten: Pflegerelevante Phänomene erfassen, Risiko erfassen, Pflegebedarf, Pflegebedürftigkeit einschätzen Assessments sind … „Grundlage für eine evidenzbasierte Praxis“ (Spirig et al., 2007, S. 182) Assessmentmethoden: Befragung der zu Pflegenden, Angehörigen Zielgerichtete Beobachtung der zu Pflegenden Physiologische Messungen: RR, Temperatur, Ablesen von O2-Sättigung, Herzfrequenz … Strukturierte Erhebungen mittels Skalen, Fragebögen (Reuschenbach 2011, S. 28) 4 Phasen Prozess (WHO) Instrumente zur: Ersteinschätzung Messung von Veränderungen im Pflegeverlauf (z.B. bei Schmerzen, …) Feststellung des pflegerischen Outcomes am Ende des Pflegeprozesses (Reuschenbach, 2011) Instrumentenbezogene Gütekriterien (Reuschenbach, 2011) Objektivität Validität Reliabilität Spezifität http://wirtschaftslexikon.gabler.de/ Definition/testguetekriterien.html Sensitivität (Grundlage ist die Klassische Testtheorie, Psychologie) Objektivität Objektivität (Reuschenbach, 2011) (Reuschenbach, 2011) Mangelnde Objektivität führt zu http://diepaideia.blogspot.co.at/2012/09/am artya-sen-und-die-objektivitat.html systematischen Messfehlern Durchführungsobjektivität: betrifft die Standardisierung (immer gleiche Durchführung des Assessments z.B. zur gleichen Zeit …) Auswertungsobjektivität: Fehler bei der Dateneingabe, Fehler beim Übertragen der Daten, genaue Beschreibung des Vorgehen wirkt sich günstig aus Interpretationsobjektivität: ist bei der Pflege oft schwierig z.B. Schmerzerfassung bei einem Patienten nach einem Verbandswechsel, Mobilisation … Personen sollten zu gleichen Ergebnissen kommen Reliabiliät (Reuschenbach, 2011; Polit et al., 2004) = Messgenauigkeit, Zuverlässigkeit eines Verfahrens, bleibt das Messergebnis unabhängig von der messenden Person stabil? Eine Waage die einmal 54 und dann 67 kg misst, ist nicht stabil! Interne Konsistenz : Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den einzelnen Items eines Instrumentes und der Gesamtheit der übrigen Items, Berechnung mit Cronbachs-Alpha Retestreliabilität: Instrument wird nach einer kurzen Zeit noch einmal eingesetzt, es geht um Übereinstimmung über 2 Messzeitpunkte, Maß für Zuverlässigkeit Interrater-Reliabilität: Lässt man zwei Beurteilende mit dem gleichen Instrument den selben Patienten (möglichst zeitnah) einschätzen, dann sollte es bei einem fehlerfreien Messverfahren zu einer großen Übereinstimmung kommen. Reliabitätskoeffizient : liegt zwischen 0,00 und 1,00, je reliabler umso näher bei 1, über 0,70 ist zufrieden stellend Validität (Isfort, Weidner 2001, Wolf-Osterman 2009) = Gültigkeit - Misst das Instrument genau das, was es zu messen vorgibt? http://www.sepb-personal beratung.de/de/leistungen Beispiel: Misst ein Instrument das Dekubitusrisiko (Was verursacht einen Dekubitus? Druck, Zeit und Risikofaktoren) oder vielleicht nur die Mobilitätseinschränkungen? Formen der Validität Inhaltsvalidität: Werden mit dem Instrument die richtigen Inhalte erfasst? Kann berechnet werden (CVI) Augenscheinvalidität: Subjektive Bewertung des Instrumentes von beruht Experten, wird nicht numerisch berechnet Konstruktvalidität: Übereinstimmung zwischen Instrument und dem theoretischen Konstrukt, hohe Konstruktvalidität = Bestätigung der Hypothesen Validitätskoeffizient: liegt zwischen 0,00 und 1,00, wünschenswert ist ein Wert über 0,70 (Polit et al. 2004) Sensitivität / Spezifität (Bonita et al., 2008) Sensitivität (Richtig-positiv-Rate ) = Wahrscheinlichkeit, dass eine Person mit der Diagnose (=Dekubitus) ein positives Testergebnis zur Risikoeinschätzung (=Dekubitusrisiko erkannt) hat. = Fähigkeit, wirklich „Kranke“ als „krank“ zu erkennen“ (Mayer et al. 2007) Spezifität (Richtig-negativ-Rate) Wahrscheinlichkeit, dass eine Person ohne Diagnose (kein Dekubitus) ein negatives Testergebnis zur Risikoeinschätzung (= kein Dekubitusrisiko) hat = „Fähigkeit, wirklich „Gesunde“ als „gesund“ zu identifizieren“ (Mayer et al. 200/) Es gibt keinen Test, der 100% aufweist, Soll = 80% (Behrens, Langer 2004) Nutzen von Assessmentinstrumenten (Bartholomeyczik 2009) Pflegediagnostik verbessern, Dokumentation erleichtern Hilfe für Anfänger, Auszubildende Daten vergleichen Standardisierte Daten zur Verfügung stellen z.B. für Controlling, Überprüfung der Pflegequalität Weiterverwertung von Daten für Qualitätsindikatoren, Pflegeberichterstattung, epidemiologische Fragestellungen, Prognosen in Bezug auf Pflegebedarf Anwendungsbezogene Gütekriterien (Reuschenbach, 2011) Relevanz des Instrumentes: z.B. erleichtert das Instrument die Pflegeplanung, Erstellung von Pflegediagnosen? Handhabbarkeit/Praktikabilität: Instrument ist leicht verständlich, ohne viel Schulung einsetzbar, gewonnenen Daten können genutzt werden Akzeptanz: bei Patienten und Pflegenden, welchen Mehrwert hat das Instrument? Kosten-Nutzen-Wirksamkeit: Kosten der Implementierung, Schulungskosten Auswahl eines Assessmentinstrumentes (Reuschenbach, 2011) Zeitlicher Aufwand Belastung des Patienten Papierform, elektronisch Gibt Studien mit Untersuchungen zu Gütekriterien Austausch mit anderen Einrichtungen z.B. Krankenhaus – Altenpflegeheim – extramuraler Bereich Akzeptanz des Instrumentes Instrumente für die Pflegeanamnese ADL, IADL-Skalen PDO RAI Besa (PAS) ePA http://www.geriatrie.uniklinikumjena.de/Geriatrisches+Assessment.html ADL und IADL-Skalen (Halek, 2003) Zur Einschätzung von Selbständigkeit und Funktionsfähigkeit ADL-Index (Activities of Daily Living) nach Katz (1963) Barthel Index (1965) (Selbständigkeitsindex), erfasst die physischen Aspekte, nicht die individuellen Faktoren, Bei der Einstufung der Pflegebedürftigkeit nicht als einziges Verfahren anwenden. IADL-Skala (Instrumental Activities of Daily Living) Index nach Lawton, nur in Verbindung mit anderen Skalen einsetzbar Vergleich der ADL-/IADL- Aktivitäten (Halek 2003, S. 28) ADL-Modell nach Katz Barthel Index IADL nach Lawton Baden Baden Einkaufen Waschen Essenszubereitung Ankleiden Kleiden Leichte Hausarbeit Kontinenz Stuhlkontrolle Wäsche waschen Urinkontrolle Verkehrsmittelbenutzung Toilettengang Toilette Umgehen mit Geld Transfer Bett/Stuhltransfer Einnehmen von Medikamenten Bewegung Fähigkeit zu telefonieren Treppensteigen Essen Essen Pflegediagnosenorientierter Anamnesebogen (Allmer et al. 2009, POP, Praxisorientierte Pflegediagnostik) Instrument ist häufig Grundlage der Pflegeanamnese in Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und extramuralen Bereich in Österreich häufig in einer veränderten Version wurde für die Anamnese von Krankenhauspatienten entwickelt Gütekriterien des Instrumentes sind nicht untersucht Problem der fehlenden Standardisierung der Fragen (kann auch einzelne ergänzende offene Fragen enthalten) Daten aus einer Anamnese mit einem nicht standardisierten Instrument sind nicht zuverlässig, können nicht weiter verwendet werden (amazon.de) Resident Assessment Instrument (RAI) Entwicklung (Hawes et al.,1997, Morris, 2003) Projektteam (USA) begann 1988 mit der Entwicklung 1991 in mehr als 90% der Heime (USA) implementiert 2003 an 17000 Einrichtungen 1,5 Mill. Bewohner werden damit eingeschätzt Mindestverweildauer von 14 Tage „Papierversion“ und EDV-Version RAI-HC seit 2006 in der Schweiz verpflichtend Teile des Resident Assessment Instruments (Anliker, 2003) Teile des RAI- MDS (Anliker et al., 2007) Basic Activities of Daily Living = selbständig beim: Essen Baden/Waschen Toilettenbenutzung/Transfer Bewegung/Treppen steigen Instrumental Activities of Daily Living (IADL) – unabhängig beim: Telefonieren/Einkaufen Haushalt/Kochen Wäsche waschen/Transportmittel benutzen Medikamente/Geldhaushalt Advanced Activities of Daily living (AADL) – Selbstgestaltung bei: Freizeitgestaltung Sozialer Kompetenz Schweizer MDS- Version des RAI 2,0 (2004) Bereich K: Ernährungsstatus BESA-System (Module Ressourcen, Leistungen und Qualität) (Curaviva, 2009) Von Curaviva Schweiz und dem Zentrum für Gerontologie Univ. Zürich entwickelt RAI oder BESA sind zur Finanzierung in Altenpflegeheimen in der Schweiz seit 2011 vorgeschrieben BESA ist in Vorarlberg in Altenpflegeheimen eingeführt Instrumente der Bedarfsabklärung: Eintrittsgespräch Assessment (Befragung des Bewohners) Beobachtung (pflegefachliche Sicht) standardisierte Abklärungshilfen Pflegeabhängigkeitsskala (PAS) (Lohrmann, 2004) zur Einschätzung der Pflegeabhängigkeit in Niederlande von Dijkstra (1996) entwickelt, für demente und geistig behinderte Menschen, misst „die psychische und physische Funktionsfähigkeit, die Selbständigkeit, den Behandlungsbedarf und die Pflegebedürftigkeit geriatrischer Patienten“ besteht aus den 15 Items, nach Grundbedürfnissen von Virginia Henderson PAS (Mertens et al. , 2002, S. 197) PAS 5 Einschätzungskriterien zu den Items (Lohrmann, 2004) 1. völlig abhängig, 2. überwiegend abhängig, 3. teilweise abhängig, 4. überwiegend unabhängig, 5. völlig unabhängig = Je kleiner der Wert desto pflegeabhängiger ist der Klient Laut Halek (2003) einfach anzuwendendes Instrument gibt nur wenig differenzierte Informationen, nicht zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit oder als Grundlage der Pflegeplanung, ein geeignetes Screeninginstrument für die Praxis Werte zwischen 15 und 75 werden erreicht (Halek, 2003) Ziele ergebnisorientiertes PflegeAssessments (ePA©) (Hunstein, 2006) Umsetzung des Pflegeprozesses mit ePA-AC und LEP® Nursing 3 (Hunstein et al., 2011) ePA©-Kategorien (Hunstein, 2006) Handhabung von ePA-AC 2.0 (Hunstein, 2011) vollstandardisiertes pflegerisches Assessment im Akutbereich es geht um Selbstpflegefähigkeiten elektronische und Papierversion für Erwachsene und Kinder für alle Patienten, die voraussichtlich länger als 24 Std. stationär bleiben werden innerhalb der ersten 24 Std. eingeschätzt Zwischeneinschätzung (tgl.) bei Verknüpfung mit LEP N3, Abschlusseinschätzung bei jedem Patienten, maximal 24 Std. vor Entlassung September 2013: ePA wird in 39 Krankenhäusern in Deutschland und in 42 Spitälern in der Schweiz eingesetzt (davon 8 Univ. Kliniken (Hunstein, 2013) Leistungserfassung in der Pflege (LEP) (Isfort, Weidner, 2001) LEP® entstand in der Schweiz 1995 Arbeitsgruppe Leistungserfassung (ARGE-LEP), LEP = Erfassungsinstrument für zeitlichen Pflegeaufwand der direkten Pflege eines Patienten eignet sich für Akutkliniken zur Darstellung der Tätigkeiten, Version für Erwachsenen u. Kinderkrankenpflege, OP, Intensiv Erhebung des Pflegeaufwandes wird einmal pro 24h für jede/n Patienten von der zuständigen Pflegenden durchgeführt, Praktikabilität ist gut - Grundlagen für Assessmentinstrumente - Übersetzung von Assessmentinstrumenten - Beschreibung von pflegerischen Instrumenten: Schlaf Fatigue Mobilität Pflegebedürftigkeit Sturzrisiko Ernährungssituation …. Schlussfolgerungen das ideale Assessmentinstrument für die Pflegeanamnese in Österreich gibt es bisher nicht. im extramuralen Bereich wird RAI in der Steiermark verwendet in Altenpflegeheimen wird BESA in Vorarlberg verwendet, ein weiteres infrage kommendes Instrument wäre RAI für Patienten in Krankenhäusern gibt es ein standardisiertes Instrument – ePA(Möglichkeit der Kombination mit LEP) für die verschiedenen Bereiche sind unterschiedliche Assessmentinstrumente erforderlich (Fragen passen nicht) Schlussfolgerungen Für die Pflegeanamnese ist ein standardisiertes und auf Gütekriterien untersuchtes Instrument zur Erhebung zuverlässiger Daten in Österreich erforderlich! Zuverlässige Routinedaten können weiterverwendet werden für: Qualitätsindikatoren, Qualitätsvergleiche, Pflegeberichterstattung, epidemiologische Fragestellungen, Prognosen in Bezug auf Pflegebedarf Es sollte einheitliches Instrument für Krankenhauspatienten, Heimbewohner oder Klienten in der Hauskrankenpflege in ganz Österreich verwendet werden! Vielen Dank für Ihre Aufmersamkeit! Kontakt: 34 Vortrag Forschungswelten 11.10.2013 [email protected] Literatur Anliker M. (2003): RAI für Alters- und Pflegeheime in der CH und die Qualitätsförderung. Prasentation am 12.06.2003 Allmer S., Eberl J. (2009): POP Praxisorientierte Pflegediagnostik, Pflegediagnosen- Ziele- Maßnahmen. Wien, Springer Verlag Bartholomeyczik S. (2009): Standardisierte Assessmentinstrumente: Verwendungsmöglichkeiten und Grenzen. In: Bartholomeyczik S., Halek M. (2009): Assessmentinstrumente in der Pflege. 2. Auflage. Hannover, Schlütersche Bonita R., Beaglehole R., Kjellström T. (2008): Einführung in die Epidemiologie. Bern,Verlag Hans Huber Curaviva (2009): BESA System für Ressourcenklärung, Zielvereinbarung, Leistungsverrechnung und Qualitätsförderung. Broschüre Version 4.0, 2011. [email protected] Halek M. (2003): Wie misst man Pflegebedürftigkeit? Hannover, Schlütersche Halek M., Mayer H. (2002): Die prädiktive Validität der originalen und der erweiterten Norton-Skala in der Altenpflege. In: Pflege 2002, 15, 309-317 Hawes C., Morris J.N., Philips C.D., Fries B.E., Murphy K., Mor V. (1997): Development of the nursing home Resident Assessment Instrument in the USA. Age and Ageing, 26, 19-25 Hunstein D., Rode D., Sippel B.- Fiebig M., Dintelmann Y. (2011): Anwenderhandbuch - ergebnisorientiertes PflegeAssessment Acut Care (ePA AC) Version 2.0. ePA Competence-Center (ePA CC) Hunstein D. (2006): Das ergebnisorientierte PflegeAssessment ePA. Ein praxisorientierter Lösungsansatz für mehr Transparenz in der Pflege. http://www.alk-bawue.de/documents/events/frt_2006/Vortrag_Hunstein.pdf Isfort M., Weidner F. (2001): Pflegequalität und Pflegeleistungen I. Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (dip), Köln Lohrmann C. (2004): Die Pflegeabhängigkeitsskala. In: Bartholomeyczik S., Halek S. (2004): Assessmentinstrumente in der Pflege. Hannover, Schlütersche, 55-60 Mertens E., Tannen A., Lohrmann C., Dassen T. (2002): Pflegeabhängigkeit im Krankenhaus Eine beschreibende Studie. In: Pflege. 15-195, 195-201 Morris J.N. (2003): Das inter RAI-MDS-System. Vortrag am 23.06.2003, Olten (Schweiz) Polit D.F., Beck C.T., Hungler B.P. (2004): Lehrbuch Pflegeforschung Methodik, Beurteilung und Anwendung Reuschenbach B. (2011): Gütekriterien. In: Reuschenbach B., Mahler C. (2011): Pflegebezogene Assessmentinstrumente-Internationales Handbuch für Pflegeforschung und –praxis. Bern, Verlag Hans Huber Spirig R., Fierz K., Hasemann W., Vincenzi C. (2007): Editorial Assessments als Grundlage für eine evidenzbasierte Praxis. Pflege 2007, 20, 182-184 Wolf-Ostermann W. (2009): Gütekriterien. www.ash-berlin.eu/hsl/freedocs/93/guetekriterien.pdf