Kind mit schwerer Last adoptiert

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Kind mit schwerer Last adoptiert
Kind mit schwerer Last adoptiert
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Familie Heinze hat einen Jungen aus
Bolivien adoptiert. Der heute 13-Jährige
kämpft mit Vorurteilen und einer
ungewöhnlichen Erbkrankheit.
Das Schli-ste
fur Eltern ist, ihr
Kind leiden zu sehen. ,,Mit einer
Nagelbürste hat er versucht, seine
braune Hau$arbe abzuwaschen",
erzählt Christa Heinze (Name der
Familie von der Redaktion geändert). Ihr damals zweijähriger
Sohn wollte aussehen wie seine
Eltern: hellhäutig. ,,Ich habe versucht, ihm zu erklären, warum er
eine andere Hautfarbe hat, aber
da konnte er noch kein Deutsch
sprechen." Marco ist in Bolivien
geboren. Die Heinzes haben ihn
adoptiert, als er anderthalb war.
Eine Entscheidung,
die das Leben verändert
,,Wir können beide keine Kinder bekommen. hatten aber einen ~inderwunsch."Der Schritt
zur Adoption war gut überlegt.
,,Die Entscheidung verändert
schließlich dein Leben", sagt
Christa Heinze. Während des einjährigen
Adoptionsverfahrens
vereinbarten die beiden: ,,Wenn
sich einer von uns nicht mehr sicher ist, hören wir auf."
Maria Heidbüchel vom Sozialdienst Katholischer Frauen und
Männer (SKFM) wurde auf diesem Weg zur engen Vertrauten.
,,Sie hat uns auch die Adoption eines bolivianischen Kindes vorgeschlagen", erzählt Stefan Heinze.
Der SKFM arbeitete mit einer bolivianischen Vermittlungsstelle
zusammen. ,,Uns war die Herkunft des Kindes nicht wichtig."
Die Heinzes ließen sich ohne Einschränkung auf das Abenteuer
Adoption ein. Sie wussten nichts
zählt Christa Heinze. Der dunkle
Teint und die pechschwarzen
Haare ließen jeden in Verzückung geraten. Inzwischen hat
sich das geändert. Marco ist heute
13Jahre alt. Jetzt fällt er zwar immer noch auf, aber anders als Wüber ihr ~ d ~ ~ t i ~unemrk i ~ d . her. ,,Der mit der dunklen Haut
tet musste
das ~h~~~~~mit ist Schuld, so beschreibt Stefan
Folgeproblernen von Drogenab- Heinze die
hängigkeit befassen.
im Schulalltag.
Während der Wartezeit wollten die Heinzes möglichst viel Symptome wie ein
über Bolivien lernen. Dazu hat Drogensüchtigerauf Entzug
Heidbüchel Treffen mit Familien
organisiert, die bereits ein boliMarco hat von seiner bolivianivianisches Kind adoptiert haben. schen Familie eine schwere Last
,,Für uns waren diese Gespräche mit bekommen. ,,Er hat Syrnptosehr wichtig", erzählt Christa me wie ein Drogensüchtiger auf
Heinze. So bekam die Adoption Entzug", sagt Petra Kindor von
mit ihren viele Formularen ein der Drogenberatungsstelle KomGesicht. Schließlich war es so- pass. Aber Marco nimmt keine
weit. Ein Anruf, und die Heinzes Drogen. Er hat den veränderten
packten ihre Koffer. ,,Von einem Stoffwechsel seiner VerwandtTag auf den anderen wurden wir schaft geerbt, die vermutlich droin ein Familienleben geworfen", genabhängig ist. Solche Kinder
erinnert sich Stefan Heinze.
können Suchtmittel viel besser
verarbeiten. Ihr Stoffwechsel ist
schon an Drogen gewöhnt, bevor
Marco sog neue Eindrücke
sie auf die Welt kommen. Sie
wie ein Schwamm auf
kennen keinen Kater nach überUnd Marco? Der Kleine wurde mäßigem Alkoholkonsum. ,,Ob
aus seiner Umgebung gerissen. ein Glas oder eine ganze Flasche
War jetzt in einem fremden Land, Wodka, die Wirkung bleibt gebei fremden Leuten, die eine ring", sagt Kindor.
Marco versucht, die Drogen
fremde Sprache sprechen. Ein
halbes Jahr lang sprach er kein unbewusst zu ersetzen. ,,Bereits
Wort Deutsch. ,,Ich glaube, das als Fünfjähriger hat er Unmengen
war eine Art Trotzreaktion", sagt Süf3es gegessen", erzählt Christa
Christa Heinze. Denn als er sich Heinze. Ein anormales Essverendlich eingelebt hatte, sprudel- halten ist typisch für Kinder aus
ten aus heiterem Himmel ganze Drogenfamilien. Zudem sind sie
Sätze aus ihm. Wie ein Scfiwamm häufig unruhig und wibbelig.
sog der Junge die neuen Eindrü- ,,Deshalb diagnostizieren viele
cke in Deutschland auf. ,,Er stand Hausärzte eine Hyperaktivitätsmit großen Augen vor einer Stra- Störung (ADS)", erzählt Kindor.
ßenbahn und wunderte sich über So auch bei Marco.
die ausfahrbaren Treppen", erJetzt trifft sich der 13-Jährige
zählt Stefan Heinze.
regelmäßig mit anderen boliviaDas Umfeld reagierte zunächst nischen Adoptivkindern. Kindor
positiv auf den Jungen aus Süd- und Heidbüchel organisieren die
amerika. ,,Es hieß immer: Hat der Treffen. Die Gemeinschaft macht
Kleine schöne volle Haare", er- es leichter, über das Problem zu
sprechen. Marco hat gelernt, mit
seinem Verlangen nach Süßigkeiten umzugehen. Immer wenn er
jetzt zu der Tüte Gummibärchen
greifen will, hört er lautstark seine Lieblingsmusik. Zum Leidwesen der Eltern Punkrock. ,,Inmischen haben wir uns dran gewöhnt", lacht Christa Heinze.
Sechs Wochen
Heimaturlaub in Bolivien
Trotz allem: Marco ist stolz auf
seine Herkunft. Das verdankt er
vor allem seinen Adoptiveltern.
Letztes Jahr ist die Familie sechs
Wochen durch Bolivien gereist.
„Wir wollten Marco sein Land
zeigen." Auf dem Plan stand auch
ein Besuch in seinem Kinderheim. ,,Er hat seine Betreuerin getroffen und sein Bettchen gesehen", erzählt Christa Heinze.
Die Entscheidung, ein bolivianisches Kind zu adoptieren, haben die Heinzes zu keiner zeit
bereut. Im Gegenteil, Marco hat
ein Schwesterchen bekommen.
Ebenfalls aus Bolivien,
Petra Kindor von der Einrichtung Kompass berät Familien,
die Kinder adoptieren.

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