STUTTGARTER ZEITUNG
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: Magnetische Moleküle ziehen Preisgeld an - Stuttgarter Zeitung online - SERVICE -... Page 1 of 2 | | Montag, 13. September 2010 STUTTGARTER ZEITUNG Magnetische Moleküle ziehen Preisgeld an Artikel aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 11.09.2010 Auszeichnung Der italienische Chemiker Lapo Bogani baut nun an der Universität Stuttgart ein Forscherteam auf. Von Martin Schäfer Versenden Drucken Lesezeichen Empfehlen Die 500 000 Euro seien gut angelegt, sagt Lapo Bogani. Mit dem Geld schafft sich der 31-jährige Chemiker in Kürze eine ganz besondere Art Kühlschrank an. Das mannshohe, schmale Gerät erreicht Temperaturen, die nur einen Hauch über null Grad Kelvin liegen, also minus 273 Grad Celsius. In dieser Kälte will der italienische Nachwuchsforscher an der Uni Stuttgart beobachten, wie sich magnetische Moleküle verhalten. Das hört sich unspektakulär an und ist auch Grundlagenforschung pur. Doch Bogani sprüht vor Begeisterung und will endlich loslegen. "Ich will zum ersten Mal einzelne magnetische Moleküle sehen", sagt der Forscher. Das rechtfertige den Einsatz des Geldes. Experimentelle Grundlagenforschung ist teuer. "Im Transfer von Fußballspielern fließen Millionen", sagt er. Man müsse sich immer entscheiden, wofür man das Geld einsetze. "Um neue Technologien zu entwickeln, muss einer den ersten Schritt tun." Bogani möchte voranschreiten. Für sein Forschungsprogramm erhält Bogani im November den Sofja-Kovalevskaja-Preis der Alexander-vonHumboldt-Stiftung. Mit der Auszeichnung sollen vielversprechende Nachwuchsforscher aus dem Ausland nach Deutschland geholt werden. Über fünf Jahre erhält Bogani 1,64 Millionen Euro, die er in seine Experimente stecken darf. Der Preis zählt zu den höchstdotierten Auszeichnungen in Deutschland. Die Moleküle, die Bogani herstellen will, bestehen aus einem Gerüst aus Kohlenstoffatomen, in das Metallatome eingebettet sind. Die Metallatome machen das Molekül magnetisierbar. Bei tiefen Temperaturen bleiben dabei die Moleküle wie eine Kompassnadel magnetisch stabil. In diesem Zustand will sie Bogani untersuchen. Zwei potenzielle Anwendungen hat er dabei im Sinne. Einerseits könnten die Molekülmagneten Ideen liefern, um die Speicherdichte in Computerfestplatten noch weiter zu erhöhen. Manche Wissenschaftler träumen bereits von tausend- bis zehntausendfach höheren Kapazitäten. Die Magnetisierung eines einzelnen Moleküls würde dann ein Bit als Informationseinheit der Festplatte tragen. Bisherige Versuche, die herkömmlichen magnetisierbaren Partikel auf Festplatten durch Moleküle zu ersetzen, sind allerdings gescheitert, sagt Paul Kögerler, der an der Technischen Hochschule Aachen auch über solche Moleküle forscht. Das ist physikalisch bedingt: Boganis Moleküle halten ihre Magnetisierung nur bei sehr tiefen Temperaturen. "Bei Raumtemperaturen funktioniert das nicht", sagt der Aachener Physiker. Die zweite mögliche Anwendung ist noch visionärer: Die Molekülmagneten sind auch Kandidaten für grundlegende Bauprinzipien eines Quantencomputers, der komplexe Berechnungen auf völlig neue Weise durchführen könnte, indem er die sonderbaren Gesetze ausnutzt, die in der Welt der kleinsten Teilchen gelten. http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2624362_0_2147_-magnetische-molekuele... 13.09.2010 : Magnetische Moleküle ziehen Preisgeld an - Stuttgarter Zeitung online - SERVICE -... Page 2 of 2 Eines seiner zukünftigen Experimente stellt sich Bogani so vor: zwischen zwei elektrischen Kontakten positioniert er einen feinen, für das menschliche Auge nicht mehr sichtbaren Strohhalm, der nur aus Kohlenstoffatomen besteht. Auf dieses sogenannte Nanoröhrchen setzt er ein einzelnes magnetisches Molekül, das er untersuchen will eine technisch anspruchsvolle Aufgabe. "Ob es wirklich nur ein Molekül ist oder mehrere, zeigen erst die Messungen", sagt Bogani. Derzeit ist sein Arbeitsumfeld am 1. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart noch weitgehend leer. Der Platz für den Tieftemperaturkühlschrank ist aber freigeräumt. Die Chemielabore für die Molekülsynthese sind im Umbau. Im Bürotrakt des Institutsgebäudes bezieht Bogani ein neues Zimmer. Er ist auch dabei, sich am Lehrstuhl von Martin Dressel ein eigenes Team aufzubauen. Die Entscheidung nach Deutschland zu gehen, fiel Bogani leicht. "Das Forschungsumfeld ist hier exzellent", sagt er. Es gebe genügend Geld für die experimentelle Grundlagenforschung. In der Experimentalphysik müsse man sich gründlich überlegen, wohin man gehe. "Um alles aufzubauen, braucht man schon ein bis zwei Jahre", sagt Bogani. Experimentalisten mit den vielen Gerätschaften sind ihrem Forschungsort sehr viel stärker verhaftet als theoretisch arbeitende Kollegen. Der Umzug nach Deutschland Anfang 2009 brachte Bogani auch einen privaten Wendepunkt. Zum ersten Mal wohnt er mit seiner französischen Lebensgefährtin zusammen. Als er ein Stipendium in Frankreich annahm und von seiner Heimatstadt Florenz nach Grenoble ging, zog es seine Freundin beruflich kurioserweise nach Italien. Jetzt sind beide in Deutschland und die Zeit ist auch reif für Familie: sie haben eine elf Monate alte Tochter. Bogani spricht mit der Tochter Italienisch, seine Freundin Französisch und im Kindergarten auf dem Unicampus in Vaihingen lernt die Kleine Deutsch. "Das ist gelebtes Europa", sagt Bogani. "Auch ich möchte die Sprache des Landes, in dem ich lebe, einmal so gut beherrschen wie meine Muttersprache." Das ist nicht selbstverständlich für Forscher, die international arbeiten und für die manche Positionen nur Durchgangsstationen sind. Viele ausländische Gäste belassen es dabei, im deutschen Forschungsinstitut Englisch zu reden. Das ist ein kulturelles Manko, das auch Lehrstuhlinhaber Martin Dressel erkannt hat: "Ich schicke alle meine ausländischen Mitarbeiter in einen Sprachkurs." Bogani kommt gerade von einem einmonatigen Sprachkurs des Goethe-Instituts in Schwäbisch Hall. Der hat ihm viel Freude bereitet, wenngleich die international besetzte Klasse beim Feierabendbier dann doch auf Englisch parlierte. Wenn er seinen Preis von Forschungsministerin Annette Schavan erhält, kann er dann zeigen, dass als Wissenschaftssprache auch Deutsch noch etwas hermacht. Hilft Ebay dabei, Müll zu vermeiden? Gericht gibt Obama Zeit Betreuung für Sterbende Wie man Wanzenmännchen erfolgreich abtörnt Fundstück der Woche 400 Meter Fischflug GUT DOTIERTE FÖRDERUNG Alle Artikel des Ressorts http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2624362_0_2147_-magnetische-molekuele... 13.09.2010