Kompendium Sexualtherapie, Sabine Kistler (Oktober 2015)

Transcrição

Kompendium Sexualtherapie, Sabine Kistler (Oktober 2015)
Psychodramatechniken in der Einzel- und Paartherapie
bei Sexualstörungen
Ein Kompendium
ABSCHLUSSARBEIT
Psychodrama-Psychotherapie
Sabine Kistler
September 2015
INHALTSVERZEICHNIS
1.
Einleitung
4
1.1.
Verortung
4
1.2.
Vorgehensweise
5
1.3.
Ausblick
6
2.
Sexuelle Funktionsstörungen und ihre psychodramatische
Bearbeitung
6
Einführung und Grundlagen
6
Technik zur Diagnostik: Arbeit mit Intermediärobjekten
9
2.2.
Übergreifende Techniken zur Bearbeitung sexueller Probleme
9
2.2.1.
Interventionen zur Verbesserung der Kommunikations- und Streitkultur
10
2.2.1.1.
Doppeln der PartnerInnen
10
2.2.1.2.
Spiegeln: Streit- und Wunschszene im Rollentausch
15
2.2.1.3.
ExpertInnenenrolle und Rolle anderer Beteiligter
16
2.2.1.4.
Rollenfindung zum Verständnis der sexuellen Beziehungsdynamik
17
2.2.2.
Interventionen zur Wiederherstellung und Festigung der Bindung
18
2.2.2.1.
Rollentausch: Empathie- und somatische Wahrnehmungsschulung
18
2.2.2.2.
Streichelübungen nach dem Hamburger Modell der Paartherapie
19
2.2.2.3.
Vor- und Begleitübungen zu den Streichelübungen
21
2.2.3.
Das Sexuelle Atom und die Arbeit mit Anteilen
21
2.3.
Spezifische Interventionen für die jeweiligen Störungsbilder
25
2.3.1.
Vaginismus und Dyspaneurie bei der Frau
25
2.3.1.1.
Übungen zur Rollenerweiterung
26
2.3.1.2.
Liebevolle Selbsterkundung: Rollenwechsel mit Haut und Hand
28
2.3.1.3.
Rollenwechsel mit Schmerz, Angst /Vagina, Rollentausch /Dilatoren
29
2.1.
2
2.3.2.
Erregungs- und Orgasmusstörung bei der Frau
30
Absorptionstechnik: Ressourcenarbeit mit Psychodrama im Kopf
30
2.3.3.
Erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen beim Mann
31
2.3.3.1.
Aufgaben zur Beschleunigung und Verlangsamung der Ejakulation
31
2.3.3.2.
Arbeit an der Hemmung aus der Rolle des Penis
33
2.3.3.3.
Arbeit mit dem Sexuellen Atom
34
2.3.4.
Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen bei Mann und Frau
35
2.3.4.1.
Aufgaben für Paare zur Entfachung des Verlangens
35
2.3.4.2.
Rolle der Lust und Spiele zu Lust /Unlust
37
2.3.4.3.
Geschichte der Lust im Rollentausch mit den Eltern
38
2.3.4.4.
Szenische Bearbeitung von Lustproblemen
39
2.3.4.5.
Ressourcenarbeit an Lustproblemen
41
3.
Übungen
42
4.
Literaturverzeichnis
49
5.
Dank
52
3
1. Einleitung
1.1. Vorstellung
Der
Wunsch,
die
Psychodramatechniken
beschreiben
und
spezifischen
in
zu
der
Anwendungsmöglichkeiten
Sexualtherapie
ordnen,
entstand
der
zusammenzufassen,
während
des
zu
ersten
Weiterbildungslehrganges Psychodrama-Sexualtherapie 2012/3 unter Leitung von
Manuela Hofer-Hartnig und Wolfgang Hofer. Ich arbeite seit 2010 unter
Supervision von Wolfgang Hofer mit Einzelpersonen und Paaren, aber in der
Weiterbildung wurde mir noch einmal deutlich, welche enorme Fülle an
Möglichkeiten sich in der Arbeit insbesondere mit Paaren PsychodramatikerInnen
bieten. Meine Abschlussarbeit bot mir nun die Gelegenheit, diese Idee
umzusetzen.
1.2. Verortung
Die 2012 eingeführte Weiterbildung Psychodrama-Sexualtherapie des ÖAGG und
die
Masterthese
von
Wolfgang
Hofer
„Psychodrama-Sexualtherapie
im
ambulanten Setting“ 2013 haben fundiert Behandlungsmöglichkeiten von Liebesund Bindungsproblemen einerseits und sexuellen Problemen andererseits
interessierten PsychodramatherapeutInnen zugänglich gemacht.
Die Weiterbildung trägt der neuesten Bindungs- und Gehirnforschung Rechnung,
die in den letzten zwanzig Jahren die zentrale Bedeutung von Liebe und Sexualität
im Leben eines Menschen gezeigt hat. Und sie ist die Frucht der gut zwei
Jahrzehnte Erfahrung von Wolfgang und Manuela Hofer in der Arbeit mit Paaren.
Sexuelle Probleme treten in der Regel nicht isoliert auf. Sie haben sich entweder
aus der Beziehungsdynamik des jeweiligen Paares entwickelt und haben hier eine
konkrete Funktion und/oder sie sind aus der Biographie des/r Betroffenen heraus
zu verstehen: Bindungserfahrungen werden im Gehirn abgespeichert und immer
wieder abgerufen. Sie wirken auf neuronaler und hormoneller Ebene auf Befinden
und Verhalten. Die Lebensumstände, das Alter und die gesundheitliche
Konstitution spielen ebenfalls eine große Rolle und nicht zuletzt das individuelle
Erleben und die individuelle Beurteilung der Fragen. Anders formuliert, besteht
das sexuelle Problem immer auf somatischer (neuronaler, hormoneller und/oder
organischer)
Rollenebene,
auf
psychodramatischer
(emotionaler
und
4
Beziehungsebene) Rollenebene und auf soziodramatischer (kognitiver) Ebene
(Werte,
Erziehung,
Lebensumstände).
Psychodrama
Sexual-
und
PaartherapeutInnen können auf allen Ebenen ansetzen.
Die Weiterbildung Sexual- und Paartherapie baut auf eine fundierte PsychodramaPsychotherapieausbildung auf: Psychodrama-SexualtherapeutInnen sind mit
sämtlichen psychischen Störungsbildern konfrontiert – manifestiert innerhalb einer
Paardynamik. Die Weiterbildung Sexual- und Paartherapie bietet umfassende
Selbsterfahrung und Reflexion der eigenen psychosexuellen Entwicklung, der
eigenen Bindungserfahrungen, der Haltung zu Sexualität und Liebe und nicht
zuletzt Reflexion des Genderaspektes in der Sexualtherapie. Ein zweiter
wesentlicher Teil beschäftigt sich mit den spezifischen Anforderungen, die die
Arbeit mit zwei Menschen erfordert: Dazu gehören das Verstehen und
psychodramatische
Bearbeiten
der
unterschiedlichen
Paardynamiken,
die
Bearbeitung psychischer Störungen des/r einen der PartnerInnen in Anwesenheit
des/r anderen und die Reflexion der eigenen Rolle innerhalb der Triade. Der dritte
Teil setzt sich speziell mit den sexuellen Störungen auseinander und wie
psychodramatisch damit zu verfahren ist.
Und an dieser Stelle setzt vorliegendes Kompendium an: Es beschreibt und ordnet
speziell die Formate und Techniken, die für die Bearbeitung der sexuellen
Störungen im Rahmen einer Paar- und Sexualtherapie sinnvoll sind.
Nach grundlegenden Überlegungen zur Psychodrama-Sexualtherapie beschreibt
ein erster Teil Interventionsmöglichkeiten, Techniken und Übungen, die dem Paar
helfen, sich zu beruhigen und die Kommunikation auf der psychodramatischen
und somatischen Rollenebene zu verbessern. Die psychische und physische
Entspannung, die Wiederannäherung zwischen den PartnerInnen, das Wachsen
von Vertrauen und Hoffnung auf Lösung der Probleme wirken sich direkt positiv
auf das sexuelle Problem aus oder lösen es ganz (z.B. Formen sexueller Unlust
eines/r PartnerIn). Ein zweiter Teil wendet sich Techniken und Übungen zu, die
sich ganz spezifisch auf die jeweiligen Störungsbilder beziehen. Der dritte Teil
sammelt die Übungsanleitungen.
1.3. Vorgehensweise
Die
hier
aufgeführten
Interventionsmöglichkeiten
und
Techniken
werden
beschrieben und/oder anhand von Beispielen aus meiner sexualtherapeutischen
5
Praxis erläutert, ergänzt durch Fallbeispiele aus unserer SexualtherapieSupervisionsgruppe.
Die
Dialoge
sind
sinngemäß
wiedergegeben
und
anonymisiert. Dabei handelt es sich zum einen um die psychodramatischen
Hauptformate Szene und Positionierung, die Techniken Doppeln, Spiegeln,
Rollentausch, Rollenwechsel mit anschließendem Rollenfeedback und Sharing.
Außerdem werden die Übungen aus dem Hamburger Modell der Paartherapie
vorgestellt – in dem psychodramatischen Sinn, wie sie Wolfgang Hofer in seiner
Masterthese erklärt – und Übungen aus anderen Bereichen, wie z.B. der
Traumatherapie nach Luise Reddemann und Michaela Huber, psychodramatisch
für Paare aufbereitet. Einige der Techniken und Übungen sind für mehrere
Situationen brauchbar. Das wird jeweils gekennzeichnet.
Das Verständnis der Störungsbilder richtet sich nach dem IC-D 10 und ist vor der
Arbeit mit Paaren selbstverständlich kritisch zu reflektieren (dazu siehe z.B.
Sigusch, 2001, S. 9 ff.).
1.4. Ausblick
Die Weiterbildung Psychodrama-Sexualtherapie war eine Initialzündung zu
neuem,
kreativem
Umgang
mit
dem
Psychodrama.
Aus
der
ersten
Ausbildungsgruppe hat sich eine fortlaufende Supervisionsgruppe gebildet, die
weiter
miteinander
lernt.
Außerdem
ist
eine
Web-Plattform
www.liebesexundtherapie.at entstanden, auf der wir uns austauschen und uns und
unsere Arbeit immer weiterentwickeln. Und so wünsche ich mir, diese
gemeinsamen
Prozesse
mit
meinem
Kompendium
zu
unterstützen
und
voranzutreiben!
2. Sexuelle Funktionsstörungen und ihre psychodramatische Bearbeitung
2.1. Einführung und Grundlagen
Bei jeder sexuellen Funktionsstörung ist wegen der komplexen psycho-physischen
Interaktion von Erleben, Hormonausschüttungen, körperlichen Reaktionen, dem
möglichen Einfluss von Grunderkrankungen, Medikamenten und Alter eine
medizinische Abklärung sinnvoll. Auch wenn die Ursache evident ist, wie z.B. bei
sekundärem Vaginismus (I-CD 10, F 52.5): „Seit dem Tag, an dem ich
herausgefunden habe, dass mein Mann mich zwölf Jahre lang betrogen hat, ist
6
meine Vagina verschlossen“, ist ein Arztbesuch indiziert. Hilfreich ist es, mit
ÄrztInnen und PhysiotherapeutInnen zu kooperieren, denen die Ansätze der
psychodramatischen Sexualtherapie vertraut sind. In der Physiotherapie werden
viszeraler, muskulärer ,statischer und nervaler Status quo des Beckenbodens und
des gesamten Körpers ermittelt und behandelt, um physische Kausalitäten von
sexuellen Störungen zu erkennen und zu lösen. Themen wie Geburtstraumata
(z.B. Dammrisse/ISG Läsionen), allgemeine Traumata (Umknicktraumata der
Sprunggelenke, Schleudertraumata etc.), sowie gynäkologische, proktologische
sowie urologische Krankheitserfahrungen spielen in der Physiotherapie eine große
Rolle zur Auffindung und anschließenden Behandlung von körperlich bedingten
Ursachen für sexuelle Störungen.
Vor der Arbeit mit sexuellen Störungen ist es für jeden/e PsychotherapeutIn
sinnvoll, sich über o.g. Zusammenhänge zu informieren. Joachim Bauer
beschreibt in seinem Buch „Das Gedächtnis des Körpers“ sehr aufschlussreich die
Wechselbeziehung zwischen Stress und Beziehung einerseits und Gehirn,
Hormonausschüttungen und körperlichen Reaktionen andererseits. In der
Masterthese
von
Wolfgang
Hofer
sind
diese
Zusammenhänge
für
die
Psychodrama-Sexualtherapie aufbereitet (Hofer, 2013, S. 17ff.). Manfred Stelzig
liefert in „Was die Seele glücklich macht“ ein sehr anschauliches Konzept zum
Verständnis von Symptomen als Körpersprache bzw. körperlichem Ausdruck von
psychischen Konflikten. Den KlientInnen diese Zusammenhänge zu erklären,
bringt in der Regel erste Entlastung.
Die hormonellen Wechselwirkungen sollen hier in ihrer Komplexität nicht noch
einmal beschrieben werden, dazu nur folgende zentralen Informationen, die auch
die Auswahl der beschriebenen Interventionen begründet: Stress, und vor allem
zwischenmenschlicher Stress, führt zur einer Kettenreaktion im Gehirn. Das
limbische System im Gehirn wird in Alarmbereitschaft versetzt, das Corticotropinreleasing Hormon (CRH) wird aktiviert und steuert die Hormonausschüttung aus
unterschiedlichen hormonproduzierenden Geweben u.a. die Stresshormone
Cortisol und Adrenalin. Herzfrequenz und Kreislauf werden innerhalb weniger
Minuten in die Höhe getrieben. Abgesehen von den negativen Auswirkungen auf
bestehende Krankheiten, das Herz- Kreislaufsystem sowie das Immunsystem,
bewirkt eine länger dauernde Aktivierung des CHR-Systems eine verminderte
Produktion von Sexualhormonen bei beiden Geschlechtern mit potentiell
7
möglichen Folgen: Störungen des sexuellen Antriebes und der sexuellen
Erregbarkeit bei beiden Geschlechtern, Störung der Zeugungsfähigkeit von
Männern, Störung der Empfängnisfähigkeit bei Frauen, Ausbleiben des Zyklus
(Hofer, 2013, S. 18 ff.). Dazu kommen bei der Frau die Auswirkungen von
Östrogen und Progesteron auf die Gefühlslage im Zusammenhang mit dem Zyklus
und die Veränderung der hormonellen Situation von Mann und Frau im Laufe des
Lebens. (Dazu Henning, Keiser, 2014 und Westheimer, 2010)
Die individuelle Reaktion auf Stress hängt von den biographischen Erfahrungen
ab, dazu zählen auch vorgeburtliche Erfahrungen. „Diese Erfahrungen sind in
Nervenzell-Netzwerken abgespeichert und dienen dem Gehirn als Abgleich mit
der aktuellen Situation. Für das Gehirn bedeutet ;Gefahr‘, dass die aktuelle
Situation eine Erinnerung an eine frühere Situation wachruft, in der unangenehme
Erfahrungen gemacht wurden.“ (Hofer, 2013, S. 19). Stress und das daraus
resultierende vermeidende Verhalten in Beziehung und Sexualität bedeutet
psychodramatisch gesehen blockierte Kreativität und Spontaneität auf allen
Rollenebenen.
Dieser negativen Spirale wirkt das Hormon Oxytocin entgegen, das sogenannte
Bindungshormon, das Gefühle wie Vertrauen, Nähe und Zuneigung hervorruft und
die Verhaltensweisen belebt, die die Bindung an geliebte Menschen stärken. Es
wird in der Schwangerschaft ausgeschüttet, bei gemeinsamem, angenehmem
Miteinander, vor allem aber bei zärtlichen Körperberührungen und beim
Orgasmus. Es sorgt für psychische und physische Entspannung, wohlige,
zufriedene Gefühle und beruhigt die Stresssysteme des Körpers. Auch positive
Erfahrungen, z.B. eine sichere Bindungserfahrung in früher Kindheit, werden im
Gehirn abgespeichert und später abgerufen. In der Sexualtherapie stellen diese
positiven Beziehungsszenen wertvolle Ressourcen dar, mithilfe derer Stress und
Angst in der Gegenwart reduziert und Rollen nachentwickelt werden können und
so der Boden für die Spontaneitätslage (Schacht, 2003, S. 20ff.) bereitet werden
kann.
Besteht die Aussicht auf Zuwendung und Liebe, werden außer Oxytocin der
Botenstoff Dopamin und endogene Opioide ausgeschüttet. Dopamin versetzt den
Körper
in
einen
Zustand
von
Aufmerksamkeit,
Konzentration
und
Handlungsbereitschaft, es gilt „als Treibstoff unseres Motivationssystems“ (Hofer,
2013, S. 22). Endogene Opioide verursachen ein positives Gestimmtsein. Das
8
Zusammenspiel dieser Stoffe lässt uns in unseren Beziehungen positiv aktiv
werden und reduziert ebenfalls Stress und Angst.
Bedenkt man diese Zusammenhänge, kommt man zu einem sehr erweiterten
Verständnis von Sexualität: Sexualität beginnt da, wo es einem Paar gelingt,
immer wieder eine entspannte, beruhigte Atmosphäre von Vertrauen und Bindung
zu schaffen als Grundlage und Ausgangspunkt für einen flüssigen Dialog auf allen
Ebenen, verbal und nonverbal.
Technik zur Diagnostik: Arbeit mit Intermediärobjekten
Eine sehr gute Möglichkeit, die Verhärtung und Verzweiflung der ersten oder
zweiten Paarsitzung etwas zu lösen, ist die Arbeit mit Intermediärobjekten (Fürst,
Ottomeyer, Pruckner, 2004, S. 155). Die psychodramatische Arbeit mit Figuren,
Gegenständen und Tüchern führt eine bildliche, sinnliche, nonverbale Ebene ein,
die es den PartnerInnen jenseits des oft sehr verletzenden Sprachumganges
erlaubt, ganz individuell und spezifisch auszudrücken, wie sie ihre Sexual- und
Paarproblematik erleben. Es ist diese sinnliche, spontane Ebene, die in der
Sexualität des Paares eingeschnürt ist. Die Ressourcen, die in der leidvollen
Fokussierung auf das Defizit aus dem Blickfeld geraten sind, werden sichtbar. Die
Paare kommen auf kreative Weise in einen Dialog und können einen neuen und
anderen, oft überraschenden Einblick in die Perspektive des/r PartnerIn
bekommen. So verstanden, wird schon mit dieser ersten Intervention das sexuelle
Problem angegangen.
Gestaltung: Wie erlebe ich meine Beziehung?
Beide Partner wählen Objekte und Figuren aus und entwickeln jeder für sich eine
Gestaltung zum Thema. Dann „besucht“ ein/e PartnerIn den/die andere/n und
schildert, wie die Gestaltung auf ihn/sie wirkt. Durch das Setting sind die
PartnerInnen neugierig und/oder ängstlich und geben sich große Mühe, die
Gestaltung zu verstehen. Der/die Gestaltende genießt in der Regel diese
wertschätzende Aufmerksamkeit. In einem zweiten Schritt kommentiert der/die
Gestaltende seine/ihre Arbeit: „Das rote Tuch steht für dein warmes Lachen, in
das ich mich verliebt habe und diese Hexe steht dafür, dass es für mich
Hexenwerk ist, dass du mich nicht mehr begehrst, ihr schwarzes Kleid bedeutet,
dass mich das in einen schwarzen Abgrund wirft. Der kleine Zug ist das Tempo,
9
mit dem wir durch das Leben rasen.“ Der/die TherapeutIn kann eine erste
Einschätzung der Beziehungsdynamik vornehmen und den Stellenwert des
sexuellen Problems für die Partner verstehen.
2.2. Übergreifende Techniken zur Bearbeitung sexueller Probleme
„Die Qualität der Bindung zu einem anderen Menschen entscheidet darüber,
welche Art von Sex wir haben, welche Art von Befriedigung wir daraus ziehen und
welche Auswirkung er auf die Beziehung hat.“ (Johnson, 2014, S. 135)
Das hohe Stressniveau von Paaren mit sexuellen Problemen erfordert es,
möglichst rasch mit der Arbeit an Bindung, Vertrauen und Intimität zu beginnen.
Die folgende Vorgehensweise zielt darauf ab, auf der Gegenwartsbühne des
Paares Hoffnung und damit Motivation einziehen zu lassen und die PartnerInnen
zu befähigen, die destruktive Spirale zu stoppen, einander wieder zuzuhören und
die eigene Beziehungs- bzw. Konfliktdynamik zu verstehen. Selbst- und
Fremdwahrnehmung auf somatischer und psychodramatischer Ebene werden
geübt. Die nachlassende Anspannung wirkt auf psychischer und physischer
Ebene und damit auch unmittelbar positiv auf das sexuelle Problem. Auf
hormoneller Ebene werden die Oxytocinausschüttung angeregt und der Adrenalinund Cortisolspiegel gesenkt.
2.2.1. Interventionen zur Verbesserung der Kommunikations- und
Streitkultur
2.2.1.1. Doppeln der PartnerInnen
„Mangelnde Selbstoffenbarung errichtet eine Mauer zwischen den Paaren, die an
die Stelle des Vertrauensfensters rückt. Das Ergebnis ist emotionale Distanz, die
dafür sorgt, dass der Partner sich mit seinem Geheimnis allein fühlt.“ (Gottmann,
2014, S.90)
Sehr viel Beziehungs-Stress entsteht durch die Unfähigkeit, sich selbst dem
Partner oder der Partnerin im Sinne von John Gottman (2014) oder Michael Lukas
Moeller (2004) zu offenbaren. Das Paar muss zuerst lernen, überhaupt über seine
Beziehung und dann über seine Sexualität sprechen zu können. Das Paar gibt
einander die Schuld an den Problemen, anstatt sich als Team mit einem
gemeinsamen Problem zu begreifen. Statt die eigenen verletzten, unsicheren
Gefühle zu benennen, ergehen sich die PartnerInnen in Vorwürfen („Du bist so
eiskalt, es ist Dir völlig wurscht, wenn ich leide wie ein Hund, weil Du seit Jahren
10
jeden, aber auch jeden Annäherungsversuch abblockst! Du kastrierst mich!“)
und/oder sie ziehen sich schweigend zurück. Sue Johnson nennt die beiden
zerstörerischen Strategien anschaulich „giftige Kritik“ und „toxisches Mauern“
(Johnson, 2014, S.223 ff.). Beides bedeutet in Bezug auf die Bindung
vorübergehenden
Beziehungsabbruch
und
wird
in
der
Regel
auf
psychodramatischer Rollenebene (Verzweiflung, Angst, Ohnmacht, Wut etc.) und
auf somatischer Rollenebene (erhöhter Puls, Schweißausbrüche, Kloß im Hals,
Brennen in der Brust, Stein im Magen, Übelkeit etc.) als extrem schmerzhaft
erlebt. Dieser Stress wirkt – wie oben beschrieben – direkt auf die hormonelle und
damit sexuelle Lage.
Dazu
kommt,
dass
viele
Menschen
keine
oder
eine
wenig
bewusste
Wahrnehmung für ihren Körper und ihre Körpersprache und keine oder eine wenig
bewusste Wahrnehmung für ihr Fühlen haben. Genauso wenig Wahrnehmung
haben sie für die Körpersprache ihres/r PartnerIn. Und in Folge davon haben sie
keine Worte für ihr Fühlen und sie reagieren körpersprachlich „irgendwie“. Sie
merken z.B. gar nicht, dass sie die Augen verdrehen, ungeduldig mit den Fingern
klopfen, verächtlich die Mundwinkel herabziehen, während ihr/e Partner/in spricht
– und wundern sich über heftige Reaktionen. Wahrnehmung ist aber notwendig,
um sich selbst und den/die andere spüren und um selbstoffenbarend reden zu
können. Sehr häufig fehlt auch die Fähigkeit, eine Emotion im Körper zu
lokalisieren und zu beschreiben und das, obwohl sich in der Umgangssprache
einiges findet: Wut im Bauch, Angst im Nacken etc. Sexualität ist nichts anderes
als Kommunikation auf somatischer Rollenebene und der verhärtete, erstarrte
Dialog muss auf allen Ebenen locker gemacht und wieder ins Fließen gebracht
werden. Das sexuelle Symptom ist als zentrale Botschaft im gesamten Dialog des
Paares zu verstehen, es ist Körper- und Seelensprache im Sinne von Manfred
Stelzig (2009).
Die zentralen Psychodrama-Techniken wie Doppeln oder Rollentausch (Ameln et
al., 2004, S. 71 f. und S. 65 f.) eignen sich hervorragend, um unmittelbar mit der
Arbeit an der Sensibilisierung für den eigenen Körper und den des/r PartnerIn zu
beginnen. In diesem Sinne ist auch der Einsatz von Intermediärobjekten (im
Folgenden
IO
abgekürzt)
zu
handhaben:
Alles,
was
die
Sinne
und
Sinneswahrnehmung anregt und zur Erweiterung des somatischen Erlebens- und
Handlungsspektrums beiträgt, ist der Lösung sexueller Fragen zuträglich.
11
Sexualität beginnt bei der liebevollen Wahrnehmung des eigenen Körpers und
dem des/r PartnerIn.
In diesem Zusammenhang sind auch Materialien, wie erotische Filme,
Sexspielzeug, Öle, Bücher mit erotischen Fotos etc. als Intermediärobjekte zu
verstehen, die dem Paar helfen, auf somatischer und psychodramatischer
Rollenebene das Rollenspektrum zu erweitern.
Beispiel Herr S. und seine Frau K.: Das Paar kommt wegen Verlust von sexuellem
Verlangen der Frau (ICD-10. 52.0), sie möchte seit etwa drei Jahren nicht mehr
mit ihrem Mann schlafen. Die Störung ist sekundär, das Paar hat lange Jahre
lustvollen Sex miteinander erlebt. Die Pubertät der Töchter hat massive Konflikte
in der Familie ausgelöst, die sich negativ auf die Sexualität des Paares ausgewirkt
haben. Er droht, sie zu verlassen, wenn sie nicht endlich mit ihm schläft. Für den
Mann bedeutet der Geschlechtsverkehr den einzig gültigen Liebesbeweis, die
Frau fühlt sich auf ihren Körper und ihre Sexualität reduziert. Die Folge ist, dass
sie keinerlei Begehren mehr verspürt, lediglich Enge und Bedrängnis, er
umgekehrt fühlt sich als Mann und Mensch abgewertet und zurück gestoßen.
Ich habe im Sinne des Hamburger Modells für Paartherapie absolutes Sexverbot
ab der ersten Sitzung auferlegt, um Druck aus der Dynamik herauszunehmen und
die komplette Blockade nicht nur der Frau auf allen Ebenen zu lockern. Das Paar
absolviert auch ab Sitzung eins Streicheln I (siehe Kapitel 2.2.2.2.). Es erlebt die
Übung in ihrem von Streit, Vorwürfen, Tränen, tagelangem Anschweigen
geprägten Alltag „wie Inseln der Ruhe“. In den ersten Sitzungen arbeiten wir
ausschließlich an der Kommunikation und – ganz zentral bei allen sexuellen
Störungen – an der körperlichen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Genutzt
werden Themen, die das Paar mitbringt, die gerade „brennen“, egal ob aus länger
zurück liegender Vergangenheit oder aktuell, auch die Schwere und Bedeutung
des Themas sind irrelevant.
S. verabredet sich mit seiner Frau K. für den Abend, sie wollen gemeinsam
kochen und zu Abend essen. Er ist sehr viel unterwegs und es ist ein erster
Fortschritt im Therapieverlauf, dass er sein Bedürfnis nach ihrer Nähe wieder
äußern kann. Umso schlimmer wiegt, dass er seine Frau telefonierend antrifft. Er
herrscht sie in schneidendem Ton an: „Du musst Dein Zeitmanagement endlich in
den Griff bekommen!“ Als K. ihr Telefonat beendet hat, findet sie S. mit
versteinerter Miene vor einem Fußballspiel. Sie geht ins Bett und weint. Diese
12
Szene
steht
bei
diesem
Paar
exemplarisch
für
zahllose
gescheiterte
Begrüßungsszenen.
Erster Schritt Interview (Anwärmen): Die Therapeutin befragt das Paar
nacheinander detailreich nach den Gefühlen der beiden während der gesamten
Szene: Th: „Was haben Sie gefühlt, als Sie Ihre Frau angerufen haben?“ S. (zuckt
mit den Achseln): „Habe sie einfach angerufen, soll ich ja machen.“ Th.: „Dann
spüren Sie bitte nochmal hin.“ S.: „Hhm, Vorfreude vielleicht.“ Th.: „Wo im Körper
haben Sie die Vorfreude gespürt?“ S. (zuckt mit den Achseln, macht eine
wegwerfende Handbewegung): „Weiß nicht.“ Th.: „Was haben Sie gefühlt, als Sie
nach Hause gekommen sind?“ S.: „Keine Ahnung.“ Th.: „Stellen Sie sich die
Situation bitte noch einmal vor.“ S. (hebt hilflos die Hände): „Ich war stinksauer,
typisch für sie, wir vereinbaren etwas und sie telefoniert mit 100 Freundinnen.“
Th.: „Wo haben Sie die Wut fühlen können?“ S.: „Überall, in der Brust, im Bauch,
keine Ahnung.“ Th.: „Was war da genau? Ein Brennen? Zusammenziehen? Hat es
sich hart angefühlt? Dunkel?“ S. (zuckt mit den Achseln). „Eher so ein Brennen,
mieses Gefühl, was soll ich da machen, ich hab es ihr tausend Mal gesagt, sie
muss, muss, muss ihr Zeitmanagement in den Griff kriegen! Und das haben wir ja
auch hier vereinbart.“ K., die bis dahin aufmerksam zugehört hat und ihren Mann
direkt anblickt, runzelt sie Stirn, rückt auf ihrem Stuhl zurück und sagt scharf: „Und
wie hab ich deiner Ansicht nach die Kinder groß gezogen ohne Zeitmanagement,
während du in China oder sonstwo bist?“ Th.: „Ein Brennen also. War da noch
etwas? Wenn ich Ihnen so zuhöre und sehe, wie Sie mit den Achseln zucken und
wie Sie Ihre Hände bewegen, könnte ich mir vorstellen, dass Sie sich auch ein
wenig hilflos gefühlt haben. Und vielleicht ein wenig wie bestellt und nicht
abgeholt?“ S.: „Kann sein, ja.“ Wendet sich seiner Frau zu: „Ja, das mit den
Kindern machst du ok.“ Zu mir: „Sagen Sie ihr, dass sie das in den Griff kriegen
muss, ich kann das ja auch.“ Th.: „Wenn Sie an dieses Heimkommen denken und
es sich herholen, was fühlen Sie dann jetzt?“ S.: „Ja, ich spüre es schon die ganze
Zeit, im ganzen Oberkörper.“ Th.: „Blättern Sie mal bitte durch Ihr Leben, gibt es
da eine Szene, wo Sie das auch gefühlt haben?“ S. (überlegt keine Sekunde): „Ja,
oft, als Junge, wir waren sieben Geschwister, wenn z.B. meine Schwestern heim
gekommen sind und irgendwas war, sie kommen fünf Minuten später als
vereinbart, da hat mein Vater den Gürtel rausgezogen und zugeschlagen.“ Th.:
„Und Sie?“ S.: „Ich war klein, ich konnte nichts machen.“ (Macht eine hilflose
13
Handbewegung und zuckt mit den Schultern.) K.: „Jetzt verstehe ich dieses
Schulterzucken und diese Handbewegung!“ Th.: „Ja, ich auch. Das ist sehr
schlimm, Herr S., hat denn jemand geholfen?“ S.: „Nein, meine Mutter hat
zugeschaut. Ich hab später eingegriffen, so mit zwölf, als ich genug Kraft hatte. Da
war ich fertig mit meinem Vater.“ Th.: „Jetzt verstehe ich auch, warum das
Heimkommen für Sie so eine schwierige Sache ist.“ K.: „Ich auch. Das tut mir sehr
leid.“ Th.: „Sie müssen sich schrecklich allein gefühlt haben.“ S.: „Ja vollkommen,
von Gott und der Welt verlassen.“ K. berührt seinen Arm und sagt: „Das tut mir so
leid.“ Ich erkläre noch, dass Schlagen einen harten Beziehungsabbruch bedeutet
und dass sich Kinder immer mit den Geschwistern identifizieren und den Bruch
schmerzhaft am eigenen Körper und ihrer Seele spüren.
Danach folgt das Interview mit K. Sie benennt von selbst ihre Gefühle und stellt
auch selbst den Zusammenhang zur Urszene her. Ihre Freundin hatte sie wegen
großer Schwierigkeiten mit ihren alten Eltern angerufen und geweint, als S. nach
Hause kam. K. hatte sich sehr gefreut gehabt, als er sie anrief und schön
eingekauft. Das versteinerte Gesicht hat bei ihr eine altvertraute Szene
angestoßen: Sie steht als kleines Mädchen an der der Werkstatttüre ihres Vaters.
Ihr Bruder und ihr Vater arbeiten mit Holz und sie darf nicht hinein, steht auch hier
vor einer Männer-Mauer. Wenn sie fragt, wird sie zur Mutter in die Küche
geschickt. Sie fühlt sich dumm, hilflos und allein.
Zweiter Schritt Doppeln (In diesem Beispiel innerhalb einer Zukunftsprobe
(Pruckner) bzw. Zukunftprojektion (Ameln et al., 2004, S. 28 ff.)): Wie deutlich
wurde, ist das ganze Interview im Sinne von psychodramatischem Doppeln
geführt. Die minutiösen Fragen helfen dem/r KlientIn, zu fühlen, was er/sie (noch)
nicht fühlen kann bis dahin, dass der/die TherapeutIn Vorschläge macht, indem er/
sie das Wahrgenommene ausspricht. Klassisches Doppeln an dieser Stelle
verunsichert erfahrungsgemäß. Nach den „doppelnden“ Interviews ist klassisches
Doppeln aber gut möglich. Im weiteren Therapieverlauf kann es auch ohne
Vorankündigung eingesetzt werden und verflüssigt so mehr und mehr das
Miteinander. Bei der Wahl der Worte beim Doppeln versuche ich immer
entsprechend der Sprachwelt des/r KlientIn ein wenig weiter zu gehen, als er/ sie
gehen würde, um Mut zu machen für ein emotionales, bildreiches Reden, das das
Herz des/r PartnerIn besser erreicht.
14
Th: „S., wenn Sie das jetzt so gehört haben, was Sie bei Ihrer Frau auslösen, was
werden Sie dann beim nächsten Mal sagen, wenn Sie sie telefonierend antreffen?“
S. richtet sich auf, schaut seiner Frau in die Augen, er bemüht sich ganz
offensichtlich und sagt in weichem, liebevollem Ton: „K, du musst dein
Zeitmanagement in den Griff bekommen.“ K. lacht. Th.: „Darf ich helfen?“
Th. stellt sich hinter S., legt ihre Hand auf seine Schulter und sagt: „Mein lieber
Schatz, ich habe mich so auf dich gefreut. Wenn du dann mit deinen Freundinnen
telefonierst, habe ich sofort das Gefühl, ich bin dir nicht wichtig, und dann fühle ich
mich so wütend, allein und hilflos und ich bin wie gelähmt.“ K. strahlt ihn an, geht
auf ihn zu, küsst ihn und sagt: „Ich will auch bei dir sein.“ Am Ende der Sitzung
kann das Paar gefragt werden: „Und worüber werden Sie als Nächstes streiten?“
Das Hervorholen der Urszene schafft Verstehen und Verständnis auf beiden
Seiten und ermöglicht die Bearbeitung der Urszene. Die „wunden Punkte“ der
PartnerInnen werden sichtbar und das Paar kann darauf Rücksicht nehmen. Die
Fokussierung auf die körperlichen Symptome und die Körpersprache verflüssigen
den Dialog und ermöglichen den PartnerInnen eine erweiterte Wahrnehmung.
Beides hilft, die Bindung des Paares im Sinne von erneuter Einstimmung
(reattunment) (Johnson, 2014, S. 107) wiederherzustellen. Das somatische und
psychodramatische Rollenspektrum des Paares wird erweitert, es entstehen
Wahlmöglichkeiten
und
damit
wird
der
Heilungsprozess
im
Sinne
des
Spontaneitäts-Kreativitätsmodells (Hofer, 2013, S. 40 f.) angestoßen.
Das Paar bekommt als Aufgabe für zu Hause, sich mindestens einmal die Woche
eine halbe Stunde oder eine Stunde Zeit zu nehmen, um selbstoffenbarendes
Reden zu üben. Dazu kann das Blatt „Halt – mich – fest – Gespräche nach Sue
Johnson“ aus dem Übungsteil mitgegeben werden.
Auch wenn nur ein/e PartnerIn zur Therapie kommt, wird in der Stunde im
Rollentausch geübt und die Aufgabe für zu Hause mitgegeben. Das gilt für alle im
Folgenden beschriebenen Interventionen. Die Übungen, die der/die PartnerIn aus
der Therapie nach Hause mitbringt, haben sich als gute Verführungsmittel
bewährt, um den/die andere dazu zu bewegen, doch an der Therapie
teilzunehmen.
15
2.2.1.2. Spiegeln: Streit- und Wunschszene im Rollentausch
Wie Sue Johnson (2014, S.123) eindrücklich beschreibt, ist es PartnerInnen in der
Auseinandersetzung schwer oder kaum möglich, empathisch zu sein. Außerdem
ist
die
grundsätzlich
unterschiedlich
meist
ausgeprägte
eingeschränkte
Selbst-
oder
und
bei
den
PartnerInnen
Fremdwahrnehmung
in
Auseinandersetzungen zusätzlich verzerrt.
Die Technik sollte mit Fingerspitzengefühl eingesetzt werden. Es ist genügend
Vertrauen des Paares in die Arbeit vonnöten, da Spiegeln (Ameln et al., S.79)
immer konfrontierend wirkt und sie sollte eingesetzt werden, wenn die Sitzung
eher ruhig verläuft. Dann allerdings ist sie sehr effizient und nachhaltig. Beim
Anleiten ist wieder die somatische Rollenebene in den Fokus zu rücken.
Anwärmen: Das Paar erzählt abwechselnd eine Streitsituation, deren Dynamik
sich mit unterschiedlichsten Themen wiederholt. Während des Erzählens geraten
die beiden in Streit darüber, wie der Streit tatsächlich abgelaufen ist.
Der/die TherapeutIn bittet die Frau, aufzustehen, in die Rolle des Mannes zu
gehen und ihm und mir einmal vorzuspielen, wie ihr Mann sich in der
Auseinandersetzung verhalten hat. Dann fragt der/die TherapeutIn den Mann, wie
das Spiel seiner Frau auf ihn wirkt. Sehr häufig sind die gespiegelten PartnerInnen
schockiert darüber, wie heftig sie agieren, bzw. wie heftig ihr Agieren auf den/die
PartnerInnen wirkt. „Was, so laut erlebst du mich? Wirklich, ich schaue so grimmig
drein?“ Sodann bittet der/die TherapeutIn die Frau, vorzuspielen, was sie sich von
ihrem Mann wünscht, wie er sich verhalten soll. Danach wird gewechselt.
Rollentausch mit dem/r PartnerIn kann auch jederzeit angeleitet werden, wenn das
Paar in der Sitzung in einem schwierigen Thema stecken bleibt. Der/die
TherapeutIn bittet dann die PartnerInnen zunächst, die Plätze zu tauschen. Dann
bittet sie die PartnerInnen nacheinander, das soeben Erlebte in der Rolle des/r
anderen zu wiederholen – inkl. Gestik, Mimik etc. In einem dritten Schritt fragt
der/die Therapeutin nach dem Rollenfeedback. Nach dem Zurückwechseln in die
eigene Rolle folgt Sharing (Ameln et al., 2004, S 176 ff.).
Die Techniken Streit- und Wunschszene und Rollentausch im aktuellen Konflikt
der Sitzung fördern die Selbst- und Fremdwahrnehmung des Paares und die
körpersprachliche Dialogfähigkeit, stärken Intimität, Bindung und Vertrauen,
beschleunigen die Lösung der Konflikte und sind eine ausgezeichnete Möglichkeit,
den Dialog der Sexualorgane vorzubereiten.
16
2.2.1.3. ExpertInnenrolle und Rollen anderer Beteiligter
ExpertInnenrolle:
Gerät
ein
Paar
während
einer
Sitzung
in
eine
Auseinandersetzung, besteht auch die Möglichkeit, die beiden zu bitten,
aufzustehen und sich mit dem/der TherapeutIn an den Bühnenrand zu stellen: Die
gerade laufende Therapiesitzung wird zur Szene, über die das Paar sich
austauschen kann. Das Paar kann auf Distanz gehen, auf der Metaebene
miteinander in Dialog kommen und gemeinsam überlegen, wie der Konflikt gelöst
werden könnte. Dabei können sie sich wieder kompetent fühlen und aus der
Ohnmacht der Auseinandersetzung befreien. Die ExpertInnenrolle hat immer eine
beruhigende Wirkung.
Th.: „Die beiden sind ja nun ganz schön ineinander verhakt, liebe KollegInnen.
Was würden Sie ihnen raten?“ Die Frau: „Der Frau würde es helfen, wenn der
Mann leiser spricht.“ Der Mann: „Ja, und ihm würde es helfen, wenn sie nicht so
böse an die Wand starrt.“
Sehr erkenntnisreich für das Paar sind auch die Rollen anderer Beteiligter, der
Kinder, der Eltern, Schwiegereltern, FreundInnen. Diese Rollen geben dem Paar
andere Perspektiven auf ihre Konflikte und rücken das Paar automatisch
zusammen.
2.2.1.4. Rollenfindung zum Verständnis der sexuellen Beziehungsdynamik
Zur Klärung der Rollen innerhalb der Beziehungsdynamik kann das Paar
eingeladen werden, die Rollen zu benennen, die sie füreinander bei ihren
sexuellen
Begegnungen
Supervisionssitzung
ein
einnehmen.
Paar
vor,
Kollegin
das
den
Schotzger
diffusen
stellt
Ärger
in
einer
aufeinander
konkretisieren und individualisieren konnte, indem es sich auf die spezifischen
sexuellen Rollen „angegriffene Diva“ und „bulgarische Hammerwerferin“ einigte.
Die Benennung der Rollen macht den Konflikt anschaulich und damit besser
bearbeitbar. In der Folge kann mit Rollentausch und der Entwicklung von
Wunschrollen weiter gearbeitet werden.
Diese Form der Rollenfindung ist als kreativer Prozess im psychodramatischen
Sinn zu verstehen, (analog zur Arbeit mit IOs, wie in 2.1. beschrieben), der starre
Rollenkonserven, wie hier den Ärger, in Bewegung bringt.
In diesem Sinne ist auch die Aufforderung zu verstehen, in der Sexualtherapie die
Sexualorgane zu benennen. Die in 2.3.1. beschriebene Klientin kannte für ihre
17
Vagina lediglich das italienische Wort „azienda“, was „Firma, Unternehmen“
bedeutet. Die immanente Abwertung zu reflektieren war ein wichtiger Schritt – und
die Aufgabe, eine persönliche, für sie stimmige Bezeichnung zu finden, ein
weiterer. (Beispiel aus unserem Thesaurus in den Übungen)
2.2.2. Interventionen zur Wiederherstellung und Festigung der Bindung
2.2.2.1. Rollentausch: Empathie- und somatische Wahrnehmungsschulung
Im genannten Sinne können dem Paar auch folgende Interventionen dabei helfen,
einfühlsamer füreinander zu werden und sowohl das somatische als auch
psychodramatische Handlungsspektrum zu erweitern.
Rollentausch zu Beginn einer Sitzung: Ein großes Problem vieler Paare ist, dass
sie viel zu wenig Zeit miteinander verbringen. Beruflich sehr eingespannt und in
verschiedenen Welten unterwegs, ist das Zueinanderfinden eine Herausforderung,
die zu Streit und Frustration führt. Um das Herstellen von Nähe zu üben, ist ein
Rollentausch gleich zu Beginn einer Sitzung sehr hilfreich:
Der/Die TherapeutIn bittet den Mann, sich hinter seine Frau zu stellen und
folgende Fragen aus der Rolle seiner Frau zu beantworten: „Wie kommen Sie
her? Wie fühlen Sie sich? Wo im Körper können Sie das spüren? Was genau?
Wie geht es Ihnen mit Ihrem Mann? Wie fühlen Sie sich ihm gegenüber? Wo im
Körper können Sie das spüren? Hat das Gefühl eine Farbe?“ Etc. Dann wird
getauscht. Im Anschluss wird das Paar eingeladen, das Erlebte in beiden
Situationen zu schildern.
Rollentausch mit einem Intermediärobjekt: Oder das Paar wird gebeten, eine Figur
(Intermediärobjekt) zu wählen, das den momentanen Gefühlszustand ausdrückt.
Das Paar wird dann aufgefordert, aus den Rollen der gewählten Figuren zu
sprechen. Figuren fördern und erleichtern erfahrungsgemäß das Beschreiben von
körperlichen Zuständen. Statt dem Satz (ohne IO): „Ich bin noch gar nicht richtig
da. Der X. hat heute wieder die ganze Abteilung aufgemischt“, kann der/die
KlientIn z.B. als das Eichhörnchen sagen: „Ich musste heute wieder ganz schnell
die Bäume rauf und runter.“ In der Beschreibung der körperlichen Bewegung des
Tieres wird der Stresspegel des Sprechenden viel deutlicher. Außerdem enthält er
eine Handlungsaufforderung, die der/die TherapeutIn aufgreifen kann.
18
Entweder fragt er/sie das Paar, welchen Handlungsimpuls das Spiel auslöst (z.B.
sich neben den/die PartnerIn zu setzen, ihn/sie zu berühren, etc.) oder der/die
TherapeutIn leitet eine der folgenden Beruhigungs-Übungen an.
2.2.2.2. Streichelübungen nach dem Hamburger Modell der Paartherapie
Zentral für die Arbeit mit Paaren ist die Arbeit mit dem Hamburger Modell der
Paartherapie (Hauch et al., 2006), in der Psychodramasexualtherapie allerdings
unter erweiterten Bedingungen, wie Hofer (2013, S. 27 ff.) ausführt.
Die Übungen (Anleitungen im Übungsteil) sind ganz klar strukturiert, das schafft –
sind die Hindernisse einmal überwunden – Klarheit und Sicherheit. Es gibt zwei
Stufen, bei Streicheln I wird ohne Einbeziehung der Genitalien gestreichelt, in
Stufe II werden die Genitalien mit einbezogen. Danach kann in der Weiterarbeit
der Penis in die Vagina eindringen und das Paar spielt mit der Erregung.
Es
gelten
zwei
Regeln.
Die
Egoismusregel
besagt,
dass
jeder/e
eigenverantwortlich das tut, was er/sie tun möchte – und nicht das, von dem er/sie
meint, dass es der/die andere wünscht. Dadurch wird die Selbstwahrnehmung gut
gefördert.
Die
Vetoregel
erlaubt,
kontraproduktive
unangenehme
Erfahrungen
zu
unterbrechen. Erst dann wird weiter gestreichelt.
Beide Regeln fordern Eigenverantwortung ein: Wie McCarthy entschieden
betonen, können sexuelle Probleme nur gelöst werden, wenn die PartnerInnen die
Verantwortung für die eigene Problematik übernehmen und dementsprechend
handeln (und z.B. Einzelübungen durchführen und Eigenanteile reflektieren), statt
immer den/die andere/n dafür verantwortlich zu machen. („Du hast ja nie Lust.“,
„Du willst nur das Eine.“ etc.). Das Prinzip des wechselseitigen Gebens und
Nehmens der Streichelübungen wiederum hilft dem Paar dabei, zu verstehen und
lernen, dass das Liebesspiel Teamplay ist – und das Lösen sexueller Probleme
Teamwork. Und damit beleben die Streichelübungen die emotionale und sexuelle
Intimität eines Paares, Voraussetzung für Verlangen und Begehren (McCarthy,
2003).
Ziel der Übungen ist nicht sexuelle Erregung! Aufgabe für das Paar ist, sich
einerseits zu entspannen und zu beruhigen und andererseits gleichzeitig mit der
Achtsamkeit im eigenen Körper und bei den eigenen Gefühlen zu bleiben und
den/die PartnerIn ebenfalls auf somatischer und psychodramatischer Rollenebene
19
wahrzunehmen. „Nachdem Sie jahrelang in emotionaler Taubheit gelebt haben,
spüren Sie niemanden und niemand spürt Sie. Viele Partner spüren einander auch
beim gemeinsamen Sex nicht mehr. Sie berühren einander zwar, sind aber
innerlich nicht anwesend.“ (Schnarch, 2011, S. 331) Bei den Streichelübungen
können sich alle Paarstrategien und Manöver abbilden, die auch im Alltag oder bei
der Sexualität genutzt werden, um Nähe und Bindung zu vermeiden. Das Paar
wird eingeladen, dies alles wahrzunehmen, zu besprechen, in die Stunde
mitzubringen und trotz eventueller Schwierigkeiten beim Üben zu bleiben, um
gemeinsam eine Rollenerweiterung zu schaffen.
Psychodramatisch gesehen bedeutet der Schritt, wieder Zeit miteinander zu
verbringen und sich körperlich miteinander liebkosend und zugewandt zu
beschäftigen, sich gemeinsam über den Rubikon in die Spontaneitätslage zu
begeben und das in der sexuellen Störung eingeengte somatische und
psychodramatische Rollenrepertoire zu erweitern. Das erfordert oft enormen Mut
auf beiden Seiten. Nicht selten höre ich: „Ja hier in der Stunde bei Ihnen, da ist
meine Frau weich, aber zu Hause ist sie kalt wie eh und je.“ Oder: „Hier sind ja Sie
und soufflieren ihm (gemeint ist Doppeln, Anm. v. Verf.), aber zu Hause schweigt
er mich an.“ Die Streichelübungen unterstützen das Paar außerdem dabei,
perfekte Ziele (z.B. jeder Koitus muss zum Orgasmus führen, der Mann muss
immer und überall mit jedem/r können etc.) aufzugeben und gegen imperfekte
auszutauschen („Wir hatten ganz vergessen, wie tief und schön es sein kann,
wenn wir nackt da liegen und uns einfach halten.“). (Siehe zu den perfekten/
imperfekten Zielen Hofer, S. 42 ff.)
Es ist sehr wichtig, dem Paar klar zu machen, dass mit den Streichelübungen und
den nachfolgend beschriebenen Vorübungen positive Veränderungen im Gehirn
und Hormonhaushalt bewirkt werden und dass an Bindung, oder wie es David
Schnarch in diesem Zusammenhang schön beschreibt, an der „kollaborativen
Allianz“ und der Paardynamik gearbeitet werden kann. Auch Menschen, die nie
positive Bindungserfahrungen gemacht haben, können dies dank der Plastizität
des Gehirns miteinander neu erlernen. Das erfordert Geduld, aber es kann
wunderbar und in ansteigenden Schwierigkeitsgraden an Themen wie Berühren,
Nähe, Intimität, Vertrauen, Loslassen, Zulassen, Einlassen, Hingabe etc.
gearbeitet werden.
20
Es macht Sinn, die Streichelübungen relativ rasch vorzuschlagen, bereits in der
dritten oder vierten Sitzung. Die Übungen aus 2.2.2.3. können vor den
Streichelübungen vorgeschlagen werden oder stattdessen, wenn diese nicht
gelingen, sind sie parallel zu den Streichelübungen einzustreuen.
An den Reaktionen der Paare lässt sich viel verstehen und dann bearbeiten. Sehr
häufig bemerkt das Paar z.B., wie wenig Raum und Zeit in der Beziehung geblieben
sind und es kann Monate dauern, bis es seinen Alltag so umstrukturiert hat, dass
Zeit für Reden, Zärtlichkeit oder andere gemeinsame Aktivitäten bleibt. Es gibt
immer wieder Überraschungen: Ein Paar, das wegen Vaginismus der Frau,
Erektionsproblemen des Mannes (er hat bei seiner Ehefrau seit fünfzehn Jahren
das Potenzmittel Cialis „gebraucht“) und wegen einer über Jahre dauernden Affäre
des Mannes in Therapie kommt, führt Streicheln I seit der zweiten Stunde oft und
gerne durch: „Es ist wie vor dreißig Jahren, als wir uns kennen gelernt haben, ich
habe Schmetterlinge im Bauch und wir lachen zusammen wie schon lange nicht
mehr.“ Der Mann bekommt in der sechsten Woche Übens Erektionen, ohne dass in
den Sitzungen Sexualität Thema ist: Da geht es zäh um die Art und Weise, wie sie
mit einander (nicht) reden. Auch bei Paaren, die gerne und schönen Sex
miteinander haben, rege ich die Streichelübungen an (ohne Sexverbot), um andere
Beziehungsrollen einzuüben, z.B. die Fähigkeit, Kontrolle abzugeben oder sich
hinzugeben oder um eingefahrene Wege zu verlassen.
Umgekehrt ist es möglich, dass das Paar enorme Schwierigkeiten mit den
Übungen hat. Manchen Paaren müssen Sinn und Ziel wieder und wieder erklärt
werden, da es z.B. bei dem Versuch, die Übungen durchzuführen, erleben muss,
wie entfremdet sie einander sind. Auch große Angst kann hervorbrechen: z.B.
können Männer, die sich sehr über ihre Potenz definieren, geradezu panisch
werden, jetzt „nur noch streicheln zu dürfen“, als würde das Streicheln die
Sexlosigkeit des Paares zementieren. Einige Paare neigen dazu, schnell
aufzugeben, wenn sich nicht sofort angenehme Gefühle einstellen: „Ach ja, das
Streicheldings, ne, das haben wir einmal gemacht, aber es ist einfach zu stressig
bei uns.“
2.2.2.3. Vor- und Begleitübungen zu den Streichelübungen
Um Wirkung und Sinn der Streichelübungen zu verdeutlichen, um in der Stunde zu
üben oder um die Streichelübungen zu begleiten oder vorzubereiten, kann der/die
21
TherapeutIn in der Sitzung Umarmen bis zum Entspannen, Köpfe auf Kissen und
Spüren und Berühren anleiten (alle David Schnarch, siehe Übungen). Die
Übungen müssen zu Hause regelmäßig durchgeführt werden. Sie bauen
aufeinander auf. Besonders herausfordernd ist bei Köpfe auf Kissen die Aufgabe,
einander tief in die Augen zu sehen: „Versuchen Sie, im Geist und mit Ihren Augen
das Herz Ihres Partners zu berühren.“ (Schnarch, 2011, S. 329) Die Gefühle, die
hier aufbrechen können, reichen von Unruhe, Scham, Angst, Fremdheit bis hin zu
tiefer Liebe und überwältigender Dankbarbarkeit. Das Paar kann sich bewusst
machen, wer bei diesen Übungen öfter die Initiative ergreift, ob eine/r der beiden
sich z.B. auf den anderen „ablädt“, ob eine/r unruhig ist und an die Einkaufsliste
oder das bevorstehende Gespräch mit dem Mitarbeiter denkt, alles kann in die
nächste Sitzung mitgebracht und besprochen werden. Sehr schön zum Beruhigen
ist eine Übung von McCarthy, die Vertrauensposition (McCarthy, 2013). Das Paar
einigt sich auf eine körperliche Position oder Berührung, in der/mit der sich beide
ruhig und geborgen fühlen, z.B. wenn die Frau den Arm um die Schulter des
Mannes legt und er seinen Kopf an ihre Schulter. In diese Position geht das Paar
als Ritual in schwierigen Situationen, nach missglückten Begegnungen etc.
Für Paare, für die auch diese Übungen zu schwierig sind, hat Manuela Hofer
kürzlich die Übung Baum und Mensch erfunden. Baum und Mensch ermöglicht
eine Umarmung, ohne die Paarthemen zu evozieren oder anders formuliert: Baum
und Mensch aktiviert positive naturhafte somatische Rollen (der/die Verwurzelte,
der/die Aufgerichtete) und positive psychodramatische Rollen wie der/die stark
Stehende, der/die Erholung Spendende. Schwierige somatische Rollen wie der/die
Angestrengte, Ängstliche etc. und schwierige Beziehungsrollen wie der/die
Bedürftige treten in den Hintergrund. Eine/r der PartnerInnen geht in die Rolle
eines Baumes: „Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Baum. Spüren Sie Ihre Wurzeln,
Ihren Stamm, Ihre Zweige, Ihre Blätter.“ Der/die andere bleibt ein Mensch. Der
Mensch umarmt den Baum. Danach Rollentausch. Genial!
2.2.3. Das Sexuelle Atom und die Arbeit mit Anteilen
Das Sexuelle Atom ist vielfältig einsetzbar. Analog zum Sozialen Atom (Ameln et
al., 2004, S. 53) baut der/die KlientIn allein oder das Paar gemeinsam mit Stühlen
oder IOs um die Stühle/IOs für die beiden PartnerInnen herum die Anteile auf, die
zu ihrem sexuellen Erleben gehören wie Lust, Unlust, Hemmung, Angst, Penis,
22
Hoden, Vagina, Brust, Bauch, Hirn, katholische Kirche, Kinder, Ex-Geliebte/r etc.
Nähe und Distanz der Anteile und Anordnung im Raum müssen für beide stimmig
sein. Das aufgebaute System kann als Positionierung durchgearbeitet werden
oder szenisch genutzt werden, indem die Anteile miteinander in Dialog gehen
(siehe ausführlicheres Fallbeispiel in 2.3.4.4. Szenische Bearbeitung von
Problemen mit Lust).
Bei der monodramatischen Arbeit mit Anteilen (Ameln et al. führen keinen Begriff
für die Arbeit mit Paaren ein) kann mit einem/r (siehe 2.3.3.3. Arbeit mit dem
Sexuellen Atom) oder beiden PartnerInnen und mit beliebig vielen Anteilen
gearbeitet werden. Bei der Arbeit mit zwei Anteilen, wie z.B. im Kapitel Vaginismus
2.3.1.2. und 2.3.1.3 beschrieben, müssen nicht einmal Stühle aufgebaut werden,
es reicht der aufeinanderfolgende Rollenwechsel.
Eine niederschwellige Form des Rollentausches funktioniert folgendermaßen: Der
Mann stellt sich vor, eine seiner Hände ist sein Penis, die Frau stellt sich vor, eine
ihrer Hände ist ihre Vagina. Die beiden beginnen einen Dialog. Ein guter Einstieg
für den/ die TherapeutIn ist die Frage an die Anteile: „Was würden Sie gerne über
Sex gefragt werden?“
Das Sexuelle Atom und die Arbeit mit Anteilen können für den/die KlientIn oder
das Paar zur „Bestandsaufnahme“ und Klärung dienen, für den/die Therapeutin zu
weiteren anamnestischen und diagnostischen Zwecken, wenn direkt am sexuellen
Problem gearbeitet wird. Die Problematik wird absolut individuell abgebildet und
es wird sichtbar, was womöglich lange im Verborgenen war und nicht
angesprochen werden konnte. Das Auseinanderdividieren von somatischen
Anteilen (z.B. Penis, Vagina, Schmerz, Haut) und psychodramatischen (z.B.
Angst, Sehnsucht, Herz) und soziodramatischen Anteilen (z.B. Katholizismus,
Vernunft) ist für die sexualtherapeutische Arbeit von unschätzbarem Wert.
Sexuelle
Blockaden
und
Störungen
entstehen
u.a.
durch
das
sehr
unterschiedliche Erleben auf den verschiedenen Ebenen und das kann auf diese
Weise schön abgebildet und bearbeitet werden. „Die Organe erörtern selbst, was
sie hindert, das und jenes zu tun, was sie brauchen würden.“ (Hofer, 1996, S. 241)
Der/die KlientIn kann sein/ihr Symptom als zu ihm gehörig wertschätzen und seine
Bedeutung
umfassend
verstehen.
„Wir
erreichen
damit
einerseits
mehr
Verständnis für das körperliche Geschehen, aber wir können auch anschaulich
23
vermitteln, dass es immer noch die eigene Person ist, die so und nicht anders
handelt.“ (Hofer, 1996, S. 241)
Ganz zentral und ausgesprochen kostbar in der Psychodrama-Sexualtherapie ist
der Rollentausch mit gegengeschlechtlichen Rollen: Es in der Regel sehr
erkenntnisreich, bewegend und entlastend, wenn die PartnerInnen endlich das
Problem von der anderen Seite erleben und verstehen können und sich
umgekehrt vom/der PartnerIn verstanden fühlen.
Das Sexuelle Atom kann immer wieder aufgebaut werden, um die Entwicklung
abzubilden.
Und – wie Hofer anregt – kann es z.B. im Sinne einer Zukunftsprobe für einen
gelingenden Geschlechtsverkehr genutzt werden, auch besonders für Menschen,
die noch nie in ihrem Leben Sex mit Penetration hatten. Dabei kann ein Besuch
der Vagina des nichterigierten oder erigierten Penis oder der erste Verkehr
gespielt werden, die Szene, die befürchtet wird und eine Wunschszene (Hofer,
1996, S. 242). Diese Spiele können in angenehme, angstreduzierende Szenarien
eingebaut werden, z.B. in einer Burg, die dann mit Seilen, Kissen, Stühlen,
Decken etc. im Therapieraum aufgebaut wird.
Umgekehrt kann auch in „Bettszenen“ von der realen Situation der/s KlientIn oder
des Paares ausgegangen werden. Dazu wird im Therapieraum das Schlafzimmer
der/des KientIn oder des Paares eingerichtet und dann kann z.B. eine Szene zur
Bearbeitung der Psychodynamik gespielt werden, die im direkten Zusammenhang
mit dem sexuellen Problem steht. Bei einem Paar, das wegen sexueller Unlust der
Frau kommt, schläft das Kind seit seiner Geburt vor sechs Jahren jede Nacht
zwischen den Eltern angekuschelt an die Mutter. Im Rollentausch können die
PartnerInnen
ihre
Gefühle
der
Einsamkeit
und
Verzweiflung
erleben,
Rollenwechsel mit Kind und Bett erweitern die Perspektive auf die Szene. In einer
weiteren Szene können Vagina und Penis etc. „dazugelegt“ und durchgespielt
werden. Gerade die Rollen von Bett, Kissen, Decken, Türen (Schutz der Intimität)
sind als Ressourcen sehr wertvoll und können im Sinne von Stelzigs
Kuschelübung genutzt werden (Stelzig, 2009, S. 188). Der Kreativität des/r
TherapeutIn sind keine Grenzen gesetzt: Situationen, Gefühle und Dynamiken
können mit Hilfe solcher Spiele analysiert, verstanden und durchgearbeitet
werden,
Ressourcen
können
aufgefunden,
entwickelt
oder
herbeigeholt,
Zukunftsproben abgehalten werden.
24
Die Bettszenen und wechselseitigen Spiele von Penis und Vagina etc. werden oft
als die eindrücklichsten und wichtigsten Spiele im Therapieverlauf beschrieben.
2.3. Spezifische Techniken für die jeweiligen Störungsbilder
2.3.1. Vaginismus und Dyspareunie bei der Frau
Unwillkürliche Verkrampfungen der Beckenbodenmuskulatur führen dazu, dass
sich die Vagina verschließt, bei manchen Frauen chronisch, so dass nicht einmal
ein Tampon eingeführt oder eine gynäkologische Untersuchung vorgenommen
werden kann. Die Ursachen sind vielfältig (siehe dazu Amherd, 2011). Sowohl bei
Vaginismus als auch bei Dyspareunie (ICD-10, 52.6) ist eine gynäkologische
Abklärung und eine physiotherapeutische Behandlung unerlässlich. Die Frau kann
u.a. ihre Muskulatur kontrollieren lernen, ihr Körper lernt um. „Ihre jetzige Reaktion
‚Etwas nähert sich meiner Scheide – der Beckenboden verkrampft sich‘ wird quasi
umgelernt in ‚wenn ich etwas einführen möchte, entspannt sich mein
Beckenboden und meine Muskeln ermöglichen mir, dass ich z.B. einen Dilatator
einführen kann.‘ “ (Amherd, 2011, S. 85) In der Sexualtherapie werden sowohl die
möglichen psychischen Ursachen bearbeitet als auch intensiv auf somatischer
(körperliche
Selbstwahrnehmung,
Selbstberührung,
Selbsterkundung)
und
psychodramatischer Rollenebene (Selbstfürsorge, Selbstakzeptanz, Selbstliebe)
gearbeitet. Dabei werden erstens Übungen in der Sitzung durchgeführt, die dann
zu
Hause
wiederholt
werden
und
zweitens
Hausübungen
mit
Psychodramatechniken vorbereitet.
C., eine 40jährige, sehr kluge und attraktive Frau, leidet an chronischem,
primärem Vaginismus (I-CD10, F 52.5). Sie hatte noch nie Geschlechtsverkehr,
mit dem einzigen Partner ihres Lebens ist es lediglich zu Petting und liebevollen
Berührungen gekommen. Sie kann flache, wenig intensive, sehr kurze Orgasmen
erleben und vermeidet in der Regel Selbstbefriedigung. Sie fühlt dann immer ihre
Einsamkeit und ihren Schmerz darüber, so viel Lebenszeit ohne Partner verbracht
zu haben. Sie ist ursprünglich wegen beruflicher Fragen in die Therapie
gekommen. Im Laufe der Zeit kommt zutage, dass sie in der vorhergehenden
Arbeitsstelle von ihrem Vorgesetzten sexuell übergriffig zwischen den Beinen und
an den Brüsten angefasst worden ist. Ihre damalige Therapeutin hat ihr gesagt,
dass das jeder Frau einmal passiere. Sie hat diese Stelle gekündigt und den Täter
nie behelligt, es auch sonst niemanden erzählt. Frau C. kommt aus einer
25
süditalienischen Familie mit drei Brüdern, alle verheiratet und mit mehreren
Kindern. Die Therapie zeigt, dass die sexuellen Übergriffe des Vorgesetzten das
Ende einer langen Reihe von schweren Traumatisierungen darstellt: Ihre Brüder
haben sie regelmäßig, wenn die Eltern nicht zu Hause waren, verprügelt, an den
Haaren gerissen, geschubst, ausgelacht, verhöhnt und auf alle möglichen Arten
gepeinigt. Sie war übergriffigen Berührungen der männlichen Freunde ihres Vaters
und ihrer Brüder ausgesetzt. („Ich musste mich, als ich so sechs, sieben Jahre alt
war, immer auf den Schoß der Freunde meines Vaters setzen, sie haben mich
dann herum gereicht und ich konnte die erigierten Penisse spüren.“) In der Schule
ist es mindestens dreimal zu sexuellen Übergriffen von älteren Schülern
gekommen, sie wurde zum Oralverkehr gezwungen, einmal hat ein Junge ihr ins
Gesicht ejakuliert, während andere sie festhielten. Sie war der ausgesprochene
Liebling des Vaters und ist es noch, von den Misshandlungen hat sie der Mutter
erst kürzlich erzählt. Als Jungen anfingen, sich für C. zu interessieren, sind die
Brüder dazu übergegangen, diese zu verprügeln, um die Schwester „zu schützen“.
C. leidet unter starker chronischer körperlicher Anspannung - besonders im
unteren Bauchbereich - und Schwitzen. Wegen eines Bruches des Zwerchfells
musste sie vor Jahren operiert werden.
2.3.1.1. Übungen zur Rollenerweiterung
Parallel zur Behandlung ihrer umfassenden Probleme und Traumata arbeitet Frau
C.
selbständig
mit
CDs
und
Übungen
sehr
viel
an
Entspannung,
Selbstwahrnehmung und Gedankenspielen, die Berührungen vorbereiten. Sie
schätzt dabei das Gefühl, selbst aktiv werden zu können und freut sich, „dass
etwas vorwärts geht“. Sie nimmt zum ersten Mal in ihrem Leben ihren Körper in
Besitz, lernt, die Opferrolle zu verlassen und sich selbst zu geben, was sie so
dringend braucht: Aufmerksamkeit und Zuwendung. Auf diese Weise kann sie
fehlende somatische Rollen entwickeln.
Je schwerer die Traumatisierung, desto mehr vorbereitender Schritte, Geduld und
Achtsamkeit bedarf es, damit der verletzte Körper und die verletzte Seele heilen
können. Achtsamkeitsübungen und Fantasiereisen eignen sich wunderbar, um
dem/r KlientIn zu helfen, den eigenen Körper besser wahrzunehmen, sich selbst
zu beruhigen und den Körper als verlässliche Ressource erleben zu können.
Der/die Therapeutin beginnt im ersten Schritt mit der sog. Körperressource nach
26
David Grand (siehe Übungen). Die Körperressource sollte allen folgenden
Übungen
vorgelagert
werden.
Ist
die
Klientin
so
weit,
kann
bei
der
Körperressource die Wahrnehmung explizit auf Brüste, Gebärmutter, Vagina etc.
gelenkt werden. Die Klientin kann gebeten werden, die Hände zwischen die Beine
zu legen, die liebevolle, schützende Selbstberührung zu spüren. Sie kann ihren
Atem dorthin schicken oder positiv imaginierte Bilder, z.B. einen Garten, in den
Unterleib sinken zu lassen.
In einer zweiten Stufe empfiehlt sich die abgewandelte Licht- oder Wasserdusche
nach Luise Reddemann (2001, S. 33), eine Übung aus der Traumatherapie, die
sich hervorragend für die Sexualtherapie eignet. Die Klientin stellt sich vor, dass
heilsames, entspannendes, wohltuendes Wasser/ Licht über den Körper läuft. Sie
bestimmt, welche Temperatur, Farbe, Geruch, welchen Geschmack dieses
Wasser/ Licht haben muss, damit es für sie optimal ist. Sie imaginiert so eine
beruhigende,
wohltuende
körperliche
Berührung
im
Sinne
einer
psychodramatischen Zukunftsprobe – erst einmal nicht durch einen Menschen,
sondern
durch
ein
nicht
bedrohliches
Element.
Der/die
KlientIn
erlebt
Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit und kann gleichzeitig Geben und
Nehmen üben.
Dabei müssen – analog zum Vorgehen bei den Streichelübungen – zuerst einmal
primäre und sekundäre Geschlechtsorgane ausgenommen werden. Bei Frau C.
gelingt die VorstelIung, dass Wasser auf Zunge und Brüste läuft und ein wohliges
Gefühl erzeugt, im dritten Therapiejahr. Bei der Vorstellung, dass das Wasser auf
den Unterbauch läuft, spannt sich der Körper noch an. Sinnvoll ist bei derartig
schweren
Traumatisierungen
die
Kombination
mit
anderen
Traumastabilisierungsübungen. Hildegard Pruckner und Klaus Ottomeyer haben
Michaela Hubers und Luise Reddemanns Übungen Der gute Ort und 5 Helfer
psychodramatisch weiterentwickelt (siehe Übungen). Aus Imaginationsübungen
wird im monodramatischen Setting eine hochwirksame Kombination aus
Ressourcenarbeit (Teile von Orten, die es tatsächlich gibt, Helferfiguren aus der
persönlichen Biografie) und Zukunftsprobe (selbst kreierte Anteile des guten Ortes
und selbst kreierte Helferfiguren): Der gute Ort und die 5 Helfer werden im
Therapieraum aufgebaut, der Raum kann noch mit Seilen abgegrenzt werden,
alles wird zuerst im Rollenwechsel entwickelt und dann beginnt entweder die
Traumabearbeitung oder beginnen in der Sexualtherapie die imaginierten
27
Berührungsübungen Licht- und Wasserdusche und/ oder später der Rollentausch
mit Haut, Hand, Vagina, Dilatatoren etc.
Ist die Berührung mit Wasser in der Sitzung gut vorbereitet, kann die Klientin,
wenn möglich – bei Frau C. drängte sich lange traumatisches Bildmaterial auf,
sobald sie allein in ihrer Wohnung üben wollte –, zu Hause Duschen, Baden oder
Eincremen dazu nutzen, bewusst den eigenen Körper zu entspannen,
wahrzunehmen und zu liebkosen. Dusche, Creme etc. funktionieren dabei als
Intermediärobjekte, die die somatische Rollenerweiterung unterstützen. Die
Erfahrungen
werden
in
der
Sitzung
besprochen.
KlientInnen
mit
Missbrauchserfahrungen gehen mit ihrem Körper in der Regel eher rabiat um und
es ist neu für sie, dass es auch anders geht.
In einer dritten Stufe wird die Klientin eingeladen, zu Hause den eigenen Körper
und die Vagina zu erkunden. Die Frau betrachtet ihren ganzen nackten Körper
dabei zunächst in Ruhe im Spiegel und bewegt sich dabei. Danach schaut sie sich
ausgiebig mit Hilfe eines Handspiegels ihre Vagina an (Yaffe, Fenwick, 1995, S.
111 ff.). Diese Übung kann für KlientInnen zunächst sehr unangenehm sein,
deshalb ist es wichtig, im Vorfeld Druck abzubauen: „Nehmen Sie sich viel Zeit
und Ruhe, Sie sollten ganz ungestört sein. Und dann probieren Sie einen
absichtslosen Blick, einen Blick, der nicht wertet, sondern neugierig ist und
schauen Sie, was Sie fühlen. Vielleicht löst der Anblick Ihrer Schulter etwas
Angenehmes aus, dann verweilen Sie dort und gehen dann weiter. Kommen Sie
an eine Stelle, die nicht so gut geht, gehen Sie zurück zu einer angenehmen und
nehmen sozusagen nochmal Anlauf. Alle Gefühle sind in Ordnung, wir werden
dann kommende Stunde darüber reden.“ Manchmal macht es Sinn, mit der Frau
anatomische
Bilder
der
Geschlechtsorgane
zu
betrachten.
(Ausführliche,
detailreiche, mit Zeichnungen versehene Anleitung, siehe Yaffe, Fenwick, 1995, S.
111 ff.)
2. 3.1.2. Liebevolle Selbsterkundung: Rollenwechsel mit Haut und Hand
Im nächsten, vierten Schritt bereitet der/die TherapeutIn eine liebevolle
Selbsterkundung mit den Händen vor. Die Frau soll befähigt werden, sich zu
Hause am ganzen Körper selbst liebevoll zu berühren und die Vagina mit den
Fingern und mit einem Spiegel zu erkunden. Sie soll die Vagina außen und innen
gründlich ertasten und ihre Empfindungen dabei wahrnehmen. Dazu wird die
28
Klientin in der Sitzung angeleitet, in die Rolle ihrer Hand zu gehen. Wolfgang
Hofer hat die Übung sehr schön beschrieben. Es geht praktisch um eine
Zukunftsprobe, um die Kreation der Situation: „Ich berühre mich liebevoll selbst“ in
allen beteiligten Rollen, in diesem Fall Haut und Hand. „Ich bitte Frau M., sich in
die Rolle ihrer Hand zu begeben und mit folgendem Satz zu beginnen: ;Ich bin die
Hand von Frau M. und möchte, dass ich ihren Körper angenehm berühre und sich
angenehme Gefühle einstellen. Dazu werde ich folgendes tun (…).‘ Dann lasse ich
sie ergänzen: ;Ich werde über ihren Bauch streichen und ganz sanft die Brust
berühren und sehen, was passiert, dann werde ich (…).‘ Und doppele ergänzend,
wenn sie unsicher wird, ob sie das sagen dürfe, was ihr auf der Zunge liegt, wie:
;Ich werde versuchen, zärtlich zu sein und (…).‘ “ (Hofer, 2013, S. 66 ff.) Der/die
TherapeutIn kann sich hier von ihrem Fingerspitzengefühl leiten lassen, wie weit
sie in der ersten Sitzung dieser Art doppelnd locken und unterstützen kann und bei
welchen Übungen sie einsteigt. Es gibt auch wesentlich einfachere Fälle von
Vaginismus als dieses Fallbeispiel, z.B. bei sekundärem Vaginismus infolge von
Geburten, bei dem in größeren Schritten vorgegangen werden kann. Insgesamt
geht es darum, dass die Klientin und ihr Körper lernen, dass Berührung nicht
Schmerz bedeutet, sondern Entspannung und Wohlgefühl, d.h., es müssen völlig
neue somatische und psychodramatische Rollen eingeübt werden und die
negativen Erfahrungen im Gehirn durch positive überschrieben und ersetzt
werden.
2.2.1.3. Rollenwechsel mit Schmerz, Angst und Vagina,
Rollentausch mit Dilatatoren
Ist die Klientin in der Physiotherapie gut vorangekommen und sind die
vorangegangenen Schritte in der Sexualtherapie absolviert, kann bei Vaginismus
die Arbeit mit den Dilatatoren beginnen. Bei der Arbeit mit Dilatatoren geht es nicht
um die Dehnung der Vagina, sondern darum, dass der Körper wie oben
beschrieben umlernt. Analog zum Rollenwechsel mit Hand und Haut wird in der
Sitzung das Üben mit den Dilatatoren zu Hause im Rollenwechsel vorbereitet.
Hierbei ist es sehr entlastend und zielführend, Rollenwechsel mit der Angst und
dem Schmerz vorzunehmen. Danach wird mit den Dilatatoren wie mit anderen
IIOs gearbeitet: Die Frau bekommt z.B. einen Hegarstab in die Hand (oder Amielle
Vaginaltrainer, etc.) und geht in die Rolle: „Ich bin der Hegarstab, ich bin glatt und
29
kühl und ich will Dir, G., dabei helfen, dass Du keine Angst mehr hast. Stell Dir das
mal vor, wie super das sein wird.“ „Ich bin die Vagina von G. und du, Hegarstab,
schaust sehr bedrohlich aus, aber wenn Du so nett redest, überlege ich es mir
vielleicht.“
Ist der Partner mit dabei, ist ein Durchspielen der Rollen Vagina, Penis, Mann,
Frau und evtl. anderer beteiligter Rollen wie Gehirn und Angst oder
Ressourcenrollen wie Vertrauen, Liebe, Geborgenheit, Zuversicht etc. sinnvoll
(siehe Kapitel 2.2.3.).
2.3.2. Erregungs- und Orgasmusstörung bei der Frau
Absorptionstechnik: Ressourcenarbeit mit Psychodrama im Kopf
Bei Erregungs- und Orgasmusstörungen (ICD-10 F52.2 und F52.3) kann das
gesamte Programm 2.3.1.1. Übungen zur Rollenerweiterung und 2.3.1.2.
Liebevolle Selbsterkundung: Rollenwechsel mit Haut und Hand oder können Teile
daraus genutzt werden. Danach wird mit der von Hofer und Hofer-Hartnig
psychodramatisch abgewandelten Absorptionstechnik (ursprünglich aus dem
EMDR bzw. Brainspotting nach David Grand) gearbeitet. Die Absorptionstechnik
funktioniert wie ein psychodramatisches Gruppenspiel im Format Zukunftsprobe,
bei dem die SpielerInnen in den Rollen der Ressourcen der Protagonistin
ermunternde Sätze zuflüstern und ihr helfen, die herausfordernde Situation zu
meistern – alles im Kopf des/r KlientIn. Die Technik eignet sich hervorragend für
die Bearbeitung allerintimster Blockaden in der Therapiesitzung, kann aber auch
bei allen männlichen und weiblichen Sexualstörungen genutzt werden –
vorausgesetzt, die KlientInnen haben ausreichende Ressourcen.
R., eine Frau, die wie drei Viertel aller Frauen beim Koitus nicht zum Orgasmus
kommt, aber intensive Orgasmen durch manuelle Stimulation ihres Partners
erleben kann, wünscht sich (im Rahmen eines beruflichen Coachings) in der
letzten Sitzung eine Rollenerweiterung.
Der/die TherapeutIn leitet zunächst die Körperressource nach David Grand an
(siehe Übungen). Danach werden 4 Szenen etabliert und dabei wie in 2.3.4.5.
Ressourcenarbeit
an
Lustproblemen
vorgegangen,
also
eine
szenische
Einrichtung in der Fantasie der Klientin. Begonnen wird mit der als schwierig
erlebten Szene, in diesem Fall eine Koitus-Situation mit dem Partner. Der/die
TherapeutIn lädt die Klientin ein, die Szene genau durchzugehen, wodurch, wo
30
und wie die Erregung sich aufbaut und wodurch, wann, und wie die Erregung
unterbrochen wird. Der Klientin kommen nach einem sinnlichen Vorspiel,
lustvollem Eindringen des Partners und einigen angenehmen Stoßbewegungen,
lüsternen
Berührungen
ihres Partners, erregenden
Fantasien
hemmende
Gedanken durch den Kopf wie: „Es geht bestimmt wieder nicht, ihm wird es sicher
langweilig, wenn ich so lange brauche, hoffentlich wird meine Muschi nicht
trocken.“ Gefühle wie Resignation, Mutlosigkeit, Enttäuschung stellen sich ein. Die
Klientin gibt den Wunsch auf, koital zum Orgasmus zu kommen. Im zweiten Schritt
fragt der/ die TherapeutIn nach den Ressourcen, die hilfreich wären, um den
schwierigen Punkt zu überwinden. Die Klientin überlegt und entscheidet sich für
Mut, Entspannung und Gelassenheit. Im dritten Schritt werden Situationen bzw.
Szenen gesucht und wie oben etabliert, in denen die Klientin diese Ressourcen in
einem hohen Maße erleben konnte, z.B. fällt ihr für „Entspannung“ eine Szene an
einem FKK-Strand ein, an dem sie mit ihrem Partner schöne Urlaubsstunden
genießen konnte. Für „Mut“ fällt ihr die Szene ein, in der sie ihrem Partner zum
ersten Mal ihre Liebe gestanden hat. Die Szenen können, müssen aber nicht aus
dem Paarleben oder angrenzenden Themenkreisen stammen. Die Szenen werden
jeweils in der Fantasie
im psychodramatischen Sinn eingerichtet, dann wird
folgendermaßen abgefragt:
(1) Th: „Wo im Körper können Sie das Gefühl jetzt spüren?“ Frau R: „Ich liege am
Strand, die Füße im Wasser, mit den Ellenbogen aufgestützt und schaue auf die
Wellen, höre das Plätschern und sehe die genießenden Menschen, sehe, wie sich
ein Paar küsst. Mein Körper fühlt sich schwer und warm und sinnlich an. Am
meisten spüre ich das im Kreuzbein, da ist es wohlig breit.“
(2) Th.: „Welche Farbe hat das Gefühl?“ Frau R.: „Dunkles Orange.“
(3) Th.: „Welchen Titel hat die Szene?“ Frau R: „Meer.“ Sind alle Szenen fertig
etabliert, beginnt die Bearbeitung: Die Klientin startet mit der Szene, die sie im
Moment am intensivsten spürt. Alle Teile werden von dem/r TherapeutIn noch
einmal benannt: „Entspannung, Strand, dunkles Orange, Meer, haben Sie’s?“
Wenn die Klientin bejaht, fährt der/die TherapeutIn fort: „Halten Sie die Szene in
Körper und Kopf und gehen Sie jetzt gleichzeitig die Koitus-Szene Schritt für
Schritt durch und schauen Sie, wie weit Sie kommen. Sobald Ihnen dabei die
Strandszene wegrutscht oder die angenehmen Empfindungen schwächer werden,
sagen Sie es mir.“ Die Klientin arbeitet eine Zeit lang mit geschlossenen Augen
31
und sagt dann: „Jetzt kommt wieder ‚es geht ja doch nicht.‘“ Der/die TherapeutIn
leitet an: „Schieben Sie die Koitus-Szene weg und gehen Sie wieder zu den
Ressourcen-Bildern, ganz langsam, bis Sie sie wieder erleben. Wir beginnen mit
„Mut“ etc., welche Szene spüren Sie jetzt am intensivsten? Gehen Sie wieder zur
Koitus-Szene, spulen Sie den Film zurück bis kurz vor dem hemmenden
Gedanken und gehen Sie noch einmal dran und probieren Sie weiter zu kommen,
bis wieder etwas stört, dann sagen Sie es mir.“ Die Klientin arbeitet weiter und das
Prozedere wird mehrmals wiederholt. Die Klientin schreibt in einer Mail, dass sie
nach dieser Sitzung den Koitus wesentlich mehr genießen konnte, das perfekte
Ziel „Koitus plus Orgasmus“ ist vollkommen in den Hintergrund gerückt.
2.3.3. Erektile Dysfunktion und Ejakulationsstörungen beim Mann
2.3.3.1. Aufgaben zur Beschleunigung und Verlangsamung der Ejakulation
Wie bei der Frau wird auch beim Mann erstens mit Übungen gearbeitet, die in der
Sitzung angeleitet werden und zu Hause wiederholt werden können und zweitens
werden Übungsprogramme für zu Hause mitgegeben. Parallel ist eine
physiotherapeutische
Behandlung
sinnvoll.
Männer
beziehen
durch
die
unterschiedliche Sozialisation häufig viel Selbstwert (ein Mann kann immer und
überall mit jeder Frau) durch den reibungslosen Ablauf ihrer sexuellen Funktionen
und es lohnt sich, sorgfältig und wenn nötig wiederholt die in 2.1. Einführung und
Grundlagen beschriebenen Zusammenhänge zu erläutern. So fällt es Männern oft
sehr schwer, zu verstehen, warum sie Streichelübungen durchführen sollen. Ist
der/ die TherpeutIn eine Frau, ist viel Einfühlung und Unterstützung indiziert. „Ihr
(gemeint sind Ehefrau und Therapeutin, Anm. der. Verf.) tut ja so, als wäre ich ein
Tier, das bloß auf Koitus aus ist und jetzt wollt ihr mich kastrieren und lasst mich
bloß streicheln und hübsche Gärten imaginieren.“ (Der ganz neue Artikel „Sex ist
nicht gleich Sex: Genderspezifika in der Sexualität und Sexualtherapie“ (Hofer et
al., 2015) reflektiert ausgezeichnet den Genderaspekt in der Sexualtherapie.)
Erfreut hingegen sind Männer, die unter Ejaculatio praecox (ICD-10 F 52.4) oder
einer Erektionsstörung (ICD-10 F52.2) leiden, über das Hausübungs-Programm
Stopp and Start. Nicht wenige Männer quälen sich viele Jahre damit, oft als
primäre Störung, und haben zahllose frustrierende Arztbesuche und eine Reihe
gescheiterter Beziehungen hinter sich. Das Programm Beschleunigung der
Ejakulation
bei
gehemmtem
Orgasmus
(ICD-10
F52.3)
wird
meist
als
32
herausfordernd erlebt: Kontrolle, die u.U. auf soziodramatischer Rollenebene zu
großem
beruflichem
Erfolg
geführt
hat,
muss
auf
somatischer
und
psychodramatischer Ebene abgegeben werden.
Bei Stopp and Start masturbiert der Mann allein und ungestört bis zum point of no
return, stoppt die Stimulation und entspannt sich. Dann masturbiert er weiter. Ziel
ist, dieses Spiel mit der Erregung fünfzehn Minuten zu spielen, ohne zu
ejakulieren. Er soll sich dabei ganz auf seine körperlichen Empfindungen
konzentrieren, nicht auf erotische Fantasien, damit er seine Reaktionen genau
kennenlernt
und
so
besser
kontrollieren
kann.
Ist
dies
in
drei
aufeinanderfolgenden Sitzungen jeweils fünfzehn Minuten gelungen, wird
dasselbe mit Gleitmittel durchgeführt, das die Sinneseindrücke intensiviert. In
einem dritten Schritt werden die Massagebewegungen nicht unterbrochen wie in
Schritt eins und zwei, sondern es wird mit Tempo und Druck experimentiert. Ist
auch dieser Schritt dreimal fünfzehn Minuten gelungen, wird der/die PartnerIn
hinzugezogen. Nun stimuliert der/die PartnerIn zunächst mit trockener Hand,
(später mit Gleitmittel wie oben) den Penis. Der Partner lenkt ihn/sie dabei und
sagt, wann die Ejakulation kurz bevorsteht. Da stoppt der/die stimulierende
PartnerIn und wartet, bis die Erregung etwas abgeklungen ist und macht dann
weiter. (Ausführliche, detailreiche, mit Zeichnungen versehene Anleitung, siehe
Yaffe, Fenwick, 2003, S. 132 ff.)
Beim Programm Beschleunigung der Ejakulation geht es darum, in Anwesenheit
des/der PartnerIn in Stufen zu masturbieren (Rücken an Rücken, mit Zuschauen
und innigem Körperkontakt, der/die PartnerIn übernimmt manuell oder oral,
Masturbation in der Nähe der Vagina etc.) und zunehmend die Kontrolle
abzugeben. Männer mit verzögerter Ejakulation kommen in der Regel allein
wesentlich rascher zum Orgasmus. „Ich bin ein Masturbationsmeister, aber bei
meiner Frau ist das qualvoll, es dauert bis zu eineinhalb Stunden, bis ich komme.“
Fehlende psychodramatische Rollen wie der Hingebungsvolle, der Loslassende
etc. können geübt werden.
2.3.3.2. Arbeit an der Hemmung aus der Rolle des Penis
Ein Mann mit verzögerter Ejakulation (auch bei Erektionsproblemen nutzbar) wird
aufgefordert, in die Rolle seines Penis zu gehen. Dann bittet der/ die TherapeutIn
den Mann, sich als Penis in der Fantasie genau auf die Stelle des Liebesspiels zu
33
konzentrieren, an der er immer die größte Hemmung erlebt, auf den Punkt, an
dem er das Gefühl hat, „nicht erlöst“ zu werden. Im Unterschied zur
Absorptionstechnik (siehe 2.3.2.) wird auf die negativen Bilder, Gedanken und
Erinnerungen fokussiert, die mit der Hemmung verknüpft sind. Herr D., ein Mann
mit Erektionsproblemen, sitzt in der Rolle seines Penis auf dem Stuhl. Th.: „Sie
brauchen mich nicht anzusehen, wenn es Ihnen leichter fällt, schließen Sie die
Augen oder suchen Sie sich einen Punkt, wo Sie hinsehen können. Bitte richten
Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den schmerzlichsten Punkt während Ihres
Liebesspiels und sagen Sie mir, was Sie körperlich spüren.“ D. in der Rolle seines
Penis, er sitzt ganz eingesunken da, mit hängenden Schultern und traurigem
Gesicht: „Alles ist so schwer, es drückt mir auf den Schultern, es drückt mich
runter.“ Th.: „Bleiben Sie bei der Schwere und lassen Sie Ihre Gedanken einfach
fließen und schauen Sie, was da für Gedanken und Gefühle auftauchen. Lassen
Sie sich Zeit.“ D. in der Rolle seines Penis: „Meine Frau taucht auf, ihr zorniges
Gesicht, die Frau lacht nicht mehr, meine Frau lacht schon lange nicht mehr.“ Er
sinkt noch weiter zusammen. Es folgen weitere unerquickliche Szenen mit der
Frau und Erinnerungen an die strenge Mutter. Zum Abschluss der Sequenz lädt
die Th. zu folgenden Bildern und Szenen ein: „Ja, Penis, würde das helfen, wenn
die Frau wieder lacht? Stelle Dir das mal vor, dass die Frau so lacht wie früher.“ D.
in der Rolle seines Penis, ihm laufen die Tränen übers Gesicht: „ Das wäre gut.“
Th.: „Penis, stelle sie Dir vor, wie sie lacht und spüre hin, was das mit Deinem
Körper macht.“ D. lächelt nach einiger Zeit und richtet sich ein bisschen auf: „Das
tut gut, das Schwere in den Schultern ist ein wenig besser.“ Die Technik ist eine
Kombination aus monodramatischem Rollenwechsel und der leicht abgewandelten
Screening-Technik aus der Traumaarbeit von Pruckner und Ottomeyer. Sie ist
unschätzbar zur Bearbeitung sexueller Störungen, da die Bedeutung des
Symptoms entschlüsselt und mit der Technik bearbeitet werden kann und ist
selbstverständlich auch bei Frauen gut nutzbar. Im vorliegenden Fall wird klar,
dass auf der Paarebene weitergegangen werden muss, z.B. mit Übungen aus
2.3.4.1. Aufgaben zur Entfachung des Verlangens.
2.3.3.3. Arbeit mit dem Sexuellen Atom
Wie in 2.2.3. beschrieben, können alle sexuellen Störungen mit dem Sexuellen
Atom
durchgespielt
werden.
Hier
ein
interessantes
Beispiel
aus
einer
34
Paartherapiesitzung, bei der lediglich die Anteile des leidenden Partners
aufgebaut wurden (Verstand, Herz, Hoden, Penis, Haut). Die Partnerin ist
zunächst Zuschauerin, die auch Fragen stellt. Die Anteile können alles (!) befragt
werden. Z.B. kann der Penis danach gefragt werden, wie er Streitigkeiten oder
Kritik des/r PartnerIn erlebt? Th.: „Herr O., wie geht es Ihnen, wenn Ihre Frau
Ihnen sagt, dass Sie die Wohnung nicht gut genug aufräumen?“ Herr O: „Das
macht mich traurig, ich möchte doch, dass sie sich wohlfühlt und ich gebe mir
solche Mühe.“ Th.: „Wie geht’s dir, Penis, wenn Frau B. Herrn O. immer kritisiert,
dass er die Wäsche nicht richtig aufhängt, das Waschbecken nicht gut genug putzt
und alles noch mal selber macht?“ Herr O. in der Rolle seines Penis: „Das macht
mich so wütend, soll sie doch endlich Ruhe geben und stressen tut es mich ohne
Ende, ich bin ihr ja auch zu schnell, zu dies, zu das.“
2.3.4. Probleme mit der Lust bei Mann und Frau
2.3.4.1. Aufgaben für Paare zur Entfachung des Verlangens
Ursachen und Art von mangelndem oder fehlendem sexuellen Verlangen (ICD-10
F52.0) oder sexueller Aversion und mangelnder sexueller Befriedigung (ICD-10
F52.1) sind so vielfältig wie die Menschen und Paare, die darunter leiden. Barry
und Emily McCarthy haben eine Reihe von schönen Aufgaben entwickelt, mit
denen Paare ihre Lust entfachen können (McCarthy, 2013). Das Paar begreift
sich als Team mit einem gemeinsamen Problem und geht gemeinsam auf die
Suche nach Störfaktoren und Hemmungen, die einem entspannten Liebesspiel
entgegenwirken. Jede/r der PartnerInnen übernimmt volle Verantwortung für den
eigenen Anteil. Eine Klientin berichtet z.B., dass sie trotz 35 Grad sommerlicher
Temperatur ein Nachthemd anzieht, damit ihr Partner sie nicht nackt sehen kann
und so auf die Idee kommen könnte, sie schön und erregend zu finden. Das Paar
hat seit der Geburt des ersten Kindes vor vierzehn Jahren keinen Sex mehr. Das
Paar macht sich als Team auf den Weg, Störfaktoren und Hemmungen in einem
für beide passenden Tempo abzubauen. Es akzeptiert, dass manches zu
verändern sein wird, anderes nicht. Für die folgenden Aufgaben wird zunächst auf
Koitus verzichtet, klappen die Übungen gut, kann dazu übergegangen werden.
Verabredung zu emotionaler Intimität: Das Paar nimmt sich in Ruhe eine Stunde
Zeit, um spazieren zu gehen, ein Glas Wein zu trinken etc. und dabei über
35
Geschichten aus der Kindheit, Zukunftspläne, gemeinsame Erinnerungen wie das
Kennenlernen, besonders schönen Sex damals im Auto etc. zu reden.
Brücken zum sexuellen Verlangen bauen: Beide Partner denken über Szenarien
und Reize nach, die sie erotisch finden, was sie zu Beginn ihrer Beziehung
gemacht haben oder die sie gerne ausprobieren würden. Nicht alle werden dem/r
PartnerIn verraten. Es geht auch hier um die bewusste Pflege der Intimität, die
Übernahme von Verantwortung für Vorfreude und Verlangen. Mit einigen
Animationen kann man –mit Feingefühl, wann was passend ist - in der Sitzung
beginnen, z.B. „Schauen Sie Ihrer Frau lange in die Augen und sagen sie ihr, was
Sie an ihr mögen, jetzt schauen Sie ihr lange auf die Brüste und sagen sie ihr,
was sie an ihnen mögen.“
Verabredung zu sexueller Intimität: Die Aufgabe ist ähnlich der Streichelübungen
aufgebaut, aber freier. Ein/e PartnerIn ist der/die Gebende, der/die andere der/die
Nehmende, dann wird gewechselt. Das Paar experimentiert mit Berührungen,
Liebkosungen, Impulsen aller Art im Sinne eines absichtslosen, leistungsfreien,
nicht fordernden Liebesspiels. Die kürzeste (aber deshalb nicht einfachste)
Verabredung zu sexueller Intimität ist der bewusste Kuss zur Begrüßung und zum
Abschied.
Erotische Szenarien: Zuerst schlägt ein/e PartnerIn ein sexuelles Szenario vor,
das beide ausprobieren, dann wird gewechselt. „Lassen wir den Mann beginnen
(…): Küsse und Berührungen in langsamem Tempo, gefolgt von raschem,
intensivem Koitus; einen bevorzugten Porno anschauen und dabei Liebe machen;
Petting unter der Dusche oder gleich nach dem Duschen, gefolgt von Oralsex;
einander Sexfantasien vorlesen. (…) Nun entwickelt die Frau ein erotisches
Szenario (…): Sex vor einem Spiegel und sich dabei zusehen, Sex in der Küche
oder
im
Wohnzimmer;
Verwendung
eines
Vibrators;
Sex
an
einem
menschenleeren Strand; Sex unter der Dusche oder im Whirlpool.“ (McCarthy,
2013, S. 195 ff.) Paare, die wenig oder gar keine Lust miteinander erlebt haben,
können eingeladen werden, gemeinsam Lustbilder zu entwickeln. Sie können sich
z.B. Bücher und Filme gemeinsam ansehen und erregende Szenarien daraus
nachspielen oder weiterentwickeln.
Psychodramatisch gesehen werden mit diesen Aufgaben starre Rollenkonserven,
die sich z.B. in immer gleichen eingeengten, misslingenden sexuellen
Begegnungen
abbilden,
aufgelöst
und durch
ein
erweitertes fließendes
36
Rollenrepertoire ersetzt. Die Fokussierung auf den Koitus mit Orgasmus wird
vollkommen aufgegeben und ein weites Land der emotionalen, geistigen, nicht
sinnlichen und sinnlichen Begegnungsmöglichkeiten entwickelt. Interessant ist der
Aspekt – hier noch mehr als bei den Streichelübungen, dass Rituale in den
Beziehungsalltag eingebaut werden: Rituale geben Sicherheit, Sicherheit festigt
die Bindung und Bindung ermöglicht Freiheit und Vielfalt im sinnlichen, erotischen
und sexuellen Miteinander! Es ist dringend empfohlen, die Rituale zur Pflege der
Intimität weiterhin in den Alltag zu integrieren.
2.3.4.2.Rolle der Lust und Spiele zu Lust/ Unlust
Die Rolle der Lust
Eine Klientin, die in der Herkunftsfamilie von ihrem Vater traumatische Übergriffe
auch sexueller Natur erleiden musste, kann starke sexuelle Erregung nur im
Zusammenhang mit Frauen erleben, die sie massiv abwerten und keine Bindung
eingehen können/wollen. Sie lebt nun seit sieben Jahren mit einer sehr
wertschätzenden Partnerin in inniger Liebe zusammen. Schwaches Begehren war
zu Beginn der Beziehung da, sexuelle Handlungen aller Art haben die beiden
nach unbefriedigenden Bemühungen eingestellt. Die Klientin will nun „einen
letzten Versuch“ starten, ihr Sexualleben mit ihrer Partnerin zu beleben. Die
Partnerin hat wenig Leidensdruck. Die Frage an A. nach lustvollen sexuellen
Erfahrungen mündet immer in schmerzliche Erinnerungen und daran hängen sich
Erinnerungen an Übergriffe des Vaters. Die Arbeit mit der Rolle der Lust soll nun
helfen, den Lustbegriff der Klientin zu erweitern. Der/die TherapeutIn steuert ihre
Fragen dahingehend.
Der/die KlientIn wird gebeten, hinter ihren Stuhl zu treten und die Rolle der
eigenen Lust einzunehmen. Der/die TherapeutIn interviewt die Lust der A.
Th: „Lust von A., ich freue mich, dich kennen zu lernen. Wann bist du das erste
Mal aufgetaucht?“ A.: „Als K. A. verführt hat, da war A. so sechzehn Jahre alt.“
Th.: „Das kann nicht sein. A. lacht so viel und herzhaft, du warst sicher schon
früher da. Ist A. denn nie in Pfützen gehüpft oder einen Grashügel runtergekullert,
oder hat Kirschen von Nachbars Baum geklaut?“ A: „Ach, sowas meinen Sie? Ja,
stimmt, das ist auch eine Art Lust. Sie sind ganz schön tricky. Also ja, da fällt mir
ein, A. hat öfters mit ihrem Bruder die Badewanne eingeseift und dann sind sie in
der Wanne rumgerutscht und haben gelacht wie die Blöden und da war ich, die
37
Lust, definitiv da.“ A. bekommt die Aufgabe, ein Lusttagebuch anzulegen und
gemeinsam mit ihrer Partnerin sinnliche Erinnerungen auszutauschen. Das
Tabuthema der Beziehung kann nun anders als leidvoll besprochen werden und
ein imperfektes Ziel im Sinne von Hofer (S. 42 ff) angesteuert werden.
Folgende Übungen eignen sich wunderbar dazu, die Sensibilität für den eigenen
Körper zu steigern, sie fördern die Wertschätzung des Symptoms als Teil des
eigenen Entwicklungsprozesses und regen die Rollenerweiterung an. Der/die
KlientIn kann erleben, dass er/sie Emotionen in eine positive Richtung steuern
kann.
Gerade
die
von
Hofer-Hartnig
immer
wieder
vorgeschlagenen
Rollenwechsel in Tiere erleichtern diesen Prozess: Die soziodramatische
Rollenebene fällt weg, die somatische und psychodramatische Rollenebene
rücken ins Zentrum, der/die KlientIn kommt unmittelbarer an seine Bedürfnisse. In
der Rolle eines Tieres fällt es den meisten Klienten leichter, sich vorzustellen,
dass sie sich räkeln, schnurren, lecken, fliegen, kuscheln etc.
Hemmung und Enthemmung I
Der/die KlientIn oder das Paar wird aufgefordert, die Augen zu schließen und
gefragt: „Wo im Körper spüren Sie jetzt Hemmung/ Ihre Hemmung? Legen Sie
bitte Ihre Hand auf die Stelle. Wie fühlt sich die Hemmung an? Welche Farbe
passt dazu? Wo im Körper spüren Sie Enthemmung/ Ihre Enthemmung. Legen
Sie Ihre Hand darauf. Welches Tier passt zu dieser Empfindung? Verwandeln Sie
sich in dieses Tier. Was tut es? Was mag es tun? Was braucht es? Was würde es
sagen? Etc.
2.3.4.3. Sexuelle Entwicklung im Rollentausch mit den Eltern
Eine sehr erhellende Variante ist der Rollentausch des/r KlientIn mit einem
Elternteil, der dann die sexuelle Entwicklung des/r KlientIn beschreibt.
P., ein kultivierter 50jähriger Mann, leidet seit Jahren an einer schweren Erektilen
Dysfunktion (ICD-10, F 52,2). Er hat schon immer Erektionsprobleme, seit zwei
Jahren erigiert sein Penis nur morgens, in seiner Ehe ist Sexualität seit Jahren
kein Thema mehr. Beruflich ist er extrem erfolgreich, ein angesehener, gefragter
Topmanager. Als er einmal zu Hause die Treppe hinunterstürzt, weil er seine
Beine nicht mehr richtig spürt, schlägt seine Frau Alarm. Er lässt sich gründlich
medizinisch untersuchen und wird mit der Empfehlung, kürzer zu treten, nach
Hause geschickt.
38
Im Rollentausch mit seinem Vater kann P. verstehen, dass dessen tapfere Haltung
eigentlich unerbittliche Härte bedeutet, die jede Lebendigkeit und Sexualität im
Keim erstickt. In der Rolle des Vaters sagt P. zu ihm, seinem Sohn: „Es macht
nichts, wenn etwas nicht so gut ist, solange du dich anstrengst. In unserer Familie
sehen wir nur das Gute. Mein Vater z.B., der hat beide Weltkriege erlebt, ein Bein
wurde ihm abgeschossen, ein andermal wurde ihm ins Auge geschossen, aber wir
haben keine Schmerzen. Ich wurde mit siebzehn kielgeholt, das hat mir nicht
geschadet.“ P. kann die chronische krampfhafte Anspannung seines Vaters
erleben und spüren, wie viel er davon übernommen hat. Bei diesem Paar kommt
die Hilfe zu spät. Bei ihren Versuchen mit Streicheln I spüren die beiden, dass ihre
Berührungen nur kalt und traurig sind und es dauert nicht lange, bis sich P. eine
eigene Wohnung sucht.
Bei dieser Technik ist es für den/die TherpeutIn wichtig, genau Berührungen und
Zärtlichkeiten der Eltern abzufragen, um zu sehen, ob der/die Klientin in einem
Klima von förderlicher, körperlicher Nähe und Zuwendung aufgewachsen ist, was
er/sie an Nährendem bekommen hat, oder ob er/sie wie im Beispiel allergrößte
Kargheit und Kälte hat erleben müssen, ob ein Elternteil ihn/sie als Partnerersatz
missbraucht hat, ob die Berührungen übergriffig waren etc.
Wie im Beispiel deutlich wird, erlebt ein/e KlientIn Berührungen manchmal als
„normal“ und kann nicht wahrnehmen, dass sie in einen grenzwertigen Bereich
fallen. Mit dieser Technik kann der/die KlientIn seine/ihre sexuelle Sozialisation
verstehen und u.U. eine Ursache für das bestehende sexuelle Problem begreifen.
(Ausführliche Überlegungen zur Genese sexueller Störungen in „Sexuelle
Störungen und ihre Behandlung“, Volkmar Sigusch, Hrsg., 2001; Überlegungen
zum Einfluss frühkindlicher Bindungsstile auf die Sexualität der Erwachsenen bei
Sue Johnson, S.41 ff.)
Im vorliegenden Beispiel hat der Mann weder zärtliche, liebevolle Berührungen
erleben und erlernen dürfen, noch hat er je zärtliche Worte gelernt und ist in einem
extrem rigiden, rein leistungsorientierten Klima aufgewachsen. Er hat von Anfang
an bei all seinen Liebesbeziehungen unter Ejaculatio Praecox (ICD-10, F52.4)
gelitten.
39
2.3.4.4.Szenische Bearbeitung von Lustproblemen
Beispiel: Ein junges Paar, beruflich stark belastet, kommt in die Paartherapie, weil
der Mann seltener Lust auf Sex hat als die Frau und/oder während des sexuellen
Aktes die Lust verliert. Das Paar versteht sich ansonsten sehr gut, dieses
Ungleichgewicht führt jedoch immer wieder zu Frustration und Streitigkeiten. In der
Anamnese wird deutlich, dass den jungen Mann die Verführungsversuche seiner
Liebsten unter Druck setzen, schnell fällt ihm alles andere ein, was ihm Druck
macht, vor allem Szenen aus seiner Arbeit. Auch bei diesem Paar schlage ich die
Streichelübung vor. Außerdem bearbeite ich mit beiden belastende Szenen aus
dem beruflichen Leben.
Zur Bearbeitung des sexuellen Problems eignet sich szenisches Durcharbeiten.
Aufgebaut werden vom Paar ein Stuhl für den Mann, ein Stuhl für den Penis, ein
Stuhl für die Frau, ein Stuhl für die Vagina. Bei Bedarf können noch weitere Stühle
für bedeutsame Faktoren im Lust/ Unlust – Spiel mit positioniert werden, wie z.B.
Brüste, der Kopf, der Chef des Mannes etc. In diesem Fall waren die vier
„Grundpositionen“ ausreichend.
In einem ersten Schritt geht entweder Mann oder Frau nacheinander in alle vier
Rollen. Der/die TherapeutIn fragt ausführlich nach körperlichem und psychischem
Empfinden in den Rollen. Danach folgt der/die PartnerIn mit derselben Aufgabe.
Die Unterscheidung zwischen den Wahrnehmungen des Ich und denen des Penis/
der Vagina ist für das Paar sehr erhellend und entlastend. In den Rollen von
Vagina und Penis werden in der Regel viel unmittelbarer und freier die jeweiligen
Bedürfnisse und Konflikte benannt.
C. als sie selbst: „Ich mag schon gern einen Annäherungsversuch machen, aber
wenn er wieder keine Lust hat, frustriert mich das sofort.“ C. in der Rolle ihrer
Vagina: „Wenn ich den schönen, schlanken Mann da drüben sehe, kriege ich
gleich gute Laune und ich bekomme Lust, mich zu räkeln.“ C. in der Rolle von D.:
„Ich liebe C. so sehr, aber ich muss jetzt über den neuen Chef nachdenken und
wie ich morgen das Gespräch mit ihm gestalte.“ C. in der Rolle von Ds. Penis: „D.
geht mir auf die Nerven. Immer denkt er an unwichtigen Mist statt dass er mal die
Hübsche da drüben anvisiert.“
In einer zweiten Spielphase geht das Paar abwechselnd in beliebige Rollen und
beginnt einen Dialog aus den Rollen heraus.
40
D. in der Rolle von Ds. Penis: „Vagina, wenn Du der C. mal sagen könntest, dass
sie nicht gleich nach mir fassen soll, sondern vielleicht erstmal den D. fragen
könntest, wie es in der Arbeit war.“ C. in der Rolle ihrer Vagina an D.in der Rolle
seines Penis: „Findest du mich überhaupt schön, ich habe so Angst, dass du mich
nicht mehr attraktiv findest. Magst du gar nicht mehr in mich reinkommen? Ich bin
ganz weich und da kann sich D. doch auch erholen?“ Etc.
Der spielerische Dialog nimmt Druck und Angst, Ressourcen können gesehen und
erlebt werden, die Wahrnehmung und das Verstehen füreinander werden enorm
gesteigert. Das vorgestellte Paar kann die Unlust/ Druck-Dynamik mittlerweile
selbst steuern, indem es, wenn D. wieder besonders angespannt ist, für einen
Zeitraum von ein bis zwei Monaten wieder auf Streicheln II oder I statt Sex
übergeht. Beide Partner erleben eine weitaus größere Offenheit und Nähe
zueinander, sowohl im Alltag als auch in ihrer Sexualität. Und sie betonen, dass
besonders die Rollenspiele dazu beigetragen haben. Ein weiterer sehr positiver
Effekt der Streichelübung (über zwei Jahre) ist, dass sich der Zyklus der Frau
normalisiert und sich der jahrelang gehegte Kinderwunsch erfüllt hat.
2.3.4.5. Ressourcenarbeit an Lustproblemen
War im Leben des/r KlientIn sexuelle Lust vorhanden, eignet sich folgende
Technik ausgezeichnet. Sie wurde von Manuela Hofer für die Sexualtherapie
entwickelt. Das Vorgehen macht sich den Umstand zunutze, dass sich Ereignisse,
die mit starkem emotionalem Empfinden verknüpft sind, besonders tief ins
Gedächtnis einprägen. „Dies liegt unter anderem daran, dass zwischen der für die
emotionale Bewertung von Reizen verantwortlichen Amygdala und dem für die
Gedächtnisbildung zentralen Hippocampus enge Verbindungen bestehen.“
(Leonie Seng, 2012)
Zunächst wird die Körperressource angeleitet (siehe Übungen), die den/die
KlientIn dazu bringt, den Fokus ganz auf den Körper zu richten. Dabei werden
auch explizit die primären und sekundären Geschlechtsorgane benannt, z.B., „Nun
richten Sie Ihre Wahrnehmung auf Becken und Po, spüren Sie Ihre Vagina, Ihre
Klitoris“ etc.
Dann wird der/die KlientIn gebeten, die Augen geschlossen zu lassen und nach
einer Szene im Leben zu suchen, die mit großer sexueller Lust verbunden war.
Diese wird dann unter Anleitung des/r TherapeutIn in der Fantasie durchgespielt.
41
Dabei wird die Szene im psychodramatischen Sinne zunächst genau eingerichtet.
Es ist hilfreich, immer sofort alle sinnlichen Eindrücke und Erinnerungen
abzufragen. Je genauer hier der/die TherapeutIn ist, desto stärker das Erleben
des/r KlientIn.
Im folgenden Beispiel geht es um eine Frau, deren Sexualleben während der
zwanzigjährigen Ehe rasch zum kompletten Erliegen gekommen ist, die jetzt
getrennt lebt und die von sich sagt: „Ich habe einfach keine Lust, ich weiß gar
nicht mehr, was das ist und ob ich das Thema nicht einfach ad acta legen soll.“
Th.: „Wo genau hat sich die Szene abgespielt?“ P.: „In meiner Studentenwohnung
in Barcelona. Ich habe im dritten Stock gewohnt und wenn er zu mir kam, hat er
immer schon unten im Treppenhaus laut gerufen: ´Wo ist meine Schöne? Meine
Geliebte? Die heißeste Frau unter der Sonne? Wo ist sie, ich will sie packen und
vernaschen!‘“ P. lacht. Th.: „Und dann?“ Th.: „Wir waren auf meinem Sofa. Ich
weiß noch genau, wie die Sonne durch die Jalousien fiel und ein Muster auf das
Sofa gemalt hat. Und es war unvorstellbar heiß.“ Th.: „Bitte stellen Sie sich vor,
Sie sind wieder die junge Studentin, spüren Sie die Hitze und schauen Sie sich im
Raum um. Geht das?“ P.: „Ja, das geht gut.“ Th.: „Wenn Sie sein Rufen hören,
was passiert da in Ihrem Körper? Lassen Sie sich Zeit.“ P.: „Es fährt so ein Strom
von meiner Brust, direkt in die Vagina.“ Lacht. Th. lacht: „Können Sie den jetzt
spüren?“ P. nickt und lacht. Th.: „Ok, was passiert dann?“ usw., usw. Die
Erinnerung reaktiviert die verschütteten somatischen Rollen der erregten,
begehrten und begehrenden Frau.
Diese Art von Ressourcenarbeit ist bei allen sekundären Sexualstörungen nutzbar.
3. Übungen
„Halt – mich – fest“ – Gespräche nach Sue Johnson
Eine sichere Bindung besteht aus drei grundlegenden Elementen:
Zugänglichkeit – Du schenkst mir Deine Aufmerksamkeit und bist emotional offen
für das, was ich sage.
Empfänglichkeit – du akzeptierst meine Bedürfnisse und Ängste, gewährst mir
Trost und Fürsorge.
Engagement – Du bist emotional präsent, gehst auf mich ein und lässt Dich auf
mich ein.
42
Orientieren Sie sich bei Ihren Zwiegesprächen an folgenden Punkten:
Stimmen Sie sich auf Ihre sanfteren Emotionen ein und halten Sie an ihnen fest.
Spüren Sie Ihre Hoffnung auf die potentielle Verbindung mit dem geliebten
Menschen.
Regulieren Sie Ihre Gefühle. Lassen Sie sich nicht überwältigen, schotten Sie sich
nicht ab und bleiben nicht taub. Begegnen Sie dem geliebten Menschen mit einer
gewissen Offenheit und Neugier.
Benennen Sie klar Ihre Gefühle. Deutliche Kommunikation entsteht aus dem
Wissen um die befürchtete Gefahr und die ersehnte Sicherheit.
Halten Sie Ihre Angst vor der Reaktion des geliebten Menschen aus und bleiben
ihm zugewandt.
Äußern Sie deutlich Ihre Bedürfnisse. Um das zu tun, müssen Sie Ihre eigenen
Bedürfnisse nach Bindung erkennen und akzeptieren.
Hören Sie zu und akzeptieren Sie, welche Bedürfnisse Ihr/e Partner/in hat. Gehen
Sie mit Mitgefühl und Aufrichtigkeit auf diese Bedürfnisse ein.
Gehen Sie auf die Rückmeldung des anderen ein. Wenn sie nicht wie erhofft
ausfällt, bleiben Sie so ruhig wie möglich. Wenn sie ausfällt wie erhofft, spüren Sie
den Zuwachs des Vertrauens und das positive Gefühl.
Erforschen Sie die Realität Ihres Partners/Ihrer Partnerin.
Streicheln I (Hofer, 2013, S. 92 ff.)
Die Partner nehmen sich 30-60 Min. Zeit füreinander. Dabei ist es wichtig, dass
sie weder unmittelbar vorher noch nachher durch Termine unter Druck geraten,
sondern wirklich Ruhe haben. Sie ziehen sich ganz aus und streicheln sich im
Liegen. Das Zimmer soll warm und nicht dunkel sein, so dass die Partner ohne
Decke liegen und sich sehen können.
Beim Streicheln übernehmen die Partner abwechselnd für jeweils etwa 5 Min. die
„aktive“ (streichelnde) bzw. die „passive“ (aufnehmende) Rolle. Der/die passive
Partner/in legt sich zunächst auf den Bauch. Der/die aktive Partner/in hockt oder
legt sich seitlich neben ihn /sie, besser noch gegrätscht über den Körper des
jeweils anderen.
Er/sie streichelt seine/n Partner/in am Kopf, am Hals, an den Schultern, Armen
Händen, am Rücken, am Po an den Beinen und Füßen, d.h. am ganzen Körper.
Es können unterschiedliche Arten des Streichelns ausprobiert werden, z.B. mit
43
den Fingerspitzen, mit der ganzen Hand, mit dem Mund, mit der Wange, mit dem
Unterarm, mit den Haaren, sanft oder kräftig, massierend und knetend oder nur
die warmen Hände auflegend.
Der passive Partner versucht, alle Empfindungen und Gefühle beim GestreicheltWerden zuzulassen und zu erfahren. Es geht also nicht um passives
„Hinnehmen“, sondern um aktives Aufnehmen aller Empfindungen, ob angenehm
oder unangenehm.
Das Streicheln soll entspannend und wohlig sein.
Die Partner nehmen die aktive und passive Rolle je 3 Mal abwechselnd ein. Beim
zweiten Mal legt sich der passive Partner auf den Rücken und lässt sich von vorne
streicheln, wieder am ganzen Körper, aber mit Ausnahme der Genitalien und der
Brüste. Beim dritten Mal liegt der passive Partner wieder auf dem Bauch.
Die Partner/innen sollen sich verbal und nonverbal mitteilen, was ihnen
unangenehm ist, was sie stört, was sie anders haben möchten und was sie gerne
mögen. Dabei kann der/die passive Partner/in die Hand des /der aktiven zu den
Körperteilen führen, an denen er/sie gerade gestreichelt werden möchte, oder von
denen weg, die im Moment unangenehme Empfindungen auslösen. Er /sie kann
dabei auch gleich den gewünschten Druck und Rhythmus des Streichelns zeigen.
Gefühle und Empfindungen können ausgetauscht werden.
Die Partner/innen sollen nur das tun und es nur solange tun, wie es ihnen beiden
Spaß macht oder zumindest nicht unangenehm wird. Falls das Streicheln
unangenehm wird, sollen sie es dem/der Partner/in sagen, sich anders streicheln
lassen, die Rollen vorzeitig wechseln oder aber, wenn es unangenehm bleibt,
abbrechen und das Streicheln verschieben. Das Durchhalten unangenehmer
Erfahrungen ist nicht sinnvoll.
Die Partner/innen sollen beim Streicheln auf die eigenen Gefühle achten und sich
nicht für die Reaktionen des anderen verantwortlich fühlen, sondern bewusst
selbstbezogen und „egoistisch“ sein. Solange der/die Partner/in nichts anderes
äußert, sollen sie davon ausgehen, dass er/sie das Streicheln angenehm findet.
Streichelübung II
Für diesen Abschnitt gelten grundsätzlich weiterhin dieselben Ziele wie für
Streicheln I, nämlich, dass die Partner lernen können, Streicheln und
Körperkontakt entspannt und ohne Leistungsdruck zu erfahren und zu genießen.
44
Die Erweiterung besteht darin, dass die Partner nun die Möglichkeiten haben,
Brüste und Genitalien in das entspannte, zärtliche Streicheln des ganzen Körpers
mit einzubeziehen. Sie sollen die Erfahrung machen, dass die Berührung dieser
Körperteile nicht notwendigerweise ein Signal zum „Weitermachen“, z. B. bis zum
Koitus,
ist.
Missempfindungen
Zusammenhang
häufig
und
auftreten,
Berührungsängste,
sollen
allmählich
die
abgebaut
in
diesem
und
eine
akzeptierende, nicht leistungsorientierte Wahrnehmung der eigenen Gefühle und
Empfindungen auch an Brüsten und Genitalien möglich werden. So kann die Basis
erweitert werden für eine nicht nur genital zentrierte Auffassung von Sexualität.
Vorgehen: Die Partner sollen sich wie bei Streicheln 1 regelmäßig Zeit zum
Streicheln nehmen und dabei weiterhin abwechselnd die aktive und passive Rolle
einnehmen, jeweils 3 Mal. Dabei streicheln sich die Partner jedes Mal zu Beginn,
d.h. in der 1.Phase, so, wie sie es bisher getan haben. Der neue Schritt besteht
darin, dass die Partner in der 2. Phase die Brüste der Frau und, falls vorher
ausgeklammert, auch die des Mannes sowie die Genitalien von Mann und Frau
mit einbeziehen. Diese Körperstellen werden genauso gestreichelt wie die
anderen Teile des Körpers: sie werden jetzt nicht mehr ausgelassen, aber auch
nicht bevorzugt berührt. Der Bereich zwischen den Schamlippen der Frau wird
noch nicht berührt; die Frau massiert den Penis noch nicht und bewegt auch die
Vorhaut noch nicht über der Eichel hin und her. Brust und Genitalien werden also
noch nicht gezielt stimuliert. In der 3. Phase, wenn sich die Partner wieder auf den
Bauch legen, wird dann wieder gestreichelt wie bisher.
Es geht erneut darum, sich beim Streicheln gut zu fühlen und zu entspannen, nun
auch, wenn Brüste und Genitalien berührt werden: Auf Erregung, Erektion und
Orgasmus kommt es weiterhin nicht an.
Die Grundregeln – nur das zu tun, was beiden Spaß macht, und nur so lange, wie
es für beide gut ist, und selbstbezogen auf die eigenen Gefühle zu achten – gelten
weiterhin. Auch die anderen Anleitungen bezüglich Regeln bleiben bestehen:
Mitteilen der Empfindungen und Wünsche sowie Verzicht auf Koitus und Petting.
Erweiterung der Streichelübung
Die Partner baden oder duschen vor dem Streicheln zusammen und/oder cremen
und ölen sich gegenseitig ein. Auch dabei sind Brüste und Genitalien auszusparen.
45
Dies ist eine Hilfe zur Entspannung und dient dem „In Kontakt kommen“ mit dem
Körper des anderen. Die Partner können sich auch vor dem Streicheln
zusammenlegen und dabei darauf achten, möglichst viel Hautkontakt zu haben.
Dabei soll jedoch ebenfalls das Aneinanderpressen der Genitalien unterbleiben.
Sie können dadurch körperliche Nähe vertieft genießen lernen. Die Partner können
auch das Streicheln mit dieser Art des Zusammenliegens beenden.
Körperressource (leicht abgeändert nach David Grand)
Erster Schritt: Beruhigen und Erden: Nachdem Sie sich bequem hingesetzt haben,
erfühlen Sie als Erstes, wie Ihre Füße Kontakt zum Boden haben. Sie können Ihre
Füße entweder sanft auf den Boden drücken oder sie am Boden umherbewegen.
Machen Sie sich bewusst: Wenn sie spüren, dass Ihre Füße Kontakt zum Boden
haben, spürt Ihr Gehirn dies ebenfalls. Als Nächstes nehmen Sie bewusst den
Stuhl wahr, der Ihren Körper hält und stützt. (Falls Sie liegen, nehmen Sie das Bett
oder die Unterlage wahr, die Sie trägt.) Uns auf diese Weise im wahrsten Sinne
des Wortes zu erden, macht es möglich, uns auch emotional mehr geerdet zu
fühlen. So arbeiten Gehirn und Körper ständig zusammen. (…)
Konzentrieren Sie sich nun auf Ihre Atmung. Versuchen Sie nicht, diese zu
verlangsamen oder irgendwie zu verändern; das wäre kontraproduktiv. Hören Sie
einfach, wie Sie einatmen und wie Sie ausatmen. Machen Sie sich bewusst, dass
Sie beim Einatmen Sauerstoff aufnehmen, der den Sauerstoffbedarf Ihres Körpers
wieder auffüllt, und dass Sie beim Ausatmen Kohlendioxid abgeben und somit
Ihren Körper reinigen.
Die Atmung wird durch das autonome Nervensystem in unserem Hirnstamm
kontrolliert. Uns muss nicht beigebracht werden, wie wir zu atmen haben: es
geschieht intuitiv, von Geburt an. Indem Sie sich selbst atmen hören, beobachten
Sie sozusagen Ihren Hirnstamm, wie er für Sie arbeitet. Wenn Sie dem Rhythmus
Ihrer Atmung folgen, reguliert sich Ihre Atmung nach und nach von selbst; das ist
für sich schon beruhigend.
Um sich weiter zu erden, während Sie Ihre Atmung beobachten, ist es hilfreich, die
Finger einer Hand sanft auf den Bereich zu legen, wo Ihr Hinterkopf auf den
Nacken trifft. Sie erfühlen damit einfach, wo der Hirnstamm ins Rückgrat übergeht.
Das ist der Ort, wo wir leben und atmen. Wenn Sie diese Stelle berühren, während
46
Sie Ihrer Atmung zuhören, verbinden Sie sich mit sich selbst und fühlen sich noch
tiefer geerdet.
Ein zweiter Weg, sich mehr zu beruhigen und zu erden, ist der, eine Hand spontan
und langsam zu heben und sie sanft die andere Hand ergreifen zu lassen. Lassen
Sie die haltende Hand die andere Hand sanft stützen. Wenn Sie so weit sind,
streicheln Sie zart die gehaltene Hand. Beachten Sie, wie beruhigend und
unterstützend sich dies anfühlt. Nach einer Weile, wenn es sich für Sie natürlich
anfühlt, wechseln Sie die Hände und lassen die gehaltene Hand zur haltenden
Hand werden, die die andere streichelt. Diese Technik bewirkt buchstäblich, dass
die rechte und die linke Hälfte Ihres Gehirns sich gegenseitig beruhigen.
Zweiter Schritt: Ihre Körperressource finden: Der einfachste Weg, um in Ihrem
Körper den Punkt zu finden, wo sie sich am sichersten und entspanntesten fühlen,
ist der, Ihren Körper langsam abzuscannen, vom Kopf bis zu den Zehen. Dies
kann ein großer Bereich wie Ihre Brust oder Ihr Rücken sein oder auch ein Fleck,
der so klein ist wie eine Münze, etwa hinter Ihrem Knie oder unter Ihrem Fuß.
Vertrauen Sie Ihrem Instinkt. Vielleicht finden Sie diese Stelle schnell, vielleicht
dauert es aber auch eine Weile. Wie auch immer, seien Sie geduldig und
einfühlsam zu sich selbst. Denken Sie daran, dass Ihre Körperressource auch
einem Bereich in Ihrem Gehirn entspricht, der das ruhige Geerdet Sein tatsächlich
fühlt. (…)
Umarmung bis zur Entspannung (David Schnarch, 2011, S. 321)
„Stellen Sie Sich hin und verteilen Sie Ihr Körpergewicht gleichmäßig auf beide
Füße.
Legen Sie die Arme um den Körper Ihres Partners.
Fokussieren Sie auf sich selbst.
Berühren Sie sich. Werden Sie sehr ruhig.“
Köpfe auf Kissen (David Schnarch, 2011, S. 329)
„Sie und Ihr Partner/in liegen jeweils auf der Seite, einander zugewandt, und
schauen sich an. Ihr Kopf liegt auf Ihrem Kissen. (…) Beruhigen Sie dann einen
Augenblick lang Geist und Herz. Schauen Sie Ihrem/er Partner/in direkt in die
Augen.
47
Der Unterschied zum Umarmen bis zur Entspannung besteht darin, dass Sie
Ihrem Partner direkt in die Augen schauen. (…) Wenn Sie Ihren Partner/in
berühren wollen, dann berühren Sie seine /ihre Hand oder sein/ihr Gesicht.
Versuchen Sie, im Geist und mit Ihren Augen das Herz Ihres Partners/Partnerin zu
berühren.
Vielleicht fühlen Sie sich dabei zu Beginn nicht besonders wohl, doch wenn Sie
sich beruhigen und sich eine Chance geben, sind erstaunlich positive Resultate
möglich.
Es könnte auch sein, dass Sie sich bei einer solchen Nähe nicht wohl fühlen. Sie
müssen damit rechnen, dass Sie sich auf diese Weise sehr intensiv Ihrer selbst,
Ihres/ Partner/in und der Verbindung zwischen Ihnen (oder des Fehlens
derselben) bewusst werden.
Wenn es für Sie beide passt, können Sie Ihre/n Partner/in anschließend behutsam
das Gesicht streicheln.“
Spüren und Berühren (David Schnarch, 2011, S. 331)
„Spüren und Berühren erfordert eine Erneuerung der kollaborativen Allianz, nicht
das Erlernen neuer Körperpositionen. Sie können dabei mit jeder Möglichkeit,
einander zu spüren, beginnen. Ich rate Ihnen, sich zunächst auf Hände, Gesicht
und Arme zu konzentrieren, statt gleich mit der Brust, dem Gesäß und den
Genitalien des Partners anzufangen. Sobald Sie merken, wie es ist, Ihren Partner
zu spüren und von Ihrem Partner gespürt zu werden, können Sie ‚der Verbindung
folgen‘ und dabei den Bereich, in dem Sie einander berühren, allmählich
erweitern. Lassen Sie Ihr Spüren darüber entscheiden, was Sie als Nächstes tun
wollen. Sobald Sie Ihren Partner nicht spüren, halten Sie kurz inne und kehren
dann zu der Aktivität zurück, bei der Sie ihn noch gespürt haben. Bleiben Sie strikt
bei dem, was ‚funktioniert‘ hat, und bleiben Sie mit Ihrem Partner im
gegenwärtigen Augenblick. Das ist Ihre kollaborative Allianz. Es gibt keine Technik
und keine bestimmte Sequenz von Handlungen, an der Sie sich orientieren
müssen. Es geht nur um Sie und Ihren Partner und darum, was zwischen Ihnen
und ihm geschieht. Miteinander zu reden ist in Ordnung, und zu lächeln ist auch
hilfreich. Weinen ist erlaubt. Wenn Partner alte Freunde wiederentdecken, fließen
oft Tränen.“
48
Hören Sie zu und akzeptieren Sie, welche Bedürfnisse Ihr/e Partner/in hat. Gehen
Sie mit Mitgefühl und Aufrichtigkeit auf diese Bedürfnisse ein.
Gehen Sie auf die Rückmeldung des anderen ein. Wenn sie nicht wie erhofft
ausfällt, bleiben Sie so ruhig wie möglich. Wenn sie ausfällt wie erhofft, spüren Sie
den Zuwachs des Vertrauens und das positive Gefühl.
Erforschen Sie die Realität Ihres Partners/ Ihrer Partnerin!
Thesaurus für KlientInnen: Vagina
Muschi, Möse, Miezekatze, Mieze, Yoni, Scheide, Lustgrotte, Fellnase, Samtpfote,
Zaubergarten, Futte, Jadekästchen, Mumu, Muschel, Pflaume, Muschmusch,
Venus, Vesuv, Vogelhaus, Vulkan, weibliches Geschlecht, Weide, Wunderblume,
Wundertüte, Zaubergarten, Zuckermund, Stollen, Tal der Lust, Tiefsee, Rose,
Schacht, Scham, Schatulle, Schatzkammer, Schatzkästchen, Schloss, Schnecke,
Seeanemone, Seidenscheide, Sie, Tal der Lust, Paradies, Perle, Pussi, Pussy,
Pussymuschi, Pfirsich, Putzi, Lustpflaume, Lustschloss, Lusttempel ,Magische
Pforte, Mandel, Mäuschen ,Meer, Mimi, Blümchen, Blume, Blüte, Brunnen,
Dornröschen, duftender Garten, erste Quelle des Lebens, Feige, feuchte Höhle,
Feuchtgebiet, Freudenschale, Freudental, Freudenteich, Glockenspiel , Goldene
Rinne, Goldgrube, Goldmine, Gralskelch, Himmlische Fuge, Höhle, Honigblüte,
Honigkuchen, Honigtöpfchen, Hungriger Mund, Jadekästchen, Juwelenpforte,
Kammer, Kapelle, Katze, Kelch, Liebesacker, Liebesblüte, Liebesbrunnen,
Liebesgarten, Liebesgrotte, Liebeskelch, Liebesmuschel, Liebesquell, Lotusblume,
Lotusknospe,
Lustacker,
Lustbecken,
Lusteingang,
Lustfeuer,
Lustgarten,
Lustgrotte, Lustmund, Lustmuschel
Der gute Ort
Der/die KlientIn imaginiert einen Ort, an dem er/sie sich sicher, geborgen und
entspannt fühlt. Der Ort kann aus Teilen realer Landschaften und/oder frei kreiert
sein. Der/ die TherapeutIn fragt alle Sinne ab: „Was sehen Sie? Welches Licht ist
dort? Wie ist es? Kann er/sie ein Lüftchen auf der Haut spüren? Was hört er/sie?
Was schmeckt er/sie? Welche Begrenzung hat der Ort? Ein Gebirge? Oder ist er
auf einem anderen Planeten? Die Imagination dauert ca. 5 Min. Dann wird der Ort
im Praxisraum mit IOs aufgebaut und im Rollenwechsel durchgespielt.
49
Helfer
Zunächst wird exploriert, welche Ressource für das bestehende Problem hilfreich
wäre, z.B. Abgrenzung, Leichtigkeit, etc. Dann wird ein Helferteam in der Fantasie
herbeigeholt, gerne auch mit dazugehörigen Szenen. HelferIn I: Das jüngere Ich
der/s KlientIn, das diese Kompetenz schon einmal hatte. HelferIn II Eine/n
Bekannte/n, der/die diese Kompetenz besonders verkörpert. HelferIn III: Eine
Person aus dem öffentlichen Leben oder eine Figur aus einem Film, Roman etc.,
der/ die diese Eigenschaft besonders besitzt. HelferIn IV: Welches Tier verkörpert
diese Eigenschaft? HelferIn V: Der/die KlientIn selbst in einem späteren Alter und
zu einem Zeitpunkt, wo er/ sie diese Eigenschaft selbstverständlich besitzt. Im
Anschluss wählt der/ die KlientIn Figuren für die HelferInnen aus und platziert sie
stimmig um einen Stuhl. Dann geht er/ sie in jede Rolle und entwickelt einen Satz/
Botschaft an den/ die KlietIn. Zuletzt setzt sich der/die KlientIn auf den Stuhl,
der/die TherapeutIn nimmt alle Rollen ein und wiederholt die Sätze. Die
HelferInnen können in vielen Sitzungen auftauchen.
4. Literaturverzeichnis
Die Bücher, die sich gut für KlientInnen eignen, sind mit (K) gekennzeichnet
Ameln, Falko von/ Gerstmann Ruth/ Kramer, Josef, (2004), Psychodrama,
Berlin Heidelberg, Springer Verlag
Amherd, Claudia (2011, 3), Wenn die Liebe schmerzt, Norderstedt, Books on
Demand GmbH (K)
Bauer, Wolfgang, (2008, 13), Das Gedächtnis des Körpers, München, Piper
Verlag GmbH
Butz, Katharina, Icheln, Detlev, (2001), Penis pur, Reinbek bei HH, Rowohlt
Taschenbuch Verlag GmbH (K)
Grand, David, (2014), Brainspotting, Freiburg, VAK Verlags GmbH
Gottman, John (2014), Die Vermessung der Liebe, Stuttgart, J.G. Cotta‘sche
Buchhandlung Nachfolger GmbH (K)
Hauch, Margaret (Hg.) (2006), Paartherapie bei sexuellen Störungen, Das
Hamburger Modell: Konzept und Technik, Stuttgart, Georg Thieme Verlag
Henning,
Ann-Marlene,
Keiser,
Anika
von,
Make
more
Love,
Ein
Aufklärungsbuch für Erwachsene, Berlin, Rogner und Bernhard GmbH (K)
50
Hofer, Wolfgang (1996), Möglichkeiten und Anwendung psychodramatischer
Techniken in der Behandlung sexueller Störungen im Monodrama Setting, in:
Erlacher-Farkas, Barbara, Jorda Christian (Hg.): Monodrama, Heilende
Begegnung.Vom Psychodrama zur Einzeltherapie. Wien/ New York, Springer,
S. 223 -236
Hofer, Wolfgang, (2013), Psychodrama-Sexualtherapie im ambulanten Setting,
Masterthese, Donau-Universität Krems
Hofer, Hannah, Hofer-Hartnig, Manuela, Hofer Wolfgang, (n.n.), Sex ist nicht
gleich Sex: Genderspezifika in der Sexualität und Sexualtherapie, Zeitschrift für
Psychodrama und Soziometrie, Springer VS
Huber, Michaela, (2010), Der innere Garten, Ein achtsamer Weg zur
persönlichen Veränderung, Paderborn, Junfermann Verlag, mit CD (K)
Johnson, Sue, (2014), Liebe macht Sinn, München, Random House GmbH (K)
McCarthy, Barry und Emily, (2013), Das Verlangen entfachen, Hilfe für Paare,
die wenig oder keinen Sex haben, Bern, Verlag Hans Huber, Hogrefe AG
Moeller, Michael Lukas, (2004, 21), Die Wahrheit beginnt zu zweit, Das Paar
im Gespräch, Hamburg, Rowohlt Verlag
Reddemann, Luise, (2001), Imagination als heilsame Kraft, Stuttgart, J.G.
Cotta‘sche Buchhandlung Nachfolger GmbH (K)
Schacht,
Michael,
(2003),
Persönlichkeitsentwicklung
aus
Spontaneität
der
Sicht
des
und
Begegnung,
Psychodramas,
Zur
München,
inScenario Verlag
Sigusch, Volkmar, (Hrsg.) (2001,3): Sexuelle Störungen und Ihre Behandlung,
Stuttgart, Thieme Verlag
Schnarch, David, (2001), Intimität und Verlangen, Stuttgart, Klett-Cotta
Stelzig, Manfred, (2009, 2): Was die Seele glücklich macht, Das Einmaleins der
Psychosomatik, Salzburg, Ecowin Verlag GmbH (K)
Seng, Leonie, (2012): Erinnern mit Gefühl, in: www.dasgehirn.info, Der Kosmos
im Kopf.
Westheimer, Ruth, (2010), Silver Sex, Hannover, humboldt (K)
Yaffe, Maurice/ Fenwick, Elizabeth, (1995,5) Happy Sex für sie, München,
Heyne (K)
Yaffe, Maurice/ Fenwick, Elizabeth, (2003, 8) Happy Sex für ihn, München,
Heyne (K)
51
5. Dank
Danke meinem geliebten Mann, meiner Familie und meinen FreundInnen, danke
meiner Mama, danke Wolfgang, Manuela und Hannah Hofer und unseren
SexfreundInnen, danke Roswitha Riepl, danke Stefan Woinoff und meine anderen
Münchner Lehrern und KollegInnen und danke all den LehrerInnen des ÖAGG auf
diesem langen Weg und danke meinen KlientInnen!
Danke von Herzen Euch allen für die Liebe, die Unterstützung, das Vertrauen, das
Wissen, die Zeit!
oh love
i will be
thine
and you
will be mine
when the
mouths
readily
agree
on a
joyfull kiss
Jan Decorte
52

Documentos relacionados