Reportage Eibacher Forst

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Reportage Eibacher Forst
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29.04.10 19:46
Hafenwald: Wo Brunhilde ihr Sonnenbad nimmt
Führung mit Klaus Müller durch den Hafenwald
NÜRNBERG - Sonntag früh, halb neun. Wer mit Klaus Müller
vom Landesbund für Vogelschutz die Geheimnisse des
Eibacher Forsts entdecken will, muss früh raus. An diesem
strahlend sonnigen Frühlingsmorgen haben sich dennoch fast
40 Naturneugierige zu der Führung mit dem Thema »Biotope
aus zweiter Hand - wertvolle Lebensräume für bedrohte Tiere
und Pflanzen« eingefunden.
Während noch müde Hundebesitzer ihre Vierbeiner Gassi führen und einige Nordic Walker
schon emsig die Waldwege entlang klappern, lauschen wir aufmerksam dem charakteristischen Gezwitscher einer Klappergrasmücke: Knappe Tschilp, Tschilp, Tschilps, schnell
aufeinander folgend. Es klingt ein bisschen als würde der kleine Vogel aufgeregt schimpfen.
Klaus Müller erklärt: »30 Vogelarten sind hier bereits ausgestorben. Ich will mit aller Macht
verhindern, dass wir noch mehr Flächenverluste im Nürnberger Süden haben.«
Der 66-Jährige kennt das Gebiet wie seine Westentasche. Seit über 35 Jahren beobachtet
und kartographiert er die hiesige Flora und Fauna. Er weiß genau, welche Pflanzen und Tiere
in den letzten Jahren verschwunden sind, und welche sich, vor allem dank seines
Engagements, durch Schaffung von Kleinbiotopen wieder angesiedelt haben.
Im Gänsemarsch geht es vorbei an blühenden Hecken, zartgrünen Haselsträuchern und
wilden Kirschbäumen in Richtung Waldrand. An einer kleinen, unscheinbaren Sandgrube
bleibt Müller stehen.
Jeder »normale« Spaziergänger würde dort kein wertvolles Biotop vermuten. Aber: »Hier ist
ein wichtiger Lebensraum für die kleine Zauneidechse entstanden.« Tatsächlich, wer genau
hinschaut, sieht die kleinen Tiere flink durchs warme Gras flitzen. »Die Eidechsen sind
wiederum wichtiges Futter für Schlangen«, erklärt Müller. Je länger man seinem Vortrag
lauscht, desto mehr versteht man, wie eng verknüpft die Zusammenhänge in diesem
Lebensraum für die Natur sind.
Einige hundert Meter weiter liegen scheinbar vergessene Äste und Wurzelgehölze am
Wegesrand. Was auf den ersten Blick unaufgeräumt wirkt, ist durchaus gewollt und soll
Insekten anlocken. Klaus Müller ist stolz: »Im letzten Herbst haben wir das Gehölz hier
aufgeschichtet und jetzt sind schon die Ameisen da«. Die kleine rote Waldameise hat das
Wohnungsangebot der Natur-schützer dankbar angenommen und einen Staat gegründet.
»Die Ameisenlarven bieten die Lebensgrundlage für Spechte wie den Wendehals«, so Müller.
Die Population des Grünspechts habe sich in den letzten Jahren bereits verdreifacht.
Dann wird es spannend: Haben wir Glück und bekommen eine der so selten gewordenen
Kreuzottern zu Gesicht? Wir haben Glück! Unter einer Hecke am Kanaldamm sonnt sich
zusammengerollt Brunhilde. So nennt Klaus Müller liebevoll das über 80 Zentimeter lange,
scheue Tier. Mit dem Fernglas kann man ihre typische Kreuzmusterung gut erkennen.
Brunhilde ist gerade in der Paarungszeit und noch ein bisschen nervöser als sonst. Müller
mahnt zur Umsicht: »In dieser Zeit sind die Weibchen besonders gefährdet.« Angst müsse
man aber keine haben, beruhigt der Experte. Kreuzottern ergreifen lieber die Flucht, als dass
sie Menschen beißen würden.
Genug Sonne am Kanal
Die wenigsten Radler, Jogger und Spaziergänger, die den Weg am Kanal entlang nutzen,
wissen wohl, dass sich nur wenige Meter von ihnen entfernt seltene Schlangen tummeln. Die
größte Population Nordbayerns gar. Etwa 40 bis 50 Exemplare leben entlang des Kanals.
Hier finden sie ideale Lebensbedingungen: Schutz, genügend Sonne und ausreichend
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Nahrung.
Einige Kilometer weiter, wo am Damm alle Hecken abgeholzt wurden, ist es damit schon
wieder vorbei. »Dabei könnte man das mit gezielter Aufforstung mindestens bis Bamberg
fortführen«, ist Müller überzeugt. Dass zumindest der kleine Abschnitt als Lebensraum für
die Schlangen erhalten bleibt, liegt ihm sehr am Herzen. »Die Kreuzotter bewegt sich auf
einer Strecke von ungefähr zwei Kilometern, sie braucht diesen Platz.« Er weiß, jedes Stück,
das der Eibacher Forst durch Bebauung verliert, bedeutet einen Verlust an Artenvielfalt.
Schlangen, Vögel, Insekten und viele Pflanzenarten würden für immer verschwinden.
Wer auf eigene Faust die Besonderheiten des Eibacher Forsts aufspüren möchte, kann sich
übrigens auch auf einem ausgeschilderten Waldlehrpfad des Bund Naturschutz durch das
Gebiet leiten lassen. Startpunkt ist an der Vorjurastraße in Höhe des Reichelsdorfer
Bahnhofes.
Manuela Prill
28.4.2010
© NÜRNBERGER NACHRICHTEN
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