Steuermillionen für schlechte Filme
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Steuermillionen für schlechte Filme
Seite 1 von 5 Welt am Sonntag 26.05.13 Steuermillionen für schlechte Filme Die Filmförderung in Deutschland setzt falsche Anreize. Sie belohnt das Geldausgeben mehr als das Geldverdienen Von Alan Posener Wenn eine Branche dauerhaft am Markt vorbeiproduziert, geht sie ein. So steht es in allen Lehrbüchern zur Ökonomie. Ginge es nach der reinen Lehre, dürfte es die Filmbranche längst nicht mehr geben. In keinem anderen Wirtschaftszweig wird so viel am Markt – in diesem Fall also am Zuschauer – vorbeiproduziert wie beim Film, obwohl der zusammen mit der Popmusik als jene Kunstform gilt, die am stärksten kommerzialisiert, also marktorientiert ist. Das Gegenteil ist der Fall. Jährlich werden weltweit Tausende Spielfilme produziert: 2009 waren es über 7000, Tendenz steigend. Eine gewaltige Überproduktion: Viele dieser Filme kommen nie in die Kinos. Statt sich am Markt zu behaupten, lebt die Branche – jedenfalls in Europa und den USA – größtenteils von staatlichen Subventionen. "Ohne die nationalen Fördersysteme gäbe es keine nationalen Filmwirtschaften und damit auch keine europäische Filmwirtschaft", schreibt die "Allianz Deutscher Produzenten" in einer Stellungnahme für die Europäische Kommission. Die Produzentenallianz vertritt nach eigenen Angaben an die "220 Produktionsunternehmen aus den Sparten Kinofilm, TVFiktion, TV-Entertainment, Animation, Werbung und Dokumentation". Also diejenigen, die von der Förderung leben. Ob diese Abhängigkeit dem Film guttut, ist eine andere Sache. "Durch die Fördergelder sind die Produzenten in vielen Fällen so weit abgesichert, dass sie keinen unternehmerischen Reiz mehr haben, erfolgreiche Filme zu machen", meint etwa Arthur Hofer, selbst früher Geschäftsführer von Studio Babelsberg und heute Professor für Medienmanagement in München. Immerhin wurden von den zehn erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten, gemessen an Zuschauerzahlen, fünf in den vergangenen zehn Jahren produziert: "Der Schuh des Manitu" (Platz 1), "(T)Raumschiff Surprise: Periode 1" (Platz 2), "7 Zwerge – Männer allein im Wald" (Platz 5), "Goodbye Lenin" (Platz 6) und "Keinohrhasen" (Platz 10). Dass die Kritiker bei den meisten dieser deutschen Blockbuster Pickel bekommen, steht aber auf einem anderen Blatt. Überhaupt sind von den zehn kommerziell erfolgreichsten deutschen Filmen nur drei außerhalb Deutschlands vorzeigbar: "Goodbye Lenin!" (2003), "Der bewegte Mann" (1994) und "Zur Sache, Schätzchen!" (1968). Aber die etwas deprimierende Liste sagt etwas über den deutschen Geschmack aus, nicht über die deutsche Filmförderung. Die Fördergelder werden von einer verwirrenden Vielfalt nationaler und regionaler Einrichtungen vergeben. Auf Bundesebene gibt es den Deutschen Filmförderfonds des Beauftragten der Bundesregierung für Kunst und Medien mit einem Budget von 70 Millionen Euro; die Filmförderungsanstalt, die sich aus einer Abgabe der Kinobetreiber, Videoverleiher, Fernsehanstalten und sonstiger Vermarkter finanziert und jährlich an die 76 Millionen Euro ausgeben kann; und das vergleichsweise bescheiden ausgestattete "Kuratorium junger deutscher Film", eine gemeinsame Einrichtung der Bundesländer, das ein Jahresbudget von 771.000 Euro hat – wovon nicht weniger als ein Viertel für Verwaltungskosten draufgeht. Hinzu kommen dreizehn Filmförderanstalten der Seite 2 von 5 verschiedenen Bundesländer, die jährlich zwischen 35 Millionen (NRW) und 651.000 Euro (Saarland) für Filmsubventionen ausgeben. Volkswirtschaftlich gesehen sind die insgesamt etwa 290 Millionen, die Deutschland pro Jahr in die Filmwirtschaft steckt, natürlich Peanuts. Beträgt doch das Gesamtvolumen der allein vom Bund gewährten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für diverse Wirtschaftszweige 22,6 Milliarden jährlich. Zugleich aber haben Subventionen für die Branche eine existenzielle Bedeutung. "Der nicht auf Englisch gedrehte Film hat keinen Weltmarkt", so die Produzentenallianz. Die nationalen Märkte in Europa reichten nicht aus, um eine privatwirtschaftliche Finanzierung lukrativ zu machen. Das stimmt vermutlich. Freilich wird oft genug auch am heimischen Markt vorbeiproduziert. Deutschlands Anteil an der weltweiten Filmflut klingt zwar zunächst relativ bescheiden. 2012 wurden etwa 180 Spielfilme hierzulande gedreht – reine Fernsehproduktionen nicht eingeschlossen –, während in großen Filmländern wie Indien oder Nigeria eine Jahresproduktion von 1200 Filmen nicht ungewöhnlich ist. Doch etwa 70 Prozent der deutschen Filme locken nicht einmal 10.000 Zuschauer ins Kino. Wenn man bedenkt, dass in den USA auch nur viermal so viele Filme produziert werden wie in Deutschland, unter denen sich aber Jahr für Jahr Blockbuster wie "Avatar", "Titanic", "The Avengers" und die "Harry-Potter"-Serie befinden, die weltweit Milliarden einspielen, ist die Zahl der deutschen Produktionen ziemlich hoch. Die Fernsehdirektorin des Bayerischen Rundfunks, Bettina Reitz, brachte kürzlich das Problem auf den Punkt, als sie sagte, es würden in Deutschland zu viele Filme gedreht, aber zu wenige kinotaugliche. Die beleidigte Reaktion der Branche blieb nicht aus. Zur Verleihung des Deutschen Filmpreises im April dieses Jahres legten 13 Verbände und Institutionen eine Resolution vor, in der es heißt: "ARD und ZDF müssen sich zum Kinofilm bekennen! Er ist Teil ihres Kulturauftrags!" Wie immer, wenn von Bekenntnissen und Kulturaufträgen geredet wird, geht es auch hier um Geld. ARD und ZDF sollten, so die Forderung, 3,5 Prozent ihres Gesamthaushalts in Kinofilme investieren. Die Antwort der Sender entsprach in ihrer Konzentration aufs Quantitative dem Niveau des Angriffs: "Es sind 2010 genauso viele Kino-Koproduktionen platziert worden wie 2013. Die Mengen sind also in hoher Stückzahl konstant", so WDRFernsehdirektorin Verena Kulenkampff. Ihr sekundierte ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler: "Das ZDF hat seit 2008 die Kinoförderung sogar ausgeweitet. Wir haben mehr Filme mit höheren Beteiligungsquoten gefördert." Das klingt wie aus dem Rechenschaftsbericht einer sozialistischen Plankommission. Von Qualität redet keiner. Vom Publikum schon gar nicht. Auch Christian Bräuer, Geschäftsführer der Yorck-Kino-Gruppe in Berlin und Vorstandsvorsitzender "AG Kino – Gilde deutscher Filmkunsttheater e.V.", glaubt, dass nicht nur die deutschen TV-Serien international inkompatibel seien, sondern dass auch "der deutsche Film international kurz davor steht, bedeutungslos zu werden". Es gebe einerseits im Inland erfolgreiche Filme wie die von Til Schweiger oder Mathias Schweighöfer, die aber außerhalb Deutschlands nicht zu verkaufen sind, weil der spezifisch deutsche Humor eben spezifisch deutsch ist. Im "arthouse"-Markt – früher sagte man dazu "Filmkunst", um den "Kunstfilm" vom "kommerziellen" Film abzugrenzen – würden jedoch zu viele Filme gemacht, die an jedwedem Publikum vorbeigehen. Was die deutsche Filmförderung angeht, so sieht Bräuer das Hauptproblem darin, dass die Förderung zu sehr "produktionsorientiert" ist, zu wenig "zuschauerorientiert". "Nehmen wir die Förderungsanstalten der Länder", präzisiert er, "da dreht sich alles um den Standort." Die Frage, die man sich dort stelle, laute: "Wie viele Euro kommen pro ausgegebenen Euro zurück in die Region?" Es geht also um Studios und Jobs, um Hotels, Seite 3 von 5 Catering und vielleicht um Werbung für die Region. Der Erfolg beim Publikum spiele kaum eine Rolle. Ähnlich sei es auf Bundesebene, obwohl Punktesysteme sicherstellen sollen, dass "Kultur" gefördert und nicht eine Branche subventioniert wird – letzteres ist laut EU-Recht verboten. Es ist "exception culturelle" – die kulturelle Ausnahme –, die die staatliche Förderung von Kultur erlaubt. Das bedeutet in der Praxis die Förderung von Institutionen, etwa Theater, Opern und Museen, und im Falle des Films die Subventionierung einer ganzen Industrie. Schließlich gibt es ohne europäische Studios keine europäischen Filme. Mit dem Argument, man müsse auch zum Schutz europäischer Kultur die materielle Basis der Filmproduktion absichern, lässt sich nicht nur die Förderung von Filmen wie "7 Zwerge" begründen, deren kultureller Wert gegen null tendieren dürfte. Auch Hollywood-Filme – wie "Operation Walküre" mit Tom Cruise oder Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" – können gefördert werden, wenn sie wenigstens teilweise in Deutschland gedreht werden und einen "kulturellen Bezug" zu Deutschland haben, was sich bei Filmen über Nazis von selbst versteht. Auch wenn Regisseure, Kameraleute und Schauspieler sämtlich eingeflogen wurden und Deutsche allenfalls als Statisten und Beleuchter fungieren, wird ein "Know-how-Transfer" unterstellt, der die Förderung rechtfertigt. So kann es vorkommen, dass George Clooney, Matt Damon und Bill Murray in einem China-Restaurant in Wernigerode auftauchen, weil sie in der Nähe einen Film über – einmal darf man raten – den Zweiten Weltkrieg drehen. Nicht, dass man der Fachwerkstadt im Nordharz das Pittoreske absprechen möchte; aber ohne Subventionen würden Clooney & Co. die entsprechenden Gebäude in Hollywood nachbauen lassen. Oder anderswo in Amerika, denn auch in den USA werden Filmproduktionen mit üppigen Subventionen angelockt, die dort nicht einmal als Kunstförderung getarnt werden müssen. Allein der Bundesstaat New York gewährte 2012 der Filmindustrie 359 Millionen Dollar in Gestalt von Steuernachlässen diverser Art. Ähnliche Programme haben auch die anderen Bundesstaaten; selbst ein Mini-Staat wie Hawaii konnte im gleichen Zeitraum 42 Millionen Dollar lockermachen. Für US-Großproduktionen – oder Koproduktionen mit nominellen europäischen Partnern – lohnt es sich, einen Großteil des Films in den USA zu drehen, um dort die Steuervorteile zu kassieren, und dann einige Szenen in Europa, um direkte Zuschüsse einzustreichen – oft als bedingt rückzahlbare zinslose Darlehen. Die Europäische Kommission sieht die Entwicklung kritisch und arbeitet an einer neuen Richtlinie zur Filmförderung. Zwar dürfen Mitgliedsländer der EU mit ihren Fördermaßnahmen andere Mitgliedsländer nicht diskriminieren; eine französische Produktion, die in Berlin dreht, muss genauso gefördert werden wie eine deutsche in Paris. Dennoch stellt die Kommission in einem Positionspapier fest: "In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende globale Konkurrenz, um große (in der Regel US- oder US-finanzierte) Filmproduktionen anzuziehen." Es sei von entscheidender Bedeutung, dass dies "nicht zu einem Subventionskrieg zum Anlocken ausländischer Filme ohne Bezug zu nationalen oder zur europäischen Kultur(en)" werde, heißt es weiter im Papier, denn "die einzigen Gewinner solcher Kriege wären die US-Majors". Keine Subventionskriege untereinander, dafür subventionierter Kulturkampf gegen Hollywood – das ist die Position der EU-Kommission. Die Bundesregierung widerspricht. Gerade weil das "eigentliche Wettbewerbsproblem der dominierende US-Anteil am europäischen Filmmarkt" sei, müsse man die europäische Filmwirtschaft stärken, heißt es in einer Stellungnahme zum Papier der Kommission. Auch indem man "Anreize für internationale Produktionsfirmen (schafft), ihre Filme in der EU zu realisieren." Dass für die Kommission wie für die Bundesregierung die "exception culturelle" nur ein Feigenblatt ist und dass es in Wirklichkeit nur um die beste Strategie im Konkurrenzkampf mit den "US-Majors" geht, geht aus beiden Papieren deutlich hervor. Seite 4 von 5 Sicher sei es so, dass alle deutschen Förderanstalten, auch in den Ländern, an guten Filmen ehrlich interessiert seien, meint Christian Bräuer, aber im Ergebnis "richtet man sich im Förderstaat ein", statt den Ehrgeiz zu entwickeln, Neues zu entwickeln. Wenn es zu wenige gute Filme gibt, "muss man fragen, ob die Anreize falsch gesetzt sind". Auch für die Produzenten, die einen Großteil ihrer Zeit damit zubringen müssen, von Förderanstalt zu Förderanstalt zu rennen, um die Mittel einzuwerben. Denn der Produzent lebe von den sogenannten Handlungskosten – pro Film 6,5 Prozent des Gesamtbudgets, die er unabhängig vom Publikumserfolg bekomme. Das heißt, weder die Produzenten noch die Förderanstalten haben ein primäres Interesse am Kassenerfolg. Hingegen kann ein Film mit hohen Produktionskosten sowohl von den Förderanstalten wie von den Produzenten als Erfolg verbucht werden: Viel Geld ist in der jeweiligen Region ausgegeben worden, und der Produzent kann hohe Handlungskosten einstreichen. Ein perverses Ergebnis falsch gesetzter Anreize. Wie viele deutsche Filme an der Kasse so viel Geld einspielen, dass die Förderanstalten ihre Darlehen zurückbekommen, ist angesichts der Zersplitterung der Förderagenturen kaum ermittelbar, aber die bayerischen Erfahrungen können als pars pro toto herangezogen werden. In einem Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs für die Jahre 2004 bis 2008 wurde eine maximale Rückzahlungsquote von 15,5 Prozent festgestellt. Der Rechnungshof moniert eine Produktion aus dem Jahre 2007, die mit 730.000 Euro gefördert wurde, aber nur 1409 Kinobesucher hatte. Damit wurde "jede Kinokarte mit über 500 Euro subventioniert". Freilich hat auch der Bayerische Rechnungshof keine Lösung des Problems anzubieten. Vielmehr fordert er, dass künftig "im Darlehensvertrag eine verbindliche Anzahl von Drehtagen" in Bayern festgelegt werden müsse, damit mehr Geld in der Region bleibe. Auch pervers: statt kosteneffektiv sollen Produzenten lieber langsamer drehen, um mehr Fördergelder zu bekommen. Setzt man die Rückzahlungsquote in Deutschland hoch mit durchschnittlich 20 Prozent an, so fließen jährlich mindestens 230 Millionen Euro in die Filmwirtschaft, die nicht zurückgezahlt werden. Bei 720.000 Kinositzen in Deutschland könnte man also sagen, dass jeder Kinositz mit 300 Euro subventioniert wird – nur, dass die Subventionen nicht an die Kinos gehen, sondern an Filmemacher, die es nicht schaffen, diese Kinositze zu füllen. Kinobetreiber Bräuer hält Subventionen für nötig, glaubt aber, dass man den Erfolg stärker belohnen müsse. Wobei nicht die absolute Zuschauerzahl als Messlatte des Erfolgs gelten sollte. Sinnvoller wäre es, die Produktionskosten pro Zuschauer zu vergleichen. So war Tom Tykwers Literaturverfilmung "Cloud Atlas" eine aufwendige Koproduktion – Deutschland, USA, Hongkong, Singapur –, die 100 Millionen Euro gekostet hat; davon waren 17 Millionen deutsche Zuschüsse vom Filmförderfonds, von der Film- und Medienstiftung NRW und vom Medienboard Berlin-Brandenburg. In Deutschland hat "Cloud Atlas" eine Million Zuschauer erreicht. Aber: Der diesjährige Gewinner des Deutschen Filmpreises, Jan Ole Gersters Schwarz-Weiß-Film "Oh Boy", kostete hingegen gerade mal 300.000 Euro und erreichte 250.000 Zuschauer. David Groenewold gehört zu den erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten. Unter anderem war er an der Produktion von "Der Wixxer", "Elementarteilchen" und "Die Welle" beteiligt. Er stellt auch eine Ausnahme dar: Er kümmert sich vor allem um private Investoren, die – nachdem alle öffentlichen und öffentlich-rechtlichen Töpfe ausgeschöpft sind – die fehlenden zehn bis fünfzehn Prozent beibringen. Mag sein, dass die Produzenten allgemein über ihre Garantiebeteiligung an den Kosten abgesichert sind. Einer wie Groenewold kann sich zu viele Flops aber dennoch nicht leisten. Denn die Leute sollen ihm ihr Geld geben. Gegenwärtig experimentiert er mit Crowdfunding, um den Hitler-Comic von Walter Moers verfilmen zu können. Groenewold ist von erfrischender Offenheit: "Wir definieren die Filmförderung als Kulturförderung, aber natürlich handelt es sich um Wirtschaftsförderung." Und zwar eine richtige. Denn der Film sei Arbeitgeber für Freigeister, die sonst nirgendwo unterkommen Seite 5 von 5 könnten, eine Branche für Misfits, die im Zeitalter der Digitalisierung aus Leidenschaft noch Handarbeit leisten: Näherinnen, Kostümbildner, Maler. Das Studio Babelsberg etwa brauche nun einmal eine Produktion wie "Cloud Atlas", um zu überleben. Mit der Kritik an der Qualität deutscher Filme hat Groenewold wenig Geduld. Erstens gebe es gute Filme: "Goodbye Lenin" zum Beispiel, "Das Leben der Anderen" oder "Cloud Atlas". Zweitens aber sei das deutsche Feuilleton oft zu verkopft. "Til Schweiger ist der Ernst Lubitsch von heute", so Groenewold, das Feuilleton fasse ihn jedoch nur mit spitzen Fingern an, weil er "zu kommerziell" sei. Aber das heiße doch erstens, er lockt die Leute ins Kino, und zweitens: "Er bezahlt seine Fördergelder zurück. Zwei Wochen nach Kinostart kann er der Filmförderung einen Scheck geben." Ein Problem für den Kinofilm sei, dass die meisten Filme auch von den öffentlichrechtlichen Sendern Geld bekommen müssen. Dabei sei das, was einen guten Kinofilm ausmacht, "große Bilder, großes Pathos", nicht unbedingt das, was im Fernsehen ankommt. Die Produzenten wissen, was von den Sendern gewünscht wird, und "da gibt es oft diese Schere im Kopf" schon beim Konzept. Die Filmleute bringen durchaus Eigenmittel ein, sagt Groenewold. Oder – "was viel öfter passiert, als man denkt, ja der Regelfall ist" – ihre Arbeit wird als Vorschuss eingebracht, rückholbar bei einem Kassenerfolg. So sei es bei "Oh Boy!" gewesen. "Produzenten sind also wie alle Filmleute oft selbstausbeuterisch. Um das zu machen, brauchen sie Enthusiasmus gepaart mit Wahnsinn. Man starrt in den Abgrund, und er starrt zurück." Die Filmkritik hingegen starre auf den Film aus dem bequemen Sessel festangestellter Verantwortungslosigkeit. Das Scheitern oder Gelingen eines Films sei für den Kritiker, anders als für die Filmemacher, keine existenzielle Angelegenheit. Gäbe es freilich keine Filme, hätte auch der Kritiker nichts zu tun. Stimmt schon. Aber eine Filmförderung, die das Geldausgeben eher honoriert als das Geldverdienen; die teure Flops als Erfolg verbuchen kann; die zunehmend dazu benutzt wird, Hollywood-Produktionen nach Deutschland zu locken; die geistlosen Komödien faktisch zinslose Darlehen zur Verfügung stellt, obwohl diese Filme vermutlich auch von privaten Geldgebern finanziert werden könnten; die in vielen Fällen auf eine Förderung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hinausläuft, das über die Ko-Finanzierung exklusive Ausstrahlungsrechte am Film erwirbt; die schlicht und einfach auf der Lüge der Kulturförderung beruht, während sie doch eine rechtswidrige Wirtschaftsförderung darstellt: Eine solche dysfunktionale Filmförderung bräuchte sich nicht wundern, wenn sie insgesamt infrage gestellt wird. Alan Posener, Korrespondent für Politik und Gesellschaft, verbringt seit frühester Kindheit einen nicht unwesentlichen Teil seiner Lebenszeit im Kino und ärgert sich dementsprechend über schlechte Filme. Noch mehr ärgert er sich allerdings, wenn schlechte Filme subventioniert werden. Und am meisten ärgert er sich, wenn deutsche Filmstars, Regisseure usw. Starallüren an den Tag legen und vergessen, dass ihre Jobs vom Steuerzahler und Rundfunkgebührenzahler mitfinanziert werden