«IchbinvorsichtiggegenüberJournalisten»

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«IchbinvorsichtiggegenüberJournalisten»
Wochengespräch
Zürichsee-Zeitung Bezirk Horgen Montag, 10. Mai 2010
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Thalwil Das TeleZüri-Aushängeschild Hugo Bigi über seine Arbeit und welche Lektion er im Umgang mit Journalisten gelernt hat
«Ich bin vorsichtig gegenüber Journalisten»
Der Kommunikationswissenschafter Hugo Bigi nennt
Gründe, warum die Leute an
seiner Person interessiert
sind, er gegenüber Journalisten vorsichtig ist und wie es
ist, wenn der Vater stirbt.
Interview Oliver Demont
Hugo Bigi, warum interessieren sich
Menschen für Fernsehmoderatoren wie
Sie?
reflektiere heute die Wirkung der Medien viel mehr als damals. Und diese
Erkenntnis habe ich auch gewonnen:
dass Kollegen, die in der Medienwelt
arbeiten, letztlich auch nur Journalisten sind und einer guten Geschichte
hinterherjagen. Ich bin heute vorsichtiger im Umgang mit Journalisten und
überlege mir genau, wem ich was anvertraue. Das ist aber kein Vorwurf an
meine Kollegen – ich hab ja vor dieser
Episode selbst an diesem Medienteppich mitgestrickt.
Herausforderung ist, dass ich Entscheide innert kürzester Zeit fällen muss –
und da muss ich mir auch immer innert
kürzester Zeit überlegen, ob eine Frage
der Informationsbeschaffung dient oder
nur Blossstellung ist. Es liegt mir fern,
einen Menschen blosszustellen. Wenn
mir das vorgeworfen wird, dann trifft
mich das. Dann gehe ich über die Bücher und analysiere, was passiert ist.
Aber einen Menschen hart kritisieren,
wenn es um Informationen geht, das
kann ich.
Stimmt mein Eindruck, dass Sie oft die
zweite Garnitur der «Talk täglich»-Gäste
erhalten und die spannenden Gäste von
Ihrem Kollegen Markus Gilli befragt
werden?
Ist bis zu einem gewissen Grad Blossstellung nicht auch ein Unterhaltungsfaktor im Fernsehen?
Ich «purzle» regelmässig in die StuIch würde mich wundern, wenn sich
ben der Menschen, die den Fernseher
Fernseh-Leute das Blossstellen zur Maeinschalten. Das erzeugt eine gewisse
Das Denken in Kategorien wie «span- xime machen. Das würde mit SicherIntimität beim Zuschauer, und dadurch nende Gäste» und «nicht spannende heit auch niemand so sagen. Ich kann
zähle ich ein Stück weit zur Gemein- Gäste» ist mir fremd. Alle Gäste müssen mir aber vorstellen, dass das Ego in geschaft, die am Abend
von Interesse sein. Ich wissen Situationen durchgeht und perim
Wohnzimmer
mag Gäste im «Talk sönliche Gefühle des Journalisten über«Der Tod des Vaters täglich», die noch handnehmen und ein Streitgespräch
stattfindet.
Daher
wohl auch das Intenicht geformt sind zum Zanken oder «Rübe ab»-Syndrom
ist ein Zeichen für durch ein Amt. Men- mutiert. So weit darf es aber nicht komresse an meiner Person. Doch das Bild
schen, die nicht für men.
die eigene Sterbvon mir ist unvolleine Partei reden müsständig.
sen, keine Rechts- Wann sind Sie das letzte Mal bei Ihrer
lichkeit.»
abteilung im Rücken Arbeit in einen medienethischen GewisInwiefern?
haben oder als Spre- senskonflikt geraten?
Ethik zu definieren, ist extrem
Im Fernsehen bin
cher einer Gruppieich als Moderator und Interviewer in ei- rung auftreten. Sie sind eine grössere schwierig. Ein wichtiges Kriterium von
ner klaren Funktion und teile nur eine Herausforderung als jene Personen, die mir und der Redaktion ist, herauszufinkleine Facette meiner Persönlichkeit mit im Umgang mit Medien geschult sind. den, ob wir einen Menschen in der Öfden Zuschauern.
Zu Ihrer Frage: Markus Gilli und ich ha- fentlichkeit interviewen können. Gerade
ben uns die «Talk täglich»-Abende auf- bei schicksalsgetriebenen Sendungen
Sie zählen dank Ihrer Tätigkeit beim geteilt: Ich bin in der Regel am Dienstag haben wir immer wieder mal MenFernsehen zur People-Prominenz. Wie und Donnerstag an der Reihe und Mar- schen, die Schlimmes erlebt haben. Umstark kickt diese Rolle in der Öffentlich- kus am Montag und Mittwoch. Die Ein- so mehr ist die Entscheidung eine groskeit Ihr Ego an?
teilung ist somit zufällig und Ihr Ein- se Herausforderung.
Das Ego spielt sicher eine Rolle. Wer druck falsch.
am Fernsehen auftritt, stellt sich selbst
TeleZüri stellt doch jeden vor die Kamedar. Aber meine Tätigkeit beim Fernse- Pflegen Sie eigentra, der Einschaltquohen ist nur ein Teil von mir. Es gibt Dinge lich die Einteilung,
ten generiert.
«Ich bin nicht der
im Leben, die für mich eine viel grössere dass Markus Gilli
Nein. Es gibt imBedeutung haben. Beispielsweise als ich fürs Grobe zuständig
mer wieder Leute, die
Beisser, auch wenn wir ablehnen. Andevor elf Monaten zum zweiten Mal Vater ist, und Sie eher den
eines Sohnes wurde. Das sind Herausfor- sanften, verständnisrerseits ist es schon so,
ich sehr hartnäckig dass
derungen, Eindrücke und Erfahrungen, vollen
Interviewer
wir wollen, dass
welche meine Tätigkeit beim Fernsehen abgeben?
die Betroffenen reden
sein
kann.»
bei Weitem übersteigen.
Ich bin einer, der
und nicht die Vertreter
der Betroffenen. Und
gerne zuhört und erst
Als Privatperson standen Sie vor Jahren dann die Fragen
das bedingt, dass die
selbst in der Öffentlichkeit, als Ihre erste stellt. Ich bin nicht der Beisser, auch Gäste eine gewisse Eloquenz haben und
Ehe mit der Journalistin und Fernseh- wenn ich sehr hartnäckig sein kann. reden können. Das ist immer wieder
moderatorin Eva Wannenmacher in den Mein Credo ist: Kommunikation ist erst eine Gratwanderung. Zugegeben, sie
Medien thematisiert wurde. Was raten dann eine Kommunikation, wenn ich glückt uns nicht immer.
Sie als Medienexperte rückblickend ei- zuhöre. Wenn ich ausschliesslich eine
ner Person, die in der gleichen Situation vorgefasste These vertrete, dann ist es Vor kurzem ist Ihr Vater im Alter von
steckt? Kommunizieren oder Schweigen für mich schwierig, mit Gewinn zu 83 Jahren gestorben. Wie ist das, wenn
im Umgang mit den Medien?
der Vater stirbt?
kommunizieren.
Es sind über zehn Jahre vergangen,
Sein Tod hat mich getroffen. Ich war
ich müsste mich wieder mit solchen Si- Sehen Sie sich denn selbst als «soften» in meinem bisherigen Leben in meinem
tuationen befassen, um Ratschläge er- Moderator?
näheren Umfeld nie mit dem Tod konteilen zu können. Ich spürte damals als
Es kommt auf das Thema an und frontiert gewesen. Die Tatsache, dass er
Privatperson, wie Medien Ereignisse was ich aus meinen Gästen herausholen nicht mehr da ist, schmerzt. Er war ein
transportieren und sich eine Eigendyna- möchte. Der Weg, wie ich diese Infor- Mensch, dem ich viel zu verdanken hamik entwickeln kann, selbst wenn ich mationen generiere, ist nicht immer der be und den ich schätzte. Und wenn der
von meiner Seite wenig Privates an die gleiche. Interessant ist: Wenn ich einen Vater stirbt, ist das ja auch ein klares
Öffentlichkeit trug. Aber grundsätzlich Zacken an Härte zulege, dann bleiben Zeichen für die eigene Sterblichkeit. Ich
bin ich fürs aktive Kommunizieren, die Reaktionen nicht aus. Dann wird erlebte innert kürzester Zeit die Schöndenn Schweigen ist auch eine Art von rasch gefragt, warum ich so hart und heit und Trauer des Lebens: Mein zweites Kind kam auf die Welt und kurze
Kommunikation.
unfair sei.
Zeit später starb mein Vater. Das Leben
Haben Sie Konsequenzen aus der Situa- Gibt es Fragen, die Sie zu Beginn eines wächst und stirbt – nahe beieinander.
Gesprächs zu stellen gedenken und sich Das ist bewegend.
tion von damals gezogen?
Ja, meine Skepsis gegenüber der dann nicht getrauen?
Medienwelt ist stärker geworden, das
Ich habe nicht einen ausformulierten
Impressum
hängt aber auch mit meiner wissen- Fragenkatalog, sondern Themenfelder,
schaftlichen Tätigkeit zusammen. Ich aus denen ich Fragen formuliere. Die Burghaldenstrasse 4, 8810 Horgen, Tel: 044 718 10 20,
Fax: 044 718 10 25, [email protected]
Medienmacher mit Distanz
Öffentliche Person privat: Hugo Bigi in seinem Garten in Thalwil. (Michel Nellen)
Zum öffentlichen Gesicht wurde
Hugo Bigi, als er 1994 zum neugegründeten TeleZüri stiess und beim Sender
als Moderator zu einem Aushängeschild des Senders wurde. Bigis Karriere in den Medien begann längst vor
seiner Zeit bei TeleZüri: Zuvor war er
fast zehn Jahre Moderator und Redaktor bei Radio 24, dann Leiter von Opus
Radio und Chefredaktor des Szenemagazins «Bonus». Heute interviewt Bigi
auf TeleZüri zweimal wöchentlich Gäste aus Politik, Kultur und Gesellschaft
in der Sendung «Talk täglich» und befasst sich eingehend mit der Reflexion
von Medien und ihrer Wirkung. So unterrichtet der Kommunikationswissenschafter an Hochschulen und an der
Schweizer Journalistenschule MAZ angehende Journalisten und schult
Führungskräfte in der Medienarbeit
(www.hugobigi.ch). Zurzeit arbeitet er
an seiner Doktorarbeit in Medienwissenschaften an der englischen Universität in Leicester. Bigi lebt mit seiner
zweiten Ehefrau Kim seit 10 Jahren in
Thalwil. Vor 11 Monaten wurde er zum
zweiten Mal Vater. Aus erster Ehe mit
Eva Wannenmacher hat er einen 13jährigen Sohn. (dem)
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