Impressum - Verlag Empirische Pädagogik

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Die Zeitschrift wird herausgegeben vom
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
der Universität Koblenz-Landau
Herausgeberbeirat
Una Dirks (Hildesheim), Ewa Drewnowska-Vargáné (Szeged),
Uwe Dethloff (Saarbrücken), Hartmut E.H. Lenk (Helsinki),
Günter Schmale (Metz), Stephan Stein (Trier)
Redaktion
M. Carmen Dixon, Thomas Rist,
Patrick Schäfer, Christine Schowalter (Landau)
Schriftleitung
Heinz-Helmut Lüger (Landau)
Anschriften
Institut für fremdsprachliche Philologien
(Romanistik)
Universität Koblenz-Landau,
Campus Landau
Marktstraße 40, D-76829 Landau
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23
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ISSN 1861-3950
© Verlag Empirische Pädagogik, Landau 2008
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 / 2008
Inhaltsübersicht
Aufsätze
Birgit Lawrenz
Neurodidaktik des Wortschatzerwerbs – dargestellt am Beispiel
englischer Präpositionen ..............................................................................
3
Antje Stork / Sylwia Adamczak-Krysztofowicz
Welche Inhalte und Themen für den Fremdsprachenunterricht an der
Hochschule? ................................................................................................
11
Wilfried Weigl
Zu den Inhalten des L2-Syntax-Unterrichts am Gymnasium .......................
27
Isabell Metzger
Integrationsprobleme junger Ghettobewohner im Spiegel aktueller
Rapmusiktexte .............................................................................................
63
Silvia Foffi
Metaphorischer Sprachgebrauch in deutschen und italienischen
Tageszeitungen ............................................................................................
81
Hartmut E.H. Lenk
„… moniert die NEUE PRESSE“ – Verben und Wendungen der
Zitateinbettung in Presseschauen ................................................................
96
Rezensionen
J. Breugnot / M. Molz (Hrsg.) (2006): Europa konkret! Grenzräume als
Chance für Bildungsinnovationen? (Tomáš Kasper) ...................................
115
M. Sambanis (2007): Sprache aus Handeln. Englisch und Französisch
in der Grundschule (Barbara Hornbacher) ...................................................
117
B. Durand / St. Neubert / D. Röseberg / V. Viallon (2006): Studieren in
Frankreich und Deutschland. Akademische Lehr- und Lernkulturen im
Vergleich (Heinz-Helmut Lüger) ...................................................................
120
Nachruf Ernst Ulrich Große .......................................................................
122
Autorenverzeichnis ....................................................................................
123
Autorenhinweise ........................................................................................
125
1
Tagungsankündigungen
Internationale Konferenz „Dialogischer Sprachgebrauch 2:
Identitätskonstruktion in der interpersonalen Kommunikation“
(Helsinki / Finnland, 19. – 21. August 2009) ................................................
127
Internationale Konferenz „Text und Stil“
(Rzeszów / Polen, 15. – 17. Oktober 2009) .................................................
129
3. Internationales Kolloquium ‚Kontrastive Medienlinguistik‘:
„Innovation – Spiel – Kreativität. Pressetextsorten jenseits der ‚News‘.
Medienlinguistische Perspektiven“
(Salzburg / Österreich, 5. – 7. März 2010) ...................................................
130
Publikationen zur Fremdsprachenvermittlung
- Vorankündigung: M. Overmann (2009): Histoire et abécédaire
pédagogique du Québec avec des modules multimédia prêts à l’emploi .
135
- LSKK (LANDAUER SCHRIFTEN ZUR KOMMUNIKATIONS- UND KULTURWISSENSCHAFT) ..........................................................................................
138
- bzf (BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG) ....................................
143
2
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 3-10
Neurodidaktik des Wortschatzerwerbs –
dargestellt am Beispiel englischer Präpositionen
Birgit Lawrenz
Vor dem Hintergrund aktueller neurobiologischer Forschungsergebnisse zur Verarbeitung
und Speicherung von Präpositionen wird in diesem Artikel ein neurodidaktisches Lernarrangement zum Erwerb und zur optimalen Vermittlung lokaler Verhältniswörter entwickelt. Das
dreiphasige Lernmodell ermöglicht den Lernenden somästhetische Sinnesempfindungen
bzw. propriozeptive Wahrnehmungen, integriert unterschiedliche motorische Aktivitäten, löst
behaltensfördernde Enactment-Effekte aus, nutzt die Dreidimensionalität des Lehrraums und
ermöglicht eine multimodale Verarbeitung der Präpositionen sowie eine zusätzliche Speicherung der Wörter im episodischen Gedächtnis. Auf diese Weise wird es den neurophysiologischen Besonderheiten des supramarginalen Gyrus als Verarbeitungs- und Speicherzentrum
lokaler Präpositionen optimal gerecht.
Inhalt:
1.
2.
3.
Das neurodidaktische Grundanliegen
Die neuronale Verarbeitung und Repräsentation von Präpositionen im Gehirn
Fremdsprachendidaktische und methodische Ableitungen aus den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zur Verarbeitung lokaler Präpositionen
3.1. Ein neurodidaktisches Lernarrangement zur Vermittlung lokaler Präpositionen
3.2. Von der Rezeption und Speicherung zur Produktion lokaler Präpositionen
Literaturverzeichnis
1.
Das neurodidaktische Grundanliegen
Als Fremdsprachenlehrende, Sprachdidaktikerin und -wissenschaftlerin habe ich mich
in jüngster Zeit schwerpunktmäßig mit neurodidaktischen Fragestellungen auseinandergesetzt, da es Anliegen des Fremdsprachendidaktikers sein muss, Lernarrangements so zu gestalten, dass sie im Einklang mit den neuroanatomischen Gegebenheiten und neuronalen Prozessen im Gehirn des Lernenden stehen. Im Mittelpunkt
stand dabei die Frage, wie vor dem Hintergrund neuester neurokognitiver Forschungsergebnisse und neurobiologischer Erkenntnisse über die Funktionsweise des
Gehirns schulische Lernprozesse im Bereich des Wortschatzerwerbs bzw. der
Wortschatzvermittlung so gestaltet werden können, dass sie den Möglichkeiten des
menschlichen und insbesondere kindlichen Gehirns optimal gerecht werden.
Da neueste neurophysiologische Studien gezeigt haben, dass unterschiedliche Wortarten und sogar unterschiedliche semantische Wortklassen in völlig unterschiedlichen Gehirnregionen und neuronalen Netzwerken repräsentiert und verarbeitet werden1, ist es erforderlich, in Abhängigkeit von der jeweiligen Wortart und semanti1
Vgl. etwa Damasio et al. (2001) sowie Kemmerer / Tranel (2003) und Kemmerer (2005a): Z.B.
werden innerhalb des nominalen Bereiches Tiernamen, Werkzeugnamen, Personennamen etc.
in unterschiedlichen Arealen des linken Schläfenlappens verarbeitet und repräsentiert; Nomen,
Verben, Präpositionen etc. werden in unterschiedlichen Hirnlappen neuronal repräsentiert.
3
schen Wortklasse unterschiedliche Lernarrangements zu treffen. Im Folgenden werde ich mich deshalb unter neurodidaktischer Fragestellung auf den Erwerb einer speziellen Wortart, nämlich der Präpositionen, konzentrieren.
2.
Die neuronale Verarbeitung und Repräsentation von Präpositionen im Gehirn
Wie jüngste kernspintomographische Untersuchungen von Läsionspatienten durch
Kemmerer (2005a, b) gezeigt haben, werden lokale Präpositionen in einer ganz bestimmten Gehirnregion verarbeitet und neuronal repräsentiert. Dabei handelt es sich
um den linken supramarginalen Gyrus, der sich im hinteren unteren Scheitellappen
des Gehirns befindet. Patienten mit Läsionen in diesem Bereich waren nicht mehr in
der Lage, die Bedeutung l o k a l e r P r ä p o s i t i o n e n wie in, at, on etc. zu erkennen und diese angemessen zu verwenden. Interessanterweise verstanden sie aber
sehr wohl noch die Bedeutung der entsprechenden temporalen Präpositionen in, at
und on, da diese offenbar in einem ganz anderen Gehirnareal repräsentiert sind.
Dies indiziert, dass es wenig Sinn macht, nur aufgrund des identischen Laut- bzw.
Schriftbildes die Semantik dieser Präpositionen gleichzeitig zu vermitteln und miteinander zu kontrastieren, wie dies in neuesten Lehrwerken immer noch vorgeschlagen
wird (vgl. z.B. Green Line 1 – Lehrerband mit Kopiervorlagen: Weisshaar 2006:307).
Es stellt sich nun die Frage, welche neurofunktionalen Besonderheiten der supramarginale Gyrus aufweist. Außer für die Verarbeitung von lokalen Präpositionen ist er für
unsere räumliche Orientierung und die Koordination bzw. Steuerung von Bewegungen zuständig. Der supramarginale Gyrus ist multimodal bzw. ein heteromodaler Assoziationscortex, d.h. er verarbeitet komplexe Informationen aus verschiedenen sensorischen Inputmodalitäten:
„Der Gyrus supramarginalis ist multimodal, insofern als er auf dem dorsalen Weg der visuellen Verarbeitung und des Arbeitsgedächtnisses bei der Raumorientierung, der Erkennung physikalischer Objekte im Raum, speziell der Einschätzung ihrer Dreidimensionalität
und bei der räumlichen Integration von Objekten zu einer Gesamtvorstellung angesprochen ist.“ (Vogt 2004: 231)
Jedes einzelne Neuron dieses Teils des Schläfenlappens, der an die somästhetischen, auditorischen und visuellen Neocortices angrenzt, erhält gleichzeitig “highly
processed somesthetic, visual, auditory and movement related input from the various
association areas” (vgl. Joseph 2000); die Neuronen dieses Gyrus sind zudem in der
Lage, die unterschiedlichen Informationen gleichzeitig zu verarbeiten.
Der supramarginale Gyrus hat ausgeprägte neuronale Verbindungen zum linken unteren Frontalcortex (vgl. Corina et al. 2005) einschließlich der frontalen motorischen
Regionen. Diese Tatsache ist bedeutsam, da im linken frontalen Operculum, das sich
im unteren frontalen Gyrus des Frontalcortex befindet, Verben für Bewegungen verarbeitet und neuronal repräsentiert werden (vgl. Kemmerer / Tranel 2003).
Der supramarginale Gyrus ist zudem für den sogenannten Enactment Effect beim
Lernen verantwortlich, wie neuere Magnetresonanztomographiestudien gezeigt haben (vgl. Russ et al. 2003). Dabei wurde festgestellt, dass Schüler, die Handlungsphrasen wie cut the bread und jump over the rope nur lesend rezipierten, diese deutlich weniger gut behalten konnten, als diejenigen Probanden, die diese Handlungsphrasen tatsächlich ausführten (“Encoding by performing actions”). Magnetresonanzstudien während des Abrufs der Phrasen zeigten, dass die handelnden Schüler im
4
Gegensatz zu der Vergleichsgruppe eine starke Aktivierung des supramarginalen
Gyrus aufwiesen und zwar in beiden Gehirnhälften, weshalb laut Russ et al. 2003 der
SMG von zentraler Bedeutung für den Enactment Effect ist.
3.
Fremdsprachendidaktische und methodische Ableitungen aus
den neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zur Verarbeitung
lokaler Präpositionen
Es stellt sich nun die Frage, welche didaktisch-methodischen Entscheidungen aus diesen neurobiologischen und neurokognitiven Erkenntnissen im Hinblick auf die Vermittlung lokaler Präpositionen resultieren.
Zunächst ist auffällig, dass der neuronale Cortexbereich, in dem lokale Präpositionen
repräsentiert sind und verarbeitet werden, auch zuständig ist für Bewegungen und
räumliche Orientierung sowie vertiefte Informationsverarbeitung und Enkodierung
aufgrund von Bewegungen bzw. Handlungen. Dies legt nahe, den Schülern lokale
Präpositionen über eigene Bewegungen und Handlungen nahe zu bringen und nicht
nur – wie dies gemeinhin geschieht – über prototypische Bilder und Situationsbeschreibungen oder gemäß neueren didaktischen Vorschlägen mittels Handpuppen
und Plüschtieren (vgl. Weisshaar 2006: 306). Hierfür spricht zudem die Tatsache,
dass Präpositionen wie into, towards, past, along, out of etc. ohnehin Bewegungen
involvieren und von Bewegungsverben abhängig sind. Für eine Vermittlung über Bewegungen spricht ferner die Tatsache, dass es durch motorische Aktivitäten zur Ausschüttung der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin kommt, die für Lernprozesse
erforderliche synaptische Verbindungen zwischen Hirnzellen ermöglichen. Ferner
wird durch Bewegungen das Stoffwechselmilieu begünstigt, was für ein „günstigeres
Verarbeitungsniveau im Gehirn sorgt“ und „tiefergehende Stoffwechselprozesse im
Gehirn befördert“ (vgl. Dobbelstein / Gasse 2003):
„Allein durch Bewegung und die damit eng verknüpfte Sensorik werden die für dauerhafte
Lerneffekte grundlegenden Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn gebildet, erhalten und verstärkt.“ (Dobbelstein / Gasse 2003)
Folgende Merkmale müssen Lernarrangements zur Vermittlung lokaler Präpositionen
aus neurodidaktischer Perspektive aufweisen:
• Sie müssen den Schülern somästhetische Sinnesempfindungen bzw. propriozeptive Wahrnehmungen2 ermöglichen.
• Sie müssen unterschiedliche motorische Aktivitäten der Schüler integrieren.
• Sie müssen lokale Präpositionen im Kontext von Handlungen thematisieren und
dazu anregen, die entsprechenden Handlungen auszuführen.
• Die Semantik der Präpositionen muss im dreidimensionalen Raum vermittelt werden (also nicht über Bilder oder Zeichnungen).
2
Somästhetische Sinnesempfindungen entstehen aufgrund sensorischer Meldungen über die Stellungen und Bewegungen des Körpers im Raum und „Propriozeption“ bezeichnet die Wahrnehmung, wie wir im Raum verharren oder uns in ihm bewegen.
5
• Die Schüler müssen die Bedeutung jeder Präposition multimodal und mehrfach erfahren sowie mit der Aussprache der Präpositionen und ihrem Schriftbild gleichzeitig mehrfach konfrontiert werden.
• Das Lernarrangement sollte nicht nur eine Speicherung der Präpositionen im semantischen Gedächtnis, sondern qua starker persönlicher Involvierung der Schüler auch im episodischen Gedächtnis ermöglichen.
3.1. Ein neurodidaktisches Lernarrangement zur Vermittlung lokaler Präpositionen
Ein 3-phasiges Lernarrangement, das diesen neurodidaktischen Kriterien gerecht
wird, soll im Folgenden dargestellt werden.
1. Um allen Schülern somästhetische Sinnesempfindungen und motorische Aktivitäten zu ermöglichen, sollte für die Vermittlung lokaler Präpositionen der Klassenraum
verlassen werden und z. B. gegen einen Teil der Turnhalle eingetauscht werden. Für
die Vermittlung grundlegender lokaler Präpositionen wie on, in front of, behind, next
to, toward etc. eignet sich in besonderer Weise ein Stepping- bzw. Step-AerobicsArrangement.
Jeder Schüler erhält dafür ein sog. „Stepgerät“, das auch als Bench bezeichnet wird,
i.e. eine kleine Plattform von der Größe einer Fußbank, auf der er vom Lehrer instruiert bestimmte Schrittfolgen und Armbewegungen vornimmt, die immer in räumlicher
Relation zum Stepgerät erfolgen. Die Move-Instructions enthalten deshalb immer lokale Präpositionen und werden vom Lehrer als Move-Instructor gesprochen und als
Role-Model veranschaulicht:
“Go behind the bench. Step up on the bench. Step across the bench with your right foot.
Bring the other foot next to the right foot. Tilt your body toward the left corner and toward
the right corner. Arms are in front of the body, pull the elbows in toward the waist until the
hands are next to the waist, then return the arms to the front of your body […]. Arms are
above the head, now move the arms toward the legs and return them overhead.”
(Die verschiedenen Aerobic Moves werden z.B. unter www.turnstep.com. aufgeführt,
wobei sich für jüngere Schüler natürlich nur die einfacheren Bewegungsfolgen eignen.) Da sich die Move-Abfolgen wiederholen, werden die Schüler immer wieder mit
den gleichen Präpositionen konfrontiert, so dass es zu synaptischen Verschaltungen
kommen kann.
Aus neurodidaktischer Sicht bietet dieses Lernarrangement optimale Voraussetzungen für eine neuronale Kodierung der lokalen Präpositionen:
Der supramarginale Gyrus wird durch die Bewegungen des Gesamtkörpers sowie
die Koordination der Armbewegungen aktiviert. Gleichzeitig werden die Bedeutungen
der lokalen Präpositionen über diese Bewegungswahrnehmungen somästhetisch
und motorisch kodiert; diese Bedeutungskodierung wird durch den dreidimensionalen
visuellen Input ergänzt, da der Schüler die Lehrperson sieht, die die Bewegungen
zeigt und gleichzeitig die englischen Präpositionen ausspricht. Der Enactment-Effect,
der eine optimale Speicherung der neuen Wörter bewirkt und für den der supramarginale Gyrus ebenfalls verantwortlich ist, wird durch die Ausführung der Handlungen
bestmöglich erzielt. Die neuronalen Verbindungen zwischen dem Areal für Bewegungsverben im Operculum und dem Areal für lokale Präpositionen werden durch
dieses Lernarrangement ebenfalls deutlich gefestigt. Zusätzlich wird die Kodierung
mehrerer Präpositionen wie on, off, up, down, across, over etc. durch akustische Si6
gnale unterstützt, denn Steps auf die Bench hinauf verursachen andere Geräusche
als Steps auf den Boden hinab und Bewegungen “across the bench” hören sich anders an als Bewegungen “over the bench”, da der Hallenboden und die BenchPlattform aus unterschiedlichen Materialien bestehen. Da die Beteiligung „motorischer Zentren des Gehirns eine wesentliche Rolle bei Verarbeitungs-, Lern- und Erinnerungsvorgängen spielt“ (Dobbelstein / Gasse 2003) und eine motorisch und somästhetisch orientierte Englischstunde zudem aufgrund der starken eigenen Involvierung und des Neuigkeitswertes zweifellos im episodischen Gedächtnis gespeichert
wird, ist von Schülerseite mit einer hohen Behaltensleistung der lokalen Präpositionen zu rechnen.
2. Dieses Lernarrangement bedarf nun einer Ergänzung, um auch eine optimale neuronale Kodierung direktional-räumlicher Präpositionen wie into, out of oder inside zu
gewährleisten, die eine Bewegung in einen Raum hinein oder aus diesem heraus involvieren. Dabei sollten die Schüler aus somästhetischer Perspektive unterschiedliche Bewegungstypen durchführen, damit sich angemessene synaptische Verschaltungen bilden können: Hierzu gehört zum einen die Bewegung des eigenen Körpers
in einen Raum hinein oder aus ihm heraus, zum anderen das Befördern eines Gegenstandes durch eigene Hand- oder Fußbewegungen in etwas Dreidimensionales
hinein oder aus diesem heraus sowie bloße Blickbewegungen oder Lautproduktionen
in einen Raum hinein. Hierbei sollten die Schüler mit einem Laufzettel ausgestattet
werden, der neue direktionale Präpositionen wiederholt in verschiedenen Bewegungsarten enthält. Die Tätigkeiten bzw. Bewegungen auf dem Laufzettel, die die
folgenden Beispiele illustrieren, werden von den Schülern in der Turnhalle ausgeführt:
(1)
Jump into/inside the box – Jump out of the box.
(2)
Creep into the tent – Creep out of the tent.
(3)
Throw the ball into the bucket – Get the ball out of the bucket.
(4)
Kick the ball into the goal – Get the ball out of the goal.
(5)
Look into the box – Climb into the box – look out of the box.
(6)
Speak into the microphone…
Ergänzt werden sollten diese Übungen durch Bewegungsanweisungen, bei denen
die für das Deutsche unübliche Hintereinanderschaltung von Präpositionen deutlich
wird, verfügt es doch über keine entsprechenden Äquivalente, weshalb neue neuronale Korrelate für diese präpositionalphrasale Besonderheit gebildet werden müssen:
(7)
Creep under the table – Creep out from under the table.
(8)
Go behind the curtain – Step out from behind the curtain.
(9)
Climb into the box – Call your friend’s name from inside the box.
3. Der dritte Teil des Lernarrangements zur neurodidaktischen Vermittlung lokaler
Präpositionen sollte folgender Problematik Rechnung tragen: Neurowissenschaftliche
Studien legen nahe, dass es für den Erwerb fremdsprachlicher Präpositionen ungünstig ist, Schüler mit vermeintlich prototypischen räumlichen Darstellungen zu konfrontieren, die bereits bestehende neuronale Verknüpfungen verstärken, obwohl in vielen
Fällen keine semantische 1:1-Entsprechung zwischen deutschen und englischen
Präpositionen besteht. Durch eine frühzeitige Verstärkung bestehender Verschaltungen für einen Bedeutungsbereich wird die Bildung neuer neuronaler Verschaltungen
zumeist deutlich beeinträchtigt. Ich möchte dies am Beispiel der Präpositionen on
7
und in veranschaulichen. Gemeinhin wird den Schülern die Bedeutung der Präposition on im Anfangsunterricht vermittelt, indem der Lehrer Bilder zeigt, auf denen ein
Gegenstand oder ein Tier sich auf der Oberfläche bzw. Oberseite eines anderen
Gegenstandes befindet oder indem der Lehrer im Klassenzimmer einen Gegenstand
auf die Oberfläche eines anderen Gegenstandes legt und sagt “It’s on the table”.
Dies hat zur Folge, dass das bestehende neuronale Verknüpfungsmuster für die Bedeutung von auf synaptisch verstärkt wird und nun auch die Bedeutung von on repräsentiert. Tatsächlich wird aber die lokale Präposition on im Englischen in einer
Vielzahl von Fällen verwendet, wo sich ein Gegenstand nicht auf einem anderen befindet, sondern z.B. unter ihm wie bei “an apple on a twig”, “a blister on one’s foot”, “a
cross on a chain”, “the wheels on my car” etc. oder um ihn herum “a ring on a finger”,
“socks on one’s feet”, “mittens on one’s hands” etc. oder an seiner Außenseite “a
handle on a cupboard”, “a memorial plaque on a house” etc. Kein Schüler meiner
neu übernommenen Klasse 8 hat in diesen Kontexten die zutreffende Präposition on
gewählt, da das bei der Vermittlung von on zu früh verstärkte Raumkonzept von auf
diese Präpositionswahl in den oben genannten Kontexten unmöglich macht. Um dem
entgegenzuwirken hätte den Schülern von Anfang an die wichtige Bedeutungskomponente “(something) is attached to (something)” in unterschiedlichen Kontexten
physikalischer Kontaktsituationen vermittelt werden müssen. Die Gleichsetzung des
räumlichen Konzepts auf mit on führt ferner dazu, dass deutsche Schüler on verwenden, wenn der Engländer aufgrund einer anderen räumlich-konzeptuellen Wahrnehmung in verwendet, vgl.:
(10) In the schoolyard
vs.
auf dem Schulhof
(11) In the playground
vs.
auf dem Spielplatz
(12) In the meadow
vs.
auf der Wiese
(13) In the field
vs.
auf dem Feld
(14) In the parking lot
vs.
auf dem Parkplatz
Für den Native Speaker muss kein geschlossener Raum vorhanden sein, um die lokale Präposition in zu wählen, sondern es reicht schon eine Eingrenzung einer Fläche z.B. in Form einer niedrigen Mauer, eines Zauns, einer Hecke, eines Maschendrahtes oder nur eines Bordsteins aus, um eine Dreidimensionalität und damit einen
Raum anzudeuten, auf den mit in referiert wird.
Um diese spezielle Raumwahrnehmung im supramarginalen Gyrus als räumliches
Konzept optimal neuronal zu kodieren, bietet sich im Rahmen des oben aufgezeigten
motorisch-multimodal ausgerichteten Lernarrangements ein Gang mit den Unterstufenschülern über das Schulgelände an, bei dem die Präposition in Zusammenhang
mit relevanten Räumlichkeiten häufig genannt wird:
“Let’s go out into the schoolyard. We are now in the schoolyard; as you can see there are
no cars in the schoolyard. Cars are only parked in the school parking lot; let’s walk into
the parking lot; pupils are not allowed to park in the teachers’ parking lot, but they can
park in the street over there. Let’s go into the playground; here in the playground you can
only play during the breaks. If no teacher is present, you are not allowed to stay in the
playground. But you may sit in the meadow over there. As you can see, a fence closes
the playground in […].”
Der supramarginale Gyrus als Verarbeitungs- und Repräsentationszentrum der Bedeutung lokaler Präpositionen wird in diesem Lernkontext optimal aktiviert durch das
Zusammenspiel von somästhetischen, motorischen, visuellen und räumlichen Wahr8
nehmungen. Da das Gelände der eigenen Schule auch Teil der episodischen Gedächtnisinhalte der Schüler ist, wird zudem eine duale Kodierung im semantischen
und episodischen Gedächtnis ermöglicht.
3.2. Von der Rezeption und Speicherung zur Produktion lokaler Präpositionen
Das neurodidaktisch legitimierte Lernarrangement weist einzelne Analogien zum natürlichen Spracherwerb auf, der seinen Ausgangspunkt beim Hörverstehen bzw. HörSeh-Verstehen nimmt: Der Lernende hört zunächst die Präpositionen in der Fremdsprache und erkennt über den visuellen Kanal motorisch vermittelt ihre Bedeutung
(Demonstrationsphase). Er folgt den Anweisungen einer instruierenden Person, welche im Mutterspracherwerb eine unmittelbare Bezugsperson ist (Reaktionsphase); es
erfolgt aber noch keine eigenständige Produktion der neuen Wörter. Anders als bei
der Total Physical Response-Methode, bei der Handlunsanweisungen und deren Befolgung häufig ohne sinnstiftenden Kontext erfolgen und ohne erkennbaren Zusammenhang aneinandergereiht werden können („Clap your hands! Shake your head!
Touch your shoulder!“), erfolgt die Reaktion der Lernenden im vorgestellten Lernarrangement in einem sinnvollen authentischen Kontext, da es naturgemäß zu StepAerobics gehört, dass ein Move-Instructor am Stepgerät motorische Anweisungen
gibt, diese gleichzeitig umsetzt bzw. selbst befolgt und andere Turner zur Bewegung
animiert.
Nach der Demonstrations- und Reaktionsphase sollen die Lernenden die neu erworbenen fremdsprachlichen Präpositionen selbst verwenden (Produktionsphase). Um
dabei jeden Schüler sprachlich aktiv werden zu lassen, arbeiten jeweils zwei Lernende zusammen: Jeder denkt sich eine Step-Choreographie aus, die er anschließend
als Move-Instructor versprachlicht, während der Partner diese motorisch umsetzt.
Anschließend erfolgt ein Rollenwechsel: Der andere Schüler gibt seine Anweisungen
in der Fremdsprache, die vom Partner motorisch umgesetzt werden. Die Partnerarbeit ermöglicht nicht nur einen hohen Sprachumsatz, sondern ein unmittelbares
Feedback bei nicht korrekter Umsetzung von direktionalen oder lokalen Präpositionen in den Move-Instructions. In ähnlicher Weise erfolgt der Übergang von der Rezeption zur Produktion im zweiten Teil des neurodidaktischen Lernarrangements: Die
Schüler schreiben für ihren jeweiligen Partner einen kurzen Bewegungslaufzettel unter Verwendung der neu erworbenen direktionalen Präpositionen (into, out of etc.);
die Anweisungen werden vom Mitschüler motorisch umgesetzt. Anschließend erfolgt
wieder ein Rollentausch.
Literaturverzeichnis
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Damasio, H. / Emorey, K. (2005): The neural correlates of spatial language in English and American
sign language. In: NeuroImage 24, 832-840.
Damasio, H. / Grabowski, T.J. / Tranel, D. et al. (2001): Neural correlates of naming actions and of
naming spatial relationships. In: NeuroImage 13, 1053-1064.
Dobbelstein, P. / Gasse, M. (2003): Lernen braucht Bewegung – Die Bedeutung der Motorik für Verarbeiten, Speichern und Erinnern. In: ForumSchule – Magazin für Lehrerinnen und Lehrer 2 (2003).
Verfügbar unter: http://archiv.forum-schule.de/archiv/11/fs 11/magtma_1. html [7.1.2007].
Friedrich, G. / Preiß, F. (2003): Neurodidaktik. Bausteine für eine Brückenbildung zwischen Hirnforschung und Didaktik. In: Pädagogische Rundschau 57/2, 181-199.
9
Joseph, R. (Hrsg.) (2000): Neuropsychiatry, Neuropsychology, Clinical Neuroscience. New York.
Kemmerer, D. (2005a): The spatial and temporal meanings of English prepositions can be independently impaired. In: Neuropsychologia 43, 797-806.
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www.purdue.edu/UNS/html4ever/2005/050125. Kemmerer.research.html [11.12.2006].
Kemmerer, D. / Tranel, D. (2003): A double dissociation between the meanings of action verbs and
locative preposition. In: Neurocase 9, 421-35.
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Russ, M. / Mack, W. / Grama, C. / Lanfermann, H. / Knopf, M. (2003): Enactment effect in memory:
evidence concerning the function of the supramarginal gyrus. In: Experimental brain research 149,
497-504.
Vogt, S. (2004): Farbwörter im Gehirn. Eine systematische sprachwissenschaftliche Untersuchung.
Bochum.
Weisshaar, H. (Hrsg.) (2006): Lehrerhandbuch mit Kopiervorlagen zu Green Line 1. Stuttgart.
10
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 11-26
Welche Inhalte und Themen für den Fremdsprachenunterricht an der Hochschule?
Ergebnisse einer quantitativen Studierendenbefragung
Antje Stork / Sylwia Adamczak-Krysztofowicz
Eine neuere, nicht nur output-, sondern auch inputorientierte Sprachdidaktik sollte sich in
Bezug auf den Fremdsprachenunterricht an Hochschulen in erster Linie auf die Interessen
und Bedürfnisse der Studierenden konzentrieren. Nach einem Überblick über grundsätzliche
Zieldimensionen und Unterrichtsinhalte, werden die Ergebnisse einer Fragebogenstudie vorgestellt, in der Studierende der Philipps-Universität Marburg und der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań nach ihren Präferenzen in Bezug auf die Auswahl von Themen bei der Arbeit
mit Texten im universitären Fremdsprachenunterricht befragt wurden. Aus den Ergebnissen
werden Schlussfolgerungen für die Textauswahl gezogen. Darüber hinaus wird aufgezeigt,
dass sich unser Plädoyer für ein lernerbezogenes Textauswahlverfahren sowohl auf Inhalte
als auch auf Kompetenzen bei der Textauswahl bezieht.
Inhalt:
1.
2.
Einleitung: Ziel des Aufsatzes
Grundsätzliche Zieldimensionen und Unterrichtsinhalte einer interkulturellenneueren
Sprachdidaktik
3.
Konzeption und Ergebnisse der quantitativen Befragung
3.1. Zur Auswahl der Befragten
3.2. Zur Konzeption der schriftlichen Befragung
3.3. Präsentation und Interpretation der Ergebnisse
4.
Fazit: Empfehlungen für die Themenauswahl
Literaturverzeichnis
1.
Einleitung: Ziel des Aufsatzes
Fortschreitende Globalisierungs- und Migrationsprozesse stellen neue Anforderungen an die fremdsprachliche Kommunikationsfähigkeit der Menschen. Die veränderten Anforderungen tangieren den Status der Fremdsprachen und führten in den vergangenen Jahren zu einem verstärkt kompetenzorientierten Sprachunterricht. Diese
Outputorientierung in der neueren Fremdsprachendidaktik ist u.a. in dem vom Europarat herausgegebenen Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen
(2001: 22ff.) erkennbar, der allerdings eine eher oberflächliche und somit theoretisch
sowie empirisch mangelhaft fundierte Beschreibung der allgemeinen Fähigkeiten und
der spezifischen kommunikativen Sprachkompetenzen liefert.1. Die im GER erfassten
Kann-Deskriptoren, die neben der Klassifikation von sprachlichen Teilfähigkeiten
auch kommunikative Sprachaktivitäten, Lebensbereiche, Textsorten, Aufgabentypen
sowie Kommunikations- und Lernstrategien fokussieren, erweitern somit die klassischen kommunikativen, kognitiven und affektiven Lernzielbeschreibungen und die
1
Vgl. dazu die Kritik bei House (2003: 96), Zydatiß (2005: 63ff.) oder Quetz (2007: 150ff.).
11
mit ihnen eng verbundenen Unterrichtsinhalte und Medien in den älteren Lehrplänen
um neue kompetenz- und standardorientierte Dimensionen.
In Bezug auf den Fremdsprachenunterricht an Hochschulen sieht die Situation hinsichtlich der Input- und Outputorientierung folgendermaßen aus: Die Bildungsstandards beziehen sich bisher lediglich auf den schulischen Fremdsprachenunterricht;
die Kompetenzbeschreibungen des GER sind noch nicht der Weisheit letzter
Schluss. Während im schulischen Fremdsprachenunterricht die Bildungsstandards
durch Lehrpläne, Rahmen- und Kernlehrpläne unterrichtsbezogen konkretisiert werden (vgl. Leupold 2007: 21f.), gibt es solche Vorgaben für den Hochschulbereich
nicht. Dies bietet die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit, die Textauswahl stärker lernerorientiert zu gestalten, also an den Bedürfnissen und Wünschen der Lernenden zu orientieren.
Aus diesem Grund haben wir eine Befragung mittels eines Fragebogens an einer
deutschen Hochschule (Philipps-Universität Marburg) und einer polnischen Hochschule (Adam-Mickiewicz-Universität Poznań) konzipiert. Das Hauptziel der von uns
im Wintersemester 2005/2006 durchgeführten quantitativen Studierendenbefragung
war es zu überprüfen, welche Textsorten und Themenschwerpunkte für den Einsatz
in der fremdsprachlichen Unterrichtspraxis an der Hochschule aus der Sicht junger
erwachsener Lernender besonders geeignet sind. Da wir über die Ergebnisse der
Untersuchung zu Textsortenpräferenzen bereits an anderer Stelle berichtet haben
(vgl. Stork / Adamczak-Krysztofowicz 2006), gehen wir hier auf die Ergebnisse in Bezug auf die Themenauswahl ein. Von besonderem Interesse waren dabei folgende
Fragestellungen:
• Welche Themenbereiche sind für Studierende interessant und attraktiv?
• Welche von den im FU an der Universität behandelten Inhalten halten die erwachsenen Lernenden (aus welchen Gründen) für nützlich?
• Nach welchen Kriterien sollte nach Ansicht der befragten Studierenden die Auswahl eines bestimmten Textes erfolgen? Welcher Stellenwert kommt dabei den
themabezogenen Orientierungsmarken zu?
Nach der Darstellung und Interpretation der Befragungsergebnisse zu grundsätzlichen Themenschwerpunkten universitären Fremdsprachenunterrichts der beiden europäischen Hochschulen (Abschnitt 3) werden im letzten Teil des Beitrags (Abschnitt
4) Empfehlungen für eine angemessene lernerbezogene Themenauswahl formuliert.
Zuvor soll im folgenden Abschnitt 2 jedoch ein Überblick über die aktuelle fachdidaktische Diskussion zu relevanten Zieldimensionen und Unterrichtsgegenständen des
Neo- bzw. Postkommunikativen Fremdsprachenunterrichts (vgl. Königs 1991) gegeben werden.
2.
Grundsätzliche Zieldimensionen und Unterrichtsinhalte einer
interkulturellen Sprachdidaktik
In den Lehrplänen werden bereits seit der Entwicklung der Curriculumforschung in
den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts sprachliche, landeskundliche und literarische
Lernziele und die mit ihnen eng verbundenen Unterrichtsgegenstände unterschieden.
Diesen Ziel- und Inhaltsvorgaben werden folgende komplexe Komponenten zugrunde gelegt:
12
• eine pragmatische Dimension (Vermittlung von sprachlichen Fertigkeiten des Hörverstehens, Sprechens, Leseverstehens und Schreibens durch die Entfaltung von
sprachlichen Systemen des Wortschatzes, der Grammatik, der Aussprache und
Intonation sowie der Rechtschreibung),
• eine kognitive Dimension (Vermittlung von deklarativen und prozeduralen sprachlichen und landeskundlichen Kenntnissen unter der Berücksichtigung des Wissens
um die effiziente Organisation des Lernprozesses) und
• eine affektive Dimension (Entwicklung von pädagogisch motivierten Werthaltungen und Einstellungen, kulturelle Sensibilisierung)2.
Diese allgemein gehaltenen Lernzielbeschreibungen werden bereits in den Lehrplänen der 1970er und 1980er Jahre für alle Zertifikatsprüfungen durch Listen von Themen, Sprechhandlungen, Situationen sowie Kataloge von grammatischen Phänomenen ausdifferenziert und bei der Prüfungsvorbereitung als grundlegend erachtet.
Aufgrund des mit Beginn des 21. Jahrhunderts geschärften Bewusstseins für den besonderen Stellenwert der Kompetenzorientierung in der Fremdsprachenvermittlung,
werden die erarbeiteten Lernzielkataloge um folgende Dimensionen erweitert:
• Fähigkeit zu interkultureller Kommunikation durch Language and (inter)cultural
Awareness3,
• Förderung der Mehrsprachigkeit
• Entfaltung der Medienkompetenz
• Intensivierung der Kooperationsfähigkeit durch Handlungsorientierung und kreative Arbeitsformen im Rahmen einer prozess-, themen- und produktorientierten Projektarbeit sowie
• Befähigung zum selbstbestimmten und kooperativen Lernen durch Lernerorientierung und Förderung der Lernerautonomie.
Versucht man die genannten älteren und neueren Lernzieldimensionen präzise zu
analysieren und mit konkreten Unterrichtsinhalten für die jeweilige Niveaustufe zu
verknüpfen, so lässt sich schnell schlussfolgern, dass nur sehr wenige empirische
Befunde über die Umsetzung und Anpassung der gerade aufgelisteten Lehrzielvorgaben zu den in Frage kommenden thematischen Unterrichtsgegenständen im konkreten Fremdsprachenunterricht vorliegen und die inputorientierte Curriculumentwicklung somit heutzutage zu den am wenigstens untersuchten Bereichen zählt (vgl. u.a.
die Kritik bei Neuner 2001: 797 und Krumm 2003: 117). Eine Beteiligung von Lernenden an der Auswahl von Texten wird zwar bisweilen gefordert (z.B. Leupold
2007: 20), aber unseres Wissens bisher nicht präzisiert und weiter verfolgt (vgl. dazu
nun Adamczak-Krysztofowicz / Stork 2008im Druck; Stork / Adamczak-Krysztofowicz
2008). Wie später noch gezeigt werden wird, kann ein lernerbezogenes Textauswahlverfahren sowohl output- als auch inputorientierte Impulse für den Fremdsprachenunterricht an Hochschulen geben.
2
3
Ausführlicher dazu bei Neuner (2001: 805ff.), Pfeiffer (2001: 147ff.) und Krumm (2003: 117ff.).
Diese Konzeption ist sehr breit angelegt und verbindet Aspekte sprachlicher und kultureller Sensibilisierung (z.B. die Reflexion über die Bausteine und Funktionen von Sprache sowie über den
Zusammenhang von Sprache und Kultur unter besonderer Berücksichtigung sprachlicher Varietäten sowie eigen- und zielkultureller Verhaltensweisen und Kommunikationsformen, vgl. dazu
Sigrid Luchtenberg 2001: 132ff.).
13
Im Folgenden werden die durch die Befragung ermittelten Interessen und Bedürfnisse der Studierenden in Poznań und in Marburg dargestellt.
3.
Konzeption und Ergebnisse der quantitativen Befragung
Im Dezember 2005 haben wir an der Philipps-Universität Marburg (Deutschland) und
der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań (Polen) eine quantitative Studierendenbefragung mittels eines Fragebogens durchgeführt. Durch die Einbeziehung zweier
(mittel-)europäischer Länder sollte überprüft werden, ob und gegebenenfalls welchen
Einfluss der kulturelle Hintergrund und die Organisationsstruktur des Studiums r jeweiligen Hochschule auf die Einstellungen der Studierenden zum Einsatz von Texten
im Fremdsprachenunterricht hatben.
3.1. Zur Auswahl der Befragten
An der Studie haben teilgenommen 1109 Studierende moderner Fremdsprachen
teilgenommen, davon 60% aus Poznań (= 66 Studierende) und 40% aus Marburg
(= 43 Studierende). Die TeilnehmerInnen aus Poznań sind Studierende im Studiengang Angewandte Linguistik, die TeilnehmerInnen aus Marburg studieren überwiegend Englisch oder Deutsch als Fremdsprache, seltener Spanisch oder Französisch.
Während die Studierenden in Poznań alle in Polen aufgewachsen sind, stammen in
Marburg von den 43 Studierenden 5 nicht aus Deutschland: eine Studentin kommt
aus Rumänien, eine aus Russland, zwei aus Bulgarien und eine aus China. Weibliche Studierende sind – wie in Fremdsprachenstudiengängen in Deutschland und Polen allgemein beobachtbar – in der Mehrzahl, so haben 91 Frauen und 18 Männer an
der Studie teilgenommen.
Das Alter der Teilnehmer liegt überwiegend zwischen 20 und 25 Jahren (vgl. Abb. 1),
es gibt aber auch jüngere Teilnehmer (hauptsächlich Universität Poznań) und ältere
Teilnehmer (hauptsächlich Universität Marburg).
90
100
80
60
40
20
13
5
1
0
<20
20-25
26-30
keine
Angabe
Abb. 1: Alter der TeilnehmerInnen
Das Verhältnis von Studierenden im Grundstudium und im Hauptstudium ist in etwa
ausgeglichen (vgl. Abb. 2). Studierende, die mehr als 4 Studienjahre angeben, sind –
aufgrund der derzeit noch zeitlich und inhaltlich weniger strukturierten Magister- und
Lehramtsstudiengänge – in Marburg immatrikuliert.
14
60
50
54
43
40
30
20
10
7
1
4
0
1. und 2.
3. und 4.
5. und 6.
> 6.
Studienjahr Studienjahr Studienjahr Studienjahr
keine
Angabe
Abb. 2: Studienjahr der TeilnehmerInnen
3.2.
Zur Konzeption der schriftlichen Befragung
Konzipiert wurde ein Fragebogen, der sowohl Fragen zu Textsorten als auch zu Inhalten von Texten enthält. Im Folgenden beschränken wir uns im Rahmen der von
uns gewählten Schwerpunktsetzung (vgl. Abschnitt 1) auf die Darstellung der Ergebnisse der Fragen, die die Textinhalte betreffen4 (vgl. die im Anhang abgebildete Befragungsstruktur).
Mit Frage 1 („Welche Themen/Inhalte sprechen Sie besonders an?“) sollten die privaten (d.h. außerunterrichtlichen und vermutlich hauptsächlich auf muttersprachige
Texte bezogenen) Präferenzen der Fremdsprachenlernenden ermittelt werden. Zur
Auswahl standen verschiedene Themenbereiche (Politik, Geschichte, Tourismus,
Kultur, Sport, Gesellschaft, Medien, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Inlandsnachrichten, Auslandsnachrichten, Gesundheit, Wetter/Klima) sowie die Möglichkeit, weitere Bereiche zu nennen (in der offenen Option „Sonstige“).
Frage 2 („Welche Themen/Inhalte halten Sie für die Behandlung im Fremdsprachenunterricht für nützlich?“) zielte auf die Attraktivität von Textinhalten für den Fremdsprachenunterricht.
In Frage 3 („Welche der in Frage 2 aufgelisteten Themen wurden im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule oft behandelt?“) ging es um den von den Studierenden besuchten Fremdsprachenunterricht an der Hochschule und um mögliche
Defizite hinsichtlich der einbezogenen Textinhalte.
Frage 4 („Wie sollte Ihrer Meinung nach die Auswahl von Texten erfolgen“) beschäftigte sich mit dem Problem/der Fragestellung, wer nach Ansicht der Studierenden die
Textauswahl vornehmen sollte.
In Frage 5 („Welche Kriterien sollen bei der Auswahl eines bestimmten Textes für
den universitären Fremdsprachenunterricht besonders berücksichtigt werden?“) wurde nach der Gewichtung von Kriterien für die Textauswahl gefragt.
In der abschließenden Frage 6 („Gibt es zum Thema Texteinsatz an der Hochschule
Aspekte, die Sie in diesem Fragebogen vermisst haben?“) konnten die Studierenden
noch weitere Aspekte einbringen, die sie für den Einsatz von Texten für wichtig erachten.
4
Vgl. für die Ergebnisse der Fragen zu Textsorten Stork / Adamczak-Krysztofowicz (2006).
15
3.3. Präsentation und Interpretation der Ergebnisse
Da die Antworten der polnischen und deutschen Studierenden in einigen Punkten divergieren, werden sie im Folgenden getrennt nach Universitäten betrachtet.
In Bezug auf die in der Freizeit präferierten Textinhalte (Frage 1) werden von den
Studierenden aus Poznań folgende fünf Themenbereiche am häufigsten genannt (in
absteigender Reihenfolge der Häufigkeit, vgl. Tab. 1): 1. Kultur, 2. Gesellschaft, 3.
Medien, 4. Auslandsnachrichten und 5. Gesundheit. Am seltensten werden Wissenschaft, Technik und Wetter/Klima angegeben. Die Studierenden aus Marburg bezeichnen folgende Themenbereiche als besonders ansprechend: 1. Kultur, 2. Politik,
3. Gesellschaft und Auslandsnachrichten, 5. Geschichte. Am seltensten geben sie
Wetter / Klima, Technik und Wirtschaft an.
THEMEN/INHALTE
Politik
Geschichte
Tourismus
Kultur
Sport
Gesellschaft
Medien
Wirtschaft
Technik
Wissenschaft
Inlandsnachrichten
Auslandsnachrichten
Gesundheit
Wetter/Klima
Sonstige
Poznań (Prozent)
23,8%
12,7%
15,2%
65,1%
20,6%
58,7%
36,5%
9,5%
3,2%
6,4%
22,2%
28,6%
25,4%
3,2%
19,0%
Marburg (Prozent)
48,8%
39,0%
12,2%
53,7%
22,0%
46,3%
17,1%
0,0%
4,9%
14,6%
29,3%
46,3%
14,6%
9,8%
14,6%
Tab. 1: Besonders ansprechende Themen / Inhalte (Frage 1)
Während beide Studierendengruppen sich stark für Kultur (Poznań = 65,1%, Marburg
= 53,7%) und Gesellschaft (Poznań = 58,7%, Marburg 46,3%) interessieren, werden
die Marburger Studierenden stärker als ihre Kommilitonen aus Poznań von Politik
(Poznań 23,8%, Marburg = 48,8%) und Geschichte (Poznań = 12,7%, Marburg =
39,0%) angesprochen. Die Studierenden aus Poznań interessieren sich stärker für
Medien (36,5%, Marburg = 17,1%) und Gesundheit (Poznań = 25,4%, Marburg =
14,6%).
Als sonstige Themenbereiche werden von den polnischen Studierenden genannt:
Musik (Fb 1, 37 und 50), Schule, Unterrichten (Fb 3), Klatsch und Tratsch (Fb 7),
Familienleben, Gefühle, Ausland im Allgemeinen, Leben selbst, Zukunft (Fb 18), Medizin, Psychologie, Biologie (Fb 19), Natur / Tiere (Fb 20), Theater (Fb 21), Nachrichten (Fb 22), Recht (Fb 30), Gedichte, Philosophie (Fb 59), Frauen, Männer, Beziehungen (Fb 67). Die deutschen Studierenden geben zusätzlich an: Religion, Philosophie (Fb 70), Informatives und Interessantes (Fb 86), Umwelt (Fb 88), Fremdsprachen, Koch- und Backtipps (Fb 94), Esoterik, Philosophie, Religion (Fb 100).
16
Als Begründung für die oben aufgeführten Präferenzen wird häufig Interesse genannt.
„Weil ich mich dafür interessiere“ (Fb 3, 16, 59), „Interesssant“ (Fb 40, 41, 42, 66, 67),
„Das ist interessant für mich“ (Fb 5), „Interesse“ (Fb 45, 66, 67, 99, 105, 113)
Ferner wird hervorgehoben, dass es sich um Allgemeinwissen bzw. aktuelle Informationen handelt.
„Wichtig für die Allgemeinbildung“ (Fb 77), „Allgemeinwissen“ (Fb 84), „Wissen zu aktuellen Themen immer von Vorteil“ (Fb 25)
„Ich möchte gerne wissen, was in der Welt um mich geschieht und auf dem Laufenden
sein“ (Fb 104), „Ich will wissen, was in der Welt passiert“ (Fb 110), „Ich möchte immer
wissen, was auf der Welt passiert“ (Fb 53)
Als für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht interessant (Frage 2) werden von
den Studierenden aus Poznań folgende fünf Themenbereiche am häufigsten genannt
(in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit, vgl. Tab. 2): 1. Kultur, 2. Gesellschaft, 3,
Nachrichten, 4. Politik, 5. Medien. Am seltensten werden Technik und Wetter / Klima
genannt. Die Studierenden aus Marburg bezeichnen dagegen folgende Textinhalte
als nützlich für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht: 1. Kultur, 2. Gesellschaft, 3.
Politik, 4. Geschichte, 5. Nachrichten. Keine Nennungen erhalten die Themenbereiche Wirtschaft, Technik und Gesundheit.
Wie bereits bei den in der Freizeit präferierten Themenbereichen hervorgehoben,
zeigt sich, dass beide Studierendengruppen Kultur (Poznań = 77,7%, Marburg, =
83,3%), Gesellschaft (Poznań = 63,5%, Marburg = 81,0%) und Nachrichten (Poznań
= 39,7%, Marburg = 40,5%) für nützlich im Fremdsprachenunterricht erachten. Die
Marburger Studierenden plädieren stärker für Politik (Poznań = 38,1%, Marburg =
64,3%) und Geschichte (Poznań = 22,2%, Marburg = 57,1%), die Studierenden aus
Poznań sprechen sich hingegen stärker für Medien (Poznań = 33,3%, Marburg =
26,2%) und Gesundheit (Poznań = 17,5%, Marburg = 0,0%) aus.
TEXTSORTE
Politik
Geschichte
Tourismus
Kultur
Sport
Gesellschaft
Medien
Wirtschaft
Technik
Wissenschaft
Nachrichten
Gesundheit
Wetter
Sonstige
Poznań
38,1%
22,2%
22,2%
77,7%
12,7%
63,5%
33,3%
17,5%
3,2%
12,7%
39,7%
17,5%
0,0%
4,8%
Marburg
64,3%
57,1%
21,4%
83,3%
7,1%
81,0%
26,2%
0,0%
0,0%
2,4%
40,5%
0,0%
2,4%
0,0%
Tab. 2: Nützliche Texte für den Fremdsprachenunterricht (Frage 2)
17
Als „Sonstige Themenbereiche gibt ein polnischer Studierender Musik an (Fb 12), ein
deutscher Studierender (Fb 62) nennt: „Diese, an denen die Schüler Interesse hätten“.
Als Begründung für die Nützlichkeit der genannten Textinhalte für den Fremdsprachenunterricht wird häufig der Stellenwert von landeskundlichem Wissen hervorgehoben:
„Informationen über das Land, welche Sprache wir lernen.“ (Fb 20)
„Themen, bei dem man Neues über andere Kultur erfährt; was in der Welt passiert.“ (Fb
35)
„Wenn Landeskunde nicht besonders interessant geführt (organisiert) ist, entstehen große
Informationslücken. Deswegen sollen diese Themen auch während des praktischen Unterrichts erwähnt werden.“ (Fb 52)
„Wichtig ist Landes- und Leutekunde. Deshalb sollte man viel über die Kultur, Gesellschaft
erfahren.“ (Fb 53)
„Man sollte vor allem die Kultur und Mentalität anderer Länder kennen lernen.“ (Fb 37)
„Sprache und Kultur bedingen sich gegenseitig – daher sollte Landeskunde unbedingt einen großen Anteil am Fremdsprachenunterricht haben.“ (Fb 71)
„Man sollte über das Land und die Leute informiert sein.“ (Fb 90)
„Es ist wichtig nicht nur eine Sprache, sondern auch den kulturellen Hintergrund und die
Menschen kennenzulernen.“ (Fb 93)
„Es ist wichtig, dass die Schüler nicht nur einen Einblick in die Sprache, sondern auch in
das zugehörige Land/Länder bekommen.“ (Fb 104)
Betont wird auch die Wichtigkeit der Aktualität von Textinhalten:
„Aktuelle Information.“ (Fb 20)
„Mit aktuellen Problemen verbundene Themen.“ (Fb 36)
„Man sollte sich mit dem Aktuellen beschäftigen und vor allem die Thematik an die Schüler anpassen.“ (Fb 43)
„Besonders aktuelle Themen erscheinen mir hierbei von besonderer Bedeutung. Lerner
der Fremdsprache können besser über aktuelle Themen kommunizieren und deshalb
auch motiviert werden.“ (Fb 95)
Im Fremdsprachenunterricht der Universität Poznań werden laut Aussage der Studierenden folgende Textinhalte am häufigsten eingesetzt (Frage 3) (in absteigender Reihenfolge, vgl. Tab. 3): 1. Gesellschaft, 2. Medien, 3. Politik, 4. Nachrichten, 5. Gesundheit. Für den Fremdsprachenunterricht der Universität Marburg sieht das Bild etwas anders aus: 1. Gesellschaft, 2. Kultur, 3. Politik und Geschichte, 5. Nachrichten.
Besonders auffällig ist, dass in Poznań häufiger Texte zu Medien (Poznań = 34,8%,
Marburg = 11,9%), und Gesundheit (Poznań = 28,8%, Marburg = 0,0%) und in Marburg häufiger Texte zu Geschichte (Poznań = 6,1%, Marburg = 40,5%) und Kultur
(Poznań = 25,8%, Marburg = 47,6%) eingesetzt werden.
18
THEMENBEREICHE
Poznań (Prozent)
Marburg (Prozent)
34,5%
40,5%
Geschichte
6,1%
40,5%
Tourismus
13,6%
7,1%
Kultur
25,8%
47,6%
Sport
24,2%
0,0%
Gesellschaft
39,4%
54,8%
Medien
34,8%
11,9%
Wirtschaft
15,2%
4,8%
4,5%
0,0%
Wissenschaft
15,2%
7,1%
Nachrichten
30,3%
31,0%
Gesundheit
28,8%
0,0%
Wetter
27,3%
4,8%
Andere
15,2%
0,0%
Politik
Technik
Tab. 3: Im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule häufig behandelte Themenbereiche (Frage 3)
Vergleicht man die Behandlung der Themenbereiche an den beiden Universitäten mit
den privaten und fremdsprachenunterrichtlichen Präferenzen der Studierenden, sind
drei Befunde besonders interessant:
a) Kultur halten 65,1% der Posener Studierenden für ein besonders ansprechendes
Thema und sogar 77,7% geben an, dass es ein nützlicher Gegenstand im Fremdsprachenunterricht ist. Dennoch geben nur 25,8% der Studierenden an, dass Kultur häufig in der Unterrichtspraxis an der Hochschule behandelt wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Gesellschaft: 58,7% der Studierenden interessieren
sich dafür in ihrer Freizeit, 63,5% halten es für einen nützlichen thematischen
Schwerpunkt im Fremdsprachenunterricht, aber nur 39,4% geben an, dass es im
Fremdsprachenunterricht an der Hochschule behandelt wird.
b) Geschichte ist in Poznań kein beliebtes Thema. Nur 12,7% bevorzugen dieses
Thema in ihrer Freizeit, allerdings halten immerhin 22,2% es im Fremdsprachenunterricht für nützlich. Erstaunlich ist, dass nur 6,1% der Posener angeben, dass
dieses Thema in der universitären Unterrichtspraxis eingesetzt wird.
c) Sport ist ein Thema von mittlerem Interesse (22,0%) in der Freizeit der Marburger
Studierenden. Etwas geringer wird der Nutzen für den Fremdsprachenunterricht
(11,8%) eingeschätzt. Dennoch gibt kein Student an, dass das Thema im universitären Fremdsprachenunterricht häufig eingesetzt wird.
Die meisten TeilnehmerInnen geben ein bis drei Textinhalte an, die im universitären
Fremdsprachenunterricht ihrer Meinung nach fehlen. Von den polnischen Studierenden (n = 66) werden als fehlend am häufigsten genannt (in absteigender Reihenfolge): Kultur (19 Nennungen), Gesellschaft (14), Geschichte (7), Technik (6), Medien
(5), Nachrichten (5), Politik (5). Die deutschen Studierenden (n = 43) nennen hinge19
gen am häufigsten als fehlende Themen (in absteigender Reihenfolge): Geschichte
(9 Nennungen), Politik (7), Kultur (5), Sport (4), Nachrichten (4).
Etwa drei Viertel aller Studierenden in Poznań und in Marburg (vgl. Abb. 3) sind der
Auffassung, dass die Textauswahl durch den Fremdsprachenlehrenden nach Befragung der Lernenden erfolgen sollte (Frage 4).
100,0%
76,7%
71,6%
75,0%
Poznań
50,0%
Marburg
25,4%
25,0%
11,6%
9,4%
3,0%
0,0% 2,3%
0,0%
Textauswahl
durch Lehrer
Textauswahl
durch
Lehrenden nach
Befragung der
Lernenden
Textauswahl
durch
Lernenden
Textauswahl mit
Beratung des
Lehrenden
Abb. 3: Auswahl von Texten (Frage 4)
Jeder vierte Posener Studierende und jeder sechste Marburger Studierende möchte
die Textauswahl mit Beratung der Lehrperson vornehmen. Nur insgesamt ein Marburger Student traut dem Lernenden die alleinige Textauswahl zu. Eine Textauswahl
durch die Lehrperson ohne Beteiligung der Lernenden befürworten nur 3% der polnischen Studierenden und 9,4% der deutschen Studierenden.
In Bezug auf die Kriterien, die bei der Auswahl eines bestimmten Textes für den universitären Fremdsprachenunterricht besonders berücksichtigt werden sollen (Frage
5) geben die Posener Studierenden folgende Kriterien als sehr wichtig an (in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit): 1. Interessen und Bedürfnisse der Lernenden, 2.
Sprachliche Progression, 3. Aktualität der Texte, 4. Allgemeinwissen- und Horizonterweiterung, 5. Schwierigkeit der Texte. Nur ab und zu sollten im Fremdsprachenunterricht die Kriterien landeskundliche Progression, Relevanz des Themas sowie Entspannung und Unterhaltung Berücksichtigung finden. In Marburg ergibt sich dagegen
folgendes Bild: 1. Sprachliche Progression, 2. Interessen und Bedürfnisse der Lernenden, 3. Landeskundliche Progression, 4. Variation von Texten, 5. Authentizität
der Texte. Nur ab und zu sollten die Kriterien Relevanz des Themas, Aktualität der
Texte sowie Entspannung und Unterhaltung berücksichtigt werden.
20
Poznań
sehr
wichtig ab und zu
Marburg
nicht
sehr
nicht
wichtig wichtig ab und zu wichtig
Interessen und
Bedürfnisse der
Lernenden
84,1%
14,3%
1,6%
59,9%
38,1%
2,4%
Sprachliche
Progression
75,8%
21,0%
3,2%
80,5%
19,5%
0%
Landeskundliche
Progression
31,2%
59,0%
9,8%
51,2%
48,8%
0%
Entspannung und
Unterhaltung
33,9%
53,2%
12,9%
9,3%
53,5%
37,2%
Allgemeinwissenund
Horizonterweiterung
45,9%
49,2%
4,9%
21,4%
52,4%
26,2%
Aktualität der Texte
52,4%
39,7%
7,9%
27,9%
58,1%
14,0%
Authentizität
der Texte
33,9%
37,1%
29,0%
47,6%
33,3%
19,1%
Relevanz
des Themas
21,7%
53,3%
25,0%
27,9%
62,8%
9,3%
Variation von Texten 39,3%
47,5%
13,2%
48,8%
48,8%
2,4%
Schwierigkeit
der Texte
44,4%
44,4%
11,2%
41,8%
48,8%
9,4%
0%
0%
0%
0%
0%
0%
Sonstige
Tab. 4: Auswahlkriterien (Frage 5)
In Bezug auf Textinhalte wurden in den Antworten zur letzten Frage (vgl. Frage 6 im
Anhang) keine weiteren Aspekte genannt. Die meisten der insgesamt wenigen Anmerkungen beziehen sich auf den Umgang mit Texten bzw. auf ihre Didaktisierung:
„Wie die Themen verarbeitet werden.“ (FB 49)
„Art und Weise der Behandlung der Texte.“ (Fb 88)
4.
Fazit: Empfehlungen für die Themenauswahl
Die Studierendenbefragung hat eine Reihe interessanter Ergebnisse gebracht, aus
denen Konsequenzen für die Auswahl von Textinhalten im Fremdsprachenunterricht
an der Hochschule gezogen werden können:
• Die Themenbereiche Kultur und Gesellschaft werden von allen Studierenden sowohl als besonders ansprechend bezeichnet als auch für die Behandlung im
Fremdsprachenunterricht für besonders nützlich gehalten. Diese Schwerpunkte
sollten daher bei der Textauswahl (im Fremdsprachenunterricht für mitteleuropäische Studierende) sehr häufig Berücksichtigung finden. Dies gilt insbesondere für
21
den universitären Fremdsprachenunterricht in Polen, da die Studie gezeigt hat,
dass diese beiden Bereiche in Poznań nicht häufig genug eingesetzt werden.
• Als weitgehend uninteressant (weniger als 10% Nennungen) wird hingegen von
beiden Gruppen das Thema Wetter / Klima bezeichnet, und es wird auch nur selten (weniger als 3% Nennungen) als nützlich für die Behandlung im Fremdsprachenunterricht genannt. Von einem häufigen Einsatz dieses Unterrichtsgegenstands (in Polen geben 28,8% der Studierenden an, dass Wetter/Klima oft behandelt wird) ist daher abzuraten.
• In der Studie zeigen sich allerdings auch Unterschiede zwischen den Antworten
der Studierenden in Poznań und in Marburg. Die Marburger werden stärker als ihre Kommilitonen aus Poznań von Politik und Geschichte angesprochen und sie
plädieren auch stärker für den Einbezug dieser Themen in den Fremdsprachenunterricht. Die Posener hingegen interessieren sich stärker als die Marburger für die
Themenbereiche Medien und Gesundheit, die auch häufiger als nützlich für den
FU angesehen werden. Gründe für die unterschiedlichen Inhaltspräferenzen könnten im kulturellen Hintergrund (insbesondere der geschichtlich-politischen Entwicklung beider Länder im 20. und 21. Jahrhundert) liegen.
• Die Auswahl der Themeninhalte sollte von den Lehrenden nicht ohne Einbeziehung der Lernenden vorgenommen werden. Insgesamt sprechen sich nur 5,5% aller Studierenden für eine alleinige Textauswahl durch die Lehrkraft aus. Dies zeigt
sich auch bei der Einschränkung der Auswahlkriterien. Beide Studierendengruppen halten die Interessen und Bedürfnisse der Lernenden sowie die sprachliche
Progression für sehr wichtig. Allerdings erachten die Studierenden in Marburg die
Kriterien landeskundliche Progression, Variation von Texten und Authentizität der
Texte als wichtiger als dies die Studierenden in Poznań tun; die Posener Studierenden wünschen sich stärker eine Berücksichtigung der Kriterien Aktualität der
Texte, Allgemeinwissen- und Horizonterweiterung sowie Entspannung und Unterhaltung.
Inhalte und Kompetenzen sind nicht voneinander getrennt, sondern stehen in einem
Verhältnis zueinander (vgl. Ziener 2006: 27ff.). Unser Plädoyer für ein lernerbezogenes Textauswahlverfahren richtet sich auf beide Bereiche: Bezogen auf Textinhalte
hat unsere Studie gezeigt, welche Themen Studierende im Fremdsprachenunterricht
interessant und nützlich finden. In Bezug auf Kompetenzen begreifen wir die Fähigkeit, Texte für das eigene Sprachenlernen auswählen zu können, als Kompetenz,
und zwar als Textauswahlkompetenz. Diese Kompetenz sollte im Fremdsprachenunterricht ähnlich wie die Lese- oder Hör(seh)verstehenskompetenz prozessorientiert
entwickelt werden5. Denn Fremdsprachenlernende sollten in Bezug auf die Förderung des autonomen und lebenslangen Lernens (gerade auch angesichts des immensen Angebots an Lese- und Hörtexten im Internet) dazu befähigt werden, einen
für ihren Lernstand adäquaten Text auswählen und auf seine Eignung hin überprüfen
zu können.
5
Zur Arbeit mit einer Liste mit Internetquellen sowie einem Fragenkatalog zur Einschätzung authentischer Lese- und Hörtexte im Deutsch als Fremdsprache-Unterricht vgl. Stork / AdamczakKrysztofowicz (im Druck).
22
Literaturverzeichnis
Adamczak-Krysztofowicz, S. / Stork, A. (2008im Druck): Texte lernerorientiert auswählen. Folgerungen aus einer quantitativen Studierendenbefragung für die Textauswahl und Textarbeit im universitären Fremdsprachenunterricht. In: Chlosta, Ch. / Leder, G. / Kriescher, B.(Hrsg.): Auf neuen Wegen. Deutsch als Fremdsprache in Forschung und Praxis. Tagungsband der 35. Jahrestagung des
Fachverbandes Deutsch als Fremdsprache 2007 in Berlin. Göttingen, 463-485.
Europarat (2001). Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Deutsche Fassung. Berlin u.a.
House, J. (2003). Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen. In: Bausch, K.-R. et al. (Hrsg.): Der
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4
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Sicht polnischer Studierender im Studiengang Angewandte Linguistik der Universität Poznań. In:
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den Jugendlichen im Lyzeum prozessorientiert auswählen. In: Hallo Deutschlehrer! Zeitschrift des
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Zydatiß, W. (2005): Bildungsstandards und Kompetenzniveaus im Englischunterricht. Konzepte, Empirie, Kritik und Konsequenzen. Frankfurt/M. u.a.
23
Anhang
Studierendenfragebogen
Die vorliegende Umfrage bildet die Grundlage eines Beitrags, der sich mit dem Texteinsatz
in der fremdsprachlichen Unterrichtspraxis an der Hochschule auseinandersetzen soll. Seine
Autorinnen (Dr. Antje Stork und Dr. Sylwia Adamczak-Krysztofowicz) bitten Sie um Ihre Teilnahme an dieser Befragung und garantieren, dass Ihre Antworten anonym bleiben und nur
für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden.
Sofern Sie zu der erbetenen Mitarbeit bereit sind, füllen Sie bitte diesen Bogen sorgfältig in
deutscher Sprache aus. Für die Beantwortung aller Fragen benötigen Sie höchstens 20 Minuten.
„ Studienrichtung/Name der Universität:
................................................................................................................................…............
„ Studienjahr/Semester:
..............................................................................................................................…..............
„ Geschlecht:  männlich
 weiblich
„ Geburtsdatum:
………….................................................................................................................................
„ Muttersprache:
...............................................................................................................................................
„ Bereits vorhandene Fremdsprachenkenntnisse (alle Sprachen) und ihr Niveau (Grundstufe I/A1, Grundstufe II/A2, Mittelstufe I/B1, Mittelstufe II/B2, Oberstufe I/C1, Oberstufe
II/C2:
........................................................................................…………………………...................
„ Universitäre Fremdsprachenkurse in den Sprachen:
...............................................................................................................................................
1. Welche Themen / Inhalte sprechen Sie besonders an (max. 4 Nennungen)?
Politik
Geschichte
Tourismus
Kultur
Sport
Gesellschaft
Medien
Wirtschaft
Technik
Wissenschaft
24
Inlandsnachrichten
Auslandsnachrichten
Gesundheit
Wetter/Klima
andere Themenbereiche/Inhalte, welche?
....................................................................................................................................................
Begründen Sie stichwortartig Ihre Wahl:
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
2. Welche Themen / Inhalte halten Sie für die Behandlung im Fremdsprachenunterricht für nützlich? Sie können max. vier Kästchen ankreuzen.
Politik
Geschichte
Tourismus
Kultur
Sport
Gesellschaft
Medien
Wirtschaft
Technik
Wissenschaft
Inlandsnachrichten
Auslandsnachrichten
Gesundheit
Wetter/Klima
andere Themenbereiche/Inhalte, welche?
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
...................................................................................................................................................
Begründen Sie kurz Ihre Entscheidung:
....................................................................................................................................................
....................................................................................................................................................
...................................................................................................................................................
25
3. Welche der in Frage 62 aufgelisteten Themenbereiche wurden im Fremdsprachenunterricht an der Hochschule oft behandelt?
....................................................................................................................................................
Welche Inhalte haben Ihnen im Unterricht gefehlt?
....................................................................................................................................................
…………………………………………………………………………………………………...............
4. Wie sollte Ihrer Meinung nach die Auswahl von Texten erfolgen? (nur eine Antwort)
durch den Lehrenden
durch den Lehrenden nach Befragung der Lernenden
durch die Lernenden
durch die Lernenden mit Beratung des Lehrenden
5. Welche Kriterien sollen bei der Auswahl eines bestimmten Textes für den universitären Fremdsprachenunterricht besonders wichtig sein? Versehen Sie bitte alle
Kästchen mit Zahlen auf einer Skala von „1“ für „sehr wichtig“, „2“ für „ziemlich
wichtig“ und „3“ für „nicht wichtig“.
Interessen und Bedürfnisse der Lernenden
Sprachliche Progression (Wortschatzerweiterung)
Landeskundliche Progression (Einblick in Zielsprachenkulturen)
Entspannung und Unterhaltung
Allgemeinwissens- und Horizonterweiterung
Aktualität der Texte
Authentizität der Texte
Relevanz des Themas
Variation von Texten
Schwierigkeitsgrad der Texte
Sonstige, welche?
....................................................................................................................................................
6. Gibt es zum Thema „Texteinsatz an der Hochschule“ Aspekte, die Sie in diesem
Fragebogen vermisst haben?
......................................................................................................................................................
......................................................................................................................................................
Wir bedanken uns für Ihre Mitarbeit!
26
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 27-62
Zu den Inhalten des L2-Syntax-Unterrichts am Gymnasium
Wilfried Weigl
Thematisiert wird die Frage, welchen linguistisch-erwerbstheoretischen Anforderungen Inhalte des L2-Syntax-Unterrichts heute genügen müssen. Die Antwort ist, dass sie G2-zentral
und G1-divergent, vor allem aber generativ-grammatisch definiert sein müssen. Konkretisiert
wird dieses Postulat in zweifacher Weise: zunächst dadurch, dass, auf vorher skizzierter generativer Grundlage, die Erstellung eines G2 Englisch-(Teil-)Inventars von Lehrinhalten dargelegt wird; schließlich noch dadurch, dass das in den derzeitigen Lehrwerken figurierende
Inventar an diesem Maßstab gemessen wird. Dieses erweist sich dabei als prinzipiell unzulänglich.
Inhalt:
1.
2.
2.1.
2.2.
3.
3.1.
3.1.1.
3.1.2.
3.2.
3.2.1.
3.2.2.
4.
4.1.
4.1.1.
4.1.2.
4.2.
5.
6.
Einleitung
Derzeitige Lehrinhaltsinventare
Ein Beispielinventar
Merkmale des Beispielinventars
Zur Erstellung adäquater Inhaltsinventare
Die linguistische Grundlage
„Generative Grammatik“
Aspekte des Government and Binding-Modells
Inventarerstellung in der Government and Binding-Perspektive
Zur GB-Sicht des G2-Erwerbs
Zur Adäquatheit von Inhaltsinventaren
Ein adäquates (Teil-)Inventar für G2 Englisch
Relevante Struktursachverhalte
Phrasenstruktursachverhalte
Bewegungssachverhalte
Das (Teil-)Inventar im Überblick
Das derzeitige Inventar in der Adäquatheitsperspektive
Ausblick
Literaturverzeichnis
1.
Einleitung
Die vorliegende Arbeit legitimiert sich aus dem Sachverhalt, dass der unterrichtliche
Erwerb fremdsprachlicher Syntax hinter dem möglichen Optimum nachweislich zurückbleibt1. Sieht man das Erwerbsergebnis zumindest auch als Niederschlag des erteilten Unterrichts, besagt dies, dass dieser Unterricht besserungsbedürftig ist. Die
Möglichkeit seiner Besserung in einer Hinsicht soll im Folgenden aufgezeigt werden.
Dabei ist davon auszugehen, dass sich Unterricht im Kern konstituiert aus einem
Was und einem Wie: Vermittelt werden, im Echtzeitablauf des Unterrichtsgesche-
1
Vgl. dazu Weigl (2002), (2003), (2005), (2006a), (2006b).
27
hens, bestimmte (Einzel-)Inhalte („Lern- bzw. Lehrinhalte“2); die Vermittlung dieser
Inhalte geschieht zwangsläufig auf eine bestimmte Art und Weise („Vermittlungsstrategie“). Besserungsbedürftig sein können somit das Was und/oder das Wie. Dass
das derzeitige Wie besserungsbedürftig ist, wurde schon festgestellt (vgl. Fußnote 1).
Dass auch das Was besserungsbedürftig ist bzw. worin eine Besserung bestehen
könnte, ist Thema der vorliegenden Arbeit.
Als grundlegend wird in ihr angenommen, dass es eine Grammatik(-Kategorie) gibt,
die als Bezugsgrundlage von Syntaxunterricht die eindeutig optimale ist: diejenige
Grammatik, die sich versteht „als Modell zur Abbildung der Kompetenz“ (Bußmann
2002: 259), als Modell „des im Spracherwerbsprozess erworbene(n) (unbewusste(n))
mentale(n) Wissen(s) über die jeweilige Muttersprache, über das ein ‚idealer Sprecher/Hörer‘ … verfügt“ (357).3
Damit ist die Grundforderung, dass Lehrinhalte, um adäquat zu sein, in der Perspektive eines Kompetenzmodells situiert sein müssen. Auf einer weniger prinzipiellen
Ebene verlangt Adäquatheit die Erfüllung zweier weiterer Forderungen: (1) Lehrinhalte müssen Sachverhalte repräsentieren, die für die Zielsprachengrammatik („G2“)
zentral sind und (2) sie dürfen nur Sachverhalte repräsentieren, hinsichtlich derer die
G2 von der „G1“, der Muttersprachengrammatik der Lerner, divergiert.4
Diese Vorstellungen werden im Verlauf der Arbeit zum Tragen gebracht, und zwar in
dieser Abfolge: Zunächst, in Teil 2, wird ein derzeitiges Lehrinhaltsinventar angegeben und charakterisiert. (Seine Bewertung erfolgt in Teil 3). Die Teile 3 und 4 thematisieren die Erstellung adäquater Inhaltsinventare, Teil 3 in allgemeinen Begriffen, die
angenommene linguistische Grundlage thematisierend (3.1) und die Konsequenzen
für die Erstellung von Inhaltsinventaren (3.2), Teil 4 in Begriffen / Sachverhalten des
Sprachenpaars G2 Englisch / G1 Deutsch. Dabei werden Sachverhalte, die nicht G2zentral sind, beiseite gelassen.
Von den zentralen Sachverhalten werden die G1-divergierenden, in ihrer Divergenz,
thematisiert (4.1): zunächst Phrasenstruktursachverhalte (4.1.1), sodann Bewegungssachverhalte (4.1.2). Es schließt sich an die Angabe des erstellten Gesamtinventars (4.2). Es folgt eine Kritik, vor diesem Hintergrund, des derzeitigen Inventars
(5). Geschlossen wird mit einem Ausblick (6).
2.
Derzeitige Lehrinhaltsinventare
Gemessen an den hier postulierten Anforderungen sind die derzeitigen Lehrwerke
ausnahmslos defizitär: Von den Unterschieden zwischen ihnen ist keiner ein Unterschied im Kern der Sache. Die Gegebenheit dieses Sachverhalts ermöglicht es, exemplarisch vorzugehen. In diesem Sinne wählen wir als Untersuchungsobjekt das
2
3
4
Wir thematisieren hier bewusst nicht „Lehrziele“ (deren Formulierung die Gegebenheit von „Lehrinhalten“ voraussetzt, außer bei einem „kommunikativen“, d.h. ideologisch kommunikativen Ansatz). Auch der „Lehrplan“ bleibt außerhalb der Betrachtung.
Als ungeeignet gesehen werden damit die „traditionelle Grammatik“, das bloße „Wissen … von
den … syntaktischen Regularitäten einer … Sprache“ (Bußmann 2002: 259) sowie die „strukturalistische Grammatik“, die Sicht der Grammatik als eines bloßen „struktrelle(n) Regelsystem(s),
das allen sprachlichen Produktions- und Verstehensprozessen zugrunde liegt“ (259).
Diese Forderungen beruhen auf der Annahme, dass bei ihrer Erfüllung die für den Fremdsprachenunterricht verfügbaren knappen (Zeit-)Ressourcen am besten genutzt werden.
28
Lehrwerk Learning English – Green Line, Ausgabe Bayern.5 Mit ihm befassen wir uns
in den folgenden beiden Abschnitten.
2.1. Ein Beispielinventar
In Learning English – Green Line (LEGL) ist das, was vermittelt / gelernt werden soll,
in den Inhaltsverzeichnissen der sechs Bände aufgelistet. Dies in zwei (korrelierten)
Kategorien (in jeweils einer Spalte), in den Kategorien „Sprechabsichten / Themen“
und „Strukturen“. Beispiele solcher Items bzw. Itempaare sind „Ein Telefongespräch
führen“ – “questions with who” (Band 1: 3) und „über die Sorgen und Ängste von Jugendlichen sprechen“ – “definite vs. indefinite article” (Band 5: 3). Objekt unserer Untersuchung sind jedoch ausschließlich die Inhalte der rechten Spalte, die „Strukturen“.6
Unter „Strukturen“ finden sich in LEGL verschiedene syntaktische Phänomene:
(Funktions-)Wörter bzw. (paradigmatische) Wortgruppierungen (prepositions bzw.
my, your), Wortformen (simple past, regular forms), Syntagmen (s-genitive, infinitive
constructions: what to do, where to go) und Sätze. Von diesen sind einige wenige
idiomatisch (What is your name?), die weit überwiegende Mehrzahl sind (Repräsentanten von) Typen. Nur Letztere sind Gegenstand unserer Untersuchung.
Die in LEGL als Lehrinhalte figurierenden Satztypen können folgendermaßen etabliert werden: Zunächst sind Sätze in jedem Fall in formaler Perspektive, als Strukturgebilde, zu sehen; dies ergibt den Satztyp 1. Dieser Typ ist jedoch zu subkategorisieren: In manchen Fällen sind Sätze bzw. Satzelemente (Verbformen) Träger von
(grammatischer) Bedeutung (Verbformen die Träger von Zeitbedeutung). Sätze dieser Art ergeben den Typ 1b. In anderen Fällen tragen Sätze keine (grammatische)
Bedeutung. Als Lehrinhalte sind sie dann ausschließlich als Strukturgebilde (whquestions with do/does, cleft sentences etc.) relevant. Sätze dieser Art kategorisieren
wir als Typ 1a. Sieht man die bedeutungstragenden Sätze (primär) unter dem Blickwinkel ihrer Bedeutung, ergibt sich der Typ 2.
Wir präsentieren nun das Inventar der LEGL-Lehrinhalte in diesen Kategorien / Typen.
Bd. 1:
5
6
let’s
Where is …? It’s/I’m here.
Is that? That is...
questions and short answers with to be
questions with who
there’s/there are
questions with what
imperatives: Go to bed soon.
questions with do/does; negative statements with don’t/doesn’t
Beile, W. / Beile-Bowes, A. / Dick, G. / Hellyer-Jones, R. / Lampater, P. / Posener, A. / Reisener,
H. / Roth, R.W. (1992ff.): Learning English – Green Line. Unterrichtswerk für Gymnasien, Ausgabe Bayern, Bd. 1 mit 6. Stuttgart. Von diesem Werk ist inzwischen eine Neufassung erschienen.
Deren Überprüfung ergibt jedoch, dass sie sich in der hier relevanten Hinsicht (Lehrinhalte) von
der Vorausgabe praktisch nicht unterscheidet.
Die Einbettung Letzterer in einen Kommunikationskontext ist ein zentrales Erfordernis bei der Erstellung eines Lehrplans. Mit einer solchen sind wir hier jedoch nicht befasst.
29
-
wh-questions with do/does
negative imperatives
questions with do/does
negative answers, statements, imperatives
questions and negative statements in the simple past
Bd. 2:
-
question tags
comparison with more/most and as … as in affirmative and negative sentences
sentences with comparisons
wh-questions in the present perfect simple
word order with the present perfect simple
position of adverbs in the sentence
sentence with comparisons: the … the
prepositions in defining relative clauses
questions with prepositions
Bd. 3:
- passive forms: verbs with two objects7
Bd. 4:
- gerund with a subject of its own8
- infinitive with a subject of its own
- infinitive after the first/the last/the only one
Bd. 5:
- cleft sentences
- participle constructions with a different subject
Bd. 6:
-
conjunctions and adverbs to link sentences
conditional clauses with and without conjunctions
gerunds for adverbial clauses
participle constructions for adverbial and relative clauses
infinitive for relative clauses, indirect questions and adverbial clauses
Tafel Ia: Lehrinhalte Typ 1a
7
8
Die Thematisierungen des Passivs in verschiedenen Tempora rangieren unter Typ 1b.
Diesen und vergleichbare Inhalte betrachten wir als satzäquivalent.
30
Bd. 1:
—
Bd. 2:
-
present perfect simple: questions, answers, negative statements (regular forms)
present perfect simple (irregular forms)
contact clauses9
defining relative clauses with who/which/what
defining relative clauses
Bd. 3:
- past perfect (simple and progressive)
- passive forms: simple present, simple past, present perfect
- passive forms: future, past perfect, past infinitives
Bd. 4:
- conditional perfect
Bd. 5:
- emphatic to do
- non-defining relative clauses
- concord of gender between nouns and verbs
Bd. 6:
- subjunctive in subordinate clauses10
- subjunctive in if(sic)-clauses
Tafel Ib: Lehrinhalte Typ 1b
Bd. 1:
-
present progressive11
simple present, habitual function
simple present, narrative function
contrast of present progressive and simple present
Bd. 2:
- past progressive
- contrast: simple past and past progressive
- will-future (simple)
9
10
11
Die Relativsatzvarianten könnten auch als Typ 2 kategorisiert werden.
Auch die Konjunktivverwendung könnte als Typ 2 kategorisiert werden.
Hier (und in einigen der folgenden Fälle) wäre auch die Kategorisierung als Typ 1 möglich.
31
-
contrast: will-future and going to-future
contrast of simple past and present perfect simple
present perfect progressive
contrast of present perfect simple and progressive
tenses in conditional sentences
future with will and going to
Bd. 3:
-
present tense as future form
future progressive
future perfect
temporal clauses
Bd. 4:
-
reported speech with and without backshift of tenses
review of tenses
if(sic)-sentences II
if(sic)-sentences III
Bd. 5:
—
Bd. 6:
—
Tafel II: Lehrinhalte Typ 2
Die Gesamtmenge der (relevanten) Lehrinhalte ist damit angegeben, und wir können
übergehen zu einer Charakterisierung des Inventars.
2.2. Merkmale des Beispielinventars
Verstehbar ist an dieser Stelle nur eine Charakterisierung / Kritik des Inventars, die
nicht auf den Kern des Erstellungsansatzes gerichtet ist. Dies deshalb, weil die für
eine Kern-Kritik nötige generative Perspektive erst unten (in den Teilen 3 bzw. 4)
dargelegt wird.12 Hier wird noch zugrunde gelegt die traditionell-grammatische Perspektive, mit ihrer Sicht des Wissens von den syntaktischen Regularitäten als lediglich unverbundenen bzw. in einem beschränkten und wenig stringenten Zusammenhang stehenden.
Wir geben zunächst die Häufigkeit der Thematisierung des Auftretens der drei Satztypen an. Diese ist die folgende:
12
Angewendet wird sie dann in Teil 5.
32
Typ
1a
1b
2
Bd. 1
20
0
5
2
9
5
9
3
1
3
4
4
3
1
4
5
2
3
0
6
5
2
0
40
14
22
36
Tafel III: Thematisierung der drei Satztypen
Aus Tafel III ergibt sich unmittelbar ein erstes Merkmal des Inventars: Die Satztypen,
die von ausschließlich strukturellem Interesse sind (1a) und die Typen, die mit Bedeutung zu tun haben (1b und 2), treten in fast gleicher Häufigkeit der Thematisierung auf (40 bzw. 36), haben fast gleiches didaktisches Gewicht.
Wir betrachten zunächst die Bedeutungstypen. An Kategorien grammatischer Bedeutung figurieren als Hauptlehrinhalte (nämlich in 30 von 36 Fällen) die Kategorien
Tempus, Aspekt und Modus:
Tempus
Aspekt
Modus
Andere13
Bd. 1
2
3
0
0
2
7
4
0
3
3
5
2
0
0
4
1
0
4
0
5
0
0
0
3
6
0
0
2
0
15
9
6
6
Bed.
Tafel IVa: Thematisierung der grammatischen Bedeutungen
Auf die grammatischen Bedeutungen bzw. ihre Verkörperung gehen wir hier nicht
weiter ein und wenden uns stattdessen den bedeutungsfreien, „rein“ syntaktischen
Strukturen zu. Hinsichtlich ihrer Typen ist weiter zu differenzieren, auf einer ersten
Ebene zwischen Hauptsatz (HS), Nebensatz (NS) und Satzverbindung. Zentral hier
ist der HS. Dieser wird meist thematisiert als ganzer Satz („HS ganz“), manchmal nur
hinsichtlich eines seiner Elemente. Im ersten Fall ist unterschieden zwischen den
13
Als „Andere“ figurieren Relativsatzvarianten (4), emphatisches do (1) und “concord of gender between nouns and verbs” (1).
33
(pragmatischen) Kategorien Frage, Aussage und Befehl; in einem jeden dieser Fälle
zwischen Nicht-Negation und Negation. In Diagrammform:
(1)
/
Frage
/
\
+
–
reine Struktur
/
І
\
HS
NS
SVerb.
/
\
HSganz
HSElem.
І
\
Auss. Bef.
/
\ / \
+
– +
–
Im Lehrinhaltsinventar sind diese Strukturen in der folgenden Häufigkeit thematisiert:
Bd. 1
HSganz
HSEl.
21
0
0
0
4
0
0
14
NS
SVerb.
2
(5) 3
3
1
0
0
0
4
0
3
0
0
5
1
1
0
0
6
0
0
3
2
(28) 26
8
3
2
Tafel IVba: Thematisierung bedeutungsfreier Strukturen
Aus Tafel IVba ergibt sich, dass die thematisierten Strukturen unterschiedlichen didaktischen Gewichts sind: „HS ganz“ wiegt doppelt so schwer (26) wie die drei anderen Kategorien zusammen (13). Wir betrachten zuerst diese Hauptkategorie, „HS
ganz“.
Von „HS ganz“ figurieren in Band 5 “cleft sentence(s)”, in Band 3 “passive forms:
verbs with two objects”. Die restlichen 24 Vorkommen verteilen sich auf die Bände 1
und 2:
14
Von den fünf Repräsentanten des Typs 1a sind nur drei ganze Sätze (vs. z.B. the sooner the better).
34
Frage
/
\
Bef.
/
\
/
\
+
–
+
–
+
–
9
1
4
3
2
2
2
0
1
0
0
0
11
1
5
3
2
2
Bd. 1
2
Auss.
15
Tafel IVbb: Thematisierung der „HS ganz“-Strukturen
Zu klären ist nun, wie diese Verteilung in der Lehrinhaltsperspektive zu bewerten ist.
Dafür ist zunächst zu realisieren, welches didaktische Gewicht (in der G2/G1-Perspektive) die Strukturen jeweils haben. Dafür wiederum ist kriteriell, ob zum Ausdruck
kommt, dass das englische Verb seine Ursprungsposition, seriell gesehen das Satzende, nicht verlässt. Zum Ausdruck kommt dies eingeschränkt im Fragesatz, uneingeschränkt bzw. unzweideutig im mit not verneinten Satz:
(2)
Does he smoke?
(3)
He does not smoke.
(3)
AGRP
/
Spec
/
He
\
AGRP’
/
\
AGR
NegP
does
/
\
Spec
Neg’
/
\
Neg
VP
not
/
\
Spec
V’
\
smoke16
In jedem dieser beiden Fälle jedoch kommt die vom Deutschen verschiedene Position des Verbs zum Ausdruck, durch das Auftreten von do. In dieser Sicht stellt sich
die Gesamtheit der „HSganz“-Strukturen folgendermaßen dar:
(4)
A:
B:
15
16
+ Hilfsverb –
/
\
– do
+ Frage –
/
\
+ Neg –
+ Neg –
/
\
/
\
+ do
+ do
+ do
– do
1
2
3
4
Hier ist eines der beiden Items ein “question tag”, ohne Vollverb. Aus diesem Grund sehen wir in
seinem Fall keine (volle) Negation gegeben.
Während does in (3) in AGR (“Agreement”) steht, steht es in (2) in C, der Kopfposition des Satzes, der eine “Complementizer Phrase” ist.
35
In Worten: Der erste Unterschied ist der zwischen A-Sätzen, Sätzen mit Hilfsverben
(I’m here. Where is the register?) und B-Sätzen. Didaktisch (in der G2/G1Perspektive) sind die A-Sätze von geringem Gewicht: In ihnen steht das (Hilfs-)Verb
offensichtlich nicht in der Endposition. Anders die B-Sätze.
Auch zwischen ihnen gibt es jedoch Unterschiede, insgesamt gesehen die folgenden:
(5)
B1
Does he not smoke?
(2)
= (6)
B2
Does he smoke?
(3)
= (7)
B3
He does not smoke.
(8)
B4
He smokes.
Didaktisch am gewichtigsten sind hier die Sätze (5) und (7): Hinsichtlich der Verbposition sind sie eindeutig. Eine gewisse Aussagekraft hat Satz (6); ohne Aussagekraft
ist Satz (8). Nimmt man die A-Sätze hinzu, dann ergibt sich die Gewichtshierarchie
B1/B3 – B2 – B4 – A. In dieser Hierarchie figurieren die HS-Struktur-Thematisierungen wie folgt:
Hierarchie
HS-Them./Anzahl
B1/B3
B2
B4
A
6 (5, 1)
3
3
12
Tafel V: HS-Struktur-Thematisierungen
Unternimmt man es nun, das HS-Strukturinventar didaktisch zu charakterisieren, so
können dem zwei Fragen zugrunde gelegt werden:
1) Welche Teilmenge der Thematisierungen ist didaktisch gewichtig und 2) in welchem Maß erfassen die Thematisierungen die Gesamtheit der Phänomenausprägungen? Die Antwort auf 1) ist einfach: Von 24 Thematisierungen sind nur 9, ein
kleinerer Teil, didaktisch gewichtig (Tafel V). Für die Beantwortung von 2) unterscheiden wir zwischen einem HS-Kernbereich und einem erweiterten Bereich. Wir
befassen uns zunächst mit Ersterem.
Für die Konstituierung des Kernbereichs erscheint es plausibel, nicht nur SubjektPrädikat-Sätze anzusetzen, sondern gerade auch Sätze, in denen zwei grundlegende Spezifika des Englischen figurieren: sein Nicht-V2-Charakter und sein VO-Charakter. „Nicht-V2“ bedeutet, dass Flexionsmorphem bzw. Verb plus Morphem nicht in
der Strukturposition C, seriell damit nicht an zweiter Stelle stehen (anders als in dem
V2-Satz Heute kommt Hans).
In den Inventarsätzen (7) (He does not smoke) und (8) (He smokes) ist jedoch ebendies der Fall: does bzw. smokes stehen an zweiter Stelle. Die Sätze sind hinsichtlich
der Morphem- bzw. Verb plus Morphem-Position ambig, für den Lerner mit G1
Deutsch irreführend.17
17
Zur Struktur von (7) vgl. (3’).
36
Einbezogen werden sollten daher Sätze, deren Struktur bzw. Verbposition eindeutig
ist, Sätze mit initialem Adverb:
(9) Yesterday John did not win.
(10) Today John is working.
Eine systematische Einbeziehung solcher Sätze jedoch ist in LEGL nicht festzustellen.
Nicht einbezogen ist auch der Ausdruck des Englischspezifikums VO, „Objekt nach
Verb“:
(11) … that John bought the car.
(12) … dass Hans das Auto kaufte.
Für sich gesehen ist VO von geringem didaktischem Gewicht. Allerdings steht es im
Zusammenhang mit anderen Serialisierungen, z.B. der der Hilfsverben in komplexen
Prädikaten:
(13) … that John will have bought the car.
(14) … dass Hans das Auto gekauft haben wird.
Dies verleiht ihm größeres didaktisches Gewicht. Dass VO im LEGL-Inventar nicht
systematisch berücksichtigt ist, stellt ein weiteres Merkmal dieses Inventars dar.
Betrachten wir nun noch den erweiterten HS-Bereich. Im erweiterten Bereich ist von
HS kein einziger Typ berücksichtigt, so auch nicht Topikalisierungsfälle wie (15) und
(16):
(15) Proud of his success he will always be.
(16) Win the match, he certainly did.
Das Merkmal des erweiterten Bereichs ist „größere Komplexität“ der ihm angehörigen Sätze. Sie kann auch über den HS-Bereich hinaus, in „Satzgefügen“ (HS plus
NS), als didaktisch relevant gesehen werden. An solchen enthält das Inventar im
Wesentlichen “cleft sentences” (It was my sister who he married) und die Typen Do
you mind me telling you …? (Gerund) und He was the last to arrive bzw. He wants
me to go (Infinitiv).
Insgesamt lässt sich feststellen: Das LEGL-Inventar der Lehrinhalte enthält eine
Überzahl an semantisch-(vs. „rein“) syntaktischen Phänomenen und eine Überzahl
an Phänomenen, die irrelevant sind, da nicht G1-divergent und/oder nicht G2-zentral.
Die Thematisierung rein syntaktischer Phänomene erstreckt sich nicht über die Bände 1 und 2 hinaus. Wäre man bereit, die restliche Zeit auch nur teilweise für die Weiterführung von Syntaxvermittlung zu nutzen, könnte man eine Anzahl von Phänomenen höheren Anspruchs vermitteln, z.B. Sätze wie (17) und (18):
(17) What does it seem that he will buy?
(18) This picture is too ugly to look at.
Das Postulat, Sätze dieses Niveaus in einem sechsjährigen Gymnasialkurs (Lehrbuchphase) zu vermitteln, kann wohl kaum als überzogen gelten.
37
3.
Zur Erstellung adäquater Inhaltsinventare
3.1.
Die linguistische Grundlage
3.1.1. „Generative Grammatik“
Die „generative“ Grammatik ist die für den gegebenen Zweck optimale.18 Relevant ist
jedoch, dass mit „generativ“ nur eine Grammatikkategorie bezeichnet ist, es für unseren Zweck jedoch eines bestimmten Grammatik„modells“ bedarf.
An solchen Modellen (auch „Theorien“ genannt) wurden von N. Chomsky, als Schritte der Entwicklung des “generative enterprise”, einige vorgelegt.
Als erstes Modell zu nennen ist hier die Standard Theory (Aspects of the Theory of
Syntax, 1965).19 Diese wurde modifiziert zur Extended Standard Theory (Deep Structure, Surface Structure and Semantic Interpretation, 1970). Eine grundlegende Neuerung brachte dann der Principles and Parameters-Ansatz bzw. das Government and
Binding-Modell (Lectures on Government and Binding, 1981).
Eine wiederum grundlegende Neuerung wurde dann 1995 vorgelegt, mit The Minimalist Program.20 Relevant ist nun hier, dass Chomsky 1995 seinem eigenen Anspruch nach keine „Theorie“ bzw. kein „Modell“, sondern eben ein „Programm“ präsentiert. Die Bedeutung von „Programm“ wurde allerdings kontrovers gesehen: In einer Sicht liegt sie auf der Objektebene, besagt, dass Minimalismus eine Theorie ist,
die noch in the making ist (Boeckx 2006: 6); in einer anderen Sicht liegt sie auf der
Metaebene. In dieser Sicht ist „Programm“ etwas, das “allows researchers to make
maximal use of their creativity […], […] makes room for multiple, not necessarily mutually consistent or compatible perspectives …” (2006: 6).
Rekurriert man auf Chomsky selbst, ist die erstgenannte Sicht plausibler. Auch bei
ihrer Annahme jedoch ist klar, dass das Minimalist Program, als Theorie erst in the
making, unseren Überlegungen nicht zugrunde gelegt werden kann. Zugrunde gelegt
werden kann ihnen nur das Government and Binding-Modell (unter Einschluss einiger minimalistischer Einzelvorstellungen). Die hier relevanten Aspekte dieses Modells legen wir im Folgenden dar.
3.1.2. Aspekte des Government and Binding-Modells
Die hier relevanten Aspekte des Government and Binding (GB)-Modells sind sein
Gehalt („Prinzipien und Parameter“) sowie Elemente seiner Gestalt.
Der Gehalt des Modells ist die Sicht, dass die Grammatik natürlicher Sprachen die
jeweilige Spezifierung einer (genetisch fixierten) „Universalgrammatik“ (UG) ist. Diese
Spezifizierung ist möglich, weil die UG nicht nur allgemeingültige Regularitäten aufweist (die Prinzipien), sondern in einigen Hinsichten auch „parametrisiert“ ist, die
Wahl lässt zwischen unterschiedlichen Strukturen. Die Grammatik einer bestimmten
18
19
20
Vgl. dazu oben, Abschn. 1.
In den Vorgängerwerken, Syntactic Structures (1957) und The Logical Structure of Linguistic
Theory (1955, publiziert 1975 bzw. 1985), wurde ein (Kompetenz-)Modell-Anspruch explizit noch
nicht erhoben.
Vorbereitet wurde dieses Werk von A Minimalist Program for Linguistic Theory (1992). Zu einer
Auflistung der Folgewerke vgl. die Bibliographien in Grewendorf (2002), Hornstein et al. (2005),
McGilvray (2005).
38
Sprache konstituiert sich dann dadurch, dass jeweils eine bestimmte Wahl getroffen
ist, die Parameter eine jeweils bestimmte „Setzung“, „Fixierung“, aufweisen. “Possible variations are conceived as parameters, and […] the grammar of any single language will be characterized by the use of a particular setting for each one of these
parameters” (Trask 1999: 108).
Damit sind wir bei den hier relevanten Gestaltelementen. Um diese als solche verstehbar zu machen, nennen wir zunächst Grundzüge des Gesamtmodells.21 Solche
Grundzüge sind 1), dass das Modell mehrere Repräsentationsebenen umfasst, und
2), dass für die Repräsentationen auf diesen Ebenen bestimmte Restriktionen gelten,
zum einen für Repräsentationen als jeweils solche, zum anderen für die Beziehung
zwischen jeweils zwei Repräsentationen. Wir betrachten zunächst 1) und rekurrieren
dazu auf die Darstellung in Chomsky / Lasnik 1993. Sie präsentiert die folgenden
Ebenen in folgendem Zusammenhang (511, (4)):
(19)
D – str.
PF
Lexicon
S – str.
LF
(PF: Phonetic Form, LF: Logical Form, D-structure: eine bestimmte Art von Tiefen-,
S-structure: von Oberflächenstruktur.22)
Syntaktisch im engeren Sinn sind die drei Ebenen der Vertikalen. Der Zusammenhang zwischen ihnen ist, dass die Repräsentationen auf D-structure bzw. auf LF, den
beiden “interface levels”, durch die S-structure-Repräsentation in Beziehung gesetzt
werden, “in the manner specified in UG” (511). Die S-structure ist darüber hinaus “the
least abstract level of syntactic structure” (Matthews 1997: 351). Demgegenüber ist
LF “(t)he most abstract representation of a sentence” (212). Gleichzeitig entstehen
die LF-Repräsentationen aus Bewegungen von S-structure-Elementen, die universal
sind. Aus diesen Gründen kann in einer reduzierenden (hier gewünschten) Betrachtungsweise die Bezugnahme auf LF unterbleiben.23 Damit figurieren als syntaktisch
im engsten Sinne nur die D- und S-structure-Ebenen. Ihnen bzw. den für sie geltenden Restriktionen wenden wir uns nun zu.
2): Die für den D-/S-Bereich hier relevanten Restriktionen sind die „x-bar-Theorie“,
das Prinzip „Bewege α“ und die „Kasustheorie“. Die x-bar-Theorie bestimmt die
21
22
23
Gesamtdarstellungen in Fanselow / Felix (1987), Haegeman (1991), Webelhuth (1995).
Matthews (1997): “D-structure … in origin an initial structure from which structures at other levels
were derived” (106). – “S-structure. The least abstract level in Government and Binding Theory.
Derived … from the notion of surface structure” (351).
Vgl. auch Fanselow / Felix (1987), Bd. 2: „Wir sehen also, dass wh-Phrasen … universal in allen
Sprachen auf LF in eine prä-IP-Position bewegt werden. Demgegenüber unterscheiden sich
Sprachen u.a. darin, ob die genannten Elemente bereits auf der S-Struktur bewegt werden …“
(198).
39
Struktur aller Phrasen (damit auch von Sätzen); „Bewege α“ erlaubt die Ableitung,
durch Bewegung von Konstituenten, von S- aus D-Repräsentationen; die Kasustheorie bestimmt, auf der S-Ebene, die Kasusverhältnisse. Im Einzelnen:
Die x-bar-Theorie verlangt, dass eine jede syntaktische Kategorie (N, V, A und P sowie AGR und C24) in der Form einer Phrase auftritt und dass diese eine bestimmte
Konfiguration hat, mit Positionen für den „Kopf“ (die syntaktische Kategorie selbst),
den “Specifier” und das „Komplement“. Diese Konfiguration ist die folgende:
(20)
VP
/
\
Spec
V’
/
\
V
NP
(20) zeigt, dass Kopf und Komplement auf der gleichen Hierarchiestufe stehen, der
“Specifier” eine Stufe höher. Relevant ist schließlich noch, dass Phrasen Parameter
enthalten, Parametrisierung erlauben: In der VP z.B. kann der Kopf dem Komplement auch nachfolgen: NP V (“Head Parameter”).
„Bewege α“ ist das Prinzip, das der „wh-Bewegung“ zugrunde liegt, der Bewegung
von Frageelementen (und von Phrasen).25 „Bewege α“ besagt, dass irgendetwas irgendwohin bewegt werden kann. Diese Möglichkeit ist allerdings restringiert, durch
das Zyklizitätsprinzip, das Prinzip, dass „syntaktische […] Regeln von „unten nach
oben“ (operieren), d.h. […] bei der zutiefst eingebetteten zyklischen Domäne (einsetzen) und […] dann über der nächst höher liegenden zyklischen Domäne (operieren)“
(Bußmann 2002: 770). Wh-bewegte Konstituenten gehen nach SpecC, der Specifierposition der Complementizer Phrase. Für den Satz Who hates Mary? (Bewegung
von who) gelten damit die folgenden Sachverhalte:
(21)
CP
/
Spec
who
\
C’
/
C
/
Spec
(who)
24
25
\
AGRP
\
AGR’
/
AGR
\
VP
/
\
Spec
V’
((who)) / \
V
NP
hates
Mary
Noun, Verb, Adjective und Preposition sowie Agreement und Complementizer.
Eine eingängige Darstellung der wh- (sowie auch der anderen) Bewegungen in Fanselow / Felix
1987: 114-201.
40
In (21) ist who aus seiner D-strukturellen Spec-V-Position nach SpecC gegangen.26
Ein spezielles Bewegungsmuster gilt für das Verb: Die kanonische Position von hates ist ARG. In diese geht es jedoch erst nach der Realisierung der S-Struktur (und
deren Überführung in die PF-Repräsentation), nach “Spell-Out”.
Betrachten wir nun noch die Kasustheorie. Ihr Kern ist die Bestimmung, dass jede
NP Kasus tragen muss. Kasus wird zugewiesen, durch syntaktische Kategorien, in
einer bestimmten Konfiguration (dazu Fanselow / Felix 1987: 62-76). Zu verstehen ist
zugewiesener Kasus zunächst als „abstrakter“, keinen Ausdruck seiner Identität aufweisender, auf einer zweiten Ebene dann als formal identifizierter.
Kasuszuweisung ist zweifach parametrisiert: 1) hinsichtlich des erlaubten Abstandes
zwischen Zuweiser und Empfänger („Adjazenz“) und 2) hinsichtlich der Abfolge von
Zuweiser und Empfänger.
3.2.
Inventarerstellung in der Government and Binding-Perspektive
3.2.1. Zur GB-Sicht des G2-Erwerbs
An dieser Stelle muss skizziert werden, wie sich G2-Erwerb, speziell die Interpretation einer L2-Äußerung, eines G2-„Datums“, in der Sicht des GB-Modells darstellt.27
Als Modell des Interpretationsvollzugs übernehmen wir das Schwartz / Sprousesche
Modell Full Transfer / Full Access (FT/FA).28
Da FT/FA-Modell besagt, dass die Interpretation bzw. Erschließung der Struktur einer
L2-Äußerung mittels zweier Strategien möglich ist, mittels Transfers aus der G1 und
mittels Rekurses auf die UG. Von diesen Strategien ist Transfer die vom Lerner bevorzugte.29 Ihre Anwendbarkeit hängt jedoch ab von der Erfülltheit einer Bedingung,
von der Gegebenheit eines G1-Satzes, der mit der L2-Äußerung (weitgehend) oberflächenidentisch ist, die (weitgehend) gleiche Abfolge der Lexeme aufweist. Ist dieser
Sachverhalt gegeben, wird der L2-Äußerung die Struktur des G1-Satzes zugeschrieben, diese Struktur auf die L2-Äußerung „transferiert“. Das in Frage stehende G2Fragment ist damit erschlossen. Ist eine G2-Erschließung mittels Transfers nicht
möglich, so geschieht sie mittels Rekurses auf die UG, auf UG-Sachverhalte.30 Dabei
muss erkannt werden, dass der L2-(Oberflächen-)Divergenz einer L2-Äußerung von
einem jeden G1-Satz zugrunde liegt, dass die L2/G2 eine spezifische Fixierung des
relevanten UG-Parameters aufweist. Ist dies erkannt, dann ist das in Frage stehende
G2-Fragment erschlossen.
Nach diesen Vorstellungen vollzieht sich die Erschließung durch den deutschen Lerner von beispielsweise (22), the old car, und (23), that John bought the house, wie
folgt:
26
27
28
29
30
Relevant ist hier, dass alle lexikalischen Elemente (so die Standardannahme) in VP generiert
werden.
Dies deshalb, weil der Interpretationsapparat des Lerners grundsätzlich autonom ist und damit
jede Vermittlung, will sie nicht dogmatisch sein, sich auf ihn hin zu orientieren hat.
Vgl. dazu Schwartz / Sprouse (1996). Eine Einordnung dieses Modells in die Menge vergleichbarer Modelle: White (2000).
Dies, wenn man (plausiblerweise) annimmt, dass sich der Lerner bei Gegebenheit von Repräsentationssystemen unterschiedlicher Abstraktheit vorzugsweise / zunächst auf das wenigst abstrakte bezieht.
Dass diese Möglichkeit uneingeschränkt besteht, wird ausgedrückt durch “full” (access (to UG)).
(Bezogen auf Transfer bedeutet “full”, dass die gesamte G1 für diesen zur Verfügung steht.)
41
Im Fall (22) findet sich ein G1-Ausdruck, auf den positiv Bezug genommen werden
kann, (22 G1), das alte Auto. Dieser hat die folgende Struktur:
DP31
(22 G1’)
/
Spec
\
D’
/
\
D
NP
das
/
\
(the) Spec N’
alte
\
(old)
N
Auto
(car)
(22 G1’) wird nun (22), dem Ausdruck the old car, zugeschrieben. Dessen tatsächliche Struktur (in (22 G1’) in Klammern angegeben) ist damit gefunden, das G2Fragment erschlossen.
Anders der Fall (23). Für that John bought the house findet sich ein G1-Satz, auf den
Bezug genommen werden kann, jedoch nur mit negativem Ergebnis, Verschiedenheit feststellend: (23 G1), dass Hans das Haus kaufte. Transfer ist hier nicht möglich,
notwendig daher UG-Rekurs. Mittels seiner muss bought the house erschlossen
werden, die Abfolge Verb-Objekt (VO). Die Erschließung nun geschieht dadurch,
dass erkannt wird, dass VO der Ausdruck der L2/G2-Fixierung des (UG-)Kopfparameters ist, dass die VP im Englischen nicht kopffinal, sondern kopfinitial ist. Ist VO
als Ausdruck von Parameterfixierung erkannt, dann ist die Grammatik von (that John)
bought the car erschlossen.
In Erinnerung zu rufen ist hier, dass die Erschließung von (22) und (23), von G2 Englisch durch Lerner mit G1 Deutsch, sprachenpaarspezifisch ist, die GB-Sicht des G2Erwerbs aber allgemeine Geltung beansprucht. Damit bestimmt sie den G2-Erwerb
im Falle eines jeden G2/G1-Paares, im Falle von Russisch / Englisch wie von
Deutsch / Japanisch. Die Erwerbsmöglichkeiten /-erfordernisse in einem gegebenen
Fall hängen ab von der Relation zwischen den gegebenen Sprachen.
3.2.2. Zur Adäquatheit von Inhaltsinventaren
Angenommen wurde, dass oberste Kriterien bei der Erstellung adäquater Lehrinhaltsinventare G2-Zentralität und G1-Divergenz sind; dargelegt wurde, wie sich diese
Annahme in der GB-Sicht des G2-Erwerbs implementiert. Im Folgenden fassen wir
diese Darlegung zusammen (und vervollständigen sie).
Kommen wir zunächst zurück zu G2-Zentralität. G2-Zentralität wurde oben (3.1.2)
strukturell definiert, als Bereich der Repräsentationen auf den Ebenen S bzw. D.
Nicht-zentral ist damit der Bereich der Ebene LF und ihrer Repräsentationen, speziell
deren Skopuseigenschaften. Wir illustrieren dies anhand der Sätze (24):
(24 a)
John did not score many goals.
(24 b)
Many goals were not scored by John.
31
DP steht für “Determiner Phrase”.
42
Relevant ist hier, dass sich die Skopusbeziehungen zwischen not und many in den
beiden Sätzen unterscheiden: In (24 a) hat not Skopus über many, in (24 b) ist es
umgekehrt. Für die Repräsentation auf LF kann dies folgendermaßen ausgedrückt
werden:
(24 a’) It is not the case: John scored many goals.
(24 b’) For many goals it is the case: John did not score them.
Die Repräsentation (24’) sind abstrakter als die Repräsentation (24). Gleichzeitig
enthalten sie diesen gegenüber kein Mehr an Information: Die Skopusbeziehungen
zwischen not und many werden auch in (24) ausgedrückt (somit auf der S-Ebene),
durch die Positionen von not und many. Damit sind Skopus- (und vergleichbare)
Sachverhalte strukturell gesehen nicht-zentral.
Der strukturellen Nicht-Zentralität lässt sich eine statistisch begründete hinzufügen.
Unter sie fallen Repräsentationen, deren (S-)Struktur der im heutigen Englisch üblichen („kanonischen“) entgegensteht. Beispiele dafür sind (25) und (26):
(25) heir presumptive
(26) Had he arrived in time, …
In den Fällen (25) und (26) liegen Parameterfixierungen vor, die im heutigen Englisch
nicht-kanonisch sind: (25) ist kopfinitial statt -final, (25) ist V2 (Verb zweit) statt NichtV2. Fälle wie (25) und (26) sind relativ selten. Darüber hinaus fungieren einige, wie
(26) als (markierte) stilistische Varianten kanonischer Strukturen (If he had come …).
Damit sind nicht-zentral Strukturen wie die genannten (GB-)grammatisch begründeten und die genannten statistisch begründeten. Es kommt hinzu, in der hier vertretenen rein syntaktischen Sicht, ein Teil der Strukturen mit semantisch-syntaktischem
(Tempus-, Modus-) Gehalt. Zentral sind dann alle vorstehend nicht genannten Strukturen.
Betrachten wir nun noch G1-Divergenz. G1-Divergenz wird verstanden als G2-Unterschied von G1 in puncto Fixierung von Parameterwerten. Bei genauerer Betrachtung
bedürfen G2/G1-Unterschiede einer für die Erwerbbarkeit relevanten Differenzierung.
Unterschieden werden muss zwischen zwei Kategorien von Parameterfixierungen
bzw. -werten, den „unmarkierten“ und den „markierten“. „Unmarkiert“ ist ein Wert,
wenn er der „nächstliegende“ ist, wenn seine Fixierung strukturell gesehen den geringsten Aufwand erfordert (z.B. weil sie innerhalb der „lokalsten“, kleinstmöglichen,
syntaktischen Domäne liegt). „Markiert“ ist dann ein Wert, auf den dies nicht zutrifft.
Erwerbsrelevant ist dies unter der Annahme, dass “learners always make the minimal
assumptions …which they extend, instead of the maximal assumptions which they
restrict” (Johnson / Johnson 1998: 311). Ein markierter G2-Wert bei Gegebenheit des
unmarkierten G1-Wertes sollte leichter / besser erwerbbar sein als ein G2-Wert in der
entgegengesetzten Konstellation. (Bei G2/G1-Gleichheit der Werte ist diese Vorstellung natürlich gegenstandslos.)
Die vorstehenden Aussagen verstehen sich, wie gesagt, als allgemeingültig, gültig
für jedes Sprachenpaar. Im nächsten Abschnitt werden wir sie in einem gewissen
Umfang konkretisieren für das Sprachenpaar G2 Englisch / G1 Deutsch.
43
4.
Ein adäquates (Teil-)Inventar der G2 Englisch bei G1 Deutsch
Wir präsentieren nun ein Teilinventar von Lehrinhalten für die Vermittlung von Englisch an Schüler mit der Muttersprache Deutsch. Ein Teilinventar ist das Inventar in
der folgenden Weise: Es enthält alle Kernsachverhalte (vgl. 4.1.1.1, 4.1.1.2 und
4.1.2.1), nicht jedoch Sachverhalte, die, als syntaktische, lexikalisch bestimmt und
somit „lernbar“ sind (He expects her to come). Es enthält ferner keine Sachverhalte,
deren Einbeziehung zwar wünschenswert, aber nicht zwingend ist (und nur im jeweils speziellen Fall des Verfassens eines Lehrwerks begründet werden kann).
4.1.
Relevante Struktursachverhalte
Als relevant gesehen werden hier, gemäß unserer Grundannahme, Sachverhalte, die
G2-zentral und G1-divergent sind. An solchen thematisieren wir zunächst Phrasenstruktursachverhalte. Wir beginnen mit Sachverhalten der Phrasenstruktur des Kernsatzes.
4.1.1. Phrasenstruktursachverhalte
• Die Phrasenstruktur des Kernsatzes
Ein „Kernsatz“ ist hier ein (Aussage-)Satz im Aktiv, mit den Satzteilen S und V. Beispiele sind die Sätze (27):
(27 E)
John disappeared.
(27 D)
Hans verschwand.
Relevant ist hier, dass die beiden Sätze strukturell verschieden sind: Der englische
Satz ist eine Agreement Phrase, der deutsche eine Complementizer Phrase:
(27 E’)
/
Spec
John
(27 D’)
AGRP
\
AGR’
/
AGR
disapp.
\
VP
/
\
Spec
V’
(John)
\
V
(disapp.)
CP
/
Spec
Hans
\
C’
/ \
C
AGRP
verschw. /
\
Spec
AGR’
/
\
(Hans)
AGR
VP
(verschw.)
/
\
Spec
V’
((Hans))
\
V
((verschw.))
44
Dass dieser Unterschied zwischen den Sätzen besteht, zeigt sich bei einer Erweiterung durch ein satzinitiales Adverb:
(28 E)
Yesterday John disappeared.
(28 D)
Gestern verschwand Hans.
Im Deutschen bleibt das Verb hier an zweiter Stelle: Deutsch ist „V2“ (Verb zweit).
Englisch ist „Nicht-V2“ bzw. „V3“. Strukturell:
(28 E’)
AGRP
/
Spec
Yesterday
\
AGR’
/
AGR
\
AGRP
/
Spec
John
(28 D’)
\
AGR’
/
\
AGR
…
disapp.
CP
/
Spec
Gestern
\
C’
/
\
C
AGRP
verschw. /
\
Spec
…
Hans
Relevant ist hier, dass es im Deutschen (mit SpecC und SpecAGR) zwei Subjektpositionen gibt. Damit kann eine von ihnen, die Spitzenposition des Satzes, vom Adverb besetzt werden. Das Verb steht dabei, wie im nicht-erweiterten Satz, in C, damit
an zweiter Stelle. Im englischen Satz, bei nur einer Subjektposition, ist dies nicht
möglich. Eine Position für das Adverb muss hier erst geschaffen werden. Dies geschieht durch „Adjunktion“ einer (zweiten) AGRP. Die ursprüngliche AGRP bleibt davon unberührt, das Verb bleibt in seiner Position. Im erweiterten Satz steht es damit
an dritter Stelle.
In bestimmten Fällen, in Fragesätzen mit Hilfsverben, findet sich V2 auch im Englischen (Will he come? (vs. *Comes he?)). Im Normalfall jedoch ist der englische Kernsatz V3.
• Strukturen der Verbphrase
Thematisiert wird die VP hier unter zwei Blickwinkeln, unter dem der Kookurrenz von
Verb und einem bzw. zwei Objekt(en) und unter dem des Auftretens, zusätzlich zum
Verb, eines oder mehrerer Hilfsverben. Wir beginnen mit dem V/O-Blickwinkel und
betrachten zunächst VPs mit nur einem Objekt:
(29 E)
…that John bought the chair.
(29 D)
… dass Hans den Stuhl kaufte.
Die Sätze zeigen, dass im Englischen das Verb in der Anfangsposition steht, Englisch „VO“ ist, Deutsch dagegen „OV“.
45
Strukturell:
(29 E’)
V’
/
V
bought
(29 D’)
\
O
the chair
V’
/
\
O
den Stuhl
V
kaufte
Wichtig sind hier die Kasussachverhalte: chair und Stuhl haben die gleiche „semantische Funktion … (als) ‚Mitspieler‘ in der durch das Verb bezeichneten Situation“
(Bußmann 2002: 697), tragen die gleiche Theta-Rolle (Theme). Da Theta-Rollen
durch Kasus ausgedrückt werden, sollten sie auch den gleichen (als solchen identifizierbaren) Kasus tragen, Akkusativ. Stuhl tut dies offensichtlich, chair offensichtlich
nicht. Was chair trägt, ist (nur) der nicht weiter spezifizierte Kasus des (Einzel-)Objekts, der „Objektkasus“. Erhärtet wird diese Sicht durch Fälle wie (30):
(30 E)
John helped the man.
(30 D)
Hans half dem Mann.
Im Deutschen trägt das Objekt, entsprechend seiner Theta-Rolle (Beneficiary), den
Dativ. Im Englischen verhält es sich anders: Ein Kasus, der als Dativ zu identifizieren
wäre (was hier, anders als in He gave the dog a bone, nur morphologisch begründet
sein könnte) ist hier nicht gegeben: Was man trägt (wie chair) ist der Objektkasus.
Damit ist festzustellen, dass im Englischen das Objekt in einer Phrase mit monotransitivem Verb durchwegs Objektkasus trägt, im Deutschen jedoch, abhängig vom
Verb, entweder Akkusativ oder Dativ.
Betrachten wir nun noch Phrasen mit ditransitiven Verben bzw. mit zwei Objekten
(oder „Doppelobjekt“). Möglich sind hier, rein strukturell gesehen, zwei Objektabfolgen:
(31 D/1)
… dass Hans dem Hund einen/den Knochen gab.
(31 D/2)
… dass Hans den Knochen dem/einem Hund gab.
Die Abfolgen unterscheiden sich jedoch in puncto Markiertheit: (31 D/2) ist der markierte Fall, der Fall, der nur unter speziellen Bedingungen legitimiert ist. Diesen Fall
lassen wir hier beiseite. Wir betrachten den unmarkierten Fall:
(31 D)
… dass Hans dem Hund einen/den Knochen gab.
(31 D)
… that John gave the dog a/the bone.
Für die VPs in (31) wurde eine Reihe von Strukturvorschlägen gemacht. Von diesen
übernehmen wir hier (ohne dies, im gegebenen Rahmen, zu begründen) den Vorschlag, die VP des einen Verbs give zu sehen als sich zusammensetzend aus den
VPs zweier Verben, den Verben V1 und V2 (vgl. dazu Weigl 2002). Die Strukturen
der VPs (31) sind dann die folgenden:
46
(31 D/1’)
V1P
/
Spec
Hans
(31 E’)
\
V1’
/
\
V1
V2P
/
\
Spec
V2’
dem H. /
\
DP
V
einen K. gab
V1P
/
Spec
John
\
V1’
/
\
V1
V2P
gave
/
\
Spec
V2’
the dog
/
\
V2
DP
(gave)
a bone
(31’) besagt, dass die beiden Objekte innerhalb der V2P generiert werden, das Objekt mit der Theta-Rolle Theme in der kanonischen Objekt-, der Komplementposition,
das Beneficiary-Objekt in der Specifier-Position.
Die Kasussachverhalte hier sind wie folgt: Allgemein werden die Theta-Rollen Beneficiary und Theme durch Dativ bzw. Akkusativ zum Ausdruck gebracht.32 Dass dies
im Deutschen so ist, ist evident: Dativ (dem) und Akkusativ (einen) sind, jeweils für
sich, unmittelbar identifizierbar. Im Englischen verhält es sich anders: Aufgrund des
Fehlens von Morphemen kann (in isolierender Sicht) der Kasus keines der beiden
Objekte als Dativ bzw. Akkusativ gesehen werden, sondern ein jeder nur als Objektkasus. Anders, wenn man die beiden Objekte als Einheit („Doppelobjekt“) in den
Blick nimmt. Wirksam wird dann, dass ihre Theta-Rollen, wenn sie gemeinsam auftreten, dies in einer bestimmten Abfolge tun: Beneficiary vor Theme. Da nun Beneficiary durch den Dativ ausgedrückt wird, Theme durch den Akkusativ, sind die Kasus
der beiden Objekte aufgrund der Objektabfolge identifizierbar: Der Kasus des ersten
Objekts ist Dativ, der des zweiten Akkusativ.
Damit sind wir bei der Betrachtung des Syntagmas Verbphrase plus Hilfsverb(en),
von Fällen wie (32):
(32 E)
… that he has bought the chair.
(32 D)
… dass er den Stuhl gekauft hat.
Relevant ist hier, dass das Hilfsverb (HV) dem Verb im Englischen vorausgeht, im
Deutschen ihm folgt.33 Veranlasst ist dies durch die Gegebenheit von VO im Englischen und OV im Deutschen: Realisiert man, dass HV nicht zwischen V und O stehen kann, aus Erfordernissen der Kasuszuweisung, dann kann es nur neben V oder
neben O stehen. O-Nachbarschaft jedoch scheidet aus, aus kategorial-funktionalen
32
33
In John helped the man ist dies, wie gezeigt, aus Englisch-spezifischen Gründen nicht der Fall.
Auf die graphische Darstellung der Struktur(en) wird hier (und im Rest dieses Abschnittes) verzichtet.
47
Gründen (das Hilfsverb „gehört zum“ Verb). Damit sind ungrammatisch die Fälle (32´)
(Kasuszuweisung) und (32´´) (Funktionalität):
(32 E’) *… that he bought has the chair.
(32 D’) *… dass er den Stuhl hat gekauft.
(32 E’’) *… that he bought the chair has.
(32 D’’) *…dass er hat den Stuhl gekauft.34
Grammatisch ist im Englischen allein HV V O (32 E), im Deutschen, spiegelbildlich
dazu, allein O V HV (32 D).
Daran ändert sich nichts, wenn nicht ein HV, sondern mehrere auftreten:
(33 E)
… that he will have bought the chair.
(33 D)
… dass er den Stuhl gekauft haben wird.
(34 E)
… that he will have been buying the chair.
(34 D)
…dass er den Stuhl kaufend gewesen sein wird.
Bezeichnet man hier das Objekt mit 0 (Null), das Verb mit 1, und die HVs mit wachsender Entfernung vom Verb mit höheren Zahlen, dann sind die Abfolgen die folgenden:
(34 E’) 4 3 2 1 035
(34 D’) 0 1 2 3 4
Spiegelbildlichkeit auch hier, im Falle höchster Komplexität.
4.1.2. Bewegungssachverhalte
Wir befassen uns nun mit Bewegungen, mit Vorgängen, die D-Struktur-Repräsentationen in ihre S-Struktur-Entsprechungen überführen. An solchen Bewegungen wird
zunächst thematisiert die (Verb-)Bewegung im Kernsatz, danach zwei Bewegungen
außerhalb des Kernsatzes, die Topikalisierungs- und die Passivierungsbewegung.
• Die (Verb-)Bewegung im Kernsatz
Im Kernsatz bewegen sich (wie in anderen Sätzen) Subjekt und Verb. Die Subjektbewegung ist unproblematisch. Im Fokus des Interesses steht daher hier die Verbbewegung.
Wir illustrieren die beiden Bewegungen anhand von Satz (35):
(35) Jean arrive.
34
35
(32 D’’) wäre grammatisch (nur) im Hauptsatz. Im Englischen besteht zwischen Neben- und
Hauptsatz kein Unterschied.
4: will, 3: have, 2: been, …; …, 2: gewesen, 3: sein, 4: wird.
48
Strukturell:
(35’)
AGRP
/
Spec
Jean
\
AGR’
/
AGR
arrive
\
VP
/ \
Spec
V’
(Jean)
\
V
(arrive)
(35’) erklärt sich wie folgt: Jean und arrive können nicht an ihren Ursprungspositionen bleiben. Dies deshalb, weil eine Überprüfung der formalen Kongruenz von Subjekt und Verb erforderlich ist und diese Überprüfung nur in AGRP erfolgen kann.36
Jean geht deshalb nach SpecAGR (von Spec zu Spec), arrive nach AGR (von Kopf
zu Kopf). Dies ergibt die S-Repräsentation Jean arrive (oberflächenidentisch mit der
D-Repräsentation).
Wir betrachten nun die Verhältnisse im Englischen und im Deutschen, die im Fragesatz (2) und die im Aussagesatz, speziell die im (mit not/nicht) verneinten (1.1) und
die im nicht-verneinten (1.2). Wir beginnen mit (1.1).
Im Englischen einschlägig sind hier Sätze wie (36 E):
(36 E1) … that he does not go.
(36 E2) He does not go.
Strukturell (der in den beiden Sätzen relevante Teil):
(36 E’)
AGRP
/
\
Spec
AGR’
he
/
\
AGR
NegP
do s
/
\
Spec
Neg’
/
\
Neg
VP
not
/
\
Spec
V’
(he)
\
V
go (s)
Entscheidend ist hier, dass nach AGR nur die Verbendung E geht (und dort mit Hilfe
von do realisiert wird). Das Verb selbst (V) bleibt in der V-Position: Gegeben ist
Nicht-Bewegung bzw. Nicht-Beweglichkeit des Verbs.37
Die einschlägigen deutschen Sätze sind (36 D):
36
37
Genau genommen müssen kongruieren das Subjekt und die Verbendung.
Erklärt wird dies damit, dass die Beweglichkeit von der Stärke der agreement features abhänge
und das englische Verb schwache features habe.
49
(36 D1) … dass er nicht geht.
(36 D2) Er geht nicht.
Im Hauptsatz hat sich das Verb (plus Endung) bewegt, im Nebensatz nicht. Kongruenzüberprüfung ist damit möglich im Hauptsatz, nicht aber im Nebensatz:
(36 D1’)
\
AGRP
/
Spec
er
\
AGR’
/
AGR
\
NegP
/
Spec
\
Neg’
/
Neg
nicht
\
VP
/
Spec
(er)
\
V’
\
V
geht
Hier befindet sich das Verb (einschließlich Endung) in der S-Repräsentation nicht in
AGR. Da es dorthin aber gehen muss, ist geschlossen worden, dass dies nach dem
Ableitungs„zeitpunkt“ Spell-Out geschieht, nach der “operation which distinguishes
the PHONETIC REPRESENTATION within a STRUCTURAL DESCRIPTION from
other kinds of information” (Crystal 2006: 429).38
Insgesamt finden sich damit in den S-Repräsentationen verneinter Aussagesätze die
folgenden Bewegungssachverhalte (V: Verb, E: Endung):
E
D
NS
HS
V-E+
VE-
V-E+
VE+
Tafel VIa: Bewegung in verneinten Aussagesätzen
Für den nicht-verneinten Aussagesatz (1.2) kann angenommen werden, dass das
Verhalten seiner Verben den gleichen Prinzipien folgt wie das der Verben im verneinten Satz. Für das Englische heißt dies, dass sich das Verb vor Spell-Out weder im
Neben- noch im Hauptsatz bewegt:
(37 E1) … that John arrives.
(37 E2) John arrives.
38
Das Konzept Spell-Out ist ein minimalistisches.
50
(37 E’)
AGRP
/
Spec
John
\
AGR’
/
AGR
\
VP
/
\
Spec
V’
(John)
\
V
arrives39
Im Deutschen bewegt sich das Verb wieder im Hauptsatz, nicht jedoch im Nebensatz:
(37 D1) …dass Hans ankommt.
(37 D2) Hans kommt an.
Insgesamt finden sich damit in den nicht-verneinten Aussagesätzen die folgenden
Bewegungssachverhalte:
E
D
NS
HS
VEVE-
VEVE+
Tafel VIb: Bewegung in nicht-verneinten Aussagesätzen
Betrachten wir schließlich noch den Fragesatz (2), zunächst den englischen:
(38 E1) …if he writes.
Hier kann angenommen werden, dass vor Spell-Out keine Bewegung stattfindet. Das
Gleiche gilt für das Deutsche:
(38 D1) … ob er schreibt.
Im Hauptsatz verhält es sich wiederum anders:
(38 E2) (Why) does he write?
Strukturell:
(38 E2’)
CP
/
Spec
(why)
39
\
C’
/
C
do s
\
AGRP
/
\
Spec
AGR’
he
/
\
AGR
VP
(do s)
/
\
Spec
V’
(he)
\
V
write ((s))
Die Richtigkeit dieser Analyse wird bestätigt durch Sätze wie (1) John does write und (2) He often
goes. In (1) zeigt does, dass das Verb nicht nach AGR gegangen ist, in (2) wird dies gezeigt
durch die Positionierung des Verbs unterhalb von often.
51
Hier findet Bewegung statt, allerdings nicht des Verbs, sondern (wie im verneinten
Aussagesatz) nur der Endung. Im deutschen Hauptsatz dagegen findet sich wieder
Bewegung von Verb plus Endung:
(38 D2) (Warum) schreibt er?
Das Gesamtbild der Bewegungssachverhalte im Fragesatz ist damit wie folgt:
E
D
NS
HS
VEVE-
V-E+
VE+
Tafel VIc: Bewegung im Fragesatz
Entnimmt man den Tafeln VIa mit c nun die Fälle, in denen die G2-Sätze G1-Divergenz aufweisen, ergibt sich das folgende Bild:
Satzkat.
NS
HS
Auss. verneint
Auss. nicht-verneint
Frage
+
+
+
+
Tafel VII: G2-Kernsätze mit G1-Divergenz
Konkret: G1-divergent sind die Sätze
(38 E1) … that he does not go.
(38 E2) He does not go.
(39 E2) John goes.
(40 E2) (Why) does he write?
• Bewegungen außerhalb des Kernsatzes
Die Topikalisierungsbewegung
Wir befassen uns nun mit einem wh-Sachverhalt, der Topikalisierungsbewegung.40
Bewegt wird in ihr eine Phrase beliebiger Kategorie. Die bewegte Phrase „landet“ in
der satzinitialen Position, in SpecC.
Beispiele sind die Sätze (15) und (16), wiederholt hier for convenience:
(15 E)
Proud of his success he will always be.
(16 E)
Win the match, he certainly did.
In (16 E) ist der Inhalt der VP topikalisiert (ohne das Spec-Element Subjekt). Die
Struktur von (16 E) ist die folgende:
40
Ausführlich zur wh-Bewegung Fanselow / Felix (1987: 139ff.).
52
(16 E’)
CP
/
\
Spec
C’
win the m. /
\
C
AGRP
/
\
Spec
AGR’
he
/
\
AGR
VP
did
/
\
Spec
V’
(he)
/ \
V
DP
(won
the m.)
Relevant ist hier, dass die Frontierung vor win the match das „Ersatzverb“ did (anders als dies ein Fragewort tut) nicht mit sich, nach C, zieht: Topikalisierung ergibt im
Englischen (anders als Fragesatzbildung) keine V2-Struktur. Im Deutschen dagegen
tut sie dies:
(16 D)
Das Spiel gewinnen tat er sicher.
(16 D)
* Das Spiel gewinnen er tat sicher.
Insgesamt: Zwischen G2 und G1 besteht Gleichheit der Bewegung der topikalisierten
Phrase, Ungleichheit jedoch der Bewegung des Verbs. Diese Letztere ist identisch
mit der Ungleichheit der Verbbewegung im Kernsatz. Didaktisch gesehen ist die
Vermittlung der G2-Topikalisierung damit anschließbar an die des G2-Kernsatzes.
Die Passivierungsbewegung
Damit sind wir bei einem NP-Sachverhalt, der Passivierungsbewegung.41 Bewegt
wird hier eine NP, die sich in der Komplementposition befindet. In dieser bekommt
sie aufgrund der Passivform des Verbs keinen Kasus zugewiesen („Kasusabsorption“) und geht deshalb in die Subjektposition (wo sie NOMINATIV bekommt):
(38 E)
(38 E’)
The man was arrested.
AGRP
/
Spec
the man
\
AGR’
/
AGR
was
\
VP
/
Spec
\
/
V
(was)
arrested
V’
\
DP
(the man)
Das deutsche Gegenstück (38 D), Der Mann wurde verhaftet, weist in puncto Passivierung die gleiche Struktur auf. Dies deshalb, weil verhaften im Aktiv seinem Objekt
41
Ausführlich zur NP-Bewegung Fanselow / Felix (1987: 114ff.).
53
AKKUSATIV zuweist und es dieser Kasus ist, der im Passiv absorbiert wird.42 Nicht
absorbiert dagegen wird der DATIV, weshalb in (39 D’) Frau auch nicht subjektiviert
werden muss bzw. kann:
(39 D’)
\
AGRP
/
Spec
\
AGR’
/
AGR
wurde
\
VP
/
Spec
\
V’
/ \
DP
V
(der Frau)
geholfen
(wurde)
Subjektivierung ergibt hier (39 D1):
(39 D1) * Die Frau wurde geholfen.43
Die grammatischen Sätze haben hier, wegen Unterbleibens der Subjektivierung der
Objekt-NP, kein bestimmtes Subjekt:
(39 D2) Es wurde der Frau geholfen.
(39 D3) Der Frau wurde geholfen.
Das Englische verhält sich hier anders. Grund ist, dass help im Aktiv nicht den DATIV, sondern (nur) den OBJEKTKASUS zuweist. Dies ermöglicht den Satz (39 E):
(39 E)
The woman was helped.
Für G2-Passivsätze mit monotransitiven Verben gilt damit: Es gibt, verbabhängig,
G1-gleiche Sätze, aber auch G1-divergente.
Betrachten wir nun noch die Passivsätze mit Doppelobjekt, zunächst den englischen:
(40 E)
The dog was given a bone.44
Dem Satz kann im hier relevanten Teil die folgende (D-) Struktur zugeschrieben werden:
(40 E’)
/
Spec
V1P
\
V1’
/
V1
\
V2P
/
Spec
the dog
42
43
44
45
\
V2’
/
\
V2
DP
was
a bone45
given
Zu den Kasussachverhalten vgl. oben (S. 45ff.).
Das Analogon findet sich in scherzhaftem Gebrauch: Hier werden Sie geholfen.
Gegenüber (40 E) ist The bone was given to a dog die markierte Form. Sie wird hier außer Betracht gelassen.
Ausführlich dazu Weigl (2003).
54
Für die Entstehung von (40 E) aus (40 E’) ist nun zunächst relevant, dass bei Gegebenheit von zwei Objekten nur eines keinen Kasus zugewiesen bekommt. Im gegebenen (englischen) Fall kann, da keines der Objekte DATIV trägt, der Kasus eines
jeden der beiden absorbiert werden (vgl. Fn 45).
Dass die Absorptions- und damit die Subjektivierungswahl auf dog fällt, dürfte im gegebenen Theta-Rollen-Sachverhalt begründet sein: dog trägt die Rolle Beneficiary,
bone die Rolle Theme. Die kanonische Abfolge dieser Rollen ist Beneficiary-Theme.
Auf der D-Struktur-Ebene ist diese Abfolge gegeben. Auf der S-Ebene kann sie gewahrt werden, wenn nicht bone, sondern dog subjektiviert wird.
Im Deutschen ist eine solche Lösung nicht möglich: Hier trägt Hund den DATIV (der
nicht absorbiert werden kann) und Knochen den AKKUSATIV. Nicht möglich ist damit
das Englisch-Gegenstück (40 D1):
(40 D1) *Der Hund wurde einen Knochen gegeben.
Möglich sind nur die folgenden Sätze:
(40 D2) Es wurde dem Hund ein Knochen gegeben.
(40 D3) Dem Hund wurde ein Knochen gegeben.
Insgesamt: Im Satz mit Doppelobjekt ist das Passiv (in den meisten Fällen46) G1divergent.47 (Im Einzelobjekt-Satz ist die G2/G1-Relation abhängig vom gegebenen
Verb. Häufiger ist hier Nicht-Divergenz.) In keinem Fall existiert innerhalb des Passivsatzes ein Kernsatz. An einen solchen kann die Passivvermittlung daher, anders
als die Topikalisierungsvermittlung, nicht angeschlossen werden: Das Passiv muss
als solches thematisiert / vermittelt werden.
4.2. Das (Teil-)Inventar im Überblick
Wir präsentieren nun die Gesamtheit der als adäquat gesehenen Lehrinhalte. Realisiert wird dabei, dass G2-Zentralität den L2-Phänomenen in einem engsten Bereich
zuerkannt werden muss, dass dies aber außerhalb dieses Bereiches nicht der Fall
ist. In diesem erweiterten Bereich bedarf die Zuerkennung von Zentralität einer Begründung, einer Begründung unter dem Blickwinkel der Zielsetzung bzw. des Anspruchsniveaus des jeweiligen Sprachkurses / Lehrwerks. Wir werden uns mit diesem Aspekt befassen, präsentieren aber zunächst die indiskutabel zentralen Lehrinhalte:
Phänomen
KERNSATZ
Phrasenstr. Satz
Phrasenstr. VP
46
47
48
Sachverhalt
AGRP (1)48
VO/Kasus (2) (3) (4)
HV V O (5)
In einer kleinen Zahl von Fällen ist das Beneficiary-Objekt mittels einer to-Phrase zu realisieren:
He explained the case to John. Subjektivierung des Beneficiary-Trägers ist dann natürlich nicht
möglich.
Anders die Fälle, in denen ein Passivsachverhalt durch einen Aktivsatz ausgedrückt wird: The
dog got a bone. (Der Hund bekam einen Knochen.)
Beispielsatz (1)ff. im Anschluss an die Tafel.
55
(Verb-)Bewegung
Verb in V
Auss. vern. (6)
Auss. nicht-vern. (7)
Frage (8)
PASSIV
NP-Bewegung
Objekt nach SpecAGR
Objekt 1 (9)
Objekt 2 (10)
Objekt 2, nicht 1 (11)
Tafel VIIIa: Lehrinhalte enger Bereich
(1)
= (27 E)
Yesterday John disappeared.
(2)
= (28 E)
… that John bought the chair.
(3)
= (29 E)
John helped the man.
(4)
= (30 E)
… that John gave the dog a/the bone.
(5)
= (33 E)
… that he will have been buying the chair.
(6)
= (35 E)
(… that) he does not go.
(7)
= (Fn 41) John often goes.
(8)
= (37 E2) (Why) does he write?
(9)
= (38 E)
The man was arrested.
(10) = (39 E)
The woman was helped.
(11) = (40 E)
The dog was given a bone.
Die genannten Phänomene / Sachverhalte sind als Lehrinhalte unverzichtbar. Außerdem jedoch ist unverzichtbar, sie nicht als je einzelne zu handhaben, sondern als die
Mitglieder von Gruppen, die sie (fast durchwegs) sind, von Gruppen, die jeweils einen grundlegenden Struktursachverhalt repräsentieren. Als Gruppenmitglieder sind
Einzelsachverhalte gegenseitig komplementär, als Gruppengesamtheit jedoch bringen sie den Gehalt des repräsentierten grundlegenden Sachverhaltes in größtmöglicher Deutlichkeit zum Ausdruck.49
Betrachten wir dazu die Vermittlung der Struktur des Passivsatzes, mittels der Sätze
(9) mit (11). Der grundlegende Struktursachverhalt hier ist die Spezifität der englischen Objektkasus. Diese sind, obwohl von NPs mit den Theta-Rollen Beneficiary
bzw. Theme getragen, weder Dativ noch Akkusativ. Dass dies so ist, kommt zunächst, komplementär, in den Sätzen (9) und (10) zum Ausdruck;50 zusammenfassend, und den Sachverhalt erschöpfend, kommt es zum Ausdruck in Satz (11). Die
Spezifität des Objektkasus (und damit die Grundlage bzw. Voraussetzung der Pas-
49
50
Grundlegende Sachverhalte, die durch Gruppenrepräsentation zum Ausdruck gebracht werden,
sind VO/Kasus ((2) mit (4)), Verb in V ((L6) mit (8)) und Passivbildung/Objektkasus ((9) mit (11)).
(AGRP und HV V O dagegen werden jeweils durch einen Einzelsatz repräsentiert.)
Satz (9) ist, in puncto Passiv, nicht G1-divergent. Seine Aufnahme hier dient der Vervollständigung der Repräsentation der Passivstruktur.
56
sivbildung) kommt somit deutlichstmöglich durch die Gesamtheit der Sätze (9) mit
(11) zum Ausdruck. Dies bei der Erstellung von Lehrmaterial zu ignorieren, dürfte zu
einer Minderung des Vermittlungseffekts führen.
Damit sind wir beim erweiterten Bereich von Lehrinhalten. In ihm muss einem L2Phänomen Zentralität (und damit der Lehrinhaltsstatus) eigens zuerkannt werden.
Der Maßstab dafür ergibt sich daraus, dass das Gymnasium 1) eine Schule hohen
Anspruchsniveaus ist und 2) für die Fremdsprachen-(L2-)Vermittlung nicht wenig Zeit
zur Verfügung hat.51 Konsequenz daraus muss sein, dass die Zielkompetenz keine
reduzierte sein kann, reduziert auf die Beherrschung elementarer bzw. minimalkomplexer Strukturen. Dass die Tendenz zu einer solchen „Bescheidenheit“ besteht,
zeigt ein Blick auf die verbreiteten Lehrwerke. Innerhalb dieser besteht sie vor allem
im Bereich der (meist mündlich gebrauchten) „Alltagssprache“. Ein Blick auf die
Sprachwirklichkeit zeigt jedoch, dass auch in der Alltagssprache komplexe Strukturen gebraucht werden, ein Sachverhalt, dem in der Vermittlung anspruchsvoller L2Kompetenz Rechnung zu tragen ist.
Betrachten wir dazu einige Sätze, deren Strukturen in diesem Sinne als Lehrinhalte
in Frage kommen:52
(16 E)
Win the match, he certainly did.
(41 E)
Where did he buy what?
(42 E)
I read a review yesterday of John’s latest novel.
(43 E)
How did you say that Bill thinks that John will fix the car?
(44 E)
This is a book reading which would be nice.
(45 E)
It was Tom who married my sister.
(46 E)
Which pictures of each other do you think your parents like?
(47 E)
John is a man whom you distrust when you meet.
Betrachten wir diese Sätze unter dem Blickwinkel ihrer Lehrinhaltseignung, so ergibt
sich folgendes Bild:
1. Die Sätze sind fast durchwegs dem gehobenen, aber natürlichen, Alltagssprachgebrauch zuzurechnen. Auszunehmen ist hier Satz (43 E), der ein typischer Linguistiksatz ist, ein Satz, der einen Struktursachverhalt in besonderer Deutlichkeit zum
Ausdruck bringt.53 Da dies unter Aufbietung übermäßiger Komplexität geschieht, ist
(43 E) als Lehrinhalt disqualifiziert.
2. Aus anderen Gründen disqualifiziert ist Satz (42 E): Dieser Satz erfüllt einen ästhetisch-stilistischen Zweck, den Zweck, die unverhältnismäßig lange Konstituente an
das Ende des Satzes zu platzieren. Die Beherrschung dieser Möglichkeit dürfte
selbst auf einem anspruchsvollen L2-Niveau entbehrlich sein.
Von den acht Kandidaten bleiben somit sechs, die als Lehrinhalte in Frage kommen:
51
52
53
Für L2 stehen derzeit in der Lehrbuchphase des Kurses, in den Klassen 5 mit 10, 22 Jahreswochenstunden zur Verfügung. Bei einer Schuljahresdauer von 39 Wochen ergibt dies die Gesamtzahl von 858 Unterrichts-stunden.
Die folgenden Sätze sind angelehnt an Sätze in Fanselow / Felix (1987) und Haegeman (1994).
Der Sachverhalt hier ist Adjunktextraktion aus that-Sätzen. Details in Fanselow / Felix (1987:
249ff.).
57
Phänomen54
Satz
Hervorhebung
Relativierung
(16 E)
(44 E)
Mehrfachfrage
(41 E)
Anapherngebr.
(46 E)
(45 E)
(47 E)
Tafel VIIIb: Potenzielle Lehrinhalte im erweiterten Bereich
Welche dieser Phänomene bzw. welche anderen Phänomene dann tatsächlich zu
Lehrinhalten promoviert werden, ist eine Frage, die im jeweils speziellen Fall der Erstellung eines Lehrwerks zu beantworten ist.
5.
Das derzeitige Inventar in der Adäquatheitsperspektive
Vor dem Hintergrund der Vorstellung eines adäquaten (Teil-)Inventars kann nun das
oben angegebene derzeitige Inventar kritisiert werden. Dazu wenden wir uns zunächst dem engsten Bereich zu und betrachten dessen fünf Struktursachverhalte
AGRP, VO/Kasus, HV V O, Verb in V und Passiv (Tafel VIIIa).
1) AGRP-Sätze (mit initialem Adverb) enthalten die LEGL-Texte von Anfang an, in
nicht geringer Zahl. AGRP als solches wird jedoch an keiner Stelle thematisiert (und
damit in didaktisch entsprechender Disposition präsentiert): Im Lehrbuchtext mit der
größten Dichte an Adverb-AGRPs (Bd. 1, Unit 3 C) ist Thema das “simple present …
narrative function …”. Die Adverbien tragen dabei dazu bei, „aufeinander folgende
Handlungen“ (Grammatikteil § 25) auszudrücken. Von AGRP als solchem wird damit
eher abgelenkt.
2) VO/Kasus: Wir betrachten zunächst VO, mit einem Objekt. Wie AGRP wird auch
dieser Sachverhalt nicht thematisiert: In dem Text mit der größten Dichte an VOs
(Bd. 1, 4 C) ist Thema “Contrast of present progressive and simple present”. Objekte
kommen in diesem Text nur in Hauptsätzen vor. Nebensätze, in denen VO als L2Spezifikum ausschließlich zum Ausdruck kommt, treten nicht auf. Als Ersatz für sie
kann man Sätze im Present Perfect sehen (I have changed the tyres). Solche Sätze
treten auf in Band 2, 4 C. Sie figurieren dort unter „Wortstellung beim Simple Present
Perfect“ (§ 18, 23, 27). Da dabei jedoch immer have auftritt, somit HV V O thematisiert wird, wird VO hier (nur) mitthematisiert.
Verben mit zwei Objekten treten extrem selten auf. Thematisiert können sie damit natürlich nicht sein.
Die Kasus von Doppelobjekten werden nicht thematisiert, ebenso wenig wie der
Sachverhalt, dass die auftretenden Verben help und believe nicht den DATIV, sondern Objektkasus tragen. Thema ist dies nur an einer Stelle, und dort eingeschränkt
auf Pronomen: „Im Englischen gibt es … nur je eine Form … (der Personalpronomen)“ (Bd. 1, § 22).
3) HV V O: Bei dem Gewicht, das LEGL der Thematisierung der Tempora zubilligt,
muss HV V (O) in nicht geringer Häufigkeit auftreten. Eine Art Fokussierung ergibt
sich dabei in Band 2, wenn in den Units 3 mit 5 Tempora mit HVs thematisiert wer54
Auf die Angabe der Phänomenstrukturen wird hier verzichtet.
58
den: will-future, Present Perfect Simple und Present Perfect Progressive. Die Grundform des Sachverhalts, HV V O, kommt dabei zum Ausdruck in den beiden ersten
Tempora, seine erweiterte Form, HV HV V O, im Present Perfect Progressive. Festzustellen ist allerdings, dass auch hier (wie für VO) nur Hauptsätze auftreten, das L2Spezifikum damit nicht in reinster Ausprägung zum Ausdruck kommt.
4) Verb in V: Zu erinnern ist, dass Verb in V in den drei Sätzen (5) Does he not smoke?, (7) He does not smoke und (8) He smokes gegeben ist (vgl. oben, 2.2). Zum
Ausdruck kommt es allerdings nur in (5) und (7), nicht in (8). Um es in (8) zum Ausdruck zu bringen, ist die Einbeziehung eines Adverbs erforderlich (He often smokes,
vs.*Er oft raucht).
Betrachten wir nun das (Nicht-)Auftreten dieser Satztypen in LEGL. Als Thema treten
Fragen (Satz (5)) und verneinte Aussagen (7) in Band 1, Unit 5 auf. Die Fragen sind
allerdings außer in drei Fällen nicht verneint, womit die Angabe der Verbposition unzureichend, nämlich nur negativ ist: Das Verb steht nicht in C; unklar bleibt, ob es in
AGR oder in V steht. Umso wichtiger wäre es, die Vermittlung von Verb in V durch
die verneinten Sätze dadurch zu stärken, dass man nicht-verneinte Aussagesätze
nicht ohne Adverb auftreten lässt: He often smokes. Ebendies geschieht jedoch
nicht, weder im Kontext mit Fragen und Verneinungen (Unit 5), noch auch unter dem
Blickwinkel Verbposition: In Unit 4, § 32 (und in Bd. 2, § 20) ist die „Stellung der Adverbien (der Häufigkeit)“ thematisiert. Aus all diesen Gründen gilt, dass die Thematisierung bzw. „Thematisierung“ von Verb in V hinter den Notwendigkeiten massiv zurückbleibt.
5) Damit sind wir beim letzten der hier relevanten Struktursachverhalte, der Passivierung. Thematisiert (in Band 3) ist das Passiv von Sätzen mit zwei Objekten. Die beiden Objekte werden bezeichnet als indirektes/Personen- und direktes/Sachobjekt;
von Kasus wird nicht gesprochen. Gezeigt wird dann, dass im Englischen sowohl das
Personen- als auch das Sachobjekt subjektiviert werden können. Diese Vermittlung
der Formen des Passivs von Sätzen mit Doppelobjekten erscheint als adäquat.55
Damit lässt sich zusammenfassen:
1. Von den Struktursachverhalten des engsten Bereichs werden in LEGL nicht alle
thematisiert. Am gewichtigsten ist dabei das Fehlen von AGRP.
2. Bei Thematisierung ist die Durchführung qualitativ unterschiedlich: Gut im Falle
eines eng abgegrenzten, gut wahrnehmbaren Phänomens wie des Passivs, weniger gut im Fall Verb in V. In diesem Fall schlägt sich die Unzulänglichkeit des
linguistischen Ansatzes der Lehrwerkschreiber nieder, in einem Mangel an Stringenz / Geschlossenheit der Thematisierung. Besonders deutlich wird dieser in der
Handhabung des nicht-verneinten Aussagesatzes: Dieser wird, wie gesagt, in die
„Thematisierung“ von Verb in V nicht einbezogen; wo er thematisiert wird, geschieht dies unter falschem Blickwinkel (Stellung des Adverbs). Was zu thematisieren wäre, ist nicht die Stellung des Adverbs, sondern des Verbs. Für sich gesehen mag ein solches Manko als unerheblich erscheinen. „Für sich“ darf es jedoch nicht gesehen werden: Es ist eines der Symptome dafür, dass der Konzeption des Lehrwerks LEGL eine Sicht von Syntax zugrunde liegt, die die Erforder-
55
Sie wäre allerdings gestützt worden, wenn auch Sätze mit Personen- als einzigem Objekt (John
was helped) einbezogen worden wären.
59
nisse einer adäquaten / generativ motivierten G2-Vermittlung prinzipiell nicht erfüllen kann.
Betrachten wir nun noch den erweiterten Bereich. Für diesen gilt das Ziel, die Vermittlung der elaboriertest möglichen L2-Kompetenz zu organisieren. L2-Sachverhalte
sind demgemäß zu Lehrinhalten zu promovieren, in größtmöglicher Zahl. Unter solchen Sachverhalten spielen rein syntaktische (vs. semantisch-syntaktische) eine
wichtige, wenn nicht die wichtigste, Rolle.
Der erweiterte LEGL-Bereich ist unter diesem Blickwinkel deutlich defizitär. Er enthält
Gerund-, Infinitiv- und Partizipkonstruktionen; außerdem lediglich cleft sentences.
Gleichzeitig finden sich in den Bänden 3 und 4 nicht wenige semantisch-syntaktische
Sachverhalte (Tempora, Aspekte, Konditionalsätze). In unserer Sicht ist hier eine
deutliche Akzentverlagerung erforderlich, hier zu einer stärkeren Einbeziehung von
Struktursachverhalten (vgl.Tafel VIIIb). Ergebnis wäre eine bei dem gegebenen Anspruchsniveau wirklichkeitsgerechtere Kompetenz.
6.
Ausblick
Wir schließen mit Bemerkungen zur Situierung der vorliegenden Arbeit in einer Gesamtsicht der Erforschung von Syntaxvermittlung /-erwerb. Ziel dieser Erforschung
muss es sein, das optimale Wie? und das optimale Was? der Vermittlung zu ermitteln. Geschehen kann dies nur auf empirischem Weg: Erforderlich ist die Durchführung von L2-Kursen, die sich in puncto Wie? / Was? (verstanden als Koppelung) unterscheiden. Forschungstheoretisch hätten diese Kurse, wenn sie denn durchgeführt
würden, den Status von Hypothesen; deren (Nicht-)Bestätigung ergäbe sich aus den
Kursergebnissen.56
In dieser Gesamtsicht ist das Ergebnis der vorliegenden Arbeit eine (notwendige)
Hypothese, genauer gesagt, eine Komponente einer komplexen Hypothese. Erforderlich wäre nun die Überprüfung dieser Hypothese bzw. des Gesamtkomplexes der
(komplexen) Hypothesen. Dafür jedoch bedürfte es eines ausreichenden institutionellen Rahmens.
Literaturverzeichnis
Adger, D. (2003): Core Syntax. A Minimalist Approach. Oxford.
Boeckx, C. (2006): Linguistic Minimalism. Origins, Concepts, Methods and Aims. Oxford.
Braidi, S.M. (1999): The Acquisition of Second-Language Syntax. London.
Bußmann, H. (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart.
Carruthers, P. (2006): The Architecture of the Mind. Massive Modularity and the Flexibility of Thought.
Oxford.
Carnie, A. (2002): Syntax. A Generative Introduction. Malden, MA.
56
In unserer Sicht figurieren als Wie? die traditionelle (A) sowie die Focus-on-Form-Strategie (B),
als Was? Lehrinhalte in der traditionellen (1) sowie in der Sicht der generativen Grammatik (2).
Damit gibt es an Konzeptionen der Gestaltung des Unterrichtsmaterials A1, A2, B1 und B2. Zu
konzipieren, durchzuführen und zu evaluieren wären damit vier L2-Kurse.
60
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62
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 63-80
Integrationsprobleme junger Ghettobewohner im Spiegel
aktueller Rapmusiktexte
Zur Durchführung einer Unterrichtseinheit über französischen Rap unter
Berücksichtigung landeskundlicher Schwerpunkte
Isabell Metzger
In den letzten Jahren hat die französische Rap-Szene eine erhebliche Breitenwirkung errungen. Die Rap-Musik ist integraler Bestandteil der französischen Musikszene geworden.
Rapper sehen sich als artikulationsfähige Sprecher, die (pre-)urbane Hip-Hop-Bewegung
strahlt inzwischen ab auf die nationale Jugendkultur. Sie wird professionell und industriell
vermarktet. Rapper wie A b d a l M a l i k erhalten nationale Musikpreise. Wie kann man
dieses „Phänomen“ im Französischunterricht einbringen und mit Schülern erarbeiten?
Inhalt:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
1.
Vorüberlegungen
Was genau ist Rap-Musik?
Wie bringt man den Rap in den Unterricht?
Auswahl der Rap-Lieder
La Gravité von Abd al Malik
Quartier Nord von MC Solaar
Grenzen und Chancen des Rap im Französischunterricht
Anhang
Literaturverzeichnis
Vorüberlegungen
Die politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung Europas stellt heute besondere Anforderungen an das schulische Fremdsprachenlernen und damit auch an den
Französischunterricht. Dieser leistet einen wichtigen Beitrag zur Erziehung zur Mehrsprachigkeit. Er wirkt dabei mit, Schüler1 auf eine mehrsprachige und multikulturelle
Wirklichkeit in Europa vorzubereiten, und zwar auch mit Blick auf spätere berufliche
Perspektiven. Von daher hat sich auch der Französischunterricht an der Vermittlung
kommunikativer und interkultureller Kompetenzen zu orientieren (vgl. Krechel 2007:
7f.).
Jugendliche rezipieren zwar Musik, zum Abschalten oder zur Entspannung, sie sind
es jedoch nicht gewohnt, Musik zu interpretieren. Die Einbeziehung von Musik als
Unterrichtsgegenstand erfolgt hingegen mit einer pädagogischen Intention. Dabei erweist es sich oft als schwierig, eine Brücke zwischen der Musik als bagage individuel
der Jugendlichen und als pappât pédagogique herzustellen. Insofern ist auch die Zurückhaltung bei Lehrern plausibel, französische Musik im Unterricht einzusetzen. An-
1 Im Folgenden werden wiederholt Bezeichnungen wie Schüler, Lehrer u.a. verwendet; dies ist nicht
diskriminierend gemeint, die Ausdrücke umfassen sowohl weibliche als auch männliche Personen.
63
dererseits sind Musiktexte authentische Dokumente der Zielsprachenkultur und können zum identitäts- und erlebnisstiftenden Element werden (Nieweler 2006: 220f.).
Die Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit Musik sind vielfältig. Auch die technischen Möglichkeiten, über die Schulen heutzutage verfügen, sind in der Regel so
gut, dass der Einsatz von Musik kein Problem darstellt. Dennoch wird Musik als Unterrichtsgegenstand oft nur zögernd oder in Randstunden vor den Ferien genutzt.
Das mag folgende Gründe haben: Die Schüler bringen Hörerfahrungen aus der muttersprachlichen Musikproduktion mit, die auch ihre Erwartungen an fremdsprachliche
Produkte bestimmen (Leupold 2002: 335f.). Was sich bei der englischsprachigen Musik als Chance erweist, stellt sich bei Produkten aus Frankreich als problematisch
heraus, sieht man einmal von den auch in Deutschland beliebten Stars wie Patricia
Kaas oder Céline Dion ab. Musikstücke von Brassens z.B. stoßen bei den Schülern
eher auf weniger Interesse.
Vor diesem Hintergrund ist die Idee entstanden, eine Unterrichtseinheit im Französischunterricht durchzuführen, die die Schüler motiviert und ein unkonventionelles
Thema behandelt, das sich vom gängigen Unterrichtsstoff abhebt. Die Unterrichtseinheit verbindet die Vermittlung von Musik mit einem handlungsorientierten, lernerzentrierten und ganzheitlichen Methodenkonzept. Ziel ist es, die Schüler aus ihrer rezeptiven Konsumhaltung herauszuholen und sie zu einem kreativen und aktiven Umgang mit französischer Musik anzuleiten.
Hierzu sieht zum Beispiel der Lehrplan eines kaufmännischen Gymnasiums im ANiveau der sechs- und dreijährigen Aufbauform2 vor, aktuelle landeskundliche Inhalte
zu behandeln, u.a. zur Jugendkultur und / oder zu musikalischen Themen.
„Die französische Musikkultur, speziell die des Chansons, zeichnet sich durch vielfältige
Stilrichtungen aus. Wenngleich unseren Schülern, von französischem Rap und einigen
Schlagersternchen abgesehen, kaum etwas von dieser Bandbreite bekannt sein dürfte,
liegt gerade hier eine Chance für den Französischunterricht.“ (Nieweler 2006: 220)
Da die Schüler meistens einen unterschiedlichen Musikgeschmack haben und Musik
und Texte durch das Internet leicht zu beschaffen sind, kann ein Unterrichtsprojekt
im 3. oder 4. Lernjahr problemlos durchgeführt werden. Jugendliche Schüler identifizieren sich stark mit „ihrer“ Musik und interessieren sich sehr für Interpreten, Texte
und entsprechende Videoclips. Liedtexte können dabei, ebenso wie literarische Texte, Auslöser für kreative Schreibprozesse oder Interpretationen sein.
Das Interesse der Schüler bezüglich aktueller Musik im Französischunterricht zu gewinnen, ist insofern nicht unwichtig, als sich das Fach Englisch in der Regel größerer
Beliebtheit erfreut und der Zugang zur französischen Zielkultur keineswegs problemlos ist.3 Ziel sollte es ebenfalls sein, „mehr Frankreich in den Französischunterricht zu
bringen“ (Leupold 2002: 21); die Einbeziehung aktueller Musik wäre dazu eine gute
Möglichkeit.
Michel Boiron (1997: 334f.) unterscheidet vier Tendenzen bei den französischen
Chansons:
1. les classiques incontestés
2. les « vieux routiers »
2 Vgl. Lehrplan für das berufliche Gymnasium für die Eingangsklasse und Jahrgangstufe I und II in
Baden-Württemberg (2003: 7)
3 Zu den Ursachen vgl. ausführlicher Tesch / Leupold / Köller (2008: 18f.).
64
3. une nouvelle génération dans la tradition de la chanson de variété française
4. une tendance multiculturelle et multiethnique
Zu beachten ist, dass französische Lieder wie Lieder grundsätzlich zum Hörvergnügen produziert werden, nicht um damit Hörverstehensübungen im Fremdsprachenunterricht durchzuführen. Boiron warnt daher vor didaktischer „Zweckentfremdung“ und
betont die landeskundlichen Entdeckungsmöglichkeiten:
« La chanson est un lien avec la culture de l’autre dans la diversité. Elle est un lieu de découverte de la réalité multiculturelle française et francophone. Elle a aussi une mission de
plaisir, de divertissement […]. Le français n’est pas uniquement fait pour travailler, pour
faire des exercices. On peut rire, danser, s´amuser avec des chansons […] en français. »
(1997: 334)
Es stellt sich immer auch die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Lied t e x t eingesetzt
werden soll. Je nach Verständlichkeit eines Chansons kann es ratsam sein, bereits
beim ersten Vorspielen den dazugehörigen Text vorzulegen. Raptexte mit ihren problemorientierten Inhalten bieten zudem eine gute Möglichkeit, aktuelle landeskundliche Themen in Kombination mit Musik im Unterricht zu behandeln.
Zu klären wäre zunächst, was genau unter dem Phänomen ,Rap‘ zu verstehen ist.
Bleibt man bei Boirons Chanson-Definition, so würde Rap-Musik zu den beiden letzt
genannten Tendenzen zählen, nämlich zur neuen Generation französischer Unterhaltungsmusik mit multikultureller und multiethnischer Prägung.
2.
Was genau ist Rap-Musik?
Raptexte setzen sich mit aktuellen Problemen, mit Nöten und Gedanken französischer Jugendlicher auseinander; außerdem sind sie sehr provokativ. Dies kann im
Französischunterricht Ausgangspunkt für verschiedene Diskussionen sein.
Die Frage, was das Phänomen ,Rap‘ eigentlich ist, wird in Meyers Lexikon folgendermaßen beantwortet:
„Rap [ræp, englisch] der, Ende der 1970er-Jahre in der Diskoszene New Yorks entwickelte Ansagetechnik, bei der in Kombination mit schnell gesprochenen Satzfetzen vom Diskjockey eine auf einem Plattenteller beweglich gehaltene Schallplatte hin und her bewegt
wird (scratching), sodass im Wechsel mit Musik rhythmisch prägnante, perkussive Geräusche entstehen. Rap ist weniger ein eigener Musikstil als Stilmittel, besonders im HipHop, aber auch in einigen Spielarten des Rock (Crossover).“ 4
Kimminich definiert Rap als einen Teil der französischen Hip-Hop-Kultur, als „ein interaktives, transnationales und transkulturelles Kommunikationsphänomen“ (2002:
95), das mehr als nur eine Modeerscheinung ist. Diese Kultur ist eine „Kultur der sozial, ökonomisch und kulturell Ausgegrenzten“. In diesem Sinne, bezeichnen sich
Rapper selbst als Chronisten einer spezifischen Wirklichkeit, nämlich der des Ausgeschlossenseins und einer besonderen Lebenserfahrung.
Hüser (2004) betont ebenfalls den Ursprung in einer urbanen Subkultur mit eigenen
Initiationsriten und Werthaltungen, eigener Sprache und Symbolik, eigenem Lebensund Kleidungsstil; diese entstammt überwiegend der Inspiration Jugendlicher aus
Immigrantenfamilien an den Rändern französischer Großstädte. In seiner Untersu-
4 Zitiert nach der Online-Ausgabe von Meyers Lexikon: http://lexikon.meyers.de/meyers/Rap
65
chung legt Hüser den Schwerpunkt auf die Musik der 1980er und 1990er Jahre und
behandelt u.a. auch MC Solaar (vgl. Abschn. 6 und Kimminich 2006: 71).
Rap ist demnach ein Teil der Hip-Hop-Kultur, die im Wesentlichen auf mündlicher
und körperlicher Interaktion beruht. Kimminich erläutert weiterhin, dass diese sich im
Rap durch tags5 und graffiti6, aber vor allem im break-dance7 zeigt. Durch das rhythmisch gesprochene Wort wird ein dynamischer kommunikativer Austausch von Erfahrungen angestrebt. Rap ist demnach „ein Phänomen, das gehört und gesehen
werden sollte“, so Kimminich (2002: 95). Hüser betont, dass Hip-Hop und Rap demnach keine Synonyme sind, sie stehen vielmehr in einem Über-Unterordnungsverhältnis: Rap ist Kennzeichen der Hip-Hop-Kultur, to rap bedeutet ‛quasseln’ oder
‛schwatzen’.8
Rap ist nicht ohne den Prozess der Bewusstwerdung und Identitätsbildung einer
Gruppe von Individuen zu verstehen. Die Ursprünge der Hip-Hop-Kultur befinden
sich sowohl in den USA als auch in Frankreich und Afrika, in den Ghettos der
Schwarzen in Senegal oder in den französischen Großstädten wie Marseille und Lyon. Marginalisierte Bevölkerungsgruppen, die sich durch eine hohe Arbeitslosenquote und durch eine heterogen-multikulturelle Zusammensetzung auszeichnen, haben
diese Kultur ins Leben gerufen. Man suchte nach einer sozialen und kulturellen Identität, ein Prozess, der sich in der South Bronx von New York in den 60er Jahren und
in der Pariser Banlieue im Laufe der 90er Jahre zuspitzte.
Rap will aufklären, er hat eine Mission, versteht sich als Artikulationsmedium der in
den Vorstädten Vergessenen. Trotz mancher Spannungen herrscht eine gewisse Solidarität. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Rapper vor allem ihre Sprache als
Waffe benutzen. „Rap ist die Sprache des armen Mannes.“ (Schillmöller 2006: 51)
Durch die Inszenierung von Tanzwettbewerben wurden schon in den 60er Jahren
Aggressionen alternativ „umgeleitet“. Das Selbstbewusstsein der Jugendlichen
wuchs, und sie begannen die Ghettos zu verlassen. Die Musik stammte aus der Heimat der Immigranten, es handelte sich also um Traditionen, die seit dem 17. Jahrhundert in der Zeit der Sklaverei und Rassendiskriminierung entstanden waren (Kimminich 2002: 96ff.). Interessant (und vielfach vergessen) ist die Tatsache, dass der
Rhythmus ausschließlich mit dem eigenen Körper erzeugt wurde. Heute werden die
Tonsequenzen durch cutting isoliert und dann verändert, beispielsweise durch das
scratching: Die laufende Platte wird vor- und rückwärts bewegt, es entsteht ein Effekt
der Wiederholung. Diese Superstrukturen bestimmen den Rhythmus und die Metrik
des rapping.
5
6
7
8
tag (engl.) ist ein gespraytes Namenskürzel einer Person, zu finden an gut sichtbaren Orten wie in
bestimmten Stadtteilen, Straßen, an Mauern, Häuserwänden und Straßenbahnzügen. Der Sprayer
möchte damit seine Existenz und seinen Anspruch auf Ruhm und Anerkennung signalisieren (vgl.
dazu auch Kimminich 2002: 96).
Graffiti (ital.) ist ein Begriff für Bilder oder Schriftzüge auf Oberflächen des öffentlichen Raums, mit
der Sprühdose angebracht ist es ein zentraler Bestandteil der Subkultur des Hip-Hop.
Break-Dance (engl.) ist eine ursprünglich auf der Straße getanzte Tanzform, Teil der Hip-HopKultur.
Charakteristisch für die Fan-Clubs sind dünne Heftchen, die von den Mitgliedern autonom hergestellt und vertrieben werden. Sie dienen der Information nach außen und der Kommunikation mit
anderen Gruppen. Leser- und Vertriebskreis sind begrenzt. Nicht zu verwechseln mit den im französischen Zeitschriftenhandel erhältlichen Publikationen, wie beispielsweise RAP: R&B. LE MAGAZINE (2007) oder GROOVE. LE MAGAZINE HIP-HOP (2007), die einem breiteren Publikum dienen und
die Hip-Hop-Kultur ausschließlich auf kommerzielle Weise vermarkten.
66
Der break-dance, der körperliche Ausdruck der Hip-Hop-Kultur, erzeugt Wohlbefinden, erweckt Energien. Die Kraft wird aus der Bewegung geschöpft. Für die Tänzer
steckt, wie Said Ouadrassi, ein professioneller Tänzer und Bewohner der bidonville
Marolles in Brüssel, erklärt, eine bestimmte Philosophie dahinter: Die fließenden, harmonischen Bewegungen erzeugen Leichtigkeit und Schnelligkeit, ermöglichen das
Ineinanderübergehen einzelner und anstrengender Bewegungsabläufe, die in ihrem
Fluss an Schwere verlieren. Erfahrene Rapper können daher mehrere akrobatische
Sprünge hintereinander ausführen (Kimminich 2002: 98f.).
Thematische Analysen französischer Raplyrics demonstrieren, wie sehr sich die
Themenbreite seit ihren Anfänge erweitert hat: Zum Alltag in diesen Stadtvierteln gehören Drogen, Aids, Polizei, Kriminalität, Gewalt und Unterdrückung, Erleben von
sozialer Ungerechtigkeit. Diese Themen werden ebenso aufgegriffen wie Probleme
des Rassismus, Faschismus, Kolonialismus und Postkolonialismus. Hüser unterscheidet hier zwischen dem politischen Chanson, dem chanson engagée, das Mitte
der 50er und Ende der 60er Jahre seine Hochphase hatte, und dem Chanson der
70er und 80er Jahre. Letzteres zeichnet sich durch folgende Besonderheiten aus:
Entpolitisierung der Textinhalte, Individualisierung des Musikhörens und Pluralisierung der Musikkonzepte, Rückkehr zur Vielfalt internationaler, vor allem schwarzafrikanischer, nordafrikanischer und antillischer Rhythmen in den 80er Jahren. Gewaltverherrlichung ist bei den meisten französischen Gruppen inzwischen ein Tabu. MC
Solaar, Vertreter des „poetischen Rap“ 9 formulierte als einer der Ersten: « Il ne suffit
pas de dire ‘nique la police’, si tu rebelles, tu t’isoles, mais si tu expliques, les gens
apprennent » (zitiert nach Kimminich 2002: 102). Im Gegensatz hierzu stehen halbritualisierte Dispute, in denen die Familie, insbesondere die Mutter des Gegners, beschimpft wird. Hüser hebt die thematische Traditionslinie des chanson immigrée bzw.
des chanson banlieue hervor: Noch in den 60er Jahren war das chanson de là-bas
Ausdruck nostalgischer Anwandlungen und Erinnerungen an das Heimatland; dies
veränderte sich in der zweiten Generation und wurde zum Ausdruck der Innenansichten jugendlicher „Immigranten“, die nie immigriert waren. Diese konnten und wollten nicht zurück ins Heimatland, sondern waren geprägt von Zukunftsängsten und
Banlieue-Tristesse. Sie sahen sich als Sprecher, die die Politik zum Handeln bewegen wollten. Dort setzt der Rap an, seine Kennzeichen sind Aggressivität und drastische Wortwahl (vgl. die Ausführungen zu MC Solaar).
Rap hat eine Mission. Ziel ist es, gegen Missstände zu kämpfen, das Bewusstsein
der Menschen gegenüber der Ungerechtigkeit wach zu rütteln. Rapper – so Hüser –
sind artikulationsfähige Sprecher einer France du dehors gegenüber einer France du
dedans, sie zeigen seit den 90er Jahren gesellschaftliche Bruchlinien mit erheblicher
Breitenwirkung auf. Hip-Hop ist ein Generationenphänomen, ein « individualisme en
mouvement ». Der Begriff bande wird abgelehnt, die Bewegung weist einen äußerst
geringen Organisations- und Hierarchisierungsgrad auf. Lockere, informelle Zusammenschlüsse gruppieren sich in den Pariser Vororten, ihr Raumverständnis ist eher
geistig, nicht territorial geprägt. Man ist um eine positive Grundhaltung im Denken
9
Claude M´Barali, geb. 1969 in Dakar, Kind tschadischer Eltern, verbringt seine Jugend u.a. in
Saint-Denis, Villeneuve-Saint-Georges im Süden von Paris. Seine erste CD « Qui sème le vent
récolte le tempo » erscheint 1991, « Prose combat » folgte 1994. Beide verkaufen sich millionenfach. Es folgen Alben in den Jahren 1997, 1998, 2001, 2003 und 2007. MC Solaars komplette Alben und die dazu gehörenden Lyrics sind über folgenden Link zu finden:
http://www.actionext.com/names_m/mc_solaar_lyrics.html (Stand Juli 2008). Die Lyrics zum Lied
Quartier Nord befinden sich im Anhang dieses Beitrags.
67
und Handeln bemüht, Herausforderungen sind dazu da, sie annehmen (vgl. die Ausführungen zu Abd al Malik in Abschn. 5).10 Kennzeichnend sind Schlüsselwörter wie
authenticité, Loyalität gegenüber den Werten der Vorstadt und der Straßenkultur,
Übereinstimmung zwischen Worten und Taten, Respekt, Stolz auf Kreativität und Solidarität der jugendlichen Cité-Bewohner.
3.
Wie bringt man den Rap in den Unterricht?
Liedtexte geben die Möglichkeit, landeskundliche und kulturelle Aspekte einzubeziehen. Die Schüler erhalten vertiefte Kenntnisse über Frankreich, stellen Vergleiche mit
der eigenen Lebenswirklichkeit an und können so zu einer weniger vorurteilsgeprägten Haltung zur Zielkultur gelangen.11. Der Textauswahl kommt eine besondere Bedeutung zu, vor allem hinsichtlich des Leistungsstands der Klasse.
Das Angebot an literarischen und nichtliterarischen Texten bezweckt sowohl den
Ausbau sprachlicher Kompetenzen als auch die Vermittlung von Frankreichkenntnissen und die Förderung von Allgemeinbildung. Solche Zielsetzungen lassen sich auch
mit einer Unterrichtseinheit über Rap, die u.a. Integrationsprobleme eingewanderter
Jugendlicher und Probleme der zweiten oder dritten Generation zur Sprache bringt,
verbinden.
Die Textauswahl sollte die Entwicklung eines differenzierten Frankreichbilds ermöglichen, aktuelle Inhalte sind ebenso zu berücksichtigen wie geschichtliche oder kulturelle Zusammenhänge. Literatur als belebendes und motivationsförderndes Gegengewicht zu Sachtexten kann die Bereitschaft der Schüler zum Lesen auch außerhalb
des Unterrichts fördern.
Im Rahmen der Förderung sprachlicher Fertigkeiten lässt sich mit Rap-Liedern zunächst das Hörverstehen schulen (Bächle 2007). Dabei ist wichtig, die Lernenden
nicht zu überfordern und nicht zu demotivieren. Verschiedene Formen der Vorentlastung (von der Vorlage des kompletten Liedtextes über einen Lückentext bis hin zu
einzelnen Worterklärungen) können daher angebracht sein.
Schreibkompetenzen werden erweitert, indem die Schüler eigene Lieder im Rapstil
komponieren. Anhand schwieriger Texte kann schließlich das globale Textverständnis verbessert werden (vgl. Schillmöller 2006: 51ff.).
Die Unterrichtseinheit über Rap soll, allgemein gesprochen, Interesse an der französischen Kultur vermitteln. Insbesondere erfahren die Schüler etwas über die Lebensperspektiven Jugendlicher und erhalten einen Überblick über die sozialen Verhältnisse, über Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Ein weiteres Ziel ist die Auseinan-
10 Abd al Malik, mit bürgerlichem Namen Régis Fayette-Mikano, wurde 1975 als Sohn kongolesischer Eltern in Paris geboren; sein Vater war Beamter. Heute ist er mit der Sängerin Wallen verheiratet und hat einen Sohn. Als Kind lebte er vier Jahre mit seinen Eltern im Kongo, kehrte anschließend nach Straßburg in die Banlieue Neuhof zurück. Nach der Scheidung seiner Eltern
wuchs er mit seinen sechs Geschwistern bei seiner Mutter auf. In seiner Jugend war er von Kriminalität und Jugendbanden beeinflusst, besuchte aber gleichzeitig auf „gute“ Schulen in Straßburg,
studierte anschließen Philosophie und Literaturwissenschaften an der Marc-Bloch-Universität. Er
ist Anhänger des Sufismus, einer islamischen Heilslehre.
11 Im Folgenden wird exemplarisch die Umsetzung der Unterrichtseinheit in einer baden-württembergischen Schulklasse (A-Niveau) der Orientierungsstufe eines kaufmännischen Gymnasiums dargestellt.
68
dersetzung mit der Minderheitensituation und mit sozialen Brennpunkten in der französischen Gesellschaft.
Da die Hip-Hop-Kultur nicht in ihrer ganzen Breite behandelt werden kann, gilt es,
geeignete Ausschnitte aus der Rapszene vorzustellen und die damit verbundenen
landeskundlichen Besonderheiten aufzuzeigen.
4.
Die Auswahl der Rap-Lieder
Raptexte eignen sich aufgrund ihrer Poetik und ihrer inhaltlichen Ausrichtung als
Grundlage für die Textarbeit mit Schülern. Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern
man in der Unterrichtseinheit gezielt auf die Identitätsproblematik der jungen Ghettobewohner eingehen kann. Manche Rapstücke sind aufgrund ihrer Thematik geeignet,
„schwerwiegendere Bereiche wie die Zerrissenheit der Jugendlichen sehr sensibel
anzusprechen“ (Boisson-Zaric 2007: 38). In dem Zusammenhang kann auch der Begriff der ,sozialen Ungerechtigkeit‘ eingehender diskutiert werden. Die französische
Rap-Szene zeichnet sich vor allem durch den Gewalt- und Politikbezug der Texte
aus; trotzdem wäre es unangebracht, hier von einem reduzierten Themenspektrum
auszugehen. Aufgrund ähnlicher Banlieue-Erfahrungen und ähnlicher Wertmaßstäbe
werden von den Rappern zahllose gemeinsame Themen und Anliegen zur Sprache
gebracht. Die Handlungen werden in den Texten meist aus der Perspektive des IchErzählers dargestellt, es handelt sich vielfach um innere Monologe, die die Gedankenwelt der Protagonisten darlegen.
Mit der Auswahl der Lieder ist sicherzustellen, dass die Denkweise und die innere
Zerrissenheit eingewanderter Jugendlicher nachvollzogen werden kann. Eine wichtige Aufgabe der Schüler besteht u.a. darin herauszufinden (und zu beschreiben), wie
die Integrationsproblematik in den jeweiligen Liedtexten zum Ausdruck kommt. Viele
Schüler haben gute musikalische Vorkenntnisse, eigenes Schreiben und die Vertonung eines Textes sind denkbar. Man kann den Schülern mit einfachen Hilfsmitteln
einen Rap-Rhythmus vorgeben, zu dem sie dann einen Text schreiben sollen – eine
kreative und ansprechende Aufgabe.
Zwei Lieder werden in diesem Zusammenhang näher betrachtet: La Gravité von Abd
al Malik und Quartier Nord von MC Solaar.
5.
La Gravité von Abd al Malik
Abd al Malik wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, und in der französischen
Presse finden sich immer wieder Berichte über ihn.12 Seine Popularität nimmt zu,
was für die Schüler insosfern von Bedeutung ist, als sie in verschiedenen Medien auf
zusätzliche Informationen stoßen und auf diese Weise ihr im Französischunterricht
gewonnenes Interesse vertiefen können.
12 2007 erhielt er für sein zweites Album Gibraltar die Auszeichnung « Trophée meilleur album »,
2008 wird er von der französischen Ministerin für Kultur als « Chevalier des arts et des lettres »
ausgezeichnet; außerdem zeichnete man ihn im selben Jahr als « artiste interprète masculin de
l´année » aus (vgl. den Artikel « Abd al Malik joue collectif » in den DERNIÈRES NOUVELLES D’ALSACE vom 18.1.2008 und « Abd al Malik. Professeur rappeur » in PARIS-MATCH vom 31.5.2007).
69
Dieses Lied La Gravité zeichnet sich durch vier Schwerpunkte aus (vgl. Hüser 2004):
1) Erzählen einer persönliche. Geschichte im Banlieue-Alltag (zu dem auch die
Drangsalierung durch die Polizei gehört),
2) Ansprechen der gesellschaftlichen Misere (Chancenlosigkeit der Jugend, Unterschiede zwischen Arm und Reich, Autoritätsverlust der Eltern, Identitätsfrage),
3) Darstellung von Fremdenfeindlichkeit,
4) Aufzeigen erfolgversprechender Botschaften, sog. messages, und von Strategien
im Umgang mit diesen Problemen (positives Denken, voluntaristische Grundhaltung, Streben nach persönlichem Erfolg, Selbsterziehung und Bildung, Stolz und
Selbstbewusstsein).
In einer Unterrichtseinheit von ca. vier bis sechs Stunden lassen sich die vier
Schwerpunkte oder Anliegen gezielt herausarbeiten. Dabei sind vorbereitende methodische Schritte, wie sie Leupold (2002: 338) vorschlägt, sinnvoll: „Eine thematische Hinführung der Lerner kann z.B. über das Abspielen einer kurzen Melodie mit
anschließender Hypothesenbildung oder durch eine lexikalische Vorentlastung erfolgen. Es kann z.B. ein Unterrichtsgespräch zu eigenen Erfahrungen geführt werden.“
In der einführenden Motivationsphase kann man einzelne Textpassagen herausgreifen, z.B. die erste Strophe:13
A l’arrière train du bus 14 comme à la remorque de la vie
Je suis amorphe coté fenêtre, les yeux assis dans le vide
A ne surtout pas me demander si la vie me considère comme un brave
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
Es wäre denkbar, die Schüler in Gruppenarbeit zu viert oder zu fünft die betreffenden
Zeilen zur Pantomime verarbeitet zu lassen.14 Anschließend werden die Pantomimen
vorgeführt und die Darstellungsinhalte von den Mitschülern erraten.
Beim anschließenden Mitlesen des Textes während des Abspielens ordnen die
Schüler die gleichzeitig präsentierten Standbilder in den Kontext des Liedes ein. Die
Zeilen, die die Pantomime betreffen, werden farbig markiert. Maßnahmen zur Bewusstmachung spielen eine wichtige Rolle. Nieweler (2006: 196ff.) betont die Verbindung von Kognitivierung und sprachlichem Input. Moderner Unterricht kombiniert
kognitive und affektive Vermittlungsverfahren.
Eine andere Möglichkeit bietet ein Lückentext: die Schüler ergänzen die Liedzeilen
während des Abspielens. Mehrmaliges Abspielen des Liedes ist anzuraten, um eventueller Frustration vorzubeugen, denn „allzu stark vom Unterrichtsfranzösischen abweichende Texte mögen den Lernenden irritieren“ (Bächle 2007: 16). Vor allem das
hohe Sprechtempo kann sich negativ auf die Motivation auswirken. Es kommt auf
behutsames Heranführen und geeignete Vorentlastungen an, denn die Konsequenz
aus eventuell auftretenden Verstehensschwierigkeiten darf nicht darin bestehen, von
vornherein auf den Einsatz von authentischen Texten zu verzichten. Primäres Ziel
bleibt in der Regel das Globalverstehen, d.h., es muss nicht jedes einzelne Wort genau erfasst werden.
13 Der komplette Text ist zu finden in Abd al Maliks Album Gibraltar oder im Internet unter folgendem
Link: http:// musique.ados.fr/Abd-Al-Malik/La-Gravite-t96892.html (Stand Juli 2008); vgl. außerdem
im Anhang S.79.
14 Eine gelungene Hilfe dafür, Rappen und szenische Darstellung zu verbinden, bietet Mathias Schillmöller (2008: 71) im Kapitel „Rappen und Darstellen: Le Rap Pantomime“.
70
In anschließender Gruppenarbeit wird Punkt 1) der obigen Liste erarbeitet: die persönliche Geschichte, Probleme der banlieue, enttäuschte Hoffnungen. Es bietet sich
an, den Liedtext strophenweise unter diesem Aspekt untersuchen zu lassen. Zusätzliche Vokabelhilfen und gegebenenfalls auch Teilübersetzungen dürften je nach
sprachlichen Voraussetzungen angebracht sein. Die Ergebnisse der Gruppenarbeit
werden auf Folie vorgestellt und kommentiert. Im Mittelpunkt dieser Phase steht besonders die Gefühlswelt des Protagonisten; von dort aus wären Transfermöglichkeiten bezüglich der Situation der Schüler zu erörtern.
Eine zweite Unterrichtsstunde behandelt die gesellschaftliche Misere, den zweiten
Schwerpunkt.
Die Schüler untersuchen beispielsweise die Strophen des Liedes, die ihnen aus der
vorangehenden Stunde schon bekannt sind, nach Ausdrücken, die den Graben zwischen Arm und Reich wiedergeben, die die allgemeine Chancenlosigkeit ansprechen, die Identitätsfrage aufgreifen oder Aids und den Umgang mit Drogen thematisieren. Die Ergebnisse werden an der Tafel festgehalten. Anschließend besteht die
Möglichkeit, Parallelen aus der Integrationspolitik in Deutschland zu diskutieren.
Sprachlich werden dabei argumentative Fertigkeiten geschult, inhaltlich lernen die
Schüler, deutsch-französische Vergleiche an konkreten Beispielen durchzuführen.
Die dritte Stunde hat die politische Krisensituation und die herrschende Fremdenfeindlichkeit zum Gegenstand. Es bietet sich an, die Gruppenkonstellation der Schüler beizubehalten und die unterrichtliche Arbeit mit Pressetexten fortzusetzen. Als
Vorlagen kämen in Betracht:
- « Rap. Le cri des banlieues » (in: Écoute 3/2006) oder
- « Le vandalisme fait peur au Français – 20.000 voitures incendiées »
(in: Aujourd’hui 15.2.2002)
Die Texte dienen in erster Linie als Basis für die Erarbeitung der Lebensbedingungen
der Banlieue-Bewohner. Von hier aus kann auch die Spezifik des Vokabulars bzw.
die gewalttätige Ausdrucksweise überhaupt plausibler werden. Als Hausaufgabe
könnten die Schüler Abschnitte eines deutschen Textes zum Thema übersetzen, z.B.
„Französischer Rap. Frust aus vollen Kehlen“ (www.ard.de.kultur, 17.11.2005).
Schließlich steht in der letzten Stunde die Auseinandersetzung mit den Bedingungen
und Schwierigkeiten zur Diskussion. „In der banlieue selbst gilt der Rapper als sozialer Chronist und Lehrer, der Rap als Identitätsanker und autonome Ausdrucksmöglichkeit der Vorstadtjugend“, so Hüser (2004: 33); in der Gesellschaft aber bekommt
er eine Rolle als Botschafter, der Rap wird zur Aufstiegs- und Integrationsstrategie,
da somit das Prestige und der Erfolg über das Viertel hinaus gesichert wird. Dies
lässt sich auch anhand des Liedes La Gravité zeigen. Anfang und Ende des Liedes
können hierbei von den Schülern gegenübergestellt werden; es findet eine klare
Entwicklung von negativen, pessimistischen Gedanken zu einer optimistischen Haltung hin statt. Vgl.:
« A ne surtout pas me demander si la vie me considère comme un brave / Je viens d’un
lieu où chacun se complaît à être grave »
« Sortir la tête de l’eau ou se noyer dans le fantasme / Je viens d’un lieu où chacun se
complaît à être grave »
« Mais il m’arrive d’être triste et ces joues mouillées ce sont de vraies larmes / Même si, je
viens d’un lieu où rien n’est jamais vraiment grave »
71
Um den Zugang zu Abd al Malik zu erleichtern, ist es sinnvoll die Unterrichtseinheit
mit biographischen Daten zu ergänzen oder zu beenden.15 Sein Leben verlief ohne
Frage sehr ereignisreich: Abd al Malik war zunächst ein Jugendkrimineller, der seine
Vorbilder in Jugend-Gangs fand, sich dann jedoch zum positiv denkenden Philosophen entwickelte und zum Anhänger des Sufismus wurde. Zuletzt machte er vor allem durch bedeutende Musikpreise von sich reden.16 Einen eventuell gekürzten und
durch Vokabelhilfen vorentlasteten Text dazu zu erarbeiten, rundet die Unterrichtseinheit sinnvoll ab.
Abd al Maliks La Gravité geht über klassische Formen französischer Assimilation und
Integration hinaus, ohne dieses Modell jedoch außer Kraft zu setzen:
« Je ne suis pas de ceux qui se considèrent être quelqu’un parce que je suis né avec
quelque chose. »
Der Rap steht für „einen prinzipiellen Integrationswunsch bei Kultivierung eines gewissen Andersseins“ (Hüser 2004: 35). Dies drückt sich auch in anderen Liedern des
Albums Gibraltar aus. Abd al Malik fordert einen flexibleren staatlichen Umgang mit
dem französischen Integrationsmodell, geprägt durch die jakobinische Tradition und
Rousseaus volonté de tous. Der Rapper solidarisiert sich mit sozial Benachteiligten
und formuliert Fragen an das Schicksal. Eine gewalttätige Auflehnung wird nicht direkt eingefordert. 17 Auch dies sollte im Unterricht deutlich herausgestellt werden.
Als Abschluss der Unterrichtseinheit kann man die Schüler einen eigenen Rap-Text
schreiben lassen und anschließend mit einem entsprechenden Rhythmus unterlegen
(vgl. Schillmöller 2008: 18ff.).
6.
Quartier Nord von MC Solaar
Anhand eines Liedes des ersten Albums von MC Solaar18 Qui sème le vent, récolte
le tempo können neben der Untersuchung genereller Merkmale ebenso spezielle
Wortfeldanalysen durchgeführt werden. Die Gewaltlosigkeit des Sängers ist den meisten Lesern bekannt; von den Schülern kann auch dieses Thema anhand des Liedtextes erarbeitet werden.
Zur Vermittlung eines ersten Eindrucks hier ein Ausschnitt des Liedes:19
Quartier Nord
Il existe un domaine dans lequel je n'ai pas d'égal
La matière première est un impact musical
Cassant le vent, le temps, les aigus laissent des cicatrices
La basse te fracasse tandis que mes mots glissent hors piste
15 « Abd al Malik. Professeur rappeur » In: PARIS-MATCH 3.8.2007.
16 « Abd al Malik joue collectif » In: DNA 18.1.2008 ; « Le rappeur Malik décoré » In: DNA 28.1.2008.
17 Zur Vertiefung sei hier auf das Buch Qu´Allah bénisse la France (2007) von Abd al Malik verwiesen.
18 MC Solaar: Das „MC“ in seinem Namen steht entweder für „Master of Ceremonies“ oder „Microphone Controller“; der letztgenannter Begriff stammt aus der Hip-Hop-Szene, der erstgenannte
ursprünglich aus der römisch-katholischen Kirche im englischen Sprachraum, wo der Master of
Ceremonies für den Ablauf der Messe verantwortlich war.
19 Der komplette Text zu Quartier Nord befindet sich im Anhang (S.80).
72
Alors que mes idées n'étaient qu'au stade embryonnaire
La haute technologie de mon vocabulaire
M'a fait : paracommando de la rime urbaine
Sans haine, j'assène un phénomène extrême
Rapper nutzen die verbale Komponente, das rapping, um auf konkrete Lebenssituationen aufmerksam zu machen, aber auch, um auf die mentalen Konstruktionen zu
reagieren; diese sind ein Resultat der sozialen, geographischen und kulturellen Marginalisierung (Kimminich 2002: 107). Rapper spielen mit der ihnen zugeordneten
Identität des Unkultivierten: « Il existe un domaine dans lequel je n´ai pas d´égal / La
matière première est un impact musical / […] alors que mes idées n´étaient qu´au
stade embryonniare. » Ursprung und Tragweite einer Gegenwart, die sich durch soziale Ungleichheit und Diskriminierung auszeichnet, kommen hier zur Sprache; « il
existe un domaine où je n´ai pas d´égal », um eines der wenigen Beispiele aus MC
Solaars Lied zu zeigen. Rapper möchten ihr Anerkanntsein demonstrieren, ihre Legalität und ihren zwischenmenschlichen Respekt. Auch Gewalt wird thematisiert,
man spielt mit dem Aggressionspotenzial. Dies kann sich in konkreten Taten ausdrücken oder aber über Musik manifest werden (Kimminich 2002: 108). Mit seinen
Versen macht MC Solaar auf psychische und physische Gewalt aufmerksam, der ein
Jugendlicher in den Vorstädten schon früh ausgesetzt ist. In der Tat sind die Gefahren der Straße vielfältig, wie im folgenden Zitat eines Journalisten erläutert:
« […] Des adolescents sont tués ou grièvement blessés pour des raisons insignifiantes :
certains refusent de donner une cigarette […], d´autres encore ne supportent pas qu´on
les regarde sans baisser les jeux. […] On peut mourir à cause d´un regard qu´un petit
‘caïd’ n´a pas supporté. » (Jelen 1999: 26f.)
Solche Szenen werden eindringlich in Quartier Nord beschrieben. Ein solcher Lyric
vermittelt dem jugendlichen Publikum den Eindruck, „dass Handlungen dieser Art
nicht zu rechtfertigen sind“ (Kimminich 2002: 109):
« Notre force de frappe est apte / à l’attaque des arnaques que l’on ven dans les bacs en
compact / Chaque attaque claque, et l’impact du rap traque et matraque »
Das Zitat demonstriert den Appell deutlich. Der Gegensatz zwischen der „ausweglosen Situation“ des Protagonisten und seiner „erfolgversprechenden Botschaft“, also
der Hoffnung, sind in Quartier Nord ebenso gegenwärtig wie in La Gravité. Die Schüler können im Falle von Quartier Nord den Arbeitsauftrag bekommen, entsprechende
Textstellen herauszusuchen, farbig zu markieren und der Klasse vorzustellen.
Rassismus, Rechtsextremismus, Raub und Hass bedrohen die Jugendlichen in ihrem Alltag, ebenso demütigende Ausweiskontrollen und Leibesvisitationen und verbale Demütigungen durch die Polizei. Dass diese Erfahrungen immer wieder auftretende Themen sind, ist nicht verwunderlich. Die Perspektive ist die eines in jeder
Hinsicht benachteiligten Jugendlichen, der einer ausgegrenzten Bevölkerungsgruppe
angehört. Es dominieren Gefühle der Minderwertigkeit, verbunden mit Gewalt und
Aggressionen:
« Qui me mène, m’amène, m’entraine / dans mon domaine et même si cela te gêne / Tant
pis, c’est ton problème / Le hardcore du quartier nord / frappe encore et encore de bâbord
à tribord / pour le baptême de mon emblème […] »
Der emotionale Drang nach Revanche mit einem Alter Ego wird in Quartier Nord
ebenso deutlich wie der Ausdruck des skizzierten Lebensgefühls.
73
Das alles wird aber nicht einfach hingenommen, sondern mit kritisch-analytischer Beobachtung kommentiert. In einer weiteren Unterrichtsstunde kann daher auch hier
die „verbale Alternative“ MC Solaars von den Schülern herausgearbeitet werden.
Kimminich beobachtet, dass vermehrt für das ausgehende Jahrtausend Lyrics zu registrieren sind, die sich gegen Gewalt aussprechen, Ursachen freilegen und konkrete
Alternativen formulieren. Dieser fundamentale Optimismus des Protagonisten sollte
den Schülern ebenfalls deutlich werden. Die Komplexität der Argumentation hat zugenommen, dies gibt MC Solaar deutlich zu erkennen:
« J’ai fait tant d’années d’études musicales / Pour atteindre ce niveau transcendantal. /
Toujours au sommet, toujours au summum / Et sur le podium / je deviens l’opium de
l’homme / Car je suis un pro un prophète, que dis-je professeur, / poète, prodige, tu piges. »
Die Botschaft des Gewaltverzichtes ist ein Zeichen gegen eine in den Medien verbreitete Konstruktion, „die Rap mit Gewalt assoziiert und die Wirksamkeit kollektiver
Projektionen offenlegt“ (Kimminich 2002: 110). Der Appell „Handle mit Hirn!“ sowie
„Denk an Deine Zukunft!“ ist auch für MC Solaar wichtig. Indem die physische durch
die verbale Waffe ersetzt wird, plädieren die Lyrics nachhaltig gegen Gewalt. Nachdrücklich wird die eigene Entscheidungsfreiheit betont (Kimminich 2002: 110f.):
« Donc analyse mon argot littéraire/ Paracommando des mots et du vocabulaire./ Viking
de l´empire du soleil levant / moine athée et pourtant croyant. / Que le type de prototype
dont je suis l´archétype. / Profite de ce son synthétique pour que ma musique angélique
balance en cadence. »
Der einprägsame Rhythmus verleiht der gezielt sachlichen Erzählung eine emotionale Dimension, ohne Rückbezug auf moralische Normen. Im Unterricht kann aus diesem Grund auf der einen Seite auf die sprachlichen Besonderheiten eingegangen
werden, auf der anderen Seite auf den Aufbau des Liedes, auf den Rhythmus etc.
Hüser macht auf die pluri-kulturelle Dimension des Rap aufmerksam; schon rein
sprachlich zeigt sich das integrative Phänomen, diese Art Soziolekt der jugendlichen
Banlieue-Bevölkerung sollte wenigstens kurz angesprochen werden.
Die verbale Alternative hat Erfolg, das hat sich nicht zuletzt in den Gründungsgeschichten jüngerer Gruppen gezeigt. Viele junge Rapper bestätigen, dass sie ohne
Rap wohl im Gefängnis gelandet wären. Im Rap haben sie Hoffnung geschöpft und
sich somit zum Sprachrohr ihres Viertels gemacht:
« Le pro de l´impro / Capte le micro / A l’aise, balaise sur ce tempo / Donc je m’installe
sans être brutal / Phénomène phénoménal / Je viens du sud, d’accord / Et j’habite le quartier nord. »
Die einzige Waffe ist das Mikro. Mit seiner Hilfe will sich der Protagonist in Zukunft
behaupten. Anstatt vorschnell zu handeln, bevorzugt er es, mit Worten Aufmerksamkeit zu erregen. Tatsächlich erreicht das rapping mit seiner körperliche Gewalt substituierenden Wortgewalt offensichtlich mehr als Polizeieinsätze oder assimilationspolitische Programme (Kimminich 2002: 113). Auch der Break-dance scheint in gleicher
Weise den fehlenden körperlichen Einsatz auszugleichen, „denn er vermittelt den
Jugendlichen eigentlich uralte, in ihrer Rekonfiguration artikulierte Körpertechniken“
(vgl. den Satz « La basse te fracasse tandis que mes mots glissent hors piste »).
Schließlich folgt als Abschluss der Unterrichtseinheit eine Analyse der sprachlichen
Besonderheiten. In Partnerarbeit können die Schüler in zwei oder drei Unterrichtsstunden anhand ausgewählter Textabschnitte u.a. Folgendes herausarbeiten:
74
Der Rapper bezieht nicht nur verschiedene Sprachen mit ein, z.B. Französisch, Englisch, Spanisch, Kreol, sondern er bedient sich auch eines außergewöhnlichen Vokabulars. „Das fachsprachliche und poetisch-rhetorisch ausgefeilte Sprachmaterial wird
in die Jugendsprache eingebettet.“ (Kimminich 2002: 113) Auch mit traditioneller Geheimsprache, dem Verlan und dem Veul20, wird gearbeitet. Das sei hier deshalb erwähnt, weil der Sprachen-Mix im allgemeinen zu den wichtigsten Charakteristika des
Rap gehört und dem interessierten Leser / Hörer sofort auffällt (in Quartier Nord jedoch wird von diesem Mittel kein Gebrauch gemacht). Auffällig ist hier die Vielfalt stilistischer Figuren und der Reime. Alle Reimarten sind vorhanden; bei der rime suffisante zum Beispiel reimen sich Tonvokal und vorausgehender bzw. nachfolgender
gesprochener Konsonant, bei der rime superflue gibt es einen Gleichklang von Vokal, Konsonant und Tonvokal, also zweier Silben. Substantive werden gerne eingesetzt, „vor allem die für den Rap typische Parechesen, eine Zusammenstellung lautlich gleicher oder ähnlich klingender Wörter verschiedener Wortarten“ (Kimminich
2002: 114).
« Sans haine, j’assène un phénomène extrême » oder: « À l’attaque des arnaques que
l’on ven dans les bacs en compact. »
Ebenso zu beobachten ist eine große Zahl von Wortspielen, die auf dem Einsatz von
Homophonen beruhen:
« Cassant le vent […] », […] des arnaques que l’on ven […] »
« Dans les Cévennes, il s’est ven, on peut le lire sur ses veines. »
Verdichtung wird auch durch das Verschmelzen einzelner Wörter, z.B. von Artikel
und Substantiv, Präposition und Substantiv, erzielt. (In Quartier Nord ist dies allerdings nicht der Fall, bei anderen Rappern jedoch häufig anzutreffen.) Die wichtigsten
Aussagen werden durch Rejets und Enjambements hervorgehoben, durch Brüche im
Rhythmus oder musikalische Besonderheiten zusätzlich akzentuiert. Quartier Nord
zeigt auf ausdruckstarke Art den Einsatz der Enjambements, wo der Satz- und Sinnzusammenhang jeweils in den nächsten Vers hineinreicht. Ebenso finden sich zahlreiche Beispiele für Wortstellungsfiguren; vgl. « moine athée et pourtant croyant »,
wo ein Chiasmus die paradoxe Gegenüberstellung von religiöser und atheistischer
Haltung zusätzlich hervorhebt. Unter rhetorischem Aspekt kann Quartier Nord Abschnitt für Abschnitt analysiert werden; dabei empfiehlt sich, zuvor eine Einführung in
die wichtigsten Figuren vorzunehmen.
Insgesamt kann anhand von Quartier Nord detailliert auf die Botschaft des Rapsängers an die Politik eingegangen werden. Die politischen Adressaten sollen über Worte zum Handeln bewegt werden, nicht mit Mitteln physischer Gewalt. Dennoch sind
hier – im Gegensatz zu La Gravité von Abd al Malik – aggressive Töne und eine drastische Wortwahl charakteristisch. Diese Merkmale kennzeichnen die Art und Weise,
wie der Sängers MC Solaar, der sich selbst als Sprecher, ja sogar als Prophet der
Armen und Benachteiligten sieht, seine Rolle auszufüllen gedenkt.
Bei Bedarf kann man in einer Diskussionsrunde Parallelen zu deutschen Rappern
wie Samy Deluxe oder Curse ziehen lassen. Es bietet sich zunächst an, anhand der
deutschen Texte eine Zusammenfassung des Textinhalts auf Französisch anfertigen
zu lassen. Anschließend wird diskutiert, worin die Unterschiede und Parallelen zwi-
20 Verlan: auf Silbentauschung beruhende Form des Argot; Veul kehrt das so entstandene Ergebnis
wieder um: femme > meuf > feume.
75
schen den französischen Rappern MC Solaar und Abd al Malik einerseits und den
deutschen Sängern Deluxe und Curse andererseits bestehen.
Als weitere Vertiefung (oder auch als Abschluss) kommt der Einsatz eines Zeitungstextes in Betracht, der über die jüngsten Krawalle in den französischen Vorstädten
berichtet. Anhand solcher Informationen wird den Schülern bewusst, wie sich in den
sogenannten Quartiers chauds Integrations- und andere Probleme junger, desillusionierter Ghettobewohner oftmals in gewalttätiger Form entladen. Den Ausschreitungen stehen die Break-Dancer mit ihren Tanzwettbewerben gegenüber. Die Schüler
lernen beide Seiten mit ihren Reaktionsweisen kennen und sollten sich kritisch und
abwägend dazu äußern können. Dabei geht es schließlich auch um das Üben argumentativen Verhaltens in der Fremdsprache. Neu erworbenes Vokabular lässt sich
ebenso integrieren wie spezifisches landeskundliches Wissen; die Verbalisierungsfähigkeit entsprechender Zusammenhänge und Positionen gehört hier zu den zentralen Lernzielen.21
7.
Grenzen und Chancen des Rap im Französischunterricht
Die Unterrichtseinheit zielt insgesamt darauf ab, den themenspezifischen Wortschatz
zu erweitern und zu festigen, die mündliche Ausdrucksfähigkeit, speziell die Kompezenz, eigene Stellungnahmen zu formulieren, zu fördern und in die aufgezeigte landeskundliche Problematik einzuführen.
Im Rahmen der Textinterpretation und durch zusätzliche kreative Schreibaufgaben
sind die Lernenden gehalten, aktiv mit der Sprache umzugehen, immer wieder neue
Sachverhalte zu kommentieren und die angeeigneten Strukturen in der Analyse der
aktuellen sozialen Situation in Frankreich zu erproben. Die Lernzielkontrolle kann auf
verschiedene Weise erfolgen: durch die schriftliche Beantwortung von Fragen, in der
mündlichen Diskussion einzelner Problemaspekte, durch die Präsentationen eigener
Texte. Nicht minder wichtig erscheint die Schulung des Hörverstehens. Die Konfrontation mit authentischen, nicht immer im ersten Anlauf verständlichen Liedtexten
sorgt zudem für die Ausbildung einer gewissen Frustrationstoleranz im Umgang mit
fremdsprachlichen Dokumenten.
Durch die gemeinschaftliche Gruppenarbeit erfahren die Schüler, dass sich bestimmte Aufgaben nicht ohne soziale Kompetenzen lösen lassen. Um mit- und voneinander
lernen zu können, müssen die Schüler bereit sein, nicht nur eigene Ideen zu vertreten, sondern auch offen zu sein für andere Meinungen, diese anzuhören, einzuordnen und zu diskutieren. Durch diesen Prozess wächst einerseits der Respekt gegenüber den Mitschülern, andererseits wird das Vertrauen in die eigene Position (und die
eigene Person) gestärkt. Das Unterrichtsvorhaben zielt nicht allein auf die Förderung
sprachlicher Kompetenzen ab, es soll ebenso extraverbale Kommunikationsformen
ansprechen (Körpersprache, Mimik, Gestik). Denkbar wären z.B. pantomimische
Darstellungen oder Rollenspiele auf der Basis einer Lied-Szene. Das Zusammenspiel sprachlicher und sensomotorischer Kommunikation wird im Fremdsprachenun-
21 Für eine Zusammenstellung geeigneter Texte sei auf folgende Beiträge verwiesen:
« Rap. Le crie des banlieues » In: ÉCOUTE 3/2006;
« Le vandalisme fait peur au Français – 20.000 voitures incendiées » In: AUJOURD’HUI 15.2.2002;
„Französischer Rap. Frust aus vollen Kehlen“, unter: http:// www.ard.de.kultur;
Kisters (2008).
76
terricht allzu oft vernachlässigt; dabei kann eine solche Mehrkanaligkeit, wie wir aus
der Lernpsychologie wissen, für den Fremdsprachenerwerb von großer Bedeutung
sein.
Die sprachlichen Anforderungen sollen dem Leistungsstand der Klasse entsprechen.
Im vorliegenden Fall ergibt sich ein zusätzliches Problem daraus, dass bei Musikproduktionen der Schwierigkeitsgrad für das Hörverstehen generell sehr hoch liegt. Das
hängt nicht allein mit der Zahl der unbekannten Wörter und Wendungen oder mit den
verwendeten grammatischen Strukturen zusammen; schwierig ist die simultane Rezeption von Text und Musik. Auch wenn nicht jeder Text bis ins letzte Detail verstanden und analysiert werden muss und gelegentlich das Erfassen der „Botschaft“ des
Rap-Sängers ausreichen kann, dürfen hier die Verstehensprobleme nicht unterschätzt werden. Eine Vorentlastung in sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht erscheint
unerlässlich, ohne sie würden die Fragen zum Text ins Leere gehen. Um den Einstieg in die Textarbeit zu erleichtern, kann der Zugang mittels Vokabelhilfen, Teilübersetzung, Bilder, Clips oder Pantomime erleichtert werden. In Fällen, wo die Musik das Einhören sehr erschwert, könnte der Liedtext zunächst als Lückentext ausgeteilt werden, die Präsentation des integralen Textes würde sich anschließen. Die jeweiliegen methodischen Schritte hängen dabei von der zuvor fixierten Zielsetzung
ab. Als weitere Möglichkeiten der Weiterarbeit bieten sich an: das Singen des Textes
parallel zum Abspielen der Musik, das mimische Spiel der Situation sowie, gegebenenfalls als Hausaufgabe, ein gespielter Dialog zwischen den Protagonisten des Liedes (Leupold 2002: 338).
In fachdidaktischen Zeitschriften finden sich nur selten Beiträge zum französischen
Chanson. Dies ist allein schon deshalb bedauerlich, weil die Musikproduktionen als
authentische Dokumente einen Spiegel der Themen darstellen, die die Gesellschaft
bewegen. Damit sind sie gleichzeitig Zeugnisse, die Einblick gewähren in die Kultur
des Zielsprachenlandes (vgl. Krechel 2007: 120). Von daher sollte man auch vor
„schwierigeren“ Musikprojekten nicht zurückschrecken und sie eher als eine lohnende didaktische Herausforderung betrachten.
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Schillmöller, M. (2008): R’apprends le français. Seelze.
78
Anhang
La Gravité von A b d a l M a l i k
A l’arrière train du bus 14 comme à la remorque de la vie
Je suis amorphe coté fenêtre, les yeux assis dans le vide
A ne surtout pas me demander si la vie me considère comme un brave
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
Tourner en rond dans ces ruelles de la vie, que même les lampadaires n’éclairent plus
Être baigné dans le noir et pourtant, se croire dans la lumière totalement nu
Sortir la tête de l’eau ou se noyer dans le fantasme
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
Je me blesse tout le temps avec le tranchant de l’orgueil
Je suis de ceux qui lentement deviennent leur propre cercueil
Je suis aveuglé par des murailles de tours
Je me dis : « Il ne peut rien y avoir derrière ces remparts »
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
Avoir la prétention d’être soi, on se connaît toujours trop peu
Donner du sang cette pensée me rend exceptionnel en ce lieu
Provincée mon existence il fut un temps ou Paris, j’y serais allé même à la nage
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
Au volant de ma Z3 bleue ciel comme aux commandes de ma vie
Je suis les cheveux au vent que cette vie bonde que je conduis
A me demander si je crois en la justice
Je dirais que je suis heureux d’être à ma place
Je viens d’un lieu où rien n’est jamais vraiment grave
Rouler à fond sur l’autoroute de la vie tellement éclairée qu’on en perd la vue
Prendre son bain debout, un problème des solutions n’en parlons plus
Voir l’argent comme un moyen et non comme une faim, ça calme
Je viens d’un lieu où rien n’est jamais vraiment grave
Je ne suis pas de ceux qui se considèrent être quelqu’un parce que je suis né avec quelque
chose
Je suis tellement égoïste que je pense plus aux autres qu’à moi, c’est drôle
Mais il m’arrive d’être triste et ces joues mouillées se sont de vraies larmes
Même si, je viens d’un lieu où rien n’est jamais vraiment grave
Avoir mal à la bourgeoisie comme Che Guevara
Se lever chaque matin sans réellement savoir pourquoi
Souffrir du non sens, une maladie qui n’épargne aucun personnage
Je viens d’un lieu où rien n’est jamais vraiment grave
Je viens d’un lieu où chacun se complaît à être grave
La gravitée, mesdames et messieurs
79
Quartier Nord von M C S o l a a r
Il existe un domaine dans lequel je n'ai pas d'égal
La matière première est un impact musical
Cassant le vent, le temps, les aigus laissent des cicatrices
La basse te fracasse tandis que mes mots glissent hors piste
Alors que mes idées n'étaient qu'au stade embryonnaire
La haute technologie de mon vocabulaire
M'a fait : paracommando de la rime urbaine
Sans haine, j'assène un phénomène extrême
Qui me mène, m'amène, m'entraîne
Dans mon domaine et même si cela te gêne
Tant pis, c'est ton problème
Le hardcore du quartier nord
Frappe encore et encore de bâbord à tribord
Pour le baptême de mon emblème
Quatre cent quatre vingt quatorze plus seven
Dans les Cévennes, il s’est ven, on peut le lire sur ses veines
Tentative de suicide par manque de rime de rime urbaine
Je viens du sud de la capitale qu'on appelle Villeneuve-Saint-Georges, quartier nord... Hardcore
Notre force de frappe est apte
A l'attaque des arnaques que l'on ven dans les bacs en compact !
Chaque attaque claque
Et l'impact du rap traque et matraque
Quel que soit le cap
J'ai fait tant d'années d'études musicales
Pour atteindre ce niveau transcendantal
Toujours au sommet, toujours au summum
Et sur le podium, je deviens l'opium de l'homme
Car je suis un pro, un prophète, que dis-je
Professeur, poète, prodige, tu piges
Donc analyse mon argot littéraire
Paracommando des mots et du vocabulaire
Viking de l'empire du soleil levant
Moine athée et pourtant croyant
Que le type de prototype dont je suis l'archétype
Profite de ce son synthétique pour que ma musique
Angélique balance en cadence
Le pro de l'impro
Capte le micro
A l'aise, balaise sur ce tempo
Donc je m'installe sans être brutal
Phénomène phénoménal
Je viens du sud, d'accord
Et j'habite le quartier nord
80
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 81-91
Metaphorischer Sprachgebrauch
in deutschen und italienischen Tageszeitungen
Silvia Foffi
Viele linguistische Untersuchungen zu den Sprachstilen bestimmter Zeitungen oder Zeitschriften haben bereits die Tendenz zur bildhaften Ausdrucksweise und damit auch die Häufigkeit von Metaphern hervorgehoben. Rar sind jedoch interkulturelle bzw. interlinguale Vergleiche zu diesem Thema. Die folgenden Ausführungen stellen einen ersten Versuch in dieser Richtung dar. Ausgehend von der Metapherntheorie von Lakoff / Johnson wird der Metapherngebrauch in der deutschen und italienischen Pressesprache untersucht.1
Inhalt:
1.
2.
3.
4.
4.1.
4.2.
4.3.
5.
1.
Einleitung
Kognitivistische Metapherntheorie
Textauswahl
Kulturspezifische Voraussetzungen
Ausgangshypothese
Abonnement vs. Straßenverkauf
Allgemeine Strategien und Metapherngebrauch
Vergleich und Schlussfolgerungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
In den folgenden Abschnitten möchte ich kurz einige Ergebnisse einer Untersuchung
über den Metapherngebrauch in deutschen und italienischen Zeitungen vorstellen.
Es geht also um einen Vergleich der Metaphorik in zwei Sprachen,2 und zwar genauer: in der deutschen und in der italienischen Pressesprache. Als Beispiele dienen der
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (SZ) und der CORRIERE DELLA SERA (CS). Ich gehe in diesem
Zusammenhang auch auf die unterschiedlichen Verkaufswege von Tageszeitungen
in Italien und Deutschland ein, weil dieser Faktor, wie sich zeigen wird, für den Einsatz von Metaphern eine gewisse Rolle spielt.
Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, ob sich im metaphorischen Sprachgebrauch mehr Übereinstimmungen oder mehr Unterschiede zwischen den beiden gewählten Tageszeitungen feststellen lassen.
1
2
Der Beitrag fasst die wichtigsten Ergebnisse meiner Arbeit La metafora in un corpus giornalistico
italiano e tedesco zusammen; sie wurde 2006 von der Università degli Studi Roma Tre ausgezeichnet.
Es gibt bisher nur wenige Arbeiten zum Vergleich der Metaphorik in zwei (oder mehr) Sprachen.
Erwähnt seien hier vor allem die Untersuchungen von Dietmar Osthus (2000) zum französischdeutschen und spanisch-deutschen Vergleich sowie von Claudia Polzin (1999) und Christine
Schowalter (2005a, b) zum Deutschen und Französischen. Näheres siehe unter:
www.metaphorik.de/aufsaetze/index.
81
2.
Kognitivistische Metapherntheorie
Wichtiger Ausgangspunkt für meine Überlegungen ist die kognitivistische Metapherndefinition nach Lakoff / Johnson (1980). Die Autoren weisen die traditionellen Konzeptionen der Metapher zurück und zeigen, dass diese nicht nur eine rhetorische Figur der Sprache mit in erster Linie schmückender Funktion ist, sondern dass es sich
zunächst und vor allem um eine Form des Gedankens handelt. Sie unterstreichen,
dass der Metapher eine ganz zentrale Bedeutung zukommt: Sie prägt nämlich nicht
nur unseren alltäglichen Sprachgebrauch, sondern sie ist auch grundlegend für unser
Denken, da das konzeptuelles System, auf dessen Grundlage wir denken und handeln, grundsätzlich metaphorischer Natur ist.3 Demzufolge ist die Metapher ein unverzichtbares k o g n i t i v e s W e r k z e u g , welches uns ermöglicht, gemachte Erfahrungen zu kategorisieren.
Die idiomatischen Ausdrücke gelten als der beste Beleg für die Existenz von konzeptuellen Metaphern: idioms, feste Redewendungen bzw. Clichés sind die Mittel, die
uns die Existenz der Metaphern belegen, und aus ihnen kann man die k o n z e p t u e l l e M e t a p h e r ableiten, auf die sie verweisen. Zum Beispiel gehören die Ausdrücke jemandem Steine in den Weg legen und am Scheideweg stehen in den Bereich der konzeptuellen Metapher „Das Leben ist eine Reise“.4
Da es verschiedene Sprachen und Kulturen gibt, ist auch die Art, wie die Menschen
ihre Erfahrungen verarbeiten, wahrnehmen und strukturieren, verschieden. Nach Lakoff / Johnson betrachten z.B. viele Kulturen eine Diskussion gleichsam als kriegerische Auseinandersetzung, aber eben nicht alle; es kann also durchaus eine Kultur
geben, in der eine Diskussion wie eine Form des Tanzes wahrgenommen wird
(1998: 23). Ein anderes Beispiel: Der metaphorische Ausdruck „Le farfalle sono ragazze“ (‘Die Schmetterlinge sind Mädchen’)5 wird in der italienischen Kultur interpretiert als „Die Schmetterlinge wie die Mädchen, sie sind graziös, anmutig, sorglos und
gekleidet mit bunten Gewändern“. In der Kultur der westlichen Apachen in Mittel-OstArizona hingegen bedeutet der gleiche Ausdruck, dass die Mädchen „agiscono sventatamente, passando il tempo a rincorrersi e divertendosi quando (invece!) dovrebbero essere al lavoro“.6 Demnach unterscheiden sich die konzeptuellen Metaphern von
Kultur zu Kultur nach der Art, in der das kognitive System die Realität interpretiert.
Gleichzeitig zeigt bereits dieses Beispiel deutlich, dass viele Metaphern auch W e r t u n g e n transportieren.
3
4
5
6
Vgl. ausführlicher: Lakoff / Johnson (1998: 21).
Casadei (1996: 80). Weitere typische Beispiele konzeptueller Metaphern: „Kennen ist Sehen“
und folglich „Das Bekannte ist sichtbar, das Unbekannte ist unsichtbar“, „Die Probleme sind Lasten“, „Starke Emotionen sind Hitze“. Ein Beispiel zur räumlichen Metaphorik, genauer: zur vertikalen Metaphorik: „Mehr ist hinauf, weniger ist hinunter“ wie etwa in „Telekom-Quartalsgewinn
steigt erneut“ und „Steuern rauf, Lohnkosten runter“ (beide Belege sind der SZ vom 10.11.2005
entnommen; Hervorhebung S.F.).
Im Italienischen hat farfalla wie ragazza ein feminines Genus, was für diese Metapher nicht unwichtig ist, da sie z.B. im Deutschen und im Französischen (mit ihrem maskulinen Genus von
Schmetterling bzw. papillon) weniger nahe liegt.
Basso (1991: 342f.). Übersetzung: „[… dass die Mädchen] sich leichtsinnig und flatterhaft verhalten, wenn sie ihre Zeit mit Spiel und Unterhaltung verbringen – statt ernsthaft zu arbeiten“.
82
3.
Textauswahl
Als Materialgrundlage für die Analyse dienen die Titelseiten der beiden überregional
meistverkauften Qualitäts-Tageszeitungen Italiens und Deutschlands, des CORRIERE
DELLA SERA und der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Ausgewertet wird der Gebrauch metaphorischer Ausdrücke in sechs Exemplaren, drei italienischen, drei deutschen, und
zwar jeweils aus drei aufeinanderfolgenden Monaten. Das Korpus ist in der Tat nicht
umfangreich, aber es bietet wegen der generell hohen Frequenz von Metaphern in
Pressetexten ausreichend Belegmaterial.
Für die Untersuchung wird jeweils nur die erste Seite der Zeitung herangezogen, das
vor allem deshalb, weil es sich hier gleichsam um das „Schaufenster“ des Blattes
handelt.7 Wie ein Geschäft lassen auch Tageszeitungen mittels ihrer Titelseite erkennen, welche „Ware“ sie im Innenteil anbieten. Dabei ist festzuhalten, dass nicht
allein meinungsbetonte Textbeiträge auf den Titelseiten zahlreiche Metaphern enthalten (wie etwa der täglich erscheinende zweispaltige Leitartikel im CS oder die tägliche Glosse der SZ unter dem ebenfalls metaphorischen Titel „Das Streiflicht“).
Vielmehr findet man ebenso oft verschiedenste Metaphern in den längeren informationsbetonten Hauptbeiträgen, den Aufmachern, sowie in den kurzen Anreißer-Meldungen, die ja – zusammen mit den aktuellen Fotos und deren Legenden – auf den
Titelseiten insgesamt wesentlich mehr Platz als die Meinungsartikel einnehmen. Zum
andern ist die Auswahl durch die Begrenzung des Untersuchungsfeldes begründet.
Von den Ausgaben des CORRIERE wurden bewusst diejenigen in Betracht gezogen,
die sich durch eine außergewöhnlich auffällige oder „grelle“ Titelseite auszeichnen;
diese Beispiele erscheinen, zumindest auf den ersten Blick, als besonders attraktiv
und bildhaft und dürften – so die Annahme – im Hinblick auf metaphorische Belegstellen besonders ergiebig sein.
4.
Kulturspezifische Voraussetzungen
4.1. Ausgangshypothese
Für die deutsche und italienische Tagespresse gelten unterschiedliche Verkaufswege und andere Vertriebs- und Wettbewerbsbedingungen. In Italien dominiert der Zeitungskauf am Kiosk, in Deutschland die direkte Zustellung im Rahmen eines Abonnements, der Leser bekommt seine Tageszeitung gleichsam ins Hause geliefert. Aus
diesen spezifischen Voraussetzungen resultieren nun, so die Annahme, unterschiedliche Maßnahmen der Absatzförderung und verschiedenartige sprachliche Strategien, um die Aufmerksamkeit des potentiellen Käufers / Lesers auf sich zu ziehen. Zu
vermuten ist beispielsweise, dass der CORRIERE DELLA SERA u.a. wesentlich häufiger
von Metaphern Gebrauch macht als die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Denn die italienischen Tageszeitungen, die ja in erster Linie im Straßenverkauf vertrieben werden,
müssen sich – im Gegensatz zu den deutschen Zeitungen – in größerem Umfang
sprachlicher (und visuell wirksamer) Mittel bedienen, damit sie die Kaufbereitschaft
der Passanten anregen können.
7
Die Metapher vetrina (Schaufenster) für die prima pagina, die Titelseite, wird in den italienischen
Untersuchungen zur Pressesprache häufig verwendet; anhand französischer Beispiele vgl. Große (1996).
83
4.2.
Abonnement vs. Straßenverkauf
Das Abonnement ist ein Merkmal, das den Zeitungsverkauf in Deutschland (und in
den skandinavischen Ländern) stark von romanischen Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien unterscheidet. Während 65% der deutschen Zeitungsleser ihre
Tageszeitung im Abonnement beziehen, liegt der Anteil in Italien bei nur 6%.8 Was
die (von der Druckauflage zu unterscheidende) verkaufte Auflage des CORRIERE DELLA SERA bzw. der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG betrifft, so ergeben sich für das Jahr 2005
folgenden Zahlen:
Tageszeitungen
Verkaufsauflagen
CORRIERE DELLA SERA
677.237
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
446.040
Die Zahl der Abonnements beträgt im Jahr 2005:
- für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 314.586 Abonnements: etwa 70% der Zeitungsverkäufe entfallen also auf Abonnements;
- für den CORRIERE DELLA SERA nur etwa 30.000, das heißt, nur etwa 4,5% der Gesamtauflage werden im Abonnement verkauft.
Mit anderen Worten: In Deutschland bekommt man die Tageszeitung bequem ins
Haus geliefert, und das Verkaufssystem kann sich deshalb auf eine praktisch konstante Zahl von Lesern verlassen. (Der Direktverkauf z.B. in den Bahnhofsbuchhandlungen ist mit ca. 30% vergleichsweise weniger wichtig, wenn auch gewiss nicht bedeutungslos.) Die Titelseite der Zeitung braucht daher nicht in gleicher Weise reißerisch gestaltet zu sein; es genügt, wenn sie dem Leser einen ersten Überblick über
die nach Meinung der Redaktion wichtigsten Inhalte der Ausgabe gibt, damit er eine
Vor-Auswahl bezüglich der ihn interessierenden Themen treffen kann. In Italien hingegen ist, wie bereits ausgeführt, der Straßenverkauf entscheidend. Das heißt, ein
schneller Blick des Lesers auf die Überschriften der Titelseite muss in der Regel genügen, um das inhaltliche Angebot zu erfassen und eventuell eine Kaufentscheidung
herbeizuführen.
Die unterschiedliche Situation lässt sich am ehesten historisch erklären; hierzu einige
Stichworte:
- Mangelnde Effizienz der italienischen Post: Verspätungen bei der Zustellung und
Verlust von Paketen, weshalb die Zahl von Abonnements deutlich zurückgegangen ist;
- Quasi-Monopol der italienischen Zeitungs- und Zeitschriftenhändler für den Verkauf: Trotz verschiedener Initiativen der Regierung mit dem Ziel einer Liberalisierung der Verkaufswege blieb das Monopol in den bisherigen Händen. Auf diese
Weise hat sich eine Verhaltensgewohnheit ausgeprägt: Nicht die Zeitung kommt
zum Leser, sondern der Leser geht zum Zeitungs- und Zeitschriftenhändler – was
für die Verkaufszahlen nicht gerade förderlich ist.
- Elitäres Medium der Kommunikation: Bis in die 70er und 80er Jahre hinein war die
Tageszeitung ein Medium ausschließlich der Elite für die Elite; sie verwendete ei-
8
Vgl. Große (1998: 4); zum Vergleich mit Frankreich sei auf die Beiträge in Große / Seibold (2003)
verwiesen.
84
nen gehobenen Sprachstil (komplexe Satzstrukturen, zahlreiche Latinismen) –
was die die Lektüre für weite Teile der Bevölkerung erschwerte (vgl. Große 1998:
4f.).
In den letzten Jahrzehnten aber hat sich die Zeitungslektüre dank einer stetig zunehmenden Alphabetisierungsrate und der Veränderung der Massenmedien in allen
Gesellschaftsschichten verbreitet. Im Vergleich zu früher hat sich ebenfalls das Erscheinungsbild der Tageszeitung gewandelt: Heute versucht die Tageszeitung, sich
dem Leser und seinen Erwartungen anzunähern, und so kommt sie ihm auch mit einer einfachen, lebendigen und alltagsnahen Bildhaftigkeit entgegen, „con metafore
semplici e vivaci, già parte delle chiacchiere giornaliere“ (Lorusso / Violi 2004: VII).
4.3.
Allgemeine Strategien und Metapherngebrauch
Da in Italien der Straßenverkauf vorherrschend ist, müssen die Titelseiten der italienischen Zeitungen, wie gesagt, so strukturiert sein, dass sie die Aufmerksamkeit des
Passanten / potentiellen Lesers auf sich ziehen. Bei den deutschen Zeitungen hingegen ist dies nicht in gleichem Maße zwingend, weil den Lesern ihr Zeitungsexemplar
bequem nach Hause zugestellt wird; hier handelt es sich also um einen Vertriebsweg, der von Kontinuität und von Konstanz geprägt ist. Aus diesem Grund bedarf es
keiner Scoops oder besonderer Strategien, die deutschen Titelseiten in vergleichbarer Weise werbewirksam zu gestalten. Das gilt vor allem für seriöse Abonnementzeitungen wie die SZ, die FAZ, das HANDELSBLATT, für Boulevard- und Straßenverkaufszeitungen vom Typ BILD gelten natürlich andere Regeln.
Eine Maßnahme, die sich seit den 90er Jahren besonders bei den italienischen Zeitungen verbreitet hat, ist die Bereitstellung von Gratis-Beigaben. Es handelt sich dabei um bestimmte Werbegeschenke, die der Zeitung beigelegt werden, um die Auflage zu steigern: Reiseführer und Lexika in Lieferungsserien, CDs, DVDs, Accessoires
und sogar Cremes u.ä. Solche Werbegeschenke werden natürlich auf den Titelseiten
angekündigt.
Eine andere Strategie, die von den Zeitungsmachern angewandt wird, besteht in der
Anpassung an TV-Vorbilder; der Eintritt in das Fernseh- und Multimedia-Zeitalter hat
auch in der Presse zu einer starken Visualisierungs-Tendenz geführt.
„Die Illustrationen erhöhen den Aufmerksamkeitswert, veranschaulichen häufig die verbal
gegebene Mitteilung, machen diese semantisch eindeutig und damit schneller erfaßbar.“
(Lüger 1995: 80)
Die Umsetzung geschieht heute mit den modernsten und innovativsten technischen
Mitteln, von Farbfotos angefangen bis hin zu differenzierten Mitteln und Verfahren
des Textdesigns.
Ein auffälliger Unterschied zwischen den Titelseiten des CORRIERE DELLA SERA und
der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG besteht darin, dass erstere stets mehrere Farbfotos sowie täglich eine Karikatur (immer zur Politik) enthalten, während letztere mit nur einem großen Bild (in seltenen Fällen zwei) auskommen.
Der Einfluss des TV-Vorbilds manifestiert sich nicht nur auf der visuellen, sondern
auch auf der sprachlichen Ebene (Dardano 1981: 452): Mit dem Ziel, sich dem Leser
anzunähern, tendiert die Sprachverwendung in der Presse immer mehr dazu, die
g e s p r o c h e n e F e r n s e h s p r a c h e zu imitieren. So lassen sich als Verfahren
des Sprachgebrauchs, die in italienischen Zeitungen immer stärker zum Tragen kommen, festhalten:
85
-
häufige Verwendung direkter Rede bzw. von Zitaten,
Fragesätze,
Interjektionen,
dialektale Versatzstücke,
umgangssprachlicher Ausdrücke,
Neologismen und
übertragener Wortgebrauch (insbesondere Metaphern).
„Soprattutto negli ultimi tempi il linguaggio giornalistico italiano accoglie sempre più traslati
particolari e ricercati, che realizzano un approfondimento dei campi metaforici tradizionali.“ (Dardano 1995: 419)9
Insofern hat sich der Sprachstil (wie auch die Titelseite insgesamt) des CORRIERE
DELLA SERA – und ebenso der seines schärfsten Konkurrenten LA REPUBBLICA – im
Vergleich zu früheren Jahren stark verändert. Der CORRIERE „popularisiert“ sich allmählich. Das Patrizier-Medium wird plebejisch, das mit dem Ziel, die bereits hohe
Verkaufsauflage zu steigern bzw. sie – im Zeitalter von Fernsehen, Internet und der
in Italien sich immer mehr ausbreitenden Gratis-Tageszeitungen – wenigstens auf
dem gleichen Niveau zu halten.
Die Allgegenwart von Metaphern in journalistischen Texten lässt sich durch drei allgemeine Faktoren oder Prinzipien erklären:
1. V e r s t ä n d n i s - Verbesserung auf Rezipientenseite: Die Wirklichkeit wird vereinfacht und schematisiert, um dem Leser ein unmittelbares Verständnis, ein leichteres Nachvollziehen dessen, was kommuniziert werden soll, zu ermöglichen.
2. Informations- V e r d i c h t u n g : Metaphern ermöglichen es, Informationen zu verdichten, ein Bild kann wortreiche Umschreibungen ersetzen – was dem in der Medienwelt herrschenden Grundsatz von Kürze und Prägnanz entgegenkommt.
3. V e r l e b e n d i g u n g der Darstellung: Schließlich können Metaphern dazu dienen,
die Sachverhaltsdarstellung zu verlebendigen, Kreativität und Originalität zu signalisieren, die Attraktivität des Textes zu erhöhen und so den Leser zu beeindrucken.
5.
Vergleich und Schlussfolgerungen
Es wurde einleitend bereits eingeräumt, dass das Korpus noch beträchtlicher Erweiterung bedarf, um zu repräsentativen Ergebnisse zu gelangen. Somit können die folgenden Feststellungen nur eine eingeschränkte und vorläufige Gültigkeit beanspruchen. Zuvor seien die Arbeitshypothesen noch einmal genannt:
(a)
Die italienischen Zeitungen, die stark auf den Straßenverkauf angewiesen sind,
müssen großen Wert auf Maßnahmen der Aufmerksamkeitsförderung legen.
Von daher ergibt sich die Erwartung, dass der Metapherngebrauch in italienischen Zeitungen eine wichtigere Rolle spielt als in der deutschen Presse.
(b)
Aufgrund der unterschiedlichen Verkaufsbedingungen ist zu erwarten, daß in
deutschen Tageszeitungen nicht nur die Frequenz metaphorischer Ausdrücke
9
Übersetzung: „Vor allem in der letzten Zeit nimmt die italienische Zeitungssprache immer mehr
spezielle und markante Übertragungen vor und verfeinert dadurch die traditionellen Metaphernfelder.“
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niedriger liegt, sondern auch die Art der Metaphern eine andere ist im Vergleich
zur italienischen Presse.
Die erste Hypothese läßt sich nicht bestätigen, da die Auswertung ein überraschendes Resultat hat. Die Metaphern-Zahl in beiden Zeitungen ist annähernd dieselbe: 43
im CS und 48 in der SZ. Wenn es also kaum einen Unterschied in der Quantität gibt,
ja die SZ sogar geringfügig den CS übertrifft, dann stellt sich die Frage, ob Unterschiede der Qualität existieren.
Ordnet man die metaphorischen Ausdrücke nach allgemeinen Kategorien, dann lassen sich insbesondere folgende Gruppen unterscheiden: Kriegs-, Körper-, Raum-,
Natur-, Kunst- und Technikmetaphern.
Die Analyse zeigt, dass im CS wesentlich mehr Kriegsmetaphern für Konflikte aller
Art verwendet werden (41 Belege) als in der SZ (nur 10 Belege). Das militärische
Vokabular kommt in ganz verschiedenen Themengebieten zum Einsatz, vor allem
aber in den Bereichen:
- Medizin / Gesundheit / Krankheit (la lotta all’Aids),
- Wirtschaft (l’urto economico potrebbe degenerare, urto = Angriff),
- Politik (lo scontro nella coalizione, il ministro attacca i magistrati, la sconfitta elettorale, la battaglia o guerra del gas con Kiev è la più allarmante, etc.).
Solche Metaphern erscheinen auch in der SZ.10 Aber sie sind dort längst nicht so
häufig. Die Frage nach den Ursachen für diese spezifische Verteilung ist schwer zu
beantworten. Und auch bezüglich der hohen Frequenz von Kriegsmetaphern in Beiträgen zur Politik können hier nur Mutmaßungen angestellt werden. Es heißt zwar,
die Politik spiele in der italienischen Kultur eine große Rolle und man beteilige sich
gern an entsprechenden Diskussion, nur lassen sich aus solchen stereotypen Urteilen noch keine fundierten Erklärungen ableiten. Die im Folgenden genannten Aspekte deuten daher nur eine Richtung an, wo nach plausiblen Gründen gesucht werden
könnte:
- Angesichts des Straßenverkaufs in Italien ist die Kriegsmetaphorik eine Strategie,
Aufmerksamkeit zu erregen. Die Metaphern werden eingesetzt, um aktuelle Nachrichten drastischer oder pointierter darzustellen und dadurch die Leser, die ja zunächst nur die Titelseite und insbesondere deren Schlagzeilen wahrnehmen, zu
involvieren und zum Kauf anzuregen.
- Die politischen Konflikte erscheinen im gegenwärtigen Italien mit dem ausgeprägten Gegensatz zwischen ‚links‘ und ‚rechts‘ weitaus gravierender als in Deutschland – was sich offenbar auch im politischen Sprachgebrauch niederschlägt.11
- Eine Rolle mögen auch sog. Mentalitätsunterschiede zwischen verschiedenen Völkern oder Bevölkerungsgruppen spielen. Allerdings sind Merkmale wie ,tempera10
11
Beispiele: „Die Verbalattacken des iranischen Präsidenten seien ‚schockierend‛“. – „Insgesamt
hat die Behörde 15 Ferngasgesellschaften wegen kartellrechtswidriger Verträge im Visier.“ Vgl.
einige Beispiele aus anderen deutschen Zeitungen in Lüger (1995: 33): „zum Rückzug blasen“
„Ford Köln ist an die Front gegangen“ und „Ein regelrechter Plünderer-Krieg“.
Hier ergibt sich eine Parallele zu Dietmar Osthus (2000), der ebenfalls Kriegsmetaphern untersucht und bei einem Vergleich EL PAÍS – TAZ eine wesentlich höhere Frequenz in der spanischen
Tageszeitung feststellt als in der deutschen. Gründe sieht Osthus in den stärkeren politischen
Konflikten in Spanien (« Les métaphores guerrières espagnoles s’expliqueraient donc par des
conflits plus graves entre les divers acteurs de la vie publique. ») sowie möglicherweise in unterschiedlichen journalistischen Stilnormen in Spanien und in Deutschland.
87
mentvoll‘ oder ,leidenschaftlich‘ zu vage und zu vorurteilsbeladen, als dass sie hier
mit herangezogen werden könnten.
Auffallend im Vergleich zur SZ ist, bezogen auf den Bereich ,Politik‘ weiterhin die
größere Metaphern-Vielfalt im CS. Das bildhafte Beschreibungsvokabular zeugt von
dem Bemühen, die vermeintlich graue Welt der Politik in einer farbenfrohen und wirkungsvollen Weise darzustellen, „di esprimere in modo colorato ed efficace il grigio
mondo della politica“ (Lorusso / Violi 2004: XI). Die Bildspender liegen, um nur einige
Beispiele zu geben, im Schul- und Prüfungswesen (Blair bocciato sull’antiterrorismo),
im Kriminellen (Mi hanno politicamente stuprata), im Krieg (il ministro attacca i magistrati; una delle armi più efficaci dei nemici della democrazia), im medizinischen Bereich von Krankheit, Heilung, Gesundheit (curare il suo mal di democrazia), oft auch
im Fußballsport (l’opposizione non si è limitata a tifare dagli spalti), im Meteorologischen und sogar in der Mathematik (la socialdemocrazia non sembra fatta per fungere da comun denominatore).
Angesichts der Tatsache, dass in italienischen Zeitungen sehr unterschiedliche Metaphern aus ganz verschiedenen Wortschatzbereichen für die Präsentation politischer Sachverhalte zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage, warum dies nicht in
gleichem Maße in deutschen Zeitungen der Fall ist. In der deutschen Presse – diesen Eindruck muss man gewinnen – spricht man über Politik tendenziell eher in einer
sachlichen Form, ohne große Emotionalität, ohne das für italienische Zeitungen so
typische Involviertsein. In dieser Art der Berichterstattung scheinen sich tatsächlich,
wie oben angedeutet, bestimmte kulturspezifische Präferenzen im Umgang mit Politik widerzuspiegeln.
Außerdem zeigt sich, dass der Fußballwortschatz in italienischen Zeitungen häufig
Verwendung findet, wenn Politik zur Sprache kommt. Gerade die politischen Reden
Berlusconis und folglich auch die Zeitungsberichterstattung zeichnen sich durch zahlreiche Anleihen aus dem Bereich des Fußballs aus; z.B.: tifare dagli spalti, mettere in
campo, giocare in difesa, vincere la partita.12
Die Begeisterung für Fußball und für Politik sind zweifellos wichtige Merkmale der italienischen Gegenwartskultur. (Von daher gibt es in Italien auch drei Sport-Tageszeitungen, in denen fast ausschließlilch von Fußball die Rede ist, Frankreich dagegen
hat nur eine, Deutschland gar keine Sport-Tageszeitung.) Keine andere europäische
Kultur, mit Ausnahme der spanischen, widmet den beiden genannten Bereichen so
viel Aufmerksamkeit wie die italienische. Politik und Fußball sind daher auch die beliebtesten Themen in italienischen Fernsehsendungen.
Wie sind nun die skizzierten Unterschiede zwischen dem CORRIERE DELLA SERA und
der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG (höhere Frequenz von Kriegsmetaphern, breiteres Spek-
12
Ein Beispiel aus dem CS vom 18.1.2006 mag hier genügen: „L’opposizione non si è limitata a tifare dagli spalti, ma è intervenuta attivamente.“ (Die Opposition wird hier als eine Masse von
Fußballbegeisterten, sog. tifosi, dargestellt, die sonst nur von den Rängen des Stadions aus ihre
Mannschaft anzufeuern pflegt, nun aber selbst aktiv ins Geschehen eingreift.) In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass sogar der Name der 1993 von Berlusconi gegründeten Partei
(Forza Italia) aus dem Fußballsport stammt. Er ist dem Kampfruf „Forza Milan!“ (dt. etwa: Vorwärts, Mailand!) der von Berlusconi finanzierten Fußballmannschaft AC Milan und ihrer Zeitschrift
mit diesem Titel nachgebildet: Zu Forza Milan! im Fußball trat Forza Italia in der Politik (vgl. Rauen 1995: 347). – Zu den Sportmetaphern im politischen Sprachstil Berlusconis s. auch Catricalà
(1998: 20-25) und Dell’Anna / Lala (2004: 50-52).
88
trum metaphorischer Bereiche, größere Präferenz für Politik und Fußball in den italienischen Beiträgen) einzuschätzen?
Diesen Unterschieden stehen wichtige Gemeinsamkeiten gegenüber. Zwischen der
italienischen und der deutschen Sprache / Kultur hat es im Laufe der Jahrhunderte
viele Kontakte gegeben, die zu wechselseitiger Beeinflussung und zu bestimmten
Austauschprozessen führten. Die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen europäischen Kulturkreis drückt sich nicht zuletzt auch in konvergierenden Bildfeldern13 aus
– was wiederum seinen Niederschlag im Sprachgebrauch der Presse findet. Hier
lassen sich z.B. zahlreiche identische bzw. relativ ähnliche Metaphern nachweisen.
Einige Beispiele aus der SZ, die man ähnlich auch in italienischen Tageszeitungen
antreffen kann:
(1)
[...] nachdem Stoiber seine Partei zuvor monatelang über seine Zukunft im Unklaren
gelassen hatte (SZ 10.11.2005) – aveva lasciato il suo partito all’oscuro del suo futuro.
(Metaphorik: Das Bekannte ist sichtbar, das Unbekannte unsichtbar.)
(2)
Nun ist die Suche nach der entführten Deutschen Susanne Osthoff nach Informationen
der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG einen Schritt weiter. (SZ 15.12.2005) – Ora, secondo le
informazioni del SZ, la ricerca della tedesca Susanne Osthoff ha fatto almeno un passo
avanti. (Metaphorik des Voranschreitens, die ja bereits mit der lexikalisierten Metapher
des ‚Fortschritts‘ – ital. progresso – unsere Vorstellungen prägt.)
(3)
Die Briten sind nicht bereit, sich im Streit auch nur einen Millimeter zu bewegen. (SZ
15.12.2005) – gli inglesi non sono pronti nella discussione a muoversi neanche di un
millimetro. (Metaphorik der körperlichen Bewegung im Raum.)
Daneben gibt es auch unterschiedliche Metaphern, deren Bedeutung zwar leicht erschließbar ist, die aber nicht zum alltäglichen und usuellen Repertoire gehören:
(4)
Wenn zu sehr aufs Tempo gedrückt werde, verringere dies die Erfolgsaussichten (SZ
15.12.2005.) Wörtlich übersetzt ergäbe dies: Quando si spinge troppo sul pedale della
velocità, questo fa diminuire le possibilità di successo. Diese Metapher ist aber im Italienischen unüblich. Man würde eher mit einem Sprichwort sagen: La gatta frettolosa
fece i figli ciechi.
(5)
Das Amt wolle aber „augenscheinlich noch mehr, [...], wozu wir ihm nicht die Hand reichen können“ (SZ 18.1.2006). Hier würde die wörtliche Übersetzung mit non possiamo
dargli la mano in die Irre führen, denn jdm. die Hand reichen bedeutet in diesem Kontext: ‛mit jmdm. einverstanden sein’ – und nicht, wie im Italienischen bei dare / porgere
la mano a qualcuno allein üblich, ‛jmdm. helfen’: Diese im Deutschen polyseme gestuelle Metapher ist also im Italienischen monosem.
Es handelt sich hier um subtile Unterschiede zwischen deutschen und italienischen
metaphorischen Ausdrücken. Solche Divergenzen finden sich sehr häufig; sie relativieren den Begriff der ,Bildfeldgemeinschaft‘ und deuten an, dass totale Äquivalenzen die Ausnahme, partielle Äquivalenzen (eher) die Regel sind.
Mit Blick auf die Metapherntheorie von Lakoff / Johnson sei abschließend noch einmal betont, dass ein solches Konzept wegen der kognitiven Ausrichtung und auch in
methodischer Hinsicht sehr anregend ist. Nur wird der Ansatz den Besonderheiten
von Einzelsprachen, einschließlich der geschichtlichen und kulturellen Einflüsse,
nicht gerecht. Ein Beispiel: Wenn die SZ von Minister Steinmeier als früherem „Schrö-
13
Weinrich spricht sogar von einer abendländischen „Bildfeldgemeinschaft“ (1976: 287).
89
der-Majordomus“ spricht14, dann kann man die Majordomus-Metapher nur verstehen,
wenn man a) Steinmeiers Rolle im Kanzleramt der Schröder-Regierung und b) von
der Autorität des obersten Hofbeamten bzw. Heeres-Befehlshabers in der Zeit der
fränkischen Könige weiß. Zwar räumen Lakoff / Johnson ein, dass die konzeptuellen
Metaphern von Kultur zur Kultur verschieden sein können, aber in ihrer Arbeit gehen
sie generalisierend vor; sie erwecken den Anschein, als gälten ihre Konzepte, die für
abendländische Kulturen durchaus zutreffen mögen, universal für alle Menschen und
Kulturen.15
Literaturverzeichnis
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14
15
„Steinmeier sollte aus seinem früheren Leben als Schröder-Majordomus wissen, dass …“ (SZ
18.1.2006).
So auch der Einwand bei Osthus (2000: 1): « Vu l’énorme intérêt que suscitent les métaphores,
l’absence d’études métaphorologiques dans le domaine de la linguistique contrastive ne peut
qu’étonner. Ni le pragmatisme ni le cognitivisme ne se sont posé la question du degré de convergence interlinguistique du langage figuré. Ceci s’explique peut-être par une certaine tendance inhérente à la linguistique américaine – qui a fortement marqué toute approche cognitiviste – de
généraliser les résultats obtenus sur la base d’un seul modèle culturel (voire [du] système symbolique qu’est la langue américaine). »
90
Schowalter, Ch. (2005a): Bildfelder in der Presseberichterstattung. Ein deutsch-französischer Vergleich.
In: Lenk, H.E.H. / Chesterman, A. (Hrsg.): Pressetextsorten im Vergleich – Contrasting Text Types
in the Press. Hildesheim u.a., 103-122.
Schowalter, Ch. (2005b): Isotopische Bildfeldkonzepte in der deutschen und französischen Wirtschaftsberichterstattung. In: Hammer, F. / Lüger, H.-H. (Hrsg.): Entwicklungen und Innovationen in der Regionalpresse. Landau, 69-88.
Weinrich, H. (1976): Sprache in Texten. Stuttgart.
Internet-Adressen:
http://www.adsnotizie.it/adsnotizie/cd/115/Dati%20Excel/Dati%20territoriali/Dati_territoriali.xls (Accertamenti Diffusione Stampa).
http://www.ivw.de (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern).
http://www.metaphorik.de/aufsaetze/index.
Quellen:
Corriere della Sera (Edizione Romana / Ausgabe Rom): 11 novembre 2005, 2 dicembre 2005, 18 gennaio 2006.
Süddeutsche Zeitung (Deutschland-Ausgabe): 10. November 2005, 15. Dezember 2005, 18. Januar
2006.
91
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 (2008), 93-114
„… moniert die Neue Presse“
Verben und Wendungen der Zitateinbettung in Presseschauen
Hartmut E. H. Lenk
Der Beitrag setzt sich zunächst mit vorliegenden Analysen einerseits des Wortfeldes der
verba dicendi und andererseits der Verwendung von zitateinbettenden Verben und Wendungen im Sprachgebrauch auseinander. Anschließend wird eine eigene Klassifikation solcher
Ausdrücke entworfen, die in Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK und der Rubrik Pressestimmen der BERLINER ZEITUNG verwendet werden. Im dritten Abschnitt wird auf einige Auffälligkeiten im Gebrauch solcher Ausdrücke eingegangen.
Inhalt:
1.
1.1.
1.2.
2.
2.1.
2.2.
2.3.
3.
3.1.
3.2.
3.3.
1.
Verba dicendi in Sprachsystem und Sprachverwendung
Diskurs und Rekurs: zwiefache Kommunikationssituation
Verba dicendi und mehr: Wortfeld versus Wortgebrauch
Klassifizierung von Verben und Wendungen der Zitateinbettung
Lexikologisch orientierte Beschreibung: Harras / Proost / Winkler (2007)
Empirische Untersuchungen zu Verben und Wendungen der Redewiedergabe:
Michel (1966), Gülich (1978), Luge (1995)
Ein eigener Klassifikationsentwurf
Redaktioneller Sprachgebrauch in der Presseschau des DEUTSCHLANDFUNK und
in der Rubrik Pressestimmen der BERLINER ZEITUNG
Die Textsorte: Sendeformat und Rubrik
Verwendungshäufigkeiten
Verwendungsauffälligkeiten
Literaturverzeichnis
Verba dicendi in Sprachsystem und Sprachverwendung
„Wohl für kaum einen Bereich des Wortschatzes lässt sich im 20. Jahrhundert ein
derartiges Interesse nachweisen wie für die Gruppe der verba dicendi“, schreibt Christina Gansel (2002: 1562) in ihrem profunden Überblick zur Forschungslage. Macht
es angesichts dessen überhaupt Sinn, sich erneut mit einem solchen Thema zu befassen?
Wie im Folgenden (vgl. 1.2) zu zeigen sein wird, sind im genannten Forschungsbereich sprachsystemorientierte, d.h. lexikologische von solchen Untersuchungen zu
unterscheiden, die sich mit der Verwendung von redeeinleitenden Ausdrücken in
Texten eines bestimmten Bereichs oder einer bestimmten Art befassen. In Bezug auf
den letztgenannten Zugang fällt auf, dass den Formen der Zitateinbettung in einer
der Textsorten, für die die Wiedergabe von (schriftlicher) Rede geradezu essentiell
93
ist, im Deutschen 1 bisher keinerlei analytische Aufmerksamkeit gewidmet wurde:
Gemeint sind das Sendeformat ‘Presseschau’ im Hörfunk einerseits und die entsprechende Rubrik in Tageszeitungen andererseits.
1.1.
Diskurs und Rekurs: zwiefache Kommunikationssituation
Unabhängig davon, ob redeeinleitende Verben und Wendungen unter dem Aspekt
des Sprachsystems oder der Sprachverwendung betrachtet werden, ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen Ebenen oder Situationen der Kommunikation
von grundsätzlicher Bedeutung. Dafür finden sich in der Literatur verschiedene Bezeichnungen: Breslauer (1995) spricht, ähnlich wie Michel (1966), von ‘ursprünglicher’ oder ‘Erstrede’ einerseits und ‘Redewiedergabe’ andererseits. Luge (1995: 9)
verwendet die Ausdrücke ‘Primärsituation’ auf der einen und ‘(paraphrasierender) Zitierung’ bzw. ‘(direkte und indirekte) Redewiedergabe’ auf der anderen Seite; Hauser
(2008) gebraucht die Begriffe ‘Primärsituation’ und ‘Sekundärsituation’. Rath (1996)
entscheidet sich im Zusammenhang mit slipping (der Zitateinführung innerhalb eines
Satzes, vgl. auch Burger 2005: 92) und framing für die Termini ‘einbettender (Ko-)
Text’ und ‘Zitat’. H. Burger wählt die Kürzel S I (für die erste Situation, in der das später Zitierte gesagt/geschrieben wurde) und S II (für die Situation, in der das Zitat verwendet wird, vgl. Burger 2005: 90). Harras / Proost / Winkler entscheiden sich für die
Termini ,Diskurssituation DS‘ und ,Rekurssituation RS‘.
Auf die Beschreibung der Zitateinleitungen bei der auszugsweisen Wiedergabe von
Texten anderer Publikationsorgane in Presseschauen angewandt, entspricht die
Veröffentlichung des Originaltextes im jeweiligen Blatt der Rekurssituation, auf die in
der Presseschau des Hörfunks oder der Zeitung als der (aktuellen) Diskurssituation
(zwischen dem jeweiligen Medium und seinen LeserInnen / HörerInnen) Bezug genommen wird. Gülich (1978) zeigte indes an französischen Presseartikeln, dass es
weitere Einbettungsebenen geben kann. Dies ist auch bei Zitateinleitungen in Presseschauen der Fall, wenn in ihnen bereits darauf hingewiesen wird, dass sich der zitierte Text explizit auf ein vor ihm liegendes Kommunikationsereignis bezieht. Ein
Beispiel dafür ist die folgende Zitateinleitung aus der Rubrik Pressestimmen der BERLINER ZEITUNG vom 17. Januar 2007:
„Im Streit um […] wird das Privatleben […, Name im Genitiv, H.L.] an die Öffentlichkeit
gezogen. Das versucht der Urheber dieser Indiskretionen zu rechtfertigen, die BILD-Zeitung.“
Solche weiterführenden Rückbezüge sind in so expliziter Form wie in diesem Beispiel in den analysierten Presseschauen jedoch nicht sehr häufig.
1.2.
Verba dicendi und mehr: Wortfeld versus Wortgebrauch
In ihrem bereits erwähnten Forschungsüberblick zu den verba dicendi unterscheidet
Chr. Gansel für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts vier wesentliche Forschungsrichtungen, bei denen jeweils unterschiedliche Erkenntnisinteressen und Beschreibungsaspekte im Mittelpunkt standen, und zwar:
1
Für das Französische liegt eine Untersuchung zur Presseschau im Hörfunk von F. Claquin aus
dem Jahre 1993 vor. Sie wird bei bei Marinos (2001: 42) kurz erwähnt und bei Rath (1996: 14f.)
zusammenfassend referiert.
94
1. Beschreibung der syntaktischen Eigenschaften dieser Verben unter Einbeziehung
ihrer semantischen Eigenschaften im Rahmen der inhaltsbezogenen Grammatik
und der frühen Valenztheorie der 50er und 60er Jahre – die grammatische Umgebung determiniert den Inhalt der betreffenden Verben;
2. Beschreibung der semantisch-syntaktischen Eigenschaften der Verben und der
von ihnen bezeichneten Sprachhandlungstypen im Rahmen der Sprechakttheorie
seit Ende der 60er und in den 70er Jahren unter besonderer Berücksichtigung perspektivierter Aspekte eines Sprechaktes;
3. Beschreibung des Zusammenhangs von Syntax und Semantik v.a. deutscher verba dicendi im Rahmen von Valenztheorie und generativer Grammatik seit dem Ende der 70er und bis in die 90er Jahre;
4. lexikalisch-semantische Beschreibung v.a. englischer Sprechaktverben im Rahmen der Universalienforschung seit Ende der 80er und in den 90er Jahren des 20.
Jahrhunderts.
Die von der Verfasserin im Anschluss beschriebenen neueren Untersuchungen 2
wählen vor allem kognitive Zugänge zur Beschreibung der Semantik von Verben des
genannten Bereichs.
Der instruktive Überblick über den Verlauf der Forschungsschwerpunkte offenbart einerseits zunächst die Heterogenität der Terminologie, auf die die Verf. in einem anschließenden Subkapitel dezidiert eingeht. Vor allem ist zwischen einem weiten und
einem engeren Begriff der verba dicendi zu unterscheiden:
„Inhaltliche Umgrenzungen der verba dicendi bereiten durchaus Schwierigkeiten, weil sie
zwischen einer Ausweitung auf jegliche redeeinleitende Verben und einer Einengung auf
informierende Verben des Sagens schwanken […] Die Gleichsetzung der verba dicendi
mit redeeinleitenden Verben wird mit engeren inhaltlichen Bestimmungen eher zurückgedrängt, zumal auch solche Verben wie lachen, kopfschütteln, schnaufen redeeinleitend
fungieren können.“ (Gansel 2002: 1564)
Hinter der unterschiedlich weit gefassten Begriffsextension stehen indes zwei grundsätzliche methodologische Prinzipien sprachwissenschaftlicher Forschung, die seit
de Saussure (1931/21967) mit den Begriffen langue (Sprachsystem) und parole
(Sprachverwendung) verknüpft sind. Nicht zufällig steht das obige Zitat hinter einer
gerafften Darstellung der Kategorien, die die Klassifikation von redeeinleitenden Verben bei Michel (1966) enthält (siehe Abschnitt 2.2). Michel hatte seiner Untersuchung
„etwa 400 verschiedene redeeinführende Verben zugrunde gelegt, die Prosawerken aus
dem zweiten Drittel unseres [des 20., H. L.] Jahrhunderts, also der Gegenwartssprache,
entnommen sind. […] Insgesamt sind rund 5000 Belege gesammelt worden, in denen die
400 redeeinführenden Verben vorkommen“ (Michel 1966: 218).
Erfasst wurden dabei alle Verben (und Wendungen einschließlich Phraseologismen
i.w.S.), die im konkreten Textvorkommen als redeeinführend interpretiert werden
müssen oder können.
Anders als den in dem Forschungsüberblick von Chr. Gansel fokussierten Arbeiten
stand in Michels Analyse also die konkrete Sprachverwendung (in der künstlerischen
Literatur) im Mittelpunkt. Es ging nicht um eine Beschreibung des Wortfeldes der
2
Die jüngsten Einträge im Literaturverzeichnis des Beitrags stammen aus dem Jahre 1995, was
auf die lange zeitliche Distanz zwischen der Fertigstellung der Beiträge und dem Erscheinen des
Handbuchs hinweist.
95
verba dicendi mit den im Lexikon gespeicherten prototypischen Bedeutungen.
Selbstverständlich gehört eine solche, auf die Beschreibung des Sprachsystems ausgerichtete Beschreibung zu den Kernanliegen der Linguistik. Dem konkreten Sprachgebrauch liegen die lexikalisierten Bedeutungen (auch) der verba dicendi selbstredend zu Grunde. Aber der Wortgebrauch beschränkt sich in der kommunikativen
Praxis nicht auf diese hochkonventionalisierten Eigenschaften.
Für die Klassifikation der in empirischen Untersuchungen begegnenden sprachlichen
Formen der Zitateinbettung reichen daher rein sprachsystemorientierte Beschreibungen von Wortfeldern wie jenem der verba dicendi nicht aus, wie im Folgenden noch
genauer zu zeigen sein wird. Denn im tatsächlichen Sprachgebrauch gibt es eine
Reihe von nicht-prototypisch verwendeten Ausdrücken, mit deren Einsatz die Sprechenden / Schreibenden bestimmte Intentionen verfolgen. Dazu gehört es zum Beispiel, mit variierenden oder auch ungewöhnlichen Formulierungen die Aufmerksamkeit der RezipientInnen zu wecken bzw. zu erhalten.
Auf der anderen Seite kann ein zunächst abweichender Gebrauch bestimmter Ausdrücke von anderen SprecherInnen oder SchreiberInnen übernommen werden; geschieht dies häufiger, kann die ursprünglich exzeptionelle Verwendung des Ausdrucks usuellen Charakter erlangen und Teil des Systems werden.
Ob eine bestimmte neue sprachliche Form zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer
Kommunikationsgemeinschaft bereits usuellen Charakter erlangt hat, lässt sich zuverlässig nur durch die empirische Beschreibung der Sprachverwendung ermitteln.
Daher nimmt es nicht wunder, dass die Gräben zwischen langue- und parole-orientierter Vorgehensweise in der sprachwissenschaftlichen Forschung keineswegs unüberbrückbar sind und sich auch Untersuchungen im Rahmen der Lexikologie als
systemorientierter linguistischer Teildisziplin, darunter insbesondere auch Wortfeldanalysen, heutzutage zunehmend auch korpuslinguistischer Methoden bedienen
(vgl. beispielsweise Hindelang 2002: 1573ff.).
2.
Klassifizierung von Verben und Wendungen der Zitateinbettung
Eine adäquate empirische Beschreibung von Zitateinbettungen in Presseschauen
setzt voraus, die jeweils vorkommenden Ausdrücke in bestimmte Klassen zu ordnen.
Nur auf diese Weise kann die Frage beantwortet werden, wie die Zitateinleitungen
erfolgen. Mit dem Wie ist hier zunächst einmal gemeint, worauf die betreffenden Verben und Wendungen als Lexikoneinträge prototypisch referieren.
Im Zusammenhang mit den oben erläuterten grundsätzlichen Forschungsinteressen
der sprachsystematisch und der sprachverwendungsorientierten Linguistik sollten im
Folgenden zunächst die lexikologischen (systemorientierten) Klassifikationen kurz erläutert werden, danach die in empirischen Analysen zu Grunde gelegten Ordnungssysteme. Schließlich wird ein eigener Klassifikationsversuch präsentiert, der auf dem
empirischen Material beruht, das in Lenk (2008) untersucht wurde.
2.1.
Lexikologisch orientierte Beschreibung: Harras / Proost / Winkler (2007)
Im oben bereits mehrfach zitierten Forschungsüberblick von Chr. Gansel werden die
wichtigsten sprachsystemorientierten und kognitiven Beiträge bis zum Jahre 1995 erläutert, wobei auch entsprechende Versuche zur internen Gliederung des Wortfeldes,
zur Klassifikation seiner Elemente zur Sprache kommen. Daher soll hier im Folgen96
den lediglich auf eine wichtige Neuerscheinung aus diesem Bereich eingegangen
werden: das Handbuch deutscher Kommunikationsverben (Harras / Proost / Winkler
2007).
Hinsichtlich der kategorialen Beschreibungsaspekte der semantischen Struktur der
Lexeme folgen Harras / Proost / Winkler (2007) der Sprechakttheorie in der Version
von Searle und berücksichtigen
a) den propositionalen Gehalt (Geschehenstyp, Zeitbezug, Rollenbezug),
b) die propositionale Einstellung (in den Ausprägungsbereichen epistemisch / kognitiv, voluntativ, ordinativ, evaluativ, emotiv),
c) die intentionale Einstellung (als Absichten des Sprechers, was der Hörer [nicht]
kennen /tun / erkennen / für wahr halten soll) und
d) Vorannahmen des Sprechers in Bezug auf das Zutreffen oder die Erwartbarkeit
des propositionalen Gehalts bzw. dessen Nützlichkeit für den Hörer oder Erwartbarkeit durch den Hörer.
Searles Taxonomie der Illokutionstypen ist, worauf die Verfasserinnen auch kurz
hinweisen, in der Geschichte der sprachhandlungsorientierten Linguistik mehrfach
grundsätzlich in Frage gestellt worden. Diese Diskussion kann hier selbstverständlich
nicht nachgezeichnet werden. Verwiesen sei statt dessen lediglich auf die einschlägigen Arbeiten von Ballmer (1979), Wunderlich (1979), Ulkan (1992), Rolf (1997:
112-133) und Schmitt (2000: 113-130), in denen z.T. auch eigene Klassifikationsvorschläge unterbreitet werden. Dennoch scheint es prinzipiell legitim, angesichts ihrer
Verbreitung und ihrer Rezeption auch außerhalb der Linguistik das theoretische Gebäude von Searle zu Grunde zu legen.
Nach dessen – oben kurz umrissenen – Kriterien unterscheiden die Autorinnen de
facto zunächst zwei Gruppen unter den Lexemen des Beschreibungsbereichs: a) die
eigentlichen Sprechaktverben (auf welche die genannten Kategorien in mehr oder
weniger deutlicher Ausprägung zutreffen) und b) mediale und modale Kommunikationsverben. Zur letztgenannten Gruppe gehören
„Verben, mit denen auf Situationen Bezug genommen wird, in denen ein Sprecher etwas
äußert und sich dabei eines bestimmten Kommunikationsmediums bedient bzw. in denen
ein Sprecher etwas in einer bestimmten Art und Weise sagt. Im Unterschied zu den
Sprechaktverben im eigentlichen Sinn […] sind mit medialen und modalen Kommunikationsverben keine Sprechereinstellungen wie etwa eine bestimmte propositionale Einstellung oder eine bestimmte kommunikative Sprecherabsicht lexikalisiert; mit Ausnahme des
mit ihnen lexikalisierten Kommunikationsmediums bzw. Äußerungsmodus sind sie semantisch nicht spezifiziert.“ (Proost 2007: 315)
Bei den Sprechaktverben unterscheiden die Handbuchverfasserinnen in Anlehnung
an die ursprüngliche Klassifikation von Illokutionstypen in der Sprechakttheorie
Searlscher Prägung fünf „Paradigmen unterschiedlicher Granularität“ (Harras 2007:
18), die in folgender Weise durch konstitutive Eigenschaften des jeweiligen Rekurssituationstyps etabliert werden:
„– die Assertive durch den Gesichtspunkt: S will: H erkennt, dass S P (nicht) für wahr hält 3
– die Repräsentative durch den Gesichtspunkt: S will: H kennt P
3
S steht für Sprecher, H für Hörer, P für den propositionalen Gehalt.
97
– die Direktive durch den Gesichtspunkt: S will: H tut (nicht) P
– die Kommissive durch den Gesichtspunkt: S will: P tun
– die Expressive durch den Gesichtspunkt: S will: H erkennt, dass S eine bestimmte propositionale Einstellung (Bewertung, Emotion) zu P hat“ (Harras 2007: 18).
Diese Grund-Paradigmen werden durch Einbezug weiterer Aspekte, wie z.B. bei den
Assertiven mittels ‘Äußerungsposition’ (mit den Werten ‘+reaktiv’, ‘-reaktiv’ und ‘rereaktiv’) oder, auf einer wiederum darunter liegenden Stufe, mittels ‘Äußerungsmodus’ (mit den Werten ‘eindringlich/nachdrücklich’ und ‘deutlich’) in Unterparadigmen
weiter aufgegliedert.
Die semantische Beschreibung der einzelnen Verben erfolgt mittels acht verschiedener Kategorien (vgl. Harras 2007: 22-24):
1. Thematisierung semantischer Rollen 4,
2. Argumentstruktur,
3. [Restriktionen der] Passivfähigkeit,
4. Resultativität,
5. Bewertung des Diskurssituationssprechers,
6. Polysemie [und Homonymie],
7. Möglichkeit des performativen Gebrauchs und
8. stilistische Markiertheit.
Im Hinblick auf das Vorkommen der Sprechaktverben als Zitateinbettungen in Presseschauen des Hörfunks und in Zeitungen ist besonders die unter (5) genannte Möglichkeit interessant, dass mit der Wahl eines bestimmten Verbs eine evaluative Einstellung der Handlung des Rekurssituationssprechers durch den Diskurssituationssprecher ausgedrückt und damit zugleich also eine Bewertung und / oder Interpretation des Originaltextes vorgenommen wird.
Der strikte Bezug auf die Searlsche Sprechakttheorie zieht im Hinblick auf Zitateinleitungen in Presseschauen allerdings eine Reihe von Konsequenzen nach sich, die diese Klassifikation für die empirische Erfassung des tatsächlichen Sprachgebrauchs 5
wenig geeignet erscheinen lassen.
Zum einen sind, definitionsgemäß, ausschließlich Verben erfasst, die Kommunikationsereignisse bezeichnen. Als Zitateinleitungen kommen jedoch einerseits auch Konstruktionen aus Kopula und Adjektiv/Substantiv sowie andererseits solche Verben
vor, die außerhalb des hier betrachteten Kontextes nicht auf kommunikative Handlungen referieren. Dazu gehören z.B. Wahrnehmungsverben wie sehen oder betrachten.
4
5
Gemeint ist die Angabe, „in welcher Weise (d.h. obligatorisch oder fakultativ) die beiden möglichen semantischen Rollen Hörer (H) und propositionaler Gehalt (P) thematisierbar sind“ (Harras
2007: 22).
Wobei hier noch einmal deutlich zu machen ist, dass dies erklärtermaßen auch nicht das Anliegen der Verfasserinnen des Handbuchs deutscher Kommunikationsverben ist. Es sei daran erinnert, dass es auf die paradigmatische semantische Beschreibung eines Teilbereichs des deutschen Wortschatzes, also eines Aspekts des Sprachsystems zielt. Es geht um die Analyse lexikalisierter Bedeutungen bestimmter Verben, nicht um die tatsächliche Verwendung verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten in der Kommunikationspraxis.
98
Das berührt auch ein anderes grundsätzliches Problem: In der (empirischen) Analyse
der Sprachverwendung begegnen Ausdrücke keineswegs nur in ihrer lexikalisierten
Bedeutung. Darauf hatte schon G. Michel aufmerksam gemacht:
„Aber gerade in bezug auf die Redeeinführung gibt es eine überaus große Zahl von Verben, deren Verwendung als ‚abweichend‘ zu charakterisieren wäre. Wie gezeigt werden
soll, lässt sich jedoch der ‚Mechanismus‘ ihres Gebrauchs auf semantische und syntaktische Typen (Modelle) zurückführen, die offensichtlich sehr produktiv sind und die nach
dem Prinzip der Analogie auch solche Verben für die Redeeinführung ‚qualifizieren‘, die
als ‚ungewöhnlich‘ erscheinen mögen.“ (Michel 1966: 219)
Bei der Interpretation der Bedeutung von Verben insbesondere der Redewiedergabe
ist also stets der aktuelle Verwendungskontext zu berücksichtigen. Solche Probleme
der empirischen Analyse thematisierte auch H. Hoppenkamps, der zu dem Schluss
gelangte:
„Weder sind Variationen im Gebrauch redeeinleitender Verben nur stilistisch bedingt,
noch lassen sich Wertungen, die u.a. in Variationen der Verben zum Ausdruck kommen,
ohne Berücksichtigung der gesamten Zitierung, ja oft der ganzen Zitierungsstruktur
bestimmen.“ (Hoppenkamps 1977: 163)
Ganz ähnliche Argumente führt auch Luge (1995: 24-27) in ihrer kritischen terminologischen Diskussion an.
Hinzu kommt drittens, dass bei Harras / Proost / Winkler (2007) durch den strikten
Bezug auf die S p r e c h akttheorie solche Verben, die Aspekte der Rezeption von
Kommunikation bezeichnen, vollkommen fehlen: So gehören weder lesen oder hören
noch interpretieren oder verstehen zum Beschreibungsgegenstand, und beispielsweise vernehmen kommt nur in den Bedeutungsvarianten (Direktive, ERFRAGEN)
sowie (Direktive, VERHÖREN) vor. Verben wie die genannten treten als Einleitung
von Zitaten aus (anderen) Zeitungen jedoch durchaus auf.
Es ist daher sinnvoller, solche Untersuchungen heranzuziehen, die empirisch vorgehen und die Verwendung von Kommunikationsverben im tatsächlichen Sprachgebrauch zum Ausgangspunkt nehmen. Sie werden im nächsten Subkapitel erläutert.
2.2.
Empirische Untersuchungen zu Verben und Wendungen der Redewiedergabe: Michel (1966), Gülich (1978), Luge (1995)
Eine der ersten Arbeiten, die hier zu nennen ist und auch in der einschlägigen Forschungsliteratur häufig referiert wird, ist die bereits erwähnte Dissertation von G. Michel aus dem Jahre 1964, die 1966 in Form von vier Zeitschriftbeiträgen erschien
(Michel 1966). Die Materialbasis, die (damalige) Gegenwartsliteratur, wurde im Zitat
oben bereits erläutert.
Hinsichtlich der Bedeutung der i.w.S. redeeinführenden Verben unterscheidet G. Michel zwei Grundklassen:
„a) redeeinführende Verben, die ein Element des Sagens aufweisen und sich auf Grund
dieses Bedeutungselementes unmittelbar auf die direkte Rede beziehen;
b) redeeinführende Verben, die k e i n Element des Sagens aufweisen und sich nur mittelbar, nämlich lediglich auf Grund der Kennzeichnung einer Begleiterscheinung, auf die
direkte Rede beziehen.“ (Michel 1996: 239, Sperrung im Original)
Einige Seiten zuvor hatte G. Michel bereits sechs semantisch fundierte Klassen redeeinführender Verben unterschieden, und zwar nach den Aspekten, die sie benennen:
99
a) „,kommunikativer‘“ Aspekt: Verben, die „auf die kommunikative Aufgabe des in direkter Rede stehenden Satzes Bezug nehmen“ wie auffordern, verlangen, berichten, vorschlagen, die Frage stellen; die Frage richten an (S. 234)
b) „,emotionaler‘ Aspekt“: „Verben, die Gefühlsqualitäten der Rede charakterisieren
bzw. die Rede als emotional betont kennzeichnen“ wie triumphieren, sich wundern;
c) „,phonatorischer‘ Aspekt“: „Verben, die Lautqualitäten der Rede charakterisieren“
wie anschreien, zuflüstern, zutuscheln;
d) „,kogitativer‘ Aspekt“: „Verben, die auf Vorgänge des Denkens […] Bezug nehmen“ wie anerkennen, bedenken, erkennen, überlegen, urteilen, wissen;
e) „,limitativer‘ Aspekt“: „Verben, die auf den Anfang oder das Ende der Äußerungen
Bezug nehmen“ wie anfangen, anheben, beenden, enden, schließen;
f) „,kontextualer‘ Aspekt“: „Verben, die auf Vorangegangenes oder zu Erwartendes
Bezug nehmen“ wie antworten, ergänzen, erwidern.
G. Michel betont, dass diese Klassifikation „kein in sich abgeschlossenes, sondern
ein offenes System“ bildet. Tatsächlich sind Mehrfachzuordnungen vorhanden. So
finden sich die Wendungen die Frage richten an und die Frage stellen in der Gruppe
der Verben, die kommunikative Aspekte bezeichnen, das Verb fragen hingegen unter
jenen der Bezeichnung kontextualer Aspekte (vgl. auch die Matrix S. 236). Dennoch
ist diese frühe Einteilung auch aus heutiger Sicht bemerkenswert.
Als E. Gülich 12 Jahre später ihre Matrix von Verben und Wendungen der Zitateinleitung in Zeitungsberichten aus der französischen Presse entwickelte (Gülich 1978:
83-96), hatte sich die Theorie sprachlichen Handelns und insbesondere die Sprechakttheorie auch in der Linguistik etabliert. Wie in Lenk (2008) bereits dargestellt, ist
Gülichs Merkmalmatrix in Anlehnung an das Modell von Austin 1972 nach „Stufen
des Handelns“ konstruiert. Gülichs Untersuchung verdient eine genauere Betrachtung, die ihr in der Forschungsliteratur nur partiell zuteil geworden ist: Während Rath
(1996: 12) die überzeugenden Begriffsbildungen hervorhebt, spielt E. Gülichs Aufsatz bei E. Luge nur eine untergeordnete Rolle und wird beispielsweise im Forschungsüberblick (Luge 1995: 18-20) nicht erwähnt. Das gilt auch für Gansel (2002).
Bevor näher auf die Klassifikation von E. Gülich eingegangen wird, sei kurz noch eine andere sprechakttheoretisch orientierte Klassifikation im Rahmen empirischer
Analysen von redekennzeichnenden Verben in der Zeitungsberichterstattung erwähnt, die allerdings vom theoretischen Anspruch und der Brauchbarkeit in der Empirie hinter die Überlegungen von E. Gülich zurück fällt und daher nur kurz betrachtet
werden soll: E. Luge legt ihrer Taxonomie von „Aktbenennungen“ (Luge 1995: 47-63)
eine recht willkürliche Vermischung der sprechakttheoretischen Konzepte von Austin
und Searle zu Grunde. Dies hat u.a. zur Folge, dass ein und dasselbe Verb in mehreren ihrer Klassen erscheint: [sich] äußern zum Beispiel zur Bezeichnung des rhetischen und des referenziellen Teilakts sowie außerdem noch bei den Repräsentativa
und den Evaluativa. Das ist eine wenig befriedigende Lösung, und zwar auch dann,
wenn man dem folgenden Hinweis der Verfasserin, den sie im Zusammenhang mit
Zuordnungsproblemen in der Empirie gibt, durchaus zustimmen mag: „Nicht die Verben werden also (Teil)akten zugeordnet, sondern ihre Verwendungsweisen im konkreten Satz“ (Luge 1995: 48).
100
Es erscheint daher lohnenswerter, die Klassifikation von E. Gülich genauer unter die
Lupe zu nehmen. Um das Verständnis der folgenden Auseinandersetzung mit ihrer
Taxonomie zu erleichtern, sei sie hier kurz wiedergegeben:
0
1
2
3
4
kognitive Vorgänge („innerer Aspekt“ der Handlung) (s’étonner)
Handeln (reprendre son tricot)
kommunikatives Handeln (soupirer)
auch sprachlich realisierbares Handeln (se lamenter)
nur sprachlich realisierbares Handeln
a. lokutionärer Aspekt (dire)
b. phonetischer Aspekt (murmurer)
c. illokutionärer Aspekt (demander)
d. perlokutionärer Aspekt (encourager)
e. kontextbezogener Aspekt (ajouter)
(Gülich 1978: 87, die im Original als Spaltentitel gegebenen Beispiele stehen hier in Klammern, auf die Merkmalsmatrix wurde verzichtet.)
Wenn man die Klassifikation von E. Gülich näher betrachtet, so fällt auf, dass zum
einen das Modell von Austin nicht ganz konsequent angewandt worden ist. Zum
zweiten teilt es die (oben in Bezug auf Harras / Proost / Winkler 2007 erläuterten)
Begrenzungen der Sprechakttheorie und lässt Wahrnehmungsverben und rezeptionsbezeichnende Kommunikationsverben unberücksichtigt. Und drittens bieten sich
nicht zuletzt vor dem Hintergrund des tatsächlichen Sprachgebrauchs bei Zitateinbettungen (in deutschen Presseschauen) partiell weitergehende Differenzierungen an.
Letzteres betrifft zunächst Gülichs erste Handlungsstufe, den inneren oder mentalen
Aspekt. (Dieser wohnt nach Gülich allen betrachteten Verbbedeutungen inne, aber
es gibt Verben wie s’étonner, dt. sich wundern, die ausschließlich auf diesen Aspekt
– und keine der anderen Stufen des Handelns – referieren.) Die Klasse dieser Verben ist, nicht zuletzt im Ergebnis der in den 80er und 90er Jahren in der Textlinguistik
geführten Diskussionen um die interne Struktur sprachlicher Handlungen, weiter aufzugliedern in (1.1) Verben, die einen Wissenszustand ([nicht] wissen, kennen) bzw.
epistemische Einstellungen (vermuten, annehmen) bezeichnen oder auf den Wissenserwerb referieren (erkennen, entdecken, herausfinden). Eine zweite Subkategorie bilden Verben, die auf (1.2) doxastische Einstellungen referieren (glauben, meinen). Die dritte Subklasse wird gebildet durch Verben zur Bezeichnung von (1.3) intern-mentalen evaluativen Einstellungen, Erwartungen und Motiven ([nicht / viel] halten von, halten für [+ Wertungsadj.], beurteilen, einschätzen, zufrieden sein mit u.ä.).
Gruppe vier bezeichnet (1.4) rationale Tätigkeiten wie vergleichen, schlussfolgern,
überlegen, spekulieren, bilanzieren. Die letzte Gruppe von Verben, die ausschließlich
auf die intern-mentale Stufe des Handelns referieren, beziehen sich auf (1.5) emotionale Zustände/Prozesse (überrascht / optimistisch / pessimistisch sein, fürchten, befürchten, sich ärgern, sich freuen, hoffen auf, [nichts] erwarten).
Als zweite Modifikation der Gülichschen Klassifikation sind, als neue Klasse 2, die
Verben der Wahrnehmung zu ergänzen, die prinzipiell nach Sinnesbereichen weiter
differenziert werden könnten, wenn es eine hinreichende Belegdichte für solche Verben bei der Zitateinbettung gäbe. Dann wären (2.1) visuelle Wahrnehmungsverben
(sehen, betrachten, auf etwas blicken, beobachten) von (2.2) auditiven (heraushören,
101
vernehmen), (2.3) taktilen (verspüren) und (2.4) olfaktorischen (wittern) zu unterscheiden.6
Auch die Klasse der Verben, die nach E. Gülich [allgemeines, nicht unbedingt kommunikatives] Handeln bezeichnen, lässt sich weiter untergliedern in (3.1) Verben zur
generellen Bezeichnung von Handlungen ohne weitere Spezifizierung (festhalten,
ausführen) in Abgrenzung von solchen, die (3.2) einen positionalen Aspekt allgemeinen Handelns bezeichnen (wie hinzufügen, ergänzen, beenden, fortfahren) und den
Verben, deren Bedeutung mit (3.3) Aufmerksamkeitsfokussierung oder Thematisieren zu umschreiben wäre (vgl. sich befassen mit, der Frage nachgehen, ins Visier
nehmen, sich beschäftigen mit, sich [einem Thema] widmen).
Wenig nachvollziehbar scheint hingegen die Differenzierung, die E. Gülich zwischen
ihrer zweiten Klasse: ‘kommunikatives [aber nicht sprachliches, H.L.] Handeln’ (als
einziges Beispiel nennt sie soupirer, dt. seufzen) und der dritten Klasse: ‘auch
sprachlich realisierbares Handeln’ (Beispiel: se lamenter, dt. klagen, jammern) vornimmt. (Als vierte Klasse folgt dann ‘nur sprachlich realisierbares Handeln’). Denn
seufzen ist beispielsweise auch mittels Interjektionen vollziehbar 7 und steht somit an
der Grenze von (auch) sprachlichem und nichtsprachlich-kommunikativem Handeln.
Es scheint angebracht, diese beiden Klassen zusammenzufassen.
Die bei E. Gülich als vierte Klasse genannten Verben, die ‘nur sprachlich realisierbares Handeln’ bezeichnen, ist – in der Originaltaxonomie als einzige – in fünf Subklassen gegliedert, und zwar benannt als „a. lokutionärer Aspekt, b. phonetischer Aspekt,
c. illokutionärer Aspekt, d. perlokutionärer Aspekt, e. kontextbezogener Aspekt“ (Gülich 1978: 87). Bei den Subklassen a bis d liegen wiederum Inklusionsbeziehungen
vor, während die sog. ‘kontextbezogenen Verben’ (Beispiele bei Gülich 1978: 87f.:
ajouter, dt. hinzufügen, ergänzen und répéter, dt. wiederholen) nach Gülich zwar einen lokutionären und phonetischen, jedoch keinen illokutionären und perlokutionären
Aspekt bezeichnen. Schon diese Abweichung verweist auf eine leichte Inkonsistenz
der Klassifizierungskriterien. Die Verben hinzufügen und ergänzen bezeichnen außerdem nicht nur sprachlich realisierbares Handeln und finden sich folglich schon in
der oben von uns neu etablierten positionalen Subklasse allgemeiner Handlungsverben.
Neben der Subklasse ‘kontextbezogener Aspekt’ sind auch Verben, die nur perlokutionäre Aspekte bezeichnen, schwerlich auf ausschließlich sprachlich realisierbare
Handlungen einzugrenzen: Das von E. Gülich als Beispiel genannte encourager, dt.
ermutigen, kann man auch auf andere Weise als sprachlich tun, z.B. durch freundliches Zunicken oder einen vorab versteckten Hinweis am Ort des Geschehens. In
den Presseschau-Zitateinbettungen fanden sich als Belege für perlokutionäre Verben
bekräftigen, [wenig/einen miserablen] Eindruck machen auf [+ Zeitungsname] und
[Zeitungsname im Akk.] nicht überzeugen. Da solcherart Wirkungen prinzipiell auch
durch nicht-sprachliches Handeln erreichbar sind, lassen sich diese Verben und
6
7
Für gustatorische (geschmacksbezeichnende) Verben fand sich im empirischen Material kein Beleg.
Das DUW (2007: 1536) verweist auf den lautmalerischen Charakter für das hörbare Einziehen
des Atems und nennt interessanterweise zwei Sememe: a) als Ausdruck von Kummer, Sehnsucht, Resignation, Erleichterung o.Ä. hörbar tief u. schwer ein- u. [mit klagendem Ton] ausatmen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein […] b) seufzend (a) äußern, sagen: »ja, ja«, seufzte
er schuldbewusst. [Kursivierung im Original]
102
Wendungen der Klasse ‘3 Handeln allgemein’ zuordnen, und eine Klasse perlokutionsbezeichnender Verben wird verzichtbar.
Als problematisch erscheint schließlich auch die Differenzierung zwischen Verben,
die lokutionäre Aspekte, und solchen, die phonetische Aspekte bezeichnen. Nach
Austin umfasst der lokutionäre Akt bereits den phonetischen Akt (i.e. das Äußern
gewisser Geräusche), außerdem den phatischen Akt (Äußern von Wörtern und
grammatischen Konstruktionen einer Einzelsprache in der zugehörigen Intonation
usw.) und den rhetischen Akt (Festlegung der Bedeutung als Einheit von Referenz
und Sinn = Prädikation, vgl. Austin 1972: 108-111). Statt der – von der Begrifflichkeit
Austins abweichenden – Heraushebung des phonetischen Aspekts aus dem lokutionären Akt empfiehlt sich eine Subkategorisierung zweiten Grades, so dass der lokutionäre Akt in drei Subsubklassen aufgeteilt wird: in allgemeine, unspezifizierte
Äußerungsbenennungen, in mediale und in modale Verben. Mediale und modale
Verben sollen dabei so definiert werden wie oben im Zitat aus Harras / Proost / Winkler (2007: 315).
Verben, die Illokutionen bezeichnen, bilden eine sehr große Gruppe, die im Sinne eines vernünftigen Umfangs der betreffenden Subklasse ebenfalls weiter in Subklassen zweiten Grades aufgegliedert werden muss. Damit ist die Frage nach einer geeigneten Klassifizierung von Illokutionstypen aufgeworfen, die schon mehrere Monographien und zahlreiche Studien in Sammelbänden und Zeitschriften gefüllt hat. Hier
kann kein wohlbegründeter neuer Entwurf präsentiert werden. Ausgehend von den
Verben und Wendungen, die bei den empirisch vorfindlichen Zitateinbettungen zum
Einsatz kommen, erfolgt lediglich eine Unterscheidung von Informationshandlungen
(Assertiva), Bewertungshandlungen (Expressiva), Ratgebungen (Deliberativa), Aufforderungen (Direktiva) und Fragen (Interrogativa). Es versteht sich von selbst, dass
damit nicht das gesamte Spektrum sprachlicher Handlungstypen erfasst ist. Wegen
der relativ bedeutsamen Frequenz, mit der Verben und Wendungen des Vorhersagens in den Presseschauen erscheinen, werden die Assertiva noch in zwei Subklassen vierten Grades aufgeteilt, und zwar in a) allgemeine und b) zukunftsbezogene
Assertiva; Beispiele für letztere sind prognostizieren, prophezeien, rechnen mit. Ergänzt werden die illokutionstypbezeichnenden Verben und Wendungen außerdem
um jene Ausdrücke, die rezeptives sprachliches Handeln bezeichnen (lesen).
2.3.
Ein eigener Klassifikationsentwurf
Die im Folgenden darzustellende Klassifizierung orientiert sich, wie im vorigen Abschnitt mehrfach deutlich gemacht, an den Häufigkeiten, in denen Verben und Wendungen im empirischen Untersuchungsmaterial vorkommen. Sie ist jedoch nicht
identisch mit jener in Lenk (2008) verwendeten. Im Zusammenhang mit der dort vorgenommenen quantitativen Auswertung der Befunde schien es ratsamer, bestimmte,
im Material nur recht selten vertretene Subklassen zusammenzufassen. Bei einem
größeren Korpus sollte sich indes in allen der unten genannten Subklassen eine hinreichende Anzahl von Belegen ergeben.
103
1
2
3
innere / mentale Vorgänge und Zustände
1.1
Wissenszustand/-erwerb
[nicht] wissen, kennen; erkennen, entdecken, herausfinden
1.2
epistemische Einstellungen
vermuten, mutmaßen, schätzen
1.3
doxastische Einstellungen
glauben, überzeugt sein, meinen, der Auffassung
sein
1.4
evaluative Einstellungen, Erwartungen & Motive
[nicht/viel] halten von , halten für [+ Wertungsadj.],
beurteilen, einschätzen, zufrieden sein mit
1.5
rationale Tätigkeit
vergleichen, in Beziehung setzen, schlussfolgern,
folgern, überlegen, spekulieren, bilanzieren
1.6
emotionale Zustände/Prozesse überrascht / optimistisch / pessimistisch sein, sich
wundern, fürchten, befürchten, Befürchtungen haben, sich ärgern, sich freuen, hoffen auf, [nichts] erwarten
Wahrnehmungen
2.1
visuelle
betrachten, auf etw. blicken, beobachten
2.2
auditive
heraushören, vernehmen, hören Sie …
2.3
taktile
verspüren
2.4
olfaktorische
wittern
Handeln [allgemein, nicht unbedingt kommunikativ]
3.1
allgemein
festhalten, ausführen, bekräftigen, [wenig / einen
miserablen] Eindruck machen auf [Zeitungsname]
3.2
positionaler Aspekt
hinzufügen, ergänzen, beenden, fortfahren
3.3
Aufmerksamkeitsfokussierung / sich befassen mit, der Frage nachgehen, ins Visier
Thematisieren
nehmen, sich beschäftigen mit, sich [etw.] widmen,
eingehen auf,
4
kommunikatives Handeln (‚nichtsprachlich‘ oder ‚auch sprachlich‘)
5
sprachliches Handeln
[kein] Interesse zeigen an …, sich überrascht geben,
etw. [ungern] hinnehmen; sich besorgt / pessimistisch zeigen, [etw.] bekunden, verweisen auf
5.1
lokutionärer Aspekt
5.1.1
unspezifizierte Äußerungen
äußern, formulieren, anmerken, etw. bezeichnen als,
bemerken, vermerken, zitieren
5.1.2
mediale Verben
schreiben, sagen, notieren
5.1.3
modale Verben
hervorheben, unterstreichen, betonen, sich gelassener äußern
5.2
illokutionärer Aspekt
5.2.1
Assertiva
5.2.2
a) allgemein
feststellen, konstatieren, erklären, kommentieren,
resümieren; titeln, [den Kommentar] überschreiben
b) zukunftsbezogen
prognostizieren, prophezeien, rechnen mit
Expressiva
kritisieren, monieren, jmdm. etw. vorwerfen, etw. beklagen
104
5.2.3
Deliberativa
empfehlen, raten zu, mahnen, warnen, plädieren für,
5.2.4
Direktiva
verlangen, fordern, auffordern, zu bedenken geben,
5.2.5
Interrogativa
fragen, die Frage nach etw. stellen
5.3
rezeptiver Aspekt
ist zu lesen
Die oben dargestellte Gliederung kann und will, wie auch andere Zuordnungen dieser Art, den Kriterien einer strengen Klassifikation nicht genügen.
So fällt bei bestimmten Verben die Zuordnung zu genau einer Klasse erwartungsgemäß nicht ganz leicht. Das hängt einerseits mit Inklusionsbeziehungen zwischen den
Kategorien zusammen – etwa der Art, dass beispielsweise Expressiva (Kategorie
5.2.2) nach der Aufrichtigkeitsbedingung entsprechende evaluative Einstellungen
beim Sprecher / Schreiber voraussetzen –, andererseits mit der Polysemie der Verben und Wendungen und drittens mit der bereits oben erwähnten kontextuell determinierten Bedeutungsveränderung des Verbgebrauchs. Ein typisches Beispiel für
Letzteres ist das Verb sehen, das fast ausnahmslos in Konstruktionen wie es so sehen, erste positive Auswirkungen sehen, es ähnlich sehen, es positiver sehen, es
ganz anders sehen oder in der Variante etw. in etw. sehen vorkommt. Es bezeichnet
dabei eine evaluative Einstellung und wurde folglich in die Kategorie 1.4 – und nicht
in die Kategorie 2.1 – eingeordnet. – Als gutes Beispiel für Polysemie kann das mit
20 Vorkommen in den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK recht frequente festhalten dienen. Das Duden-Universalwörterbuch gibt für das Verb vier Sememe an,
von denen eines noch in zwei Subvarianten unterteilt ist:
„1. durch Zupacken, Ergreifen daran hindern, sich zu entfernen; nicht loslassen […], 2. a)
in Bild, Ton o.Ä. fixieren, aufzeichnen […] b) feststellen, konstatieren […] 3. <f. + sich>
sich fest an jmdm., etw. halten, anklammern, um nicht zu fallen […] 4. von jmdm., etw.
nicht abgehen; jmdn., etw. nicht aufgeben“. (DUW 2007: 569; die hier ausschließlich wiedergegebenen Bedeutungsparaphrasen sind im Original kursiv)
Die im DUW unter 3. und 4. aufgeführte Bedeutungsvarianten würden, wenn sie im
Korpus vorkämen, aufgrund der grammatischen Besonderheiten (mit Reflexivpronomen bzw. der Präposition an) als gesonderte Verwendungsformen erfasst. Semem 1
müsste der Kategorie 3.1 zugeordnet werden, Semem 2a ebenso. Die für das Semem 2b gegebenen Synonyme feststellen und konstatieren legten eine Zuordnung
zur Kategorie 5.2.1a nahe. Man kann etwas aber auch in Gedanken festhalten bzw.
im Gedächtnis behalten (wollen): Eine solche Verwendungsweise (typisch etwa als
Teilzusammenfassung eines Abschnitts oder Gedankengangs in einem Vortrag) wäre der Kategorie 1.1 zuzuordnen. In der gegebenen Verwendungssituation von Presseschauen geht es jedoch vorrangig um das schriftliche Fixieren, Formulieren oder
Äußern von Ansichten, Meinungen, Fakten und dergleichen. Daher wurde das Verb
in dieser Verwendungsweise der Kategorie 5.1.1 zugeordnet.
Nicht berücksichtigt werden in der obigen Klassifikation selbstredend die rein nominalen Ausdrücke (wie etwa So weit [+ Zeitungsname mit bestimmtem Artikel und ggf.
mit herkunftsbezeichendem Adjektiv oder dem Präpositionalattribut aus + Toponym]
oder Das war[en] [+ Zeitungsname] bzw. Abschließend ein Auszug aus [+ Zeitungsname]). Für solche Ausdrücke ist in empirischen Analysen eine vorangestellte Kategorie mit der Ziffer 0 vorzusehen.
105
3.
Redaktioneller Sprachgebrauch in der Presseschau des
DEUTSCHLANDFUNK und in der Rubrik Pressestimmen der
BERLINER ZEITUNG
Die wesentlichsten Ergebnisse der Untersuchungen zur Häufigkeit einzelner Verben
und Wendungen der Zitateinbettung sind in Lenk (2008) dargestellt. Im Folgenden
geht es um einige zusätzliche Erläuterungen der grundsätzlichen Befunde und um
die Darstellung von Verwendungsbesonderheiten, auf die an der genannten Stelle
aus Platzgründen verzichtet werden musste. Zum Verständnis der Untersuchungsergebnisse ist hier knapp auch auf den Charakter des Materials einzugehen (genauer
erfolgt dies ebenfalls in Lenk 2008).
3.1.
Das Sendeformat / die Textsorte
Das sprachliche Material, das den oben dargestellten Überlegungen zu Grunde liegt,
entstammt zum einen den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK vom April bis Juni
2006 – eines Hörfunkprogramms, das zur bundeseigenen Sendeanstalt DEUTSCHLANDRADIO gehört. Es gibt drei verschiedene Presseschauen auf diesem Sender:
Montags bis freitags um 7.50 Uhr wird die deutsche und um 12.50 Uhr die internationale Presseschau gesendet; sonntags erfolgt um 12.50 Uhr die Ausstrahlung der
sonntäglichen Presseschau (mit sonntags erscheinenden Zeitungen aus dem In- und
Ausland).
Außerdem wurde die Rubrik Pressestimmen, die in jeder Ausgabe der BERLINER ZEITUNG auf Seite 4 erscheint, vom Zeitraum November 2005 bis April 2007 ausgewertet
(für eine Charakteristik des Mediums und der Rubrik vgl. ebenfalls Lenk 2008).
3.2.
Verwendungshäufigkeiten
Die detaillierte Auszählung der in den Zitateinbettungen vorkommenden Verben und
Wendungen in Lenk (2008) führte zu dem Ergebnis, dass insbesondere in den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK eine große Zahl verschiedener Ausdrücke eingesetzt wird. Dies zeigt sich auch bei einer Betrachtung der Vorkommensanzahlen der
jeweils zehn am häufigsten benutzten Verben:
106
schreiben
118
meinen
73
kommentieren
45
finden
41
meinen
31
notieren
sich befassen mit
30
schreiben
32
glauben
32
bemerken zu
18
betrachten
35
12
konstatieren
27
28
sich beschäftigen mit
8
beschreiben
etw. beschäftigt auch
7
unterstreichen
27
blicken auf
6
es heißt in
27
sich äußern zu
betonen
5
0
20
40
60
80
100
25
0
120
Abb. 1: Die 10 häufigsten Verben in den Pressestimmen der BERLINER ZEITUNG (absolute Anzahlen)
10
20
30
40
50
Abb. 2: Die 10 häufigsten Verben in den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK (absolute
Anzahlen)
In der Berliner Zeitung erfolgen fast 50% aller Zitateinleitungen mittels der Verben
schreiben (30%) und kommentieren (29%). Den höchsten Anteil unter den Zitateinbettungen im Deutschlandfunk nimmt meinen mit nur 4% aller Vorkommen ein.
Als Erklärung für diese auffallenden Differenzen wird in Lenk (2008) vor allem auf die
größere Zahl von zitierten Zeitungen je Sendung im DEUTSCHLANDFUNK (7 bis 17) und
auf die Tatsache verwiesen, dass im Medium Hörfunk die wiedergegebenen Abschnitte aus den Pressekommentaren sowohl am Beginn als auch am Ende des Zitats metakommunikativ markiert sein müssen und sich somit die Zahl der pro Sendung verwendeten Verben und Wendungen der Zitateinbettung auf ein Vielfaches
der Zitateinleitungen in der Rubrik Pressestimmen der BERLINER ZEITUNG (mit maximal fünf zitierten Zeitungen je Ausgabe) beläuft. Das Aptum der Varianz im Ausdruck
führt unter diesen Umständen fast zwangsläufig zu einer deutlich größeren Vielfalt im
Gebrauch von Verben und Wendungen der Redewiedergabe.
Es erklärt aber noch nicht, warum bestimmte Klassen dieser Wendungen im
DEUTSCHLANDFUNK häufiger vorkommen als andere – und vor allem, warum gerade
auch semantisch und/oder pragmatisch auffällige Ausdrücke verwendet werden.
3.3.
Verwendungsauffälligkeiten
Zunächst sei auf zwei im engeren Sinne sprachliche Besonderheiten in den Presseschauen hingewiesen.
Während die Zitateinleitungen in der BERLINER ZEITUNG ausschließlich in der 3. Person formuliert sind, findet sich in den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK manchmal die 1. Person Plural (Wir zitierten aus …; … lesen wir in …) und auch die höfliche Anredeform: Sie hör[t]en ein Zitat aus … Die Diskurssituation wird also deiktisch
expliziert. Dies mag durch die medialen Gegebenheiten des Radios bedingt sein:
Ausstrahlung und Rezeption der Sendung erfolgen im Normalfall synchron; SprecherInnen und Radio Hörende empfinden die Situation als eine gleichzeitige, selbst
wenn die Sendung aufgezeichnet und später wiederholt wird.
Eine weitere Besonderheit ist im DEUTSCHLANDFUNK, dass die Kopula-Adjektiv-Konstruktion überzeugt sein nach Zitaten quasi transitiv gebraucht wird – und nicht, wie
sonst üblich, mit dem Präpositionalobjekt von etw. bzw. davon, dass … Entsprechende Zitateinbettungen kommen im April 2007 immerhin 19 Mal vor (1,6% aller Zi107
tateinbettungen), und zwar sowohl bei deutschen als auch bei ausländischen Zeitungen, beispielsweise in der folgenden Form:
„,[…] Aber sie [die Demokraten im US-Congress, H.L.] erhöhen den politischen Druck.
Derart, dass Bush, wenn über die Sommermonate hinweg das Sterben im Irak weitergeht,
gar nicht mehr anders kann, als mit dem Abzug zu beginnen‘, ist die ‘Süddeutsche Zeitung’ überzeugt.“ (Deutschlandfunk, Deutsche Presseschau vom 27.04.2007)
Von größerem Interesse sind indes jene Verben und Wendungen, die als interpretierend-wertend gelten können und denen im gegebenen Kontext eine gewisse Expressivität zueigen ist. Teilweise enthalten sie sogar eine gewisse despektierliche Bedeutungskomponente. Hier stellt sich nämlich die Frage, inwieweit die RedakteurInnen
der Presseschauen mehr oder weniger gerechtfertigte Interpretationen oder Bewertungen der von ihnen zusammengestellten Auszüge (vor allem) aus Kommentaren
von Zeitungen vornehmen und auf diese Weise die Rezeption durch die ZuhörerInnen bewusst in eine bestimmte Richtung zu lenken versuchen.
Als mögliche Gründe für Modifizierungen von Referenzausdrücken in den Redewiedergaben und ‚Redeberichten‘, die von Journalisten in Zeitungsredaktionen und
Nachrichtenagenturen bei der Berichterstattung über die Grenada-Invasion der USA
im Herbst 1983 vorgenommen wurden, nennt Dieckmann (1985: 319-325) neben
dem allgemeinen stilistischen Prinzip des ‚Wechsels im Ausdruck‘ noch die folgenden:
a) Übersetzungsprobleme (bei der Wiedergabe fremdsprachiger Rede, insbesondere
wenn im Original Ausdrücke verwendet wurden, die keine direkten Äquivalente im
Deutschen haben)
b) eine manipulatorische Absicht
c) ein naives Sprachbewusstsein der Art, dass Referenzausdrücke weniger wichtig
seien (was von W. Dieckmann widerlegt wird).
Der unter a) genannte Fall scheidet bei den Zitateinbettungen aus, denn die Rahmentexte vor und nach den Textauszügen werden von den zuständigen RedakteurInnen jeweils eigenständig neu formuliert. (Die Qualität der Übersetzungen aus internationalen Zeitungen wird in diesem Beitrag nicht betrachtet.) Auch Fall b) kommt
kaum in Betracht, denn bei den Verben und Wendungen der Zitateinbettung handelt
es sich ausnahmslos um einen prädikativen (und nicht referenziellen) Gebrauch
sprachlicher Ausdrücke. Das Vorliegen von c) manipulatorischen Absichten hält W.
Dieckmann auf Grund der großen Varianz der verwendeten Referenzausdrücke (zur
Bezeichnung der Befreiungsaktion / Intervention / Aggression der USA) für wenig
wahrscheinlich, da nicht effektiv genug durchgeführt.
Wie aber ist dann der Rückgriff auf Verben zu erklären wie mutmaßen (1.2 epistemische Einstellungen), glauben (1.3 Bezeichnung doxastischer Einstellungen), spekulieren (1.4 rationale Tätigkeit), sich ärgern (1.6 Emotionen), wittern (2.4 olfaktorische
Wahrnehmung), sich überrascht geben (4 kommunikatives Handeln), prophezeien
(5.2.1b zukunftsbezogene Assertiva) und schließlich monieren (5.2.2 Expressiva)?
Gemeinsam ist diesen Ausdrücken, dass sie den JournalistenkollegInnen in den Zeitungen, aus denen zitiert wird, implizit teils eine unprofessionelle Arbeitsweise, teils
unlauteres, unaufrichtiges Verhalten zu unterstellen scheinen.
Denn wer als KommentatorIn lediglich mutmaßt oder spekuliert, kann dem Auftrag
seriöser Argumentation und Interpretation kaum gerecht werden. Es verwundert da108
her nicht, dass beide Verben nicht sehr häufig verwendet werden und außerdem nie
bei international renommierten Zeitungen, den sog. Leitmedien. Im ersten Beispiel
wird das Verb zudem als Redeeinbettung für einen Satz verwendet, der selbst bereits deutliche Indikatoren der Sprachhandlung Vermuten enthält. Auch hier dürfte
jedoch mutmaßen kaum als vollständiges Synonym von vermuten gelten, sondern
die Fragwürdigkeit oder zumindest Vagheit der Annahme noch stärker hervorheben.
In den anderen Zeitungen (aus Frankreich, Russland und der Ukraine) sind im zitierten Original keine so deutlichen Indikatoren für die Sprachhandlung Vermuten enthalten. – Die DEUTSCHLANDFUNK-Redakteure verwendeten mutmaßen im untersuchten
Zeitraum als Zitateinbettung in folgenden Zusammenhängen (Hervorhebung der fokussierten Ausdrücke durch Fettdruck bei allen folgenden Zitaten von mir, H.L.):
„,[…] Wer so landesväterlich daherkommt, ist den Wählern in anderen Regionen der Republik nur schwer zu vermitteln. Gut möglich, dass die SPD also nur die nächste Übergangsfigur präsentiert‘, mutmaßt der SÜDKURIER aus Konstanz.“
(Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 11.04.2006)
„,[…] Mit Zapatero in Spanien, Angela Merkel in Deutschland und nun Romano Prodi wird
allmählich eine neue EU Gestalt annehmen – wobei die Wahl eines neuen Präsidenten in
Frankreich abzuwarten bleibt. Es wäre allerdings gewagt, aus dem Wechsel in diesen drei
Ländern eine Regel für Frankreich abzuleiten‘, mutmaßt der in Perpignan erscheinende
L’INDÉPENDANT DU MIDI.“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 12.04.2006)
„,[…] Die Wähler in Europa haben offenbar genug von strengen Wirtschaftsreformen und
erwarten mehr Unterstützung vom Staat‘, mutmaßt das Moskauer Blatt KOMMERSANT,
mit dem wir die internationale Presseschau beenden.“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 25.04.2006)
„Besonders schmerzhaft dürfte die Erklärung für Moskau sein, mutmaßt die ukrainische
Zeitung KOMMERSANT-UKRAINA.“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 13.04.2006)
Das Verb spekulieren taucht nur zweimal als Zitateinleitung auf, einmal in der BERLINER ZEITUNG, einmal im DEUTSCHLANDFUNK:
„Nach dem Energiegipfel spekuliert die serbische Zeitung DANAS über die Zukunft der
deutschen Atompolitik: ‚[…]‘“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 05.04.2007)
„Über die Chancen der Kandidaten [im 2. Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahl – H.L.] spekuliert der Züricher Tages-Anzeiger: ,[…]‘“
(Berliner Zeitung vom 4.04.2007)
Das Verb glauben wurde in der obigen Klassifikation der Kategorie 1.3 zugeordnet,
die Ausdrücke enthält, die auf doxastische Einstellungen referieren. Unter diesen bezieht sich glauben – natürlich im nicht-religiösen Sinne und im Vergleich zu den anderen Vertretern der Klasse wie überzeugt sein oder der Auffassung sein – auf den
schwächsten Ausprägungsgrad einer Überzeugung. Wenn von einer Zeitungsredaktion bzw. ihren KommentatorInnen gesagt wird, dass sie etwas nur glauben (und
nicht wissen), dann lässt das die betreffenden KollegInnen möglicherweise ebenfalls
nicht als besonders gute Fachleute erscheinen. 8
8
Eine ähnliche Distanz zum Inhalt des Zitierten läge übrigens auch bei einer Verwendung des
Verbs behaupten vor. „Behauptet werden kann nur etwas, was – zumindest im Prinzip – strittig
ist, was sich als nicht zutreffend erweisen könnte“ (Rolf 1997: 143). Erstaunlich ist indes, dass im
109
Das Verb glauben kommt in den Presseschauen des DEUTSCHLANDFUNK im April
2007 insgesamt 32 Mal vor, und zwar bei Zitaten aus 28 verschiedenen Zeitungen,
die in 15 Ländern erscheinen, darunter befinden sich auch 10 deutsche Blätter. In
der BERLINER ZEITUNG wird es im Untersuchungszeitraum dreimal verwendet. Hier folgen insgesamt vier Belege aus beiden Medien:
„[…] stellt einen entscheidenden Moment für … dar, glaubt in Turin die La Stampa:
,[…]‘“ (Berliner Zeitung vom 6.01.2007, S. 4)
„,[…] Außerdem wäre er [Prodi vor seiner Wahl zum italienischen Ministerpräsidenten –
H.L.] ein europäisch orientierter Politiker, der bei Bedarf auch über nationale Interessen
hinausblickt. Europa drückt ihm die Daumen‘, glaubt das HUFVUDSTADSBLADET
aus Helsinki.“
(Deutschlandfunk, sonntägliche Presseschau vom 09.04.2007)
„Die spanische Zeitung EL PAIS glaubt dennoch, dass sich Rumsfeld nicht mehr lange
hält: ,…‘“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 19.04.2007)
„,[…] Ob und wie die Partei ihrem strahlenden Retter [gemeint ist der Sieger der Parlamentswahl in Ungarn, Gyurcsány – H.L.] folgt, sollte er tatsächlich schmerzhafte Reformen angehen – das wird die spannendste Frage der nächsten Jahre sein‘, glaubt
der österreichische STANDARD.“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 25.04.2007)
Man kann die Verwendung des Verbs glauben als Zitateinbettung aber auch dahingehend deuten, dass die RedakteurInnen der DEUTSCHLANDFUNK-Presseschauen ihren HörerInnen gegenüber ins Bewusstsein rufen wollen, dass es sich bei den wiedergegebenen Texten um Meinungsäußerungen ihrer KollegInnen von den Printmedien handelt, also um Interpretationen oder Konstruktionen der Wirklichkeit, nicht um
überprüfbare Fakten – ganz im Sinne der z.B. von Stötzel (1980) und Dieckmann
(1985) geforderten Aufgabe der Medien, „die Reflexion über die sinnkonstitutive Kraft
sprachlichen Handelns, d.h. das Bewussthalten der Zweckorientiertheit und des interpretativen Charakters des Sprechens“ (Stötzel 1980: 51) zu betreiben und bei den
RezipientInnen zu befördern.
Aber auch hier bleibt die Frage, warum mit der Entscheidung für dieses Verb eine relativ starke Distanzmarkierung gegenüber der Quelle erfolgt. Das gilt in noch stärkerem Maße für die Verwendung des Verbs ärgern.
Wenn man qua Zitateinleitung den KollegInnen in Tageszeitungen, die die Kommentare und Leitartikel des Blattes verfassen (dürfen), unterstellt, dass sie sich ärgern,
so entspricht ein solch emotionales Verhalten sicher ebenfalls nicht dem Idealbild erfahrener JournalistInnen. Vielmehr wird die betreffende Stellungnahme als überzogen oder zumindest affektbetont charakterisiert, ohne dass der Originaltext selbst
stets hinreichende Anhaltspunkte dafür gäbe; vgl. die zwei Belege, die sich auf Zitate
aus einer deutschen Lokalzeitung und einer Wirtschaftszeitung beziehen:
„,[…] Es ist unverständlich, wenn just in der Krise eines Staates, deren Ursache auch in
der Entmündigung seiner Bürger liegt, dieser Prozess ohne erkennbare Notwendigkeit
weitergetrieben wird‘, ärgert sich die FULDAER ZEITUNG.“ (Deutschlandfunk, deutsche
Presseschau vom 18.04.2007)
gesamten Untersuchungszeitraum (Berliner Zeitung: November bis Dezember 2005 und Januar
bis April 2007; Deutschlandfunk: April 2007) das Verb behaupten kein einziges Mal als Zitateinbettung verwendet wurde.
110
„,[…] Die Empörung nimmt nur ein solches Ausmaß an, weil die Vorwürfe und die Berichterstattung teilweise grob die Realität verbiegen‘, ärgert sich das HANDELSBLATT aus
Düsseldorf.“ (Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 03.04.2007)
Auch das – im Untersuchungszeitraum allerdings nur ein einziges Mal benutzte –
Verb wittern enthält eine implizite wertende Stellungnahme des Berichterstatters
(hier: der RedakteurInnen, die die Zitatenbettungen formulieren). Zunächst fällt auf,
dass die prototypischen Agens-Aktanten des Wahrnehmungsverbs wittern Tiere sind,
meist solche, die in der Wildnis leben. Das Verb kommt jedoch auch als Teil des
Phraseologismus Morgenluft wittern vor, der auf ein Zitat aus Shakespeares Hamlet
zurück geht (vgl. DuR 2008: 528). Bei Shakespeare ist es der Geist von Hamlets Vater, der im wörtlichen Sinne die Morgenluft wittert, die sein Verschwinden fordert. Der
heutige Phraseologismus trägt die folgende Bedeutung: „die Möglichkeit sehen, einen Vorteil zu erlangen, aus einer ungünstigen Lage herauszukommen“ (DUR 2008:
528; im Original kursiv). Ähnlich paraphrasiert Röhrich (1992: 1051) den Ausdruck:
„In übertr. Bdtg. wird heute damit ausgedrückt, daß man eine ‚Chance wittert‘, für ein
Vorhaben einen günstigen Verlauf voraussieht.“ Beide Bedeutungsbeschreibungen
führen in Bezug auf das (isolierte) Verb wittern im genannten Kontext der Zitateinbettung nicht weiter. Hier wird das Verb eher im Sinne von Verdacht hegen verwendet
und demzufolge ausgedrückt, dass die im Kommentar geäußerten Befürchtungen
der betreffenden Zeitung wenig durch Fakten begründet seien. Aus der Sicht des
Verbbenutzers gehen die im Zitat geäußerten Sorgen jedenfalls offensichtlich zu
weit:
„Die BASLER ZEITUNG wittert in den Protesten eine morbide Endzeitstimmung: ,[…]‘“
(Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 05.04.2007)
Eine Bewertungskomponente enthält, im gegebenen Kontext der Wiedergabe von
Auszügen aus meinungsbetonten redaktionellen Texten von Zeitungen, möglicherweise auch das Verb prophezeien, denn: „Wer etwas prophezeit, beruft sich auf eine
(in der Regel göttliche) Autorität; von dieser Autorität leitet er seine – rational nicht
weiter zu rechtfertigende – Sicherheit ab“ (Rolf 1997: 145). Es versteht sich von
selbst, dass RundfunkredakteurInnen ihren KollegInnen in den Printmedien eine solche (womöglich gar göttliche) Autorität nur in ironischer Wirkungsabsicht zubilligen
könnten. Aber selbst dann, wenn man als Bedeutung von prophezeien lediglich das
Voraussagen im Rahmen einer nicht in Frage zu stellenden, fest geglaubten Wahrheit annimmt, ist diese Etikettierung von Aussagen in den zitierten Kommentaren als
– wenn nicht ironische, so doch – mit ambivalenter Distanzmarkierung versehene
Charakterisierung durch die Berichtenden zu deuten.
Immerhin wird das Verb im April 2007 von den Presseschau-RedakteurInnen des
DEUTSCHLANDFUNK 12 Mal verwendet, und zwar je einmal bei Zitaten aus 12 Zeitungen, die in acht Ländern erscheinen (darunter fünf deutsche Blätter einschließlich der
überregionalen Abonnementblätter FAZ und SÜDDEUTSCHE ZEITUNG). Hier seien nur
vier Belege wiedergegeben:
„,[…] Trotzdem spielen Chirac und Villepin nun um alles oder nichts‘, prophezeit die
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG.“ (Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 01.04.2007)
„,[…] Wie auch immer die Wahl in Italien ausgeht, prophezeit die mexikanische Zeitung
UNIVERSAL, es sei mit einer hohen Wahlenthaltung zu rechnen.“ (Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 05.04.2007)
„,[…] Schon jetzt klagt die deutsche Geflügelbranche über gewaltige Umsatzeinbußen
wegen sinkender Nachfrage. Die Infektion auf dem sächsischen Geflügelhof dürfte diesen
111
Zustand noch verschärfen‘, prophezeit die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG.“ (Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 06.04.2007)
„,[…] Mit der kräftigen Lohnerhöhung wird jedoch der Druck auf die Unternehmen weiter
wachsen, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern‘, prophezeit die F.A.Z.“ (Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 24.04.2007)
Es sind Voraussagen und Situationseinschätzungen der betreffenden Zeitungen,
darunter einige (wie im obigen Beispiel aus der FAZ) auch mit impliziten Drohungen
verknüpfte, die von den Presseschau-RedakteurInnen mittels des Verbs prophezeien
in den Sendungstext eingebettet werden. Die Distanzmarkierung gegenüber den eingebetteten Zitaten scheint in den meisten Fällen der Verwendung dieses Verbs jedoch nicht sehr stark.
Noch schwieriger fällt eine Entscheidung über das Vorliegen einer Distanzmarkierung bei der Verwendung des Verbs monieren als Zitateinbettung. Die gängigen
Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache geben als Bedeutungserklärung
Synonyme wie bemängeln, beanstanden (DUW 2007), das DWDS nennt auch tadeln. Wer jemanden oder etwas tadelt, erhebt sich in die Position eines berechtigten
Beurteilers, vergleichbar etwa LehrerInnen gegenüber ihren SchülerInnen oder GutachterInnen gegenüber AntragstellerInnen. Auch eine solche Autorität des erhabenen Kritikers werden die HörfunkjournalistInnen ihren KollegInnen von der Presse
kaum zubilligen wollen. Einige der Verwendungsweisen im DWDS-Kerncorpus legen
nahe, dass ein Monieren zumindest gelegentlich als unangemessenes Kritisieren
aufgefasst wird. Wenn dem Verb monieren eine solche pejorative Konnotation innewohnt, wäre es nach Zillig (1982) als ein Ausdruck einzustufen, mit dem ein Bewertungsbewerten vollzogen wird, und zwar ein auf beiden Ebenen (der Referenz- und
der Diskursebene) negatives Bewerten.
Die Entscheidung darüber, ob eine solche Auffassung tatsächlich gerechtfertigt ist,
wird auch durch die Belege nicht von selbst klar:
„,Die Türkei soll mit Unterstützung aus dem Ausland an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Alles deutet darauf hin. Als Vorbilder dienen die ETA und die IRA. Im gleichen Atemzug wird die Forderung nach Autonomie erhoben. Die USA und die EU sind der
Ansicht, dass die Angelegenheit nicht nur ein Sicherheitsproblem ist, sondern andere Dimensionen trägt. Diese Sichtweise ist falsch und nützt lediglich der PKK‘, moniert MILLIYET.“ (Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 01.04.2006)
„Die britische Zeitung THE TIMES ist der Auffassung, dass die Öffentlichkeit im Westen
systematisch auf einen Angriff gegen das Land [= Iran – H.L.] eingeschworen wird und
moniert: ,Als Teil der Vorbereitung kommen genau die Rechtfertigungsargumente, die
dem Irak-Krieg vorausgingen, so falsch sie auch sein mögen. […]‘“ (Deutschlandfunk, internationale Presseschau vom 24.04.2006)
„Der Fiskus greife ungeniert zu, monieren die KIELER NACHRICHTEN: ,[…]‘“ (Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 29.04.2006)
„,Nach der schnellen und unbürokratischen Hilfe, auf die die geplagten Elbanrainer Anrecht haben, muss Grundlegendes geschehen. Dazu gehört ein schneller Ausbau der
Deiche, wohl auch ein Rückbau der durch menschliche Eingriffe zu schnell gewordenen
Elbe. Und dann muss man wohl auch mehr Überschwemmungsflächen frei geben, was
auch Umsiedlung von Einwohnern bedeutet. Das alles ist sicherlich schwieriger, als Sonntagsreden in Gummistiefeln zu halten‘, moniert die NEUE PRESSE aus Hannover.“
(Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 10.04.2006)
112
Im letztgenannte Beleg vom 10. April 2006 verwundert die Entscheidung für die Verwendung des Verbs monieren, denn im Originaltext der Zeitung wird eine Situationsanalyse vorgenommen, aus der implizite Forderungen erwachsen. Ein Bemängeln
oder Tadeln scheint im zitierten Ausgangstext jedenfalls kaum indiziert.
Ein auffälliger Beleg ist auch der Abschluss eines Zitats aus dem HANDELSBLATT, bei
dessen – oben bereits wiedergegebener – Einführung das Verb ärgern Verwendung
fand:
„,So wurde keine Bürgschaft an den russischen Konzern Gazprom vergeben, wie manche
Berichte behaupten. Der interministerielle Ausschuss der Bundesregierung hat vielmehr
eine Bürgschaft für einen Kredit der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau und der
Deutschen Bank beschlossen. Damit sollte eine Zubringerleitung für die Ostseepipeline finanziert werden. Fakten zählen offenbar nicht mehr‘, moniert das HANDELSBLATT.“
(Deutschlandfunk, deutsche Presseschau vom 03.04.2006)
Als Zitateinbettung bezieht sich monieren hier auf ein heftiges, enttäuscht-bitteres,
vielleicht sogar sarkastisches Kritisieren; es findet damit, ähnlich einigen weiter oben
genannten Verben, in einem Kontext Verwendung, der nicht mit idealtypischen Verhaltensweisen von ZeitungskommentatorInnen identisch ist.
Eine solche distanzierende und teils evaluierende Form der Zitateinbettung ist nicht
allein aus dem stilistischen Gebot der Varianz des Ausdrucks zu erklären. Warum die
RedakteurInnen der Presseschauen bzw. der Pressestimmen auf diese Sprachmittel
zurückgreifen – ob sich dahinter etwa eine gewisse Frustration über die Notwendigkeit der Erledigung einer ungeliebten Aufgabe verbirgt oder der Ärger über die mitunter eigenwilligen, einseitigen und selbstgerechten Stellungnahmen von ZeitungskommentatorInnen –, das ist mit den Methoden der Text- als Produktanalyse allein nicht
zu klären. Ob indes eine Befragung der sprachlich handelnden JournalistInnen selbst
eine Klärung herbeiführen könnte, ist ebenso zu bezweifeln.
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114
REZENSIONEN
Breugnot, Jacqueline / Molz, Markus (Hrsg.) (2006): Europa konkret!
Grenzräume als Chance für Bildungsinnovationen? Landau: Knecht
(= LSKK 8), 274 S., 19,80 €.
Nach dem Ende des Ostblocks wurde der europäische Integrationsprozess als ein
überwiegend harmonischer Einigungsprozess beschrieben. Die Realität hat jedoch
schnell gezeigt, dass der Weg zu einer europäischen Bürgergesellschaft und zu einer gemeinsamen Verfassung kompliziert und steinig ist. Auf der einen Seite haben
wir die Vielfalt Europas, und der europäische Einigungsprozess kann weder allein
aufgrund politischer Bestrebungen noch durch die Festlegung allgemeiner europäischer Ideale vonstatten gehen. Andererseits steht die europäische Integration für einen gemeinsamen Dialog, für die Suche nach Verbindendem.
Hier setzt auch der von Jacqueline Breugnot (Landau) und Markus Molz (Luxemburg) herausgegebene Sammelband Europa konkret! Grenzräume als Chance für
Bildungsinnovationen? an. Die Publikation ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit verschiedener Ausbildungsstätten, die sich mit der europäischen Dimension im Bildungsbereich konfrontiert sehen.
Der Titel, das sei eingangs vermerkt, beleuchtet in anschaulicher Form ausgewählte
Aspekte der europäischen Problematik. Nach Auffassung der Herausgeber gibt es
gerade in Grenzgebieten immer wieder Anlässe, sich mit der Entdeckung, Erklärung
oder Definition des Anderen und des Eigenen zu beschäftigen. Zu widersprechen ist
dabei der Annahme, Grenzräume wären lediglich ein geopolitisches Phänomen: Auf
Grenzen stößt man immer dann, wenn zwei Individuen in ihrer Einzigartigkeit aufeinander treffen; Grenzgebiete sind daher sowohl kulturell, historisch, ethnisch als auch
religiös verankert. Gerade diese Dimensionen sind von hervorragender Bedeutung
für Europa, für die Europäisierung und für Innovationen im Bildungsbereich.
In diese Richtung zielt auch der vorliegende Sammelband. Nach den einleitenden
Überlegungen zur europäischen Integration im Alltag der Bürger wird das Hauptaugenmerk auf strukturelle Rahmenbedingungen gelegt. Der Leser erfährt Näheres
über wirtschaftliche und soziokulturelle Schwierigkeiten in der deutsch-polnischen
Grenzregion (Zbigniew Kurcz), über geopolitische Spannungen im Baskenland, die
nicht nur bezüglich der baskisch-spanischen, sondern auch hinsichtlich der französisch-spanisch-baskischen Dreierkonstellation thematisiert werden (Barbara Loyer).
Eingegangen wird ferner auf die traditionell „schwierige Lage“ der Region Elsass, deren häufig wechselnde politische Zugehörigkeit in der Vergangenheit bestimmte
Spannungen und Besonderheiten zu erklären vermögen (Dominique Huck). Einen
Blick von außen auf Europa liefert der Beitrag von Hartwig Scheinhardt, der die Haltung türkischer Einwanderer zur Offenheit beziehungsweise Verschlossenheit Europas am Beispiel des „türkischen“ Oberrhein-Gebiets zum Gegenstand macht.
Der zweite Teil des Bandes ist den kulturellen, sozio-psychologischen und psycholinguistischen Gegebenheiten gewidmet. Aus psychoanalytischer Sicht untersucht
Christina Gautheron die Beziehungs-Dynamik zwischen dem Individuum und der
Macht von Institutionen, während der Beitrag von Tove Heidemann die Problematik
der Vorurteile, vor allem deren Rolle in sozialen Beziehungen, schildert; dabei stützt
sich die Autorin auf konkrete Erfahrungen in der deutsch-dänischen Grenzregion.
Der anschließende Beitrag von Thomas Rist liefert eine textbasierte Studie zu kultur115
spezifischen Anspielungen in deutschen und französischen Kommunikationszusammenhängen. Das deutsch-tschechische Autorenteam Oliver Holz und Petr Urbánek
skizziert in einer vergleichenden Analyse Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Wahrnehmung des Lehrerberufs in den nationalen Traditionen beider
Länder und bezüglich der Arbeitsbedingungen und des Zugangs zu dieser beruflichen Tätigkeit. Schließlich verweist Thierry Dudreuilh auf die Komplexität der
„schmerzlichen Mediation“ im ehemaligen Jugoslawien, was wiederum die Grenzen
des europäischen Dialogs im Vorzimmer der Gewalt und die Machtlosigkeit außenstehender Vermittler aufzeigt.
Im dritten Teil stehen pädagogische Innovationen im Mittelpunkt. Catherine Berger
stellt allgemeine Überlegungen zur anthropologischen Dimension der Grenzregionen
an, Françoise Fouquet stellt die deutsch-französischen Beziehungen im Schulwesen
vor; diese gelten traditionell als Vorzeigemodell bezüglich der Überwindung von
Feindseligkeiten und Vorurteilen zwischen ehemaligen Erzfeinden. Dieser Beitrag interessiert auch wegen der aktuellen Ausdehnung der Zusammenarbeit auf andere
Partner. Peter Knapp gibt Einblicke in Methoden und Chancen, aber auch Konfliktgefahren interkultureller Mediation, wohingegen sich Victor Saudan mit der Geschichte
und der Gegenwart von Auslandsaufenthalten in Grenzgebieten beschäftigt, an denen sowohl Lehrkräfte wie auch Lehramtsstudenten teilnahmen. Der Beitrag von Michel Mattoug fordert dazu auf, über die notwendige Unterstützung von Vielfalt und
über die Folgen von Veränderungen in den Grenzgebieten Europas nachzudenken.
Markus Molz und Guillaume Bauchet bilden mit allgemeinen Überlegungen zur transkulturellen, transdisziplinären und transmedialen Bedingtheit der Integration im europäischen Hochschulwesen den Schluss dieses Teils.
Die einzelnen Beiträge enthalten viele Informationen, Anregungen und Reflexionen
zu Fragen der europäischen Integration. Als äußerst nützlich, da verständnisfördernd, erweisen sich jeweils die Zusammenfassungen der Herausgeber am Ende der
einzelnen Teile.
Jacqueline Breugnot und Markus Molz haben zweifellos eine Publikation vorgelegt,
die in sehr vielfältiger Weise in die Problematik der europäischen Annäherung im kulturellen und bildungspolitischen Bereich einführt. Von daher kann der Band ohne
Einschränkung zur Lektüre empfohlen werden, dies insbesondere auch studentischen Lesern. Inhaltlich dürfte die Veröffentlichung nicht allein Europa-Spezialisten
ansprechen, sondern für eine breite pädagogisch interessierte Öffentlichkeit von Bedeutung sein.
Tomáš Kasper
116
Sambanis, Michaela (2007): Sprache aus Handeln. Englisch und
Französisch in der Grundschule. Landau: VEP (= LSKK 14), 424 S.,
34,90 €.
Das wesentliche Ziel schulischen Fremdsprachenunterrichts ist die Entwicklung bzw.
Hervorbringung funktionaler Sprechkompetenz der Schüler in der zu erlernenden
Sprache. Fremdsprache als Kommunikationsmedium zur gesellschaftlich gebotenen
Erweiterung und Stärkung der sozialen Kompetenz im zusammenwachsenden Europa! So lautet die übergeordnete bildungspolitische Vorgabe, die auch Richtziel im
Bildungsplan für Fremdsprachen der Grundschule in Baden-Württemberg ist und an
dessen Umsetzung bzw. Nichtumsetzung in den Klassen 1 und 2 sich vorliegende
Untersuchung zunächst ausrichtet, aber rasch den Stand der Dinge im gesamten
deutschen Bundesgebiet sehr deutlich und kritisch beschreibt und analysiert. Der
Blick bleibt dabei immer konzentriert auf die im vorliegenden Werk zur Diskussion gestellte anzubahnende und zu entwickelnde Sprechkompetenz der Schüler gerichtet.
In Baden-Württemberg besuchen alle Grundschüler seit dem Schuljahr 2003/04 sowie alle Förder- und Sonderschüler den in Klasse 1 einsetzenden, 2 Wochenstunden
umfassenden Fremdsprachenunterricht in Englisch und entlang der „Rheinschiene“
in Französisch.
Grundschüler, da junge Lerner, verfügen bekanntlich über ein hohes Maß an Spontaneität, Nachahmungsvermögen, Lernbereitschaft und Lernfreude – Eigenschaften,
die ihnen die Erlangung der anzustrebenden Sprechkompetenz in einer fremden
Sprache vermeintlich erleichtert, diese stark befördern kann oder sie zumindest irgendwann in späteren Lernphasen (Inkubation) wieder zu Tage treten lassen. Diese
Lerneigenschaften, die die Autorin erfreulich fassbar konkretisiert, sollen genutzt werden.
Die Autorin, langjährig als Grundschullehrerin in Baden-Württemberg tätig, spricht
der bislang verbreiteten Unterrichtspraxis die Möglichkeit einer zufriedenstellenden
Erreichung des gestellten Zieles ab: Auch die offenbar mit hoher Intuition ausgestatteten Grundschüler sprechen im Fremdsprachenunterricht zu wenig in der Zielsprache.
Umfassend und einleuchtend seziert die Autorin die sogenannten „verstehensbasierten“ Ansätze des FU als Gründe für den letztlich ausgebliebenen Erfolg. Verstehensbasierte Vorgehensweisen und die (sie übrigens abbildenden!) Bildungspläne beschreiben zwar die oben erwähnten günstigen Fähigkeiten und Bedürfnisse der jungen Lerner, ebenso die fremdsprachlichen Ziele, die es mit ihnen zu erreichen gilt,
sie zeigen jedoch keinen Weg, die grundschulkindlichen Fähigkeiten tatsächlich und
nachweisbar zu aktivieren und damit die anvisierten Ziele hörbar und sichtbar zu erreichen. Viele Lehrer werden die Argumentation der Autorin bestätigen können und
dankbar zur Kenntnis nehmen. Minutiös klopft die Autorin Bildungspläne in den verschiedenen Fassungen und die erziehungswissenschaftliche und didaktische Literatur nach Wegen und Spuren ab und weist nach, dass mehr als „intuitives Wissen“
über einen möglichen einzuschlagenden Weg zur Erreichung intensiverer Sprechkompetenz dort nicht zu finden ist.
Vor diesem ernüchternden Hintergrund entwirft die Autorin ihr Modell eines handlungsbasierten „ko-aktiven“ frühen Fremdsprachenunterrichts, welches grundsätzlich
das bislang verstehensbasierte „irgendwie“ und „irgendwann“ zu erreichende Ziel der
Sprechkompetenz auf den Kopf stellt: Sprechkompetenz bleibt nicht allein das (ak117
zeptiert ferne) Ziel, sondern wird den jungen Lernern als „sprechhandelnde“ Strategien von Anfang an als Weg zur Verfügung gestellt innerhalb sogenannter „Ko-Aktionen“.
Dies sind sehr genau ausgedachte und geplante, witzige und humorvolle, kindliche
Neugier und Spannung erzeugende Situationen, die so in den Mittelpunkt des unterrichtlichen Geschehens gestellt werden, dass die Kinder diese Situationen unbedingt
lösen wollen. Sie können aber die „dramatischen“ Situationen (z.B. der Lehrerin erklären oder ihr aber vorenthalten, wo das von ihr „verzweifelt“ gesuchte Krokodil
denn nun versteckt ist oder dieser beweisen, dass sie mal wieder alles falsch geraten
hat usw.) nur h ö r e n d , h a n d e l n d u n d : s p r e c h e n d l ösen. Da will Kind, da will
Klasse dabei sein mit der richtigen Antwort! In der Zielsprache, aber auch mit Rückzugsmöglichkeiten für „schüchterne“ Kinder. Der im FU der Grundschule so oft verhandelte Lehrerinput bewirkt schnell und hörbar den handelnden, hörenden und (!)
sprechenden Schüler-Intake.
Eine Vielzahl solcher möglichen Sprechhandlungsräume oder Spielarrangements mit
sehr hohem Erlebniswert breitet die Autorin konkret beschreibend und mit immer mitschwingender Empathie für ihre Schüler vor dem Leser aus.
Im letzten Teil des Bandes, der Unterrichtsprotokolle wiedergibt, wird dem Leser die
sanfte, aber sehr zielorientiert angelegte Technik der unabdingbaren fremdsprachlichen Sprechhandlungsaktionen durch die Schüler vollends klar. Auch insofern lohnt
sich das Studium der Protokolle, die allerdings mühsamer zu lesen sind als die theoretischen Ausführungen.
Ergänzt und gefestigt werden die sprachlichen Einheiten oder Ergebnisse der progressiv immer komplexer zu gestaltenden Sprechhandlungsräume von systematisch(er) angelegten Übungseinheiten. Aber auch in diesen werden die jungen Lerner
wohl ebenso wie in den Spielaktionen beglückende Bewegungsmöglichkeiten und
Tätigkeitsfelder wahrnehmen, nicht so sehr die lehrergesteuerte Notwendigkeit,
Wortschatz zu vertiefen oder Aussprache zu verbessern usw.
Auch zu diesen Lerneinheiten „verrät“ die Autorin eine Fülle ihrer Ideen, die nicht nur
ihrer ausgeprägten Phantasie entspringen, sondern dem Nachdenken darüber, mit
welchen Figurationen das Bewegungs- und Erlebnisnaturell des Grundschulkindes
zur Erreichung von „Sprechhandlungsfähigkeit“, damit des wesentlichen Ziels der
wachsenden Kommunikationsfähigkeit eines jeden Fremdsprachenlerners initiiert
und kontinuierlich mit neuem Wortschatz und neuen Strukturen angereichert werden
können.
Obwohl von der Autorin als „lernorientierte“ Ko-Aktionen bezeichnet, werden sie mit
klingenden Namen versehen wie „Lippenlesen“, „Sotto-Voce-Modus“, „Wogensprechen“, „Gib mir dein Wort“, „Balance-Akt“ usw. Auch diese Übungen werden das
Klassenzimmer zum Klingen und kindlichen Springen bringen und – zur Sprache aus
Handeln.
Bemerkenswert ist das immer wieder eingeflochtene couragierte Bekenntnis der Autorin zu einer von Empathie getragenen Kommunikation als unabdingbarer Voraussetzung zum Gelingen des Konzepts. Schüler, Lehrer und Handpuppen bilden eine
(verschworene) Lerngemeinschaft, die eine „Wir-Gemeinschaft“ ist oder möglicherweise durch diesen Unterricht dazu wird werden können.
Innerhalb dieser entworfenen Unterrichtslandschaft werden die schon bekannten Unterrichtselemente wie Storytelling, Chorsprechen, TPR, Einhaltung von Ritualen usw.
118
erhellt und für das neue Konzept geprüft, erhalten jedoch darin einen deutlich neuen
und vor allem einsichtigen Stellenwert.
Der hier entwickelte Entwurf ist als bahnbrechend zu bewerten und kann nur begrüßt
werden.
Die Praxiserfahrung der Autorin springt ins Auge, Bedingungen des grundschulkindlichen Lernens werden profund reflektiert, aber konkret dargelegt, die vorgeschlagenen unterrichtlichen Möglichkeiten entspringen dem scharfen Nachdenken über eine
defizitäre Situation in Theorie und Praxis und zeigen ausführlich und verständlich
Wege auf, dieser zu entkommen. Von wissenschaftlichen Theorien entschlackt,
könnte und sollte die Schrift für Unterrichtende ein grundlegendes „Lehrwerk“ werden. Aber Vorsicht: Das Werk ist kein Lehrerbegleitband. Sambanis beschreibt die
Struktur einer Vorgehensweise, mit (jungen) Schülern die Zeit in sinnvoller, also spielerischer Weise fremdsprachlich zu verbringen bzw. zu teilen. Sie zeigt nicht Möglichkeiten, die Unterrichtszeit in der Hoffnung zu füllen, dass irgendwie irgendwas
von der jeweiligen Zielsprache „hängenbleibt“.
„Sprache aus Handeln“ zeigt einen in der deutschen Schulwirklichkeit nahezu radikal
neuen Ansatz auch deshalb, weil die Autorin auszuführen vermag, wie der sprechhandelnde Weg schon das Ziel (Sprechhandlungsfähigkeit) beinhaltet. Dieser Ansatz
allerdings verlangt immanent, nicht als moralische Forderung, von den Lehrern Versiertheit in der fremden Sprache, theatralisches Talent, enorme Präsenz und Empathie für Schüler, Schule und die fremde Sprache.
Theoretiker können in Sambanis’ Ausführungen eine fundiert bearbeitete, aber kompakt zusammengefasste Fülle erziehungswissenschaftlicher und wissenschaftstheoretischer Literatur, kontroverser Diskussion und (erschreckend) vieler, noch nicht untersuchter Forschungsbereiche finden.
Im Anschluss an die im Schlussteil des Bandes wiedergegebenen Unterrichtsprotokolle einzelner exemplarischer erlebnisorientierter Ko-Aktionen bewerten die Autorin
sowie die beteiligten Lehrer und Schüler ein praktisches viermonatiges Unterrichtsprojekt mit einem gut durchdachten Instrumentarium. In Zeiten, die der Evaluation
schulischer Bildung bedeutende Schubkraft für deren Verbesserung unterstellen,
wird man hoffentlich diese Bewertungen beispielhaft zu Rate ziehen wollen. Übrigens: Die „Erträge“ scheinen (auch rein statistisch) der Autorin Recht zu geben: Der
vorgeschlagene Weg kann aus der diskutierten Sackgasse führen, und es zeigt sich,
dass die englische Sprache als Angebot für junge deutsche Lerner der französischen
keineswegs überlegen ist, wie dies vordergründig und vielerorts oft behauptet wird;
Englisch ist für den deutschsprachigen Raum nicht per se „ertragreicher“ und motivierender.
Die Publikation stellt in vielerlei Hinsicht eine willkommene Fundgrube für Erziehungswissenschaftler u n d (!) für Lehrer dar.
Barbara Gfrörer-Hornbacher
119
Durand, Béatrice / Neubert, Stefanie / Röseberg, Dorothee / Viallon,
Virginie (2006): Studieren in Frankreich und Deutschland. Akademische Lehr- und Lernkulturen im Vergleich. Berlin: Avinus, 110 S.,
10,- €.
Das hier zu besprechende Buch stellt eine ausgesprochen nützliche, gut strukturierte, verständlich geschriebene und dazu noch preiswert zu erwerbende Arbeit dar. Sie
befaßt sich mit dem französischen und deutschen Hochschulwesen und gibt Antworten auf Fragen, wie sie sich im Zusammenhang mit einem Auslandsstudium oder
generell aus der Beschäftigung mit dem Bildungssystem des jeweiligen Ziellandes
ergeben können.
In Zeiten, wo sich der gesamte europäische Hochschulraum in einer Situation des
Umbruchs befindet, sind orientierende Darstellungen sehr willkommen. Der sog. Bologna-Prozeß bringt eine ganze Reihe gravierender Veränderungen mit sich, von der
Neustrukturierung des (nunmehr zweistufigen) Studiums über die Einführung eines
gemeinsamen Leistungspunktesystems bis hin zur Vereinbarung einheitlicher Studienabschlüsse.1 Ein Hauptziel ist die Schaffung eines „gemeinsamen europäischen
Hochschulraums“, verbunden mit der Hoffnung, auf diese Weise die Mobilität von
Studenten fördern und die Qualifizierung für einen globalisierten Arbeitsmarkt verbessern zu können. Die Bemühungen um Vereinheitlichung schließen indes den Erhalt nationaler Besonderheiten nicht aus, und gerade darin liegt eine der Motivationen für die vorliegende Publikation.
Im Anschluß an eine allgemeine Einführung werfen die Autorinnen einen Blick in die
Geschichte (19-28). Dieser Abschnitt gehört zu den wichtigsten des gesamten Bandes, bietet die Übersicht zur Entwicklung in früheren Jahrhunderten doch zahlreiche
Anhaltspunkte für die Erklärung heutiger Divergenzen (man denke nur an die Herausbildung der zentralistischen Verwaltung im französischen Bildungssystem oder an
die Rolle der Ordinarienuniversität, die die Hochschulkultur lange Zeit in Deutschland
bestimmt hat). Deutlich wird vor allem, wie veränderte gesellschaftliche Erfordernisse, politische Prioritäten und wirtschaftliche Bedingungen das Institutionen-Gefüge
nachhaltig beeinflußt und verändert haben. Es sind hier nicht nur Institutionen, die
eine nähere Betrachtung erfahren; ebenso aufschlußreich ist der kontrastierende
Blick auf spezifische Begriffsbildungen (vgl. université vs. Universität oder éducation
vs. Bildung).2
Vor diesem Hintergrund folgt eine Kurzcharakterisierung der wichtigsten Institutionen
im Hochschulbereich (28-42). Dabei geht es nicht allein um universitäre Einrichtungen im engeren Sinne, zur Sprache kommen ebenfalls die Conservatoires, die Organisation der Lehrerbildung oder die Kultusministerkonferenz.
Die weiteren Abschnitte sind überwiegend detaillierteren Aspekten gewidmet: Studienorganisation (43-60), Typologie der Lehrveranstaltungen (61-65), Akademische
1 Eine Reihe instruktiver Überblicksdarstellungen enthält der Sammelband: Denk, R. (Hrsg.) (2005):
Nach Europa unterwegs. Grenzüberschreitende Modelle der Lehrerbildung im Zeichen von europäischer Identität, Kultur und Mehrsprachigkeit. Herbolzheim; speziell auf Veränderungen in der
Romanistik geht ein: Dethloff, U. (2008): Bildungsstandards und Bologna-Prozess. In: Beiträge zur
Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 13, 177-192.
2 Anregendes hierzu enthält auch das Kapitel „Das Bildungswesen: Traditionen und Innovationen“
6
von Ernst Ulrich Große in: Große, E.U. / Lüger, H.H. ( 2008): Frankreich verstehen. Eine Einführung mit Vergleichen zu Deutschland. Darmstadt, 198-243.
120
Gattungen (67-77), Leistungsbewertung (79-84), Lehrpersonal (85-100). Ein Register
(103-106) und eine kurze Bibliographie (107-109) schließen den Band ab.
Den Ausführungen ist durchweg zu bescheinigen, daß sie von einem hohen Kenntnisstand aus erhellende Darstellungen und Analysen bieten. Besonders hervorzuheben (und zu würdigen) ist die konsequent vergleichende Perspektive. In landes- oder
kulturwissenschaftlichen Arbeiten ist dies keineswegs eine Selbstverständlichkeit.
Das Bestreben, alle Themen in knapper, sachlicher, in rein deskriptiver Weise zu präsentieren, birgt allerdings auch eine Gefahr, nämlich das Leserbedürfnis nach Einordnung und Bewertung zu vernachlässigen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen beispielsweise die Abschnitte zu den Studiengebühren (45), den französischen
concours de recrutement (52) oder zur Bulmahnschen Dienstrechtsreform (87ff.) als
sehr „problematisierungsabstinent“. Gerade in einer orientierenden Einführung wäre
die Analyse von Ursachen und Folgen in einem stärkeren Maße wünschenswert, als
es die Autorinnen praktizieren. Aus der Nutzerperspektive seien außerdem einige
Ergänzungen im Literaturverzeichnis3 und im Register4 vorgeschlagen.
Insgesamt aber liefert der Band viele nützliche Informationen, nicht nur für studentische Leser, die ein Studium in Frankreich oder in Deutschland aufnehmen wollen,
sondern für jeden landeskundlich Interessierten, der speziell die Unterschiede und
Gemeinsamkeiten des Hochschulsystems der beiden Länder näher kennenlernen
möchte.
Heinz-Helmut Lüger
3 Warum sollte man, speziell für deutsche Leser, nicht auch verweisen auf Lexika wie:
Kolboom, I. / Kotschi, Th. / Reichel, E. (Hrsg.) (2002): Handbuch Französisch. Sprache, Literatur,
Kultur, Gesellschaft. Berlin;
2
Schmidt, B. / Doll, J. / Fekl, W. / Loewe, S. / Taubert, F. ( 2005): Frankreich-Lexikon. Berlin.
4 Z.B. um Einträge wie: cursus intégré, DAAD, Dienstrechtsreform, Juniorprofessor, professeur des
écoles / des universités.
121
Nachruf Ernst Ulrich Große
(1938 – 2008)
Am 26. August 2008 verstarb unerwartet Professor Ernst Ulrich Große. Die Romanistik verliert mit ihm eine herausragende Persönlichkeit und vor allem einen
äußerst vielseitigen und innovativen Forscher. Die BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG verlieren einen engagierten Freund, Förderer und wichtigen
Autor; mit seinem fachlichen Rat und seinen Arbeiten hat Ernst Ulrich Große
ohne Frage viel zur Sicherung des wissenschaftlichen Niveaus beigetragen.
Das forschende und lehrende Wirken Großes war von Anfang an eng mit der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg verbunden. Hier absolvierte er sein Studium, das er 1967 mit einer literaturwissenschaftlichen Dissertation zur Toposforschung abschloß, hier folgte 1976 die Habilitation, und zwar mit einer textlinguistisch orientierten Schrift, und ab 1979 lehrte er hier als Professor für Romanische Sprachwissenschaft, dies bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2003.
Schon seit seinen ersten Dozentenjahren widmete sich Ernst Ulrich Große intensiv der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und war stets bemüht, seine Studenten für wissenschaftliche Fragen zu begeistern und sie auch
in eigene Vorhaben einzubeziehen. Als erstes Zeugnis hierfür kann der 1969
herausgegebene Band Strukturelle Textsemantik gelten, in dem u.a. eine Reihe
ausgewählter studentischer Arbeiten der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Diese Tradition setzte sich fort bis zu den Bänden Panorama de la presse parisienne (1994, 21996) und Presse française, presse allemande (2003).
Das wissenschaftliche Werk Großes zeichnet sich nicht zuletzt aus durch eine
imponierende Breite und eine kaum zu überbietende Vielfalt. Sein Hauptinteresse galt zwar zunächst der Literaturwissenschaft, doch zeigten die Studien zu
García Lorca, Maupassant oder Gottfried Benn von Beginn an interdisziplinäre
Ansätze, vor allem aber eine starke Hinwendung zu sprachwissenschaftlichen
Analysemethoden. Eine gewisse Brückenfunktion übernahmen hier die Semiotik und die Erzähltextanalyse. Von daher verwundert nicht, wenn Große sich
schon bald Fragen der Semantik und der Textlinguistik zuwandte. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht ist das auch international vielbeachtete Buch Text und
Kommunikation (1976). Parallel dazu sah sich Große ebenfalls der Diachronie
verpflichtet; sein 1971 erstmals erschienener Altfranzösischer Elementarkurs
erlebte mehrere Auflagen. Ein anderes, nicht minder wichtiges Betätigungsfeld
war die Landes- und Kulturwissenschaft. Hier erwarb er sich als Mitautor großes Ansehen mit den Überblickswerken Frankreich verstehen (62008) und Italien verstehen (1997) sowie der wegweisenden Publikation Rhône-Alpes. Eine
europäische Region im Umbruch (1998). Einen wichtigen, über viele Jahre verfolgten Schwerpunkt bildeten schließlich seine Studien zu den Massenmedien,
insbesondere zur französischen und europäischen Presse.
Ernst Ulrich Große hat sich als Wissenschaftler weit über die Romanistik hinaus
bleibende Verdienste erworben. Seine innovativen und mutigen Ideen werden
wir vermissen, seine tatkräftige Unterstützung wird uns fehlen.
Heinz-Helmut Lüger
122
BEITRÄGE ZUR FREMDSPRACHENVERMITTLUNG 47 / 2008
Autorenverzeichnis
Sylwia ADAMCZAK-KRYSZTOFOWICZ
ul. 28 Czerwca 1956r Nr. 198, PL-61-485 Poznan
(s.adamczak%ils.amu.edu.pl)
Silvia FOFFI
Sundgauallee 44-02-05, D-79110 Freiburg
(silviafof%hotmail.com)
Barbara GFRÖRER-HORNBACHER
Auf der Stadtmauer 5, D-75378 Bad Liebenzell
Tomáš KASPER
Pedagogická fakulta TU, Studentská 2, PL-46-117 Liberec
Birgit LAWRENZ
Flurstraße 34, D-51688 Wipperfürth
(DrBirgitLawrenz%aol.com)
Hartmut E. H. LENK
Universität Helsinki, Germanistisches Institut,
Postfach 24, FIN-00014 Helsinki
(Hartmut.Lenk%helsinki.fi)
Heinz-Helmut LÜGER
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Fachbereich 6,
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
Marktstraße 40, D-76829 Landau
(romanistik%uni-landau.de)
Isabell METZGER
Schlossbergring 42, D-79098 Freiburg.
(isabell.metzger%googlemail.com)
Antje STORK
Philipps-Universität Marburg
Informationszentrum für Fremdsprachenforschung
Hans-Meerwein-Straße, D-35043 Marburg
(stork%staff.uni-marburg.de)
123
Wilfried WEIGL
Rennweg 29, D-93049 Regensburg
(Die E-Mail-Adressen wurden zum Schutz vor Spams verändert; das Zeichen % ist jeweils
durch @ zu ersetzen.)
124
Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung
Die bzf verstehen sich als ein Informations- und Diskussionsforum, das den Erfahrungsaustausch mit anderen Institutionen der Fremdsprachenvermittlung und interessierten Fachvertretern anregen und vertiefen möchte. Willkommen sind Arbeiten
zur wissenschaftlichen Fundierung der Fremdsprachenvermittlung und zur Beschreibung von Gegenwartssprachen. Im Zentrum stehen dabei vor allem Fragen, wie sie
für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen im Hochschulbereich von Bedeutung
sind. Dies schließt landeskundliche und kulturwissenschaftliche Überlegungen ebenso mit ein wie Analysen sprachpolitischer Entwicklungen und Probleme.
Erscheinungsweise
Die 1977 gegründete Zeitschrift erscheint seit 2004 in zwei Ausgaben. Pro Jahr wird
wenigstens ein thematisch gebundenes Sonderheft herausgegeben. Ab Heft 43 /
2005 sind laufende Nummern im Online-Format veröffentlicht, sie können frei zugänglich unter
www.vep-landau.de/bzf
eingesehen werden.
Beiträge
Manuskripte (s. Autorenhinweise) werden in deutscher, englischer oder französischer
Sprache an die folgende Adresse erbeten:
Heinz-Helmut Lüger, Universität Koblenz-Landau,
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik),
Marktstraße 40, D-76829 Landau
E-Mail: [email protected]
Die eingereichten Manuskripte durchlaufen ein Begutachtungsverfahren.
Alle übrigen Zuschriften sollten an die Adresse des Verlags gerichtet werden:
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Telefon: ++49-6341-906-180, Telefax: ++49-6341-906-166
E-Mail: [email protected], WEB: http://www.vep-landau.de
125
Hinweise für Autoren
Die Redaktion bittet darum, zur Veröffentlichung vorgesehene Beiträge auf Diskette
(vorzugsweise Word für Windows) und mit einem Ausdruck einzureichen. Die Beiträge können auf Deutsch, Englisch oder Französisch abgefaßt sein. Alle eingehenden
Vorschläge werden sorgfältig geprüft. Für die Manuskriptgestaltung bitten wir um die
Beachtung folgender Hinweise.
• Gliederung: Artikelbeiträgen soll eine kurze Zusammenfassung von max. 10 Zeilen
vorangestellt werden; es folgt ein Inhaltsverzeichnis. Die Numerierung der Kapitel
sollte nach dem Dezimalsystem (1., 1.1., 1.1.1. usw.) erfolgen. Bei der Absatzgestaltung auf Einzüge verzichten. Die verwendete Literatur wird am Schluß in einem separaten Literaturverzeichnis aufgelistet.
• Längere Zitate werden als gesonderte Absätze (mit Einrückung) wiedergegeben
und durch Anführungszeichen markiert. Für Quellenhinweise nur Kurzformen benutzen (z.B.: Kühn 1996: 18f.).
• Fußnoten sollten nur bei längeren Anmerkungen eingerichtet werden, Kurzhinweise auf die benutzte Literatur sind dagegen in den Beitragstext zu integrieren.
• Auszeichnungen: Objektsprachliches in aller Regel kursiv setzen, Hervorzuhebendes sperren; Unterstreichungen und Fettdruck möglichst vermeiden.
• Bibliographische Angaben im Literaturverzeichnis nach folgendem Muster:
(Monographie:)
Hessky, R. / Ettinger, St. (1997): Deutsche Redewendungen. Tübingen.
(Zeitschriftenbeitrag:)
Kühn, P. (1996): Redewendungen – nur im Kontext! In: Fremdsprache Deutsch 15,
10-16.
(Beitrag aus einem Sammelband:)
Eggs, E. (1996): Formen des Argumentierens in Zeitungskommentaren. In: HessLüttich, E.W.B. / Holly, W. / Püschel, U. (Hrsg.): Textstrukturen im Medienwandel.
Frankfurt/M., 179-209.
• Schaubilder, Tabellen, Illustrationen, sofern nicht eingebunden, als gesonderte
Repro-Vorlagen beifügen.
Vor dem Druck erhalten die Autoren einen Korrekturabzug ihres Beitrags zur nochmaligen Durchsicht.
126
Internationale Konferenz
Dialogischer Sprachgebrauch 2:
Identitätskonstruktion in der interpersonalen Kommunikation
Helsinki / Finnland, 19. – 21. August 2009
EINLADUNG
Neuphilologischer Verein Helsinki
mit
Mary Bucholtz (University of California, Santa Barbara, USA)
Patrick Charaudeau (Université Paris-Nord – Paris XIII, Frankreich)
Gabriele Diewald (Leibniz Universität Hannover, Deutschland)
Reinhard Fiehler (Institut für Deutsche Sprache, Mannheim, Deutschland)
Helen Spencer-Oatey (University of Warwick, Großbritannien)
Véronique Traverso (Université Lumière – Lyon II, Frankreich)
Identität ist ein breiter, komplexer und wachsende Aufmerksamkeit findender Gegenstand in einer Reihe von Fachgebieten wie der Soziolinguistik, Pragmatik, Diskursanalyse, linguistischen Anthropologie sowie der Spracherwerbs- und -vermittlungsforschung, in denen Identität vor allem als soziales Phänomen betrachtet wird. Das
Symposium zum dialogischen Sprachgebrauch 2 soll unser Verständnis von der
Komplexität der Identität erweitern, indem es Forscher verschiedener theoretischer
und methodologischer Richtungen zusammenführt und Schnittstellen zwischen makro- und mikroanalytischen Ansätzen, zwischen quantitativen und qualitativen Methoden, zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, zwischen einer synchronen und einer diachronen Perspektive hervorbringt. Der Schwerpunkt der Konferenz liegt auf der Beschreibung des Englischen, des Deutschen und der romanischen Sprachen.
Für weitere Informationen vgl. die Konferenz-Homepage unter:
http://www.helsinki.fi/dialog2
Wenn Sie einen Vortrag halten möchten, senden Sie bitte bis spätestens 5. Januar
2009 einen Abstract im Umfang von max. 300 Wörtern (einschließlich Literaturangaben) im rtf-Format als Anhang einer E-Mail an die Adresse [email protected].
Geben Sie im Abstract bitte auch Ihren Namen, Ihre Wirkungsstätte und Ihre E-MailAdresse an. Über die Annahme Ihres Vortragsangebots werden wir Sie bis Anfang
Februar 2009 per E Mail informieren.
Organisationskomitee:
Minna Palander-Collin, Minna Nevala, Päivi Sihvonen, Mari Lehtinen, Marjo Vesalainen und Hartmut Lenk
Wissenschaftlicher Beirat:
Anne-Claude Berthoud (Université de Lausanne)
Jonathan Culpeper (Lancaster University)
127
Helmut Glück (Otto Friedrich Universität Bamberg)
Juhani Härmä (Université de Helsinki)
Jarmo Korhonen (Universität Helsinki)
Merja Kytö (Uppsala University)
Mari Lehtinen (Université de Helsinki)
Hartmut Lenk (Universität Helsinki)
Minna Nevala (University of Helsinki)
Terttu Nevalainen (University of Helsinki)
Minna Palander-Collin (University of Helsinki)
Laurence Rosier (Université Libre de Bruxelles)
Päivi Sihvonen (Université de Helsinki)
Horst Simon (King’s College London)
Marjo Vesalainen (Universität Helsinki)
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
[email protected] (Deutsch)
[email protected] (Englisch)
[email protected] (Romanische Sprachen)
128
Internationale Konferenz
Text und Stil
Rzeszów / Polen, 15. – 17. Oktober 2009
EINLADUNG
Institut für Germanistik an der Universität Rzeszów (Uniwersytet Rzeszowski)
Mit der Tagung sollen vor allem folgende Themenkreise angesprochen werden:
1. Theoretische Erörterungen über das Verhältnis von Text und Stil
2. Praktische Textanalysen zur Kennzeichnung von Textexemplaren einer bestimmten Textsorte
3. Praktische Analysen zum Stil bestimmter Textsorten-Exemplare
4. Problemkreis von ,Muster‘ und Stil
5. Überlegungen zur Text- und Stilklassifikation
Neben den Sektionsvorträgen sind auch einige Plenarvorträge geplant, für die anerkannte Textlinguisten und Stilforscher gewonnen werden sollen.
Eine Veröffentlichung der gehaltenen Vorträge ist geplant.
Wir möchten Sie bitten, uns Ihr Interesse an der Konferenz bis Ende September
2008 elektronisch an die folgende Adresse:
[email protected]
mitzuteilen. Wir würden uns freuen, wenn Sie diese Einladung auch im weiteren Kollegen-Kreis bekannt machen würden.
Im November 2008 wird ein zweites Rundschreiben an die gemeldeten TeilnehmerInnen versandt. Diesem Rundschreiben werden genauere Informationen zum Tagungsprogramm, zu den Tagungsgebühren, Anfahrtshinweise u.a.m. zu entnehmen
sein.
Im Namen des Organisationsausschusses
Prof. Dr. habil. Zdzisław Wawrzyniak / Dr. habil. Zofia Bilut-Homplewicz
129
3. Internationales Kolloquium ‚Kontrastive Medienlinguistik‘
Innovation – Spiel – Kreativität
Pressetextsorten jenseits der ‚News‘
Medienlinguistische Perspektiven
Salzburg / Österreich, 5. – 7. März 2010
EINLADUNG
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
nach den beiden erfolgreichen medienlinguistischen Tagungen in Helsinki und Landau soll die Reihe der Kolloquia zur ‚Kontrastiven Medienlinguistik‘ nun in Salzburg
fortgesetzt werden. Damit deutet sich eine Konsolidierung der eingeschlagenen Forschungsrichtung, ja vielleicht sogar eine gewisse Institutionalisierung der losen Gruppierung von Interessenten an.
In jedem Falle freut es uns, die Organisatoren, Ihnen das dritte Internationale Medienlinguistische Kolloquium in Salzburg für den 5. – 7. März 2010 ankündigen zu dürfen. Die Ausrichtung haben die Fachbereiche Anglistik und Romanistik der Universität Salzburg übernommen. Wenn bis 2010 auch noch viel Zeit ist, laden wir Sie dennoch jetzt schon ganz herzlich zu dieser Veranstaltung ein. Einer regen Teilnahme
und einem breiten Spektrum interessanter Beiträge sehen wir bereits jetzt mit Spannung und Freude entgegen.
Gegenüber den Tagungsvorgängern in Helsinki 2004 und Landau 2007 haben wir
uns bemüht, die inhaltliche Orientierung eng und fokussiert zu halten und dennoch
ein genügend breites Feld für unterschiedliche Forschungsinteressen und -ansätze
zu öffnen (siehe beiliegenden Ausschreibungstext). In Salzburg werden 2010 die
meinungsbetonten, spielerisch-kreativen und unterhaltungsorientierten Pressetextsorten jenseits des Nachrichtengeschäfts das Untersuchungsobjekt darstellen. Damit
liegt der mediale Schwerpunkt auf dem gedruckten Text in Zeitung und Zeitschrift –
medienkontrastive Vergleiche sind aber durchaus auch wünschenswert. Willkommen
sind ebenso wieder Untersuchungen an Texten verschiedener Kommunikationskulturen und Sprachen – allerdings sollen die Vorträge in Deutsch oder Englisch präsentiert und publiziert werden.
Methodisch kommen text- und rezeptionsanalytische, medienethnographische, kulturkontrastive und medien- wie texthistoriographische Blickwinkel in Frage. Das Ziel
der Tagung besteht darin, das Potenzial und den Spielraum für sprachlich-kommunikative Kreativität, Innovation und Individualität systematisch auszuloten und dabei
Norm- und Konventionsferne sowie Grenzüberschreitungen und Hybridität der Formen, Inhalte und Stile in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Dabei interessieren uns Textstruktur (thematisch, sprachhandlungstechnisch), Formulierungsmuster, stilistisch-rhetorische Techniken und Aspekte der visuellen und materiellen
Gestaltung der Texte gleichermaßen.
Die weitere Organisation des Kolloquiums wird durch eine Website unterstützt:
130
(www.unisalzburg.at/portal/page?_pageid=425,739364&_dad=portal&_schema=PORTAL).
Dort werden dann zu gegebener Zeit auch die eingeschickten Abstracts der geplanten Vorträge aufliegen. Zuvor planen wir eine Übersicht der auf den beiden vorausgegangenen Tagungen gehaltenen Vorträge zur Orientierung für potenzielle Referentinnen und Referenten.
Einen ersten ‚call for papers’ wird es im Herbst 2008 geben. Voraussichtlich wird die
Vortragsdauer auf 30 min. festgelegt sein. Bei regem Interesse und geeigneten Beiträgen werden wir versuchen, ein möglichst reichhaltiges Programm anbieten zu können, indem parallele Sektionen organisiert werden.
In diesem ersten Rundbrief können wir vorab auch mitteilen, dass wir uns um entsprechende Förderung der Tagung bemühen werden, um einen eventuell erforderlichen Tagungsbeitrag klein halten zu können. Geplant sind ein bis zwei Plenarvorträge, ein gemeinsames Essen sowie auch – nach Möglichkeit – ein Konzertbesuch.
Auch beabsichtigen wir, die Beiträge des Kolloquiums in der Reihe ‚sprache im kontext’ beim Peter Lang-Verlag zu publizieren.
Organisatorische Hinweise bezüglich Hotels, Tagungsräumlichkeiten, Anfahrt etc.
werden wir in einem der nächsten Rundbriefe geben. Ebenso werden die Webseiten
schrittweise um relevante Informationen ergänzt werden.
Dieses erste Rundmail ergeht an alle bisherigen Referenten, Teilnehmer und Interessenten der Kolloquiumsreihe in der Hoffnung, Sie auch für die dritte Tagung gewinnen zu können. Bitte geben Sie die Informationen – insbesondere das beiliegende Exposé der geplanten Salzburger Tagung – aber gerne an interessierte Kollegen
weiter. Mit Vergnügen erweitern wir den Kreis der Medienlinguisten und ergänzen
unseren Mailverteiler dann entsprechend.
Wir sehen der Salzburger Tagung bereits heute mit Spannung entgegen und würden
uns freuen, Sie hier bei uns als Referentin/Referent oder Teilnehmerin / Teilnehmer
begrüßen zu dürfen
Mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen
Hartmut Stöckl / Gudrun Held
(Universität Salzburg, Fachbereiche Anglistik und Romanistik)
131
Exposé des Kolloquiums
Innovation – Spiel – Kreativität. Pressetextsorten jenseits der
‚News’. Medienlinguistische Perspektiven
Internationales Kolloquium
Universität Salzburg (Fachbereiche Anglistik / Romanistik), 5.–7. März 2010
1.
Ausgangsüberlegungen
Zwar ist die Presse als massenmediale Ressource unterschiedlichster Texte immer
noch Quelle nüchterner, faktisch-objektiver Informationen über nachrichtenrelevante
Ereignisse und Sachverhalte. Doch infolge des medial bedingten Aktualitätsverlusts
und unter dem Druck konkurrierender Medien (TV, Radio, Internet) haben die klassischen Textsorten wie Meldung, Nachricht oder Bericht längst an Bedeutung verloren.
Da die Zeitungen/Zeitschriften die Aufgabe übernommen haben, aktuelle Nachrichten zu erklären und durch entsprechende Hintergrundinformationen zu vertiefen, rücken die meinungsbetonten Textsorten wie Kommentar, Glosse, Reportage und Story stärker in den Vordergrund des modernen Printjournalismus. Auch avancieren Zeitungen im Zuge einer stärkeren Unterhaltungsfunktion und der klaren Bindung sozialer Großgruppen an die jeweiligen Blätter mehr und mehr zu Sammlungen feuilletonistischer Texte. Deren Nachrichtenwert ist gering, sie setzen auf bestimmte „weiche“
Themen aus Kultur, Bildung, ‘Society’, Wissenschaft etc. Und sie bemühen sich vor
allem um eine sprachliche und semiotische Gestaltung, die den jeweiligen Blattstil
unter dem Druck intermedialer Konkurrenz entsprechend zu prägen im Stande ist.
Dabei geht es im Unterschied zu den klassischen Nachrichtentexten nicht um eine
normative Durchführung der Textsorten, sondern um ein möglichst hohes Maß an
Originalität, Kreativität und Spektakularität im Umgang mit Formulierung und Textaufbau. Auch setzen Zeitungen/Zeitschriften in immer stärkerem Maße auf visuell
konfigurierte Textmuster. So beginnen sie in Layout, Typographie und Bildverwendung bestimmte Muster zu etablieren, die in Abhängigkeit von der thematischen und
sozialen Spezifik des jeweiligen Zeitschriftentitels verschiedene Funktion erfüllen,
z.B. effektive Orientierung, Aufmerksamkeitslenkung und Informationsaufnahme oder
auch sozialer Kontakt und Geschmacksbildung.
Obwohl hauptsächlich mit Pressetexten befasst, hat sich die sich etablierende Medienlinguistik mit den meinungsbetonten, feuilletonistischen und spielerisch-kreativen
Textsorten bisher wenig auseinandergesetzt. Die Tagung wendet sich daher diesen
Texten zu und stellt somit journalistische Individualität, Kreativität, Norm- und Konventionsferne sowie Grenzüberschreitungen und Hybridität der Formen, Inhalte und
Stile in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Diese Wesenseigenschaften sollen auf
sprachliche Formulierung, textuelle Inszenierung, inhaltliche Darstellung und materielle Gestaltung (Formate, Layout, Typographie, Bildverwendung) bezogen werden.
2.
Gegenstände der Analyse
Als Gegenstände theoretischer Reflexion und praktischer Analyse kommen unter anderen die folgenden Zeitungs- und Zeitschriftentextsorten in Frage:
1) Kommentare & Glossen: Hier sind vor allem die Variabilität der Muster und Typen
sowie die Umsetzung der zugrunde liegenden Sprachhandlungsfunktion des Bewertens interessant.
132
2) Kolumnen: Als kleine innovative Textformen werfen Kolumnen vor allem die Frage
auf, wie der serielle Charakter zustande kommt und mit welchen stilistischen Mitteln
die Individualität und „Unverwechselbarkeit“ der Texte inszeniert wird.
3) Rezensionen (‚reviews’): Diese explizit bewertenden Texte sind interessant, weil in
Abhängigkeit vom Bewertungsgegenstand (Buch, CD, Konzert, Film etc.) unterschiedliche Muster des Beschreibens und Kritisierens/Lobens zum Einsatz kommen
dürften.
4) Essays: Hier wäre etwa zu fragen, inwiefern Schreibstrategien und Muster literarischer Texte Anwendung finden und ob Aussagen über eine Typologie des Zeitungsbzw. Zeitschriftenessays möglich sind.
5) Szenisch gestaltete, stark subjektiv gefärbte Texte: Hierzu zählen z.B. Reportagen
und ‘Stories’, die sprachliche Gestaltungsmittel verwenden, welche Authentizität und
Nähe zum berichteten Geschehen erzeugen und subjektives Miterleben durch szenische Schilderung der Ereignisse gewährleisten wollen.
6) Stark personalisierte oder personenbezogene Textsorten: Texte wie Portraits, ‘Society’-Seiten und ähnliche weisen inzwischen in sprachlichen wie in bildlichen Darstellungsverfahren eigene Präsentations- und „Manipulationsformen“ auf, die systematisch herausgearbeitet werden könnten.
7) Kontakttextsorten: Dazu zählen u.a. ‘Covers’ und ‘Front Pages’‚ Inhaltsverzeichnisse, Programmteile etc. bei denen es vor allem um Leserwerbung und Leserführung sowie das Erwecken von Neugier und das Aufbauen von Spannung geht. Dabei
haben sich entsprechende journalistische Attraktionsmittel entwickelt, die inzwischen
für ein globales Infotainment repräsentativ sind.
8) Stark visuelle geprägte Texte: Fotoreportagen und -strecken aber auch andere visuell strukturierte Texte sind interessant, weil sich Fragen nach ihrer semantischen
Organisationsstruktur, ihrem Aussagegehalt sowie nach ihren Gestaltungsprinzipien
(Format, Layout, Typographie) stellen. Insbesondere spielen auch die Verbindungsmuster von Sprache und Bild eine wichtige Rolle.
9) Leserbriefe: Diese und ähnliche interaktive Textsorten lassen sich unter anderem
bezüglich der Schreibstile, mit Blick auf Verfahren der Herstellung bzw. Simulation
von Öffentlichkeit oder Lesergemeinschaft sowie in Bezug auf Strategien der redaktionellen Bearbeitung untersuchen.
10) Neu entstehende Textsorten: Im Sinne einer Historiographie der Zeitung / Zeitschrift wäre interessant, welche neuen Textformen sich in jüngerer Zeit etabliert haben. Auf Entwicklungslinien und Textverwandtschaften wäre hier insbesondere zu
achten.
3.
Herangehensweisen
Die Tagung möchte Methodenvielfalt propagieren. Gerade im Pluralismus möglicher
Ansätze zeigt sich das breite Einsatzfeld medienlinguistischen Arbeitens. Einzelne
Ansätze lassen sich mitunter auch vorteilhaft kombinieren und ergänzen sich dann
sinnvoll. Größere methodische Schulen geben dabei einen gewissen orientierenden
Rahmen vor.
1) Textanalyse: Mittels linguistischer, stilistischer und semiotischer Instrumentarien
lassen sich die journalistischen Produkte untersuchen. Kleinere Korpora ausgewählter Textsorten wie auch repräsentative Einzelexemplare bilden hier eine gute Grundlage für Aussagen zur Textgestaltung.
133
2) Medienethnographie: Untersuchen lässt sich auch der Produktionsaspekt der jeweiligen Texte, indem Schreibprozesse, Kontext und schreiberisches Umfeld sowie
Schreiberpersönlichkeiten und deren Einstellungen thematisiert werden.
3) Rezeptionsanalyse: Als Gegenpol der Produktion können auch Rezeption und
Verstehen bestimmter journalistischer Textsorten untersucht werden. Auch wenn
Textwirkungsforschung notorisch schwierig ist, liefert sie doch gerade ein entscheidendes Puzzlestück in der ganzheitlichen Erforschung von Medientextsorten.
4) Kultur- und medienkontrastive Studien: Interessant sind schließlich jene Studien,
die textsortentypische Muster, Formulierungsstrategien und andere Textgestaltungsmittel in ihrer Variabilität von Kultur zu Kultur (bezogen auf nationale, soziale, institutionelle Kulturen) bzw. von Medium zu Medium (z.B. Print vs. Radio oder TV oder Internet) vergleichen.
4.
Zielorientierung
Bei einem breiten Spektrum an möglichen Zeitungs- und Zeitschriftentextsorten und
vielfältiger methodischer Zugänge hat die Tagung ein klar abgegrenztes Ziel: Wir
wollen skizzieren, wie der kreative Spielraum beschaffen ist, in dem sich die Schreiber solcher Texte bewegen, die jenseits des stark normativen Nachrichtentextgeschäfts liegen. Dabei interessieren uns Textstruktur (thematisch, sprachhandlungstechnisch), Formulierungsmuster, stilistisch-rhetorische Techniken und Aspekte der
visuellen und materiellen Gestaltung der Texte gleichermaßen. Weiter reichende
Fragen betreffen die bereits angesprochenen Entwicklungstrends:
Wie stark ist das unterhaltende Moment in Zeitschrift / Zeitung und wie wird es umgesetzt?
Welche Blatt bindenden Effekte gehen von den untersuchten Textsorten und ihren
Gestaltungsstilen aus? Wodurch erreichen einzelne Presseerzeugnisse Medienprägnanz und grenzen sich von anderen ab?
Und: Wie groß sind Potenzial und Spielraum für textuelle Kreativität, Innovation und
Individualität?
Schließlich ist auch die kulturelle Variabilität der vorgeschlagenen Textsorten von
Bedeutung. Stark verallgemeinert könnte man zusammenfassend fragen: Wie wirkt
der Funktionswandel der Presse auf die Textsortengestaltung zurück und welche
Konvergenzen und Unterschiede bestehen zwischen Zeitschriften und Zeitungen mit
Blick auf eine mögliche „Feuilletonisierung“ und eine Entwicklung hin zu Infotainment,
Boulevard und Televisierung? Mit den möglichen Antworten auf diese Fragen möchte
die Tagung einen wichtigen Baustein zur theoretischen und methodischen Konsolidierung der Medienlinguistik liefern.
Univ.-Prof. Dr. Hartmut Stöckl
Universität Salzburg,
Fachbereich Anglistik
+43 662 8044 4401
Akademiestraße 24/Büro n° 109
+43 662 8044 167
A-5010 SALZBURG
[email protected]
AO. Univ.-Prof. Dr. Gudrun Bachleitner-Held
Universität Salzburg
Fachbereich Romanistik
+43 662 8044 4456
Akademiestraße 24/Büro n° 163
+43 662 8044 4457
A – 5010 SALZBURG
[email protected]
134
Manfred Overmann
Histoire et abécédaire pédagogique du
Québec avec des modules multimédia prêts
à l’emploi
Préface par Ingo Kolboom
Schriftenreihe Romanische Sprachen und ihre Didaktik,
herausgegeben von Michael Frings und Andre Klump
Band 22
ca. 530 Seiten, Erscheinungstermin März 2009
Ausgabe als Paperback: 978-3-89821-966-2, € 49,90
Ausgabe als Hardcover: 978-3-89821-968-6, € 69,90
Notre objectif est de mettre à la disposition des professeurs de français langue étrangère et
tous les internautes francophones amoureux de la Belle Province des matériaux didactiques
prêts à l’emploi sous forme d’un scénario d’apprentissage multimédia et de dossiers pédagogiques téléchargeables. Le livre ne sert que d’introduction en jetant un regard documenté et
didactisé sur l’évolution historique du Québec afin de familiariser le lecteur avec les grands
événements historiques de la Nouvelle-France, de lui présenter un abécédaire de la civilisation québécoise et un grand éventail d’activités pédagogiques à exploiter en classe. Il est le
port de départ d’où embarquera le lecteur pour trouver sa voie navigable vers la NouvelleFrance et les trésors qui y sont cachés. Afin de profiter pleinement de la semence du livre il
s’agira d’aller récolter les fleurs qui éclosent sur le site internet adjoint, protéiforme et constructiviste, auquel vous pouvez aussi ajouter votre perle précieuse afin de venir habiter ce
pays de la québécitude.
Site multimédia: http://www.ph-ludwigsburg.de/html/2b-frnz-s-01/overmann/baf4/quebec/index.html
oder: Google - Overmann Québec
Présentation audio du projet: http://www.ph-ludwigsburg.de/html/2b-frnz-s-01/overmann/OvermannFIPF-livre.mp3
Sommaire du livre: http://www.ph-ludwigsburg.de/html/2b-frnz-s01/overmann/baf4/quebec/livresommaire2009.doc
Extraits: http://www.ph-ludwigsburg.de/html/2b-frnz-s-01/overmann/baf4/quebec/heftchen.doc
Courriel de l’auteur: [email protected]
Vorbestellungen unter
www.ibidem-verlag.de/buecher/9783898219686.htm
oder als formlose e-mail an: [email protected]
ibidem-Verlag
Julius-Leber-Weg 11, 30457 Hannover
Tel.: 0511/2622200, Fax: 0511/2622201
[email protected], www.ibidem-verlag.de
Shop: www.ibidem.eu
135
Sommaire
Chapitre 1
Histoire du Québec; 1.1. La légende d’un peuple (poème de Louis Fréchette); 1.2. Les
Amérindiens, 1.2.1. Chloé Sainte-Marie: Mishapan Nitassinan (chanson); 1.2.2. Samian et
Loco Locass: La Paix des Braves (chanson); 2. L’implantation française (1500-1763); 2.1. Le
XVIe siècle: Les premières tentatives (I) Début de l’exploration française (1524-1607); 2.1.1.
Fréchette: La légende d’un peuple – première époque (poème); 2.2. Le XVIIe siècle – Ancrages (II) La Nouvelle-France (1608-1663) Samuel de Champlain et la fondation de Québec; 2.2.1. La famille Hébert; 2.2.2. La compagnie des Cent-Associés et les frères Kirke
(1627, 1629-1632); 2.2.3. La fondation de Montréal (1642); 2.3. (III) Assises 1663-1700 Arrivée de Jean Talon et les « filles du roy »; 2.4. Le XVIIIe siècle (IV) Expansions et premiers
échecs (1700-1750) Signature du traité d’Utrecht (1713); 2.5. (V) La fin de la Nouvelle
France (1750-1763); 2.5.1. Déportation des Acadiens; 2.5.2. Angèle Arsenault: Grand Pré
(chanson); 2.5.3. Début de la guerre de Sept Ans (1756); 2.5.4. Siège de Québec et capitulation (1759/ 1760); 2.5.5. La voix d’un exilé / Légende d’un peuple (poèmes de Louis Fréchette); 2.5.6. Traité de Paris (1763); 2.5.7. Frise chronologique: 1534 – 1760 – 1867; 3. La
domination anglaise et la création de la confédération canadienne (1763-1867); 3.1. Frise
chronologique: 1760 – 1867; 3.2. La proclamation royale de (1763); 3.3. L’Acte de Québec
(1774); 3.4. L’Acte constitutionnel (1791); 3.5. La rébellion des Patriotes (1837-1838); 3.6.
Extraits du rapport Durham (1838); 3.7. L’Acte d’Union (1840); 3.8. L’Acte de l’Amérique du
Nord britannique (Loi constitutionnelle de 1867); 3.9. Félix Leclerc: Le chant d’un patriote
(chanson); 4. Le XXe siècle; 4.1. La grande dépression et la Deuxième Guerre Mondiale
(1929-1945); 4.1.1. Le Québec dans la tourmente (poème d’Emile Coderre); 4.2. Les années
Duplessis et la « grande noirceur » (1945-1960); 4.3. Révolution tranquille et nationalisme
(1960-1975); 4.3.1. La Chicane: La brande bataille (chanson); 4.4. Les lois linguistiques et
les deux référendums (1976-1995); 4.4.1. Pauline Julien: Mommy (chanson); 4.5. Développements actuels; 4.5.1. Les cowboys fringants: En berne (chanson); Mes Aïeux: Dégénération (chanson)
Chapitre 2
Le cadre géographique du Québec; 5. Cartes; 5.1. Le territoire et les frontières du Québec;
5.2. Le Québec - un pays d’eau; 5.3. La population; 5.4. Le paysage et les ressources naturelles; 5.5. Le climat; 5.6. La faune; 5.7. Cartes d’identité comparées
Chapitre 3
Abécédaire; 6.A. Acadie / Acadiens, La quête des racines, Amérindiens, Autochtones, Histoire de l’Acadie, Anthologie de la poésie Québécoise, Acadie (Présentation PowerPoint);
6.B. Belle Province, Brunswick (Nouveau), Bûcheron, Bain de neige, Bleuet; 6.C. Canada
(Hymne), Cabane, Ma Cabane au Canada (chanson de Line Renaud,) Cajuns, Cœur de cajuns (chanson d’Edith Butler), Cartier, Castor, Champlain (Samuel de), Champlain (Hélène),
Chanson québécoise, Coureurs des bois et trappeurs, Castor, Canot, Caribou Chanson des
coureurs des, Constitution, Cyberenquête; 6.D. Dérangement (le grand), Défricheur, Déménagement, Drave, Drapeau québécois, Dollard des Ormeaux, Denier, La déportation des
Acadiens; 6.E. Ecole / Enseignement, Cours sur le système scolaire, Présentation PowerPoint, Erable, Eté indien, Expressions québécoises, Eté des Indiens, Sirop d’érable; 6.F. Fêtes, Fourrure, La traite de fourrures, Forêt (poème de Louis Fréchette), Cours de compréhension orale sur le front de libération du Québec; 6.G. Grand Nord, Gaspésie, Les gens de
mon pays (chanson de Gilles Vigneault), L’agacepésie (chanson des Cowboys fringants);
6.H. Habitant, Hiver, Hiver au XVIIe siècle, Cours sur le sport d’hiver au Québec, Hochelaga,
Hockey, Histoire constitutionnelle; 6.I. Indien, Amérindiens et Blancs, Les guerres iroquoises,
Les indiens en quête d’avenir, Immigration, Au Québec les immigrants font la différence, Le
goût de l’indépendance, Indiens en quête d’avenir; 6.J. Joual, Je me souviens, Janvier
136
(poème de Louis Fréchette), Les jésuites; 6.K. Kana-ta, Kayak; 6.L. Langue québécoise, La
loi 101, (chanson de Félix Leclerc), Schizophrénie linguistique (chanson de Jean Arceneaux), Louisiane (chanson de Zarchary Richard), Cours sur la Louisiane, L’émergence de
la langue française au Canada, La Louisiane à la reconquête du français, L’avenir du français au Québec, Cours sur la langue française au Canada; 6.M. Le maïs – le blé d’Inde,
Montréal, Jeanne Mance, Maringouins (chanson de La Bolduc) Multiethnicité, Mets traditionnels, Chomedey de Maisonneuve, Le Maronnier et l’érable, Gaston Miron – Œuvres poétiques; 6.N. Nouvelle-France, Quelques arpents de neige, Neige; 6.O. Ottawa, Oh ! Petits enfants (chanson de Michel Rivard); 6.P. Poutine, Pêche blanche, Pelletier et fourreur, Produits
et spécialités du Québec, Pionnier, Parcs et lacs, La parlure québécoise; 6.Q. Québec, Québécois pure laine, Cours de compréhension orale sur le Québec (Bayern-Radio), Québec:
les lois d’une longue reconquête, Le Québec 1534-1608-1763-1995 – France Inter, Québec
berceau de l’Amérique française, Québec – mon Amour, A la découverte du Québec (Présentation PowerPoint); 6.R. Référendum, Régime seigneurial, Révolution tranquille, Raquetteur, Radio francophone au Canada; 6.S. Saint-Laurent, (Le temps des) sucres, La cabane à
sucre (chanson d’Albert Lamieu), Cour sur la signalisation routière, Ode au Saint-Laurent
(poème de Gatien Lapointe), Le savon du pays, Seigneurie, Saint-Jean-Baptiste, L’option
souverainiste en panne, Speak white (chanson de Michèle Lalonde – avec la didactisation);
6.T. Trappeur, (La route) Transtaïga, La tourtière, Les Traditions et coutumes du Québec,
Cours sur la Francophonie à Terre-Neuve; 6.U. Les Ursulines et Marie Guyart de
l’Incarnation; 6.V. Ville-Marie en 1688 (Les cabarets de), Vive le Québec libre, Voyageurs,
Verchères, (Madeleine de), Vive le Québec trilingue, Vidéo sur le Québec; 6.W. Wolfe (le
général), Wapiti; 6.X. Xénophobie; 6.Y. Y avoir du monde à la messe, Y fait fret; 6.Z. Zamboni; 6.1. Mon abécédaire
Chapitre 4
Modules prêts à l’emploi; 7. Littérature; 7.1. Monique Proulx – Oui or No; 7.2. Jacques
Godbout – Les Têtes à Papineau; 7.3. Complainte d’un maudit Français; 7.4. Andrée-Paule
Mignot: Lygaya à Québec; 7.5. Honoré Beaugrand – La chasse galerie; 7.6. Denise Bombardier – Une enfance à l’eau bénite; 7.7. Michel Tremblay – La grosse femme d’à côté est
enceinte; 7.8. Louis Hémon - Maria Chapdelaine; 7.9. Antoine Gérin-Lajoie – Jean Rivard, le
défricheur; 8. Poésie; 8.1. Anthologie de la poésie indépendantiste et souverainiste; 8.2.
Gaston Miron – Œuvres poétiques; 8.3. Michèle Lalonde – Speak White; 8.4. Albert Lozeau
– La langue chère; 8.5. Louis Fréchette – Le Saint-Laurent; 8.6. David Poulin-Litvak - Parle
français; 8.7. Antoine Gérin-Lajoie – Complainte du Canadien errant; 9. Chansons; 9.1. Anthologie de la poésie nord-américaine; 9.2. Michel Rivard: Le cœur de ma vie; 9.3. Gilles Vigneault: Mon pays; 9.4. Gilles Vigneault: Il me reste un pays; 9.5. Félix Leclerc: L’alouette en
colère; 9.6. Lynda Lemay: Les maudits français; 9.7. Lynda Lemay: Un matin sans café; 9.8.
Robert Charlebois: Cartier; 9.9. Robert Charlebois: L’indépendantriste; 9.10. French B.: Je
m’en souviens; 9.11. Vilain Pingouin: Je me souviens; 9.12. Yves Duteil: La langue de chez
nous; 9.13. Faudel: Mon pays; 9.14. Danny Boudreau – Tant d’histoires Paroles de la chanson officielle du 400e anniversaire de Québec
137
LANDAUER
SCHRIFTEN ZUR
KOMMUNIKATIONS- UND
KULTURWISSENSCHAFT
Herausgegeben von Gerhard Fieguth / Jan Hollm / Heinz-Helmut Lüger
Gerhard Fieguth (Hrsg.) (2003): Begegnungen mit Goethe. Band 1, 152 S., € 14,80
Hans H. Reich (Hrsg.) (2003): Zwischen Regionen. Grenzüberschreitende Beziehungen
am Beispiel des Oberrheins. Band 2, 176 S., € 14,80
Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (2003): Im Blickpunkt: das ELSASS. Band 3, 328 S., € 19,80
Heribert Rück (22008, 2004): Fremdsprachen in der Grundschule – Französisch und
Englisch. Band 4, 258 S., € 17,80
Stephan Merten / Inge Pohl (Hrsg.) (2005): Texte. Spielräume interpretativer Näherung.
Festschrift für Gerhard Fieguth. Band 5, 602 S., € 48,Cornelia Frenkel / Heinz-Helmut Lüger / Stefan Woltersdorff (Hrsg.) (2004):
Deutsche und französische Medien im Wandel. Band 6, 260 S., € 19,80
Françoise Hammer / Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.) (2005):
Entwicklungen und Innovationen in der Regionalpresse. Band 7, 334 S., € 19,80
Jacqueline Breugnot / Markus Molz (Hrsg.) (2006): Europa konkret! Grenzräume als
Chance für Bildungsinnovationen? Band 8, 274 S., € 19,80
Annette Kliewer (2005): Unterricht entgrenzen – Interregionale Ansätze in Pfalz und
Elsass. Band 9, 182 S., € 14,80
Michael Baum / Detlev Gohrbandt (Hrsg.) (2007): Wissenschaft der Fachdidaktik.
Literatur und Sprache im Vermittlungszusammenhang. Band 10, 228 S., € 22,80
Heinz-Helmut Lüger / Christine Bergdoll / Saphia Hamza: Un Tour de France. Approche
contrastive en dix étapes. Band 11 (in Vorb.)
Patrick Schäfer (2006): Textgestaltung zwischen Nähe und Distanz. Zum Sprachgebrauch
der deutschen und französischen Regionalpresse. Band 12, 236 S., € 19,80
Hans W. Giessen / Heinz-Helmut Lüger / Günther Volz (Hrsg.) (2007):
Michel Bréal – Grenzüberschreitende Signaturen. Band 13, 412 S., € 29,90
Michaela Sambanis (2007): Sprache aus Handeln. Englisch und Französisch in der
Grundschule. Band 14, 430 S., € 34,90
Heinz-Helmut Lüger / Hartmut E.H. Lenk (Hrsg.) (2008): Kontrastive Medienlinguistik. Band
15, 460 S., € 34,90
Götz Schwab: Gesprächsanalyse und Fremdsprachenunterricht. Band 16 (in Vorb.)
ab 2007:
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: 06341-906-180
[email protected]
Cornichonstraße 7
D-76829 Landau
Tel.: 06341 / 89408
[email protected]
138
LSKK, Band 12
230 S., € 19,80
Patrick Schäfer (2006)
Textgestaltung zwischen Nähe und Distanz
Zum Sprachgebrauch der deutschen und französischen Regionalpresse
Am Beispiel regionaler Tageszeitungen des Oberrheingebietes (DERNIÈRES NOUVELLES D’ALSACE,
L’ALSACE, DIE RHEINPFALZ, BADISCHE ZEITUNG) untersucht die vorliegende Arbeit sprachliche Mittel und
Verfahren, mit denen die deutsche und die französische Regionalpresse verschiedenartige Nähe-Bezüge herstellen und so die Berichterstattung für ihre Leser zusätzlich attraktiv machen kann. Die quantitative Auswertung eines deutsch-französischen Paralleltextkorpus erlaubt dabei Aussagen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Einsatz solcher Verfahren sowie eine Einordnung der untersuchten Zeitungen auf einem Kontinuum zwischen Nähe und Distanz.
Der Autor:
Patrick Schäfer, Studium von Romanistik und Germanistik an den Universitäten Mainz, Rennes und
Koblenz-Landau. Publikationen zur Medienlinguistik und Mediendidaktik.
Cornichonstraße 7
D-76829 Landau
Tel.: 06341 / 89408
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--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------An den
Knecht-Verlag, Cornichonstraße 7, D-76829 Landau
Tel.: 06341 / 89408; Fax: 06341 / 89450; [email protected]
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Schäfer (2006): Textgestaltung zwischen Nähe und Distanz
€ 19,80 (zzgl. Versandkosten)
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139
LSKK, Band 13
412 Seiten, € 29,90
Hans W. Giessen / Heinz-Helmut Lüger / Günther Volz (Hrsg.) (2007)
Michel Bréal – Grenzüberschreitende Signaturen
Michel Bréal wurde 1832 in Landau geboren. Sein Leben wäre der Stoff für einen deutsch-französischen Bildungsroman des 19. Jahrhunderts gewesen. Von Landau aus gelingt ihm eine außergewöhnliche Karriere und der Aufstieg in die höchsten Kreise der Weltstadt Paris. Bréal gilt als einer der
bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit; er studierte in Paris und Berlin, erwirbt Kenntnisse in den
verschiedensten indoeuropäischen Sprachen, wird Professor für Vergleichende Grammatik, zunächst
am Collège de France, dann auch an der École Pratique des Hautes Études, er erhält die Ehrendoktor-Würde der Universitäten Zürich und Bologna und wird Mitglied des renommierten Institut de France.
Der vorliegende Band versucht, einen Überblick über das wissenschaftliche, pädagogische und politische Wirken Bréals zu geben und zur weiteren Beschäftigung mit seinem Werk anzuregen.
Die Herausgeber:
Hans W. Giessen, Privat-Dozent an der Universität des Saarlandes.
Heinz-Helmut Lüger, Professor für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau.
Günther Volz, Oberstudienrat i.R., Bad Bergzabern.
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
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Giessen / Lüger / Volz (2007): Michel Bréal
€ 29,80
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140
LSKK, Band 14
430 Seiten, € 34,90
Michaela Sambanis (2007)
Sprache aus Handeln – Englisch und Französisch in der Grundschule
Das Buch ist das Ergebnis eines wissenschaftlichen und empirischen Forschungsprojektes, dessen
wesentliches Ziel darin bestand, die Entwicklung zielsprachlicher Sprechhandlungsfähigkeit von Grundschülern im Fremdsprachenunterricht Englisch und Französisch zu verbessern. Auf der Basis wissenschaftlicher Recherchen und unterrichtspraktischer Erprobungen in einer jahrgangshomogenen und
einer jahrgangsübergreifenden Klasse wurden Erkenntnisse gewonnen, die die Konzeption eines innovativen Lehr- und Lernansatzes, des ko-aktiven Konzeptes, ermöglichten. Es stellt zugleich eine Weiterentwicklung und eine Alternative zu verstehensbasierten Ansätzen dar, misst der Lerngemeinschaft
wesentliche Bedeutung bei und wendet sich insbesondere dem Anfangsunterricht als einer entscheidenden Phase zu. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden schließlich, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Unterricht in der Zielsprache Englisch und in der Zielsprache Französisch
aufzeigen zu können, einander gegenübergestellt.
Die Verfasserin studierte die Fächer Französisch, Englisch, Deutsch und Philosophie (Lehramt), trat
1997 in den Schuldienst ein, promovierte 1999 und habilitierte sich 2006 an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe mit dem Forschungsprojekt Sprache aus Handeln.
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
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[email protected], www.vep-landau.de
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Sambanis (2007): Sprache aus Handeln
€ 34,90
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141
LSKK, Band 15
460 Seiten, € 34,90
Heinz-Helmut Lüger / Hartmut E. H. Lenk (Hrsg.) (2008)
Kontrastive Medienlinguistik
Medienlinguistik beschäftigt sich, so tautologisch das klingt, mit dem Sprachgebrauch in den Medien;
sie ist nicht eigentlich eine neue linguistische Teildisziplin, sondern bezeichnet ein (mehr oder weniger) neues Untersuchungsfeld im Rahmen einer pragmatisch ausgerichteten Sprachwissenschaft.
Medienlinguistik partizipiert insofern an Begriffen und Methoden, wie sie aus der Analyse sprachlichen
Handelns und kommunikativer Praxis hervorgegangen sind.
Die Beiträge des vorliegenden Bands gehen zurück auf eine internationale Fachkonferenz „Kontrastive Medienlinguistik“, die am 18./19. Mai 2007 in Landau/Pfalz stattfand; sie bieten Analysen zur Tages- und Zeitschriftenpresse und beleuchten Strategien der Werbung und der "neuen Medien".
Die Herausgeber:
Hartmut E. H. Lenk, Priv.-Doz. und Universitätslektor am Germanistischen Institut der Universität Helsinki.
Heinz-Helmut Lüger, Professor für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau.
Verlag Empirische Pädagogik
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-906-180, Fax: ++49-6341-906-166
[email protected], www.vep-landau.de
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Tel.: ++49-6341-906-180, Fax: ++49-6341-906-166, [email protected]
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Lüger / Lenk (2008): Kontrastive Medienlinguistik
€ 34,90
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142
Beiträge zur
Fremdsprachenvermittlung
Sonderhefte
1 / 1993:
Peter Auer / James Fearns: Türkische Alltagskonversationen (vergr.)
2 / 1995:
Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.): Gesprächsanalyse und Gesprächsschulung
(134 S., 6,- €)
3 / 1996:
Klaus Schenk: Phonetik und poetische Avantgarde – Ausspracheschulung
im DaF-Unterricht (120 S., 6,- €)
4 / 2001:
Martine Lorenz-Bourjot / Heinz-Helmut Lüger (Hrsg.): Phraseologie
und Phraseodidaktik (232 S., 29,80 €)
5 / 2002:
Jutta Verena Gilmozzi / Thomas Rist (Hrsg.): Medienkommunikation und
Mediendidaktik (192 S., 6,- €)
6 / 2004:
Andreas Ulrich: Linguistik-Puzzle DaF (74 S., 6,- €)
7 / 2004:
Heinz-Helmut Lüger / Rainer Rothenhäusler (Hrsg.): Linguistik für die
Fremdsprache Deutsch (284 S., 19,90 €)
8 / 2005:
Isabelle Mordellet-Roggenbuck: Phonétique du français – Théorie et
applications didactiques (128 S., 12,90 €)
9 / 2006:
Dirk Siepmann (Hrsg.): Wortschatz und Fremdsprachenlernen (272 S., 19,90 €)
10 / 2006:
Hartmut E. H. Lenk (Hrsg.): Finnland – vom unbekannten Partner zum
zum Vorbild Europas? (486 S., 29,90 €)
11 / 2007
Günter Schmale: Communications téléphoniques I : Conversations privées.
Un corpus de transcriptions (236 S., mit CD, 19,90 €)
12 / 2007:
Günter Schmale (Hrsg.): Communications téléphoniques II : Conversations
en contexte professionnel et institutionnel (208 S., mit CD, 19,19 €)
13 / 2008:
H.H. Lüger / Andrea Rössler (Hrsg.): Wozu Bildungsstandards? Zwischen Inputund Outputorientierung in der Fremdsprachenvermittlung (244 S., 17,90 €)
14 / 2009:
Patrick Schäfer (Hrsg.): E-Learning im Fremdsprachenunterricht (in Vorb.)
Institut für fremdsprachliche Philologien
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Marktstraße 40, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-146-102, Fax: ++49-6341-146-101, [email protected]
Verlag Empirische Pädagogik e.V.
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-906-180, Fax: ++49-6341-906-166, [email protected]
143
Lenk, Hartmut E. H. (Hrsg.):
Finnland – Vom unbekannten Partner
zum Vorbild Europas?
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 10 / 2006)
ISBN 3-937333-32-0, 486 S., 29,90 €
Landau: Verlag Empirische Pädagogik (www.vep-landau.de)
Seit Veröffentlichung der Ergebnisse der beiden PISA-Studien, bei denen Finnland in der
Gesamtrangliste jeweils Platz 1 belegte, ist
das Land in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gelangt. Zuvor wusste man in den
deutsch-sprachigen Ländern nur vergleichsweise wenig über den Partner im Nordosten
Europas.
Deutschland hingegen spielte für Finnland
schon seit Luthers Zeiten eine wichtige Rolle.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat Finnland eine
atemberaubende Entwicklung vom Agrarstaat zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft vollzogen, in der die Bildung eine
wichtige Rolle spielt.
27 Autorinnen und Autoren aus Finnland und
Deutschland gehen in diesem Band dem finnischen Erfolgsgeheimnis auf den Grund.
Neben den Beziehungen zu den deutschsprachigen Ländern stehen dabei das Schulwesen, der Deutschunterricht und die Germanistik, aber auch aktuelle Entwicklungen in der
finnischen Gesellschaft im Mittelpunkt. Ohne Frage stellt die deskriptive Linguistik für das
Fach Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache eine zentrale Bezugswissenschaft dar. Die
vorliegenden Beiträge versuchen, dies aus unterschiedlichen Perspektiven näher zu beleuchten und insbesondere den Nutzen für die Lösung häufiger Lehr- und Lernprobleme
aufzuzeigen.
Der Herausgeber:
Hartmut E. H. Lenk, Dr. phil., Priv.-Doz. am Germanistischen Institut der Universität Helsinki.
___________________________________________________________________
An den
Verlag Empirische Pädagogik, Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: 06341-906-177; Fax: 06341-906-166; [email protected]
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Lenk, H.E.H. (Hrsg.), Finnland
) Expl. von bzf-Sonderheft __ / _____
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144
Schmale, Günter:
Communications téléphoniques
Un corpus de transcriptions (mit CD)
I : Conversations privées
II : Conversations en contexte professionnel et institutionnel
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 11-12 / 2007)
236 + 208 Seiten, jeweils 19,90 €
Landau: Verlag Empirische Pädagogik (www.vep-landau.de)
Die vorliegenden Sonderhefte umfassen Transkriptionen 23 privater französischer Telefongespräche (Heft 11) sowie von 26 Gesprächen aus
dem Dienstleistungs- und weiteren 20 aus dem
institutionellen Bereich (Heft 12). Alle Aufnahmen
stehen auf beiliegenden CD-ROMs zur Verfügung. Die durchweg authentischen Konversationen bieten eine breite Palette vielfältiger Themen
und Beteiligungskonstellationen, dazu die unterschiedlichsten konversationellen Phänomene (Turnkonstruktion, Verstehensprobleme, Erzählungen,
Lachen usw.).
Die Korpora können deshalb sowohl für die romanistische Konversationsanalyse als auch für
eher im phonetisch-prosodischen, syntaktischen
oder semantischen Bereich angesiedelte Untersuchungen als Materialgrundlage dienen.
Insbesondere stellt das Korpus authentisches Material für die Herausarbeitung realistischer
Dialogmodelle (z.B. etwas bestellen, einen Termin vereinbaren, Auskünfte einholen) für
den Fremdsprachenunterricht zur Verfügung.
Der Herausgeber:
Günter Schmale ist Professor für Germanistik an der Universität Metz.
___________________________________________________________________
An den
Verlag Empirische Pädagogik, Bürgerstraße 23, D-76829 Landau
Tel.: 06341-906-177; Fax: 06341-906-166; [email protected]
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Schmale, G., Conversations téléphoniques II
) Expl. von bzf-Sonderheft __ / _____
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145
Heinz-Helmut Lüger / Andrea Rössler (Hrsg.):
Wozu Bildungsstandards?
Zwischen Input- und Outputorientierung in der Fremdsprachenvermittlung
(= Beiträge zur Fremdsprachenvermittlung, Sonderheft 13 / 2008)
ISBN 978-3-937333-96-0, ISSN 1861-3632
Die Bildungsstandards für die erste Fremdsprache haben seit ihrer Veröffentlichung 2003/04 zu beträchtlichen Umorientierungen
in der Fremdsprachenvermittlung geführt, sie gelten heute als
Auftakt für eine neue Ära, die mit dem Etikett „Standard- und
Kompetenzorientierung“ verbunden ist.
Aus dem Inhalt:
• Andrea Rössler / Heinz-Helmut Lüger: Zur Einführung
• Wolfgang Zydatiß: Kulturelle Inhalte, Mediation zwischen
Sprachsystem und Sprachhandeln, Kritikfähigkeit – auch im
Fremdsprachenunterricht
• Andrea Rössler: Standards ohne Stoff? Anmerkungen zum
Verschwinden bildungsrelevanter Inhalte aus den curricularen
Vorgaben
• Inez De Florio-Hansen: Wer hat Angst vor Bildungsstandards? Überlegungen zur Kompetenz-,
Aufgaben- und Inhaltsorientierung
• Krista Segermann: Output-Orientierung und Inhaltsmotivierung – ein integrativer unterrichtsmethodischer Lösungsansatz
• Stephan Breidbach: Fremdsprachliche Kompetenzen jenseits der Standardisierbarkeit
• Christiane Fäcke: Fiktionalität im Fremdsprachenunterricht, Kompetenzorientierung und Bildungsstandards: Widerspruch oder Ergänzung?
• Peter Jandok / Bernd Müller-Jacquier: Interkulturelle Kompetenzen im Fremdsprachenunterricht: Ein wissens- und strategiebezogenes Instrument zur Lehrwerkanalyse
• Uwe Dethloff: Bildungsstandards und Bologna-Prozess. Die Reform des Lehramtsstudiums
Französisch, Italienisch und Spanisch
• Heinz-Helmut Lüger: ,Integrierte Fremdsprachenarbeit‘ und Standards in der Lehrerbildung.
Widersprüchlichkeiten und Defizite
• Christoph Schneider / Rainer Bodensohn: Curriculare Standards der fremdsprachlichen Lehrerbildung in der Praxis – Empirische Erkenntnisse.
Die Herausgeber:
Andrea Rössler, Dr. phil., Lehrkraft für besondere Aufgaben an der FU Berlin
Heinz-Helmut Lüger, Professor für Romanistik an der Universität Koblenz-Landau
Verlag Empirische Pädagogik e.V.,
Bürgerstraße 23, D-76829 Landau / Pfalz
Telefon: ++49-6341-906-180, Telefax: ++49-6341-906-166
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.vep-landau.de
146
Beiträge zur
Fremdsprachenvermittlung
Heft 47 / 2008:
B. Lawrenz: Neurodidaktik des Wortschatzerwerbs – dargestellt am Beispiel englischer Präpositionen • A. Stork / S. Adamczak-Krysztofowicz: Welche Inhalte und Themen für den
Fremdsprachenunterricht an der Hochschule? • W. Weigl: Zu den Inhalten des L2-SyntaxUnterrichts am Gymnasium • I. Metzger: Integrationsprobleme junger Ghettobewohner im
Spiegel aktueller Rapmusiktexte • S. Foffi: Metaphorischer Sprachgebrauch in deutschen
und italienischen Tageszeitungen • H.E.H. Lenk: „… moniert die NEUE PRESSE“ – Verben
und Wendungen der Zitateinbettung in Presseschauen
Heft 46 / 2007:
A. Rössler: Standards ohne Stoff? Zum Verschwinden bildungsrelevanter Inhalte aus den
curricularen Vorgaben. • J. Große: Multilingualism or “English only“ in the European Union? •
K. Segermann: Formaneignung und Inhaltsmotivierung im Fremdsprachenunterricht. • D.
Siepmann: Wortschatz und Grammatik: zusammenbringen, was zusammengehört. • W.
Weigl: Syntaxerwerb im Französischunterricht des Gymnasiums. • T. Heimo: Vergleich von
deutsch- und finnischsprachigen Flyern im Bereich Tourismus. • P. Schäfer: Selbstgesteuertes Lernen mit dem Autorenprogramm HOT POTATOES.
Heft 45 / 2006:
G. Gesser: Was erwartet Lehramtsanwärter Französisch heute? • B. Smieja: Quo vadis,
IFA? Eine erste Zwischenbilanz zum früh beginnenden Fremdsprachenunterricht in Rheinland-Pfalz • W. Weigl: Ein (drittes) G2-Defizit und seine Ursache: Subjekt-/Objekt-Fragesätze im Französisch deutscher Gymnasiasten • M. Netzlaff: Adverbien kontextualisiert lernen • H.W. Giessen: Videosegmente als authentische Lehrmaterialien für den Sprachunterricht in computergestützten Multimedia-Produktionen?
Heft 44 / 2006:
B. Lawrenz: Plädoyer für eine gehirngerechtere Vermittlung des syntaktischen Wortes • W.
Diekmann: Mehr sprechen – weniger zappen. Ein netzgestütztes Landeskundeprojekt mit
DaF-Lernern im Selbstversuch. • I. Mordellet-Roggenbuck: Emotion und Kognition beim
Aussprachelernen. • F. Schweizer: Metrik als Hilfsmittel des DaF-Unterrichts. • W. Weigl: Ein
(zweites) G2-Defizit und seine Ursache: Verb-Subjekt-Fragesätze im Französisch deutscher
Gymnasiasten. • I. Lăzărescu: Latinismen, Anglizismen und Romismen in der rumänischen
Jugendsprache. • S. Hamza: Le combat pour la laïcité. • E.U. Große: Deutsch-französische
Themen im Internet: www.deuframat.de.
147
Heft 43 / 2005:
M. Sambanis: Verstehensbasierte Ansätze im frühen Fremdsprachenunterricht. • Ch. Brand:
Internet im Französischunterricht – am Beispiel einer neunten Realschulklasse. • W. Weigl:
Zum „Lernen“ der pronominalen Doppelobjekte im Französischunterricht. • F. Schöpp: Fokuskonstruktionen im Italienischen und Französischen • Ch. Bergdoll: La séparation des
Églises et de l’État.
Heft 42 / 2004:
A. Merlan: Dynamik des Sprachkontakts im Nordosten Portugals. • P. Schäfer: Regionale
Identität in Mundartbeiträgen der pfälzischen und elsässischen Presse. • W. Franke: Der
Praktische Syllogismus als textlinguistisches Beschreibungsinstrument. • H. Schmitt: Vokalqualität lehren mit interlingualen Minimalpaaren. • H.E.H. Lenk: Germanistik im Internet. Erfahrungen mit einem Einführungskurs an der Universität Helsinki. • I. Mordellet-Roggenbuck:
E-Learning und universitäre Fremdsprachenausbildung.
Heft 41 / 2003:
St. Merten: Lernerautonomie und Lernbereitschaft als Voraussetzungen für eine sprachliche
Progression. Eine Fallstudie. • Ch. Schowalter: Eigennamen in der literarischen Übersetzung. Am Beispiel von Tolkiens The Lord of the Rings. • F. Schöpp: Funktionen der CleftKonstruktion im Französischen. • K. Henk: Französische und deutsche Stellenanzeigen im
Vergleich. • W. Weigl: Objektrealisierung und Fremdsprachenerwerb – Doppelobjektkonstruktionen im Englisch deutscher Gymnasiasten. • D. Lohr: Ein virtueller Sprachkurs per Internet.
Heft 40 / 2002:
Ch. Weyers: ¿Asturiano, asturianu, bable o leonés? Zur Entwicklung und gegenwärtigen Situation des Asturianischen. • E. Drewnowska-Vargáné: Argumentative Strukturen und Strategien in Presseinterviews (Teil II). • F. Schöpp: Funktionen der Cleft-Konstruktion im Französischen (Teil I). • W. Weigl: Objektrealisierung und Fremdsprachenerwerb – Doppelobjektkonstruktionen im Englisch deutscher Gymnasiasten. • E.U. Große: Die Internationalisierung des Pressemarktes. • R. Métrich: Les Invariables Difficiles. Oder: Was Sie schon immer
über deutsche Partikeln und deren Übersetzung ins Französische wissen wollten.
Heft 39 / 2001:
W. Franke: Überlegungen zu einer Dialog- und Textstilistik. • E. Drewnowska-Vargáné: Argumentative Strukturen und Strategien in Presseinterviews (Teil I). • G. Schmale: Reformulations comme traitement conversationnel de phrasèmes dans les talk-shows de la télévision
allemande. • W. Weigl: Die Verbposition im Englisch bzw. Französisch deutscher Gymnasiasten. • J. Petit: Wiederbelebung des deutsch-französischen Bilingualismus. • J. Petit: Esprit (des lois) es-tu là ? Lettre ouverte au Conseil d’État. • Th. Rist: Erläuterungen zum Offenen Brief von Jean Petit.
Heft 38 / 2001 (vergr.):
C. Földes: Was ist „Fremdsprachendidaktik“? • J. Bessen: Französischunterricht und Filmanalyse • R.A. Hartmann: Verletzte Konversationsmaximen? Telefonische Geschäftskommunikation und Konsequenzen für den Unterricht Wirtschaftsdeutsch • P. Schäfer: Verfahren
der Nähekommunikation in der französischen Regionalpresse • Ch. Schowalter: Dezentralisierung am Beispiel der Region PACA • H.H. Lüger: Frankreich – noch ein zentralistischer Staat?
148
Heft 37 / 2000:
S. Günthner: Kulturelle Unterschiede in der Aktualisierung kommunikativer Gattungen • R.
Métrich: Zur Übersetzung von deutschen Modalpartikeln ins Französische • W. Weigl: Verb
und Subjekt in Französisch G3 • J. Breugnot: Les éléments de motivation dans l’apprentissage du français précoce • M. Cloßen: Révolution dans l’apprentissage des langues:
l’ère des logiciels • Ch. Brand / D. Dahlmann / J.V. Gilmozzi / R. Himmler / H.H. Lüger: Autonomes Lernen und Mediennutzung.
Heft 36 / 1999:
M. Badawi: Entlehnungen im modernen Arabisch • W. Weigl: Die Verbposition im Englisch
deutscher Gymnasiasten • U. Häußler: Linguistische Aspekte der Pressekarikatur • E. Pokorná: Fachsprachenunterricht und seine Realisierung auf dem Gebiet der Physiotherapie •
C. Reck / H. Schlemper / P. Schubkegel / Ch. Singer: Literarische Texte im DaF-Unterricht •
J. Breugnot: Des nouvelles voies pour la formation (Bericht).
Heft 35 / 1999:
M. Badawi: Fachsprachliche Probleme im Arabischen (Teil II). • Hans Schlemper: „Ordnung
für die Zusatzausbildung ,Deutsch als Fremdsprache’ an der Universität Konstanz“. • P. Bickelmann: Vorüberlegungen zur Behandlung der Negation im Unterricht Deutsch als Fremd-/
Zweitsprache • H.E.H. Lenk: Der Explizitätsgrad von Bewertungen in der Textsorte ,Pressekommentar’. • T. Rodríguez: Semblanza de Octavio Paz (1914-1988).
Heft 34 / 1998:
E.U. Große: Italiens Tageszeitungen. • M. Badawi: Fachsprachliche Probleme im Arabischen
(Teil I). • B. Kettemann: John F. Kennedy’s speech on civil rights. • J.V. Gilmozzi: Induktive
Grammatikvermittlung im Italienischunterricht. • H. Schlemper: Zu einem Lehr-/Lernminimum
für die Mittelstufe. • E. Zettl: Briefe an Institutionen – Unterrichtsvorschläge. • K. Schenk:
Vorschläge zur Strukturierung von Schreibübungen. • H.H. Lüger: Vom Zitat zur Adaption.
Zu einigen Verwendungsweisen satzwertiger Phraseologismen.
Heft 33 / 1998:
B. Kettemann: Innovation in (foreign) language teaching and learning. • I. Hoffmann / D.
Hoffmann: Landeskunde - ein Unfach? • J. Sternkopf: Kollokationen in wissenschaftlichen
Rezensionen? • S. Hagmann / D. Hartmann: Phraseologismen in der Werbung. • A. Jahnel:
Lerner- und muttersprachlicher Gebrauch von verba sentiendi und sciendi in Fernsehdiskussionen. • J. Petit: Natürlicher Spracherwerb des Deutschen im französischen Schulwesen.
Heft 32 / 1997:
M. Haug: Sprache der Nähe - Sprache der Distanz am Beispiel von „Bouillon de Culture“ und
„Das literarische Quartett“. • A. Lindemann: se faire + Infinitiv. Grammatikalische und translatorische Probleme. • A. Jahnel: Lexikalische Mittel des Bedauerns und der Entschuldigung.
Zum Gebrauch bei nativen und nicht-nativen Sprechern. • H.H. Lüger: Anregungen zur
Phraseodidaktik. • Auswahlbibliographie zur Phraseodidaktik.
Heft 31 / 1997:
R.A. Hartmann: Philosophie im Unterricht Deutsch als Fremdsprache. • St. Hrebicková: Lesekurs für Historiker – Texte und Übungen. • St. Stein: Formulierungsflauten in der Zweitsprache. • E. Forgács: Im Sprichwort liegt die Wahrheit (?) • G. Stegert: Die Rezension - zur
149
Beschreibung einer komplexen Textsorte. • D. Marx: Zweisprachigkeit hoch zwei: eine Replik. • J. Kornbeck: Control is control.
Heft 30 / 1996 (vergr.):
G. Storch: Interaktion im DaF-Unterricht: Die Verteilung von Rede- und Handlungsstrategien.
• D. Hartmann: „Das käm’ vielleicht echt voll groovy rüber“: Jugendsprache im DaF-Unterricht. • J. Bessen: Algerien und die algerisch-französischen Beziehungen als Themen von
Französischkursen. • A. Jahnel: Lerner- und muttersprachliche Verwendung von Modalisierungsstrategien in Fernsehdiskussionen. • H.H. Lüger: Satzwertige Phraseologismen im
Text. Elemente eines Mehrebenenmodells.
Heft 29 / 1995:
K. Schenk: Poetische Strickmuster. Ein Beitrag zur Textproduktion in Deutsch als Fremdsprache. • D. Schreiner: Das Ende der Weimarer Republik – Anregungen zur Thematisierung von Geschichte im Landeskundeunterricht. • I. Poisson: L’utilisation des documents
iconographiques dans l’enseigement du français langue étrangère. • K. Büchle: Negativ(be)wertung im Deutschen und Spanischen. Sprachsystematische Bewertungsindikatoren.
• M. Jung: Kritisches Sprachbewußtsein auf dem Prüfstand. • H.H. Lüger: Presseanalysen:
Meinungsbetonte Texte.
Heft 28 / 1995:
S. Günthner: Language and culture – an analysis of a Chinese-German conversation. • U.
Großmaas: Anna Banti: Lavinia – Übertragung aus dem Italienischen, mit einer Einführung in
Leben und Werk der Autorin. • E. Seibold: Vanessa Paradis: A cœur ouvert. Rhetorik und
Semiotik von Titelbildern der französischen Programmzeitschriften. • H.H. Lüger: Presseanalysen: Informationsbetonte Texte.
Heft 27 / 1994:
B. Gügold: Spielfilm – Fremdsprachenunterricht – Interkulturelles Gespräch. Am Beispiel der
Bearbeitung des Films „Männer“ von Doris Dörrie. • K. Büchle: Schimpfwörter im DaFUnterricht – Tabuthema, Randerscheinung oder doch mehr? • T. Laiho: Sprachliche Höflichkeit als Lerngegenstand im Deutschunterricht in Finnland. • D.M. Hartmann: Simuliert, stilisiert oder stigmatisiert? Der sekundäre Foreigner-Talk in deutschen Texten. • H.H. Lüger:
Presseanalysen: Bedingungen der Textkonstitution. • U. Großmaas: Kein Raum, nirgends.
Zum 50. Todestag von Maria Messina.
Heft 26 / 1994 (vergr.):
G. Anderson / W. Fach: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ Verbal degradation and the
death penalty. • H. Kotthoff: Georgian toasts and the limits of cross-cultural accomodation. •
M. Lorenz-Bourjot: Kreatives Schreiben im Französischunterricht. • H.R. Beck: Geschichte
im DaF-Unterricht. Beispiel: „Parteien der Weimarer Republik“. • R. Rothenhäusler / A. Ulrich: Grammatische Strukturen im Anfängerunterricht Deutsch als Fremdsprache: Was wird
tatsächlich erworben? • H.H. Lüger: Presseanalysen: Fragestellungen und Untersuchungsansätze. • G. Lieber / L. Katsch: Auswahlbibliographie CALL.
Heft 25 / 1993 (vergr.):
Gesprächsanalyse und Gesprächsschulung. H.H. Lüger: Gesprächsanalyse und Fremdsprachenvermittlung. • E. Köpf: Gesprächseröffnung als Unterrichtsgegenstand. • C. Curti:
Übungen zur Gesprächsbeendigung. • C. Mahler / D. Stern: Anredeverhalten in der mündlichen Kommunikation. • N. Klein: Small talk als Lernziel im Fremdsprachenunterricht. • G.
150
Boesken / Ch.I. Soppa: Widersprechen und Ablehnen. • R. Beck: Argumentative Strukturen
und ihre Vermittlung im DaF-Unterricht. • H. Aufderstraße: Zur Gestaltung sogenannter
„Lehrbuchdialoge“. • H.H. Lüger: Partnerorientiertes Sprechen in Lehrbuchdialogen? • Auswahlbibliographie.
(2. Aufl. als Sonderheft 2/1995)
Heft 24 / 1992 (vergr.):
K. Schenk: Phono-Lektüren. • G. Lieber: Domänenspezifische Barrieren bei der Entwicklung
der fremdsprachigen Schreibkompetenz – eine Sprachvergleichsstudie. • H. Bisle-Müller: Artikelwörter im Deutschen: ein Modell für den Unterricht von Deutsch als Fremdsprache. • K.
Hartenstein: Die Vermittlung von Lexemkollokationen im Russischunterricht im Lichte der
neueren phraseologischen Forschung. • J. Freytag: Libération: new journalism auf französisch. • A. Ulrich: Ein Blick über den Zaun: Didaktik in einer Sprachenschule am freien Markt.
• U. Großmaas: Biographische und autobiographische Romane zeitgenössischer italienischer Schriftstellerinnen.
Heft 23 / 1992:
U. Großmaas: Tommaso Landolfis Dialogo die massimi sistemi – Einführung, Übersetzung,
Gedanken zur Interpretation. • J.P. Béchaz: Theater im Fremdsprachenunterricht. • K. Büchle: Sprachveränderungsprozesse im Deutschen nach der Wende. • Ch. Bowers: Comparison
of forms of address between England and Germany. • J. Petit: Der L1- und L2-Erwerb der
Lexik.
Heft 22 / 1991 (vergr.):
Landeskunde und Lehrwerkanalyse. H.H. Lüger: Landeskunde – Aspekte eines problematischen Begriffs. • R. Thierbach: Landeskunde und Deutsch als Fremdsprache vor dem
Zweiten Weltkrieg. • U. Jansen: Geschichte als Teilbereich der Landeskunde – Beispiel für
eine Unterrichtsgestaltung. • H.H. Lüger: Indirektheit und Höflichkeit – ein landeskundliches
Thema? • W. Hosch: Fort- und Weiterbildung im Bereich Deutsch als Fremdsprache und
Germanistik: Ein Fernstudienangebot. • Auswahlbibliographie.
Heft 21 / 1991 (vergr.):
J. Petit: Konkordanzpaket Konstanz. Version 4. (KPK). • J. Petit: Indexerstellung Konstanz.
Version 4 (IEK). • F. Ross: Datenbanken – im Dienste des Lehrers und des Lerners. • S. Meli / F. Ross: Maschinelle Übersetzung und ein Übersetzungsbüro für die Universität Konstanz. • Carreira, R.M.D.: Brasilianisch in Situationen – eine kommunikative Methode. • H.H.
Lüger: Dialogrammatik versus Konversationsanalyse?
ab Heft 43 online unter: www.vep-landau.de/bzf
Institut für fremdsprachliche Philologien (Romanistik)
Universität Koblenz-Landau, Campus Landau,
Marktstraße 40, D-76829 Landau
Tel.: ++49-6341-146-100/103, Fax: ++49-6341-146-101
www.uni-landau.de/romanistik
E-Mail: [email protected]
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