Internationaler Baumarkt eröffnet attraktive Chancen für die

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Internationaler Baumarkt eröffnet attraktive Chancen für die
BAUWIRTSCHAFT
REKORDWERT IM JAHR 2011
Internationaler Baumarkt
eröffnet attraktive
Chancen für die deutsche
Bauindustrie
Mit einer internationalen Bauleistung von 29,5 Mrd. € konnte die deutsche Bauindustrie im Jahr 2011 einen neuen Rekordwert verzeichnen. Demgegenüber sank der
internationale Auftragseingang im Vergleich zum Spitzenwert des Vorjahrs um 19%
auf knapp 28 Mrd. €. Dieser Rückgang ist im Wesentlichen auf Einbußen beim Tochter- und Beteiligungsgeschäft zurückzuführen. Das traditionelle Bauexportgeschäft
konnte um mehr als 50% zulegen und überschritt erneut die Milliardenschwelle.
RA Frank Kehlenbach, Leiter des Geschäftsbereichs Auslandsbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie,
Geschäftsführer der European International Contractors (EIC)
1. Einleitung
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für das internationale Baugeschäft waren in den letzten beiden Jahren nicht einfach. Nachdem die globale Finanzkrise Ende 2010 überwunden
schien, verunsicherte im Jahr 2011 die Eskalation der Schuldenkrise im Euroraum weltweit Investoren und Konsumenten und
führte zu einer Abschwächung des weltwirtschaftlichen Wachstums bis ins Jahr 2012 hinein. Selbst die Schwellenländer, deren Volkswirtschaften sich 2009 noch als sehr robust erwiesen
hatten, konnten sich der allgemeinen Abschwächungstendenz
nicht entziehen. In diesem von Unsicherheiten und Umbrüchen
geprägten Marktumfeld stellt das internationale Baugeschäft
derzeit einen Stabilitätsfaktor dar, welches den international
aktiven deutschen Bauunternehmen attraktive Chancen bietet.
2. Der internationale Baumarkt 2011
Zufolge der jährlichen Umfrage der U.S.-amerikanischen Fachzeitschrift „Engineering-News Record“ konnten die führenden
internationalen Bauunternehmen – die „Top 225 International
Contractors“ – im Jahr 2011 ihr akkumuliertes Umsatzvolumen
von 384 Mrd. US$ auf 453 Mrd. US$ steigern. Allerdings spiegelt dieses Ergebnis die Realität insofern nicht korrekt wider, als
50
01/2013
die internationale Bauleistung des ENR-Primus Hochtief infolge der im Juni 2011 erfolgten Konsolidierung in der Bilanz des
spanischen Mehrheitsgesellschafters Grupo ACS in der Statistik
zum Teil doppelt verbucht wurde. Nur so ist es zu erklären, dass
das größte spanische Bauunternehmen seinen internationalen
Umsatz im Jahr 2011 von 6,5 auf 31 Mrd. US$ fast verfünffachen und sich in der ENR-Statistik um zehn Plätze von Platz 12
auf Platz 2 verbessern konnte. Da zudem auch die australische
Hochtief-Beteiligung Leighton in der ENR-Rangliste aufgeführt
ist, wird deren internationales Baugeschäft von der ENR-Statistik mittlerweile dreifach erfasst. Daher dürfte das von ENR veröffentlichte internationale Umsatzvolumen insgesamt zu hoch
taxiert sein. Doch auch eine entsprechende Korrektur würde
noch einen kräftigen Anstieg der internationalen Geschäftsumsätze auf rund 430 Mrd. US$ ergeben.
Bauboom in den Schwellenländern
Auf Basis der ENR-Zahlen verzeichneten alle regionalen Baumärkte mit Ausnahme Afrikas im Berichtszeitraum spürbare
Zuwächse. Dabei avancierte die Asien-Pazifik-Region mit einem
internationalen Umsatz von 112 Mrd. US$ zum scheinbar größten regionalen Baumarkt. Da indes, wie oben erwähnt, das signi-
Auslandsbau
ENR Statistik 2010 – Marktanteile 2010 der TOP 225 Internationalen Bauunternehmen
Gesamt­
Mittlerer
Anzahl
Asien-Pazifik
Afrika
Europa
Bauunternehmen
volumen
Osten
Nationalität
Firmen Mio. $
%
Mio. $
%
Mio. $
%
Mio. $
%
Mio. $
%
26
57.973
12,8
12.786
15,4
14.725
13,1
3.917
6,7
5.546
5,5
USA
3
2.012
0,4
227
0,3
84
0,1
803
1,4
263
0,3
Kanada
60
240.291 53,1
25.208
30,3
49.914
44,5
20.092
34,6
86.159
84,9
Europa
4
12.752
2,8
3.321
4,0
2.478
2,2
740
1,3
2.467
2,4
Großbritannien
4
40.837
9,0
1.422
1,7
21.207
18,9
863
1,5
6.993
6,9
Deutschland
4
40.836
9,0
2.732
3,3
4.537
4,0
5.778
9,9
20.367
20,1
Frankreich
19
33.377
7,4
6.491
7,8
4.476
4,0
9.686
16,7
5.866
5,8
Italien
2
7.114
1,6
427
0,5
615
0,5
241
0,4
5.637
5,6
Niederlande
12
60.211
13,3
3.252
3,9
15.030
13,4
1.390
2,4
16.959
16,7
Spanien
15
45.164
10,0
7.564
9,1
1.570
1,4
1.395
2,4
27.870
27,5
Andere
4
8.197
1,8
1.569
1,9
3.850
3,4
14
0,0
1.027
1,0
Australien
14
18.835
4,2
3.903
4,7
10.505
9,4
1.107
1,9
499
0,5
Japan
52
62.708
13,8
11.271
13,6
22.532
20,1
23.325
40,1
1.468
1,4
China
12
25.769
5,7
17.233
20,7
4.713
4,2
2.187
3,8
36
0,0
Korea
33
15.902
3,5
5.012
6,0
3.606
3,2
1.772
3,0
5.409
5,3
Türkei
4
9.596
2,1
0
0,0
0
0,0
2.221
3,8
375
0,4
Brasilien
17
11.617
2,6
5.866
7,1
2.265
2,0
2.712
4,7
680
0,7
Alle Anderen
225
452.899 100,0 83.074 100,0 112.195 100,0 58.149 100,0 101.463 100,0
Alle Firmen
Nordamerika
Latein­
amerika
Mio. $
%
Mio. $
%
15.515,2
27,3
5.483
462,7
0,8
171
0,4
35.619,8
62,6
23.298
56,7
13,3
3.704,9
6,5
42
0,1
10.109,2
17,8
243
0,6
5.443,4
9,6
1.977
4,8
1.022,6
1,8
5.835
14,2
3,9
0,0
191
0,5
10.425,7
18,3
13.155
32,0
4.910,1
8,6
1.855
4,5
1.669,2
2,9
68
0,2
2.496,0
4,4
325
0,8
550,4
1,0
3.562
8,7
309,2
0,5
1.291
3,1
11,7
0,0
91
0,2
246,0
0,4
6.755
16,4
27,6
0,0
67
0,2
56.907,6
100,0
41.111
100,0
ENR Statistik 2010 – Die TOP 225 Globalen Bauunternehmen
(basierend auf den Gesamtumsätzen der Unternehmen)
Rang
Bauunternehmen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Hochtief AG, Essen, Germany
Grupo ACS, Madrid, Spain
VINCI, Rueil-Malmaison, France
STRABAG SE, Vienna, Austria
Bechtel, San Francisco, Calif., U.S.A.
SAIPEM, San Donato Milanese, Italy
Fluor Corp., Irving, Texas, U.S.A.
Bouygues, Paris, France
Skanska AB, Solna, Sweden
China Communications Construction Group Ltd., Beijing, China
fikante australische Beteiligungsgeschäft von Hochtief ebenfalls
im regionalen Umsatz von Grupo ACS zum Ausdruck gekommen
ist, dürfte das tatsächliche Geschäftsvolumen in dieser Region
knapp unter 100 Mrd. US$ liegen. Gleichwohl wurde der bislang
höchste Wert in dieser Region erreicht, das Wachstum gegenüber dem Vorjahr betrug bereinigt gut ein Drittel. Somit konnte
der europäische Baumarkt mit internationalen Umsätzen von
knapp über 100 Mrd. US$ weiterhin knapp seine führende Stellung behaupten. Zwar konnte der Spitzenwert von 114 Mrd. US$
aus dem Jahr 2008 nicht wieder erreicht werden, jedoch konnte
nach zwei rückläufigen Jahren das hohe Niveau des Jahres 2009
übertroffen werden. Auch auf den Baumärkten in Nordamerika
und im Mittleren Osten gelang eine überzeugende Trendwende.
Während in Nordamerika der Rekordwert von 55 Mrd. US$ aus
dem Jahr 2008 bereinigt – auch hier kam es zu einer Doppelung – nur knapp verfehlt wurde, konnte in der Golfregion nach
einem Jahr der Stagnation in 2011 mit internationalen Erlösen
von 83 Mrd. US$ eine neue Rekordmarke gesetzt werden. Mit
Umsätze (Mio. $)
Gesamt
International
31.871
33.775
31.148
42.083
18.674
52.404
17.289
20.071
16.700
25.005
14.110
14.251
13.527
18.685
12.608
31.656
12.339
16.233
9.547
46.007
Auftragseingänge
(Mio. $)
34.225
93.689
50.260
12.380
47.216
13.767
26.900
34.915
19.034
74.925
einem Plus von 20% und internationalen Einkünften von über
41 Mrd. US$ unterstrich auch Lateinamerika erneut seine Position als Treiber im internationalen Baugeschäft. In dieser Region hat sich die Geschäftstätigkeit in den letzten vier Jahren
verdoppelt und seit 2005 verdreifacht. Unterdessen sank der
internationale Umsatz in Afrika um -4% auf 58 Mrd. US$. In Anbetracht der Tatsache, dass sich das Geschäftsvolumen in dieser
Region seit 2007 verdoppelt hat, ist hier jedoch eher von einer
Phase der Konsolidierung als von einer Rezession auszugehen.
Europäische Bauindustrie findet zu alter Stärke zurück
Die aktuelle Statistik des europäischen Auslandsbauverbands
„European International Contractors“ (EIC), die im Gegensatz
zur ENR-Statistik die Firmen des petrochemischen Anlagenbaus
unberücksichtigt lässt, bescheinigt der europäischen Bauindustrie aktuell eine gute Präsenz auf dem internationalen Parkett.
Im Vergleich zum Vorjahr konnten die europäischen Firmen
ihren internationalen Umsatz um 11% auf nunmehr rund 156
01/2013
51
BAUWIRTSCHAFT
Internationaler Umsatz 2010 – in Millionen EURO
Österreich
Belgien
Dänemark
Finnland
Frankreich
Deutschland
Großbritannien2)
Italien
Niederlande
Portugal
Spanien
Schweden 3)
Türkei
Anzahl d.
5
5
5
7
13
13
4
40
7
20
15
13
59
206
Unternehmen
Gesamtumsatz 16.443 5.260
862
3.210 29.910 29.466 9.161 7.881 10.250 4.131 15.195 13.768 10.858 156.395
ohne Europa
927
3.094
166
37
12.583 25.154 7.389 6.209 4.387 3.488 6.969 4.158 7.490 82.051
ohne Europa und
764
3.094
142
29
8.738 18.345 4.727 6.028 4.028 3.374 4.220
667
7.490 61.646
Nordamerika
Regionalumsätze Gesamt
Europa
15.516 2.166
696
3.173 17.327 4.312 1.772 1.672 5.863
643
8.226 9.610 3.368 74.344
Nordamerika
163
0
24
8
3.845 6.809 2.662
181
359
114
2.749 3.491
0
20.405
(USA u. Kanada)
Lateinamerika
93
773
42
0
937
464
30
2.893
459
243
2.819
667
263
9.683
(Zentral u. Süd)
Ozeanien/
20
293
0
0
2.935 16.044 1.780
95
1.919
0
57
0
0
27.209
Australien
Asien
253
492
29
29
294
345
422
0
387
0
1.815
(Ohne Nahost)
Afrika
63
483
39
0
3.906
444
531
1.914
506
3.130
671
0
1.688 13.375
(Ohne Nahost)
Naher Osten1)
335
1.053
32
0
960
1.099 2.386
781
722
1
286
0
3.724 11.379
1) Afghanistan, Bahrain, Ägypten, Iran, Irak, Israel, Jordanien, Kuwait, Libanon, Oman, Katar, Saudi-Arabien, Syrien, Vereinigte Arabische
Emirate und Jemen (Nord und Süd)
2) Bezugsquelle: ENR; The Top 225 International Contractors 2011, herausgegeben am 27. August 2012 – Umtauschkurs: 1 EUR = 1,39 US$;
Offizielle Rate der Europäischen Zentralbank für 2011
3) EIC‘s eigene Ermittlungen
Quelle European International Contractors e.V., Berlin; Weitere Informationen unter www.eicontractors.de
Mrd. € steigern und bleiben damit im Verbund der wichtigste
Faktor im internationalen Baugeschäft. Die innereuropäische
Rangliste wird erneut von den französischen Unternehmen mit
einem internationalen Umsatz von mehr als 30 Mrd. € angeführt, knapp dahinter rangiert die deutsche Bauindustrie mit
knapp 29,5 Mrd. €. Es folgen die Baufirmen aus Österreich mit
16,5 Mrd. €, aus Spanien mit 15 Mrd. € (bei der EIC-Statistik
wurde eine Doppelzählung der Hochtief-Zahlen vermieden) und
aus Schweden mit 13,8 Mrd. €.
Ein Blick in die verschiedenen Weltregionen zeigt, dass die europäischen Bauunternehmen von der rasanten Entwicklung auf
den Baumärkten in Lateinamerika profitieren und ihren Umsatz
in dieser Region um 40% auf 9,7 Mrd. € steigern konnten. Nach
wie vor sind dort die italienischen und spanischen Bauunternehmen bestens positioniert, auf sie zusammen entfallen rund 60%
Auftragseingang aus dem Ausland
in Mrd. EUR
traditionell
Tochter- u. Beteiligungsgesellschaft
Auftragseingang*
35
30
25
20
15
10
5
0
1993
1995
1997
1999 2001
in Mrd. Euro
52
01/2013
2003 2005
2007
2009
2011
des europäischen Umsatzes. Auf dem afrikanischen Kontinent
bleiben die französischen und die portugiesischen Firmen besonders aktiv, sie erbrachten im Berichtszeitraum über 50% der
europäischen Bauleistung. In der Golfregion bleibt die türkische
Bauindustrie im europäischen Vergleich Marktführer, daneben
sind dort die Baufirmen aus Großbritannien, Deutschland und
Belgien gut positioniert. Aus Asien hat sich die europäische
Bauindustrie – mit Ausnahme der türkischen Bauunternehmen,
die vor allem in Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan
präsent sind – weitgehend zurückgezogen. Traditionell können
die Firmen aus Frankreich, Österreich und Schweden mehr als
die Hälfte des innereuropäischen Geschäfts auf sich verbuchen,
während die deutsche Bauindustrie mit ihren großen Beteiligungsgesellschaften nach wie vor in Australien und Nordamerika an der Spitze liegt.
Die EIC-Statistik zeigt eine interessante
Facette, wenn man die Baumärkte in den
Auftragseingänge der deutschen
Industrieländern ausblendet und speziell
Bauindustrie aus dem Ausland nach
die Präsenz der europäischen BauinduRegionen (2002 - 2011)
strie außerhalb der OECD-Länder unter Asien
Australien
sucht: Unter dieser Prämisse liegen die
Europa
Baufirmen aus Portugal mit einem Anteil
Lateinamerika
25
Nordamerika
von 82% berechnet auf ihr gesamtes in20
ternationales Baugeschäft an vorderster
Stelle, vor den italienischen (76%), den
15
türkischen (69%) und den belgischen
10
(59%) Baufirmen. Im Mittelfeld liegen die
Bauunternehmen aus Großbritannien (ca.
5
40%), den Niederlanden (39%) und aus
0
Frankreich (29%), am Tabellenende befinden sich Deutschland (8%), Österreich
und Schweden (je 5%) und Finnland (1%).
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
Auslandsbau
3. Deutscher Auftragseingang aus dem Ausland im Jahr
2011
Die in der Auslandsbaustatistik des Hauptverbands erfassten
international aktiven deutschen Bauunternehmen akquirierten
mit ihren lokalen Tochter und Beteiligungsgesellschaften im
Berichtszeitraum ein internationales Auftragsvolumen im Gesamtwert von 27,8 Mrd. €, das war rund ein Fünftel weniger
als im Jahr 2010. Davon entfielen mit 26,7 Mrd. € knapp 96%
auf das lokale Tochter- und Beteiligungsgeschäft (T+B-Geschäft)
und mit rund 1,1 Mrd. € rund 4% auf den traditionellen Auslandsbau. Die internationale Bauleistung konnte als Folge der
sehr hohen Auftragseingänge im Jahr 2010 um 3,5% auf 29,5
Mrd. € gesteigert werden, davon wurden 1,2 Mrd. € oder 4% im
Wege des klassische Bauexportgeschäfts erbracht. Der Blick in
die einzelnen Regionen verdeutlicht, dass die rückläufige Geschäftsentwicklung bei den Auftragseingängen in erster Linie
auf eine beträchtliche Abnahme des T+B-Geschäfts in Australien
um rund ein Drittel zurückzuführen war. Für diesen „Einbruch“
waren zwei Faktoren wesentlich: Zum einen konnten die im Vorjahr verzeichneten außergewöhnlich hohen Auftragsvolumina
in 2011 nicht wiederholt werden, zum anderen fiel signifikantes
Geschäftsvolumen auf Grund des Verkaufs einer australischen
Beteiligung ersatzlos weg. Auch in Afrika verringerte sich das
Ordervolumen infolge eines erneuten Rückgangs der NigeriaAktivitäten um fast ein Fünftel auf insgesamt 435 Mio. €. Der
Auftragseingang im nordamerikanischen T+B-Geschäft stagnierte trotz einer kräftigen Zunahme der Aktivitäten in Kanada
auf Vorjahresniveau.
Demgegenüber nahm das T+B-Geschäft in den übrigen Erdteilen eine positive Entwicklung. Die Auftragseingänge im T+B-
4. Aktuelle Themen des internationalen Baugeschäfts
Auch wenn der Versuch des chinesischen Staatsbaukonzerns
„Covec“, mit Hilfe eines Straßenbauprojekts in Polen auf dem
EU-Baumarkt Fuß zu fassen, im Vorjahr gescheitert war, bleibt
die Frage des gegenseitigen Marktzugangs auf der Tagesordnung. Die Europäische Kommission hat zu dieser Frage mittlerweile einen Vorschlag unterbreitet, der demnächst zur Diskussion in den europäischen Gremien ansteht. Die europäische
Bauindustrie fordert von der Europäischen Kommission darüber hinaus ein aktiveres Einschreiten hinsichtlich der sich rapide verschlechternden Vertragsbedingungen bei EU-finanzierten
Bauvorhaben in Osteuropa. Gegenüber der deutschen Bundesregierung tritt die deutsche Bauindustrie weiterhin für mehr
Flexibilität bei der Vergabe von „Hermes“-Deckungen für lokale
Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ein.
Marktzugang zu öffentlichen Aufträgen in China
Auch nach mehr als zehn Jahren Verhandlung in der WTO bleibt
der Zugang zu öffentlichen Bauaufträgen in der VR China gegenüber ausländischen Firmen abgeschottet. Im Jahr 2001 hatte
China seinen Beschaffungsmarkt für ausländische Bauunternehmen geschlossen und ein nationales Qualifizierungssystem
eingeführt, das ausländisch investierte Bauunternehmen de
facto diskriminiert. Seitdem warten die Handelspartner darauf,
dass die VR China dem WTO-Übereinkommen über das Öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beitritt. In diesem Fall wäre
China verpflichtet, auch ausländischen Bietern wieder Zugang
zu seinem Beschaffungsmarkt zu gewähren. Nachdem die ersten beiden GPA-Angebote in den Jahren 2007 und 2010 von
den USA und der EU als unzureichend zurückgewiesen worden
waren, präsentierte die chinesische Regierung am 30. November 2011 in Genf ein
drittes „Angebot“, welches allerdings weiterhin die Bereitschaft zur Marktöffnung
vermissen lässt.
Insbesondere die für den Bausektor vorgesehenen Schwellenwerte sind inakzeptabel: So wäre China im ersten Jahr nach
dem Beitritt auf der Zentralstaatsebene
erst ab einem Schwellenwert von ca. 85 Mio. € zu einer internationalen Ausschreibung verpflichtet. Für die Provinzebene soll der
Schwellenwert bei 128 Mio. € und für die Sektoren-Auftraggeber
und staatseigene Einheiten bei 171 Mio. € liegen. Zwar sollen
diese Schwellenwerte sukzessive abgesenkt werden, jedoch nicht
das geringe Niveau der übrigen GPA-Mitgliedstaaten erreichen.
Darüber hinaus exkludiert das chinesische Angebot den gesamten Tief- und Ingenieurbau sowie Lagergebäude und Industriebauten, Schulgebäude, Gesundheitsgebäude und den Grundbau.
Ein Blick in die Weltregionen zeigt, dass
die europäischen Bauunternehmen von der
Entwicklung in Lateinamerika profitieren
Geschäft in Europa verbesserten sich um 7% auf insgesamt 2,8
Mrd. €, allerdings mit regionalen Unterschieden: Während die
Geschäftstätigkeit z.B. in Polen, Österreich und den Niederlanden im Vergleich zum Vorjahr zurückging, waren etwa in
Großbritannien und Skandinavien Zuwächse zu verzeichnen.
Sehr erfreulich verlief die Entwicklung in Asien, einschließlich
der Golfregion, wo das Neugeschäft um 40% gesteigert werden
konnte. Wichtigste Beteiligungsmärkte in dieser Region waren
die Vereinigten Arabischen Emirate, der Oman sowie Katar und
Malaysia. Schließlich konnte auch in Lateinamerika infolge der
guten Geschäftsentwicklung in Brasilien und Chile ein Aufwärtstrend notiert werden.
Nach einem signifikanten Rückgang im Vorjahr legte das traditionelle Auslandsbaugeschäft im Jahr 2011 um 53% zu. Insgesamt konnte im Bauexportgeschäft ein Ordervolumen von rund
1,1 Mrd. € generiert werden. Erneut entfiel der Löwenanteil mit
rund zwei Dritteln bzw. 713 Mio. € auf den innereuropäischen
Bauexport. An vorderster Stelle standen Projekte in Großbritannien und Skandinavien. Die Auslandsbauorders aus Afrika
summierten sich auf insgesamt 233 Mio. € oder ein Fünftel des
Gesamtvolumens, größere Auftragswerte konnten in Algerien,
Ruanda und Tansania akquiriert werden.
EU-Verordnungsvorschlag zum Marktzugang von Drittlandfirmen
Der fehlende Wille der VR China zur Marktöffnung hat die
EU-Kommission nach einer intensiven Diskussion mit den EUMitgliedstaaten im März 2012 dazu veranlasst, ihrerseits einen
Verordnungsvorschlag zur Frage des Zugangs von Drittlandfirmen zum öffentlichen Beschaffungsmarkt der Europäischen
Union vorzulegen. Damit hat die EU-Kommission die Forderung
der europäischen Bauwirtschaft nach einer EU-gesetzlichen Regelung dieser Frage aufgegriffen. Bemerkenswert ist, dass sich
die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag über die Bedenken einflussreicher europäischer Industrieverbände hinweg gesetzt hat.
01/2013
53
BAUWIRTSCHAFT
Nach Darstellung der beiden zuständigen EU-Kommissare, Barnier (Binnenmarkt) und de Gucht (Handel) enthält der Vorschlag
einen „europäischen“ und einen „internationalen“ Mechanismus,
die es unter bestimmten Bedingungen erlauben würden, ein Unternehmen aus einem Land, das kein Mitglied des GPA-Abkommens ist, das sog. „Drittland“, vom Wettbewerb auszuschließen.
Nach dem „europäischen“ Ansatz kann die Europäische Kommission es öffentlichen Vergabestellen auf Antrag gestatten, die Angebote von Drittlandfirmen vom Vergabeverfahren auszuschließen,
wenn und soweit das Drittland selbst restriktive Beschaffungsmaßnahmen anwendet, die zu einem Mangel an substanzieller
Reziprozität hinsichtlich der Marktöffnung zwischen der EU und
dem betreffenden Drittland führt. Der „internationale“ Ansatz
ermächtigt die Europäische Kommission auf eigene Initiative
oder eines sonstigen Beteiligten (z.B. der Industrie selbst) eine
Untersuchung einzuleiten und ihrerseits restriktive Maßnahmen
zu erlassen, wenn sich das Vorliegen restriktiver Beschaffungspraktiken im Drittland bestätigt und die Kommission erfolglos
versucht hat, im Rahmen eines Konsultationsmechanismus Gespräche über einen verbesserten Marktzugang aufzunehmen.
Die europäische Bauindustrie begrüßt den Kommissionsvorschlag als Schritt in die richtige Richtung, wird aber im anstehenden Gesetzgebungsverfahren auf weitere Vereinfachungen
hinsichtlich des Abstimmungsmechanismus zwischen EU-Kommission und Mitgliedstaaten bestehen.
Unfaire Vertragsbedingungen bei EU-finanzierten Projekten
Seit einiger Zeit verwenden einzelne Vergabestellen in den osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten bei öffentlichen Ausschreibungen auch dann unfaire VerBauhauptgewerbe – Jahresbauleistung in Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten ab 1980 (bis
tragsbedingungen, wenn diese
1997 ohne neue Bundesländer, ab 1997 für Deutschland)
Projekte mit EU-Fördermitteln
Jahresbauleifinanziert werden. Speziell in
Zahl der
Zahl der
stung Ausland
Polen hat sich bei der natioJahresbauim Ausland
Unternehmen der Unternehnalen Straßenbaubehörde die
leistung im
JahresbauJahresbautätigen
mit mehr
men mit mehr
Praxis eingebürgert, bei NachIn- und Ausleistung im
leistung im
Unternehmen
als 1.000
als 1.000 Betragsforderungen generell den
Jahr
land
Inland
Ausland
insgesamt
Beschäftigten
schäftigten
Rechtsweg zu beschreiten,
- in Mio. EUR - in Anzahl - in Mio.
auch wenn diese bereits vom
EUR Beratenden Ingenieur zerti1983
51.300
45.501
5.799
224
fiziert sind. Aufgrund dieser
1984
48.953
43.866
5.087
263
Entwicklung ziehen sich seriös
1985
45.227
41.207
4.020
233
kalkulierende Baufirmen zu1986
45.883
43.856
2.027
254
nehmend aus den osteuropä1987
45.160
43.702
1.458
242
ischen EU-Baumärkten zurück,
1988
47.355
46.010
1.345
242
so dass dort der europaweite
1989
51.293
50.078
1.215
235
Wettbewerb
eingeschränkt
wird. Da sich die Europäische
1990
57.690
56.564
1.126
213
Kommission in dieser Frage
1991
64.560
63.354
1.206
251
trotz zahlreicher Beschwerden
1992
74.669
73.550
1.119
242
betroffener Firmen mehrfach
1993
77.316
76.114
1.202
224
für unzuständig erklärt hat,
1994
82.693
81.435
1.258
224
haben sich die europäischen
1995
74.931
73.654
1.277
189
Bauverbände an das Europä1996
70.930
69.188
1.742
204
ische Parlament mit dem Vor1997
68.355
66.784
1.571
192
schlag gewandt, das EU-Recht
um Vorschriften zu ergänzen,
1997
88.925
87.281
1.644
216
wonach die Auszahlung von
europäischen Fördermitteln an
1998
82.150
80.541
1.609
191
17
2.625
die Verwendung von fairen und
1999
83.213
81.666
1.547
208
16
2.495
ausgewogenen Vertragsbedin2000
77.875
76.815
1.060
235
14
1.464
gungen zu knüpfen ist. Eine
2001
69.544
68.214
1.330
248
11
782
solche Bedingung wird nicht
2002
63.327
61.740
1.587
244
10
1.036
nur von den multilateralen
2003
61.430
59.330
2.100
337
10
1.200
Entwicklungsbanken
beim
2004
56.268
54.553
1.715
379
7
883
Abschluss ihrer Kreditverträ2005
54.625
52.929
1.696
408
8
688
ge vorgeschrieben, sondern es
2006
58.586
56.681
1.905
504
5
742
handelt sich hierbei auch um
die ständige Vergabepraxis in
2007
58.964
56.567
2.397
556
7
935
den westlichen EU-Mitglied2008
62.624
60.133
2.491
578
7
911
staaten, wie etwa die Beispiele
2009
60.262
57.848
2.414
562
10
859
der VOB/B in Deutschland, des
2010
59.216
57.078
2.138
573
17
672
„Cahier des clauses admini2008
62.624
60.133
2.491
578
7
911
stratives générales“ (CCAG) in
2009
60.262
57.848
2.414
562
10
859
Frankreich und Belgien, oder
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Dateiname: this_01_13_VDBUM_halbe_Seminaranz2013-90x270_DRUCK.pdf; Nettoformat:(90.00 x 270.00 mm); Datum: 07. Jan 2013 08:19:27; PDF-CMYK für Apogee; L. N. Schaffrath DruckMedien
Auslandsbau
der ÖNORM B2110 in Österreich zeigen. Erfreulicherweise zeigt
das Europäische Parlament in dieser wichtigen Wettbewerbsfrage mehr Verständnis als die Kommission und schlägt nunmehr
offiziell vor, dass die Vertragsbedingungen die mit dem Auftrag
verbundenen Risiken in fairer Weise verteilen müssen. Sollte ein
Großprojekt nicht diesem allgemeinen Grundsatz entsprechen,
kann es aus Sicht des Europäischen Parlaments nicht mit Fördermitteln unterstützt werden. Mit Spannung wird erwartet, welche
Position der Europäische Rat zu diesem Vorschlag einnimmt.
Exportkreditversicherung für ausländische Beteiligungsgesellschaften
Bereits im Juni 2009 hatte der Hauptverband der Deutschen
Bauindustrie der Bundesregierung ein Memorandum vorgelegt,
in dem die Vergabe von „Hermes-Deckungen“ auch für das durch
ausländische Tochter- und Beteiligungsgesellschaften abgewickelte Geschäft der deutschen Bauindustrie gefordert wurde. Der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte im vergangenen Jahr in einem eigenen Vorschlag für eine sog. „erweiterte
Lieferantenkreditdeckung“ das Konzept konkretisiert. In einer
ersten Stellungnahme beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Industrie skeptisch, da es ihrer Ansicht nach nicht
Aufgabe der Exportkreditversicherung sei, „mit deutschen Steuergeldern Arbeitsplätze im Ausland zu fördern“.
Diese Position übersieht allerdings zwei entscheidende Gesichtspunkte: Erstens ist das deutsche Exportkreditversicherungssystem für den Steuerzahler kostenneutral und wird vollständig
durch das Prämienaufkommen der Antragsteller finanziert. Darüber hinaus ist die Auftragsabwicklung über lokale Tochter- und
Beteiligungsgesellschaften häufig die einzige Möglichkeit, den
Auftrag überhaupt für die deutsche Muttergesellschaft zu akquirieren. Die Deckungsfähigkeit solcher Geschäfte würde damit
auch zum Erhalt von hochqualifizierten Arbeitsplätzen beitragen.
Im Dialog zwischen Politik und Wirtschaft wird es nunmehr darauf ankommen, der Politik verständlich zu machen, dass die
Geschäftsabwicklung über Tochter- und Beteiligungsgesellschaften nicht zur Verlagerung von Wertschöpfung ins Ausland führt,
sondern der Überwindung von Marktzugangsbarrieren dient. Im
Zeitalter der Globalisierung ist auch die Außenwirtschaftspolitik
gefordert, ihre Perspektive vom „German content“ auf das „German interest“ zu lenken.
innoVAtion
Aus forschung
und erfAhrung
bAumAschinen gestAlten lAndschAften
AbgAsrichtlinien – Quo VAdis?
wAsserbAu herAusforderung energiewende
Wasserbau, Garten- und Landschaftsbau, Abgasrichtlinien und die Herausforderungen der Energiewende sind Themen des VDBUM-Großseminars
2013. Zum 42. Mal treffen sich Mitglieder, Fördermitglieder und Baufachleute in Braunlage im
Harz, um sich fachlich auszutauschen und ihre
persönlichen Kontakte zu pflegen.
Information und Anmeldung:
Kontakt
Frank Kehlenbach
Director, European International Contractors e.V.
Geschäftsführer, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
E-mail: [email protected]
Web: www.eic-federation.eu
Tel. (0421) 222 39-0
Henleinstr. 8a
28816 Stuhr
[email protected]
www.vdbum.de
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