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Masterthesis
Master of Arts in Fine Arts
Major Art in Public Spheres
Hochschule Luzern – Design und Kunst
Studienjahr 2013/14
Sabina Speich
Essay, Artistbook, Tagebuch
Winterthur Ende April 2014
crochetpower.net / Freitagstexte
MentorIn: Sabine Gebhardt Fink
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Das Inhaltsverzeichnis ist nicht in einem konventionellen Sinne
gestaltet, da es sich bei der vorliegenden Masterthesis um ein Artistbook handelt. Einige der Freitagstexte sind nicht unbedingt bestimmten Themen zuzuordnen – andere jedoch sehr wohl. So werde ich hier die spezifischen Themen zugeordneten mit Seitenzahlen
versehen und nachfolgend auflisten:
.
- Kontextualisierung in der Kunst
Seiten 15 bis 20 und Seite 93
- Kontextualisierung in der Ergotherapie der Psychiatrie
Seiten 39 bis 40
- E-Mail Interviews
Seiten 46 bis 71
- Kontextualisierung in der Vermittlung
Seiten 37 bis 38
- Die Crip-Bewegung
Seiten 89 bis 92
- Häkeln in Gruppen im Nicht-Psychiatrie-Umfeld
Seite 94
- Genderstudies
Seiten 77 bis 79
Einleitung
Einleitung
Meine schriftlichen Mastersthesis ist ein Artistbook in Form eines
Tagebuchs. Das Textformat meiner Studie ist das Essay, welches
die Produktion der künstlerischen Arbeit begleitet und deren zentrale Themenfelder analysiert. Es werden unter anderem folgende
Themen behandelt; und zwar in der Chronologie der von mir recherchierten Themenfelder:
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
.
Häkeln in der Vermittlung,
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie,
die Cripbewegung und
Häkeln in Gruppen im Nicht-Psychiatrie-Umfeld.
Es sollen Analogien zwischen Netzwerkbildung, Handlungspraxis und Textproduktion sichtbar werden. Die Beobachtung und Beschreibung meiner eigenen Tätigkeit und die Kulturanalyse in der
Praxis des Häkelns werden so ebenfalls deutlich. Beim Zitieren
habe ich bewusst die Darstellungsweise des Textsamplings als Stilmittel gewählt – also die Form des direkten Zitats.
Die der Arbeit zugrundeliegende Hypothese
Die Handarbeitstechnik Häkeln wurde früher als Mittel der Disziplinierung und Konditionierung auf handwerkliche Tätigkeiten verwendet. In der Gegenwartskunst spielt Häkeln, da es seine didaktische
Bedeutung weitgehend verloren hat, als aktivistische Strategie eine
grosse Rolle – nach dem Prinzip „Umwertung der Werte“. Ich behaupte, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung auf das gesamte
menschliche System hat.
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Einleitung
Einleitung
Meine Themenfelder
Das praktische Projekt
Ich gehe von Selbstbeobachtungen aus und beleuchte was mich
dazu bewogen hat, Häkeln als Stress abbauende, relaxierende Tätigkeit einzusetzen. Ich nehme Bezug auf meine Handycaps, der
frühkindlichen Traumatisierung und der daraus entstandenen, Kettenreaktion aus Symptomen der Depression, den Panikzuständen,
der Agoraphobie und den daraus resultierenden – teils schweren
und invalidisierenden – somatischen Auswirkungen. Während meines dreimonatigen Klinikaufenthaltes wegen einer Erschöpfungsdepression (Burnout) im Frühjahr 2013 entstand dann die Idee einer
Hilfe/Selbsthilfe Internetplattform als künstlerische Abschlussarbeit;
die Idee von einem Netzwerk, Auffangnetz, das farbig, froh, lebensbejahend und zusammenführend sein soll. Es ist ein Netzwerk wo
man sich austauschen kann, das viele reale Häkelgruppen entstehen lässt und aus dem immer wieder ein künstlerisches Projekt im
öffentlichen Raum hervorkommen kann, welches aus vielen gehäkelten Einzelteilen zusammen getragen und schliesslich zu einem
grossen Ganzen zusammengehäkelt wird – von verschiedenen
Menschen global und international. Daraus entstand mein soziales
künstlerisches Langzeitprojekt.
Das partizipativ soziale, künstlerische Langzeitprojekt ist eine Hilfe/Selbsthilfe Internetplattform, für Burnoutpatienten, für Burnoutgefährdete, für Depressive, für Agoraphobiker und Panikerkrankte und
natürlich auch für sogenannt „normale“ Menschen; ein Netzwerk
und Auffangnetz, an dem man aktiv teilhaben und sich austauschen
kann.
Meine praktische und theoretische Arbeit, welche sehr eng miteinander „verhäkelt“ sind, ist ein künstlerisches Projekt mit soziologischen Aspekten, bei dem es um Ermächtigungsstrategien geht,
um aus einer Ohnmachtsituation Selbstkompetenz zu erlangen. Es
werden gesellschaftliche Ausschlüsse adressiert und thematisiert,
dabei wird auch die Cripbewegung kurz analysiert. Für mich ist die
Cripbewegung ein manifestierter Gegenpol zum Opferstatus. Ich
verdeutliche, dass ich die Arbeit aus eigener Betroffenheit heraus
konzipiert und realisiert habe; was die Rezipienten ermutigen soll,
zu aktiven Partizipienten zu werden.
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Die Grundidee ist, dass Häkeln Stress abbauen soll. Der Aspekt
der Gruppenarbeit soll dem Erkrankten das Gefühl der Isolation und
der Sinnlosigkeit erleichtern und lindern.
Aufgrund der Internetplattform erhoffe ich mir, dass diverse reale
Häkelgruppen entstehen werden, bei denen sich Menschen austauschen können. Aus dem Netzwerk sollen künftig immer wieder
künstlerische Häkel-Projekte im öffentlichen Raum hervorgehen,
welche verschiedene Menschen global und international verbinden.
Die Kontextualisierung
Die Kontextualisierungen wurden im künstlerischen Bereich, im
Umfeld der Ergotherapie und im Gebiet der Geschichte der Psychiatrie, der Pädagogik/Vermittlung, der Criptheorien und in den
Genderstudys gesucht. Ich gehe von Fragen aus wie: wann taucht
Häkeln in der Ergotherapie der Psychiatrie auf? Wie und was transformierte sich im Laufe der Zeit? So kann ich zum Teil auch den Weg
von der Disziplinierung bis zum Aktivismus nachzeichnen.
Es findet weiter eine Auseinandersetzung mit der Funktion des
Häkelns in der Psychiatrie und der aktivistischen Kunstszene sowie
im eigenen Alltagsverhalten statt.
7
Freitag 8. November 2013
Freitag den 8. November 2013
:
Sich aus dem Gedankenkarussell heraushakeln
Rückblendung in meinen Gefühls- und Gedankenfilm ins Frühjahr
dieses Jahres.
.
März 2013: ich war gesundheitlich und psychisch am tiefsten
Nullpunkt meines Lebens angelangt. Auf Anraten meiner
Therapeutin trat ich zur Erholung und Rehabilitation in die
offene psychiatrische Privatklinik in Aadorf ein. Zum Glück hatte diese Klinik so gar nichts mit meiner schrecklichen Vision einer psychiatrischen Klinik zu tun, es war eine Wohlfühloase.
Es wurde ein auf jeden einzelnen Patienten individuell zugeschnittenes Therapieprogramm erstellt vom einfühlsamen Personal. Trotzdem sträubte ich mich anfänglich mit Händen und Füssen gegen
das eine oder andere Ding, so zum Beispiel die Ergotherapie.
Ich dachte inbrünstig, elitär und ziemlich überheblich in dem Moment. NEIN, ich bin doch eine etablierte Künstlerin (zumindest im
kleinen lokalen Rahmen), was soll ich mich hier mit so langweiligem
Zeug herumschlagen, das ist doch total ätzend.
Als ich dann aber das Textilatelier der Klinik betrat und die vielen
farbigen Wollknäuel in diversen Qualitäten, wie zum Beispiel
Bambus, Seide, Leinen, Viskose und so weiter erblickte, nahm
es mir „den Ärmel rein“. Ich sah all die eifrig häkelnden, strickenden,
nähenden und webenden Frauen (und einen Mann, der sich dann
nach ca. einer Stunde abmeldete mit den Worten, er wolle etwas
Männlicheres machen), welche sich zum Teil angeregt unterhielten,
oder einfach nur entspannt und konzentriert arbeiteten.
Spontan dachte ich, ich würde gerne Häkeln lernen, das könnte ich
sicher als Werkzeug gut gebrauchen für meine Kunst, in der ich mich
schon seit längerer Zeit unter anderem im textilen Bereich bewege.
Ebenso impulsiv und zeitgleich überkam mich eine Panikattacke,
mit den inneren Bildern meiner Nähschulzeit als Kind. Ich war sehr
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Freitag 8. November 2013
Freitag 8. November 2013
langsam, schüchtern und introvertiert und wurde wegen meinen Unzulänglichkeiten andauernd blossgestellt und ausgelacht und war
dadurch in einer permanenten „Schockstarre“, dass ich unfähig war
etwas zu lernen, was die Handarbeitslehrerinnen nicht im geringsten interessierte und mich ebenfalls mobbenderweise links liegen
liessen.
Jedoch diese ältere warmherzige Ergotherapeutin zerstach kopfschüttelnd meine Angstblase (in meiner Imagination mit einer
gelblichen Bambustricknadel) und ermutigte mich, mir gleich etwas
resolut ein Häkchen und Garn in die Hand drückend, mit den
Worten, Frau Speich sie werden das lernen und ein schönes
Projekt machen, ich traue ihnen das absolut zu.
Das tönt alles sehr banal, für mich mit quasi null Selbstbewusstsein ist das aber keine Selbstverständlichkeit.
Wie sich im Laufe des Klinikaufenthaltes herausstellte, leide ich
unter Traumatisierungen und der daraus entstandenen, Kettenreaktion aus Symptomen der Depression, den Panikzuständen, der
Agoraphobie und den daraus resultierenden teils schweren und invalidisierenden somatischen Auswirkungen, welche mich schon ein
Leben lang begleiten, die Gründe dafür aber erst jetzt ins Bewusstsein treten und geheilt werden können. Hoffentlich werde ich irgendwann auch ein gesundes Selbstbewusstsein erlangen.
Einen Teilerfolg was das Erlangen eines guten Selbstbewusstseins betrifft, hatte ich während meines Klinikaufenthaltes. Mein Häkelprojekt war es, mir ein kompliziertes Jäckchen anzufertigen, was
mir total wider Erwarten gelang und am Schluss von allen MitpatientInnen und sämtlichem Personal der Abteilung gross gefeiert wurde,
als hätte ich den Ironman Marathon gewonnen. Das tönt wiederum
alles etwas lächerlich und sehr banal, ist es aber nicht, das wird mir
immer klarer je mehr ich über das Phänomen Trauma herausfinde.
Als ich dann schliesslich diese Versagensangst bezüglich des
Häkelns hinter mir lassen konnte, bemerkte ich, dass mich
diese etwas monotone Tätigkeit total beruhigte. Eines der Symptome meiner Erschöpfungsdepression war eine extreme innere
Unruhe, welche sich in Form von sich im Kopf drehenden quälenden Gedanken manifestierte und aber auch auf körperlicher Ebene
zeigte in Form eines Bewegungsdranges. Das alles liess sich für
mich enorm herunterfahren mit der simplen Tätigkeit des Häkelns.
Es fühlte sich an, als ob ich dieses Gedankenkarussell aus meinem
Kopf heraushäkeln würde und dabei entstand im Kopf inneren Ruhe
und in meinen Händen ein ansehnliches Werk.
In unserer Abteilung, welche ein Einfamilienhaus mit ca. zehn
PatientInnen war, traf man sich abends oft im Wohnzimmer. Unter uns Frauen entwickelte sich ein regelrechter Häkelboom. Es
wurden Häkelmuster, -können und Häkelweisheiten ausgetauscht.
Oft vergassen wir während den langen anregenden und gleichzeitig
relaxierenden Häkelsessions auf den gemütlichen Sofas unsere Probleme kurzfristig und genossen unser geselliges Beisammensein.
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Abb. 1
Freitag 8. November 2013
Freitag 8. November 2013
Bald trafen wir uns auch tagsüber zum Häkeln, während den Therapiepausen.
Ich erkannte, dass das für mich persönlich und offensichtlich auch
für die anderen ein Schlüsselerlebnis war. Einerseits der soziale
Kontakt und Austausch.
(Eines meiner Burnout und Depression Symptome war der soziale
Totalrückzug. Ich bemerkte, dass mir der Austausch und der soziale
Kontakt in dem Moment mit Menschen die sich so quasi im selben
Boot befanden, sehr viel leichter fiel.)
Dann auf der anderen Seite dieses Sinnbildliche heraushäkeln der
üblen Gedanken, was sich in meinen Händen zu etwas Schönem
transformierte.
Zu dem Zeitpunkt entstand meine Idee für die praktische
künstlerische Master-Thesis Arbeit. Ich wollte eine Internetplattform ins Leben rufen, die Netzwerk, Auffangnetz, Hilfe, Selbsthilfe, farbig, froh, lebensbejahend und zusammenführend sein soll.
Ein Netzwerk wo man sich austauschen kann, das viele reale Häkelgruppen entstehen lässt und aus dem immer wieder
ein künstlerisches Projekt im öffentlichen Raum hervorkommt,
welches aus vielen gehäkelten Einzelteilen zusammen getragen wird und zu einem grossen Ganzen zusammengehäkelt
wird, von verschiedenen Menschen global und international.
(Oh ja, ich bin in meinem Herzen ein einfach und handgestrickter Flowerpowerhippie, mit dem immer währenden Wunsch nach,
Peace, Love and Happyness und Zusammengehörigkeit)
Ich habe seit der
Aufnahme im Mai 2013
dieser Fotografie, durch
Psychopharmaka 18 Kilo
zugenommen, die Einnahme
von Psychopharmaka ist
unter anderem Auflage
der schweizerischen
Invalidenversicherung,
trotzdem wurde mir
die Rente gestrichen.
Abb. 2
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Freitag 15. November 2013
Freitag den 15. November 2013
:
:
Hakelobjekte und Hakelstrategien
Zur Zeit befasse ich mich mit der künstlerischen Kontextualisierung meiner Arbeit, genauer gesagt, suche ich nach ebenfalls häkelnden KünstlerInnen, oder künstlerischen Projekten, die Gehäkeltes zum Thema machen.
.
Olek
Vor ca. zwei Jahren ist mir im Internet die Yarnbombing Aktivistin „Olek“ aufgefallen. 1Agata Oleksiak (so ihr bürgerlicher
Name) ist 1978 in Polen geboren. Nach Abschluss des Bachelor Studiums in Kulturstudien an der Universität in Poznan in Polen, wanderte sie nach New York City in die USA aus.
Seit dem stellte sie weltweit in Galerien, Museen und im öffentlichen
Raum aus. Sie erhielt fünf Kunstpreise und ebenso fünf Artist in residence Awards. Diverse Publikationen über sie wurden realisiert.
Mit der von ihr eingehäkelten Stierstatue an der Wallstreet, hatte sie damals meine Aufmerksamkeit erheischt und mich neugierig
gemacht. 2 „The 7,100lb, 11ft tall bronze which stands prominently
in Manhattan‘s financial district, was covered head to tail in brightly
crocheted wool by Olek, who takes weeks creating her perfectly proportioned pieces.The guerilla work, which had no planning permission, was sadly torn apart by officials the morning after it was put up.“
„Olek has said of her art: „I am crocheting, making the sculpture
for my body, in which my body becomes the ready-made.“
1 Olek, Biografie, http://oleknyc.com/resources/images/about/Olek_CVbio.pdf
online 13. 11. 2013
2 Olek, Streetart, eingehäkelte Stierstatue an der Wallstreet in New York City USA,
http://blogs.mirror.co.uk/the-ticket/2010/12/olek-crochets-cover-for-wall-s.html
online 14. 11. 2013
15
Freitag 15. November 2013
Freitag 15. November 2013
Immer wieder tauchen überall Fotos von ihren bunten Werken
auf, so als Exempel auf Socialmedia Plattformen auf denen ich
mich täglich bewege, wie zum Beispiel Facebook und Twitter, oder
Instagram. Selbstverständlich folge ich ihr in sämtlichen diesen
Netzwerken, in Sozialmedia Groupie-Stalker Manier.
Ich glaube es gibt nichts, was diese Frau noch nicht komplett und
vollkommen eingehäkelt hätte, sogar ganze Menschen werden auf
beeindruckende weise, wie ich persönlich finde, von ihr umgarnt
und von Kopf bis Fuss total zugehäkelt.
Das häkeln ist Oleks Obsession, ein Hobby welches total ausser
Kontrolle geriet. „Ihr Ziel: Alltagsobjekte umdeuten, Passanten und
Eingeweihte mit Energie, Farbe und Überraschung konfrontieren.“
3
Die Farbpalette ihrer Garne erinnert an meinen eigenen unverkennbaren Farbgeschmack, welcher oft auf zwiespältige Gefühle
der Mitmenschen stösst. Diese kreischenden Disharmonien sind
nicht Jederfraus/manns Sache.
:
Das Hakelobjekt
Vor einigen Monaten bin ich im Rahmen meiner Recherchen, beim
durchstöbern meines Buches „craftista! handarbeit als aktivismus“
auf das „Häkelobjekt“ gestossen. Das ist ein künstlerisches Langzeitprojekt der beiden Schweizer Künstlerinnen, Regula Michell und
Meret Wandeler, (beide aus den Bereichen Performance und Fotografie kommend) welches 2004 startete und 2014 enden wird. Gehäkelt wird in der „Freestye Technik“ wie sie es zu nennen pflegen.
Die beiden 4 „häkeln während zehn Jahren einmal pro Monat zu
zweit oder gemeinsam mit Gästen am Häkelobjekt. Das Objekt wird
3 Olek, http://www.arte.tv/de/6429692.html online 14. 11. 2013
4 Das Häkelobjekt, das Projekt, http://www.haekelobjekt.ch/projekt.html online 16.
09.2013
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aus rosa Acrylwolle hergestellt. Gehäkelt wird jeden Monat an einem
anderen Ort im öffentlichen oder privaten Raum. Alle TeilnehmerInnen einer Häkelaktion häkeln am gleichen Stück. Weiter werden
keine formalen oder technischen Vorgaben gemacht (sog. Freestylehäkeln). Auf Anfrage können die Künstlerinnen von Institutionen, Firmen oder Privatpersonen für Aktionen engagiert werden. Bei
grosser Nachfrage finden in einem Monat mehrere Aktionen statt.“
Das Künstlerinnen Duo interessiert unter anderem das gestalterische Potential der Technik häkeln. „Eigentlich hat man immer nur eine
Masche, und trotzdem kann man eine Vielfalt an Formen produzieren.“
Regula Michell und Meret Wandeler interessiert dabei das Häkeln
ohne Vorgaben. Normalerweise gibt es strenge Vorlagen, Muster
und Abläufe und es gibt Regeln wie gehäkelt werden muss. Die
beiden häkeln einfach frisch fröhlich drauflos und schauen was
passiert und brechen dabei aus diesem Regelmuster aus.
5
In meinem Projekt geht es mir auch nicht um sogenannt schönes,
oder perfektes Häkeln, es darf durchaus etwas „Freestyle“ sein,
wobei in meinem Fall das Muster der traditionellen „Grannysquares“
und der Häkelblumen dann doch nicht ganz aus den Augen verloren
gehen sollte, da ich dabei auch an traditionelle Themen anlehnen
und vergleiche ziehen möchte.
An dem Häkelobjekt der beiden, wird immer gleichzeitig gearbeitet, das heisst, mehrere Personen häkeln zusammen zur selben Zeit
am selben Ort am Objekt. Bei meinem Gemeinschaftsprojekt wird
dann nicht gemeinsam zur selben Zeit an einem Stück gehäkelt,
wohl aber durchaus zur selben Zeit und zusammen im selben Raum
am selben Ort (teilweise zumindest). Mein Objekt, ich nenne es
Spinnennetz, wird in Einzelteilen gefertigt und am Schluss zu einem
ganzen zusammengefügt, was ich mir dann durchaus wiederum als
performative Gruppenaktion im öffentlichen Raum vorstellen kann,
soweit bin ich aber mit der Planung noch nicht fortgeschritten um
5 Elisabet Freiss, Elke Gaugele, Elke Zobel, Sonja Eismann und Verena Kuhn, critical crafting circle (hg.), craftista! Handarbeit als Aktivismus, Mainz, 2011. S. 129
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Freitag 15. November 2013
Freitag 15. November 2013
das definitiv zu bestimmen. Ich könnte es mir aber als interessante
performative Intervention vorstellen.
Das Häkelobjekt von Wandeler und Michell ist in der Farbe Rosa
gehalten. Rosa sei zum Teil eine typische Häkelfarbe, wirke niedlich
und harmlos, kippe aber ab einer gewissen Grösse ins üppige, ins
zu viel, ins amorphe fleischige über, so die Aussage der beiden.
6
:
Das Hyperbolische Hakel Korallen Riff
„ „The Hyperbolic Crochet Coral Reef“, ins Leben gerufen von
den australischen Zwillingsschwestern Christine und Margaret
Wertheim. Die Fäden ziehen sich dabei durch ganz Europa, mit
Wolle aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden, aber
auch aus der Schweiz, Österreich und Luxemburg. Die Idee stammt
ursprünglich aus den USA, wo eine Mathematikerin den geometrischen Begriff ‘hyperbolische Räume’ mit Hilfe von gehäkelten Korallen besser erklären und verbildlichen konnte. Einige Jahre später
griffen die Schwestern Margaret und Christine Wertheim diese Idee
auf und haben inzwischen 15 Korallenriffe in den USA, Australien
und Europa initiiert. So auch jetzt für die Insel Föhr! Mit Ihrer Aktion möchten sie nicht nur die Mathematik fassbar machen, sondern
auch die Kunst des Häkelns, die Natur und das Ökosystem verknüpfen.“
7
Ich habe sogar eine Webseite gefunden mit Anleitungen zum Hyperbolischen häkeln, 9 „EINFÜHRUNG IN DAS HYPERBOLISCHE
HÄKELN Um eine hyperbolische Struktur zu häkeln, werden in jeder Reihe die Anzahl der Maschen in bestimmten Intervallen verdoppelt. Je öfter die Maschenanzahl verdoppelt wird, desto schneller kräuselt sich das Modell.“ Das
werde ich bei Gelegenheit einmal ausprobieren und nachhäkeln.
Ein sehr schönes Projekt nach meinem Empfinden, das lässt
zumindest mein Weltverbesserinnenherz etwas höher schlagen
und meine Buntfarbobsession wird befriedigt. Inhaltlich eine doch
sehr vielschichtige Geschichte, welche sogar komplexe Mathematik mittels einfachster Häkel Handarbeitstechnik sichtbar macht.
Die beiden Urheberinnen dieses bunten Kunstprojektes, die
Schwestern Margaret und Christine Wertheim, die eine Physikerin,
die andere Künstlerin, haben hunderte von MithäklerInnen für ihr
Projekt mobilisieren können, tausende von Arbeitsstunden und
mehr als 400 Kilogramm Garn wurde verhäkelt, alleine für das Projekt auf der Insel Föhr.
Die Schwestern ordnen ihr Projekt selber zwischen Mathematik,
Wissenschaft, Meeresbiologie, Frauenhandarbeit, Kunst und Aktivismus ein. So erzählt das Margaret Wertheim im Video (siehe Link
unter Fussnote Nr. 10), sie ist die Physikerin, Christine ihre Zwillingsschwester ist die Künstlerin und Kunstprofessorin. Das Projekt
weitet sich immer weiter aus, es erstreckt sich Mittlerweilen über drei
Kontinente und diverse Länder. Die Korallen Riff Installationen werden immer neu konzipiert und neu gehäkelt, für jedes Museum oder
Ausstellungslokalität. Zu 99% sind es Frauen welche die Kunst des
Hyperbolischen Häkelns ausführen. Die Häklerinnen werden jedes
mal vor Ort gefunden und Instruiert. Es handelt sich dabei um lokale
Häkelgruppen, oder Häkelkaffees. Mittlerweilen sind tausende von
Menschen in das Projekt weltweit involviert und hunderte haben dabei mitgehäkelt. Zehntausende von Stunden wurde dafür gehäkelt.
Das Projekt wurde 2005 gestartet, weil in diesem Jahr in der Wissenschaftspresse viel über die globale Erwärmung geschrieben
wurde und die Auswirkungen auf die sehr empfindlichen Korallen
Riffe.
6 Elisabet Freiss, Elke Gaugele, Elke Zobel, Sonja Eismann und Verena Kuhn, critical crafting circle (hg.), craftista! Handarbeit als Aktivismus, Mainz, 2011. S. 129
7 The Hyperbolic Crochet Coral Reef http://h0rusfalke.wordpress.com/2013/03/21/
uber-kunst-fur-bedrohte-schonheit-in-meeren-sensibilisieren/ online 8. 11. 2013
8 The Hyperbolic Crochet Coral Reef http://www.abendblatt.de/kultur-live/article2315392/Komm-wir-haekeln-uns-ein-Korallenriff.html online 14. 11. 2013
9 Anleitung zum Hyperbolischen häkeln http://www.mkdw.de/uploads/media/Haekelanleitung_Korallen.pdf online 15. 11. 2013
10 Margaret Wertheim http://www.ted.com/talks/lang/de/margaret_wertheim_crochets_the_coral_reef.html?utm_medium=on.ted.com-twitter&awesm=on.ted.
com_erMP&utm_campaign=&utm_content=addthis-custom&source=twitter&utm_
source=facebook.com#.UoXIyeCLNyp.twitter online 15. 11. 2013
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Freitag 15. November 2013
Ob es denn nun auch etwas bewirkt, im Naturschutzbereich, wie
es wohl die zwei Initiantinnen beabsichtigt haben, und tatsächlich
aufrüttelt und die Menschheit dazu auffordert wirklich achtsamer mit
der Umwelt und der Natur umzugehen sei dahingestellt, wohl eher
nicht, oder es spricht eh wieder diejenigen an, welche sowieso sorgfältig mit der Umwelt umgehen. Rein Formal ist es einfach nur bunt
und hübsch anzusehen, was zwar unprätentiös und simpel ist, mich
aber durchaus anspricht und abholt, da mir das einfach gestrickte
oft ( zwar durchaus nicht immer) näher steht, als das komplizierte
und komplexe.
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Abb. 3
Abb. 4
Freitag 29. November 2013
Freitag den 29. November 2013
.
Noch immer bin ich ohne Computer und dafür um eine qualvolle
und äusserst peinigende Erfahrung reicher. Heute lag ein Vorbescheid von der Invalidenrente im Briefkasten, mein Antrag meine
50% Rente (welche im Jahr 2010 von 100% im Rahmen der von der
SVP iniziierten 5. IV Revision auf 50% gekürzt wurde) wieder auf
100% zu erhöhen, wurde abgelehnt mit der Begründung, ich könne
ja schliesslich auch ein Masterstudium absolvieren. Was ich zur Zeit
von Zuhause aus mache, Seminare und Mentoratsgespräche, findet
ausschliesslich per Skype statt.
Das gesamte Kunststudium
habe ich im Jahre 1999 in Luzern begonnen, damals wohlbemerkt, als Umschulung von
der Invalidenrente bezahlt. Da
ich aber bald aussetzen musste
aus gesundheitlichen Gründen,
wurde die Umschulung sistiert
und mir wurde eine 100% Rente zugesprochen. Seit dem Jahr
1999 versuche ich, immer wieder im Studium Fuss zu fassen,
Abb. 5
was mir mit etlichen krankheitsbedingten Unterbrüchen immer
wieder für kurze Zeit gelang.
2010 hab ich es dann endlich
geschafft mit dem Bachelordiplom abzuschliessen. Seit dem das
Selbe in Grün mit dem Masterstudium.
Zur Zeit ist es mir wegen meiner Agoraphobie unmöglich, zu reisen
oder mich in Menschenmengen zu begeben. Deswegen wurde es
mir freundlicherweise vom Leitungsteam des Masterkunststudienganges erlaubt, den Abschluss nun in diesem Format zu beenden.
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Freitag 29. November 2013
Freitag 6. Dezember 2013
Diese Peinigungen seitens der IV sind natürlich kontraproduktiv
und werfen mich gesundheitlich immer wieder zurück. Es fällt mir
äusserst schwer, mich nur auf irgendetwas zu konzentrieren. Was
ausserdem natürlich auch noch des Weiteren der Depressionserkrankung zuzuschreiben ist, welche laut IV inexistent sein soll.
Des Weiteren begründet die IV, da ich es vorziehe einfach nur
Kunst zu machen, statt einer anständigen Tätigkeit nachzugehen,
dass sie mir nun die ganze Rente auf 0% streichen!!! Ich sei mit sofortiger Wirkung wieder zu 100% arbeitsfähig! (Wie schon erwähnt:
1999 begann ich das Kunststudium als von der IV bezahlte Umschulung, sehr, sehr, SEHR ironisch das Ganze!!!)
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Freitag den 6. Dezember 2013
Das erste öffentliche Event von crochetpower.net soll im Juni 2014
in Luzern stattfinden. Alle am Netzwerk aktiv beteiligten Personen
und Gruppen sind aufgerufen, ihre persönlichen Häkelblumen zu
einem grossen Häkelblumennetz beizusteuern. Dieses kann auf der
Webseite angesehen werden. Das Häkelblumennetz soll dann im
Sommer in einer öffentlichen Aktion aus allen eingeschickten Häkelblumen real zusammengenäht werden.
Häkelblumen liegt im Prinzip das sogenannte Grannysquare zugrunde - das behaupte ich jetzt einfach einmal so. Es existieren viele vom Granny Square abgeleitete Häkelmuster, welche wie Blumen
aussehen.
Ich denke gerade intensiv über das Sprichwort nach: „Ehrlichkeit
währt am längsten“
Auf der anderen Seite höre ich dann, dass es tatsächlich IV Betrüger gibt, meine Güte was überlegen sich solche Leute eigentlich,
wegen solchen Menschen (die Betitelung welche ich mir für diese
gerade erdacht habe schreibe ich hier lieber nicht nieder...) müssen
Menschen wie ich die ein Leben lang gelitten haben den Kopf hinhalten und als unglaubwürdig und als Simulanten hingestellt beim Sozialamt betteln? Ich wünsche nicht mal meinen ärgsten Widersachern
mein Leben und meine psychischen und körperlichen Schmerzen.
(Ich bin 48 Jahre alt!) Empathie, das ist es was ich mir wünsche.
Abb. 6
26
Freitag 6. Dezember 2013
Freitag 6. Dezember 2013
„1897: A pattern called “Patchwork Square” is printed in Weldon’s
Practical Needlework, published by The Weldon Company of London. The description indicates that it is good way to use up scrap
and leftover bits of yarn which can then be sewn together into an
afghan, rug or baby blanket. A look at the picture shows what we
know today as the Traditional Granny Square“
1
Das Buch „victorian crochet by Weldon and Company“ wurde
1974 gedruckt. Es ist eine ungekürzte Neuauflage von Weldons
praktischem Häkeln, aus dem Jahr 1895. Leider ist das Buch kaum
noch aufzutreiben. Wie auf diversen Webseiten beschrieben wird
ist anzunehmen, dass das der Ursprung der gehäkelten Granny
Squares sein muss, was dann wohl so um die Zeit der Achtzenhundertneunziger-Jahre sein müsste. Damals wurde es noch mit dem
Namen Patchwork Squares bezeichnet.
2
„Patchwork ist mehr als 3000 Jahre alt!
Der Ursprung dieser Technik liegt im Orient. Dort wurden Zeltbahnen, Decken und Kleidung durch Zusammensetzen von Stoffteilen
gestaltet, wobei die Muster und Farben damals einen hohen symbolischen Wert hatten. Im 11. Jahrhundert brachten Kreuzfahrer die
Technik mit nach England, wo in dieser Art klerikale Gewänder und
Wandbehänge verziert wurden. Von Europa kam Patchwork mit den
Auswanderern in die USA. Dort vernähten die Siedlerfrauen anfangs aus Mangel an Stoffen jeden Fetzen so lange wieder, bis er
endgültig auseinander fiel. Die Art und Weise des Zusammensetzens der Teile wurde zum Erkennungszeichen in den verschiedenen Regionen entwickelten sich unterschiedliche Muster, über die
es heute zahlreiche Literatur gibt.“
Ruth Tschudi beschreibt in ihrem Buch „Der Reichtum der Frauen“, dass Nomadenfrauen im zentralasiatischen Raum eine Patchworktechnik entwickelten namens Korak. Diese Koraks waren
Symbole der Gemeinschaft, der Freundschaft und der Zusammengehörigkeit.
3
Bei all diesen Techniken wurden Reste verwertet, um Geld zu sparen, das ergab dann diese charakteristischen, bunt zusammengewürfelten Muster und überall lag zugleich der Gemeinschaftsakt im
Vordergrund.
In den Hippie- und Flowerpower-Zeiten kamen alle diese Techniken plötzlich wieder in Mode. Hier auf dieser Webseite sieht man
Bilder von den Beatles in Grannysquare und Stoffpatchworkkleidern: 4 http://vintagevisage.typepad.com/my-blog/granny-squares/
Und ganz aktuell erobern die bunten Retro Granny’s sogar die
Laufstege mit Häkelmode von Designern wie zum Beispiel Henry
Holland und Paul Smith.
Das Quilten und die Patchworkarbeit hatte und hat auch oft noch
heute einen sozialen Aspekt, nämlich den des Beisammenseins und
der Gruppenarbeit.
1 http://crochetnirvana.weebly.com/1/post/2012/08/the-granny-square-projectpart-i.html Online 16. 01. 2014
2 http://www.patchwork.rhoenovations.de/geschichte.html Online 17. 01. 2014
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3 Ruth Tschudy, Der Reichtum der Frauen, Patchworkgeschichen_Geschichtenpatchwork, Deutschland, 2012. S. 7
4 http://vintagevisage.typepad.com/my-blog/granny-squares/
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Freitag 13. Dezember 2013
Freitag den 13. Dezember 2013
.
War ja fast vorprogrammiert, dass ich an einem Freitag den 13.
auf Widerstand stosse. Als Agoraphobikerin ist es schon relativ
schwierig, an Fachbücher zu gelangen. Immer wieder lande ich lediglich im Internet mit meinen Recherchen – leider handelt es sich
bei den dabei gefundenen Texten nicht immer um Fundiertes Wissen, oder man weiss es einfach nicht richtig, ob der Sache zu trauen
ist. Solange ich eine Bibliothek zu Fuss erreichen kann, klappt mein
Vorhaben oft, mir Bücher zu ergattern. Nur hat es natürlich genau
die von mir erwünschten nicht in der Winterthurer Stadtbibliothek.
Die Nebisbibliothek ist selbstverständlich reich bestückt mit guten
Büchern, aber genau über die Geschichte der Handarbeit, (das
Thema bin ich aktuell gerade am Aufarbeiten, zumindest versuche
ich das), sind sie natürlich nicht in der ZHAW Bücherei vorhanden,
sondern nur in fernen Städten. Neulich wurde mir zugetragen, man
könne in der schweizerischen Nationalbibliothek Bücher per Fernleihe ordern, welche einem dann per Packetpost zugesandt werden.
Das fand ich die beste Nachricht seit langem. Tatsächlich fand ich
da Geschichtsbücher über die weibliche Handarbeit bis weit zurück
ins 19. Jahrhundert. Freudig bestellte ich fünf Bücher datiert zwischen den1880-er Jahren und 1980-er Jahren. Freitag der 13. Das
Packet lag im Briefkasten und ich fühlte mich als wäre da ein vorverschobenes Weihnachtspäckchen im Kasten. Aufgeregt öffnete
ich das Ding..... oh..... o.....k......, dachte ich und sah wohl gerade
aus wie eine Tulpe in der Vase der man vergessen hatte Wasser
zu geben. Im Packet waren zwei Bücher und eine Häkelzeitschrift
aus den Neunzehnhundertachziger Jahren. Ansonsten fand ich
noch zwei Zettel vor, welche mich darauf hinwiesen, dass folgende
Bücher nur im Lesesaal einzusehen sind: Ein Buch über schweizerische Frauen-Handarbeit von Konrad Denzler, vom E. Herzog
Verlag aus dem Jahre 1889, und ein Buch aus dem Jahre 1949
vom Lehrmittelverlag des Kantons Zug von Rosina Kälin, mit dem
Titel Handarbeit – Mädchens Freud: Obligatorisches Lehrmittel für
den Handarbeitsunterricht. Also gut, aus eigener Erfahrung kann ich
nur für mich sprechen, aber „Mädchens – Freud“ war das bestimmt
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Freitag 13. Dezember 2013
Freitag 20. Dezember 2013
nicht! Handarbeit im Kontext der Neunzehnhundert Sechziger und
anfangs Siebziger Jahre. Handarbeit diente damals der Disziplinierung, was ich am eigenen Leib bitter erfahren musste. Erst viele
Jahre später entdeckte ich die Freude am Umgang mit Textilem und
der Handarbeit, Heute behaupte ich ja sogar, dass Häkeln eine relaxierende Wirkung auf Menschen ausübt. Der Rest meines Wunderpaketes war enttäuschend für mich, es handelte sich um gross
bebilderte Handarbeitsbücher, gänzlich ohne Text. Was fast wieder
in den heutigen Onlinekontext passen würde, aber ich bin ja auf der
Suche nach Text. Ich werde weiter suchen......
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Freitag den 20. Dezember 2013
Mein interaktives Masterprojekt crochetpower.net schreitet voran.
Ich häkle meine Webseite selber mit Hilfe des Webdesignprogrammes Dreamweaver! Ich kann es kaum erwarten die Seite online zu
schalten und in Interaktion mit den RezipientInnen zu treten. Mit interaktiver Kunst beschäftige ich mich schon seit ein paar Jahren,
meine Bachelorabschlussarbeit „On Top oft he Shitlist“ 2010, war
ein interaktives Spiel, in welchem ich mich auf Kosten von prominenten Personen amüsierte und diese in den Schmutz zog, wobei
das Ende so gewesen wäre, dass Gleiches mit Gleichem hätte vergolten werden können. Der Gewinner des Spieles, resp. die prominente Person, welche von den PartizipientInnen am meisten gewählt wurde, hätte mir als Gewinn eine Buttercremetorte ins Gesicht
werfen können, was der Gewinner dann aber irgendwie leider nicht
wollte.... Die aktuelle interaktive Arbeit von mir ist das Gegenteil dieser Arbeit, ich möchte damit etwas Sinnvolles bezwecken.
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Freitag 27. Dezember 2013
Freitag den 27. Dezember 2013
Es sind Weihnachtsferien und ich häkle vor mich hin. Mein Ziel
ist es, einen funktionstauglichen QR-Code herzustellen, ich stelle
mir vor, diese gehäkelten Codes, die beim Einscannen auf meine
Plattform crochetpower.net führen, als Werbeplakate zu verteilen.
.
Abb. 7
Freitag 27. Dezember 2013
Freitag 3. Januar 2014
Diese Codes setzte ich schon ab und zu ein, als ich als Streetart
Artistin unterwegs war unter dem Pseudonym „Tüpfl Li“ während
ich diese Art der Kunst ausschliesslich in nicht destruierender Form
einsetzte. Zum Beispiel mit Moosgraphitys oder Textil, Strick und
Häkelkunst oder dem Verteilen von kleinen Objekten wie die kleinen
mit Geldmünzen gefüllten Tüpflischachteln. Unter dem Projektnamen „das Geld liegt auf der Strasse“ brachte ich auf der Strasse gefundene Geldmünzen – hübsch verpackt – zurück auf die Strasse.
QR-Codes interessieren mich vom formalen und inhaltlichen Potential her. Wegen ihres schnörkellos gewinnorientierten Zwecks dürfte
es besonders verblüffen, wenn diese mittlerweile allgegenwärtigen
Zeichen plötzlich die subversive Kraft entfalten, wie sie Jean Beaudrillard den anonymen Graffiti in New York zugeschrieben hat (
vgl. „Cool Killer oder Der Aufstand der Zeichen“).
Nach diversen Fehlversuchen gelang es mir nun endlich einen
funktionstauglichen Code zu häkeln. Aber die Idee, mehrere solcher
als Werbung zu häkeln verwerfe ich wieder, da man erst ganz am
Schluss weiss ob es klappt oder nicht. Das Ganze ist viel zu zeitraubend und führt absolut nicht zu der von mir propagierten Häkelentspannung – im Gegenteil ich bin richtiggehend entnervt!
Freitag den 3. Januar 2014
Weibliche Handarbeit: so wird die Tätigkeit des Häkelns im allgemeinen beschrieben.
„das Wort Handarbeit hat eine doppelte Bedeutung. Es meint
die Tätigkeit wie auch das Produkt: Häkeln ist Handarbeit, der Topflappen ebenfalls. Bemerkenswert ist, dass Handarbeiten historisch,
beispielsweise als Unterrichtsgegenstand, lange unter dem Terminus „weibliche Arbeiten“ firmierten.“
1
Die „weibliche Handarbeit“ diente lange Zeit der Disziplinierung,
selbst ich habe das noch so erlebt und so empfunden in den frühen neunzehnhundert siebziger Jahren während meiner Schulzeit
In Winterthur.
„Geschicklichkeit in der weiblichen Handarbeit ziert jedes Mädchen und jede Frau, selbst in den höchsten Ständen; und wer sieht
sie nicht alle lieber am Stickrahmen und Nähtisch, als am Spieltisch,
wäre auch selbst jene Arbeit nur Spiel der Nadeln“
2
Ums Himmelswillen und Hilfe! Bin ich doch froh 1965 geboren zu
sein.
„Die weibliche Handarbeiten sind anspruchslose, aber heitere
Künste, Trägerinnen des Segens und der Stille.“
3
In den meisten Büchern über Handarbeit des achzehnten und
neunzehnten Jahrhunderts wird lediglich die männliche Handarbeit
behandelt, wie zum Beispiel das Arbeiten mit den Materialien Holz,
Stein und Metall.
1 Walpurga Hoff, Elke Kleinau, Pia Schmid (Hg.) Gender Geschichte/n, Erlebnisse
bildungshistorischer Frauen- und Geschlechterforschung. Böhlau Verlag Köln
Weimar Wien. 2008 S. 50
2 August Hermann Niemeyer, Hermann Agathon Niemeyer, Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts für Eltern, Hauslehrer und Schulmänner. Halle 1834. S. 683
3 Johanna Brecke (J. Hipp), Handarbeiten der Mädchen, Nadelarbeit-Lehrgang.
Strassburg 1913.
36
37
Freitag 3. Januar 2014
Freitag 10. Januar 2014
In der Schweiz wurden vor ca. zwanzig Jahren auch Knaben zum
„weiblichen“ Handarbeitsunterricht zugelassen, im umgekehrten
Falle fand das ca. vor dreissig Jahren statt.
Im Buch von Matilda Felix, Nadelstiche, Sticken in der Kunst der
Gegenwart, wird auf Seite 18 beschrieben, 4 dass Mädchen im 19.
Jahrhundert anhand der Nadelarbeit zugleich im Rechnen und Lesen und Schreiben unterrichtet wurden. Mit der disziplinierenden
Arbeit wollte man die moralische Entwicklung fördern, indem die
Mädchen zu Sauberkeit, Sittsamkeit, sittsamer Körperhaltung und
zu Zurückgezogenheit angeregt wurden.
Freitag den 10. Januar 2014
Ergotherapie hielt ich früher immer für etwas wenig Sinnvolles bis ich selber in den Genuss einer solchen kam.
„Schon im 18. Jahrhundert berichteten einige Ärzte über beachtliche Behandlungserfolge bei psychisch Kranken durch regelmäßige Arbeit. Doch erst Anfang des 20. Jahrhunderts nutzte man in den
USA die Arbeitstherapie systematisch zur Behandlung psychischer
Störungen: der Beruf des Ergotherapeuten entstand. Durch den
deutschen Psychiater Hermann Simon erfuhr die Arbeitstherapie in
den 1920er Jahren eine besondere Förderung, denn er führte eine
arbeitsähnliche Tätigkeit unter therapeutischen Gesichtspunkten
für psychisch Kranke ein. Die Ergotherapie wurde dabei von unterschiedlichen Berufsgruppen wie Ärzten, Sozialarbeitern, Krankenschwestern, Künstlern, Handwerkslehrern und Architekten unabhängig voneinander weiter entwickelt.
1
Der entscheidende Wandel in der Entwicklung der Arbeitstherapie
zur Beschäftigungstherapie erfolgte in Deutschland während des
Zweiten Weltkriegs - als viele Kriegsverletzte gezielte Rehabilitationsmaßnahmen benötigten. Mit Unterstützung des Britischen Roten
Kreuzes wurden Kurzlehrgänge zur Ausbildung von Beschäftigungstherapeuten eingerichtet. Die erste staatlich anerkannte Schule für
Beschäftigungstherapie wurde 1953 in Hannover gegründet. 1977
trat ein neues Gesetz in Kraft, das die Arbeitstherapie und die Beschäftigungstherapie zusammenfügte unter der neuen Berufsbezeichnung „Ergotherapeut“.“
In der Diplomarbeit „Flow Momente“ wird beschrieben, dass es
gut ist, wenn der Patient sich selber Ziele setzt und, dass Ziele die
Ausgangslage bilden für das therapeutische Arbeiten. Unter Einbe2
4 Matilda Felix, Nadelstiche, Sticken in der Kunst der Gegenwart, Bielefeld, 2010, S. 18
38
1 Neurologen und Psychiater im Netz http://www.neurologen-und-psychiater-imnetz.org/psychiatrie-psychosomatik-psychotherapie/therapie/ergotherapie/geschichte/ online 10. 01. 2014
2 Eugen Bütler, Maya Muggli, Isolde Schumann, Flow Momente, Erfüllung im Tun
eine Theorie nach Mihaly Csikszentmihalyi und Ergotherapie in der Psychiatrie.
Diplomarbeit, Schule für Ergotherapie, Zürich 1999. S. 97
39
Freitag 10. Januar 2014
Freitag 24. Januar 2014
zug der Ressourcen des Patienten wird versucht, eine Tätigkeit zu
suchen die dem Patienten entspricht.
Freitag den 24. Januar 2014
Ich hatte mir auch selber Ziele gesetzt wie im Text vom Freitag
den 8. November 2013 beschrieben, so setzte ich mir zum Ziel, auf
Ende meines Klinikaufenthaltes ein kompliziertes Jäckchen fertig zu
Häkeln.
Nach fünfmonatiger Arbeit an der Webseite crochetpower.net –
ich habe selbige mit dem Webdesign Programm Dreamweaver selber zusammen „gehäkelt“ – geht sie heute am 24. Januar endlich
online. Ich bin total aufgeregt und gespannt!
Die Anfänge der Ergotherapie reichen bis ins 1. Jahrhundert
nach Christus zurück. So findet man in Schriften des Römischen
Arztes Claudius Galenus von Pergamon die bis heute bedeutsame
Aussage: „Arbeit ist die beste Medizin, die uns die Natur gegeben
hat“.
3
Am ehesten der Realität entsprechend und am sympathischsten
finde ich die Version der oben erwähnten Diplomarbeit „Flow Momente“, in welcher festgehalten wird, dass die Ergotherapie jeweils
den Ressourcen des Patienten angepasst wird. So wurde das auch
in meinem Falle gehandhabt; alles andere wäre wieder kontraproduktiv. Wichtig ist auch, dass der Patient seine eigenen Ziele setzt,
denn nur so kann es wirklich zum Erfolgserlebnis führen. Gesetzt
den Fall natürlich, dass sich die Patienten gut selber einschätzen
können – das ist die Voraussetzung eines positiven Erfolgserlebnisses überhaupt.
Abb. 8
Schon nach wenigen Stunden kamen die ersten Anmeldungen
zum Projekt im Projekt, nämlich dem Einsenden einer Häkelblume.
Ausgeschrieben als erstes Häkelprojekt von crochetpower.net zum
mitmachen:
3 Clara Scheepers, Ute Steding-Albrecht, Peter Jens, Ergotherapie vom Behandeln zum Handeln, Stuttgart 1999/2007, S. 11
40
„Es wird ein riesiges Häkelblumennetz, zusammengesetzt aus
lauter Häkelblumen und Granny Squares, die von Menschen aus
der ganzen Welt gehäkelt wurden und anschliessend der crochetpower.net Basisstation zugesandt werden.
41
Abb. 9
Freitag 24. Januar 2014
Mailinterviews
Diese Häkelteilchen werden im Durchschnitt einen Durchmesser
von 10 cm haben. Die maximale Anzahl könnten 1245 Plätzchen
sein. Die Form und Grösse des Ganzen unterliegt dem Zufallsprinzip und ist abhängig davon, wie viele Personen sich an dem Projekt
beteiligen, wie gross die einzelnen Stücke sein werden und welche
Plätze im Netz belegt werden. Auch die Farbigkeit wird am Schluss
eine tolle Überraschung sein und ist ebenfalls dem Zufall überlassen – je nachdem welche Garnfarben von den Häklerinnen und den
Häklern verwendet werden.
Das Häkelblumennetz wird unter der Leitung von Sabina Speich
im Rahmen der Master Kunst-Diplomausstellung an der HSLU in
Luzern im Juni 2014 während einer performativen Veranstaltung als
Gemeinschaftsaktion zusammengefügt.
Am Schluss wird das Häkelnetz zugunsten von Pro Mente Sana
(eine Schweizerische Stiftung im Interesse psychisch kranker Menschen) versteigert werden.“
Mailinterviews
Um meine schriftliche Masterthesis zu verdichten und meine Fragen auch aus der Sichtweise von Fachpersonen beleuchten zu können und nicht nur starr in meinem kleinen Sabina Speich-Universum
zu verharren, habe ich nach empirischer Methode ein Email Interview geführt. Dieses wurde an fünf – im Vorfeld diesbezüglich angefragte ExpertInnen – gesendet. Folgenden Fragebogen bekamen
meine Interview Partnerinnen:
Mail Interview zu Themenfeldern meiner schriftlichen Masterthesis CROCHETPOWER:NET (Sabina Speich).
In meiner schriftlichen Mastersthesis erstelle ich ein Artistbook,
welches die Produktion der künstlerischen Arbeit begleitet und deren zentrale Themenfelder analysiert. In Form eines Tagebuchs,
werden folgende Themen behandelt:
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext, Häkeln in der Vermittlung,
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie, die
Cripbewegung und Häkeln in Gruppen im Nicht-Psychiatrie-Umfeld.
Diese Text- und Onlinerecherchearbeit wird ergänzt durch fünf
Leitfadeninterviews zu den gleichen Themenfeldern. Alle InterviewpartnerInnen erhalten dieselben Fragen und werden gebeten, möglichst alle zu beantworten; selbstverständlich die Fragen in Ihrem
spezifischen Themenfeld ausführlicher als die anderen.
44
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Mailinterviews
Mailinterviews
:
Hakeln als Aktivismus im Kunstkontext
Die Cripbewegung
1.Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen? Wenn ja was?
1.Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
2.Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese Bewegung wesentlich verändert?
2.Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung
ein gutes Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
3.Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
3.Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton,
die besagen, dass das Recht auf „Disability“ eingefordert
werden und anders über „disability“ nachgedacht werden
müsse als es bisher in den akademischen Studien
geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse benannt und
andere soziale Positionen eingefordert werden können?
:
:
Hakeln in der Padagogik/Vermittlung
1.Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
3.Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der
Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
:
Hakeln in der Psychotherapie respektive der Ergotherapie
1.Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende
Wirkung hat?
Hakeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
:
2.Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen
Gestaltung/Vermittlung verändert hat im Laufe der
vergangenen dreissig Jahre? Wenn ja, was?
1. Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
2.Was passiert in solchen Sessions – falls Du es
weisst durch eigene Erfahrung, beschreibe es bitte.
Andernfalls . was stellst Du Dir vor, was da
entstehen kann?
3.Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer,
oder nur Frauen, oder nur Männer?
Oder Transgender Menschen?
2.Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung
dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
3.Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
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Mailinterviews
Mailinterviews
Die Antworten von Alexandra D’Incau
Künstlerische und wissenschaftliche Mitarbeitern Hochschule Luzern
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen?
Wenn ja was?
Ja klar. Also nein, ich muss präzisieren. Wenn es konkret ums Häkeln geht, kenne ich hauptsächlich das Projekt von Meret Wandeler und Regula Michell. Aber ich sympathisiere mit DIY, mag insbesondere die Zine-Bewegung. Da gefällt mir dieses Initivative und
das Unperfekte, Improvisierte. Hauptsache da ist Energie drin! So
richtig einordnen konnte ich aber die subversive Strategie der Craftistas erst, als ich auf einer USA-Reise mit feministischen Magazinen wie Bitch und Bust in Kontakt kam. Da schloss sich für mich
plötzlich ein Kreis und ein neuer Raum ging für mich auf.
Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese
Bewegung wesentlich verändert?
Hm, gerne würde ich sagen ja. Aber ich bin skeptisch. Wir kämpfen da gegen jahrhundertealte Normen an. Also klar, vieles ist in
Bewegung. Ich möchte hier keineswegs Trübsal blasen oder Pessimismus verbreiten. Bewegung heisst aber auch, dass es nicht
überall stetig vorwärts geht, besser wird. Da ist diese Bewegung
meines Erachtens ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Sache
ist aber super-komplex, vor allem wenn wir global denken, also
im Sinne „für alle Frauen“. Aber im kleinen, sei es Empowerment
für einzelne Produzentinnen oder allfällige Schlüsselerlebnisse,
die allfällige Rezipienten erfahren, wenn die Aktion oder das Werk
öffentlich sichtbar wird, da kann einiges passieren und ausgelöst
werden. Und so fängt ja jede Veränderung an. Beim einzelnen
Subjekt. Insofern trau ich der Bewegung einiges zu. Aber: um die
48
volle Wirkkraft bei einem breiten Publikum zu entzünden, braucht
es eine ebenso wirksame Vermittlungsstrategie. Gerade für ein
nicht so kunstaffines oder -interessiertes Publikum braucht es
allenfalls noch vermehrt gute Ideen auf Seiten der Aktivistinnen,
um Kontexte und Chancen zu vermitteln.
Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
Hihi. Nicht im Bereich häkeln. Ich bin wirklich eine ganz extrem
schlechte Häklerin. Aber ich mache gerne Zines. Aber mehr für
den Eigengebrauch. Nie als grosse Aktion. Aber als ich zum Beispiel in den Niederlanden studierte für ein Jahr, da merkte ich,
dass viele Studierende viel weniger Geld zur Verfügung hatten als
in der Schweiz. Da wurde also in der Foto/Kunst-Klasse viel mehr
improvisiert, es wurde bei Ausstellungen nicht jedes Foto auf Alu
aufgezogen, sondern auch einfach mal frech mit sichtbarem Kleber an die Wand getaped. Das hat mir extrem viel Luft gegeben,
mich befreit. Von diesem evt. sehr schweizerischen Perfektionsgedanken. Klar kann es sein, dass mal ein Bild hinter Glas muss.
Aber evt, ist der erste Entwurf auf die Rückseite eine Notizpapiers
gedruckt je nach dem die beste Lösung. Ich merkte, dass gute
Kunst nichts mit High-End Produktion zu tun haben muss.
Häkeln in der Pädagogik/Vermittlung
Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
Nicht direkt als Disziplinierungsmassnahme, also in dem Moment
nicht. Rückblickend kommt es dem ein wenig näher. Wir häkelten
eigentlich extrem selten. Ich erinnere mich nur an eine Häkelarbeit.
Eine sehr lange Schnur musste gehäkelt werden, in der zweiten
Klasse, die wurde dann um ein Nadelkissen gewickelt, mit Leim
angeklebt. Zur Verschönerung. Ich erinnere gar noch die Farbe, lila.
49
Mailinterviews
Mailinterviews
Das war mir generell das Liebste in der Nähschi, wenn man Farben für Wolle, Stoffe und so auswählen konnte. Aber das konkrete
nähen, häkeln und stricken...ich empfand es als Stress. Es hängt
evtl. mit meiner Linkshändigkeit zusammen. Ich weiss nun gar
nicht mehr, ob ich links häkeln durfte in der Nähschi. Auch stricken.
Ich erinnere einfach, dass ich es einen uuu Krampf fand, immer zu
fest oder zu wenig fest anzog, schwitzige Hände hatte, dass das
Garn manchmal richtig knarzte. Ich glaube fast, dass ich „falsch
rum“, also im Sinne von „richtig, sprich rechts orientiert“ häkeln und
stricken lernen musste.
Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen Gestaltung/
Vermittlung verändert hat im Laufe der vergangenen dreissig Jahre?
Wenn ja, was?
Oup. Das kann ich schwer beurteilen. Dafür müsste ich Einblick haben in den aktuellen Unterrichtsalltag. Die Kinder in meinem Umfeld
sind alle erst im Krippenalter...Wobei ich für ein Forschungsprojekt
viel in Schulhäusern unterwegs bin und Zeichenzimmer fotografiere. Da seh ich oft auch andere Räume, zum Beispiel das Nähschi
Zimmer. Es sieht so aus wie bei mir damals, optisch hat sich also in
den letzten 25 Jahren wenig verändert. Aber beim Namen hat sich
was getan, bei mir hiess es wohl gar noch auf dem Stundenplan
wirklich Nähschi und heute nennt sich das Fach selbstbewusst
Textiles Gestalten. Es wäre noch spannend zu wissen, wie es denn
heutzutage umgangssprachlich genannt wird, unter Schülerinnen
und Schülern sowie Lehrpersonen.
Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
und Bügelbretter für Mädchen und rote oder blaue Hammer und
Bohrmaschinen für Jungs. Da werden extrem früh Weichen gelegt, die fast nicht mehr aus den Köpfen zu hämmern oder zu häkeln sind. Ich sehe es bei uns in der Ausbildung der Art Teaching
Lehrpersonen im Master Kunst Luzern, der Frauenanteil ist enorm
hoch. Das erlernen des Umgangs mit Schleifmaschine und Kreissäge etc. empfehlen wir aber allen, Männern wie Frauen! Denn
das ermöglicht, dass unsere AbgängerInnen im Bedarf auch im
Werkunterricht eingesetzt werden können. Wenn ich überlege...an
der HSLU beispielsweise, in der Holzwerkstatt, das Team besteht
aus drei Männern...In den Textilwerkstätten, ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber ich glaube, dort sind hauptsächlich Frauen
im Einsatz, von Werkstattleitung bis zur Assistenz runter. Das kann
Zufall sein. Aber ich glaube leider nicht. Und ich meine nicht, dass
das falsch ist! Diese Menschen sind alle super in ihrem Job, es
sind ihre Traumjobs, ich weiss das.
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie
Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung hat?
Ja, ich denke schon, dass man beim Häkeln in diesen Flow kommen kann, und das dann gut tut, dass es im Kopf nicht mehr denkt.
Oder störende Gedanken wieder in Fluss kommen und geordnet
werden können, während der Tätigkeit. Wobei ich nicht denke,
dass man in eh schon aggressivem Zustand gross Lust hat, zum
Häkel- Stäbchen zu greifen...Also ich sähe mich da auch eher auf
einen Boxsack dreschen...Aber danach, nach dem Boxsack eine
Runde häkeln, das könnte ich mir sehr stimmig vorstellen!
Auch hier bin ich zu wenig Expertin. Aber wenn man sich die Kinderspielzeugabteilungen der Grossverteiler aber auch der Spezialläden anschaut, dann gibt es da kleine pinke Nähmaschinen
50
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Mailinterviews
Mailinterviews
Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
Nein
Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
Nein
fang, aber wie wann und wo dringt es genug vehement in die breite
Masse. Wann oder wie profitiert xy von nebenan? Ich glaub, wir
stehen da noch sehr am Anfang. Und zudem, wo hört „normal“ auf
und fängt „crip“ an? Das sind Normen und Definitionen die sich von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt ändern...kulturell bedingt sind sowieso. Es
sind diese Fragen und deren Verhandlung, die mich interessieren
und in denen ich Potential sehe. Wann gilt was wo als „Disability“
und warum? Müssen sich da allgemeingültige Regeln finden lassen oder geht es auch hier wieder um die freie Einschützung des
Individuums?
(ich glaube Punkt drei ist damit auch ein biz abgedeckt...)
Die Cripbewegung
Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
Ich kenne die Thematik ehrlich gesagt erst seit ich Eva Egermann
kennengelernt habe mit ihrem Magazin. Das Thema wird nach wie
vor extrem tabuisiert. Ich weiss nicht, ob es mit der Erleichterung
der „nicht betroffenen Subjekte“ zu tun hat, dass Disability gerne
ausgeblendet wird. Die Erleichterung „normal“ zu sein, unnormal
zu sein kommt einem Unglück gleich. Gleichzeitig trifft dieses „zum
Glück, ich bin normal“ auf die Anforderung „speziell und einzigartig“ sein zu müssen, nicht in der Masse unterzugehen. Auch die
Werbung proklamiert, sei du selbst! Da besteht irgendwie ein Konflikt. Aber ich bewege mich von deiner Frage weg...
Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton, die besagen,
dass das Recht auf „Disability“ eingefordert werden und anders über
„disability“ nachgedacht werden müsse als es bisher in den akademischen Studien geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse benannt
und andere soziale Positionen eingefordert werden können?
Häkeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
...ich versuche also hier nochmals den Faden aufzugreifen. Natürlich ist diese Bewegung super! Aber es dünkt mich manchmal
auch so intellektuell. Also wem kommt diese Selbstermächtigung
zu Gute, wer profitiert davon? Ich kenne die Cripbewegung aus (m)
einem künstlerisch linksorientierten Umfeld. Klar, das ist ein An-
Nein, noch nie. Ich glaube, man müsste mir erst sehr viel anderes
wegnehmen, bevor ich zu häkeln beginnen würde. Wobei, einmal
wollte ich so eine Granny-Decke, so eine, die aus vielen Blätzen
besteht, so ähnlich, wie du eine machst nun aus den Blätzen der
TeilnehmerInnen. Das ist ja mittlerweile extrem im Trend, gerade
in Zürich, so Granny-Stile Möbel und Decken, oder auch dieses
Landhausstil Mobililar. Nun jedenfalls war ich nicht willens, für eine
solche Decke den überrissenen Trend-Preis zu bezahlen und liebäugelte also mit selber machen. Aber dann fiel mir wieder ein, dass
ich ja nur Schnürli häkeln kann...Das Experiment fand also schon
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Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung ein gutes
Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
Mailinterviews
Mailinterviews
in meinem Kopf ein ziemlich jähes Ende...Aber wer weiss, vielleicht kommenden Winter..? In einer Gruppe häkeln sehe ich mich
aber nicht, weil ich nicht so sehr ein Gruppen-Mensch bin.
Was passiert in solchen Sessions – falls Du es weisst durch eigene
Erfahrung, beschreibe es bitte. Andernfalls . was stellst Du Dir vor,
was da entstehen kann?
Nun, ich glaube schon, dass da eine geschäftige Stimmmung
aufkommen kann, ein reger Austausch, ein Bestärken, wow wie
schön, wie hast du das gemacht etc. Oder auch einfach ein sich
aufgehoben fühlen in der Gruppe, ohne viele Worte, weil und in
dem man das tut, was einem gut tut.
Oder vielleicht ist es ähnlich wie im Groupfitness! Man weiss, das
ist mein fixer Termin, da geh ich hin. Und auch wenn ich mal nicht
sooo Lust habe, ich gehe trotzdem, und wie immer tut es mir dann
extrem gut.
Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer, oder nur
Frauen, oder nur Männer? Oder Transgender Menschen?
Nun, ich denke, da es eben ein „Event“ ist und nicht Alltag, dass
an solchen Treffen die Gendervielfalt da sein kann. Und das ist
ein Anfang. Aber wichtig wäre es doch eben, dass es total normal
wird, wenn Männer strickend im Zug sitzen! Und jesus, bis dahin,
wir sind noch nirgends. Forza, Menschheit!
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Die Antworten von Meret Wandeler
Künstlerin, Fotografien
Seit 2004 Langzeitprojekt „Das Häkelobjekt“,
zusammen mit Regula Michell.
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen?
Wenn ja was?
Im Kunstkontext kenne ich vor allem Aktionen im Rahmen von „Urban Knitting“, wo Gegenstände im öffentlichen Raum eingehäkelt
(teilweise auch eingestrickt) werden. Weiter einzelne KünstlerInnen wie z.B. Jürg Benninger, welche Objekte häkeln und als Skulturen ausstellen. Dann die Übersicht im Buch „Craftistas“.
Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese
Bewegung wesentlich verändert?
Nein
Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
Ich arbeite zusammen mit Regula Michell an einem rosa Häkelobjekt, einem Langzeitprojekt, das seit 2004 läuft. Im Rahmen
dieses Projektes führen wir regelmässig Häkel-Aktionen zu zweit
im öffentlichen Raum oder auf Einladung mit Gästen durch. Ich
verstehe mich jedoch nicht im eigentlichen Sinn als Häkel-Aktivistin
oder als Teil einer Bewegung.
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Mailinterviews
Mailinterviews
Häkeln in der Pädagogik/Vermittlung
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie
Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung hat?
Nein, ich habe den Handarbeitsunterricht sehr gerne besucht.
Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen Gestaltung/
Vermittlung verändert hat im Laufe der vergangenen dreissig Jahre? Wenn ja, was?
Das kann ich nicht beurteilen, da ich weder in der textilen Vermittlung tätig bin noch selber Kurse besuche. Ich denke jedoch, dass
der gestalterische Unterricht heute allgemein freier ist und mehr
Raum da ist, eigene Ideen zu verwirklichen. Dies zeigt sich u.a.
daran, dass wir mit dem Häkelobjekt auch schon von Schulen eingeladen worden sind.
Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
Was sich entscheidend verändert hat ist die Ko-Edukation: heute
besuchen Mädchen und Jungen gemeinsam sowohl Handarbeitsunterricht als auch Werken, Zu meiner Schulzeit war das noch getrennt, Mädchen Handarbeit, Jungen Werken. Die Ko-Edukation
ermöglicht sicher beiden Geschlechtern einen unbefangeneren
Zugang zu diesen Tätigkeiten. Ob darüber hinaus weiterhin genderspezifische Unterschiede wirksam sind, kann ich nicht beurteilen, nehme es aber an.
Etwas mit den Händen tun kann in jedem Fall eine beruhigende
Wirkung haben, beim Häkeln bzw. der Handarbeit allg. kommt das
Repetitive hinzu, welches diese verstärken kann. Voraussetzung
ist jedoch, dass kein Leistungsdruck, etwas besonders Schönes
oder Perfektes machen zu müssen, vorhanden ist.
Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
Ich bin Künstlerin, nicht Therapeutin.
Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
Nein
Die Cripbewegung
Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
Nein
Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung ein gutes
Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
Das kann ich nicht beurteilen.
56
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Mailinterviews
Mailinterviews
Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton, die besagen,
dass das Recht auf „Disability“ eingefordert werden und anders über
„disability“ nachgedacht werden müsse als es bisher in den akademischen Studien geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse benannt
und andere soziale Positionen eingefordert werden können?
Das kann ich nicht beurteilen, da ich diese nicht kenne. Es scheint
mir aber einleuchtend, dass Zuschreibungen wie „behindert/nichtbehindert“ oder „verhaltensauffällig/normal“ auch normativen Charakter haben und damit auch eine sozial ausschliessende Wirkung
entfalten (können).
Häkeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
Stelle wieder auf. Man kann für sich sein, am eigenen arbeiten,
und sich trotzdem als Teil in einer Gruppe erfahren. (Diese Beobachtungen gelten für unser Projekt, wo alle am gleichen Stück
häkeln, ich würde sie nicht verallgemeinern)
Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer, oder nur
Frauen, oder nur Männer? Oder Transgender Menschen?
Je nach Anlass Frauen und Männer. Jüngere Männer und Knaben häkeln selbstverständlicher mit, da sie es in der Schule gelernt
haben, während Männer unserer Generation (40+) eine höhere
Hemmschwelle haben und das Häkeln erst lernen müssen, was
erschwerend wirkt.
Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
Ja, wir führen im Rahmen unseres Projektes regelmässig Häkelaktionen in Gruppen durch (www.haekelobjekt.ch)
Was passiert in solchen Sessions – falls Du es weisst durch eigene
Erfahrung, beschreibe es bitte. Andernfalls . was stellst Du Dir vor,
was da entstehen kann?
Mich interessiert daran die eigene Form der Kommunikation insbesondere zwischen Fremden, die entstehen kann, verbal und
non-verbal. Das gemeinsame Tun stellt einen Kontakt zwischen
den Beteiligten her, auch wenn man nicht spricht. Es wird möglich,
zusammen zu schweigen, was mit fremden Leuten häufig schwieriger auszuhalten ist als z.B Small Talk. Die Gespräche sind weniger zielgerichtet, man redet etwas, schweift ab, konzentriert sich
auf die Arbeit, nimmt den Faden des Gesprächs an einer anderen
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Mailinterviews
Mailinterviews
Die Antworten von Cornelia Renggli
Kulturwissenschaftlerin
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen?
Wenn ja was?
Ja: Ausstellungen „radical lace & subversive knitting“ im Museum
of Arts & Design in New York sowie „Gilbert Bretterbauer Vernetzungen“ im Museum Bellerive in Zürich; Häkelobjekt von Regula
Michell & Meret Wandeler; (v.a. englischsprachige) Blogs; Kontexte: DIY, guerilla crochet, WWKiP, yarn bombing…
Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese
Bewegung wesentlich verändert?
Meines Erachtens hat craftivism als Bewegung Impulse gegeben,
u.a. traditionelle Geschlechterrollen zu hinterfragen.
Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
Nicht häkelnderweise.
Häkeln in der Pädagogik/Vermittlung
Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen Gestaltung/
Vermittlung verändert hat im Laufe der vergangenen dreissig Jahre? Wenn ja, was?
Ja: Handarbeiten für Knaben (& Werken für Mädchen); andere Projekte. Betr. Veränderungen in der Vermittlung fehlt mir das Wissen.
Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
Das weiss ich nicht.
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie
Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung hat?
Ja, es kann, muss aber nicht. Häkeln kann manche Menschen
auch hibbelig machen.
Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
Nein
Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
Nein
Nein
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Die Cripbewegung
Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
Ja: Forschung zu Behindertenbewegung in der Schweiz, Lektüre
zu Behindertenbewegung international.
Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung ein gutes
Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
Die Cripbewegung stellt eine Möglichkeit zur Selbstermächtigung
dar. In jeder Bewegung hat es jedoch auch Momente, die nichts
mit Selbstermächtigung zu tun haben. Ich kann und will nicht beurteilen, ob die Cripbewegung sich gut dazu sei, sich selbst zu
ermächtigen.
Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton, die besagen,
dass das Recht auf „Disability“ eingefordert werden und anders
über „disability“ nachgedacht werden müsse als es bisher in den
akademischen Studien geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse
benannt und andere soziale Positionen eingefordert werden können?
Meines Erachtens wird Behinderung in unserer Gesellschaft weitgehend essentialistisch gedacht. Ich teile hingegen die Auffassung, dass man nicht behindert ist, sondern behindert wird. Damit
meine ich nicht, dass böse Menschen ohne Behinderung arme
Menschen mit Behinderung behindern würden. An der Stelle solcher Schuldzuweisungen und Opferdiskurse ziehe ich die Sichtweise vor, dass Behinderung ein komplexer Prozess ist, mit dem
verschiedene Praktiken verbunden sind. Dieser Prozess kann sich
in allen sozialen Systemen ereignen: Die Wissenschaft ist eines
davon, in ihm gibt es jedoch auch andere Stimmen. Für die gesellschaftliche Lage sind m.E. Institutionen wie z.B. Sozialversicherungen von grösserer Bedeutung. Wenn nun von einem „Recht auf
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‚Disability’“ gesprochen wird, so ist das eine politische Forderung
im Zusammenhang mit Identitätsbildung. Da Identitätskurse Gratwanderungen sein können, gilt es hier besonders gut zu schauen,
wer hier wie von was als Behinderung spricht. Ansonsten besteht
die Gefahr, dass etwas wiederum mit einem essentialistischen
Behinderungsbegriff eingefordert wird, den man eigentlich verabschieden möchte.
Häkeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
Nur im Handarbeitsunterricht.
Was passiert in solchen Sessions – falls Du es weisst durch eigene Erfahrung, beschreibe es bitte. Andernfalls, was stellst Du Dir
vor, was da entstehen kann?
Soziale Kontakte, Gespräche über Gott und die Welt, geteilte Zeit,
gemeinsame Arbeit an einem Projekt oder/und Unterstützung bei
der Arbeit an eigenen Projekten.
Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer, oder nur
Frauen, oder nur Männer? Oder Transgender Menschen?
Alles ist möglich. In den Massenmedien wird beispielsweise nicht
nur über Gruppen hinsichtlich Geschlecht, sondern auch Alter berichtet.
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Die Antworten von meiner in Amerika lebenden
Stiefschwester welche durch crochetpower.net initierte Häkelgruppen ins
Leben gerufen hat
Chaya Mueller Bronstein
Lehrerin, Massagetherapeutin, psychic reader
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen?
Wenn ja was?
Ich habe von einer Freundin von einer Kuenstlerin in Neuseeland
gehoert, die haekelt.
Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese
Bewegung wesentlich verändert?
Weiss nicht
Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
Nein
Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen Gestaltung/
Vermittlung verändert hat im Laufe der vergangenen dreissig Jahre? Wenn ja, was?
Von was ich so gehoert habe, denke ich es ist viel kreativer und
weniger Ausdauer und „ Richtig/Falsch“ orientiert.
Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
Weiss ich nicht.
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie
Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung hat?
Absolutely!!!!! Auf jeden Fall!
Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
Nein
Häkeln in der Pädagogik/Vermittlung
Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
Nein ich bin keine Patientin, doch habe ich selbst schon erfahren,
dass Haekeln beruhigt.
Nein, ich fand es schwierig und interessant und ein bisschen zu
langsam fuer meinen Geschmack...und wenn ich mich genauer erinnere, da war schon viel Disziplin und wenig Auswahl. Z.B. Farbauswahl rot oder blau, evtl vielleicht sogar gruen.
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Die Cripbewegung
Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
Weiss nicht was das ist.
Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung ein gutes
Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
Wir lachen, plaudern, reden Unsinn und dann ploetzlich ist es
fuer eine lange Zeit ganz still, weil jeder sich in seine Handarbeit
vertieft. Auch helfen, diejenigen, die mehr Erfahrung haben, den
Anfaengern oder denen, die zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder haekeln. Wir trinken Tee (oder rosa Champagner) und jemand
erzaehlt etwas von sich. Alles sehr entspannt, weil der Fokus nicht
auf dem sozialen Austausch ist , sondern jeder in seiner Haekelei
geankert ist.
Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer, oder nur
Frauen, oder nur Männer? Oder Transgender Menschen?
Do not know
Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton, die besagen,
dass das Recht auf „Disability“ eingefordert werden und anders über
„disability“ nachgedacht werden müsse als es bisher in den akademischen Studien geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse benannt
und andere soziale Positionen eingefordert werden können?
Nur Frauen bisher.
Häkeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
Ja oefters.
Was passiert in solchen Sessions – falls Du es weisst durch eigene
Erfahrung, beschreibe es bitte. Andernfalls, was stellst Du Dir vor,
was da entstehen kann?
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Die Antworten von Michela Galli
Psychotherapeutin
Findest Du persönlich, dass sich etwas in der textilen Gestaltung/
Vermittlung verändert hat im Laufe der vergangenen dreissig Jahre? Wenn ja, was?
Ich weiss es nicht
Häkeln als Aktivismus im Kunstkontext
Hast Du schon einmal etwas darüber gehört, oder gelesen?
Wenn ja was?
Nein
Gibt es immer noch genderspezifische Unterschiede in der Vermittlung von textiler Gestaltung/Werken?
Ich weiss es nicht
Denkst Du, das traditionelle Frauenbild hat sich durch diese
Bewegung wesentlich verändert?
Häkeln in der Psychotherapie – respektive der Ergotherapie
Kannst Du Dir vorstellen, dass Häkeln eine beruhigende Wirkung hat?
Siehe oben
Hast Du selber schon in diesem Kontext agiert?
Ja
Bist Du selber Therapeut/in und konntest die Wirkung dieser Tätigkeit auf Patienten selber schon beobachten?
Siehe oben
Häkeln in der Pädagogik/Vermittlung
Hast Du selbstHäkeln in der Grund/Primarschule als Disziplinierungsmassnahme erlebt oder empfunden?
Nein
Ich bin seit 10 Jahren als Psychotherapeutin tätig. Häkeln war
noch nie ein Thema – auch habe ich es noch nie thematisiert. Ich
habe bis anhin keine Beobachtungen dazu gemacht.
Bist Du selber Patient/in und hast diesbezüglich eigene Erfahrungen gemacht?
Nein.
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Die Cripbewegung
Hast Du Dich je mit diesem Thema befasst?
Wenn ja, in welcher Form?
Nein
Häkeln in Gruppen, welches nicht im
Psychiatrie Umfeld stattfindet
Hast Du selber schon einmal in einer Gruppe gehäkelt?
Nein
Bist Du persönlich der Meinung, dass diese Bewegung ein gutes
Gefäss der Selbstermächtigung darstellt?
Ich kenne diese Bewegung zu wenig, um mich zu äussern. Die
Infos auf dem Web sind mir zu abstrakt, um mich ein konkretes
Bild zu machen.
Was hältst Du von Criptheorien wie von Simi Linton, die besagen,
dass das Recht auf „Disability“ eingefordert werden und anders über
„disability“ nachgedacht werden müsse als es bisher in den akademischen Studien geschehen ist, damit soziale Ausschlüsse benannt
und andere soziale Positionen eingefordert werden können?
Was passiert in solchen Sessions – falls Du es weisst durch eigene
Erfahrung, beschreibe es bitte. Andernfalls, was stellst Du Dir vor,
was da entstehen kann?
Siehe oben
Beteiligen sich an solchen Events Frauen und Männer, oder nur
Frauen, oder nur Männer? Oder Transgender Menschen?
Siehe oben
Ich habe die Publikationen von S. Linton nicht gelesen – grundsätzlich ist eine Reflexion über „disability“ im Zusammenhang mit
den sozialen Positionen notwendig.
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Freitag 7. Februar 2014
Freitag den 7. Februar 2014
:
Hakeln als Aktivismus
Wie schon in meinem Text vom 15. November 2013 beschrieben, ist mir vor einigen Jahren im Internet die Yarnbombing Aktivistin „Olek“ aufgefallen. Danach entdeckte ich immer mehr in allen
möglichen Medien über diese aktivistischen „Garnbewegungen“ im
öffentlichen Raum.
„Handarbeit ist heute mehr als Mützen häkeln oder Vogelhäuschen zimmern, es ist eine ernstzunehmende Bewegung geworden: Do it yourself, kurz DIY. Einigen macht Selbermachen einfach
Spass, viele handwerkeln aber aus einem politischen Bewusstsein
heraus.“
1
.
Yarnbombing könne viele Formen annehmen, schreiben Mandy
Moore und Leanne Prain in ihrem Buch Strick Graffiti. Strassenkunst,
Installation und Handarbeit gehen ineinander über. „Im allgemeinen
versteht man darunter das Anbringen eines handgearbeiteten Gegenstandes an einem festen Objekt auf der Strasse oder das zurücklassen eines Strick- oder Häkelmodells in der Landschaft.“
2
Ich selber Häkle immer mal wieder „Robidog“ Kästen ein, das sind
Hundekot Sammelsäcklein-Dispenser. Oft sind meine aufwändigen
und bunten Kunstwerke schon wieder entfernt nach ca. einer Stunde, wenn ich auf dem Hundespaziergang auf dem Nachhauseweg
wieder daran vorbeikomme. Dann ist alles wieder auf wundersame Weise verschwunden und hat sich in Luft aufgelöst. Ich habe
noch nie irgendwelche Überreste oder Spuren von Garn gefunden.
Saubere, züchtige, ordentliche Schweiz. Aber dass die sich darunter
befindenden Abfallbehälter überquellen mit vollen Hundekotsäcken
und oft in einem grossen Umkreis darum herumliegenden (prallgefüllt) achtlos weggeworfenen Dinger herumliegen, das scheint
niemanden gross zu stören – also das durchaus auch „transgres1 http://www.srf.ch/sendungen/kontext/do-it-yourself-basteln-als-politischer-aktivismus Online 6. 2. 2014
2 Mandy Moore, Leanne Prain, Strick Graffiti, München 2011, S. 17
73
Freitag 7. Februar 2014
Freitag 7. Februar 2014
sive“ Zeichen weggeworfenes Hundekotsäckchen wird als passend
interpretiert, die Verzierung des Behälters mit Häkeln dagegen als
unpassend transgessives Zeichen (vgl. Ron Scollon, Language in
the Material World) verstanden 3. Bei mir erzeugt jedes Hundekot
Säckchen Dichtestress.
Abb. 11
„Menschen, die sich als Handarbeits-Enthusiastinnen outen und
damit sogar Politik machen wollen. Das kann durchaus erstaunen:
Schliesslich gelten Handarbeiten wie Sticken, Häkeln und Stricken
traditionell als Tätigkeiten, mit denen sich vorzugsweise „brave Mädchen“ und „gute Hausfrauen“ beschäftigen. Als Hort des Althergebrachten und als lebenslanges Trainingslager für das Ein- und Ausüben klassischer Geschlechterrollen – oder genauer gesagt einer
reaktionären Auffassung von „Weiblichkeit“.“
4
Abb. 10
3 Ron and Suzie Wong Scollon, Language in the Material World, London 2003.
74
4 Elisabet Freiss, Elke Gaugele, Elke Zobel, Sonja Eismann und Verena Kuhn, critical crafting
circle (hg.), craftista! Handarbeit als Aktivismus, Mainz, 2011. S. 8
75
Freitag 14. Februar 2014
Freitag den 14. Februar 2014
Gender-Themen
Die Tätigkeit des Häkelns wird, wie ja schon des Öfteren von mir
besprochen in meinen Texten, konnotiert mit weiblicher Handarbeit.
.
Es gibt aber durchaus auch ganz viele Männer, welche das Häkeln zum Hobby und sogar zum Beruf und zur Marketingsache
ausgebaut haben. So zum Beispiel die beiden jungen Männer mit
ihrem Label „Myboshi“ http://www.myboshi.net.1 „Die Gründer und
Geschäftsführer von myboshi sind Thomas Jaenisch und Felix Rohland aus Oberfranken. Felix und Thomas sind sportbegeisterte Outdoormenschen, die oft in der Natur unterwegs sind, als Skilehrer
natürlich auch im Winter. Sie wissen aus persönlicher Erfahrung,
auf was es bei einer Mütze ankommt, die mehr sein soll als ein
modisches Accessoire und sich im Outdooreinsatz bewähren muss.
Felix ist Boshiträger aus voller Überzeugung. Wenn er seine Boshi
mal nicht dabei hat, häkelt er halt schnell eine nach. Felix stammt
aus Helmbrechts in Oberfranken. Thomas ist passionierter Häkler,
kommt von der Häkelnadel nicht mehr los und häkelt nach wie vor
viele Prototypen. Thomas stammt aus Konradsreuth in der Nähe
von Hof.“
„Häkeln ist total hip. Besonders bei Männern. „Seit es die ,Boshi’Bücher gibt, kommen viele Männer zu uns und wollen genau diese
Mützen häkeln“, sagt Petra Pohl, Filialleiterin von „Wolle Rödel“ an
der Bongardstraße.“
2
Für mein Häkelprojekt hab ich eine Frau gebeten, ein männlich
aussehendes (wie ich mir das halt in meiner Fantasie vorstellte, ein
von einem Mann gehäkeltes Teil aussehen müsste) Häkelplätzchen
anzufertigen – was sie gerne für mich machte in braun, grau und
Schwarztönen. Wir schalteten es als „Köder“ auf die Startseite von
1 http://www.myboshi.net/Story/ Online 14. 02. 2014
2 http://www.derwesten.de/staedte/bochum/echte-kerle-haekeln-muetzen-aimpid8847334.html Online 14. 02. 2014
77
Freitag 14. Februar 2014
Freitag 14. Februar 2014
crochetpower.net (zu finden auf der obersten Tupfenreihe ganz links
unter dem braunen Tupfen) und mittlerweile hab ich vernommen,
dass einige Frauen ihre Männer am bearbeiten sind, dass sie für
mein Projekt eine Häkelblume häkeln sollen. Ich hoffe bald nebst
dem Fakemann noch weitere Häkler in der illustren Runde begrüssen zu dürfen.
Dann bin ich auf „Crafty Andy“ gestossen, ein in Amerika lebender Mann der
Häkeln zu seiner absoluten Leidenschaft
erklärt hat, http://www.craftyandy.net/p/
crochet-patterns-for-sale.html. Sobald der
englische Teil meiner Plattform crochetpower.net steht, möchte ich ihn mal anschreiben und fragen, ob er nicht eventuell Lust
hätte eine Häkelblume für mein Projekt
beizusteuern.
3
Das sind jetzt nur zwei Beispiele, aber
das Internet ist voll von Männern die Häkeln. (Seltsam nur, dass sich die Schweizer Männer so zieren und starken Widerstand zeigen).
Abb. 12
„ Zunehmend werden nun Lebensweisen sichtbar , die die Gesetze der konventionellen Geschlechterordnung zu durchkreuzen
scheinen. Lesbisch-schwules Begehren ist in den Medien und der
Kulturindustrie verstärkt präsent. So experimentieren Künstlerinnen wie Madonna, Lady Gaga, oder Peaches in ihren Videoclips
mit Formen von Queerness; in unrbanen Räumen entsteht ein
breites Angebot an entsprechenden Partys und Events; Lesben und
Schwule treten als politische Subjekte auf und fordern juridische
Gleichstellung homosexueller Lebensweisen in unterschiedlichen
gesellschaftlichen Bereichen.“
4
Auf Arte sah ich am Freitag den 7. Februar den Film, Das Neutrale Geschlecht, Neue Erziehungsmethoden in Schweden. Da wurde
gezeigt, dass in Schwedischen Kindergärten keine Unterschiede
zwischen den Geschlechtern gemacht werden. Alle Mädchen und
alle Jungs dürfen zum Beispiel Röcke tragen wenn sie das wollen
und sie werden nicht mit sie oder er betitelt, sondern mit einem neutralen Wort. „Hen“ sagten sie, was es genau bedeutet, weiss ich
nicht, auf jeden Fall stellt es ein neutrales Geschlecht dar. Dieser
Film hatte mich schwer beeindruckt.
„Es ist bekannt, dass es eine neue und bedeutsame Bewegung
von Personen gibt, die sich gegen korrigierende Genitaloperationen
bei Kindern wenden. Viele Kinder – schätzungsweise zwei bis drei
Prozent der Weltbevölkerung – werden mit Genitalien geboren, die
nicht eindeutig als männlich oder weiblich zu identifizieren sind.“
5
Das ist ein sehr grosses und extrem komplexes Thema.
„ Weltweit gibt es und zu allen Zeiten gab es Intersexuelle: Menschen, die bei der Geburt die Hebamme in Verwirrung bringen, weil
sie auf die erste Frage „was ist es denn“? nur antworten kann: „es
ist ein gesundes Kind“
6
„ Es steht in einer utopischen Tradition, die sich eine Welt ohne
Gender vorstellt, die vielleicht eine Welt ohne Schöpfung, aber möglicherweise auch eine Welt ohne Ende ist. Die Inkarnation der Cyborgs vollzieht sich ausserhalb der Heilsgeschichte. Cyborgs sind
Geschöpfe in einer Post-Gender-Welt.“
7
3 http://www.craftyandy.net/p/crochet-patterns-for-sale.html Online November 2013
4 Franziska Bergmann, Franziska Schlössler, Bettina Schreck,(Hg.), Gender Studies, Bielefeld 2012. S. 117
5 Hildegard Mogge-Grotjahn, Gender, Sex und Gender Studies, Eine Einführung.
Freiburg im Breisgau, 2004. S. 158
6 Ulla Fröhlich, Leben zwischen den Geschlechtern, Intersexualität – Erfahrungen in
einem Tabubereich. Berlin 2003, S. 13
7 Donna Haraway, Die Neuerfindung der Natur, Primaten, Cyborgs und Frauen. New
York 1995, S. 35
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79
Freitag 21. Februar 2014
Freitag 28. Februar 2014
Freitag den 21. Februar 2014
Freitag den 28. Februar 2014
Die definitive Verfügung der Invalidenversicherung ist da, der Einspruch wurde ignoriert. Ich habe nun definitiv keinen Anspruch mehr
auf Unterstützung und bin gezwungen, um Sozialhilfe zu betteln.
Unglaublich, ich bin bestürzt und fix und fertig – ein derber Rückschlag. Momentan hab ich keine Ahnung, woher ich noch die Kraft
für irgendetwas aufbringen und finden kann. Aber es muss weiter
gehen und dank der unermüdlichen tollen Unterstützung des Sozialarbeiters der mir seit Jahren immer wieder erfolgreich hilft in diesen
Belangen, setze ich nochmals an und lege Beschwerde beim Sozialversicherungsgericht gegen diesen Entscheid der IV ein. Liebe IV,
verfolgt doch wenn schon Versicherungsbetrüger und nicht kranke
Menschen die ums Überleben kämpfen! Danke!
Rund einen Monat nach Aufschaltung der Internetplattform crochetpower.net, sind schon unzählige Häkelblumen-Anmeldungen
eingetroffen und sieben gehäkelte Blumen per Post hier bei mir der
„Crochetpower Basisstation“ angekommen!
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:
Freitag 7. Marz 2014
:
Freitag 7. Marz 2014
:
Freitag den 7. Marz 2014
Alle eingetroffenen Häkelblumen werden einzeln von mir fotografiert, der von den HäklerInnen ausgewählten Platznummer zugeordnet und mit dem eingesandten Text versehen auf die Startseite von
crochetpower.net am der Platznummer entsprechenden Ort aufgeschaltet.
Abb. 14
Abb. 13
Jeder Partizipierende wählt auch seinen Farbtupfen selber aus
unter dem auf der Webseite (nach Anklicken) die Häkelblume erscheint. Danach verpacke und nummeriere ich die Häkelblumen, fotografiere wieder jede einzelne und lade diese dann auf Instagram.
Diese Dokumentation ist auf crochetpower.net unter dem Link „Instagram“ zu finden.
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Abb. 15
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:
Freitag 7. Marz 2014
Abb. 17
Die ersten Anmeldungen von Männern und sogar das erste Häkelplätzchen treffen ein. Ich bin hell begeistert. Obwohl es mir zur Zeit
psychisch wieder ganz akut hundslausig geht, bin ich fähig, mich zu
freuen über den tollen Erfolg meines Projektes und des durchwegs
positiven Feedbacks auch von wildfremden Menschen. Jeder der
mitgemacht hat (bis auf wenige Ausnahmen) gab mir im Nachhinein
das Feedback, dass sie regelrecht ins Häkelfieber verfallen seien
und wollten gleich ganz viele Blumen häkeln. Ich beschloss nachträglich die Anzahl Häkelteilchen pro Person auf drei zu beschränken,
dass möglichst viele verschiedene Menschen mitmachen können.
85
Abb. 16
Freitag 21. Marz 2014
:
:
Freitag 14. Marz 2014
Auf crochetpower.net gibt es eine Rubrik „Häkelgruppen“, da kann
man private und öffentliche Häkelgruppen anmelden. Öffentliche
Gruppen wurden bis dato noch nicht angemeldet, private dagegen
schon einige. Meine in den USA lebende Stiefschwester organisiert
nun in regelmässigen Abständen Häkelgruppen (nicht im Psychiatrie-Kontext, nur aus purer Freude am Häkeln und am Austausch
mit anderen) und lädt immer wieder andere Frauen dazu ein. Diese
häkeln dann momentan Häkelteilchen fürs Häkelblumennetz, welches ja im Juni in einer partizipativen Kunstaktion im Rahmen der
Diplomausstellung zusammen genäht wird.
Heute ist der vierte Todestag meines Vaters, es schmerzt nach
wie vor sehr. Ich vermisse ihn, seine Wärme, seine Liebe, seine
Farbigkeit (die zwar unübersehbar in mir weiterlebt, die Farbigkeit,
meine ich) und vieles mehr.
:
Freitag den 21. Marz 2014
:
Freitag den 14. Marz 2014
Künftig sollen öffentlich zugängliche Häkelgruppen entstehen, die
psychisch Kranken zum Austauschen dienen sollen. Die Plattform
crochetpower.net soll Austauschort solcher Gruppen sein.
Bei mir im Haus finden auch in unregelmässigen Abständen solche Häkelgruppen statt, bis anhin ausschliesslich mit weiblichen
Teilnehmerinnen.
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Freitag 28. Marz 2014
Freitag den 28. Marz 2014
Crip-Theorien, Disability Studies und Crip-Bewegungen
Auf diese Themen bin ich erst im Rahmen meiner Masterthesis
gestossen. Ich konnte mich vorerst nur marginal damit befassen.
Dies wird künftig aber von mir auf jeden Fall viel mehr Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch nehmen müssen. Mit diesen Themenfeldern werde ich mich eingehend befassen in den nächsten Jahren!
.
Ich selber bin nicht offensichtlich behindert, man sieht mir den
„Krüppel“ nicht an. Ich bin weder äusserlich deformiert, noch sitze ich im Rollstuhl, noch bin ich sonst mit „Behinderten Merkmalen gekennzeichnet“. Meine körperlichen Dysfunktionen, wie auch
die psychischen Belange, sieht man mir nicht von aussen an. Ich
wirke meistens sehr heiter und sehr fröhlich auf andere Menschen.
Dennoch sind sie da. Durch meine Krankheit Endometriose zum
Beispiel, welche mit dem elften Lebensjahr ausbrach und im sechzehnten Lebensjahr diagnostiziert wurde, war ich oft monatelang
ans Bett gefesselt, schon in jungen Jahren, durch diese Krankheit
war ich nicht nur aus dem sozialen Leben ausgeschlossen. Von
sämtlichen Ärzten wurde ich jahrzehntelang als Simulantin hingestellt. Diese Krankheit wurde erst in den vergangenen zehn Jahren
richtig bekannt und wahrgenommen. Jedoch so richtig erforscht ist
sie nach wie vor nicht. Erst mit dreissig Jahren kam ich zu einem
Endometriose-Spezialisten. Ebenfalls mit dreissig Jahren bekam ich
dann auch noch zusätzlich Fibromyalgie – was wiederum als nicht
wirklich existente Krankheit gilt. Komisch nur, dass einen dadurch
der ganze Körper täglich abartig schmerzt, um nur ein kleines Beispiel zu den Symptomen zu nennen. Meine Wirbelsäule ist leicht verbogen (Skoliose), viele Ärzte behaupten, dass diese zu wenig ausgeprägt sei, um mir reale Dauerschmerzen zu bereiten, das tut es aber!
Schon fast mein ganzes Leben lang. Meine psychischen Handycaps wurden hier in diesem Essay ja schon zur Genüge und mehrfach angesprochen, sind ebenfalls nicht beweisbar. Ich möchte nicht
länger Opfer sein. Deswegen gefällt mir diese Cripbewegung sehr.
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Freitag 28. Marz 2014
:
:
Freitag 28. Marz 2014
„Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und
Blinde, Kranke und Normalgestörte –
kommt mit uns raus auf die
Straße und feiert die Disability & Mad Pride Parade 2013!
1
:
Tanzt Barrieren weg! Hupft aus den Schubladen!
Scheisst auf Diagnosen!
Wir wollen eine Gesellschaft, die bereit ist, Barrieren abzubauen,
statt Menschen als „krank“, „gestört“ und „nicht normal“ auszusortieren! Wir verwahren uns dagegen, Experimentierfeld für problemorientierte Menschenverbesserungen zu sein. So, wie wir sind, sind
wir richtig!
Also: Küsst den Wahnsinn wach, liebt Krummbeine und Spasmus,
begehrt Krücken und Katheter! Malt Eurer Scham Pink und Glitzer
auf die Wange und lasst sie laufen! Rollt, humpelt, tastet Euch vor
– zum Hermannplatz, am 13. Juli, um 15 Uhr. Wir sind viele. Wir
verstören und verführen. Unser Leben gehört uns! Unsere Körper
gehören uns! Und zur Parade gehört uns auch die Straße!
Wir wurden Randgruppen zugeteilt und sind trotzdem hier, mitten
im Zentrum. Wir zeigen uns – unsere Buckel und schiefen Hüften,
unsere Neurosen und Verhaltensauffälligkeiten!“
„Moore co-founded Sins Invalid, the much-loved and very sexy
disability performance project back in 2004. Holding live productions
of trailblazing art pieces of many forms (dance, spoken-word, music), „Sins“ is a groundbreaking, beautiful blend of art and activism
with a commitment to „social and economic justice for all people with
disabilities... moving beyond individual legal rights to collective human rights.“ A guiding ethos of the organization is to celebrate artists
from historically marginalized communities (people with disabilities,
gender-variant, queer, people of color), showcasing incredible performances that challenge notions of normalcy, disability and sexuality.“
2
1 http://pride-parade.de/text.html Online 12. 11. 2013
2 http://bitchmagazine.org/post/tales-from-the-crip-love-letter-to-leroy-moore-disability-performance Online 02. 03. 2014
90
Ich möchte definitiv selber Dinge in dieser Richtung auf die Beine
stellen, ich denke meine Internetplattform crochetpower.net ist ein
kleiner Schritt dahin.
„Die Unterscheidung zwischen Behinderung und Nichtbehinderung, so wie wir sie heute treffen, ist eine Erfindung der Moderne. Zuvor wurde anderes unterschieden bzw. das Unterschiedene anders
benannt. Die Bezeichnung „Behinderung“ gewann erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Cornelia Renggli“
3
„Innerhalb der Disability Studies wird „Behinderung“ als Produkt
sozialer Organisation und als „kulturell/historisch konstruiert“ betrachtet. Eva Egermann.“
4
„Die Disability Studies sind ein recht junger Wissenschaftsansatz, der eng mit der Geschichte der internationalen Behindertenbewegung verbunden ist. In den vergangenen 30 Jahren zeigte die
internationale „Independent Living“-Bewegung auf, dass die wirklichen Probleme behinderter Menschen nicht in ihrer individuellen
Beeinträchtigung sondern in den ausgrenzenden gesellschaftlichen
Bedingungen, dem eingeschränkten Zugang zu gesellschaftlicher
Teilhabe und den massiven Vorurteilen gegenüber Behinderung
bestehen. Diese Sichtweise mündete in der Theorie vom sozialen
Modell von Behinderung, das in den USA und Großbritannien zur
gleichen Zeit von behinderten WissenschaftlerInnen erarbeitet und
dem vorherrschenden medizinischen Modell gegenüber gestellt
wurde. Nach dem medizinischen Modell ist Behinderung eine individuelle, krankhafte Störung, wohingegen sie im sozialen Modell als
gesellschaftliche Konstruktion betrachtet wird. (vgl. Degener 2003)
Es wird infrage gestellt, dass es einen kausalen Zusammenhang
zwischen dem Vorliegen einer Beeinträchtigung und dem BehindertWerden gibt.“
5
3 Crip Magazine, Wien 2012, S. 20
4 Crip Magazine, Wien 2012, S. 4
5 http://www.disability-studies-deutschland.de/dsd.php Online 06. 04. 2014
91
Freitag 4. April 2014
:
Freitag 28. Marz 2014
„We are, as Crosby, Stills, and Nash told their Woodstock audience, letting our „freak flag fly.“ And we are not only the high-toned
wheelchair athletes seen in recent television ads but the gangly,
pudgy, lumpy, and bumpy of us, declaring that shame will no longer
structure our wardrobe or our discourse. We are everywhere these
days, wheeling and loping down the street, tapping our canes, sucking on our breathing tubes, following our guide dogs, puffing and
sipping on the mouth sticks that propel our motorized chairs.“
6
Freitag den 4. April 2014
Über Facebook wurde ich aufmerksam gemacht auf Jürg Benninger: er ist ein häkelnder Künstler, der aktuell gerade in Luzern in
der Galerie Vitrine ausstellt. Ich bin absolut begeistert von seinen
Arbeiten, welche ich leider nur online bestaunen durfte bis jetzt (aus
schon bekannten Gründen, kann ich momentan nicht von Winterthur nach Luzern reisen)
„Wolle statt Farbe, Häkelnadel statt Pinsel. Der Künstler arbeitet mit Wolle und häkelt Kunstwerke. Die Technik des Häkelns, so
fremd sie auch erscheint, weist Ähnlichkeiten mit derjenigen des
Zeichnens auf. Die Figuren von Jürg Benninger sind keine Kuscheltiere, auch wenn sie durch ihre Materialität und Farbigkeit zum Anfassen animieren. Sie sind raffiniert, durchtrieben und fantasievoll.
Sie sind nicht einfach schrill und leuchtend sondern verbreiten einen
leisen Schauer. Beim Betrachten seiner hintergründigen Häkelwerke assoziiert man unausweichlich Gestalten, die man zu kennen
vermeint, und das Schmunzeln bleibt im Halse stecken. „Les bêtes
heureuses“ stammen aus einer anderen Welt. Sie sind von absurder
Komik beseelt und veritable Kunstwerke“
1
6 CLAIMING DISABILITY KNOWLEDGE AND IDENTITY, Simi Linton, FOREWARD
BY MICHAEL BERU BE, New York 1998, S. 3 - 4
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1 http://www.jjwb.ch/About-Jurg-Benninger Online 29. 03. 2014
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Freitag 11. April 2014
Freitag den 11. April 2014
Die meisten von mir organisierten Häkelgruppen fanden bis jetzt
im Nicht-Psychiatrie-Umfeld statt. Die Mehrheit meiner Freunde
oder Bekannten hat keine psychischen Probleme oder Erkrankungen. Es sind immer fröhliche Zusammenkünfte; es wird ausgetauscht, geklatscht und getratscht, Tee, Kaffee und Kuchen oder
ähnliches, ev. Prosecco und Wasser, oder was immer an Getränken
da ist oder mitgebracht wird, konsumiert. Es werden Häkelmuster
ausgetauscht oder man zeigt sich gegenseitig wie gewisse knifflige
Muster herzustellen sind, wenn es jemand nicht weiss. Ich zum Beispiel halte mich nicht unbedingt an reale Muster und häkle einfach
wild drauf los. Bestehende Häkelmuster muss ich mir immer Schritt
für Schritt erklären lassen, ansonsten sind sie für mein Gehirn zu
abstrakt, um sie erfassen und verstehen zu können. Die Feedbacks
der Teilnehmer sind meist in heller Begeisterung und es wird immer
eine Wiederholung des Geschehnisses gewünscht. Auch was meine Stiefschwester mir aus Amerika berichtet, sind das ausschliesslich Häkelgruppen im Nicht-Psychiatrie-Umfeld, die sie leitet – näher
beschreibt sie diese Events in ihrer E-Mail Interview-Antwort.
Aber es liegt noch einiges an Arbeit vor mir, um diese Gruppen
mit psychisch Kranken organisieren zu können; die meisten von mir
vor Wochen in Praxen und Kliniken aufgelegten Flyer liegen noch
beinahe unberührt da. Aber eventuell ergibt sich da ja später auch
ein Arbeitsfeld für mich in einer für mich möglichen und geeigneten
Form des Arbeitens und des Geld-Verdienens. Denn im Gegensatz
zur Meinung der meisten Menschen bin ich sehr wohl gewillt, mir
meinen Lebensunterhalt selber zu verdienen – nur ist das für mich
leider nicht in jedem Kontext, zu jeder Zeit und in jedem Arbeitsumfeld möglich, es müsste zur Zeit noch eher einem „geschützten
Arbeitsplatz“ ähneln (Ich glaube, dieser Ausdruck ist zwar mittlerweile nicht mehr politisch korrekt, mir ist jedoch der korrekte nicht
geläufig)...
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Abb. 18
Abb. 19
Resume-
ResumeDa die schriftliche eng mit der praktischen Masterthesis verhäkelt
ist, wird sich das auch im Resumée spiegeln müssen.
.
Anfangs meiner theoretischen Arbeit habe ich stets freitags meine
Texte zum „Arbeitstagebuch“ geschrieben. Irgendwann im Februar
bin ich durch die Geschichte mit der Invalidenrente so aus dem Konzept geraten, dass es einen Unterbruch gab. Dann habe ich eine
Weile lang nur noch Stichworte aufgeschrieben und die fehlenden
Texte in den folgenden Wochen im Nachhinein ergänzt. Als das
Ganze Schreiben und künstlerische Arbeiten noch in regelmässiger
Synchronizität lief, hat es richtig Spass gemacht und mir sehr geholfen, meine eigene Arbeit besser zu verstehen. Für mich war das
Artistbook die ideale Art und Form diese Thesis zu schreiben.
Einige mir sehr wichtige Themen konnte ich viel zu wenig vertiefen, da sie einfach zu komplex sind, um auf die Schnelle abgehandelt werden zu können. So werde ich mich in die Materie zum Thema Cripmovement zum Beispiel nach dem Diplom weiter vertiefen.
Ich bin eine Quereinsteigerin in der Theorie: will heissen, ich bin
über die Kunst zum Masterstudium gekommen, ich habe nie ein
Gymnasium von innen gesehen und habe lediglich eine Sonderschule besucht – das ist natürlich alles wiederum eng verhäkelt mit
meiner Lebensgeschichte. Ich habe das Studium 1999 an der HSLU
begonnen und musste es diverse Male unterbrechen. 2010 machte
ich den Bachelor in Kunst und Vermittlung und wiederum vier Jahre
später ist es unglaublicherweise fast soweit, dass ich es nun endlich
zum Abschluss des Masters bringen kann.
Durch mein aktuelles künstlerisches Projekt haben sich viele
neue Kontakte ergeben. Einige habe ich schon persönlich kennen
gelernt, hier bei mir zuhause, einige werde ich noch später treffen.
Dies bedeutet, es ist mir – zumindest zum Teil – gelungen aus meinem Schneckenhaus hervor zu kommen. Der nächste grosse Schritt
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Resume-
Resume-
wird sein, dass ich versuchen werde, mein Expositionstraining wieder aufzunehmen, denn ich möchte gerne im Juni zur Diplomierung
und zum Anleiten meiner Kunstaktionen im Rahmen der Master Diplomausstellung nicht nur über den Bildschirm per Skype in Luzern
anwesend sein sondern real – ich hoffe ich werde es schaffen!!!
schiedenen Sozialmedia-Plattformen habe ich ebenfalls Werbung
gemacht. Da es ein Langzeitprojekt ist, darf der Prozess auch Zeit
brauchen, bis die Plattform ein Austausch-Ort wird für verschiedene
Anliegen. In der kommenden Zeit werde ich auch noch diverse PrintMedien kontaktieren wie Zeitungen, Zeitschriften etc. ...
Es freut mich auch, dass ich aufgrund meiner website eine Anfrage bekommen habe, in einem Dokfilm mitzumachen und eine Anfrage für ein Interview, respektive in einer Kunstzeitschrift in einem
Artikel zu erscheinen. Bis zum definitiven Zustandekommen möchte
ich noch nicht mehr dazu sagen. Mein Projekt wurde ausserdem
in Italien in Blogna in einer Radiosendung im Sender Radio Città
Fujiko 103.1 in der Sendung „Coxo Spaziale“ erwähnt und es wurde
ein Aufruf zur Partizipation gestartet von meinen Künstlerfreunden
Alex Meszmer, Reto Müller und Stefano W. Pasquini Hier der Podcast dazu http://www.stefpasquini.com/coxo/podcast/CoxoSpaziale2014-04-04.mp3 Erwähnung auf (1:17:19)!
Ich habe alle in diesem Büchlein erwähnten Künstlerinnen
und Künstler (welche ich alle nicht kannte vorher) persönlich angefragt, ob sie sich in der einen oder andern Art am Projekt beteiligen möchten. Vereinbaren konnte ich dabei, dass ich mich
im August zum Häkeln hier bei mir mit Regula Michell und Meret Wandeler treffen werde, die seit 2004 am Langzeitprojekt
„Das Häkelobjekt“ (www.haekelobjekt.ch) zusammen arbeiten.
Jürg Benninger hat auf meine Anfrage hin zugesagt, für mich eine
Blume zu häkeln, fürs Häkelblumennetz.
Der Kontakt zu den Betroffenen, den psychisch Kranken, läuft
noch ziemlich schleppend. Schätzungsweise haben sich an der
Häkelaktion fast nur sogenannt gesunde Menschen beteiligt. Ca.
hundert Häkelblumen wurden mir bis jetzt zugesandt. Sobald ich die
schriftliche Arbeit abgegeben habe werde ich mich da noch stärker
kümmern können. Bis anhin habe ich achthundert Flyer an Psychiatriepraxen, Kliniken und Ergotherapien versendet und ca. hundert
persönlich verteilt oder diversen Leuten mitgeben können. Auf ver98
99
Quellenverzeichnis
Quellenverzeichnis
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Crip Magazine, Wien 2012, S. 20.
.
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Elisabet Freiss, Elke Gaugele, Elke Zobel, Sonja Eismann und
Verena Kuhn, critical crafting circle (Hg.), craftista! Handarbeit als
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Ulla Fröhlich, Leben zwischen den Geschlechtern, Intersexualität
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101
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wertheim_crochets_the_coral_reef.html?utm_medium=on.ted.
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http://crochetnirvana.weebly.com/1/post/2012/08/the-grannysquare-project-part-i.html, online 16. 01. 2014.
Abbildungsverzeichnis
Alle Abbildungen Fotos von Sabina Speich
ausser: Abb. 02: S. 13 Foto von Bettina Wunderli
Abb. 12: S. 78 Foto von Anonymus
am 09.04.2014 um 16:27 via Facebook E-Mail
vermacht an Sabina Speich
http://www.patchwork.rhoenovations.de/geschichte.html, online
17. 01. 2014.
http://www.myboshi.net/Story/, online 14. 02.2014.
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/echte-kerle-haekemuetzen-aimp-id8847334.html, online 14. 02. 2014.
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http://www.jjwb.ch/About-Jurg-Benninger, online 29. 03. 2014.
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Layout: Bettina Wunderli „La boîte de couleurs“
in enger Zusammenarbeit mit Sabina Speich.

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