Dorfleben in Schleswig-Holstein – historisch

Transcrição

Dorfleben in Schleswig-Holstein – historisch
Dorfleben in Schleswig-Holstein – historisch
Dorfleben in
Schleswig-Holstein – historisch
Impressionen in Originaltexten und Bildern aus
vergangenen Jahrhunderten
Herausgefunden, zusammengestellt und kurz kommentiert
von Werner Scharnweber
Edition Temmen
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.
Umschlagabbildung:
Gasthaus von J. Pries in Bösdorf, Kreis Plön. Aufnahme vor 1900
Frontispiz:
Auf dem Schleswiger Kornmarkt um 1895
© Edition Temmen 2013
Hohenlohestr. 21 – 28209 Bremen
Tel. 0421-34843-0 – Fax 0421-348094
[email protected] – www.edition-temmen.de
Alle Rechte vorbehalten
Herstellung: Edition Temmen
ISBN 978-3-8378-5019-9
Inhalt
Authentisch
8
Der Fundus
10
Eggen – beschrieben vor 236 Jahren
11
Zur Erntezeit: Kräftige Kost und gutes Futter
13
Heu machen »im wachsenden Monde«
14
Mähen mit der Sense
16
Der Sensenklopfer wanderte von Dorf zu Dorf
17
Schlagzahl der Handdrescher
18
Dann kam der Selbstbinder
20
Der Pflug ersetzt Spaten, Schaufel, Rechen und Hacke
22
Mit der Dampfpflugkolonne auf Tour
26
Vom Stiftendrescher zur Dreschmaschine
28
Melken per Hand
30
Erst das Vieh – dann die Menschen
32
Als die Drillmaschine kam
33
Der Bauer soll sich nicht »halb zu Tode arbeiten«
36
Großknecht – Kleinknecht – Denstjung
37
Mit dem Jauchefaß zum Acker
38
Der »Bulldog« sparte 4 Pferde und einen Knecht
40
Passade: 65 Pferde, 2 Schlepper
42
Arbeitsbedingungen auf Gut Rantzau
44
Wilhelm von Gottes Gnaden wurde deutlich
47
Gesindeordnung und Gesindevermieter
48
An strenge Tätigkeit gewöhnt
50
Was eine Magd zu leisten hatte
52
Statt tagelöhnern auf der Hitze laufen
53
Von Tabakbauern und Zigarrenmachern
54
Landhöker
56
Alles zugleich: Müller, Höker, Brauer und Bäcker
58
Tante Frieda butterte heimlich
59
Ohne Rademacher rollte gar nichts
60
Kätner als Linienzieher
62
Sylt: Feldarbeit ist Fruensache
64
Dorfleute auf Krabbenfang
66
Torfgräberei
68
Der Mann, der Säcke reparierte
70
Die Bandreißer
72
Der Musicus ließ die Gehülfen spielen
74
Als Gut Schmoel in Konkurs ging
76
Als Panker hessisch wurde
79
Für uneheliche Kinder sechsfache Taufgebühr
81
Unschlittkerzen rochen unfein
82
Vom guten Essen und von reichen Bauerntöchtern
84
Dampfbad mit Heideblüten
86
Wider die Flühe
87
Probsteier Sitte: »Na Deerns gahn«
88
Adebar und »Mutter Griebsch«
90
Der Sittenlosigkeit entgegenwirken
93
… aber nur, wenn die Braut nicht geschwängert war
94
Einheimischer Kaffee
95
Straßen vor 200 Jahren
96
Gänsekiele sammeln und verkaufen
98
Seegrasernte der »ärmeren Classen«
100
27 Zentner Maikäfer
102
Der LandFrauenVerband
103
Die Rauchhäuser in Schwansen
104
Weißgerber, Schönfärber, Essigbrauer
106
Am Spinnrad
108
Die Sache mit dem Hahn und den Hennen
110
Gültig für Landschulen: »Dispensation« vom Schulbesuch
111
Lehrers Lohn: Butter, Eier, Schinken
112
»Mischlohn« für den Pastor
114
Das Durcheinander der alten Flächenmaße
116
Orden und Ehrenzeichen – auch für Landleute
118
Holzkohle aus Oldenhütten
119
Hofeigene Windkraftanlagen seit mehr als 100 Jahren
120
Waschtag auf dem Lande
122
Das Amtsgericht kommt ins Dorf
124
Die Butter kam per Post
126
Bohnenstangen aus dem Knick
128
Leibeigenschaft
130
Die Wiederentdeckung des Mergelns
132
Mergeln im großen Stil
134
Der Windmüller muß »nicht ohne Geist seyn«
135
Eiderstedter »Besonderheiten«
136
»Witteer« graben
138
Vom Lein zum Flachs zum Leinen
140
Die gesicherte »Abnahme«
142
Kornhandel
144
Legendär: der Husumer Viehmarkt
145
Landwirtschaftliche Lehranstalt Hohenwestedt: Schulmütze tragen ist Pflicht 146
Ankauf von Remonten
148
Als die Heide unterging
150
22.00 Mark für ein englisches Bullenkalb
152
Vereinshengste nicht überfordern
154
Brennesselanbau als vaterländische Pflicht
155
Jeden Freitag Ferkelmarkt
156
Hochfeine Butter
158
44.000 Hektar Buchweizen
160
Anhang
162
Ortsregister
163
8
Bauernhäuser in
Burg/Dithmarschen um
1895
Authentisch
Bildnachweis:
Übernommen aus
»Schleswig-Holstein
meerumschlungen in
Wort und Bild«. Verlagshandlung Lipsius & Tischer, Kiel. 1896
Dörfer, wie sie in altdeutschen Lesebüchern beschrieben sind – mit einer Anzahl reetgedeckter Bauernhöfe, einigen
Katen für Tagelöhner und Landarbeiter, dem Schmied, dem Höker, der
Krugwirtschaft, der einklassigen Dorfschule und sonst nichts – die gibt es
nicht mehr. Die Dörfer haben «ihr Gesicht» längst verändert. Gewiß, vielen
der kleinen Orte sieht man ihre bäuerliche Herkunft noch an. Die Landwirtschaft »funktioniert« ja weiterhin überall. Wie gepflegte Äcker, Wiesen und
Weiden eindrucksvoll belegen. Die Anzahl der aktiven Bauernhöfe hat sich al-
lerdings, dem Strukturwandel der Landwirtschaft folgend, deutlich verringert.
Manche vormalige Bauernstelle wird
nur noch bewohnt. Auf anderen Höfen
wurden Gebäude zu Ferienhäusern/
-wohnungen umgebaut. Vor allem aber
sind viele schmucke Ein- und Zweifamilienhäuser neu entstanden. Als Lückenbebauung im ursprünglichen Dorfkern
oder/und auf neu ausgewiesenen Baugebieten.
So zeigen sich heute die allermeisten
Dörfer in einem durchaus harmonischen Kunterbunt aus Tradition und
Moderne.
9
»Dorfstraße« von heute
in der Ortschaft Wisch
in der Probstei. Eine
Aufnahme aus dem
Jahr 2002
In diesem Buch wird berichtet vom Arbeiten und Leben in den Dörfern Schleswig-Holsteins in den vergangenen drei
Jahrhunderten. Und zwar mit Originaltexten und Bildern aus der jeweiligen
Zeit. Dadurch ist der Blick zurück in die
Vergangenheit, auf das Leben unserer
Vorfahren, unmittelbar und authentisch.
Dem »Damals« eines jeden Einzelthemas ist eine kurze Passage »Und heute«
zum Vergleich angefügt.
10
Ein Bild aus dem FotoFundus des Autors. Diese Postkarte, aus dem
vormaligen Verlag von
Wilhelm Hartmann in
Lensahn, zeigt das Gasthaus von J. Pries in
Bösdorf, Kreis Plön.
Laut Poststempel wurde
die Karte am 7.8.1900
befördert. Die Aufnahme stammt folglich aus
der Zeit um/vor 1900
Der Fundus
Seit mehr als 40 Jahren ist der Autor dieses Buches Sammler historischer Unterlagen aus dem Zeitraum von 1650 bis
1950.
Zum Beispiel: landwirtschaftliche Fachbücher, Enzyklopädien, Lexika, Rechtsvorschriften für Schleswig-Holstein,
Landes- und heimatkundliche Veröffentlichungen, Chroniken, Fachzeitungen,
Illustrierte, Schulordnungen, Stellenausschreibungen, Firmenprospekte, Reisebeschreibungen, Ge­
sindebücher, Ar-
beitsverträge, Erb­vereinbarungen, Landkarten, Zei­ch­nung­en und Fotos.
Aus diesem Fundus hat der Autor themenspezifische Beiträge ausgewählt, die
nachfolgend den größten Teil dieses Buches ausmachen. Im Original, auch in
der Original-Schreibweise. Zu jedem einzelnen Beitrag ist die Quelle vermerkt.
Illustriert sind die Berichte mit historischen Zeichnungen, mit Fotos aus der
Zeit seit 1870 und zum Teil ergänzend
mit neuen Aufnahmen.
11
Eggen um 1850 nach einer romantisierenden
Darstellung. Diese Egge
hatte oben zwei hölzerne Kufen. Umgedreht
ergab das einen Schlitten. Die Egge konnte
so, ohne die Zinken zu
gefährden, zum Feld
und zurück zum Hof
geschleift werden
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
Eggen – beschrieben vor 236 Jahren
Damals – anno 1777:
In der »Oeconomischen Encyclopädie«
von D. Johann Georg Krünitz, 10. Teil,
erschienen 1777, wird die Egge (Krünitz
schreibt: Ege) wie folgt erläutert:
»Ege ist nächst dem Pfluge das nöthigste
Werkzeug bey dem Feld- oder Ackerbau,
womit die Erdschollen und Klöße zerbrochen, die Queken und anderes Unkraut aus dem Aeckern gerissen, und das
Erdreich über den in das Feld gestreuten
Samen gezogen wird, daß folglich dieser
damit bedecket, und vor den Vögeln bis
zu seiner Auskeimung verwahret werden
möge.
Eine Ege besteht aus Balken, darinn die
Zinken oder Zähne stecken, und aus zwo
Schienen, welche nahe an den Seiten
durch Balken gestecket werden, um sol-
che in einer beliebigen Entfernung von
einander zu halten.
Es giebt zweyerley Arten Egen, nämlich
Egen mit hölzernen Zinken, und Egen
mit eisernen Zinken. Diese Egen (gemeint jene mit hölzernen Zinken, Anm.
Autor) sind in sandigen, lockern, leich-
Eine Egge, wie von Krünitz im Jahr 1777 in seiner »Oeconomischen
Encyclopädie« beschrieben. Nach einem Kupferstich aus jener Zeit.
Arme Leute, die keine
Tiere als Zugkräfte besaßen, eggten per Hand
Bildnachweis:
Kupferstich aus »Oeconomischer Encyclopädie« von D. Johann Georg Krünitz, 10. Teil,
1777. Historische Sammlung W. Scharnweber
12
Kreiselegge von heute,
angekoppelt an den Trecker
ten (…) Feldern gar wohl zu gebrauchen;
überdies kann sich der Ackersmann solche selbst verfertigen. In unreinen und
festen Feldern (…) taugen sie nichts. (…)
Die eisernen Egen, können, wegen ihrer
Schwere, das Feld besser, als die hölzernen, durcharbeiten. Man bedient sich ihrer in zähem Acker, da sie denn oft,
wenn sie den Boden fassen sollen, noch
mit starken Blöcken (gemeint: Steinen,
Anm. Autor) welche daher Egeblöcke
heißen, zu beschweren sind, und gemeiniglich zwey Pferde erfordern.
Um die Ege auf das Feld und wieder
nach Hause zu führen, so, daß den Zinken kein Schaden zugefüget werde, bedienet man sich einer Schleife, welche
der Egeschlitten genannt wird.«
Und heute:
Moderne Scheiben- und Kreiseleggen gehören zur Standardausrüstung in der
Landwirtschaft. Angekoppelt am Trecker, werden sie von diesem aus elektronisch eingestellt.
13
Zur Erntezeit: Kräftige Kost und gutes Futter
Damals – 1853:
Bevor Mähmaschinen zum Einsatz kamen und Trecker die Pferde ersetzten,
war die Getreideernte sehr anstrengende
Arbeit an extrem langen Arbeitstagen.
Für die Mäher mit der Sense, für die
Garbenbinder, für jene, die Garben in
Hocken stellten und später auf den Erntewagen aufstakten, für die Packer oben
auf dem Erntewagen. Auch für die Pferde, die die hoch beladenen Erntewagen
zum Hof ziehen mußten. Zurück zum
Feld ging‘s dann meistens im Trab.
Mensch und Pferd mußten zur Erntezeit bei guter Kondition sein. Deshalb
wurde im »Das Hauslexikon«, 3. Band,
Ausgabe von 1853, den Bauern dieser
Ratschlag erteilt:
»Da während der Ernte sowohl Menschen als Zugvieh oft sehr angestrengt
werden, so muß man ersteren eine kräftige und reichliche Kost verabreichen,
letzteres muß man sich einige Zeit vorher erholen lassen und es mit gutem
Futter reichlich nähren.«
Und heute:
Die Mähmaschinenfahrer werden darauf
achten, daß sie genügend viel und ausreichend kräftig essen. Zumal zur Getreideerntezeit die Arbeitstage wie früher zumeist sehr lang sind.
Bei der Kornernte.
Zeichnung von 1895
Bildnachweis:
Übernommen aus
»Schleswig-Holstein
meerumschlungen in
Wort und Bild«. Verlagshandlung Lipsius &
Tischer, Kiel. 1896.
Zeichnung: Jul. Fürst.
(Historische Sammlung
W. Scharnweber)
14
»Heu machen« – anno
damals. Umwenden
des Heus zum besseren
Abtrocknen
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
Heu machen »im wachsenden Monde«
Damals – 1767:
In Johann Theodor Jablonskies »Allgemeines Lexicon der Künste und Wissenschaften«, Ausgabe von 1767, wird Heu
machen wie folgt beschrieben:
»Heu, gedörret Gras, welches zum Futter
für das Vieh auf den Winter hingeleget
wird. Das Gras wird insgemein um Johannis* gemähet und Acht gegeben, daß
es nicht zu reif und überständig sey, weil
es alsdann wenig Saft und Kraft behält.
Man mähet es gern in der Frühzeit, so
lange der Thau noch darauf liegt, weil es
sich alsdenn leichter und glatter umleget. Man beobachtet auch gern, daß es
im wachsenden Monde und bey vermu-
thetem trockenen Wetter geschehe: jenes, damit das Grummet stärker nachwachse, dieses, damit es wohl eingebracht werde. Wenn das nie­dergemähete
Gras sehr dick im Schwaden liegt, wird
es nach einem oder zweenen Tagen umgewendet, damit es besser durchtrockne.
Es muß nicht zu sehr gedörret, auch
nicht zu grün aufgenommen werden; auf
den ersten Fall giebt es schlechte Nahrung, auf den letzten faulet es und entzündet sich, und wird dem Viehe tödtlich. (…) Wo die Wiesen nach der ersten
Mähezeit zur Viehweide nicht offen gelassen werden müssen (…), werden sie bis
Bartholomäi** gehäget, und zum zwey-
15
ten Male gemähet, welches das Nachgras
oder Grummet genennet wird, und sonderlich den Schafen, oder auch dem
Rindviehe, nicht aber für die Pfede, dienet.«
Und heute:
Heu als Futtermittel spielt in der Rinderhaltung nur noch eine untergeordnete
Rolle.
Statt Heu wird aus dem gemähten Gras
überwiegend Silage hergestellt. Und
weil außerdem Maissilage und zugekauftes, industriell gefertigtes Kraftfutter dominieren, ist auch die Gesamtfläche der Mähwiesen deutlich reduziert.
Was nicht heißt, daß Heu gänzlich bedeutungslos wurde. Wie unter anderem
aus dem Anzeigenteil des »bauernblattes« erkennbar wird. Anzeigen-Beispiele:
•»Suche größere Partien Heulage,
Rundballen oder blockweise (für
Pferde)…«
•»1a Heu in Großpacken zu verkaufen…«
•»Heu in Quaderballen zu verkaufen…«
Und auf den Rubrik-Seiten »Märkte
und Preise« veröffentlicht das »bauernblatt« jede Woche auch Marktpreise
für Heu. In der Ausgabe vom 12. März
2011 zum Beispiel:
«Verkaufspreise ab Hof in €/100 kg
ohne MwSt:
•Heu gepresst 11,50 – 13,50
•Heu Großballen 9,50 – 12,50
Qualitätsbedingt und je nach Menge
werden auch höhere oder niedrigere
Preise als angegeben bezahlt. – LKMarkt.«
* Johannis: Nach dem kirchlichen Kalender der
24. Juni. Benannt nach Johannes dem Täufer
(der auf Wunsch von Salome enthauptet wurde).
** Bartholomäi: Nach dem kirchlichen Kalender
der 24. August. Benannt nach Bartholomäus,
von Jesus unter die zwölf Apostel aufgenommen.
Eine frühe Heuwendemaschine nach einer
Zeichnung aus dem
Jahr 1872. Allerdings
wurde zu jener Zeit das
Heuwenden doch noch
fast ausschließlich in
Handarbeit erledigt
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
Heu-Einfahren nach einer romantisierenden
Zeichnung aus dem
Jahr 1873
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
16
»1914: Mähen, das Abschneiden des Getreides. (…) Ein Mann mäht mit der Sense täglich 25 – 75 Ar.«*
(Aus: »Meyers Kleines KonversationsLexikon in sieben Bänden«, Ausgabe
von 1914)
Übrigens: Laut »Schleswig-Holsteinischer Bauernkalender 1940« wurde in
Dithmarschen das Getreide nicht mit
der Sense gemäht, sondern »gehauen«.
Und heute:
Getreide mähen mit der
Sense
Mähen mit der Sense
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
Damals – 1836, 1869, 1914:
In Ditmarschen wurde
das Getreide »gehauen«
Bildnachweis:
Übernommen aus
»Schleswig-Holsteinischer Bauernkalender
1940« (Historische
Sammlung W. Scharnweber)
Getreide mähen mit der Sense. Und was
die Mäher, auch Schnitter genannt, leisteten.
»1836: Der Mäher faßt mit der Sense einen Streifen von 12 bis 18 Zoll Länge
(…) und haut ihn bogenförmig ab. Nach
mehrseitig angestellten Beobachtungen
that ein guter Mäher in 23 Minuten,
wobei er die Sense 3 Mal wetzte, 305
Hiebe mit der Sense.«
(Aus: »Das Hauslexikon«, Ausgabe von
1836)
»1869: Vom Wintergetreide (…) mäht 1
Mann täglich 2 bis 2 1/2 Morgen mit
der Sense…«
(Aus: »Handbuch der rationellen Landwirtschaft für praktische Landwirthe
und Oekonomieverwalter«, Ausgabe
von 1869)
Auf gelegentlichen Veranstaltungen unter dem Motto «Landwirtschaft gestern» wird das Mähen mit der Sense
noch gezeigt. Aber Leistungen – wie vorstehend geschildert – würden heutige
Mäher nicht erreichen. Es fehlt an
Übung.
*
25 Ar = 1/4 Hektar, 75 Ar = 3/4 Hektar
17
Der Sensenklopfer
wanderte von Dorf zu
Dorf
Damals – um 1890:
Sensenblätter bestanden aus unterschiedlichem Stahl. In »Pierers Konversations-Lexikon«, 7. Auflage, siebenter
Band, Ausgabe von 1892, liest sich das
so:
»Schleifsensen sind aus Gußstahl und
lassen sich durch Schleifen, bzw. Wetzen schärfen, Klopfsensen aus sehr zähem Gärbstahl, so daß sie durch Dengeln geschärft werden können.«
Dengeln erfolgte mit dem Dengelhammer. Dieser war auf beiden Seiten mit
scharfer, verstählter Kante versehen.
Das Sensenblatt lag auf einem kleinen
Amboß oder sonstiger eiserner Unterlage. Das Schärfen geschah durch gezieltes »Dünnschlagen« des Sensenblattes.
Schleifsensen mit dem Wetzstein schärfen, das konnte jeder Landwirt und (fast)
jeder Landarbeiter.
Dengeln der Klopfsensen war schwieriger und auch zeitaufwendiger. Eine Tätigkeit für »Experten«. Zum Teil ausgeführt von wandernden »Sensenklopfern«, die von Dorf zu Dorf zogen und
nach Dengelarbeit fragten.
Und heute:
Klopfsensen sind nicht mehr im Einsatz. Und »Sensenklopfer« schon seit
langer Zeit nicht mehr auf Tour.
Schärfen der Schleifsense mit dem Wetzstein. Eine Zeichnung
aus dem Jahr 1895
Bildnachweis: Übernommen aus »Schleswig-Holstein meerumschlungen
in Wort und Bild«.
Zeichnung: Jul. Fürst.
Lipsius & Tischer, Verlagshandlung, Kiel. 1896
(Historische Sammlung
W. Scharnweber)
Unten: Dengeln der
Klopfsense. Ein wandernder Sensenklopfer bei der
Arbeit. Eine Zeichnung
aus dem Jahr 1895
Bildnachweis: Übernommen aus »Schleswig-Holstein meerumschlungen
in Wort und Bild«.
Zeichnung: Jul. Fürst.
Lipsius & Tischer, Verlagshandlung, Kiel. 1896
(Historische Sammlung
W. Scharnweber)
18
Getreide dreschen mit
dem Dreschflegel. Romantisierender Kupferstich aus dem Jahr 1850
Schlagzahl der
Handdrescher
Bildnachweis:
Historische Sammlung
W. Scharnweber
Damals – 1813/1879:
Bevor, beginnend etwa ab Mitte des 19.
Jahrhunderts, erste Dreschmaschinen
zum Einsatz kamen, war Kornausdreschen schwerste Handarbeit. Mit dem
Dreschflegel. Der bestand aus dem
Handstecken und dem Flegel. Der Flegel, ein zwischen 55 bis 64 cm langes,
abgerundetes Buchenholz, wog 3 bis 4
Pfund. Stecken und Flegel waren mit einem starken Lederband, wie mit einem
Scharnier, zusammengefügt.
Gedroschen wurde von drei bis fünf
Dreschern zusammen im Takt, mit hoher Schlagzahl, gleichsam im Stakkato.
Im »Täglichen Taschenbuch für Landwirthe und Wirtschaftsverwalter auf das
Jahr 1813« wie folgt beschrieben:
»Drei oder 4 Drescher zusammengestellt verrichten jeder in einer Minute
59 – 60 Schläge, von fünf Dreschern
thut jeder in einer Minute 58 – 59 Schläge.«
Auf dem Haupthof des Gutes Rantzau*) wurde das Korn auch 1879 zum
Teil noch mit dem Dreschflegel ausgedroschen. In den ab 1. März 1879 für
die Drescher gültigen Arbeitsbestimmungen heißt es:
»Beim Dreschen auf dem Hofe erhalten
die dazu angenommenen Arbeiter:
Beim Dreschen mit der Hand immer
die 16 te Tonnen wofür sie gehalten
sind, das Korn rein auszudreschen, aus
dem Winterstroh immer und aus dem
Sommerstroh auf besonderes Verlangen
Klappen auszunehmen, wofür pro 100
Stck. 20 Pfg Vergütung gegeben werden.
Auch müssen sie vom Winterstroh auf
Verlangen wohlgeschütteten Schoof
ausnehmen im Gewichte von 7 Pfd. pr.
Stück, erhalten aber pro 100 Stck. 75
Pfg Vergütung. Sämtliches Stroh und
Kaff haben die Drescher hinzutragen,
wohin es ihnen angewiesen wird, Klappen und Schoof aufzustaken. Das Korn
muß gut gereinigt und dann von ihnen
zu Boden getragen werden. Zur Saat bestimmtes Korn muß noch besonders
gereinigt werden, wofür ihnen dann
auch ihre Maaße verabreicht werden
davon.«
19
Und heute:
Mähen und Dreschen geschieht in Kombination. Mit dem Mähdrescher. Die modernsten mit – für den Laien – erstaunlicher Leistung und Ausstattung. Angaben
aus einem Prospekt für Mähdrescher: 300
bis 459 PS – Korntankinhalt bis zu 12.333
Liter – Entladerate bis zu 158 Liter/Sekunde – Hochleistungsschneidwerk bis 9,20
Meter – Hoher Fahrkomfort durch große
Kabine und übersichtliches Bedienterminal – Hohe Schnittgeschwindigkeit und
exakter Schnitt, auch bei schwierigen
Erntegütern – Optimale Leistung auch
bei Lagergetreide – Sauberste Reinigung
durch große Siebfläche.
*Gut Rantzau an der Straße Plön – Lütjenburg,
B 430.
Mähdrescher im Einsatz
20
Mähen mit dem Grasmäher
Dann kam der Selbstbinder
Bildnachweis:
Sammlung Hans Heinrich Clausen
Damals – um 1935:
Mähen mit dem Selbstbinder. Aufnahme von
1935
Bildnachweis:
Übernommen aus
»Chronik des Kirchspiels Brodersby«. Herausgegeben von der Gemeinde Brodersby. 1989
Bereits das Mähen des Getreides mit dem
Grasmäher bedeutete eine erhebliche Arbeitserleichterung. Zwar mußten die Halme noch zusammengeharkt, gebunden
und in Hocken gestellt werden. Aber das
mühevolle Mähen per Hand mit der Sense entfiel. Dann kam der Selbstbinder.
Diese Mähmaschine legte die Garben gebunden ab. »Gehockt« mußte weiterhin
werden, das heißt, die Garben in Hocken
aufzustellen. Auch das Einfahren ge-
21
Aufstaken der Garben
auf den Erntewagen.
Foto um 1935
Bildnachweis: Übernommen aus »Chronik des
Kirchspiels Brodersby«.
Herausgegeben von der
Gemeinde Brodersby.
1989
schah noch wie immer: Mit Pferd und
Wagen. Bis der Mähdrescher kam, beginnend in den 1960er Jahren.
Und heute:
Alles geschieht in einem Arbeitsgang,
Ausdreschen inklusive. Ist der Korntank
des Mähdreschers voll, übergibt der Fahrer das Korn auf dem Feld per Knopfdruck an den Wagen zum Abtransport.
Garben in Hocken gestellt. Aufnahme um
1930
Bildnachweis:
Sammlung Hans Heinrich Clausen
Unten: Übergabe des
Korns vom Mähdrescher
an den Transportwagen.
Foto: 2001