Das Leben ist ein Fluss

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Das Leben ist ein Fluss
R6
Reise
Münchner Merkur/tz Nr. 117, Wochenende, 21./22. Mai 2011
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Das Leben ist ein Fluss
Vietnam: Eine Reise auf dem Mekong
Wo er genau entspringt, da
sind sich die Geologen bis heute
nicht sicher. Zu schwer erreichbar ist das Quellgebiet im Hochland von Tibet. Auch wie lang er
ist, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. 4350 Kilometer?
Oder 4975? Am Ende fließt er
neunarmig in einem Delta – mit
40 000 Quadratkilometern so
groß wie die Niederlande – ins
südchinesische Meer. Unser Autor Matthias Kristlbauer beschreibt das Leben auf dem langen, nicht immer ruhigen Fluss.
ReIse-INfos
zu VIetNAm
ReIsezIeL Das mekong-Delta liegt im
süden von Vietnam und misst insgesamt
knapp 40 000 Quadratkilometer. zu erreichen ist das Delta auf dem Landweg von Ho
Chi minh City aus, dem früheren saigon.
ANReIse Vietnam Airlines fliegt dreimal pro Woche von frankfurt aus nach Ho
Chi minh City. Preise ab 749 euro. zusatzflüge im Inland, etwa von Ho Chi minh City
nach Phu Quoc, sind vergünstigt. Buchungen unter www.vietnamairlines.com oder
im Reisebüro. für die einreise in Vietnam
werden ein Visum sowie ein Pass benötigt,
der bei Ankunft noch mindestens sechs monate gültig sein muss.
Can tho, im mai 2011
Es ist schwül, Kapitän Thong
hat es sich bequem gemacht. Barfuß, aber mit weißem Hemd und
blauer Hose, sitzt er auf seinem
Kapitänsstuhl und steuert die
Bassac II durch die braunen Fluten des Mekong stromabwärts in
Richtung Meer. „Co van de“, sagt
Thong, was heißen soll, dass es
nicht sehr schwierig sei, das Schiff
durch den zäh fließenden Strom
zu bewegen. Trotz des vielen Verkehrs. Aber Pham Van Thong ist
auch ein Mann mit Erfahrung.
„Ich kenne jeden Nebenfluss im
Mekong-Delta“, sagt der 53-Jährige. Früher waren es Reisfrachter
und Restaurantboote, jetzt ist es
die Bassac II, ein kleines Kreuzfahrtschiff mit zwölf Kabinen.
Die Fahrt der Bassac II hat in
Can Tho begonnen, der mit rund
1,3 Millionen Einwohnern größten Stadt im Mekong-Delta und
wohl auch der wichtigsten. Can
Tho ist seit der französischen Kolonialzeit das Wirtschaftszentrum der Region. Während des
Vietnam-Kriegs waren hier tausende US-Soldaten stationiert,
um sich draußen am Fluss und in
den Urwäldern mit den Vietcong
aufzureiben.
Sanft gleitet die Bassac II dahin, an den Ufern des Mekong
ziehen Wasserhyazinthen und
Mangroven vorbei und Häuser,
die auf Holzpfählen stehen. Etwa
4500 Kilometer hat der Strom auf
seiner Reise aus dem tibetischen
Hochland bis hierher schon zurückgelegt. In Kambodscha hatte
er sich zuvor in zwei Arme geteilt
– den Oberen und den Unteren
Mekong. In Vietnam verzweigen
sich die Flussläufe weiter. „Song
Cuu Long“ – Fluss der neun Drachen – nennen die Einheimischen
den Mekong deshalb.
Es ist eine sehr fruchtbare Gegend, denn in der Regenzeit setzt
der Fluss weite Landstriche unter
Wasser und versorgt sie so mit
Nährstoffen. Die drei Reisernten
im Jahr decken die Hälfte des Jahresbedarfs Vietnams. Von den 17
Millionen Menschen, die im Mekong-Delta zu Hause sind, leben
15 Millionen von der Landwirtschaft und der Fischerei.
So reich die Region hinsichtlich ihrer natürlichen Voraussetzungen auch sein mag, die Menschen sind es oft nicht. Nguyen
Thi Thu hockt auf dem Boden
ihres Wellblechverschlags und
flicht eine Matte aus Seegras. Drei
Matten könne sie am Tag herstellen, erzählt Thu. Das sind für die
Mutter und ihre 14-jährige Tochter etwa 100 000 Dong am Tag,
etwa dreieinhalb Euro.
Oft ist die Arbeit hart. Auf einer
Kokosnussplantage stemmen ein
Mädchen und ein Junge mit einem
ReIsetYP Die fahrt ins mekong-Delta
ist etwas für menschen, die in eine fremde
Kultur eintauchen wollen – und die ein bisschen abenteuerlustig sind.
ReIsezeIt/KLImA Im süden Viet-
nams herrscht tropisches Klima mit ganzjährig hochsommerlichen temperaturen
zwischen 26 und 40 Grad. Die beste Reisezeit sind die monate November bis April außerhalb der Regenzeit. Auch nachts liegen
die temperaturen deutlich über 20 Grad. Die
Luftfeuchtigkeit ist hoch.
Lebensader Mekong: Der Fluss versorgt die Menschen mit Fischen, er düngt die Reisfelder und dient als Transportweg.
scharfen Eisen die Früchte auf.
Rund 1500 Nüsse knacken sie am
Tag, sagen sie. Weil die Hitze tagsüber drückt, fangen sie schon
nach Mitternacht an. Dann geht
es zwölf Stunden durch. Die Fasern der Früchte, aus denen auch
Fußabstreifer gefertigt werden,
trocknen auf einem Feld.
Arbeiter, die gerade Pause machen, tuscheln. Sie fragen sich,
was die Ausländer auf der Plantage machen. Besucher sind nämlich eher die Ausnahme in den
abgelegenen Ecken des Deltas.
Aber offenbar eine willkommene.
Kinder rufen freudig „Helau!“,
wenn sie uns Langnasen entdecken, die wir verschwitzt auf einem Fahrrad daherstrampeln.
Einige Familien, wie die von
Nguyen Ba Cuong, nehmen mittlerweile auch Gäste auf. Der Weg
zu seinem „Enthusiastic Homestay“, dem begeisternden Familienaufenthalt, wie er diesen auf
seinerVisitenkarteanpreist,führt
vorbei an Bananenstauden und
ist beinahe so gut versteckt wie
der Ho-Chi-Minh-Pfad. Der Garten ist ein Idyll. Hier wachsen
Mangos, Papayas und Drachenfrüchte. Der Hahn im Käfig kräht.
Nach dem Mittagessen mit Früh-
KAPItäN PHAm VAN tHoNG
Ganz entspannt am steuerrad: seit 30 Jahren fährt der 53-Jährige
Pham Van thong auf dem mekong – früher war er Kapitän auf Reisfrachtern und Restaurantbooten, jetzt zeigt er touristen auf Kreuzfahrten mit der Bassac II durch das Delta die schönheit des 40 000
Quadratkilometer großen Gebietes, in dem er, wie er stolz sagt, jeden Nebenfluss kenne.
FoTo: MaTTHIas KRIsTlBaueR
lingsrollen und Fisch schenkt der
Hausherr in kleinen Porzellanbechern Reisschnaps aus und stößt
mit den Gästen an. „Joo!“ So
klingt das Prost der Vietnamesen,
auch wenn man „Do“ schreibt.
Das Zeug jedenfalls geht sofort
ins Blut. Manche Bauern, so heißt
es, trinken einen Liter pro Tag.
Über dem Mekong liegt mittlerweile die Dämmerung. Kapitän
Thong hat die Bassac II in einen
Nebenkanal gesteuert. Dort will
er ankern und die Nacht verbringen. Abendessen gibt es für die
Gäste auf dem Oberdeck im Freien. Auf einem vorbeiziehenden
Frachter schaukelt ein Mann in
einer Hängematte. Am Ufer
wäscht sich eine Frau die Haare
im Flusswasser.
Das Leben im Mekong-Delta
ist ein langer ruhiger Fluss. Ganz
anders als das in der zwei Autostunden entfernten Neun-Millionen-Metropole Saigon, wo vier
Millionen Mopeds und Roller
durch die Straßen knattern und
das Überqueren der Straße Fremden den Angstschweiß auf die
Stirn treibt. Im Mekong-Delta tun
das die „Affenbrücken“. Denn
wer hier von einem Ufer des Flusses zum anderem gelangen will,
muss über die klapprigen Bambus-Konstruktionen balancieren
und beten, dass er nicht daneben
tritt.
Auch Handel wird auf der Lebensader Mekong getrieben. Auf
schwimmenden Märkten bieten
Bauern ihre Waren feil. Der größte ist der von Cai Rang, ein paar
Kilometer von Can Tho entfernt.
Boote mit Früchten und Gemüse
FoTo: BIlDagenTuR HuBeR
schaukeln dicht an dicht vor sich
hin. An einem Bambusmast haben die Schiffseigner ein Muster
ihres Verkaufsangebots aufgehängt, mal eine Ananas, mal Bananen oder Süßkartoffeln. Vom
Bug der Lastkähne blicken große
böse Augen. Der Überlieferung
nach gab es früher im Mekong
Süßwasser-Krokodile. Die Augen
auf den Schiffen sollten sie vertreiben.
Es war eine ruhige Nacht auf
der Barke. Um 5.30 Uhr lässt Kapitän Thong die Anker lichten
und startet die beiden Diesel. Im
Morgendunst über dem Mekong
tuckert die Bassac II in Richtung
der Stadt Cai Be, dem Ziel der
Reise. Auf dem Fluss ist noch wenig Verkehr. Dafür plärren an den
Ufern blechern die Lautsprecher.
Nachrichten der vietnamesischen
Behörden via Volkssender. Viele
Menschen im Mekong-Delta haben kein Radio oder Fernsehen
– geschweige denn Internet.
Irgendwann wird sich das ändern. Die jungen Menschen im
Delta glauben schon jetzt an eine
bessere Zukunft. In der Grundschule von Balang unterbricht die
Lehrerin wegen der Gäste den
Unterricht. Was die Erstklässler
denn später werden wollen? „Friseurin“, ruft ein Mädchen. „Soldat“, meint ein Bub. Ein anderer
will Doktor werden. Und einer
kann sich eine Karriere als Schauspieler vorstellen. Die anderen
Kinder lachen. Schauspieler? Das
klingt hier im Mekong-Delta, als
würde einer vom Mond reden.
Auch wenn Saigon nur zwei Autostunden entfernt ist.
Wo der Pfeffer wächst
Noch ein echter Geheimtipp: Die Insel Phu Quoc
Menschenleere Strände, abgelegene
Buchten und dichter Regenwald: Die Insel
Phu Quoc im äußersten Südwesten Vietnams ist ein Idyll. Sogar ein Idyll mit Ausnahmestatus. Phu Quoc hat den einzigen
Strand des Landes, von dem man den Sonnenuntergang verfolgen kann. Angeblich
wird hier die beste Fischsoße Vietnams
hergestellt, die „nuoc mam“. Und auch der
Pfeffer, der hier angebaut wird, gilt als vorzüglich.
Die Frage ist nur, wie lange der Bilderbuchtraum vom weitgehend unberührten
Eiland mit leeren Sandstränden und ver-
träumten Fischerdörfern noch Wirklichkeit bleibt. Denn die Regierung hat Großes
vor. Bis 2020 sollen laut einem Masterplan
jährlich zwei bis drei Millionen Urlauber
auf die Insel gelockt werden.
Man sieht das auch. Überall stehen
Schilder, die Grundstücke anpreisen, vielerorts entstehen neue Hotelanlagen, und
auch die Verkehrsinfrastruktur der mit 576
Quadratkilometern größten Insel Vietnams soll aufgerüstet werden. Durch das
Bergland wird derzeit eine vierspurige
Straße getrieben, um das West- mit dem
Ostufer zu verbinden. Sogar ein neuer in-
ternationaler Flughafen ist gerade in Bau.
Denn auf der kurzen Piste des alten Airports in der Hauptstadt Duong Dong können derzeit nur kleine Maschinen starten
und landen. Bei bis zu 14 Flügen pro Tag
ist das Touristenaufkommen bislang noch
ziemlich überschaubar.
„Die Regierung hofft, Phu Quoc zu einem zweiten Singapur zu machen“, sagt
unser Begleiter Nguyen Huu Liem. Um
dann sentimental zu werden: „In fünf Jahren wird man die Schönheit nicht mehr
sehen.“ Sogar drei Golfplätze seien mittlerweile geplant, sagt Liem.
Noch aber ist es beschaulich. Die Tauchgründe von Phu Quoc zählen mit Sichtweiten bis zu 50 Metern zu den besten Vietnams. Im Nordteil der Insel leben in einem
Nationalpark Adler, Wölfe, Affen und Nashornvögel. Das Militär wacht darüber, um
die Grenze zum nahen Kambodscha zu
schützen. Wie schnell die Entwicklung auf
Phu Quoc vonstatten geht, wird sich zeigen. Irgendwann, so heißt es, werde man
aber auch über diese paradiesische Insel
den berüchtigten Traveller-Spruch zu hören bekommen: „Da hättet ihr mal vor zehn
Jahren hier sein sollen.“
mk.
GesuNDHeIt Das gesundheitliche
Risiko ist bei Reisen auf touristischen Pfaden gering. Dennoch empfiehlt sich vor der
Reise eine Beratung durch einen tropenmediziner. Weil in dem Gebiet auch malaria
und Dengue-fieber vorkommen, sollte auf
entsprechenden mückenschutz geachtet
werden.
WoHNeN Bei einer Reise durchs mekong-Delta steht die ganze Palette an unterkünften vom einfachen „Homestay“ bei
einer familie im mehrbettzimmer (ca. 15
euro mit frühstück) bis hin zum fünf-sterne-Hotel zur Auswahl.
NeBeNKosteN Vietnam ist verglichen mit europa günstig. ein essen in einem einfachen Restaurant ist für 3 bis 4 euro zu haben, in einem gehobenen Lokal ab
6 euro. softdrinks kosten ab 70 Cent, Bier
ab 80 Cent. Die fahrt mit einem moped-taxi
kostet etwa 70 Cent.
Essen für die Gäste: eine Vietnamesin bereitet ananas für Touristen zu.
BADeN GeHeN Phu Quoc, Vietnams größte Insel, ist noch ein echter Geheimtipp für Badeurlaub. sie liegt westlich
der südspitze Vietnams, direkt an der Grenze zu Kambodscha. Die strände sind recht
ruhig. Der süden der Insel ist touristisch
fast völlig unerschlossen.
RuNDReIse Die fahrt durchs mekong-Delta ist teil einer 15-tägigen Vietnam-Reise, die marco Polo ab 1999 euro
anbietet. Im Preis inbegriffen sind flüge,
Rundreise, Übernachtungen in Drei- und
Vier-sterne-Hotels und eine Deutsch sprechende Reiseleitung. Individuell zubuchbar
ist eine Kreuzfahrt auf dem mekong, zum
Beispiel auf der Bassac, ab 315 euro pro tag
inklusive Vollpension und transfers. ein abschließender Badeurlaub auf Phu Quoc
kostet mit flügen ab saigon oder Can tho
mit vier Übernachtungen inklusive frühstück im Resort-Hotel La Veranda ab 505
euro.
INfo/BuCHuNG bei marco Polo
Reisen in münchen, telefon 00800/
44 01 44 01. Internet: www.marco-polo-reisen.com.

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