Zurechtgestutzt

Transcrição

Zurechtgestutzt
6 . A P R I L 2 014
W E LT A M S O N N TAG
BAYERN BY 3
N R . 14
Zurechtgestutzt
Ob Brooklyn,
Berlin oder Giesing:
Man trägt wieder Bart.
Und der mittlerweile
fast ausgestorbene Beruf
des Barbiers erlebt eine
Renaissance
as
Internetportal
Friendscout24
hat
gerade „Hollywoods
heißeste Bartträger“
gekürt. Es gewann
George Clooney (mit
Vollbart) vor Brad
Pitt (Spitzbart) und Leonardo DiCaprio
(Kinnbart). Stars mit Bart? Wir nehmen
mit: Bart ist wieder ein Thema.
Oder ist er sogar sexy? Jule Müller ist
Verlegerin eines Single-Magazins und
glaubt es zu wissen. Der einzige Trend in
ihrer Branche, der sich momentan abzeichne, so Müller, „geht zu Männern
über 30, mit Bart“. Ach ja? Fragen wir
doch mal einen Mann. David Fechner.
Der ist zwar erst 28. Aber eine Instanz.
D
Fechner, gelernter Friseur, schneidet
Damen und Herren. So weit, so normal.
Sein Salon im München-Giesing aber
durchlebt gerade eine Transformation.
Es geht nicht mehr nur um Haarschnitte,
sondern „50:50“ um Frisuren und Bart.
Fechner führt seinen Salon jetzt parallel
als Barbershop. Versunken geglaubte,
handwerkliche Traditionen winken wie
aus fernen Tagen herüber. Das sieht man
schon am Inventar.
Die Frisierkommode aus den 30er-Jahren, Echtholz, mit ausziehbaren Schubläden, altmodisch geschwungenen Porzellanwaschbecken und stellenweise
blinden Spiegeln, hatte ein Dorffriseur
aus der Nähe von Frankfurt bei sich im
Keller stehen. Fechner hat sie ihm abgekauft. „Erst“, sagt er, „war da die Idee,
einen Barbershop zum Damen- und Herrensalon dazuzunehmen.“ Das Stimmige
aber, wie es gelang, die aus der Zeit gefallene Atmosphäre hervorzuzaubern,
„das war ganz einfach Glück.“
Die mechanisch-hydraulischen Stühle
aus den 50ern etwa, in die er gerade die
frisch mit Papier umwickelten Kopfstützen rammt, hat ihm eine Ex-Freundin
mit den Worten angeboten: „Du stehst
doch auf den alten Kram. Willst du sie
haben?“ Alter Kram! Auch die Zeit für
Bärte schien eigentlich vorbei.
Jetzt sind sie wieder da – und dabei
reden wir nicht über den Schnäuzer, den
Joaquin Phoenix im Kino („Her“) gerade
wieder hoffähig macht. Schnäuzer stehen als Hommage an die Seventies per
se unter Kultverdacht. Vollbärte dagegen
WWW.CARROUX.COM
VON HERMANN WEISS
Ein schöner Bart braucht Geduld und Pflege: Der Münchner Barbier David Fechner (l.) bringt den Bart eines Kunden in Form
waren jahrzehntelang nur „out“. Jetzt
sind sie so „in“, dass der New Yorker/
Berliner Hipster mit Rauschebart und
schwarz geränderter Brille fast schon
zum Abziehbild geworden ist. Kann man
sich als Mann unter diesen Umständen
überhaupt noch einen Bart stehen lassen? „Don’t panic“, sagt Fechner.
Er ist nicht der Typ, der sich von
Trends aus der Ruhe bringen lässt. „Ich
trag’ schon seit der Schulzeit Bart.“ Und,
ach ja: „Wenn’s nach meiner Freundin
geht, könnte er auch länger sein. Weil er
dann nämlich nicht kratzt.“
Einer wie Fechner, ein geerdeter Typ,
interessiert sich zwar für Moden. Das gehört bei ihm zum Geschäft. Aber: Er
guckt auch dahinter, fragt, warum das eine kommt und das andere geht. Beim
Vollbart, sagt er, hat es mit dem Männerbild zu tun. Sein Eindruck: „Du darfst
jetzt ruhig wieder ein bisschen schmutziger ausschauen.“
Jenseits der Debatte, wie der Mann
heute zu sein hat – hart und weich, tatkräftig und empfindsam, animalisch und
zärtlich, verschwitzt und gepflegt, ein
begehrenswerter Draufgänger, aber eben
auch ein liebenswerter Partner und Papi
– gibt es scheinbar einen neuen Grundkonsens. Es ist danach eher keine gute
Idee, dem Mann auch noch die letzten
Atavismen auszutreiben. Etwa, sich einen Bart stehen zu lassen.
Interessant in diesem Zusammenhang: Bei Fechner, im Salon, kaufen
mittlerweile Mädels Gutscheine für
Jungs. Es geht dabei um Dinge wie die
klassische Nassrasur, den sauber geschnittenen Drei-, Fünf- oder Sieben-Tage-Bart oder das Trimmen wild wuchernder Vollbärte.
Ausgerechnet die Mädels helfen den
Jungs, ihre Männlichkeit neu zu entdecken, sie nicht zu verstecken, sondern
im Gegenteil was draus zu machen. Und
tragen damit zur Renaissance des Barbiers alter Prägung bei. Für die Branche
ist das eine Kulturrevolution.
„Wer heute Friseur lernt, erfährt zwar
alles über Dauerwellen“, sagt Fechner.
„Aber das, was eigentlich zum Rüstzeug
eines jeden (Herren-)Friseurs gehört wie
Bartpflege und Rasur, bringt einem keiner bei.“ Bilder, wie man sie aus südlichen Ländern kennt, von Männern mit
heißen Tüchern überm Gesicht, von Barbieren, die versonnen ihre Rasiermesser
schärfen, sind bei uns aus dem Alltag
verschwunden. Das hat, natürlich, auch
mit Nachfrage und Angebot zu tun. Die
Dienstleistung des Barbiers wird bei uns
nicht geschätzt: „Das ist schon auch typisch deutsch“, sagt Fechner, „dass man
nicht für etwas zahlt, von dem man
glaubt, dass man es selber kann.“
Während türkische Friseure, auch
Araber, hierzulande die Tradition des
Bartschneidens nach wie vor hochhalten,
ist sie in deutschen Salons praktisch ausgestorben. Jetzt aber tut sich was.
Als David Fechner vor einem knappen
Jahr seinen Barbershop in Giesing eröffnete, war es der erste in München. Mittlerweile ziehen andere nach. Fechner erinnert sich an die Anfänge: „Ich lud meine Kumpels auf einen Kasten Bier in die
Edelweißstraße und bot an, sie zu rasieren.“ Es war ein großes Hallo. Und eine
coole Männerrunde. Doch wie ein wirklich cooler Barbershop ausschaut, vom
Ambiente übers Personal bis hin zu den
Ritualen des Jobs, hat er erst danach bei
Robert Rietveld begriffen.
In dessen „Schorem“-Salon im holländischen Rotterdam bleiben die Jungs
komplett unter sich: „Tätowierte Fachkräfte frisieren und rasieren ihre Kunden
im Stil der 50er-Jahre, Männer und Hunde sind erlaubt, Frauen nicht“, wunderte
sich der „Spiegel“ Anfang März. Er war
lange vorher da, erzählt Fechner, hat sich
von Rietvelds (selbstverständlich voll-
stimmung zeitgleich zur Europa-Wahl
am 25. Mai. Die Debatte über die Ausmalung hatte im Vorjahr der Verein der
Nürnberger Altstadtfreunde angestoßen.
Die Stadt und der Verein einigten sich
schließlich auf eine gemeinsame Fragestellung samt zugehörigem Erläuterungstext. Derzeit sind die Wände des
im Zweiten Weltkrieg zerstörten und
später wieder aufgebauten Rathaussaales weiß. Sicher ist, dass er nie wieder so
aussehen wird, wie Dürer ihn Anfang
des 16. Jahrhunderts entwarf: Die Vorlagen des Künstlers sind verschollen, die
Wände selbst wurden mehrfach übermalt und verändert.
Künftig soll es die Möglichkeit geben,
sich zu registrieren und so den Datenverkehr zu verschlüsseln.
Lindenkirchweih im oberfränkischen
Limmersdorf zur Aufnahme in die
Unesco-Liste des immateriellen Kulturerbes vorschlagen, wie die Staatskanzlei
am Dienstag nach der Kabinettssitzung
mitteilte. Aus Bayern lagen 18 eigene
Bewerbungen vor, weitere 15 in Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern.
Bei der Limmersdorfer Lindenkirchweih
tanzt die Dorfjugend seit 1729 alljährlich
auf einem Tanzpodest, das um den
Stamm einer inzwischen fast 400 Jahre
alten Linde herum gebaut wurde.
bärtigen) Wild Cats den Bart machen
lassen und anschließend „stundenlang
nur zugesehen“. „Schorem“, sagt Fechner, ist ein Gesamtkunstwerk. Ein paar
charakteristische Spurenelemente davon
finden sich auch in seinem Salon.
Fechner hat zwar nicht ganz die Klientel Rietvelds („Rockabillys, Psychobillys,
Gentlemen, Punks, Freaks, Künstler,
Rocker, Biker“). Dafür spült ihm der
Trend zum Bart neben der normalen
Kundschaft jede Menge Novizen ins Geschäft, die sich je nach persönlicher Verfasstheit – zwischen lückenhaft sprießendem Flaum und üppig wuchernder
Männlichkeit – einen Rat von ihm erhoffen. Wobei: „Die meisten Jungs wissen
genau, was sie wollen.“ Nur der Weg
dorthin ist oft beschwerlich.
„Die Seiten schmal und bis zur Brust
stehen lassen“, also einen ordentlichen
Vollbart. „Den hätten zur Zeit viele
gern“, sagt Fechner. Davor und dazwischen aber lauern diverse Stadien der
Verzweiflung. Etwa, wenn es zu lange
dauert ( je nach Bartwuchs bis zu einem
halben Jahr!); wenn die Haut unterm
Bart rebelliert (was ganz normal ist und
oft passiert); oder wenn von Selbstoptimierung gerade nicht die Rede sein kann
(weil die gewünschte Bartvariante partout nicht zur Gesichtsform passt).
Fechner reagiert darauf, wie man das
von einem Profi erwartet. In hoffnungslosen Fällen zum Beispiel rät er auch mal
ab: „Wo nichts ist, kann auch nichts
wachsen.“ Gegen Hautreizungen reibt er
einem das Mandelöl eines britischen
Apothekers in den Bart. „Pflegeprodukte
für den Bart muss man sich in England
oder in den USA besorgen.“ Er kann
dürftige Bärte mit ein paar Tricks voller
aussehen lassen und auch sonst allerhand richten. „Man glaubt gar nicht, was
man nur mit dem Rasiermesser und der
Arbeit an den Konturen bewirken kann.“
Grundsätzlich und zwischendrin macht
er jedem erst mal Mut.
Dein Bart ist grau meliert? Pfeif
drauf! „Wenn man ihn färbt, sieht er
nur geschminkt aus.“ Du willst mit Bart
nicht wie dein seliger Chemielehrer
aussehen? „Dann schau, dass die Barthaare nicht in alle Richtungen stehen.“
Das ist dann auch der Punkt, an dem
Fechner keinen Spaß versteht: „Wenn
sich einer einfach so einen Vollbart hinzüchtet.“ Da geht er nicht mit. Das, sagt
er, ist gegen die Ehre des Barbiers.
ANZEIGE
BAYERN
aktuell
NACHRICHTEN
Gymnasialreform soll bis
zur Sommerpause stehen
ZEITPLAN Ministerpräsident Horst Seehofer will bis Mitte Juli den Plan der
Staatsregierung für die Zukunft des
bayerischen Gymnasiums vorlegen. „Bis
zur Sommerpause“ solle das Konzept
stehen, sagte Seehofer (CSU) in München. Eine Reform werde es aber frühestens im übernächsten Schuljahr 2015/16
geben. Schnelle Änderungen für das
laufende oder das kommende Schuljahr
schloss der CSU-Chef aus. Ob das Gymnasium künftig ein achtjähriges, ein
neunjähriges oder eine Zwischenlösung
sein soll, ließ Seehofer offen. Auch eine
Beibehaltung des G8 sei nicht ausgeschlossen: „Es ist möglich, dass wir zu
dem Ergebnis kommen, das jetzige ist
das bessere.“ Bisher war in der CSU die
Rede davon, den Gymnasialplan bis zum
Herbst zu präsentieren – das dauert
Seehofer jedoch offenbar zu lang.
Streit um Ausmalung des
Nürnberger Rathaussaals
BÜRGERENTSCHEID Im Streit um die
Ausmalung des historischen Nürnberger
Rathaussaals haben Ende Mai die Bürger
das Wort. Nach einer Vorentscheidung
Ende Februar gab der Nürnberger Stadtrat endgültig grünes Licht für die Ab-
Öffentliches WLAN in
München wird ausgebaut
Mit Smartphone, Tablet oder
Laptop kostenfrei im Internet surfen –
was als Pilotprojekt in München begann,
soll bis 2017 noch weiter ausgebaut
werden. Die Stadt will das kostenfreie
M-WLAN künftig an 25 weiteren Standorten anbieten. Im Moment ist der öffentliche Internetzugang am Marienplatz, Stachus, Sendlinger Tor und Odeonsplatz möglich – mit rund 22.000
Nutzern im ersten Halbjahr ein großer
Erfolg. Im Zuge der Erweiterung könnte
auch dem Sicherheitsbedürfnis der Internetnutzer Sorge getragen werden:
INTERNET
Wagniskapital für junge
Unternehmen aus Bayern
Der Freistaat will jungen
Unternehmen aus Bayern mit Wagniskapital unter die Arme greifen. Dafür ist
ein „Wachstumsfonds Bayern“ mit einem Volumen von bis zu 100 Millionen
Euro geplant, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Damit ließen sich
voraussichtlich insgesamt rund 250
Millionen Euro an Investitionen mobilisieren. „Viele gute Ideen und bereits
entwickelte Produkte haben keine Chance, weil den Unternehmen Geld für
größere Investitionen fehlt“, sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Mit
den erwarteten 250 Millionen Euro
dürfte sich der Finanzierungsbedarf der
Hightech-Start-ups in den kommenden
fünf Jahren decken lassen.
WIRTSCHAFT
Ab 1..1 täglich von 1. – 1. Uhr geöffnet.
 m langer, bis 1 m hoher und barrierefreier
Aussichtssteg im Walderlebniszentrum Ziegelwies.
Infos: www.baumkronenweg.eu
Füssen Tourismus und Marketing AdöR, Kaiser-Maximilian-Platz 1,  Füssen, Tel.  , www.fuessen.de
Frühlingsgruß aus den Allgäuer Bergen!
ANZEIGE
IMMOBILIEN
BAYERN
Münchner
Unternehmerehepaar
sucht freistehendes Einfamilienh.
in München und Umgebung, auch
renovierungsbedürftig, zum Kauf.
Tel. 0171 / 626 31 64
Passionsspiele sollen
Weltkulturerbe werden
Die weltbekannten Passionsspiele von Oberammergau sollen Weltkulturerbe werden – wenn es nach dem
Willen der Staatsregierung geht. Das
Kabinett will die Passionsspiele und die
SAISONSTART
Baumkronenweg Füssen
ÖSTERREICH
TRADITION
ÖSTERREICH: baubiologisch wertvolle MassivHolzhäuser, Ferienappartement + Wohnungen
mitten im Ski-Gebiet ab EUR 79.300 (netto).
200 m v. Lift, nh. Golfplatz, Küchen-Zeile, Stellpl.
Tel.: 0173/399 65 13 · E-Mail: [email protected]
© Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer AG, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung
WELT AM SONNTAG MÜNCHEN-2014-04-06-swonl-91 1e354e64b8cb86430a386120cbe0a1f3
3 ÜHP im 2-Zi-Hotelappartement (45qm) Hallenbad, 3 Saunen,
!"#
$%
#
!
&#'
Bad Hindelang Plus Card:%*%
%"+./0$
'
ab 237 € p. P. bis 22.06.2014 1678.9:;<;=
G?8CI%&
JB:CKLB;<8CM';N1:=K7F;NK;:
>
&[email protected] C8D6&#ED?&$F:<7
Ochsenkopf / Fichtelgebirge
Als Wanderregion bekannt und beliebt – lädt die Region um den Ochsenkopf (1.024 m)
auch zum Start in die Radsaison. Erleben Sie hier die CUBE Testbiketage 2014.
Preiswert, attraktiv – z.B. Feiertage im Wildkräuter Hotel Schönblick
3 x Übernachtung inkl. Frühstücksbuffet und Halbpension (3- bzw. 4-Gang Menü)
Nutzung des Wellness Bereichs, 1x Eintritt Wildpark Mehlmeisel
ab Euro 192,- pro Person im Doppelzimmer
Info: Hotel Schönblick · 95686 Fichtelberg · Tel. 09272-97800 · www.hotel-schönblick.de
Info Region: Tourismus & Marketing GmbH · Tel. 09272-97032 · www.erlebnis-ochsenkopf.de

Documentos relacionados