Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung über das auf
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Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung über das auf
Stone, Peter A. Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht The European Legal Forum (D) 4, 2004, 213 - 229 © 2004 IPR Verlag GmbH München The European Legal Forum - Internet Portal www.european-legal-forum.com Literatur Dok.-Nr. 518 INTERNATIONALES PRIVAT- UND VERFAHRENSRECHT __________________________________________________________________________________________________ Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Prof. Peter Stone EINLEITUNG 1 Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung Am 22. 7. 2003 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse an2 zuwendende Recht (“Rom II”) vorgelegt. Der Verordnungsvorschlag stützt sich auf die Bestimmungen des Titels IV EGV, der den Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen vorsieht, darunter auch Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitglied3 staaten geltenden Kollisionsnormen. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Nizza werden solche Maßnahmen im Wege des Verfahrens der Mitentscheidung gem. Art. 251 EGV ge4 meinsam von Parlament und Rat angenommen. Gemäß Titel IV getroffene Maßnahmen finden keine Anwendung im Verhältnis zu Dänemark und sind für das Vereinigte Königreich und Irland nur dann bindend, soweit diese ihre Teil5 nahme an der jeweiligen Maßnahme erklärt haben. Wie jedoch bereits bei allen vorangegangenen Maßnahmen auf dem Bereich des Internationalen Privatrechts haben das Vereinigte Königreich und Irland auch bezüglich Rom II erklärt, dass sie * 1 2 3 4 5 sich an der Annahme und Anwendung dieser Maßnahme 6 beteiligen möchten. Somit wird die Verordnung auf alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks Anwendung finden. Der Verordnungsvorschlag sieht das Inkrafttreten der Ver7 ordnung zum 1. 1. 2005 vor. Voraussichtlich wird es jedoch zu weiteren Verzögerungen kommen. Der Vorschlag für die Rom II-Verordnung enthält Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse (unerlaubte Handlungen und sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse). Die Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse sind bereits auf EU-Ebene durch das römische EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) vom 19. 6. 1980 gere8 gelt. Die Kommission hat unlängst ein Grünbuch über die Umwandlung des EVÜ in ein Gemeinschaftsinstrument sowie 9 über seine Aktualisierung verfasst. Es ist abzusehen, dass dies in nächster Zukunft zu einem Vorschlag der Kommission für eine Rom I-Verordnung führen wird, die das EVÜ mit ergänzenden Bestimmungen ersetzen soll. Auch in verschiedenen anderen EU-Richtlinien sind Kollisionsnormen enthalten, wie 10 beispielsweise in der Direktversicherungsrichtlinie , Ver11 brauchsgüterkaufsrichtlinie , der Richtlinie über die Entsen6 Der Verfasser ist Professor an der juristischen Fakultät der Universität von Essex (UK). 7 Vgl. EuLF 2003 (D), S. 232 ff. 8 Dokument KOM (2003) 427 endgültig. Vgl. insbesondere Art. 61, 65 und 67-69 des Vertrags. Wie in den Erwägungsgründen 2-3 des Verordnungsvorschlags ausgeführt, berücksichtigt der Vorschlag für die Rom II-Verordnung den Aktionsplan des Rats und der Kommission (ABl. 1999, C19), die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats in Tampere vom Oktober 1999 und das Programm zur gegenseitigen Anerkennung (ABl. 2001, C12, S. 1). Ausgenommen sind Maßnahmen im Bereich des Familienrechts. Diese werden vom Rat durch einstimmigen Beschluss angenommen, wobei das Parlament nur eine beratende Rolle einnimmt. Vgl. Art. 69 des Vertrags und die dazugehörigen Protokolle. Vgl. auch Erwägungsgründe 22-23 und Art. 1 Nr. 3 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung. * 9 10 11 Vgl. hinsichtlich des Vereinigten Königreichs, Dokument des Rats 13903/03, JUSTCIV 205, CODEC 1459, 27. 10. 2003; hinsichtlich Irlands, Dokument des Rats 14119/03, JUSTCIV 219, CODEC 1494, 28. 10. 2003. Vgl. Art. 27 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung. Für die konsolidierte Fassung nach den Beitritten, vgl. ABl. 1998, C 27, S. 34. Dokument KOM (2002) 654 endgültig. Vgl. zur Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) Art. 7 Richtlinie 88/357 (ABl. 1988, L 172, S. 1), geändert durch Art. 27 Richtlinie 92/49 (ABl. 1992, L 228, S. 1); und zur Direktversicherung (einschließlich der Lebensversicherung), Art. 4 Richtlinie 90/619 (ABl. 1990, L330, S. 50). Vgl. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L95, S. 29); Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 97/7 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, L 144, S. 19); Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. 1999, L 171, S. 12); Art. 12 Abs. 2 Richtlinie Heft 4-2004 The European Legal Forum 214 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ 12 dung von Arbeitnehmern sowie in der Insolvenzverordnung 13 1346/2000 . Bislang wurde jedoch noch keine EU-Maßnahme verabschiedet, die Kollisionsnormen für unerlaubte Handlungen oder sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse vor14 sieht. Diese Lücke soll mit dem Vorschlag für die Rom IIVerordnung gefüllt werden. In den Erwägungsgründen 4 und 8 wird die Zielsetzung dargestellt, die der vom Vorschlag für die Rom II-Verordnung beabsichtigten Vereinheitlichung der Kollisionsnormen zugrunde liegt: Der Ausgang von Rechtsstreitigkeiten soll berechenbarer gemacht werden und die Rechtssicherheit sowie der freie Verkehr gerichtlicher Entscheidungen sollen gefördert werden, indem, unabhängig davon, in welchem Staat sich das Gericht befindet, an dem die Klage eingereicht worden ist, stets dasselbe nationale Recht anwendbar ist. Zudem soll ein angemessener Interessenausgleich zwischen der Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und dem Geschädigten gewährleistet werden. Sachlicher Anwendungsbereich Gem. Art. 1 Nr. 1 gilt der Vorschlag für die Rom IIVerordnung für außervertragliche zivil- und handelsrechtliche Schuldverhältnisse, die eine Kollision zwischen den Rechtsnormen aufweisen, mit Ausnahme von Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten. Wie die einleitende Begründung im Verordnungsvorschlag 15 erläutert, ist der Begriff der zivil- und handelsrechtlichen Schuldverhältnisse als ein eigenständiger Begriff des Gemeinschaftsrechts zu verstehen und muss so ausgelegt werden, dass 16 die Verordnung Brüssel I , das EVÜ und die Rom IIVerordnung eine einheitliche Gesamtregelung bilden, die das Internationale Privatrecht der zivil- und handelsrechtlichen Schuldverhältnisse allgemein erfasst. Die Rom II-Verordnung wird somit nur auf zivilrechtliche Ansprüche Anwendung finden und nicht auf Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und einer Behörde wegen Maßnahmen, welche die Behörde im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben durchgeführt hat oder die auf ein Rechtsverhältnis zurückzuführen sind, welches die Ausübung staatlicher Gewalt beinhaltet und über die in rein privatrechtlichen Beziehungen zulässigen Befugnisse 2002/65 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher (ABl. 2002, L 271, S. 16); und Art. 9 Richtlinie 94/47 zum Schutz der Käufer im Hinblick auf den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (ABl. 1994, L 280, S. 83). 12 13 14 15 16 Vgl. Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1). Vgl. auch Art. 17 und 18 Richtlinie 86/653 betreffend selbständige Handelsvertreter, ausgelegt in EuGH 9. 11. 2000 – C-381/98 – Ingma/Eaton Leonard, Slg. 2000, I-9305. ABl. 2000, L 160, S. 1. In den Verhandlungen, die im Jahr 1980 zur Verabschiedung des Übereinkommens von Rom führten, war lange Zeit beabsichtigt gewesen, auch unerlaubte Handlungen und sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse sowie vertragliche Schuldverhältnisse mit einzubeziehen. Um einen schnelleren Abschluss der Verhandlungen herbeizuführen, wurde das Übereinkommen schließlich auf vertragliche Schuldverhältnisse beschränkt. Auf Gemeinschaftsebene wurde die Arbeit an den Kollisionsnormen für unerlaubte Handlungen und sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse erst wieder gegen Ende der 90er Jahre aufgenommen. Dokument KOM (2003) 427 endgültig, S. 8. Verordnung 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1). hinausgeht. 17 Umfasst sind zwei Arten von außervertraglichen Schuldverhältnissen: Kapitel II, Abschnitt 1, Art. 3-8 regelt die auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften und Kapitel II, Abschnitt 2, Art. 9 regelt die auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus anderer als unerlaubter Handlung anzuwendenden Vorschriften. In Kapitel II, Abschnitt 3, Art. 10-25 sind weitere Vorschriften enthalten, die sowohl auf unerlaubte Handlungen als auch auf sonstige außervertragliche Schuldverhältnisse Anwendung finden. Der Verordnungsvorschlag enthält keine Definition der unerlaubten Handlung, aber der Begriff bezieht sich offensichtlich auf deliktische Schuldverhältnisse, die nicht auf einer Vertrags- oder Vertrauensverletzung beruhen und die eine Ersatzpflicht für entstandene Schäden begründen. Im Gegensatz dazu betrifft die zweite Gruppe die sonstigen außervertraglichen Schuldverhältnisse, denen keine unerlaubte Handlung, sondern ungerechtfertigte Bereicherung oder Ge18 schäftsführung ohne Auftrag zu Grunde liegt. Aus Platzgründen beschränkt sich dieser Beitrag auf unerlaubte Handlungen und soll nicht auf die sonstigen außervertraglichen Schuldverhältnisse eingehen. Artikel 1 Nr. 2 des Verordnungsvorschlags nimmt bestimmte Schuldverhältnisse vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Der Ausschluss von außervertraglichen Schuldverhältnissen, die auf einem Familienverhältnis oder einem diesem gleichgestellten Verhältnis (einschließlich Unterhaltspflichten) beruhen, oder die sich aus ehelichen Güterständen und Erbsachen ergeben (Art. 1 Nr. 2 lit. a-b) folgt daraus, dass es bislang keine vereinheitlichten familienrechtlichen Kollisionsnormen für die sonstigen familienrechtlichen Fragen auf 19 Gemeinschaftsebene gibt. Die in Art. 1 Nr. 2 lit. c normierte Ausnahme von außervertraglichen Schuldverhältnissen aus Wechseln, Schecks, Eigenwechseln und anderen handelbaren Wertpapieren, sofern die Verpflichtungen aus diesen anderen Wertpapieren aus deren Handelbarkeit entstehen, entspricht der Regelung im EVÜ und berücksichtigt die Übereinkommen von Genf vom 7. 6. 1930 und 19. 3. 1931 über Kollisionsnormen auf dem Gebiete des internationalen Wechselprivat20 rechts bzw. des internationalen Scheckprivatrechts. Der Umstand, dass Art. 1 Nr. 2 lit. d die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person sowie die persönliche gesetzliche Haftung der mit der Pflichtprüfung der Rechnungslegungsunterlagen beauftragten Personen ausschließt, spiegelt den Gedanken wieder, dass sich diese Frage nicht von dem für die Gesellschaft oder juristische 21 Person geltenden Recht trennen lässt. Der Ausschluss von außervertraglichen Schuldverhältnissen zwischen den Verfü17 18 19 20 21 Vgl. EuGH 14. 10. 1976 – 29/76 – LTU/Eurocontrol, Slg. 1976, 1541; EuGH 16. 12. 1980 – 814/79 – Netherlands/Rüffer, Slg. 1980, 3807; EuGH 21. 4. 1993 – C-172/91 – Sonntag/Waidmann, Slg. 1993, I-1963; EuGH 1. 10. 2002 – C-167/00 – VK./Henkel, Slg. 2002, I-8111; EuGH 14. 11. 2002 – C-271/00 – Gemeente Steenbergen/Baten, Slg. 2002, I10489 = EuLF 2003 (D), S. 90; EuGH 15. 5. 2003 – C-266/01 – Tiard, Slg. 2003, I-4867; EuGH 15. 1. 2004 – C-433/01 – Freistaat Bayern/Blijdenstein = EuLF 2004 (D), S. 43; und EuGH 5. 2. 2004 – C265/02 – Frahuil/Assitalia = EuLF 2004 (D), S. 42. Vgl. die einleitende Begründung, S. 8, 9. Vgl. die einleitende Begründung, S. 9. Vgl. die einleitende Begründung, S. 9, 10. Das Vereinigte Königreich ist kein Übereinkommensstaat dieses Genfer Übereinkommens. Vgl. die einleitende Begründung, S. 10. The European Legal Forum Heft 4-2004 215 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ genden, den Treuhändern und den Begünstigten eines “Trusts“ gem. Art. 1 Nr. 2 lit. e, beruht darauf, dass Trusts eine eigene Rechtsform darstellen. Letztlich erfolgt der Ausschluss außervertraglicher Schuldverhältnisse gem. Art. 1 Nr. 2 lit. f auf Grund der Tatsache, dass die Staaten nach der internationalen Regelung über die Atomhaftung durch zahlreiche Staatsverträge zum Ersatz von Schäden durch Kern22 energie beitragen. Räumlicher Anwendungsbereich Gem. Artikel 2 ist das vom Vorschlag für die Rom IIVerordnung bezeichnete Recht auch dann anzuwenden, wenn es nicht das eines Mitgliedstaats ist. Diese Regelung entspricht der im EVÜ enthaltenen Vorschrift und verhindert die absolut widernatürliche Komplexität, die entstehen würde, wenn man zwischen Sachverhalten mit reinem EG-Bezug und Sachver23 halten mit Drittlandsberührung unterscheiden wollte. Art. 21 Abs. 1 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung entspricht Art. 19 EVÜ, der klarstellt, dass, wenn ein Staat mehrere Gebietseinheiten umfasst, von denen jede für außervertragliche Schuldverhältnisse ihre eigenen Rechtsnormen hat, für die Bestimmung des nach dem Verordnungsvorschlag anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat gilt. Entsprechend ergänzt Art. 21 Abs. 2, dass ein Staat, in dem verschiedene Gebietseinheiten eigene Rechtsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse haben, nicht verpflichtet ist, den Verordnungsvorschlag auf Kollisionen zwischen den Rechtsnormen dieser Gebietseinheiten anzuwenden. Zweifellos wird es das Vereinigte Königreich, wie auch bereits im Fall des EVÜ, ablehnen, die letztere Bestimmung, welche eine sinnlose Komplexität und Verwirrung schaffen würde, anzuwenden. Art. 18 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung sieht vor, dass Einrichtungen und Anlagen auf dem Festlandsockel, Seefahrzeuge auf hoher See und im Luftraum befindliche Luftfahrzeuge in bestimmten Fällen für die Zielsetzung des Verordnungsvorschlags als Teil des Hoheitsgebiets eines bestimmten Staats zu behandeln sind. Wie die einleitende Begründung ausführt, orientieren sich diese Bestimmungen an einem niederländischen Gesetz vom 11. 4. 2001 und sollen bestimmte Sachverhalte regeln, in denen ein in dem Vorschlag verwendeter Anknüpfungspunkt – wie zum Beispiel der Ort des schädigenden Ereignisses – im Sinne von Art. 3 Abs. 1 auf einen außerhalb des nationalen Hoheitsgebiets belegenen Ort 24 verweist. Gem. Art. 18 lit. a sind die Einrichtungen und sonstigen Anlagen zur Exploration und Gewinnung natürlicher Ressourcen, die sich in, auf oder über einem Teil des Meeresgrunds befinden, der außerhalb der Hoheitsgewässer dieses Staates liegt, dem Hoheitsgebiet eines Staates gleichgestellt, soweit dieser Staat auf Grund des Völkerrechts ermächtigt ist, dort Hoheitsrechte zum Zwecke der Exploration und Gewin25 nung natürlicher Ressourcen auszuüben. Gem. Art. 18 lit. b ist ein auf hoher See befindliches Seefahrzeug, das von diesem Staat oder in dessen Namen registriert oder mit einem Schiffszertifikat oder einem gleichgestellten Dokument versehen ist oder dessen Eigentümer Angehöriger dieses Staates ist, dem Hoheitsgebiet eines Staates gleichgestellt. Art. 18 lit. c erstreckt das Hoheitsgebiet eines Staates auch auf im Luftraum befindliche Luftfahrzeuge, die von diesem Staat oder in dessen Namen registriert oder im Luftfahrzeugregister eingetragen worden sind oder deren Eigentümer Angehöriger dieses Staates ist. Während Art. 18 lit. a, der Anlagen auf dem Festlandsockel regelt, kein Diskussionspotential innewohnt, scheinen Art. 18 lit. b und c echte Schwierigkeiten hervorzurufen. Zum einen bleibt unklar, ob die Bestimmungen nur auf solche Streitigkeiten Anwendung finden sollen, die auf Ereignissen an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs beruhen. Eine solche Eingrenzung erscheint wünschenswert, da es wenig Sinn machen würde im Falle eines Zusammenstoßes auf (oder über) hoher See zwischen zwei Schiffen (oder zwei Flugzeugen), die in verschiedenen Ländern registriert sind, jedes Schiff (oder Flugzeug) so zu behandeln, als ob das schädigende Ereignis in 26 seinem eigenen Registrierungsland eingetreten sei. Dies würde nämlich zu dem Ergebnis führen, dass jeder einzelne der gegenseitigen Ansprüche zwischen den Inhabern des Schiffes (oder Flugzeuges) gem. Art. 3 Abs. 1 dem Recht des Staates unterliegen würde, in dem das Schiff (oder Flugzeug) des jeweiligen Klägers registriert wäre. Auch erscheint klärungsbedürftig, ob Art. 18 lit. c nur für solche Flugzeuge gelten soll, die entweder über hoher See oder aber in einer solchen Höhe fliegen, dass sie nicht mehr dem Hoheitsgebiet des darunterliegenden Staates unterfallen. Eine solche Einschränkung erscheint wünschenswert, da keine Notwendigkeit besteht, die Position eines Flugzeuges bewusst unberücksichtigt zu lassen, sofern sich dieses über einem Staat und innerhalb dessen Hoheitsgebiet befindet. Schließlich kann auch in Frage gestellt werden, ob eine solche spezielle Bestimmung für Schiffe und Flugzeuge wirklich wünschenswert erscheint. Soweit das Recht des Registrierungslandes (oder ein ähnliches Anknüpfungskriterium) auf eine unerlaubte Handlung in Zusammenhang mit einem Schiff oder Flugzeug Anwendung findet, hätte man auch die Bestimmung des Art. 3 Abs. 3 heranziehen können, die auf das Kriterium der offensichtlich engeren Verbindung zurückgreift. Verhältnis zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten Art. 23 Abs. 1 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung stellt klar, dass dieser nicht die Anwendung derjenigen Bestimmungen beeinträchtigen soll, die in den Verträgen der EuServices, Slg. 2002, I-2013. Hier entschied der EuGH in einem arbeitsrechtlichen Streitfall, dass Einrichtungen und Anlagen, die sich auf dem angrenzenden Festlandsockel befinden, zum Zwecke der Feststellung der Zuständigkeit gemäß EuGVÜ und EuGVO als Teile des angrenzenden Staates anzusehen sind. 26 22 23 24 25 Vgl. die einleitende Begründung, S. 10, die auf das Pariser Übereinkommen vom 29. 7. 1960, das Brüsseler Zusatzübereinkommen vom 31. 1. 1963, das Wiener Übereinkommen vom 21. 5. 1963, das Abkommen zur Bereitstellung zusätzlicher Entschädigungsmittel vom 12. 9. 1997 und das Protokoll vom 21. 9. 1988 Bezug nimmt. Vgl. die einleitende Begründung, S. 10, 11. Vgl. die einleitende Begründung, S. 29, 30. Vgl., ebenso, EuGH 27. 2. 2002 – C-37/00 – Weber/Universal Ogden Vgl. EuGH 5. 2. 2004 – C-18/02 – DFDS Torline/SEKO = EuLF 2004 (D), S. 38. Hierbei ging es um eine in Dänemark erhobene Klage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Aufrufs zu Arbeitskampfmaßnahmen einer schwedischen Gewerkschaft, welche die Interessen der polnischen Besatzung eines zwischen Schweden und England verkehrenden dänischen Schiffes vertrat. Der EuGH entschied, dass für die Feststellung der Zuständigkeit nach Artikel 5 Nr. 3 EuGVÜ und EuGVO die Staatszugehörigkeit oder Flagge des Schiffes nur dann entscheidend sei, wenn das nationale Gericht zu dem Ergebnis gelange, dass der Schaden an Bord des Schiffs eingetreten sei. Heft 4-2004 The European Legal Forum 216 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ ropäischen Gemeinschaften oder in Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaften enthalten sind, und: (i) die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse vorsehen; oder (ii) Vorschriften enthalten, die unabhängig von dem nach dieser Verordnung maßgebenden einzelstaatlichen Recht, auf das außervertragliche Schuldverhältnis anzuwenden sind; oder (iii) der Anwendung einer Bestimmung oder Bestimmungen nach dem am Gerichtsort oder dem Verordnungsvorschlag geltenden Recht entgegenstehen. Wie Erwägungsgrund 19 und die einleitende 27 Begründung verdeutlichen, beziehen sich die drei Unterpunkte dieser eindeutigen Vorschrift auf gemeinschaftsrechtliche Kollisionsnormen für besondere Rechtsbereiche und setzen sich über gemeinschaftsrechtliche Eingriffsnormen und den gemeinschaftsrechtlichen Vorbehalt der öffentlichen Ordnung hinweg. Wesentlich mehr Konfliktpotential beinhaltet Art. 23 Abs. 2, der bestimmt, dass von diesem Verordnungsvorschlag die Gemeinschaftsrechtsakte für besondere Bereiche unberührt bleiben, welche in dem jeweils koordinierten Bereich die Erbringung von Dienstleistungen oder die Lieferung von Waren den nationalen Bestimmungen unterwerfen, die im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats anwendbar sind, in dem der Dienstleistende niedergelassen ist, und die in dem koordinierten Bereich eine Beschränkung des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Waren aus einem anderen Mitgliedstaat gegebenenfalls nur unter bestimmten Bedingungen erlauben. 28 Wie Erwägungsgrund 19 und die einleitende Begründung ausführen, betrifft dies die dem Binnenmarkt eigenen Grundsätze, die gemeinhin unter den „Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung“ und unter den „Grundsatz der Herkunftslandkontrolle“ subsumiert werden, und diese Verordnung zielt nicht darauf ab, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs, zu behindern. Diese Bestimmung soll offensichtlich die E-Commerce-Lobby beschwichtigen, die die absurde Theorie propagiert hat, dass Maßnahmen wie die 29 E-Commerce Richtlinie 2000/31 auf irgendeine Art und Weise auch die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendba30 re Recht für zivilrechtliche Ansprüche berühren. Aus Sicht des Verfassers erscheint es nicht wünschenswert, derartige Argumentationen auch nur im Ansatz zu bestärken. Aber es bleibt zu erwähnen, dass Art. 23 Abs. 2 lediglich eine Vorbehaltsklausel für die sonst gegebene Wirkung von Rechtsakten wie der Richtlinie 2000/31 darstellt. Sofern, was ganz eindeutig der Fall zu sein scheint, keine derartigen Wirkungen in dieser Hinsicht bestehen, wird der EuGH dies zweifellos zu gegebener Zeit auch aussprechen, und die jeweilige Lobby wird dann die ihr gebührende Enttäuschung erleben. Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen Gem. Artikel 25 berührt der Vorschlag für die Rom IIVerordnung nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung angehören und die in besonderen Bereichen Kollisionsnormen für außervertragliche Schuldverhältnisse vorsehen. Gem. Artikel 26 haben die Mitgliedstaaten ein Verzeichnis der betreffenden Überereinkommen an die Kommission zu übermitteln, das von dieser im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird. Wie Erwägungsgrund 20 verdeutlicht, soll die Veröffentlichung des Verzeichnisses die Übersicht über die Rechtsakte erleichtern. 31 Wie die einleitende Begründung ausführt, gehören zu diesen Übereinkommen unter anderem das Haager Übereinkommen über das auf Verkehrsunfälle anzuwendende Recht (1971) sowie das Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftung anzuwendende Recht (1973). Dem Übereinkommen von 1971 sind unter anderem Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Spanien, Österreich, Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Lettland und Litauen 32 beigetreten. Übereinkommensstaaten des Übereinkommens von 1973 sind unter anderem Frankreich, die Niederlande, 33 Luxemburg, Spanien, Finnland und Slowenien. DIE GRUNDREGELN FÜR UNERLAUBTE HANDLUNGEN Einleitung Die Grundregeln über das auf fast alle außervertraglichen Schuldverhältnisse aus unerlaubter Handlung anzuwendende 34 Recht sind in Art. 3 des Vorschlags für die Rom IIVerordnung enthalten. Artikel 3 bestimmt: 1. Auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ist unabhängig davon, in welchem Staat das schädigende Ereignis eintritt und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind, das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt oder einzutreten droht. 2. Wenn die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben, unterliegt das außervertragliche Schuldverhältnis dem Recht dieses Staates. 3. Wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, gilt ungeachtet der Absätze 1 und 2 das Recht dieses anderen Staates. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem 31 27 28 29 30 Vgl. die einleitende Begründung, S. 31. 32 Vgl. die einleitende Begründung, S. 31. ABl. 2000, L 178, S. 1. Vgl. Stone, Internet Consumer Contracts and European Private International Law, (2000) Band 9 Information & Communications Technology Law, S. 5, und Stone, The Treatment of Electronic Contracts and Torts in Private International Law under European Community Legislation, (2002) Band 11 Information & Communications Technology Law, S. 121. 33 34 Vgl. die einleitende Begründung, S. 32. Andere Vertragsparteien sind die Schweiz, Bosnien-Herzegovina, Kroatien, Mazedonien, Serbien-Montenegro und Weißrussland. Andere Vertragsparteien sind Norwegen, Kroatien, Mazedonien und Serbien-Montenegro. Die in Art. 4-8 verankerten Sonderbestimmungen für bestimmte unerlaubte Handlungen (Produkthaftung; unlauterer Wettbewerb; Verleumdung und die Verletzung der Privatsphäre; Umweltschäden und die Verletzung von geistigem Eigentum) sind nachfolgend auf S. 224228 berücksichtigt. The European Legal Forum Heft 4-2004 217 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ anderen Staat kann sich insbesondere aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wie einem Vertrag, der mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht, ergeben. Verschiedene allgemeine Merkmale des Artikel 3 verdienen eine nähere Erläuterung. Erstens ist anzumerken, dass Artikel 3, trotz seiner dreifachen Untergliederung, im Grunde genommen eine einheitliche und fest umrissene Regelung aufweist, die zwei Unterpunkte und eine relativ unbestimmte Ausnahmereglung enthält. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 begründet eine Grundregel, deren Wirksamwerden von dem Bestehen eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes beider Parteien abhängt. Sofern beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat haben, unterliegt das außervertragliche Schuldverhältnis dem Recht dieses Staates. Sofern kein derartiger gemeinsamer Aufenthalt besteht, ist auf das außervertragliche Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates des Eintritts des schädigenden Ereignisses anzuwenden. Sodann trifft Art. 3 Abs. 3 hiervon eine Ausnahmeregel zugunsten des Rechts eines anderen Staates, sofern eine offensichtlich engere Verbindung dieses Staates mit dem außervertraglichen Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung besteht. Darüber hinaus sieht Artikel 3 vor, dass das Recht eines einzelnen Staates auf verschiedene Fragestellungen Anwendung findet, die im Falle eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung zwischen dem jeweiligen Kläger und Beklagten auftreten kön35 nen. Wie noch im Einzelnen ausgeführt werden soll, bekräftigt Artikel 11 dies, indem er eine lange (aber nicht abschließende) Liste aufstellt, für die das gem. Artikel 3 anwendbare Recht gilt. Daher kann man das nach Artikel 3 anwendbare Recht auch als „eigentliches Recht der unerlaubten Handlung“ bezeichnen. Andererseits sieht Artikel 3 auch den Fall vor, dass auf die Rechtsbeziehungen zwischen verschiedenen Parteiverhältnissen unterschiedliche Rechtssysteme Anwendung finden, obwohl die Ansprüche auf demselben schädigenden Ereignis beruhen. Drittens ist anzumerken, dass die Regelung des Artikel 3 hinsichtlich der Parteien sowie der inhaltlichen Bestimmungen und Zielsetzungen der sich widersprechenden Rechtssysteme neutral ist. Anzuwenden sind anscheinend die Sachnormen des jeweiligen Rechts, das über bestimmte Anknüpfungspunkte ermittelt wird. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die auf diese Weise bestimmten materiellrechtlichen Rechtsnormen den Kläger oder den Beklagten bevorzugen, ob sie darauf abzielen, Schadenersatz zu gewähren oder als Abschreckungsmittel dienen bzw. ob der Staat, dessen Recht Anwendung findet, oder irgend ein anderer Staat aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ein besonderes Interesse an der Anwendung seiner eigenen materiellrechtlichen Normen hat (gegenüber abweichenden materiellrechtlichen Normen eines anderen betroffenen Staates). Typischerweise sind diese Kollisionsnormen somit landesbezogen und weniger regelungsbezogen. Von diesem Grundsatz der Unabhängigkeit zwischen Kollisionsnorm und Inhalt der anzuwendenden materiellen Rechtsnorm sieht Artikel 13 eine kleine Ausnahme vor, wonach unabhängig von dem anzuwendenden Recht bei der Feststellung der Haftung die am Ort und zum Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses gültigen Sicherheits36 und Verhaltensregeln zu berücksichtigen sind. Wie Erwägungsgrund 18 ausführt, müssen zur Wahrung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen den Parteien die Sicherheits- und Verhaltensregeln des Staates, in dem die schädigende Handlung begangen wurde, selbst dann eingehalten werden, wenn auf das außervertragliche Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung ein anderes Recht Anwendung findet. 37 Wie die einleitende Begründung jedoch aufzeigt, ist die Berücksichtigung fremden Rechts von seiner Anwendung zu unterscheiden. Das Gericht hat ausschließlich das durch die Kollisionsnorm bezeichnete Recht anzuwenden, muss aber fremdes Rechts wie ein Sachverhaltselement berücksichtigen, z.B. zur Bestimmung des Verschuldens. Das einschlägigste Beispiel zu der Vorschrift des Artikel 13 ist vielleicht dasjenige, in welchem die Haftung aus einem Straßenverkehrsunfall, der sich in Frankreich zwischen in England wohnhaften Parteien ereignet hat, vom englischen Recht geregelt wird, und hinsichtlich der Frage, ob der Fahrer seine Sorgfaltspflichten nach dem englischen Recht beachtet hat, zu berücksichtigen ist, dass den französischen Verkehrsregeln zufolge richtigerweise auf der rechten Straßenseite zu fahren ist, und nicht (wie in England) 38 auf der linken Fahrbahnseite. Als vierter Punkt ist noch anzumerken, dass die Verweisung des Artikel 3 stets eine Sachnormverweisung darstellt. Artikel 20 schließt die Rück- und Weiterverweisung aus, indem er klarstellt, dass unter dem nach dem Verordnungsvorschlag anzuwendenden Recht eines Staates die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Rechts unter Ausschluss seines Interna39 tionalen Privatrechts zu verstehen sind. Das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts Wie wir bereits gesehen haben, bestimmt Art. 3 Abs. 2, dass das Recht des Staates, in dem beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, normalerweise dem Recht des Staates vorgeht, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Gem. Art. 3 Abs. 3 bleibt jedoch die Möglichkeit bestehen, dass das Recht des Staates, in welchem das schädigende Ereignis eingetreten ist, oder sogar das Recht eines dritten Staates, dem Recht des Staates des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts vorgeht, sofern das außervertragliche Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung eine offensichtlich engere Verbindung mit diesem Staat aufweist. Im Zusammenhang hiermit stellt Artikel 19 zusätzliche Regeln zum gewöhnlichen Aufenthalt bei Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie bei natürlichen Personen, 36 37 38 39 35 Vgl. nachfolgend auf S. 229. Art. 13 stimmt sowohl mit dem herkömmlichen englischen Recht als auch mit dem Haager Übereinkommen überein. Vgl. The Halley, (1868) LR 2 PC 193; Kuwait Airways v Iraqi Airways (Nrn. 4 und 5), [2002] 2 AC 883; Art. 7 des Haager Übereinkommens über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (1971) und Art. 9 des Haager Übereinkommens über das auf Produkthaftung anzuwendende Recht (1973). Vgl. die einleitende Begründung, S. 28. Vgl. auch den Fall Ellis v Barto, 918 P2d 540 (Washington, 1996). Hier wurde entschieden, dass im Hinblick auf die maßgebenden Vorschriften über Wendeplätze für Kraftfahrzeuge das Recht des Unfallortes Anwendung findet, auch wenn sich der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt an einem anderen Ort befindet. Dies stimmt mit herkömmlichem englischen Recht überein. Vgl. section 9(5) Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995. Heft 4-2004 The European Legal Forum 218 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ die eine selbständige freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben, auf. Für Gesellschaften, Vereine oder juristische Personen bestimmt Art. 19 Abs. 1, dass deren Hauptniederlassung dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichsteht. Wenn jedoch das schädigende Ereignis oder der Schaden anlässlich des Betriebs einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung eingetreten ist, steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an dem sich diese Niederlassung befindet. Für natürliche Personen, die eine selbständige freibe40 rufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben, bestimmt Art. 19 Abs. 2, dass der Ort, an dem sich ihre berufliche Niederlassung befindet, als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen ist, wenn das schädigende Ereignis oder der Schaden bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit eingetreten ist. Ein zu erwartender (und zu begrüßender) Nebeneffekt von Artikel 19 ist, dass im Falle einer unerlaubten Handlung, die ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitstätigkeit verübt hat, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zumeist als im selben Staat wohnhaft angesehen werden, mit der Folge, dass sowohl die Haftung des Arbeitnehmers als Gesetzesübertreter als auch die Haftung des Arbeitgebers für das Verhalten seines Arbeitnehmers als Erfüllungsgehilfe nach demselben Recht beurteilt werden. Leider enthält der Verordnungsvorschlag jedoch keine Definition des gewöhnlichen Aufenthalts für natürliche Personen, die keine bzw. keine nennenswerte selbständige freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben. Der Vorrang, den Artikel 3 dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt gegenüber dem Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses einräumt, spiegelt einen allgemeinen internationalen Trend der letzten Jahrzehnte wieder. Aus diesem Grunde haben englische Gerichte hinsichtlich des Umfangs von Schadensersatzforderungen aus Straßenverkehrsunfällen, sowohl nach dem common law als auch nach dem Private International Law Act 1995 [Miscellaneous Provisions] (in England & Wales gültiges Internationales Privatrechtsgesetz von 1995) nach dem Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts höhere Schadensersatzbeträge zugesprochen, als dies 41 nach dem Recht des Unfallortes möglich gewesen wäre. In 42 den USA wird seit der Entscheidung Babcock ./. Jackson das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts zugunsten des Klägers angewendet, wobei dies dem Kläger in verschie43 dener Hinsicht Vorteile gewährt; und, nachdem in der Ver40 41 42 43 44 gangenheit anders entschieden worden war, geht der derzeitige Trend dahin, dieses Recht auch dann anzuwenden, wenn 45 es den Beklagten begünstigt. Mit Art. 3 Abs. 2 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung vergleichbare Gesetzesre46 47 gelungen wurden auch in Deutschland, der Schweiz und in 48 Quebec erlassen. Auch das Haager Übereinkommen über das auf Verkehrsunfälle anzuwendende Recht (1971) kann oftmals zu Ergebnissen führen, die der Zielsetzung des Art. 3 Abs. 2 entsprechen. Die Vorteile einer eindeutigen und grundsätzlichen Bevorzugung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts gegenüber dem Recht des Ortes des Eintritts des schädigenden Ereignisses, wie ihn Art. 3 Abs. 2 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung vorsieht, sind offen anzuzweifeln. In 49 der einleitenden Begründung stellt die Kommission lediglich fest, dass in einem solchen Fall der Sachverhalt nur zufällig einen Bezug zu dem Staat aufweist, in dem der Schaden eingetreten ist, und dass die Anknüpfung an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt den berechtigten Erwartungen beider Parteien entspricht. Natürlich gibt es solche Sachverhalte, in denen offensichtlich ist, dass das Recht des gemeinsamen geZur Höhe des Schadensersatzes, vgl. Reich v Purcell, 432 P2d 727 (Kalifornien, 1967). Zur Haftung eines Kraftfahrzeugeigentümers für das fahrlässige Verhalten eines Mietwagenfahrers, vgl. Levy v Daniels, 143 A 163 (Connecticut, 1928); Farber v Smolack, 229 NE2d 36 (New York, 1975); Sexton v Ryder, 320 NW2d 843 (Michigan, 1982); und Veasley v CRST International, 553 NW2d 896 (Iowa, 1996). Zur Haftung eines Kneipeninhabers für die von seinen Gästen verursachten Schäden, vgl. Schmidt v Driscoll Hotel, 82 NW2d 365 (Minnesota, 1957); und Rong Yao Zhou v Jennifer Mall Restaurant, 534 A2d 1268 (DC, 1987). Zum Mitverschulden, vgl. Sabell v Pacific Intermountain Express Co, 536 P2d 1160 (Colorado, 1975); Wallis v Mrs Smith’s Pie Co, 550 SW2d 453 (Arkansas, 1977); und Noble v Moore, 2002 WL 172665 (Connecticut, 2002). Zum verschärften Schadensersatz, vgl. Bryant v Silverman, 703 P2d 1190 (Arizona, 1985). 44 Zu Ansprüchen innerhalb der Familie, vgl. Arnett v Thompson, 433 SW2d 109 (Kentucky, 1968); Taylor v Bullock, 279 A2d 585 (New Hampshire, 1971); Gordon v Gordon, 387 A2d 339 (New Hampshire, 1978); Zelinger v State Sand & Gravel Co, 156 NW2d 466 (Wisconsin, 1968). Die einleitende Begründung, S. 30, verweist auf natürliche Personen, die eine selbständige freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben. Vgl. dazu den Fall Boys v Chaplin, [1971] AC 356, in dem aufgrund eines gerechtfertigten Interesses in Ausnahme zu der „double actionability rule” im common law entschieden wurde sowie den Fall Edmunds v Simmonds, [2001] 1 WLR 1003, in dem entsprechend einer Ausnahme vom Recht des Ortes des schädigenden Ereignisses zugunsten des Kriteriums einer offensichtlich engeren Verbindung, die in section 12 des International Private Law Act 1995 niedergelegt ist, entschieden wurde. Vgl. auch den Fall Johnson v Coventry Churchill, [1992] 3 All ER 14, in dem das Gericht auf das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsorts von Arbeitgeber und Arbeitnehmer abstellt, um die sozialversicherungsrechtliche Haftungsfreistellung des Arbeitsgebers zu vermeiden, die nach dem Recht des Ortes des Bauunfalls besteht. Zur Haftung eines Kraftfahrzeugeigentümers für das fahrlässige Verhalten eines Mietwagenfahrers, vgl. Fu v Fu, 733 A2d 1133 (New Jersey, 1999). Zur Haftung eines Arbeitgebers, vgl. Rigdon v Pittsburgh Tank & Tower Co, 682 So2d 1303 (Louisiana App, 1996). 45 191 NE2d 279 (1963). Zu Pflichten gegenüber Fahrgästen, vgl. Babcock v Jackson, 191 NE2d 279 (New York, 1963); Tooker v Lopes, 249 NE2d 394 (New York, 1969); Clark v Clark, 222 A2d 205 (New Hampshire, 1966); Wilcox v Wilcox, 133 NW2d 408 (Wisconsin, 1965); und Wessling v Paris, 417 SW2d 259 (Kentucky, 1967). Zu Ansprüchen unter Eheleuten, vgl. Haumschild v Continental Casualty, 95 NW2d 814 (Wisconsin, 1959); Thompson v Thompson, 193 A2d 439 (New Hampshire, 1963); und Brown v Church of the Holy Name of Jesus, 252 A2d 176 (Rhode Island, 1969). Vgl. dazu auch Corcoran v Corcoran, [1974] VR 164 (Victoria, Australien). Zu den Pflichten gegenüber Fahrgästen, vgl. Milkovitch v Saari, 203 NW2d 408 (Minnesota, 1973); Conklin v Horner, 157 NW2d 579 (Wisconsin, 1968); Arnett v Thompson, 433 SW2d 109 (Kentucky, 1968); Gagne v Berry, 290 A2d 624 (New Hampshire, 1972); Heath v Zellmer, 151 NW2d 664 (Wisconsin, 1967); und Zelinger v State Sand & Gravel Co, 156 NW2d 466 (Wisconsin, 1968). 46 47 48 49 Zu den Pflichten gegenüber Fahrgästen, vgl. die Urteilsgründe in Neumeier v Kuehner, 286 NE2d 454 (1972). Zur Haftungsfreistellung unter Mitarbeitern, vgl. Hunker v Royal Indemnity Co, 204 NW2d 897 (Wisconsin, 1973). Zur Haftungsfreistellung wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, vgl. Schultz v Boy Scouts of America, 480 NE2d 679 (New York, 1985). Zur Höhe des Schadensersatzes, vgl. Collins v Trius, 663 A2d 570 (Maine, 1995). Zum Ausschluss der Delikthaftung bei Verkehrsunfällen zugunsten eines verschuldensunabhängigen Versicherungssystems, das eine Begrenzung der Entschädigungshöhe vorsieht, vgl. Myers v Langlois, 721 A2d 129 (Vermont, 1998) und Lessard v Clarke, 736 A2d 1226 (New Hampshire, 1999). Vgl. Art. 40 Abs. 2 EGBGB (in der Fassung von 1999). Vgl. Federal Statute on Private International Law 1987, Art. 133. Vgl. Civil Code 1991, Art. 3126. Vgl. auch Louisiana Civil Code, Art. 3544 Abs. 1, der für die die Verlustverteilung und finanzielle Absicherung betreffenden Streitfragen das Recht des Staates anwendet, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren Wohnsitz hatten. Vgl. die einleitende Begründung, S. 13. The European Legal Forum Heft 4-2004 219 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ wöhnlichen Aufenthalts vorgehen sollte. Insbesondere im Falle der meisten mit einem Straßenverkehrsunfall verbundenen Fragen scheint es vorzugswürdig, das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts dann anzuwenden, wenn es höhere Anforderungen an die Sorgfaltspflichten stellt, oder in höherem Umfang Schadensersatz gewährt, als das Recht am Unfallort. Da das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in erster Linie den dort wohnhaften Kläger schützen soll, und zwar sowohl hinsichtlich seiner körperlichen Unversehrtheit als auch in finanzieller Hinsicht, kann seine Anwendung (zumindest in dem Normalfall, in dem der Wohnsitz des Beklagten mit dem Ort übereinstimmt, an dem sein Auto registriert ist) kaum die berechtigten Erwartungen des ebenfalls dort wohnhaften Beklagten und dessen Versicherung verei50 teln. Darüber hinaus führt aber auch die Anwendung des Rechts des Unfallortes zu keinem grundsätzlichen Interessenkonflikt, da dessen Bestimmungen für Straßenverkehrsunfälle nicht etwa gefährliche oder risikobelastete Tätigkeiten fördern sollen, sondern vielmehr die finanzielle Lage der dort wohnhaften Beklagten und ihrer Versicherungen schützen sollen. Somit erscheint es sachgerecht, das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts auf Verkehrsunfälle anzuwenden, sofern dessen Bestimmungen für den Kläger vorteilhafter sind, als die Bestimmungen des Ortes des schädigenden Ereignisses. Hierunter fallen Fragen wie die Sorgfaltspflichten und der jeweilige Sorgfaltsmaßstab des Fahrers gegenüber einer unentgeltlich beförderten Person, mögliche Haftungsfragen zwischen Familienmitgliedern, die Haftungsfreistellung von wohltätigen Einrichtungen, die Art ersatzfähiger Schäden und sonstige Fragen, die den Schadensumfang betreffen, die Frist innerhalb derer das Verfahren eingeleitet werden muss und die mögliche Haftung für das Verhalten Dritter (einschließlich der Haftung eines Kraftfahrzeugeigentümers für das Verschulden eines Fahrers, an den er das Fahrzeug vermietet hat und der eines Kneipeninhabers für das nachlässige Fahrverhalten eines Gasts nach Verlassen der Kneipe). Dieser Denkansatz scheint auch für andere Arten von Unfällen, die zu körperlichen Schäden führen, gerechtfertigt zu sein, da die niedrigeren Sorgfaltsanforderungen oder die geringeren Entschädigungssummen des Rechts des Unfallorts nicht gerade das gefahrtragende Verhalten fördern sollen. Nach Ansicht des Verfassers erscheint die Bevorzugung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in denjenigen Fällen nicht gerechtfertigt, in denen dieses hinsichtlich derselben Fragen im Zusammenhang mit einem Straßenverkehrs- oder vergleichbarem Unfall niedrigere Sorgfaltsanforderungen vorsieht oder nur geringeren Schadensersatz gewährt, als das Recht am Unfallort. Natürlich hat das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ein Interesse daran, den dort wohnhaften Beklagten (und seine Versicherung) vor etwaigen überhöhten finanziellen Belastungen zu schützen. Andererseits hat das Recht am Unfallort ein grundsätzliches Interesse daran, seine gesetzlichen Bestimmungen, die abschreckende Wirkung entfalten sollen, innerhalb seiner Gren50 Es wird der Standpunkt vertreten, dass zur Vermeidung einer Benachteiligung des Haftpflichtversicherers, eine als Fahrer, Arbeitgeber des Fahrers oder Kraftfahrzeugeigentümer in einen Verkehrsunfall verwickelte Person so behandelt werden sollte, als ob sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz in dem Staat habe, in dem ihr Kraftfahrzeug zugelassen ist. Dieses Problem tritt in Europa am häufigsten in denjenigen Fällen auf, in denen ein Tourist in dem von ihm besuchten Land ein Auto mietet, so wie dies im Fall Edmunds v Simmonds, [2001] 1 WLR 1003 geschehen ist. zen anzuwenden und darüber hinaus die finanzielle Lage der Personen zu schützen, die innerhalb seiner Grenzen Körperverletzungen erleiden, selbst wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Grenzen haben. Da jeder Staat ein besonderes Interesse an der Anwendung seiner eigenen materiellen Rechtnormen hat, vertritt der Verfasser die Ansicht, dass das Recht des Unfallortes ebenso gelten sollte, wie wenn sich der Unfall zwischen zwei Parteien ereignet hätte, die keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Verfasser ist der Auffassung, dass es eine ungerechtfertigte Missachtung der räumlichen Hoheitsgewalt eines Staates darstelle, das Recht des Unfallortes auch dann nicht anzuwenden, wenn dieser Staat ein grundlegendes Interesse an der Anwendung seines eigenen Rechts hat. So werden auch die gewöhnlichen Erwartungen vieler Privatpersonen außer Acht gelassen (die in der Regel eine räumliche Sicht des anwendbaren Rechts haben), ohne dass dies durch einen ausreichenden Vorteil ausgeglichen würde. In dem Fall, dass grundsätzliche Interessen verschiedener Rechtssysteme miteinander konkurrieren, kann die rechtliche Abwägung zur Bestimmung der überwiegenden Interessen nicht auf Grundsatzprinzipien gestützt werden und würde in der Praxis wahrscheinlich zu einem Vorrang des Rechts des Forumsstaates führen. Bei derartigen Interessenskonflikten ist daher derjenigen Lösung der Vorzug einzuräumen, die das Recht des Unfallortes für anwendbar erklärt. Dadurch ist bei Unfallsituationen, die Problemfragen wie hier aufwerfen, die zu bevorzugende Lösung nicht grundsätzlich die Anwendung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts entsprechend Art. 3 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags, unabhängig vom Inhalt dieses Rechts, sondern vielmehr entweder die Anwendung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts oder des Ortes des schädigenden Ereignisses, je nachdem welches Recht für den Kläger von Vorteil ist. Nach Ansicht des Verfassers sollte im Falle von Verkehrsunfällen die Wirkung des eigenen Mitverschuldens des Klägers (das entweder zum gänzlichen Ausschluss von Schadensersatzansprüchen oder aber zu einer Reduzierung des Schadensersatzanspruchs führt, oder als gänzlich unerheblich behandelt wird) stets nach dem Recht des Unfallortes beurteilt werden, selbst wenn die Parteien ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat besitzen. Unabhängig davon, welche Lösung ein Rechtssystem zu dieser Frage gefunden hat, reflektiert diese Wahl zumindest teilweise eine Verfahrensweise zur bestmöglichen Verteilung der Sorgfaltspflichten in Hinblick auf die Vermeidung von Unfällen. Hinsichtlich dieser Frage hat der Staat, in dem sich der Unfall ereignet hat, ein verhaltensorientiertes Interesse an der Anwendung seines eigenen Rechts, welchen Inhalts dieses auch immer ist. Des Weiteren vertritt der Verfasser die Ansicht, dass das Recht des Ortes des Schadenseintritts auch in denjenigen Fällen angewandt werden sollte, die einen vorsätzlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder das materielle Eigentum einer Person beinhalten, und zwar unabhängig von dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat und hinsichtlich aller Rechtsfragen im Zusammenhang mit unerlaubten Handlungen (so wie Körperverletzung; Freiheitsberaubung und Besitzstörung hinsichtlich unbeweglichem und beweglichem Eigentum). Besonders deutlich wird dies vielleicht in denjenigen Fällen, in denen ein vorsätzlicher Heft 4-2004 The European Legal Forum 220 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Eingriff die Ausübung polizeilicher Gewalt beinhaltet. Diese Fälle sind gem. Art. 1 des Vorschlags für die Rom IIVerordnung von dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen, da sie eher als öffentlich-rechtliche als zivil51 rechtliche Angelegenheiten einzuordnen sind. Aber selbst dann, wenn der Eingriff nicht mit der Ausübung von staatlicher Gewalt verbunden ist, ist das Interesse jedes Staates an einer Regelung der vorsätzlichen Gewaltausübung innerhalb seiner Grenzen so stark, dass sich nur ein dringendes öffentliches Interesse an der Bekämpfung von ärgerniserregenden und gegen Treu und Glauben verstoßenden Regelungen darüber hinwegsetzen sollte. So sollte beispielsweise das spanische Recht alle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Forderungen aus unerlaubter Handlung zwischen englischen Fußballfans regeln, die sich aus einer Schlägerei in einer Bar in der Nähe des Real Madrid-Stadions vor oder nach einem Fußballspiel ergeben, wenn die betroffenen Parteien nach Spanien gereist sind, um sich das Fußballspiel anzuschauen. Andererseits ist Art. 3 Abs. 2 in bestimmter Hinsicht zu eng gefasst, als er nämlich diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat haben, aber (falls einschlägig) die Rechtssysteme dieser Staaten miteinander übereinstimmen und von dem Recht des Staats abweichen, in dem die unerlaubter Handlung begangen worden ist. In den Fällen, in denen es gerechtfertigt erscheint, anstelle des Rechts des Staates, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden, erscheint es genauso angemessen, das zwei verschiedenen Staaten gemeine Recht anzuwenden, wenn die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in jeweils einem dieser Staaten haben. Wenn beispielsweise das englische und das irische Recht Schmerzensgeld in Fällen der Körperverletzung zugestehen, während das maltesische Recht ein solches nicht gewährt, so sollte es dennoch möglich sein, dass ein irischer Kläger gegen einen englischen Beklagten Schmerzensgeld aufgrund von Verletzungen aus einem Straßenverkehrsunfall, der sich in Malta ereignet hat, gel52 tend machen kann. Folglich sollte Art. 3 Abs. 2 insoweit ergänzt werden, als er auch dann gelten sollte, „wenn die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Geschädigte zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt im selben Staat haben, oder in verschiedenen Staaten, deren Recht (soweit bezüglich der Rechtsfrage von Belang) zum Zeitpunkt des Schadenseintritts übereinstimmt“. Dieses Ergebnis kann jedoch möglicherweise auch unter Anwendung von Art. 3 Abs. 3 des Verordnungsvorschlags erzielt werden, welcher eine Sonderregel für offensichtlich engere Verbindungen enthält. der Anwendung verschiedener Rechtssysteme zwischen unterschiedlichen Parteiverhältnissen auch für den Fall vorsieht, in dem die Ansprüche auf demselben Ereignis beruhen. So wird beispielsweise der Anspruch eines Klägers, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat wie der Beklagte hat, gem. Art. 3 Abs. 2 nach dem Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts beurteilt, während der Anspruch eines anderen Klägers, der einen ähnlichen Schaden aufgrund desselben Verhaltens erleidet, jedoch in dem Staat wohnhaft ist, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, gem. Art. 3 Abs. 1 nach dem Recht am Ort des schädigenden Ereignisses beurteilt wird. Zweifellos kann dies zu merkwürdigen Ergebnissen führen, die möglicherweise einer willkürlichen Benachteiligung gleichkommen. Der Sachverhalt eines 53 amerikanischen Rechtsfalles, Tooker ./. Lopez , veranschaulicht dies: Zwei unentgeltlich beförderte Insassen wurden in Michigan in demselben Auto aufgrund der normalen, aber nicht grob fahrlässigen, Fahrweise eines New Yorker Fahrers eines in New York registrierten Autos verletzt. Nach dem Recht von New York haftet der Fahrer gegenüber einem unentgeltlich beförderten Fahrgast bereits bei normaler Fahrlässigkeit. Das Recht von Michigan erfordert demgegenüber grobe Fahrlässigkeit. Sowohl der Fahrer, als auch einer der Insassen, hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in New York, während der andere Fahrgast seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Michigan hatte. Unter Anwendung des Vorschlags für die Rom II-Verordnung, sowie nach dem Kollisionsrecht von 54 New York, ist der Anspruch dem New Yorker Fahrgast zuzusprechen, während der Anspruch des Mitreisenden aus Michigan zurückzuweisen ist. Für den Verfasser ist ein solches Ergebnis nur schwer zu akzeptieren. Es wäre daher vorzuziehen gewesen, wenn Art. 3 Abs. 2 grundsätzlich vorausgesetzt hätte, „dass die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, und der Geschädigte sowie alle sonstigen Personen, die ernsthaft vertretbare Ansprüche aus demselben schädigenden Ereignis haben, sämtlich zum Zeitpunkt des Schadenseintritts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Staat [oder in Staaten mit einander entsprechenden 55 Rechten] haben“. Würde man von diesem Grundsatz ausgehen, so könnte man eine Ausnahme gewähren, die die Anwendung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts zwischen zwei Parteien zulässt, obwohl weitere Personen in den Unfall verwickelt sind, die in dem Staat des Unfallortes (oder einem Staat mit einem entsprechenden Recht) wohnhaft sind, sofern zwischen diesen beiden Rechtssystemen kein solcher Unterschied besteht, der die Rechte und Pflichten der am Unfallort (oder einem entsprechenden Staat) wohnhaften Personen beinträchtigen könnte. Ein konkretes Beispiel Es wurde bereits angemerkt, dass Artikel 3 die Möglichkeit 53 51 52 Wird z.B. eine Person in Frankreich verhaftet, erfordern es die Achtung vor der französischen Gebietshoheit sowie das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, dass hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe für die Verhaftung, der Art und Weise der Verhaftung, des erlaubten Maßes an Gewalt zur Durchführung der Verhaftung sowie hinsichtlich der Rechtsbehelfe, die einer ungerechtfertigt verhafteten Person zur Verfügung stehen, französisches Recht angewandt werden sollte – selbst wenn die verhaftete Person ein Engländer und die Person, die die Verhaftung vornimmt, ein von Interpol zur Unterstützung der französischen Polizei angeforderter englischer Polizist ist. Vgl. dazu auch den Fall District of Columbia v Coleman, 667 A2d 811 (DC, 1995), in dem entschieden wurde, dass bezüglich des erlaubten Maßes der Gewaltanwendung durch einen ausländischen Polizeibeamten das Recht des Ortes des jeweiligen Ereignisses gelten müsse. Vgl. Reich v Purcell, 432 P2d 727 (Kalifornien, 1967). 54 55 249 NE2d 394 (New York, 1969). Vgl. Tooker v Lopes, 249 NE2d 394, und Neumeier v Kuehner, 286 NE2d 454 (1972). Vgl. dazu auch den Fall Tolofson v Jensen, (1994) 120 DLR4th 289, in dem der kanadische Supreme Court unter Hinweis auf eine in Saskatchewan geltende Verjährungsfrist diejenigen Ansprüche abwies, die ein aus Britsch-Kolumbien stammender Beifahrer aufgrund eines in Saskatchewan geschehenen Autounfalls gegen den aus BritschKolumbien stammenden Fahrer sowie gegen den aus Saskatchewan stammenden Fahrer eines anderen Kraftfahrzeuges geltend machte; des weiteren wies das Gericht unter Hinweis auf ein in Quebec geltendes Gesetz, mit dem ein verschuldensunabhängiges Versicherungssystem ersetzt wurde, auch Ansprüche eines aus Ontario stammenden Beifahrers gegen einen aus Quebec stammenden Fahrer und den aus Quebec stammenden Fahrer eines anderen Kraftfahrzeuges hinsichtlich eines in Quebec geschehenen Autounfalls ab. The European Legal Forum Heft 4-2004 221 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ wäre eine Fahrzeugkollision in einem Staat, dessen Recht die Sorgfaltspflicht des Fahrers gegenüber unentgeltlich beförderten Fahrgästen einschränkt, zwischen einem Fahrzeug, dessen Fahrer und Fahrgast aus einem Staat stammen (und das Fahrzeug in demselben registriert ist), dessen Recht keine derartige Beschränkung vorsieht, und einem anderen Fahrzeug, dessen Fahrer in dem Unfallstaat wohnhaft und dessen Fahrzeug dort registriert ist, in dem jedoch kein Fahrgast befördert wird. Diese Fahrgastproblematik kann nicht die Rechte oder Pflichten des Fahrers aus dem Staat des Unfallortes beeinträchtigen, und zwar auch nicht im Hinblick auf den Fahrgast des anderen Fahrzeugs. Es erscheint jedoch durchaus akzeptabel, den Anspruch dieses Fahrgasts gegenüber seinem eigenen Fahrer nach dem Recht ihres gemeinsamen Herkunftsstaates zu beurteilen. Das Recht des Ortes des Schadenseintritts Nach der im Vorschlag für die Rom II-Verordnung niedergelegten Grundregel ist im Falle des Fehlens eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts das Recht am Ort des Schadenseintritts anzuwenden. Art. 3 Abs. 1 bestimmt, dass „das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der direkte Schaden eingetreten ist oder einzutreten droht, unabhängig davon, in welchem Staat das schädigende Ereignis eintritt und in welchem Staat oder welchen Staaten die indirekten Schadensfolgen festzustellen sind.“ In dem Fall, dass verschiedene Ereignisse den Schaden in mehr als einem Staat begründen, ist dem Staat der Vorzug zu geben, in dem der direkte Schaden oder Erstschaden des Klägers eingetreten ist und nicht demjenigen, in dem das schadensverursachende Verhalten des Beklagten stattgefunden hat oder in dem der Kläger infolge eines Erstschadens einen Vermögensschaden erlitten hat. Die Bezugnahme auf den Ort, an dem der direkte Schaden einzutreten droht, dient dazu, auch Präventivmaßnahmen gegen einen 56 drohenden Schaden abzudecken. 57 Wie in der einleitenden Begründung dargelegt, ist im Fall eines Straßenverkehrsunfalls der Ort des direkten Schadens der Unfallort, unabhängig von Vermögensschäden oder immateriellen Schäden, die infolge dessen in einem anderen Staat eingetreten sind. Ferner werden die Entscheidungen des EuGH, in denen er zwischen direkten Schäden und den daraus folgenden Vermögensschäden zum Zwecke der gerichtlichen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ und EuGVO differenziert, auch für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung maßgeblich sein. In dem Fall, dass eine Bank für die fehlerhafte Stornierung eines Kredits im Zusammenhang mit einem Bauprojekt verklagt wird, tritt der direkte Schaden in dem Staat ein, in dem das Projekt zum Stillstand kommt und die Zweigniederlassung des Kläger in Insolvenz fällt und lediglich der daraus entstandene Vermögensschaden tritt am Wohnsitz des Klägers in ei58 nem anderen Staat ein. Auch in dem Fall, dass eine Person zu Unrecht in Haft genommen und ihr bewegliches Vermögen zu Unrecht gepfändet wird, tritt der direkte Schaden in dem Staat ein, in dem die Inhaftierung und die Pfändung stattfin56 57 58 Vgl. die einleitende Begründung, S. 12. Vgl. die einleitende Begründung, S. 12. Vgl. EuGH 11. 1. 1990 – 220/88 – Dumez/Hessische Landesbank, Slg. 1990, I-49. den und allein der daraus folgende Vermögensschaden tritt an 59 ihrem Wohnsitz in einem anderen Staat ein. Auch in dem Fall, in dem ein Verkaufskommissionär, dessen Waren während des Transports zu See und über Land beschädigt wurden, den Verfrachter verklagt, tritt der direkte Schaden an dem Ort ein, an den der Verfrachter die Waren liefern sollte, und nicht am Geschäftssitz des Verkaufskommissionärs, an dem er die Waren nach Beendigung des Transports entgegennimmt und 60 die Schäden an den Waren feststellt. Auch in dem Fall einer Klage gegen einen Finanzberater aufgrund von Vermögensschäden, die auf ein spekulatives Investment in einem Staat zurückzuführen sind, tritt der direkte Schaden nicht am Wohnsitz des Klägers in demjenigen Staat ein, in dem sich sein Ver61 mögen befindet. 62 Wie die einleitende Begründung ausführt, sind im Falle des Eintritts von feststellbaren Schadensfolgen in mehreren Ländern die Rechte aller betroffenen Länder entsprechend anzuwenden. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Ehrverletzung in einer Zeitschrift veröffentlicht wird, wovon 63 Exemplare in verschienenen Staaten vertrieben werden. Oder auch in dem Fall, dass eine Ehrverletzung in einer Fernsehsendung ausgestrahlt wird, die in verschienenen Staaten emp64 fangen wird. Oder im Falle einer auf einer Webseite im Internet verbreiteten Ehrverletzung, welche von Personen aus 65 verschienenen Staaten heruntergeladen wird. Im Falle einer Klage wegen der Verleitung zum Vertragsbruch ist der Staat des direkten Schadenseintritts nach Art. 3 Abs. 1 derjenige, in dem der Vertragsbruch eingetreten ist und der Kläger den direkten Vermögensschaden erlitten hat, (z.B. wegen entgangener vertraglicher Vermögensvorteile) selbst wenn die Verleitung zum Vertragsbruch durch den Beklagten 66 an einem anderen Ort stattgefunden hat. Jedoch fällt diese Art von außervertraglichem Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung nicht unter Artikel 3, sondern vielmehr unter den 67 unlauteren Wettbewerb im Sinne des Artikel 5. Im Falle der Haftung des Beklagten für falsche Angaben, auf welche der Kläger vertraut hat, ist der Staat des direkten Schadenseintritts derjenige, in welchem infolge des Vertrauens des Klägers die Waren geliefert werden oder das Geld bezahlt wird und nicht derjenige, in welchem der Beklagte diese Angaben kundgetan hat, oder derjenige, in welchem der Kläger von den Angaben erfahren und darauf vertrauend Entscheidungen getroffen oder Anweisungen gegeben hat, die zu der 68 Lieferung oder der Zahlung anderenorts geführt haben. 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 Vgl. EuGH 19. 9. 1995 – C-364/93 – Marinari/Lloyd’s Bank, Slg. 1995, I-2719. Vgl. EuGH 27. 10. 1998 – C-51/97 – Réunion Européenne/Spliethoff’s Bevrachtingskantoor, Slg. 1998, I-6511. Vgl. EuGH 10. 6. 2001 – C-168/02 – Kronhofer/Maier = EuLF 2004 (D), S. 191. Vgl. die einleitende Begründung, S. 12. Vgl. EuGH 7. 3. 1995 – C-68/93 – Shevill/Presse Alliance, Slg. 1995, I415. Vgl. Ewins v Carlton Television, [1997] 2 ILRM 223. Vgl. Ewins v Carlton Television, [1997] 2 ILRM 223 Vgl. Metall und Rohstoff v Donaldson Lufkin & Jenrette, [1990] QB 391 (CA). Vgl. nachfolgend S. 226. Vgl. Domicrest v Swiss Bank Corp, [1999] QB 548 (Rix J); Dunhill v Diffusion Internationale de Maroquinerie de Prestige, [2001] WL 239707 (Rokison QC); Raiffeisen Zentralbank v National Bank of Greece, [1999] 1 Lloyd’s Rep 408 (Tuckey J); and ABCI v Banque Heft 4-2004 The European Legal Forum 222 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Der in Art. 3 Abs. 1 eingeräumte Vorrang des Orts des direkten Schadenseintritts gegenüber dem Ort des schadensverursachenden Verhaltens des Beklagten spiegelt die Lösung des Vereinigten Königreichs durch section 11 des Private International Law Act 1995 [Miscellaneous Provisions] für die Fälle von physischen Personenschäden oder Vermögensschäden wieder. Diese Vorschrift stimmt auch mit den derzeit in Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz geltenden Ge69 setzen überein. Andererseits gibt Art. 40 Abs. 1 EGBGB (in der geänderten Fassung von 1999) dem Kläger ein Wahlrecht zwischen dem Recht des Staates, in dem das schadensverursachende Verhalten des Beklagten stattgefunden hat und dem Recht des Staates, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Diese Möglichkeit der Rechtswahl hat der Kläger auch in 70 Italien und Polen. Das Grundprinzip des Art. 3 Abs. 1 ist in Erwägungsgrund 8 niedergelegt, welcher darlegt, dass die Anknüpfung an das Land, in dem der Schaden selbst eingetreten ist, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Schädigers und des Geschädigten schafft und der modernen Konzeption der zivilrechtlichen Haftung und der Entwicklung der Gefährdungshaftung entspricht. Wie die einleitende Begründung 71 darüber hinaus ausführt, hat sich die Kommission bei der Konkretisierung der Lex loci delicti Regel von ihrem Streben nach Rechtssicherheit und von der Suche nach einem angemessenen Interessenausgleich zwischen Schädiger und Geschädigtem leiten lassen. Sie legt zudem dar, dass in den meisten Fällen das Recht des Staates des direkten Schadenseintritts mit dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten übereinstimmt. Die Kommission hat davon abgesehen, dem Geschädigten grundsätzlich die für ihn günstigste Lösung anzubieten, welche in der Möglichkeit einer Rechtswahl bestehen würde. Sie berücksichtigt, dass eine solche Grundregel über die berechtigten Erwartungen des Geschädigten hinausgehen und ein Element der Rechtsunsicherheit einführen würde, welches der allgemeinen Zielsetzung des Vorschlags für die Rom II-Verordnung widersprechen würde. Artikel 3 stellt somit einen Kompromiss zwischen zwei Extremlösungen dar, und zwar einerseits der Anwendung des für die schadensbegründende Handlung maßgebenden Rechts und andererseits der Rechtswahl des Geschädigten. Dies spiegelt darüber hinaus die moderne Konzeption der zivilrechtlichen Haftung wieder, die nicht mehr auf die Bestrafung eines schuldhaften Verhaltens ausgerichtet ist, sondern vielmehr die Entschädigungsfunktion in den Vordergrund stellt, was vor allem an der Entwicklung der verschuldensunabhängigen Haftung deutlich wird. In der Sache selbst ist hinzuzufügen, dass für den Vorrang des Rechts des Ortes des direkten Schadenseintritts gegenüber demjenigen des Verhaltens des Beklagten spricht, dass ersterer, wenigstens in den Fällen von physischen Schäden, leicht zu ermitteln ist, so dass etwaige berechtigte Erwartungen des Beklagten diese Regel nicht vereiteln können und ein Kläger, welcher in seinem eigenen Staat einen Schaden erlitten hat, wenig Anlass zur Beschwerde hat, wenn ihm der Vorteil von Franco-Tunisienne, [2003] 2 Lloyd’s Rep 146 (CA). Vgl. EuGH 10. 6. 2001 – C-168/02 – Kronhofer/Maier (vgl. Fn. 61). 69 70 71 Vgl. die einleitende Begründung, S. 12. günstigeren Regelungen desjenigen Staates, in welchem der Beklagte gewohnt und gehandelt hat, versagt bleibt. Nach Ansicht des Verfassers entspricht Art. 3 Abs. 1 daher der optimalen Lösung. Das Recht der offensichtlich engeren Verbindung Als Ausnahme zu der in Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 dargelegten Grundregel der Anwendung des Rechts des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts oder des Ortes des Schadenseintritts räumt Art. 3 Abs. 3 einer offensichtlich engeren Verbindung den Vorzug ein. Er sieht vor, dass „wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass das außervertragliche Schuldverhältnis eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist, das Recht dieses anderen Staates gilt. Eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat kann sich insbesondere aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wie einem Vertrag, der mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht, ergeben.“ 72 Wie in der einleitenden Begründung dargelegt, bezweckt Art. 3 Abs. 3, die ermöglichung einer gewissen Flexibilität, so dass das Gericht im Einzelfall von der starren Regelung abweichen und das Recht anwenden kann, das die engste Verbindung zum Sachverhalt aufweist. Sie legt jedoch dar, dass diese Bestimmung nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommen darf, da mit ihr eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf das anwendbare Recht verbunden ist. Um deutlich zu machen, dass diese Klausel wirklich nur in Ausnahmefällen anzuwenden ist, muss das außervertragliche Schuldverhältnis gemäß Abs. 3 eine „offensichtlich engere Verbindung“ mit einem anderen Staat aufweisen. Aber es gibt, anders als bei dem in Satz 2 der Vorschrift genannten bestehenden Rechtsverhältnis, weder eine Leitlinie hinsichtlich des Anwendungsbereiches dieser Ausnahme noch hinsichtlich der Bedeutung des Begriffs einer offensichtlich engeren Verbindung oder der engsten Verbindung zum Sachverhalt. Wie die einleitende Begründung ausführt, gelangt das auf das bestehende Rechtsverhältnis anwendbare Recht nicht automatisch zur Anwendung, sondern das Gericht stellt nach eigenem Ermessen fest, ob zwischen den außervertraglichen Schuldverhältnissen und dem auf das bereits bestehende Rechtsverhältnis anwendbaren Recht eine maßgebliche Verbindung besteht. Die Unbestimmtheit des Art. 3 Abs. 3 ähnelt der geltenden englischen Regel, die in section 12 des Private International Law Act 1995 [Miscellaneous Provisions] die Ersetzung der Lex loci delicti-Regel zugunsten eines anderen Rechts vorsieht, wenn das Gericht dieses in Anbetracht aller Umstände für wesentlich geeigneter hält, den Sachverhalt zu regeln. Nach section 12 beurteilt sich diese Geeignetheit durch einen Vergleich derjenigen Faktoren, welche die unerlaubte Handlung mit dem Staat verbindet, dessen Recht nach der Grundregel anwendbar wäre und denjenigen Faktoren, die die unerlaubte Handlung mit einem anderen Staat verbindet, dessen Recht das Gericht für möglicherweise anwendbar hält. Die in Betracht kommenden verbindenden Faktoren sind diejenigen, die einen Bezug zu den Parteien, zu den schadensbegründenden Ereignissen, oder zu allen Umständen oder Konsequenzen aus diesen Ereignissen aufweisen. Es gibt jedoch keine Vgl. die einleitende Begründung, S. 12. Vgl. die einleitende Begründung, S. 12 72 Vgl. die einleitende Begründung, S. 13 The European Legal Forum Heft 4-2004 223 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Leitlinien für die Beurteilung der Bedeutung einer solchen Verbindung oder einer Gruppe von Verbindungen und deren Vergleich, um die jeweilige Geeignetheit der Anwendung eines Rechts zu ermitteln. Diese außergewöhnliche Unklarheit 73 spiegelt das Arbeitspapier der Kommission wieder, welches jeden den verschiedenen Verknüpfungen eine relevante Bedeutung beimessenden Grundsatz verwarf. 74 Wie die einleitende Begründung darlegt, erfordert Satz 2 von Art. 3 Abs. 3 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung, nicht, dass es sich bei dem bestehenden Rechtsverhältnis um einen Vertrag handeln muss. Es können auch vor- oder nachvertragliche Beziehungen vorliegen wie in dem Falle des Abbruchs von Vertragsverhandlungen oder der Auflösung eines Vertrages oder eines Familienverhältnisses. Handelt es sich bei einem bestehenden Rechtsverhältnis jedoch um einen Verbraucher- oder Arbeitsvertrag und lässt dieser Vertrag eine Rechtswahl zugunsten eines anderen Rechts zu, so darf Art. 3 Abs. 3 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung nicht dazu führen, dass der schwächeren Partei der Schutz entzogen wird, der ihr anderenfalls nach dem Vertrag gem. Art. 5 und 6 des EVÜ zugestanden hätte. Es bleibt sehr unklar, in wieweit die in Art. 3 Abs. 3 vorgesehene Ausnahme angewendet werden kann, falls überhaupt kein bestehendes Rechtsverhältnis vorliegt. Die Formulierung legt nahe, dass eine Anwendung auch in diesem Falle grundsätzlich möglich ist, wenn auch nur in seltenen Fällen. Vielleicht ist der anschaulichste Fall derjenige, in welchem die Parteien zwar in verschiedenen Staaten wohnhaft sind, deren Rechtssysteme jedoch miteinander übereinstimmen und von dem Recht des Staates abweichen, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. In einem solchen Fall führt die Anwendung des Rechtes des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Parteien gem. Art. 3 Abs. 3 zu einer Richtigstellung der Fehler im Entwurf des Art. 3 Abs. 2. Es bleibt zudem fraglich, ob Art. 3 Abs. 2 zur Anwendung gelangt, um dem Recht des Staates des schädigenden Ereignisses gegenüber dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts den Vorrang einzuräumen, da auf diese Weise eine inakzeptable Benachteiligung zwischen Klägern, welche in verschiedenen Staaten wohnhaft sind, jedoch durch dasselbe Ereignis einen Schaden erlitten haben, herbeigeführt wird. Darüber hinaus erscheint es unwahrscheinlich, dass die obigen Ausführungen zu dem unangemessen weiten Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 dadurch überwunden werden können, dass das Recht am Ort des Schadenseintritts trotz eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Parteien Anwendung findet, wenn es offensichtlich erscheint, dass dieses ein besonderes Interesse an der Anwendung seiner eigenen Regeln hat, die Schadensersatz im Rahmen von Verkehrsunfällen zusprechen oder den bedachtsamen Gebrauch von physischer Gewalt innerhalb seiner Grenzen vorsehen. Nachträgliche Vereinbarungen Wie wir bereits gesehen haben, unterliegt ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gem. Art. 3 Abs. 3 des Vorschlags zur Rom II-Verordnung in einigen Fällen dem Recht des Staates, 73 74 Arbeitspapier S. 87, Ergänzendes Memorandum S. 62 (1984). Vgl. die einleitende Begründung, S. 14. welches auf den Vertrag zwischen den Parteien Anwendung findet, der vor dem schadensbegründenden Ereignis geschlossen wurde. Darüber hinaus ermöglicht Artikel 10 des Vorschlags den Parteien, die Wahl des für einen Anspruch aus unerlaubter Handlung anwendbaren Rechts nach Eintritt des Ereignisses (anders als bei einer Klage wegen der Verletzung des Rechts am geistigen Eigentum). Wie auch in Art. 3 EVÜ stellt Art. 10 Abs. 1 klar, dass eine solche Rechtswahl ausdrücklich erfolgen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falls ergeben muss und dass die Rechte Dritter von der Rechtswahl unberührt bleiben müssen (wie z.B. die Rechte 75 des Haftpflichtversicherers). Unter dem Einfluss des EVÜ bestimmt Art. 10 Abs. 2 für den Fall, dass sich alle anderen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in einem anderen Staat als jenem, dessen Recht gewählt wurde, befinden, dass die Anwendung der Bestimmungen, von denen nach dem Recht dieses anderen Staates nicht durch Vereinbarung abgewichen werden kann, von der Rechtswahl der Parteien unberührt bleibt. Art. 10 Abs. 3 erweitert dieses Prinzip der Aufrechterhaltung der zwingenden Bestimmungen des Rechts durch den Zusatz, dass die Rechtswahl der Parteien nicht zum Ausschluss der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts führen darf, falls sich alle anderen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt des Schadenseintritts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft befinden. Erwägungsgrund 16 führt aus, dass die Möglichkeit der Rechtswahl zum Schutz der schwächeren Partei mit bestimmten Bedingungen versehen wird. Der Schutz der schwächeren Partei ist jedoch nicht unbedingt notwendig, falls eine Rechtsstreitigkeit bereits entstanden ist und die Parteien schon rechtliche Beratung in Anspruch genommen haben. Zudem gibt es derzeit noch keine Normen des Gemeinschaftsrechts, auf die Art. 10 Abs. 3 Anwendung finden könnte. Die öffentliche Ordnung und Vorbehaltsklauseln Wie auch Art. 16 EVÜ sieht Art. 22 des Vorschlags zur Rom II-Verordnung eine strikte Einhaltung der öffentlichen Ordnung am Ort des Gerichtsstandes vor. Er bestimmt, dass die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts nur versagt werden kann, wenn dies mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist („ordre public“). Der Erwägungsgrund 17 führt aus, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten in Ausnahmefällen Vorbehaltsklauseln und Eingriffsnormen aus Gründen des öffentlichen Interesses anwenden können. 76 Wie in der einleitenden Begründung dargelegt, erlaubt es der ordre public-Vorbehalt dem Gericht, die Anwendung des nach der Kollisionsnorm maßgebenden fremden Recht zu versagen und an seiner Stelle die Lex fori anzuwenden, wenn die Anwendung des fremden Rechts die öffentliche Ordnung am Ort des Gerichtsstandes verletzen würde. Während Artikel 22 eine herkömmliche Regelung aufweist, enthält Artikel 24 eine besondere Regelung für nicht auf Ausgleich gerichteten Schadensersatz („Strafschadensersatz oder Schadensersatz mit abschreckender Wirkung“). Er sieht vor, 75 76 Vgl. die einleitende Begründung, S. 25. Vgl. die einleitende Begründung, S. 25, 42. Heft 4-2004 The European Legal Forum 224 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ dass die Anwendung einer Norm des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts, die zur Folge hätte, dass eine über den Ausgleich des entstandenen Schadens hinausgehende Entschädigung etwa in Form eines Schadenersatzes mit Strafcharakter oder mit abschreckender Wirkung zugesprochen werden könnte, mit der öffentlichen Ordnung der Gemeinschaft nicht vereinbar ist. Dies betrifft nicht mehr die Frage des anwendbaren Rechts und stellt eine neue wesentliche Regelung auf Gemeinschaftsebene dar, welche sogar in dem Fall Anwendung findet, dass das auf die unerlaubte Handlung anwendbare Recht nach dem Vorschlag dasjenige des Gerichtsstandes ist, sowie dann, wenn der Fall überhaupt keine Auslandsberüh77 rung aufweist. Darüber hinaus enthält die Präambel keinerlei Begründung, weshalb ein nicht auf Ausgleich gerichteter Schadensersatz unerwünscht sei oder ob dessen systematische Abschaffung in den Anwendungsbereich der Bestimmung des Titels IV EGV im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen fällt, auf welcher der Vorschlag beruht. Nach Ansicht des Verfassers entbehrt diese Bestimmung jeglicher rechtlicher Grundlage, da ihre Einbeziehung beinahe an Machtmissbrauch grenzt (wie in Art. 230 ex Art. 173 des Vertrages in Erwägung gezogen). Es besteht daher die Hoffnung, dass der Rat oder das Parlament auf ihrer Abschaffung bestehen wird. Die einleitende Begründung bietet keine wirkliche Begründung für die Einbeziehung von Artikel 12 in den Verordnungsvorschlag. Sie nimmt Bezug auf die Entscheidung des 81 Europäischen Gerichtshofes in Arblade , welche sich mit dem Verhältnis zwischen den nationalen arbeitsvertraglichen Regelungen und der gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit befasst. Nach Ansicht des Verfassers kann aus den in Arblade aufgeworfenen Streitfragen kein Analogieschluss hinsichtlich der Probleme, die im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden außervertraglichen Schuldverhältnissen aus unerlaubter Handlung auftauchen, gezogen werden. Genauso wenig verdient Art. 7 EVÜ eine Veröffentlichung im Zusammenhang mit unerlaubten Handlungen, da er sich mit Regelungen befasst, welche dazu dienen, sich über vertragliche Bestimmungen hinwegzusetzen, und nicht lediglich dazu, das Recht eines anderen Staates außer Kraft zu setzen. Nach Ansicht des Verfassers könnte durch die Streichung von Art. 12 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung die Rechtssicherheit erhöht werden, ohne einen ausgleichenden Verlust gegenüber der Gerechtigkeit oder Politik hinnehmen zu müssen. Zusätzlich zu der klassischen Klauseln zur öffentlichen Ordnung in Artikel 22 des Vorschlages zur Rom II78 Verordnung sieht Artikel 12 weitere Vorbehaltsklauseln vor. Wie Art. 7 Abs. 1 EVÜ, bestimmt auch Art. 12 Abs. 1, dass bei Anwendung des Rechts eines bestimmten Staats aufgrund dieser Verordnung den zwingenden Bestimmungen des Rechts eines anderen Staates, mit dem der Sachverhalt eine enge Verbindung aufweist, Wirkung verliehen werden kann, soweit diese Bestimmungen nach dem Recht des letztgenannten Staates ohne Rücksicht darauf anzuwenden sind, welchem Recht das außervertragliche Schuldverhältnis unterliegt. Bei der Entscheidung, ob diesen zwingenden Bestimmungen Wirkung zu verleihen ist, sind ihre Natur und Gegenstand sowie die Folgen zu berücksichtigen, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden. Aber im Gegensatz 79 zu Art. 7 Abs. 1 EVÜ , gibt es für die Mitgliedstaaten keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Anwendung des Art. 12 Abs. 1. Darüber hinaus sehen Art. 7 Abs. 2 EVÜ sowie Art. 12 Abs. 2 des Verordnungsvorschlags vor, dass die Anwendung der nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts geltenden Vorschriften, die ohne Rücksicht auf das für das außervertragliche Schuldverhältnis maßgebende Recht den Sachverhalt zwingend regeln, von der Verordnung nicht be80 rührt wird. In den Art. 4 bis 8 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung sind Sonderregeln für bestimmte unerlaubte Handlungen niedergelegt worden. Sie weichen in unterschiedlichem Ausmaß von den in Artikel 3 enthaltenen Grundregeln ab. 77 78 79 80 Im Gegensatz dazu verhindert Art. 40 Abs. 3 EGBGB (in der Fassung von 1999), dass die deutschen Gerichte auf Forderungen eingehen, die über eine angemessenen Entschädigung des Verletzten hinausgehen oder die offensichtlich anderen Zwecken als einer angemessenen Entschädigung des Verletzten dienen. Art. 40 Abs. 3 findet ausdrücklich nur auf solche Forderungen Anwendung, die dem Recht eines anderen Staats unterliegen. Erwägungsgrund 17 erläutert, dass es aus Gründen des öffentlichen Interesses gerechtfertig erscheint, den Gerichten der Mitgliedstaaten in Ausnahmesituationen die Möglichkeit zu geben, auf Eingriffsnormen basierende Ausnahmen zu machen. Art. 22 Übereinkommen von Rom gibt einem Mitgliedstaat das Recht, einen Vorbehalt einzulegen, der die Anwendung von Art. 7 Abs. 1 ausschließt. Das Vereinigte Königreich, Irland, Deutschland, Luxemburg und Portugal haben solche Vorbehalte eingelegt. Art. 12 Abs. 2 entspricht dem Vorbehalt der section 14(4) (UK) Private EINIGE BESONDERE UNERLAUBTE HANDLUNGEN Produkthaftung In Bezug auf die Produkthaftung ersetzt Art. 4 die in Art. 3 Abs. 1 enthaltene Anknüpfung an den Ort des direkten Schadenseintritts durch eine Regelung zugunsten des gewöhnlichen Aufenthalts einer der Parteien. Andererseits bleiben Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3, welche dem Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts oder demjenigen der offensichtlich engeren Verbindung den Vorzug geben, anwendbar. Art. 4 sieht vor, dass, unbeschadet des Art. 3 Abs. 2 und 3, für das außervertragliche Schuldverhältnis im Falle eines Schadens oder der Gefahr eines Schadens aufgrund eines fehlerhaften Produkts das Recht des Staates maßgebend ist, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, weist nach, dass das Produkt ohne ihre Zustimmung in diesem Land in Verkehr gebracht worden ist; in diesem Fall ist das Recht des Landes anwendbar, in dem die Person, deren Haftung geltend gemacht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 82 Wie in der einleitenden Begründung dargelegt, folgt die Definition von „Produkt“ und „fehlerhaftem Produkt“ im Sinne von Artikel 4 der Definition in den Artikeln 2 und 6 der 83 Richtlinie 85/374 (in der geänderten Fassung). Ein solches International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995 für jede Rechtsnorm, die trotz der auf die jeweiligen Umstände anzuwendenden Vorschriften des Internationalen Privatrechts Gültigkeit besitzt. 81 82 83 EuGH 23. 11. 1999 – C-369/96 und C-376/96 – Jean-Claude Arblade und Arblade & Fils SARL und Bernard Leloup, Serge Leloup und Sofrage SARL, Slg. 1999, I-8453. Vgl. die einleitende Begründung, S. 14. Richtlinie 85/374 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvor- The European Legal Forum Heft 4-2004 225 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Produkt bezeichnet jeden beweglichen Gegenstand, selbst wenn dieser in einen anderen beweglichen oder unbeweglichen Gegenstand eingegliedert wurde, einschließlich Elektrizität. Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, welche eine Person unter Berücksichtung aller denkbaren Umstände erwarten darf. Hierunter fallen seine Anpreisung, die vernünftigerweise zu erwartende Gebrauchsmöglichkeit und der Zeitpunkt, zu dem es in Verkehr gebracht wurde. Artikel 4 scheint auf jede Haftung aus unerlaubter Handlung wegen Produktsicherheit anwendbar zu sein. Er gelangt zur Anwendung, wenn der Beklagte ein Hersteller, ein Produzent des Produktes selbst, der Hersteller eines Ausgangser84 zeugnisses, ein Zwischenhändler, ein Importeur oder möglicherweise ein Designer ist. Da die Sicherheit im Vordergrund steht, ist die Produkthaftung auf physische Personenschäden 85 sowie physische Schäden an sonstigem Eigentum beschränkt. Jedoch braucht der Kläger nicht zwingend ein Käufer, ein Konsument oder eine Privatperson zu sein. Der Kläger könnte zum Beispiel als Gesellschaftseigentümer eines verunglückten Lastwagens in eine Kollision mit einem schadhaften Kfz verwickelt sein. Darüber hinaus findet Artikel 4 Anwendung, wenn die Klage auf Gefährdungshaftung (z.B. nach der Richtlinie 85/374) oder auf Verschuldenshaftung gestützt wird. Die Haftung muss jedoch aus der unerlaubten Handlung selbst herrühren und der Vorbehalt des Art. 3 Abs. 3 führt im Falle eines bestehenden Vertrages zwischen den Parteien über die Lieferung eines Produkts dazu, dass jede Klage aus unerlaubter Handlung dem Recht unterfällt, welches der Vertrag vorsieht oder (falls einschlägig) demjenigen Recht, welches den zwingenden Schutz des Klägers als Konsument nach dem EVÜ vorsieht. Obgleich die Sachnormen der Mitgliedstaaten über die Produkthaftung mit der Richtlinie 85/374 angeglichen wurden, ist der Anwendungsbereich des Artikel 4 des Vorschlags zur Rom II-Verordnung noch weitreichender. Selbst im Falle einer Klage, die lediglich mit den Mitgliedstaaten in Verbindung steht, und auf die Richtlinie 85/374 gestützt ist, könnte ein Konflikt entstehen, falls einer der beiden eng verbundenen Staaten die in Artikel 15 der Richtlinie vorgesehene Wahlmöglichkeit ausgeübt hat, um die in Art. 7 lit. e vorgesehenen „Sta86 te of the art“-Verteidigung außer Kraft zu setzen. Für den Fall, dass ein nicht europäisches Element vorliegt, sind Konfliktsituationen hinsichtlich der verschuldensunabhängigen Haftung (im Gegensatz zur Verschuldenshaftung) und der Möglichkeit einer Verteidigung im Hinblick auf die gesetzli87 che Anspruchsverjährung nicht unwahrscheinlich. schriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. 1985, L 210, S. 29), geändert durch Richtlinie 1999/34 (ABl. 1999, L 141, S. 20). 84 85 86 87 Vgl. die einleitende Begründung, S. 16, und Richtlinie 85/374, Art. 3. Vgl. die einleitende Begründung, S. 16. Vgl. jedoch Richtlinie 85/374, Art. 9. Vorbehaltlich der Ausnahmeregelung hinsichtlich des Rechts einer offensichtlich engeren Verbindung, sieht Artikel 4 drei Unterpunkte vor. Zunächst unterfällt die Produkthaftung dem Recht des Staates, in dem beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, falls dies der Fall sein sollte. Anderenfalls findet das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Klägers Anwendung, es sei denn, das Produkt ist nicht mit der Zustimmung des Beklagten in Verkehr gebracht worden. In diesem Fall ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Keiner der drei Unterpunkte räumt dem Ort des Schadenseintritts oder demjenigen des schadensverursachenden Verhaltens des Beklagten den Vorrang ein. Alle drei stellen eine Ausnahme zu dem Recht der offensichtlich engeren Verbindung dar und gelangen überwiegend in dem Fall zur Anwendung, dass ein Vertrag zwischen den Parteien besteht, so dass sie entweder nach dem Recht, welches den Vertrag regelt oder (falls einschlägig) nach dem Recht, welches zwingende Bestimmungen zugunsten des Klägers als Konsument nach dem EVÜ vorsieht, anwendbar sind. Aufgrund eines Fehlers während der Ausarbeitung des Entwurfs räumt Artikel 4 dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Klägers den Vorrang gegenüber demjenigen des Beklagten ein, „es sei denn, der Beklagte weist nach, dass das Produkt ohne seine Zustimmung (des Beklagten) in diesem Land (das Land am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Klägers) in Verkehr gebracht worden ist“. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut käme das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Klägers auch dann zur Anwendung, wenn der Beklagte nachweist, dass das Produkt nicht dort in Verkehr gebracht worden ist. Aber aus 88 der einleitenden Begründung wird deutlich, dass die Zielsetzung darin besteht, dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten den Vorrang einzuräumen, falls dieser nachweist, dass das Produkt nicht in dem Land des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Klägers in Verkehr gebracht worden ist oder dort ohne die Zustimmung des Beklagten in Verkehr gebracht worden ist. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bestimmung zu berichtigen oder zumindest entsprechend auszulegen ist. Was genau versteht man unter einem „Produkt“, welches nicht in dem Land des Klägers mit der Zustimmung des Beklagten in Verkehr gebracht werden soll? Der Wortlaut der Vorschrift scheint sich auf das jeweils fehlerhafte und schadensverursachende Produkt zu beziehen und nicht auf die aus der gleichen Fertigung stammende Gruppe gleichartiger Produkte. Darüber hinaus macht diese Auslegung Sinn, da von einem Produzenten erwartet werden darf, dass er angesichts der Bürde der Produkthaftung unterschiedliche Preise auf den einzelnen Märkten der entsprechenden Staaten erhebt. Falls daher ein englischer Konsument während seines Besuchs in Taiwan Waren erwirbt, welche von einem dort ansässigen Produzenten produziert wurden, erscheint die Anwendung Nach Art. 7 lit. e haftet der Hersteller nicht, wenn er beweist, dass der vorhandene Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem er das betreffende Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Eine gesetzliche Anspruchsverjährung („statute of repose“) ist eine Bestimmung, die die Haftung ausschließt, wenn die Verletzung nicht innerhalb einer bestimmten Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr gebracht hat, auftritt. So z.B. in Art. 11 der Richtlinie 85/374, der bestimmt, dass die dem Geschädigten aus dieser Richtlinie erwachsenden Ansprüche nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren ab dem Zeitpunkt erlöschen, zu dem der Hersteller das Produkt, welches den Schaden verursacht hat, in den Verkehr gebracht hat, es sei denn, der Geschädigte hat in der Zwischenzeit ein gerichtliches Verfahren gegen den Hersteller eingeleitet. In der jüngsten amerikanischen Rechtsprechung zur Produkthaftung spielen solche Streitfälle eine große Rolle; z.B., Maly v Genmar Industries, 1996 WL 28473 (ND Illinois, 1996); Rutherford v Goodyear, 943 FSupp 789 (WD Kentucky, 1996); Denman v Snapper Division, 131 F3d 546 (C5 for Mississippi, 1998); McKinnon v Morgan, 750 A2d 1026 (Vermont, 2000); und Phillips v General Motors, 995 P2d 1002 (Montana, 2000). 88 Vgl. die einleitende Begründung, S. 15. Heft 4-2004 The European Legal Forum 226 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ der günstigeren englischen Regeln über die Produkthaftung für den Konsumenten nicht allein aus dem Grunde gerechtfertigt, dass dieselben Waren in England mit der Zustimmung des Produzenten (möglicherweise zu einem viel höheren Preis) in Verkehr gebracht worden sind. Bedauerlicherweise 89 ergibt sich aus der einleitenden Begründung, dass die Zielsetzung der Kommission eine andere ist; „Produkt“ sei demnach unter Bezugnahme auf eine Reihe von gleichartigen Produkten desselben Produzenten zu verstehen. Aufgrund dieses (sehr unangemessenen) Ergebisseserscheint ein klarerer Wortlaut dringend notwendig. Zudem bestehen Zweifel hinsichtlich der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Beklagten, insbesondere in dem Fall, dass der Hersteller ein großes multinationales Unternehmen mit Fabrikanlagen und Verkaufsbüros in zahlreichen Staaten ist. Mn nehme beispielsweise an, dass die Waren von einem Unternehmen hergestellt worden sind, welches in Delaware eingetragen ist und seinen Hauptsitz in New York hat. Die Waren werden in seiner Fabrikanlage in Illinois hergestellt und in Europa in Verkehr gebracht, und zwar durch die firmeneigenen Verkaufsbüros in Irland, welche die Waren an selbständige Zwischenhändler in zahlreichen europäischen Staaten einschließlich Norwegen verkaufen. Das Unternehmen lehnt es ab, die Ware nach Deutschland zu verkaufen, da die aus seiner Sicht strengen Produkthaftungsbestimmungen der lohnenswerte Verkäufe von vornherein verhindern. Ein deutscher Staatsbürger kauft jedoch ein solches Produkt während seines Besuchs in Norwegen. Nach Art. 19 Abs. 1 steht die Hauptniederlassung eines Unternehmens dem gewöhnlichen Aufenthalt gleich. Tritt jedoch das schädigende Ereignis oder der Schaden bei der Ausübung der beruflichen Tätigkeit einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung ein, steht dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ort gleich, an dem sich diese Niederlassung befindet. In Bezug auf den oben geschilderten Sachverhalt könnte der gewöhnliche Aufenthaltsort des beklagten Unternehmens in New York sein, da sich dort die Hauptniederlassung befindet oder in Illinois, sofern die Herstellung des Produkts als das schädigende Ereignis anzusehen ist oder aber in Irland, falls das Inverkehrbringen des Produkts durch die irische Zweigniederlassung als das maßgebliche Ereignis anzusehen ist. Eine eindeutige Antwort gibt es auf diese Frage nicht. Für den Fall, dass sich die Niederlassung des Beklagten in dem Land befindet, in dem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und diese Niederlassung in irgendeiner Weise in die Herstellung oder den Vertrieb des Produkts involviert ist, sollte diese nach Ansicht des Verfassers als maßgeblicher Aufenthaltsort des Beklagten angesehen werden, so dass das Recht dieses Staates gem. Art. 3 Abs. 2 Anwendung findet. Erwägungsgrund 10 erläutert als Begründung für Art. 4 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung, dass die Kollisionsnormen im Bereich der Produkthaftung eine gerechte Verteilung der Risiken einer modernen Gesellschaft sicherstellen sollen, die durch einen hohen Grad der Technisierung, des 89 Vgl. die einleitende Begründung, S. 16. Dem liegt folgende Argumentation zugrunde: „Wenn der Geschädigte – etwa um ein Angebot zu nutzen – im Ausland ein Produkt erstanden hat, das auch im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts vertrieben wird (...), musste der Hersteller bereits damit rechnen, dass seine Tätigkeit nach Maßgabe der in diesem Staat geltenden Normen bewertet wird. Zudem bezeichnet Art. 4 das Recht desjenigen Staates, dessen Anwendung für beide Parteien vorhersehbar war.“ Schutzes der Gesundheit der Verbraucher, des Anreizes für Innovation, der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs und der Erleichterung des Handels gekennzeichnet ist. Die Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Geschädigten – ergänzt um eine Vorhersehbarkeitsklausel – stellt im Hinblick auf diese Ziele eine ausgewogene 90 Lösung dar. Wie die einleitende Begründung ausführt, sollen die besonderen Erfordernisse dieses Bereiches berücksichtigt werden, ohne dass die Regelung jedoch zu komplex wird. Die Voraussetzung, dass das Produkt in dem Land, in welchem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, in Verkehr gebracht wird, damit sein Recht zur Anwendung gelangt, macht die Lösung für den Hersteller, der die Kontrolle über sein Verkaufsnetz hat, berechenbar. Dies trägt auch den legitimen Interessen des Geschädigten Rechnung, da es sich in den meisten Fällen um ein Produkt handelt, das in seinem Wohnsitzstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden ist. Darüber hinaus erfüllt Artikel 4 auch die allgemeinen Ziele der Europäischen Union, wie ein hohes Schutzniveau in Bezug auf die Gesundheit der Verbraucher und die Aufrechterhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt. Da alle Wettbewerber auf einem bestimmten Markt dieselben Sicherheitsnormen einhalten müssen, können Hersteller in einem Staat mit niedrigem Schutzniveau diese niedrigen Standards nicht auf die anderen Staaten übertragen, was einen Anreiz für Innovation sowie wirtschaftliche und technische Entwicklung darstellt. Obgleich der Verfasser dazu neigt, dem Ort, an dem das Produkt zuletzt mit Zustimmung des Beklagten an einer Hauptniederlassung (unabhängig davon, ob diese dem Beklagten gehört oder nicht) in Verkehr gebracht worden ist, eine größere Bedeutung beizumessen, ist einzuräumen, dass zu der von Artikel 4 angebotenen Lösung sowohl hinsichtlich der Rechtssicherheit als auch in Hinblick auf einen angemessenen Interessenausgleich noch viel hinzuzufügen ist. Vorbehaltlich der Beilegung der oben erwähnten kleineren Schwierigkeiten hinsichtlich des mit Zustimmung des Beklagten in den Verkehr gebrachten „Produkts“ und der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Beklagten, erscheint diese Bestimmung jedoch allgemein akzeptabel. Unlauterer Wettbewerb Art. 5 des Vorschlags zur Rom II-Verordnung regelt Klagen auf Ersatz eines Schadens, „der aus einem unlauteren Wettbewerbsverhalten entstanden ist“. In Art. 5 Abs. 1 ist eine Anknüpfung an das Recht des Staates vorgesehen, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen oder die kollektiven Interessen der Verbraucher beeinträchtigt worden sind oder beeinträchtigt werden können. Abs. 2 sieht Ausnahmen für diejenigen Fälle vor, in denen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten auf einen bestimmten Wettbewerber abzielt, und erklärt in solchen Fällen Art. 3 Abs. 2 zugunsten eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsorts und Art. 3 Abs. 3 zugunsten einer offensichtlich engeren Verbindung für anwendbar. Erwägungsgrund 11 erläutert, dass die Kollisionsnormen im Bereich des unlauteren Wettbewerbs die Wettbewerber, die Verbraucher und die breite Öffentlichkeit schützen und das reibungslose Funktionieren der Marktwirtschaft sicherstellen 90 Vgl. die einleitende Begründung, S. 15. The European Legal Forum Heft 4-2004 227 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ sollen. Durch eine Anknüpfung an das Recht des betreffenden Marktes können diese Ziele erreicht werden, obwohl in Sonderfällen auf andere Regeln zurückgegriffen wird. Wie die ein91 leitende Begründung ausführt, sollen die Vorschriften über den unlauteren Wettbewerb einen fairen Wettbewerb sicherstellen, indem für alle Wettbewerber dieselben Regeln gelten. Das moderne Wettbewerbsrecht bezweckt sowohl den Schutz der Wettbewerber (horizontale Ebene) als auch der Verbraucher und der breiten Öffentlichkeit (vertikale Ebene). Diese dreifache Funktion des Wettbewerbsrechts muss sich in einem modernen Kollisionsrecht widerspiegeln. Wie die einleitende 92 Begründung zudem verdeutlicht, verbietet Artikel 5 Handlungen, die auf die Nachfrage Einfluss zu nehmen trachten, (wie z.B. irreführende Werbung oder erzwungene Verkäufe), Handlungen, die das Angebot von Wettbewerbern behindern sollen (wie z.B. Störung der Zulieferung, Abwerbung von Angestellten oder Boykott) und Handlungen, mit denen Vorteile eines Wettbewerbers missbraucht werden (wie z.B. Schaffung einer Verwechslungsgefahr). 93 Die einleitende Begründung führt aus, dass Art. 5 Abs. 1 das Recht des Staates für anwendbar erklärt, auf dessen Markt sich die Wettberber um die Verbraucher bemühen. Diese Lösung entspricht den Erwartungen der Geschädigten, da die Vorschrift grundsätzlich das Recht bezeichnet, das ihre wirtschaftlichen Beziehungen regelt, die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer auf einem bestimmten Markt sichert und damit zum Schutz des Marktes einem makroökonomischem Ziel folgt. Art. 5 Abs. 1 verweist auf das Recht des Staates, dessen Markt direkt und wesentlich beeinträchtigt wird. Dieses Recht regelt auch die Haftung für andernorts erlittene Folgeschäden. 94 Wie die einleitende Begründung darlegt kann es direkte und wesentliche Wirkungen auf mehr als nur einem Markt geben, welche auf die Anwendung der verschiedenen Rechtsordnungen zurückzuführen sind. Art. 5 Abs. 1 ersetzt die nach Art. 3 Abs. 1 erforderliche Prüfung eines direkten Schadens durch eine Überprüfung der direkten Auswirkung auf dem Markt, welche sich im Hinblick auf unerlaubte Handlungen, die unlauteren Wettbewerb zur Folge haben, besser eignet. Darüber hinaus beschränkt Art. 5 Abs. 2 die Regel des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, wie ihn Art. 3 Abs. 2 vorsieht oder die der offensichtlich engeren Verbindung, die in Art. 3 Abs. 3 enthalten ist, auf diejenigen Fälle, in denen ein unlauteres Wettbewerbsverhalten auf einen bestimmten Wett95 bewerber abzielt. Wie die einleitende Begründung ausführt, gilt dies etwa bei der Abwerbung von Angestellten, bei Bestechung, Industriespionage, Preisgabe eines Geschäftsgeheimnisses oder einer Anstiftung zum Vertragsbruch. In diesen bilateralen Fällen erscheinen die normalen Abweichungen von dem Recht des Ortes des direkten Schadenseintritts als gerechtfertigt. Artikel 5 findet keine Anwendung auf Klagen wegen der Verletzung des Rechts an geistigem Eigentum, da diese Mate91 92 93 94 95 rie bereits abschließend in Artikel 8 geregelt ist. Geistiges Eigentum Artikel 8 behandelt Verletzungen von geistigen Eigentumsrechten. Wie Erwägungsgrund 14 ausführt, umfasst der Ausdruck Urheberrechte (Autorenrechte, Nachbarrechte und das Datenbankschutzrecht sui generis) sowie gewerbliche Schutzrechte (wie z.B. Patente, eingetragene Warenzeichen und Gebrauchsmusterrechte). Nach Art. 8 Abs. 1 findet bei der Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum das Recht des Landes Anwendung, in dem der Schutz beansprucht wird. Gemäß Erwägungsgrund 96 14 und der einleitenden Begründung gilt der Grundsatz der Lex loci protectionis, welcher die Unabhängigkeit des Rechts am geistigen Eigentum garantiert, die sein Inhaber in jedem Land genießt. Es gibt keinerlei Ausnahmen zugunsten des Rechts am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder einer offensichtlich engeren Verbindung. Der gleiche Grundsatz gilt auch für Art. 8 Abs. 2, in dem Falle der Verletzung einheitlicher gemeinschaftsrechtlicher Schutzrechte. Solche gemeinschaftsrechtlichen Schutzrechte 97 gibt es in vielerlei Arten, nämlich als eingetragene Warenzei98 99 100 chen , Muster und Patente . Sofern das Gemeinschaftsrecht für eine Frage keinerlei Regelungen bereithält, ist das Recht desjenigen Mitgliedstaates anwendbar, in dem die Verletzungshandlung begangen worden ist. Ehrverletzung und Privatsphäre Artikel 6 des Vorschlags zur Verordnung Rom II stellt zwei ergänzende Regeln für unerlaubte Handlungen auf, welche „eine Verletzung der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten“ umfasst. Diese Bestimmungen regeln insbesondere 101 die Verleumdung durch Massenmedien. Die in Artikel 3 niedergelegten normalen Regelungen (zugunsten des Ortes des direkten Schadenseintritts, des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsorts und der offensichtlich engeren Verbindung) bleiben vorbehaltlich der in Artikel 6 vorgesehenen zwei Ausnahmen anwendbar. Im Falle einer vielfachen Veröffentlichung (z.B. durch eine Zeitung) ist der Ort des direkten Schadenseintritts im Sinne des Art. 3 Abs. 1 derjenige Ort, an welchem die Veröffentlichung verbreitet und damit Dritten bekannt gemacht wird. Folge von Art. 3 Abs. 1 ist es, dass er gleichermaßen auf das Recht der jeweiligen Staaten verweist, in denen ein Vertrieb stattgefunden hat und der Schaden ein102 getreten ist. In Bezug auf unerlaubte Handlungen, die durch die Verletzung der Privatsphäre oder von Persönlichkeitsrechten entsteht, erklärt Art. 6 Abs. 1 das Recht des Gerichtsstandes für anwendbar, falls die Anwendung des nach Artikel 3 bestimmten Rechts mit den grundsätzlichen Prinzipien des 96 97 98 99 Vgl. die einleitende Begründung, S. 17. 100 Vgl. die einleitende Begründung, S. 17. Vgl. die einleitende Begründung, S. 17-18. 101 Vgl. die einleitende Begründung, S. 18. 102 Vgl. die einleitende Begründung, S. 17. Vgl. die einleitende Begründung, S. 22. Vgl. Verordnung (EG) 2100/94 (ABl. 1994, L227, S. 1). Vgl. Verordnung (EG) 40/94 (ABl. 1994, L 11, S. 1). Vgl. Verordnung (EG) 6/2002 (ABl. 2002, L 3, S. 1). Vgl. Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über das Gemeinschaftspatent (ABl. 2000, C 337E, S. 278). Vgl. die einleitende Begründung, S. 18. Vgl. Shevill/Presse Alliance (oben Fußnote 63); und die einleitende Begründung, S. 120. Heft 4-2004 The European Legal Forum 228 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Gerichtsstandes hinsichtlich der Meinungs- und Informationsfreiheit im Widerspruch steht. Erwägungsgrund 12 führt aus, dass im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarates, die im Falle der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte anwendbare Kollisionsnorm für einen angemessenen Ausgleich sorgen muss. Die Wahrung der Grundprinzipien der Mitgliedstaaten im Bereich der Pressefreiheit muss durch eine besondere Schutzklausel sichergestellt werden. Wie die 103 einleitende Begründung ausführt tritt das nach Maßgabe von Artikel 3 bezeichnete Recht zugunsten der Lex fori zurück, wenn es mit den wesentlichen Grundsätzen des Rechts am Gerichtsstand im Bereich der Pressefreiheit unvereinbar 104 ist. Nach Art. 6 Abs. 2 richtet sich das Recht auf Gegendarstellung oder gleichwertige Maßnahmen (so wie z.B. die Veröffentlichung einer korrigieren Sachverhaltsdarstellung) nach dem Recht des Staates, in dem sich der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Sendeunternehmens oder des Zeitungsverlags 105 befindet Im Falle einer Rundfunkanstalt ist nach Art. 19 Abs. 3, der Ort, an welchem diese niedergelassen ist, gemäß 106 der EC Richtlinie 89/552 , geändert durch die EC Richtlinie 107 108 97/36 , als der gewöhnliche Aufenthaltsort anzusehen. Zur Begründung sind die Impraktikabilität der gleichzeitigen Anwendung verschiedener Rechtsordnungen gem. Artikel 3 und die Ungeeignetheit der Anknüpfung an das Recht des Ge109 richtsstandes in Analogie zu Art. 6 Abs. 1 anzuführen. Umweltschädigung Artikel 7 des Vorschlags zur Rom II-Verordnung stellt eine Sonderregel für unerlaubte Handlungen auf, „die aus einer 103 104 105 106 107 108 109 Vgl. die einleitende Begründung, S. 20. Vgl. section 13 (UK) Private International Law (Miscellaneous Provisions) Act 1995, der für aus Verleumdung entstehende Ansprüche, die Regel des common law beibehält, dass die „doppelte Klagbarkeit“ („double actionability“) nach dem am Gerichtsort geltenden Recht (lex fori) und dem Recht des Ortes der unerlaubten Handlung (lex loci delicti) gegeben sein muss. Vgl. die einleitende Begründung, S. 20. Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. 1989, L 298, S. 23). ABl. 1997, L 202, S. 60. Nach Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 89/552, geändert durch Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 97/36, gilt ein Fernsehveranstalter in den folgenden Fällen als in einem Mitgliedstaat niedergelassen: a) Der Fernsehveranstalter hat seine Hauptverwaltung in diesem Mitgliedstaat, und die redaktionellen Entscheidungen über das Programmangebot werden in diesem Mitgliedstaat getroffen; b) wenn ein Fernsehveranstalter seine Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat hat, die Entscheidungen über das Programmangebot jedoch in einem anderen Mitgliedstaat getroffen werden, so gilt er als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem ein wesentlicher Teil des Sendepersonals tätig ist; ist ein wesentlicher Teil des Sendepersonals in jedem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Fernsehveranstalter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er seine Hauptverwaltung hat; ist ein wesentlicher Teil des erforderlichen Sendepersonals in keinem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Fernsehveranstalter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er zuerst mit der Sendetätigkeit gemäß dem Rechtssystem dieses Mitgliedstaats begonnen hat, sofern eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats weiterbesteht; c) wenn ein Fernsehveranstalter seine Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat hat, die Entscheidungen über das Programmangebot jedoch in einem Drittland getroffen werden, oder wenn der umgekehrte Fall vorliegt, gilt er als in dem betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen, sofern ein wesentlicher Teil des Sendepersonals in diesem Mitgliedstaat tätig ist. Vgl. die einleitende Begründung, S. 20. Umweltschädigung entstanden sind“. Wie die einleitende Be110 gründung ausführt, erfasst die Regel sowohl die Schädigung von Gütern und Personen, als auch die Schädigung der Umwelt selbst, sofern sie das Ergebnis einer vom Menschen ausgeübten Tätigkeit ist. Es wird jedoch (ohne große Zuversicht meinerseits) dargelegt, dass der Begriff lediglich auf Situationen Anwendung findet, welche zu solchen weitreichenden Schäden führen, die gewöhnlich durch industrielle oder gewerbliche Tätigkeit herbeigeführt werden. Eine Klage unter Nachbarn in einem Wohnhaus wegen Lärmbelästigung dürfte jedoch nicht als eine Umweltschädigung im Sinne des Art. 7 anzusehen sein. Eine Klarstellung dieses Begriffs erscheint jedenfalls wünschenswert. Nach Artikel 7 ist auf unerlaubte Handlungen, die aus einer Umweltschädigung entstanden sind, das nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 geltende Recht anwendbar, es sei denn, der Geschädigte hat sich dazu entschieden, seinen Anspruch auf das Recht des Staates zu stützen, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Dies läuft auf ein Wahlrecht zwischen dem Recht des Ortes des schädigenden Ereignisses und demjenigen des schadensverursachenden Verhaltens des Beklagten hinaus, je nachdem, welches für den Kläger günstiger ist. Der Kläger hat sein Wahlrecht bis zu dem nach den Verfahrensvorschriften am Ort des Gerichtsstands festgelegen Zeitpunkt auszu111 üben. In jedem Fall sind die in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 niedergelegten normalen Regelungen, welche dem Recht am gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort bzw. dem Recht einer offensichtlich engeren Verbindung den Vorzug geben, ausgeschlossen. Erwägungsgrund 13 verweist hinsichtlich der Begründung zu Art. 7 auf Art. 174 EGV, der auf ein hohes Schutzniveau abzielt und auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip beruht. Dies rechtfertigt in vollem Umfang die Anwendung des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädig112 ten. Wie die einleitende Begründung ausführt, soll die alternative Anknüpfung einen Beitrag zu einer allgemeinen Anhebung der Umweltschutzstandards leisten. Darüber hinaus 113 verdeutlicht die einleitende Begründung, dass der Beklagte im Hinblick auf Probleme wie z.B. die Genehmigung eines bestimmten Schadstoffausstoßes seine Situation durch Berufung auf die in Artikel 13 des Vorschlags niedergelegte Regel verbessern kann, welche die am Ort und zum Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses geltenden Sicherheitsund Verhaltensregeln zur Feststellung der Haftung berücksichtigt. Falls in diesem Zusammenhang eine Verteidigung nach Artikel 13 möglich ist, führt diese dazu, dass die in Artikel 7 niedergelegte Regel zugunsten des Rechts des Ortes des direkten Schadenseintritts vollständig aufgehoben (und nicht bloß unwesentlich angeglichen) wird, falls dieses Recht für den Kläger günstiger ist, als das Recht am Ort des schadensverursachenden Verhaltens des Beklagten. Es scheint, als sei die Ansicht der Kommission zu diesem Punkt eher verwirrend oder unaufrichtig. 110 111 112 113 Vgl. die einleitende Begründung, S. 21. Vgl. die einleitende Begründung, S. 22. Vgl. die einleitende Begründung, S. 21. Vgl. die einleitende Begründung, S. 22. The European Legal Forum Heft 4-2004 229 ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ ZAHLREICHE STREITPUNKTE Der Anwendungsbereich des geeigneten Rechts Artikel 11 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung bestimmt den Anwendungsbereich des nach Maßgabe der Artikel 3 bis 8 bezeichneten Rechts der unerlaubten Handlung. 114 Sein Anwendungsbereich ist sehr groß, aber nicht erschöp115 fend. Die in Artikel 11 aufgeführten Aspekte sind als materiellrechtliche einzuordnen und müssen vom geeigneten Recht geregelt werden, jedoch können andere Aspekte als verfahrensrechtlich angesehen werden und vom Recht des Gerichts116 standes geregelt werden. Nach Artikel 11 findet das auf die unerlaubte Handlung anwendbare Recht sowohl auf Aspekte im Zusammenhang mit der Haftung als auch mit Schäden Anwendung. Es gilt auch für Verjährungsfristen und wirkt sich auf die Erfolgsaussichten für einstweilige Verfügungen aus. In Bezug auf die Haftung regelt das anwendbare Recht in Art. 11 lit. a und b „die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind“ und „Ausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung“. Wie die einleitende 117 Begründung ausführt umfassen diese Bestimmungen Aspekte wie die verschuldensunabhängige oder verschuldensabhän118 gige Haftung; die Definition des Verschuldens; den Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden; die Bestimmung der Personen, deren Handlungen haftungsbegründend sind; den Umfang der Haftung; die Haftungsteilung auf den Beitrag jedes Schädigers; Ausschlussgründe, wie höhere Gewalt; Notstand; das Verschulden Dritter; das Verschulden des Geschädigten; und die Unzulässigkeit von Klagen zwischen Ehegatten. Darüber hinaus regelt das anwendbare Recht in Art. 11 lit. f bis h „die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch abgetreten oder vererbt werden kann“, „die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben“ und „die Haftung für die von einem anderen verursachten Schäden“. 119 Wie die einleitende Begründung ausführt, umfassen diese Bestimmungen Aspekte wie die Frage, ob der Rechtsnachfolger des Geschädigten eine Klage auf Ersatz des dem Geschädigten entstandenen Schadens anstrengen kann; ob ein Schadensersatzanspruch abtretbar ist, das Verhältnis zwischen dem 114 115 116 117 118 119 Vgl. die einleitende Begründung, S. 25. Im Einleitungssatz des Art. 11 werden die in Art. 11 lit. a bis i aufgeführten Anwendungsbereiche vorgestellt, wobei bestimmt wird, dass das nach den Art. 3-10 anwendbare Recht insbesondere für die aufgeführten Anwendungsbereiche maßgebend ist. Vgl. die einleitende Begründung, S. 26. Unter dem Einfluss des EVÜ legt Art. 16 jedoch fest, dass eine einseitige Handlung, die rechtsgültig sein soll und sich auf ein außervertragliches Schuldverhältnis bezieht, formgültig ist, wenn sie entweder die Formerfordernisse des für das betreffende außervertragliche Schuldverhältnis maßgebenden Rechts oder die des Rechts des Staates, in dem sie vorgenommen wurde, erfüllt. Art. 17 Abs. 2 fügt hinzu, dass Handlungen, die Rechtsgültigkeit habe sollen, nach jeder vom Recht des Ortes des Gerichtsstands anerkannten Beweisart oder jedes nach Art. 16 zulässigen Rechts nach dem die Handlung Formgültigkeit hat, bewiesen werden können, sofern eine solche Beweisart vom Ort des Gerichtsstands angewandt werden kann. Zessionar und dem Schuldner, ob der Ehegatte und die Kinder des Verstorbenen für ihren persönlichen Kummer und Vermögensschaden Ersatz verlangen können und die Haftung für ein Verhalten Dritter (einschließlich die Haftung der Eltern für ihre Kinder und der Geschäftsherren für ihre Erfüllungsgehilfen). Das anwendbare Recht regelt darüber hinaus die Einklagbarkeit und Bemessung von Schäden. Art. 11 lit. c und e bestimmen „das Vorliegen und die Art ersatzfähiger Schäden“ und „die Schadensbemessung, soweit sie nach Rechtsnormen erfolgt“. Danach scheint es, als ob das einschlägige Recht auf all diejenigen Aspekte Anwendung findet, die die Bemessung von Schäden einschließlich ihrer Bewertung betrifft, ausgenommen derjenigen Fälle, in denen das geeignete Recht keine Regelungen vorsieht, die ein anderes Gericht dazu ermächtigen könnten, dieses Recht mit vernünftiger Sorgfalt anzuwenden. Nach Ansicht des Verfassers stellt dies eine Verbesserung gegenüber der gegenwärtigen großzügigen Anwendung der Lex fori in England dar, die daraus resultierte, dass Fragen wie die Anrechnung von Leistungen der sozialen Fürsorge in Fällen von Körperverletzungen oder Unfällen mit Todesfolge als Bewertungsfragen und daher als verfahrensrechtlich eingeord120 net wurden. Art. 11 lit. d regelt „die Maßnahmen, die das Gericht in den Grenzen der ihm durch sein Prozessrecht eingeräumten Befugnisse zur Vorbeugung, zur Beendigung oder zum Ersatz des Schadens anordnen kann“. Die Bewilligung von endgültigen und einstweiligen Maßnahmen scheint daher „zur Anwendung des eigenen Rechts zu führen, „ohne dass das Gericht jedoch verpflichtet wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die 121 seinem Prozessrecht fremd sind“. Nach Ansicht des Verfassers wäre eine vorsichtiger formulierte Bestimmung klüger im Hinblick auf die Tatsache, dass es nicht wünschenswert erscheint, dass Gerichte Urteile erlassen, die nicht die Verpflichtung zur Zahlung einer Geldsumme beinhalten und deshalb nur schwer durchsetzbar sind. Zudem regelt Art. 11 lit. i „die verschiedenen Arten des Erlöschens von Verpflichtungen sowie die Verjährung und die Rechtsverluste, die sich aus dem Ablauf einer Frist ergeben, einschließlich des Beginns, der Unterbrechung und Hemmung von Fristen“. Hiervon sind offensichtlich sowohl gewöhnliche Fristen als auch die gesetzliche Anspruchsverjährung er122 fasst. Darüber hinaus regelt Art. 17 Abs. 1, dass „für die Beweislast sowie für die Beweisführung mit Hilfe gesetzlicher Vermutungen das für außervertragliche Schuldverhältnisse maßgebende Recht gilt“. Direktklagen gegen die Leistungspflicht Artikel 14 des Vorschlags für die Rom II-Verordnung sieht eine Sonderregelung für eine Direktklage eines aus unerlaubter Handlung Geschädigten gegen den Versicherer des Ersatz120 Vgl. die einleitende Begründung, S. 26. Zu der in Art. 13 dargelegten Ausnahme, die vorsieht, dass – unabhängig von dem angewendeten Recht – die am Ort und zum Zeitpunkt des Eintritts des schädigenden Ereignisses geltenden Sicherheits- und Verhaltensregeln zur Bestimmung der Haftung berücksichtigt werden müssen, vgl. oben S. 217. Vgl. die einleitende Begründung, S. 26. 121 122 Vgl. dazu den Fall Coupland v Arabian Gulf Petroleum Co, [1983] 2 All ER 434 (Hodgson J), welcher ohne Berücksichtigung dieses Punkts bestätigt wurde, [1983] 3 All ER 226 (CA); und Roerig v Valiant Trawlers, [2002] 1 All ER 961 (CA). Vgl. auch Edmunds v Simmonds, [2001] 1 WLR 1003 (Garland J); und Hulse v Chambers, [2001] 1 WLR 2386 (Holland J). Vgl. die einleitende Begründung, S. 26. Vgl. Fußnote 87 oben. 230 Heft 4-2004 The European Legal Forum ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ pflichtigen vor. Er regelt, dass sich das Recht der Geschädigten, direkt Klage gegen den Versicherer des Ersatzpflichtigen zu erheben, nach dem auf die unerlaubte Handlung anwendbaren Recht richtet, es sei denn, der Geschädigte zieht es vor, seine Klage auf das nach dem Versicherungsvertrag anzuwendende Recht zu stützen. Wie die einleitenden Begründung 123 ausführt, gewährleistet diese Regelung einen angemessenen Interessenausgleich, als sie den Geschädigten schützt und ihm die Wahl zwischen zwei Rechtssystemen belässt, mit deren Anwendung der Versicherer vernünftigerweise rechnen muss. Das Wahlrecht beschränkt sich jedoch auf die Zulässigkeit der direkten Klage, da die einleitende Begründung hervorhebt, dass sich der Haftungsumfang des Versicherers in jedem Fall nach dem auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Recht richtet. Gesetzlicher Forderungsübergang und geteilte Haftung Wie Art. 13 EVÜ Art. 15 des Vorschlags für die Rom IIVerordnung Regeln zum gesetzlichen Forderungsübergang und zur geteilten Haftung auf. In dem Fall des Art. 15 Abs. 1, dass eine Person („der Gläubiger“) aufgrund eines außervertraglichen Schuldverhältnisses eine Forderung gegen eine andere Person hat („den Schuldner“), und ein Dritter die Verpflichtung hat, den Gläubiger zu befriedigen, oder ihn bereits aufgrund dieser Verpflichtung befriedigt hat, bestimmt das für die Verpflichtung des Dritten maßgebende Recht, ob der Dritte die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß dem für deren Beziehungen maßgebenden Recht ganz oder zu einem Teil geltend machen kann. Dies scheint dazu zu führen, dass sich die Möglichkeit eines gesetzlichen Forderungsübergangs durch einen Versicherer nach dem auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Recht richtet. knüpfung des Art. 3 Abs. 2 an das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes. Nach Ansicht des Verfassers sollte diese in denjenigen Fällen ausgeschlossen werden, in denen der Staat, in dem die schadensbegründenden Ereignisse stattgefunden haben, ein gewichtiges Interesse an der Anwendung seiner eigenen Kollisionsnormen hat und zugleich auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen die Parteien, deren Anspruch oder Haftung aus demselben Ereignis herrührt, von den Kollisionsnormen am gewöhnlichen Aufenthaltsort in demselben Staat beeinträchtigt werden. Auf der anderen Seite sollten Staaten mit vergleichbaren Rechtssystemen wie ein einziger Staat behandelt werden. Es erscheint zudem wünschenswert, eine Definition des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthaltsortes für Privatpersonen, die keiner gewerblichen Tätigkeit nachgehen, aufzustellen und den in Art. 3 Abs. 3 verwendeten Begriff der offensichtlich engeren Verbindung zu klarifizieren. Es bleiben noch einige weitere kleinere Probleme, bei denen weitergehende Erwägungen durchaus wünschenswert erscheinen. Es wäre sinnvoll, den im Rahmen des Artikel 4 maßgeblichen Wohnort eines Produktherstellers genauer zu definieren. Darüber hinaus erscheint es zweckmäßig, den Begriff der Umweltschäden im Sinne des Artikel 7 und das Verhältnis zwischen Artikel 7 und Artikel 13 (bezüglich Sicherheits- und Verhaltensregeln) genauer zu bestimmen. Es wäre zudem sinnvoll, die in Artikel 12 enthaltenen Vorbehaltsklauseln, die in Artikel 18 enthaltenen Bestimmungen über Schiffe und Flugzeuge sowie (von entscheidender Bedeutung) die in Artikel 24 enthaltenen Regelungen über Strafschadenersatz aufzuheben. _______________________________________________________________________________________________ Gem. Art. 15 Abs. 2 findet dieselbe Regelung in dem Fall Anwendung, dass mehrere Personen derselben Klage ausgesetzt sind und einer von ihnen den Gläubiger befriedigt. Daraus folgt, dass ein Schädiger, der eine Zahlung an den Geschädigten leistet, die Möglichkeit behält, einen Ausgleich oder eine Entschädigung von dem anderen Schädiger zu fordern, welcher ebenfalls verantwortlich für dasselbe Schadensereignis ist, und das dies ebenfalls demjenigen Recht unterfällt, das die Klage des Geschädigten gegen den Schädiger, der die Zahlung geleistet hat, regelt. Einige Ergebnisse Nach Ansicht des Verfassers hat der Vorschlag für die Rom II-Verordnung wegen seines entscheidenden Beitrags zur Rechtssicherheit einen herzlichen Willkommensgruß verdient. Durch die Einführung von vereinheitlichten Kollisionsnormen nebst dem Inhalt der dargelegten Vorschriften sollte eine erhöhte Rechtssicherheit innerhalb der Europäischen Union herbeigeführt werden, insbesondere im Vergleich zu den derzeitigen englischen Regelungen nach dem Private International Law Act 1995 [Miscellaneous Provisions]. Ungeachtet dessen belässt der Vorschlag noch ausreichend Spielraum für Verbesserungen. Diejenige Bestimmung, die nach Ansicht des Verfassers noch eine Verbesserung benötigt, ist die systematische An123 Vgl. die einleitende Begründung, S. 28. BGH (D) 6. 7. 2004 – X ZR 171/02 Art. 17 Abs. 1 Satz 2 LugÜ/EuGVÜ – Internationale Zuständigkeit – Schriftformerfordernis – Gepflogenheiten _______________________________________________________________________________________________ Das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. a LugÜ ist nicht schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt der von der anderen Partei verwendeten, den Gerichtsstand regelnden Formularklausel Kenntnis erhalten hat. „Gepflogenheiten“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 lit. b LugÜ setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie können die Schriftform ersetzen, jedoch nicht die Einigung. Auszug aus den Gründen: „(...) Die zulässige Revision hat keinen Erfolg. I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht. Es hat dazu ausgeführt: Eine dem Schriftformerfordernis nach Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. 9. 1988 (Lugano-Übereinkommen, LugÜ) genügende Vereinbarung zwischen den Parteien liege nicht vor. Zwar genüge auch ein Briefwechsel oder der Austausch von Fernschreiben. Wenn die Ge-