die sonne speichern - Helmholtz
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SICHTBAR DAS MAGAZIN AUS DEM HELMHOLTZ-ZENTRUM BERLIN | DEZEMBER 2013 ND THEMEN U N MENSCHE DIE SONNE SPEICHERN Internationalem Team gelang bei der Erzeugung von Wasserstoff mit Licht ein Durchbruch ENERGIE UMWANDELN UND SPEICHERN Porträt: Institutsleiterin Silke Christiansen MATERIE ERFORSCHEN Neue magnetische Datenspeicher DIE ZUKUNFT GESTALTEN Ideen für BESSY II und für den wissenschaftlichen Nachwuchs 1 INHALTSVERZEICHNIS AUSGABE DEZEMBER 2013 04 IDEEN FÜR DIE ZUKUNFT Die Geschäftsführung gibt Auskunft ENERGIE UMWANDELN UND SPEICHERN 07 PORTRÄT SILKE CHRISTIANSEN 08 DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN 10 MELDUNGEN Marokko holt HZB-Expertise, LowtechMethoden im Blick, „Künstliches Blatt“ vor Korrosion geschützt, Defekte detektiert, Solarzellen beim Wachsen beobachtet 08 DIE SONNE SPEICHERN – DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN Das Team um Roel van de Krol hat einen Durchbruch bei der Produktion von Wasserstoff mit Sonnenlicht erzielt. MATERIE ERFORSCHEN 13 PORTRÄT SUSAN SCHORR 14 MAGNET-VENTIL IM SANDWICH-STIL 15 MELDUNGEN Domänenwände als Informationsspeicher, Kriterien für Glas, Fossil durchleuchtet, Graphen als Bauelement, Kontakte für organische Elektronik DIE ZUKUNFT GESTALTEN 14 23 MAGNET-VENTIL IM SANDWICH-STIL VIER MESSPLÄTZE FÜR EMIL Neue magnetische Schichtstrukturen könnten Daten effizienter speichern. Für die Forschung an Energiematerialien baut das HZB an BESSY II das EMIL-Labor auf. 2 19 BESSER FORSCHEN AN BESSY II Seit der Modernisierung läuft BESSY II stabil im Top-up-Modus 20 1.000. PROTEINSTRUKTUR AN BESSY II 21 ZUKUNFTSPROJEKT BESSY VSR Mit neuen Hohlraumresonatoren soll BESSY VSR variable Pulslängen bieten 22 GOODBYE AMERICA! Der neue Hochfeldmagnet wird nun montiert 23 VIER MESSPLÄTZE FÜR EMIL 24 NACHWUCHSFÖRDERUNG Graduiertenschule, Schülerlabor-AG, Nachwuchsgruppen EDITORIAL LIEBE LESERINNEN UND LESER, obwohl heute immer mehr Informationen nur noch im Web veröffentlicht werden und auch wir diesen Trend mitmachen, glauben wir doch, dass ein Magazin mehr zum Lesen einlädt als etwa ein Newsletter oder ein Facebook-Post. Deshalb halten Sie nun eine „Sichtbar“ in den Händen, ein Magazin über Menschen und Themen aus dem Helmholtz-Zentrum Berlin. Wir stellen Ihnen Menschen vor, die am HZB die Forschung vorantreiben und geben Ihnen einen Einblick in das, was sie tun. Sie arbeiten zum Beispiel an Solarzellkonzepten der Zukunft, an der Speicherung von Sonnenenergie in Form von Wasserstoff, an neuartigen Katalysatoren für die Energieumwandlung und an Materialsystemen, die in Zukunft die Halbleiterelektronik ablösen könnten. Fortschritte auf diesen Gebieten werden es ermöglichen, mit weniger Energieaufwand und Ressourcenverbrauch gut zu leben. Damit wir auch in Zukunft über herausragende experimentelle Möglichkeiten verfügen, errichten unsere Expertinnen und Experten an der Synchrotronquelle BESSY II gerade das neue EMIL-Labor. Außerdem planen sie mit BESSY VSR ein weltweit einzigartiges Upgrade-Programm. Es wird völlig neue Experimentierbedingungen an BESSY II bieten und eine Lücke schließen zwischen den heute verfügbaren Synchrotronquellen der dritten Generation und reinen Kurzpulsquellen wie Freie Elektronen Lasern. Ina Helms Antonia Rötger Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und freuen uns über jede Rückmeldung. Ina Helms Antonia Rötger IMPRESSUM Herausgeber: Helmholtz-Zentrum Berlin, www.helmholtz-berlin.de Redaktion: Antonia Rötger, Ina Helms (V.i.S.P.). Rückmeldungen an [email protected] Mitarbeit: Hannes Schlender, Silvia Zerbe Gestaltung: Schleuse01 Werbeagentur Fotonachweise: Bildrechte, wenn nicht anders genannt: HZB. Folgende Bilder stammen aus dem HZB-Science Photo Walk 2012: Titelbild: Michael Fernahl, S. 12: Marion und Gerhart Bertling, S. 18 + 21: Frank Steinmann. Weitere Fotos: S. 25: cienpiesnf (Fotolia), S. 2 + 14: BebEtter (iStock-Photo) Druck: Elbe Druckerei Wittenberg, Breitscheidstraße 17 in 06886 Lutherstadt Wittenberg; www.elbedruckerei.de 3 INTERVIEW IDEEN FÜR DIE ZUKUNFT Die Geschäftsführung spricht über ihre Pläne für BESSY II, die verstärkte Ausrichtung des HZB auf Energieforschung und über das Ende der Neutronenforschung am HZB. Das Gespräch führten Ina Helms und Silvia Zerbe. N ach zirka 60 Jahren erfolgreicher Neutronenforschung in Berlin soll der Einsatz des Forschungsreaktors BER II zum 1. Januar 2020 enden. „Sichtbar“ sprach mit der wissenschaftlichen Geschäftsführerin Anke Kaysser-Pyzalla und dem kaufmännischen Geschäftsführer Thomas Frederking darüber, wie sich das HZB für die Zukunft neu aufstellt und welche Forschungsschwerpunkte gesetzt werden sollen. Der Aufsichtsrat hat die Abschaltung des BER II zum 1. Januar 2020 beschlossen. Die Neutronenforschung soll danach ganz aufgegeben werden. Was heißt das für die Zukunft des HZB? AKP: Mit dem Beschluss haben wir die Chance, unsere strategische Ausrichtung in den nächsten Jahren weiter auf die Energieforschung und die Forschung mit Photonen zu setzen. Unsere Photonenquelle BESSY II ist durch das kürzlich abgeschlossene Upgrade gut für die nächsten Jahre aufgestellt. Jetzt stehen neue Entwicklungen in der Beschleunigerphysik und bei Experimentiertechniken an. Wir erforschen heute bereits Materialien für die Energieumwandlung. Werden neue Themen hinzukommen? AKP: Wir müssen unser Forschungsprogramm verbreitern und Nischen finden, die noch nicht von anderen besetzt sind. Im Rahmen der Programmorientierten Förderung (POF) der HelmholtzGemeinschaft werden wir 4 uns zum Beispiel an dem neuen Programm „Speicher und vernetzte Infrastrukturen“ beteiligen. An BESSY II bauen wir außerdem das neue Labor „EMIL“ (Energy Materials In situ Laboratory) auf. Es ist eine Blaupause dafür, welche Infrastrukturen in Zukunft in der Energieforschung am HZB entstehen können. Wie könnten die aussehen? AKP: Wir können uns vorstellen, am Standort Wannsee eine große Infrastruktur für die Materialherstellung und -charakterisierung anzusiedeln. Vorbild dafür ist das Foundry-Konzept aus den USA, zum Beispiel die „Molecular Foundry“ in Berkeley. Diese Labore würden den Forscherinnen und Forschern des HZB zur Verfügung stehen, aber auch Nutzerinnen und Nutzer könnten über mehrere Wochen und Monate dort arbeiten. Unsere Vision ist, dass wir in Wannsee Labore mit exzellenter Ausstattung für die Energieforschung aufbauen, die man nirgendwo sonst auf der Welt findet und die alle nutzen können. Wann könnten solche Infrastrukturen realisiert werden? AKP: Wir werden jetzt schon in der Förderperiode der POF III die richtigen Weichen stellen und diesen Weg dann in der POF IV konsequent fortführen. Das Ziel ist, dass wir eine strategische Ausbauinvestition für die Energieforschung bei der Helmholtz-Gemeinschaft beantragen. Auf dem Weg dorthin werden wir eine Perspektivkommission einrichten, von der wir uns kritische und wegweisende Diskussionen erwarten. Welche Pläne gibt es zur Weiterentwicklung von BESSY II? AKP: Wir wollen Nutzerinnen und Nutzern zukünftig einen Photonenstrahl zur Verfügung stellen, der ihnen eine hohe Flexibilität bietet – etwa bei der Wahl der Pulslänge. Die Idee dahinter: Alle Nutzer, die wie bisher eine quasi-kontinuierliche Lichtquelle für ihre Experimente benötigen, können im gewohnten Modus experimentie- Den Gutachtern zeigen wir damit: Wir können das! ren. Gleichzeitig können sich diejenigen Nutzer ihre kurzen Lichtblitze herausfiltern, die bisher nur wenige Tage pro Jahr diesen speziellen Pulsmodus nutzen konnten. Diese Flexibilität würde der Photonenquelle international eine besondere Stellung einräumen. Im Projekt „BESSY VSR“ wollen wir diese Erweiterungen umsetzen. Gibt es schon Reaktionen der Nutzer auf die Pläne? AKP: Auf dem letzten Nutzertreffen und auf einem kürzlich durchgeführten Workshop mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurde das Konzept zu BESSY VSR sehr positiv aufgenommen. Andere Synchrotronquellen, zum Beispiel in den USA, haben auch bereits Interesse bekundet. Jetzt kommt es darauf an, dass wir auch bei den detaillierten Ausarbeitungen und der Sicherung der Finanzierung schnell genug sind. Wir wollen nicht nur diejenigen sein, die die erste Idee für einen variablen Speicherring hatten. Wir wollen diese Idee auch zuerst an BESSY II umsetzen. TF: Mit Versuchen im Vorfeld zum „Herauspicken“ einzelner Pulse haben wir auch schon gezeigt, dass wir die technischen Voraussetzungen haben und über Expertise verfügen. Den Gutachtern zeigen wir damit: Wir können das! Am HZB werden derzeit die Beschleunigerkompetenzen ausgebaut. Warum ist das wichtig? TF: Wenn wir ein Nachfolgegerät für BESSY II errichten wollen, dann brauchen wir die Beschleunigerphysik und diejenigen, die in der Lage sind, einen Beschleuniger zu bauen. Diese Expertise erweitern wir jetzt: zum Beispiel mit BERLinPro und BESSY VSR. Deshalb haben wir in den letzten Jahren auch unser Know-how in der Simulation gestärkt, unter anderem durch die Nachwuchsgruppe von Alexander Matveenko. Wenn man BESSY II auf technischem Stand hält, erhöht man auch die Chance für ein Nachfolgegerät. Könnte das in Wannsee stehen? AKP: Alle Anstrengungen, die wir derzeit unternehmen, zielen perspektivisch darauf ab, ein Nachfolgegerät für BESSY II zu bekommen. Wir können heute noch nicht sagen, wie es aussehen und wo es stehen wird. Der Lise-Meitner-Campus in Wannsee hat jedoch viele Vorteile, insbesondere alle Betriebsgenehmigungen, die man für ein solches Großgerät braucht. Insofern ist Wannsee für uns eine sehr gute Option. Der Neutronenforschung bleiben noch sechseinhalb Jahre in Wannsee. Wie viele Instrumente bleiben bis dahin erhalten? AKP: Wir haben unsere Instrumente evaluieren lassen und wollen zehn Neutroneninstrumente weiter betreiben. Für die anderen suchen wir nach Kooperationspartnern. Das können Einrichtungen aus dem In- und Ausland sein, die Interesse am eigenständigen Betrieb eines Instruments haben. Voraussetzung ist, dass die Interessenten das notwendige Personal mitbringen und auch Kosten für Reparaturen tragen. Was erwarten Sie von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? AKP: Wir erwarten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viele neue Ideen. Wir wollen, dass sie sich in den Prozess der strategischen Ausrichtung aktiv einbringen. Für die Energieforschung und BESSY VSR müssen Strategiepapiere erarbeitet werden – das darf nicht nur den Institutsleitern überlassen werden. Ich bin mir sicher: Wir werden eine spannende Zukunft vor uns haben und es lohnt sich, die Anstrengungen jetzt in Kauf zu nehmen. 5 ENERGIE UMWANDELN UND SPEICHERN Die Sonne schickt in einer Stunde mehr Energie auf die Erde, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Solarenergie kann den Energiebedarf decken, das steht fest, denn selbst Wind und Biomasse werden durch die Sonne erzeugt. Und die Photovoltaik wird einen großen Beitrag leisten, um die Energiewende zu meistern. Allerdings müssen Solarzellen noch preiswerter werden. Außerdem scheint die Sonne nicht immer dann, wenn der Strom gebraucht wird. Am HZB arbeiten wir daher an Solarzellen der dritten Generation und entwickeln neue Lösungen, um die Solarenergie chemisch in Form von Solaren Brennstoffen zu speichern: Dafür untersuchen wir komplexe Materialsysteme, die mit Sonnenlicht Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufspalten. Wasserstoff kann als Brennstoff genutzt werden oder in Brennstoffzellen Strom erzeugen. 6 PORTRÄT GROSSE AUFGABEN UND VIEL GESTALTUNGSSPIELRAUM Seit Anfang 2013 baut Silke Christiansen das neue Institut „Nanoarchitekturen für die Energiewandlung“ am HZB auf. Dabei arbeitet sie am Standort Adlershof an der Planung des Energy Materials In situ Laboratory (EMIL) an BESSY II mit, während sie am LiseMeitner-Campus in Wannsee die Expertise zur Elektronenmikroskopie konzentriert. Ihre außergewöhnliche Karriere hat sie sich hart erarbeitet. Text: Antonia Rötger S ilke Christiansen war keineswegs schon immer auf die Naturwissenschaften festgelegt, im Gegenteil: Als Schülerin beschäftigte sie sich vor allem mit Kunst, Film und Musik, hatte die Leistungskurse Deutsch und Latein belegt und als Berufsvorstellung so etwas wie Lehramt für Sprachen im Visier. Doch nach dem Abi arbeitete sie im Kistenlager bei IKEA und lernte dort viele arbeitslose Deutschlehrer kennen. „Die haben zu mir gesagt: Probier was anderes. Wenn du zu doof bist, merkst du das schon und kannst nach zwei Semestern wechseln“, erinnert sich Silke Christiansen heute. „Ich dachte, ich kann das mal ausprobieren. Und dann habe ich festgestellt, dass mir das sehr gut gefällt.“ SILKE CHRISTIANSEN Die ersten Semester Werkstoffwissenschaften waren nicht einfach, doch Silke Christiansen fand bald eine Mitstreiterin: „Im ersten Praktikum stand ich mit dieser Freundin vor dem Oszillografen und wir hatten keine Ahnung, was wir tun sollten. Wir haben die Sachen aber ernst genommen und dann viele überholt.“ Mit über 180 Veröffentlichungen und 10 Patenten zählt sie zu den produktivsten Forscherinnen ihres Fachs. Nach dem Studium und der Promotion habilitierte sie sich und ging mit einem Feodor-Lynen-Stipendium in die USA. Dann kam das erste Kind, inzwi- schen sind es sogar drei. Auf Kinder zu verzichten, stand für sie nicht zur Debatte. Dabei arbeitete Silke Christiansen kontinuierlich weiter. „Ganz wichtig ist, dass meine Eltern, vor allem meine Mutter, mich voll unterstützen“, erzählt sie. „Wir leben als Großfamilie in einem Haus zusammen, mit allen Vor- und Nachteilen. Ich kann ja nicht verlangen, dass Oma und Opa die Kinder betreuen und sonst nichts mit meinem Leben zu tun haben. So konnte ich meine beruflichen Verpflichtungen flexibel wahrnehmen und wusste immer, dass es den Kindern gut geht.“ Obwohl im Rückblick ihr Karriereweg sehr geradlinig aussieht, hat Silke Christiansen immer auch einen Plan B gehabt, denn „auch wenn man sehr gut ist, braucht man ein bisschen Glück, Chancen, die man ergreifen kann. Und es kann trotzdem schiefgehen“. Sie bewarb sich erfolgreich in der Industrie und entschied sich dann doch wieder für die Wissenschaft. Zuletzt leitete Silke Christiansen eine unabhängige wissenschaftliche Gruppe für „Photonische Nanostrukturen“ am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen. „Da hatte ich bereits eine größere Gruppe und eine Dauerstellung mit guten Perspektiven. Die neue Aufgabe am HZB bietet mir nun jedoch noch deutlich mehr Gestaltungsspielraum.“ Für den Aufbau des Instituts steht Silke Christiansen eine zusätzliche Finanzierung durch die HelmholtzRekrutierungsinitiative von 600.000 Euro pro Jahr über fünf Jahre zur Verfügung. Ihr Ziel ist es, neuartige Material-Komposite für Solarzellen der dritten Generation und solare Brennstoffe zu entwickeln. 7 DURCHBRUCH BEI SOLARER WASSERSTOFFPRODUKTION DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN Dass sich Sonnenlicht nutzen lässt, um Wasserstoff zu produzieren, ist im Prinzip klar. Doch die Umsetzung ist schwierig: Am HZB-Institut für Solare Brennstoffe arbeiten Forscher um Roel van de Krol an neuen Lösungen, die stabil, effizient und preiswert sind. Text: Antonia Rötger M it einer einfachen Solarzelle und einer Photo-Anode aus Metalloxid konnten Forscher aus dem HZB und der TU Delft fast fünf Prozent der Solarenergie chemisch in Form von Wasserstoff speichern. Dies ist ein Durchbruch, weil die verwendete Solarzelle deutlich einfacher aufgebaut ist als die sonst eingesetzten Hochleistungszellen, die aus „triple junctions“ von dünnen, amorphen Siliziumschichten oder teuren III-V-Halbleitern bestehen. Die Photo-Anode aus dem Metalloxid Wismut-Vanadat wurde – versetzt mit zusätzlichen Wolfram-Atomen – einfach aufgesprüht und mit einem preisgünstigen Kobalt-Phosphat-Katalysator beschichtet. „Wir haben hier das Beste aus zwei Welten kombiniert“, sagt Roel van de Krol, Leiter des HZBInstituts für Solare Brennstoffe und Professor an der TU Berlin. „Wir nutzen die chemische Stabilität und den niedrigen Preis von Metalloxiden, bringen diese mit einer sehr guten, aber recht einfachen SiliziumDünnschichtsolarzelle zusammen und erhalten so eine günstige, sehr stabile und leistungsstarke Zelle.“ Damit haben die Experten ein einfaches System entwickelt, das mit Sonnenlicht Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten kann. Der Prozess ist unter dem Stichwort „Künstliche Photosynthese“ bekannt und ermöglicht es, die Energie der Sonne in Form von Wasserstoff chemisch zu speichern. Denn Wasserstoff kann entweder direkt oder in Form von Methan als Brennstoff genutzt werden oder in Brennstoffzellen Strom erzeugen. GROSSES POTENZIAL Eine Überschlagsrechnung zeigt, welches Potenzial diese Technologie besitzt: Bei einer Sonnenleistung von rund 600 Watt pro Quadratmeter in Deutschland könnten 100 Quadratmeter eines solchen Systems in einer einzigen sonnigen Stunde schon drei Kilowattstunden Energie in Form von Wasserstoff speichern. Der Wasserstoff könnte dann nachts oder 8 an bewölkten Tagen direkt als Brennstoff oder für die Stromerzeugung in Brennstoffzellen genutzt werden. PHOTO-ANODE AUS METALLOXID SCHÜTZT DIE ZELLE VOR KORROSION Die Experten um van de Krol haben nun eine verhältnismäßig einfache Silizium-Dünnschichtsolarzelle mit einer Schicht aus Metalloxid kombiniert. Nur diese Schicht kommt in Kontakt mit dem Wasser und bildet die Photo-Anode, an der Sauerstoff entsteht. Gleichzeitig schützt sie die empfindliche Siliziumzelle vor Korrosion. Das Team untersuchte systematisch, wie der Lichteinfall, die Ladungstrennung und die Wasserspaltung in unterschiedlichen Metalloxiden ablaufen, um diese weiter zu optimieren. Mit einer Photo-Anode aus Wismut-Vanadat müssten theoretisch sogar Wirkungsgrade von bis zu neun Prozent für die elektrochemische Zelle erreichbar sein, sagt van de Krol. Ein Problem konnte sein Team bereits lösen: Mithilfe eines preiswerten Kobalt-Phosphat-Katalysators schafften sie es, die Bildung von Sauerstoff an der Photo-Anode deutlich zu beschleunigen. NEUER REKORD BEI DER LADUNGSTRENNUNG Die größte Herausforderung war jedoch, in der Wismut-Vanadat-Schicht die Ladungen effizient zu trennen. Denn Metalloxide sind zwar stabil und billig, aber die Ladungsträger neigen dazu, rasch wieder zusammenzufinden, also zu rekombinieren. Damit gehen sie für die Wasserspaltung verloren. Van de Krol und seine Mitarbeiter fanden nun heraus, dass hier der Einbau zusätzlicher Wolfram-Atome in die Wismut-Vanadat-Schicht hilfreich ist. „Es kommt darauf an, diese Wolfram-Atome optimal zu verteilen, dann erzeugen sie ein internes elektrisches Feld, das die Rekombination verhindert“, erläutert van de Krol. Um dies zu erreichen, sprühten sie eine Lösung von Roel van de Krol und sein Team am HZB-Institut für Solare Brennstoffe haben eine Silizium-Dünnschichtsolarzelle mit einer Schicht aus Metalloxid kombiniert, die als Photo-Anode wirkt. Nur diese Schicht kommt mit dem Wasser in Kontakt und schützt so die empfindliche Siliziumzelle vor Korrosion. Fotos: A. Kubatzki / HZB Wismut, Vanadium und Wolfram auf ein heißes Glassubstrat auf, wobei das Lösungsmittel verdampft. Durch mehrfaches Wiederholen des Sprühvorgangs mit jeweils unterschiedlichen Wolfram-Konzentrationen entsteht eine höchst effiziente photoaktive Metalloxid-Schicht von etwa 300 Nanometern Dicke. „Wir verstehen noch nicht sehr gut, warum gerade Wismut-Vanadat so besonders gut funktioniert. Wir haben aber festgestellt, dass mehr als 80 Prozent der eingefangenen Photonen genutzt werden, das ist wirklich ein Rekord für ein Metalloxid und war auch physikalisch unerwartet“, sagt van de Krol. Eine der nächsten Herausforderungen wird sein, solche Systeme auf Quadratmetergröße hochzuskalieren, damit sie relevante Mengen an Wasserstoff erzeugen können. e- H2O O2 eH2 Platinelektrode e- H2 Kontakt O2 + + + + + + Katalysatorschicht + + + + + + Metalloxid-Halbleiterschicht Solarzelle Glas-Substrat Fällt Licht auf das System, entsteht eine elektrische Spannung zwischen der Platin-Elektrode (weiße Spirale im Bild) und der Metalloxid-Schicht. Während an der Platin-Elektrode Wasserstoff (rot) entsteht, bildet sich Sauerstoff (blau) an der Metalloxid-Schicht. Sie ist durch eine leitfähige Brücke aus Graphit (schwarz) mit der eigentlichen Solarzelle verbunden. Da nur die MetalloxidSchicht mit dem Elektrolyten (Wasser) in Kontakt kommt, bleibt die restliche Solarzelle vor Korrosion geschützt. 9 ENERGIE UMWANDELN UND SPEICHERN HZB-EXPERTE ZUM VORSITZENDEN DES WISSENSCHAFTLICHEN RATS BERUFEN MAROKKO SETZT AUF SOLARFORSCHUNG Marokko liegt im Sonnengürtel der Erde, deckt aber bislang den eigenen Energiebedarf hauptsächlich durch importierte fossile Brennstoffe wie Erdöl und Kohle. Bis 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung von aktuell 26 Prozent auf 42 Prozent steigen, hat das Land beschlossen. Dabei will Marokko aber nicht allein von importierten Technologien abhängen, sondern auch eigene Ansätze entwickeln und die Industrie fördern. Eine wichtige Rolle dabei spielt das neu gegründete Institut IRESEN (Institut de Recherche en Energie Solaire et Energies Nouvelles). Als staatlicher Projektträger soll es eine Forschungslandschaft in Marokko aufbauen und Industrie- und Grundlagenforschung zu Wind- und Sonnenenergie miteinander verknüpfen. Der HZBSolarexperte Ahmed Ennaoui wurde im Sommer 2013 zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rats von IRESEN gewählt. Dabei bringt er seine Erfahrungen ein, um die Forschungsstrategie zu definieren und das neue Institut weiter zu vernetzen. Aktuell begleiten die IRESEN-Experten den Bau eines solarthermischen Kraftwerks in Ait Baha, im Süden Marokkos. „Mit dem Aufbau solcher Kraftwerke kann Marokko sowohl sauberen Strom erzeugen als auch die ansässige Industrie stärken“, erklärt Ennaoui. Bedarf an Strom gibt es genug, denn zum einen haben längst noch nicht alle Bürgerinnen und Bürger einen Stromanschluss, zum anderen stünde dann auch „grüner“ Strom für die Entsalzung von Meerwasser zur Verfügung. Diese gigantischen Zementstrukturen werden aktuell im Süden Marokkos aufgebaut, wo ein großes solarthermisches Kraftwerk geplant ist (CSP Ait Baha). Sie sollen verspiegelte Rinnen tragen, die die Sonnenhitze konzentrieren. Eine Leitung im Brennpunkt dieser Rinnen enthält eine Flüssigkeit, die stark erhitzt wird. In weiteren Schritten kann über eine Dampfturbine Strom erzeugt werden. Ein marokkanisches Zementwerk stellt die Trägerstrukturen her. LOWTECH-METHODEN FÜR DÜNNSCHICHTSOLARZELLEN Sonya Calnan hat einen Traum: Solarmodule, die mit Lowtech-Methoden hergestellt werden und günstig sauberen Strom erzeugen. Die promovierte Elektroingenieurin arbeitet daran, diese Ziele zu erreichen. Als eine der ersten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen bei Rutger Schlatmann hat sie das PVcomB mit aufgebaut. Diese Einrichtung wurde 2009 vom HZB, von Berliner Universitäten und weiteren Partnern gegründet, um eine Brücke zwischen Forschung und Industrie zu schlagen. Calnan stammt aus Uganda, wo Strom vor allem durch Wasserkraft erzeugt wird. Doch die Wasserkraftwerke Ugandas können den wachsenden Bedarf nicht mehr decken, in der Trockenzeit kommt es zu Stromausfällen. Sonne dagegen steht reichlich zur Verfügung, wird jedoch aus Kostengründen wenig genutzt. Sonya Calnan hat sich deshalb auf Photovoltaik spezialisiert. Am PVcomB berät sie Unternehmen, forscht aber auch selbst. In der Gruppe um Martha Lux-Steiner vom HZB untersucht sie zum Beispiel elektrochemische Nassverfahren mit dem Ziel, solche Lowtech-Depositionsverfahren weiterzuentwickeln. „Man braucht kein Vakuum und keinen richtigen Reinraum. Dies macht es viel einfacher und damit auch billiger, Solarzellen herzustellen.“ 10 Ein Forschungsschwerpunkt von Sonya Calnan sind transparente Kontakte aus Zinnoxid oder Zinkoxid, die mehr Licht in die SiliziumDünnschichtsolarzellen durchlassen. Hier zeigt sie Proben mit unterschiedlicher Oberflächenrauigkeit. Foto: A. Rötger / HZB ENERGIE UMWANDELN UND SPEICHERN DEFEKTE AM FINGERABDRUCK ERKANNT Foto: D. Stellmach / HZB „KÜNSTLICHES BLATT“ SPALTET WASSER Eine Doktorandin am Institut für Solare Brennstoffe hat einen großen Erfolg bei ihrem „Künstlichen Blatt“ erzielt: Diana Stellmach verwendet eine „Superstrat-Solarzelle“ aus dem PVcomB. Die Besonderheit: Das Licht fällt auf die völlig freie Vorderseite, die nicht von Kontakten verschattet wird. Die Spannung entsteht zwischen den beiden Sektoren auf der Rückseite der Zelle. Der eine Sektor besteht aus der eigentlichen Solarzelle und wird mit dem Katalysator Platin beschichtet: Dort bildet sich Wasserstoff. Der andere Sektor bildet die Gegenelektrode, die mit dem Katalysator Ruthenium-Dioxid beschichtet ist, um die Sauerstoffbildung zu beschleunigen. Nur mit diesen beiden Sektoren ragt die Zelle in das Wasser. Das Wasser ist mit Schwefelsäure versetzt, damit die Elektrolyse besser funktioniert. Doch dadurch korrodiert die Solarzelle rasch. Nach systematischem Experimentieren hat Diana Stellmach einen Weg gefunden, um die Zelle zu schützen: Sie trägt die beiden Katalysatoren zusammen mit einem leitfähigen Kunststoff auf. Der Kunststoff versiegelt die empfindliche Zelle gegen Korrosion und ermöglicht so eine stabile Ausbeute von etwa 3,7 Prozent des Sonnenlichts. HZB-Physiker um Alexander Schnegg haben in Heterokontakt-Silizium-Solarzellen wichtige Defekte erstmals anhand ihres „magnetischen Fingerabdrucks“ identifiziert. Mit einer empfindlichen Messmethode und unterstützt durch Computersimulationen an der Universität Paderborn zeigten sie, dass sich die Defekte genau an der Grenze zwischen dem Siliziumwafer und der nur zehn Nanometer dünnen Schicht aus amorphem Silizium anlagern. „Diese Ergebnisse können wir auch auf andere Typen von Silizium-Solarzellen anwenden und so Wege finden, den Wirkungsgrad weiter nach oben und die Kosten nach unten zu treiben“, sagt Schnegg. Defekte verraten sich durch ihren „magnetischen Fingerabdruck“. Bild: Universität Paderborn / HZB SOLARZELLEN BEIM WACHSEN ZUSEHEN Erstmals haben Roland Mainz und Christian Kaufmann vom HZB das Wachstum von Chalkopyrit-Dünnschichtsolarzellen in Echtzeit beobachtet. Solche Solarzellen aus Kupfer-Indium-Gallium-Selenid erreichen heute schon sehr gute Wirkungsgrade von mehr als 20 Prozent. Um die extrem dünnen, polykristallinen Schichten zu produzieren, hat sich der Prozess der „Ko-Verdampfung“ bewährt, bei dem jeweils zwei Elemente gleichzeitig aufgedampft werden. „Bis vor Kurzem wussten wir jedoch nicht genau, was dabei eigentlich passiert“, sagt Mainz. Die Physiker haben eine neuartige Versuchskammer konstruiert. Mit ihr kann man während der Ko-Verdampfung die Bildung der polykristallinen Chalkopyrit-Schicht im Synchrotronlicht von BESSY II untersuchen. Dabei konnten sie auch verfolgen, wie sich Defekte bilden und auflösen, die den Wirkungsgrad mindern. Ihre Ergebnisse zeigen, in welchen Stadien das Wachstum beschleunigt werden könnte und wann mehr Zeit notwendig ist, um Defekte zu reduzieren. CIGS-Dünnschichtsolarzelle. Foto: C.Kaufmann / HZB 11 MATERIE ERFORSCHEN Zwar wissen wir, dass Materie aus Atomen besteht, aber danach wird es kompliziert: Denn die Eigenschaften von Materialien werden keineswegs allein durch die Art der Atome bestimmt, sondern auch davon, wie sie sich anordnen und welche Wechselwirkungen sie untereinander oder mit benachbarten Schichten eingehen. Am HZB gehen wir diesen Fragen auf den Grund. Dabei zeigt sich, wie sehr Materialforschung mit dem Thema „Energie und Rohstoffe“ verbunden ist: Die Materialforschung trägt dazu bei, neue Materialsysteme zu entwickeln, die für Solarzellen interessant sind, die elektronische Bauteile mit weniger umweltschädlichen oder seltenen Elementen ermöglichen oder die verlässlich und mit minimalem Energiebedarf Informationen speichern können. 12 MATERIE ERFORSCHEN PORTRAIT ENTSCHLOSSEN ZU FORSCHEN Die Materialforscherin Susan Schorr musste viele Hürden überwinden, um ihren Weg zu gehen. Heute leitet sie ein großes Team. Text: Silvia Zerbe S usan Schorr leitet die HZB-Abteilung „Kristallographie“ und ist gleichzeitig Professorin am Fachbereich „Geowissenschaften“ der Freien Universität Berlin. Sie hat es geschafft, ist auf vielen Feldern als kompetente Expertin anerkannt. Doch einfach war ihr Weg in die Forschung nicht, im Gegenteil. Aufgewachsen ist sie in der DDR, in Leipzig. Die erste Hürde war, dass sie trotz sehr guter Noten nicht angehende Kristallographin, also schlug sie sie für ihre Diplomarbeit vor. Aber damals herrschte noch ein anderer Ton an den ostdeutschen Unis, man teilte ihr, wie anderen Studenten auch, einfach ein Thema zu: „Ich sollte Proteine kristallisieren. Das war genau das, was mich am wenigsten interessierte und worin ich nicht besonders geschickt war.“ Auch mit dem Wunsch zu promovieren, scheiterte Susan Schorr 1989 an der Humboldt-Universität. Abschrecken ließ sie sich davon nicht. Nach dem Abschluss ihres Studiums bewarb sie sich bei Feri Mezei am damaligen Hahn-Meitner-Institut (HMI) und bekam eine Doktorandenstelle. Sie untersuchte die Dynamik isotroper Heisenberg-Ferromagnete mithilfe der inelastischen Neutronenstreuung. Mezei erkannte ihr Talent, stellte sie danach als wissenschaftliche Mitarbeiterin ein und nahm sie mit nach Los Alamos. SUSAN SCHORR Die Kristallographin hat in Physik promoviert, sich in der Mineralogie habilitiert und untersucht heute komplexe Materialsysteme. zum Abitur zugelassen wurde. Die wenigen Plätze an weiterführenden Schulen wurden an Kinder aus politisch wohlgesonnenen Elternhäusern vergeben. So begann sie in Halle / Saale eine Ausbildung zur Geologiefacharbeiterin mit berufsbegleitendem Abitur. Anschließend wollte sie Kristallographie an der Humboldt-Universität zu Berlin studieren. Zwar wurde sie dieses Mal auf Anhieb zugelassen, aber schon im dritten Semester wieder exmatrikuliert. Man warf ihr regimekritisches Verhalten vor. Sie suchte sich einen Job als Chemielaborantin in Bitterfeld. Ein Jahr später durfte sie sich wieder immatrikulieren, nach einem ernsthaften Gespräch mit der Hochschule: Wer so gute Noten habe, müsse sich gegenüber dem sozialistischen Staat angemessen verhalten, belehrte man sie. Kurz vor ihrem Studienabschluss fiel die Mauer. „Ich las einen Aushang, dass das Hahn-Meitner-Institut (HMI) einen Kurs zur Röntgenbeugung anbot, und meldete mich an.“ Die Methodik faszinierte die Als ihr Sohn auf die Welt kam, pausierte die Wissenschaftlerin zwei Jahre. Noch während der Elternzeit bekam Susan Schorr eine Habilitationsstelle an der Universität Leipzig. Kurz vor Ende ihrer Habilitation warb dann Hans-Werner Schock vom HZB um die patente Forscherin. Er suchte eine Expertin für Röntgenstrukturuntersuchungen an Dünnschichtsolarzellen – und Susan Schorr ging zurück an das HZB und arbeitete sich in das Thema „Halbleitermaterialien“ ein. Es hätte ein kurzes Intermezzo in Berlin werden können. Denn nach Ablauf des Vertrages wäre sie zwölf Jahre befristet in der Forschung angestellt gewesen – und hätte nach dem Wissenschaftszeitvertraggesetz nicht mehr arbeiten dürfen. Susan Schorr bewarb sich auf eine W2-Professur für Geo-Materialforschung am Fachbereich „Geowissenschaften“ der Freien Universität Berlin und setzte sich gegen die Konkurrenz durch. Neben der Tätigkeit an der Uni arbeitete sie als Gruppenleiterin am HZB. Im April 2011 wurde die Abteilung „Kristallographie“ am HZB ins Leben gerufen und ihre Professur in eine S-Professur umgewandelt. An der Universität trifft 13 MATERIE ERFORSCHEN man Susan Schorr dennoch häufig an: „Es macht mir Freude, Vorlesungen zu halten und Studierende auszubilden“, erzählt sie. Heute sitzt sie in einem kleinen Büro in Wannsee mit Blick ins Grüne. Ihre Forschung konzentriert sich vor allem auf Materialien für die Energieumwandlung, insbesondere Dünnschichtsolarzellen, die sie mit Neutronen und Photonen untersucht. „Wir müssen die physikalischen Eigenschaften aus ihrer atomaren Struktur heraus verstehen. Uns interessieren Chalkopyrite, aber auch Kesterite, die die Kosten für Solarenergie senken könnten“, sagt Susan Schorr. Seit 2012 ist sie Sprecherin des Virtuellen Helmholtz-Instituts für Mikrostrukturkontrolle für Dünnschichtsolarzellen. Dazu koordiniert sie die neue Graduiertenschule „Materials for Solar Energy Conversion“ am HZB. Aus ihrer Arbeitsgruppe ist mittlerweile eine 14-köpfige Abteilung geworden, in der fünf Postdocs und drei Doktoranden arbeiten. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gerade dabei, die instrumentellen Möglichkeiten am Forschungsreaktor BER II und an der Synchrotronquelle BESSY II weiterzuentwickeln. Wer sich die verschiedenen Projekte anschaut, an denen Susan Schorr beteiligt ist, erahnt die Arbeitsbelastung. Nur das Wochenende hält sie sich für die Familie frei. Zeit für das Hobby bleibe ihr leider wenig, erzählt sie, und zeigt auf ein paar Tüten, die unten im Regal in ihrem Büro liegen. „Das sind antike Keramikscherben aus Aserbaidschan, die ich noch untersuchen will. Ich war selbst bei den Ausgrabungen dabei.“ Allein das wäre eine eigene Geschichte wert. MAGNET-VENTIL IM SANDWICH-STIL Eine am HZB entwickelte magnetische Struktur könnte Datenspeicher ermöglichen, die auch nach dem Abschalten des Stroms funktionieren. Datengedächtnis. Nun hat der HZB-Wissenschaftler Florin Radu eine elegante Lösung gefunden, um diese Beschränkung zu überwinden. Ursprünglich war es Neugier, die ihn trieb, als er das Verhalten von dicht übereinanderliegenden, ultradünnen, magnetisierbaren Schichten untersuchte. Der Physiker präparierte zwei Lagen aus verschiedenen Metall-Legierungen so, dass er ihnen mithilfe eines außen angelegten Magnetfelds zu Leibe rücken konnte. Ziel war es, die makroskopischen magnetischen Eigenschaften der Werkstoff-Kombination zu verändern und zu ergründen, was auf atomarer Ebene geschieht. MAGNETISCH WEICHE UND HARTE SCHICHTEN Booten dauert, denn nach dem Einschalten des Computers müssen alle Daten erst von der Festplatte in den – flüchtigen – Arbeitsspeicher geladen werden. Bei Magnetspeichern würde das Booten wegfallen. Text: Ralf Butscher 14 B ereits heute gibt es mit der MRAM-Technologie eine Möglichkeit, Computerdaten magnetisch zu speichern. Doch diese Bauteile konnten sich bislang nicht am Markt durchsetzen, weil sie teuer sind und die Informationen nur für eine begrenzte Zeit behalten können. Nach einigen Jahren schwindet auch bei MRAM-Speichern das Dazu verwendete er zwei metallische Legierungen: Die eine bestand aus den Elementen Eisen und Gadolinium, die andere aus Kobalt und Dysprosium. Beide Legierungen sind ferrimagnetisch. Das bedeutet: In der Eisen-Gadolinium-Legierung zeigt das Magnetfeld der Eisenatome genau in die entgegengesetzte Richtung wie das Magnetfeld der Gadoliniumatome. Und in der MATERIE ERFORSCHEN Kobalt-Dysprosium-Legierung sind die Magnetfelder des Kobalts antiparallel zu denen des Dysprosiums. Da diese atomaren Magnete bei jedem Element unterschiedlich stark sind, bleibt insgesamt ein schwaches, nach außen wirkendes Magnetfeld übrig. Der Unterschied zwischen den beiden Legierungen: Die Verbindung aus Eisen und Gadolinium ist magnetisch „weich“ und lässt sich durch ein externes Magnetfeld leicht variieren. Die Kobalt-Dysprosium-Legierung ist dagegen magnetisch „hart“ und lässt sich von einem äußeren Feld kaum beeinflussen. Die Experimente an dem Dünnschicht-Doppelpack erwiesen sich als schwieriger als erwartet. Denn im Grenzbereich zwischen den beiden Materialfilmen herrschten so starke Kräfte, dass sich die Schichten magnetisch regelrecht ineinander „verkrallten“. Zusammen mit Kollegen der RuhrUniversität Bochum und aus Nijmegen, Niederlande, ersann das Team um Radu einen Trick: Mit einer extrem dünnen Zwischenschicht aus Tantal gelang es, die magnetischen Kräfte zwischen den beiden Schichten zu dämpfen. Die Forscher konnten so den Zustand des magnetisch weicheren Metalls durch sanftes Verändern eines äußeren Felds präzise steuern. Der magnetisch harte Gegenpart in dem Material-Sandwich blieb davon weitgehend unbeeindruckt – und diente damit dem gesamten System als fester magnetischer „Anker“. SPEICHER-BAUSTEINE SCHON IN SICHT Das untersuchte Schichtsystem verhält sich wie ein „magnetisches Ventil“ oder „Spin-Ventil“ – ein Gebilde, das für die Datenspeicherung überaus verheißungsvolle Merkmale besitzt. Damit lassen sich Speicher-Bausteine kreieren, die Informationen mithilfe magnetischer Effekte konservieren – und nicht durch elektrische Spannungen, wie bei den bislang gebräuchlichen Arbeitsspeichern. Auch gegenüber den MRAM-Bauteilen besitzt das neue Magnet-Ventil Vorteile. „Bei unserem System kann man die Flüchtigkeit kontrollieren“, sagt Radu. Es lässt sich nach Belieben festlegen, ob die Informationen Wochen, Monate oder viele Jahre konserviert werden sollen. Danach lässt sich das System neu mit Daten füllen. „Es würde mich nicht wundern, wenn Spin-Ventile bald als Datenspeicher in PCs, Smartphones oder Tablet-Computern eingesetzt werden.“ Einen Patentantrag für die Entdeckung hat das HZB bereits im Frühjahr 2012 beim Deutschen Patentamt eingereicht. DOMÄNENWÄNDE ALS INFORMATIONSSPEICHER Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme eines ferromagnetischen Ringes: An den Schwarz-Weiß-Kontrasten sind die Domänenwände erkennbar. Bildrechte: A. Bisig / Uni. Mainz Physiker der Johannes Gutenberg-Universität Mainz haben erstmals direkt beobachtet, wie sich magnetische Domänen in winzigen, ringförmigen Nanodrähten verhalten. Sie nutzten dafür unter anderem die MAXYMUS-Beamline am Berliner Elektronenspeicherring BESSY II, die ein Team um Gisela Schütz vom MPI für Intelligente Systeme, Stuttgart, aufgebaut hat. Damit gelang es ihnen, in Bildsequenzen festzuhalten, wie sich die magnetischen Domänenwände mit einem äußeren Magnetfeld bewegen lassen. Markus Weigand von der MPI MAXYMUS -Endstation führt aus: „Unser Raster-Röntgenmikroskop an BESSY II ist derzeit das wohl weltweit leistungsfähigste Instrument für direkte zeitaufgelöste Abbildungen der Magnetisierungsdynamik. Die Vorgänge können in Zeitlupe um den Faktor ‚zehn Milliarden’ langsamer dargestellt werden.“ Tatsächlich ermöglichte dies spannende Beobachtungen: „Je schneller wir die Domänenwand drehen, desto einfacher ist es, sie zu kontrollieren“, so André Bisig von der Uni Mainz. Außerdem konnten sie feststellen, dass sich Defekte in den Nanodrähten nur bei langsamen Domänenwänden bemerkbar machen. Je rascher die Domänenwand gedreht wird, umso weniger spielen Defekte im Material eine Rolle. Die Ergebnisse sind für mögliche Anwendungen als Informationsspeicher oder als Lagesensoren interessant. Erste Anwendungen, die auf dem Prinzip von magnetischen Domänenwänden beruhen, werden bereits in der Sensortechnologie genutzt. 15 MATERIE ERFORSCHEN GLAS ODER FLÜSSIGKEIT? Je nachdem wie schnell eine Schmelze abkühlt, können sich innere Spannungen aufbauen. Dies wird für Hightech-Gläser wie Sicherheitsglas und Gorillaglas genutzt, deren Vorspannung für das gewünschte Verhalten unter Belastung sorgt. Doch bislang war kaum verstanden, was den Glaszustand von einer zähen Schmelze unterscheidet. Mit einem überraschend einfachen Modell haben nun Forschungsteams aus Deutschland und Kreta eine Erklärung gefunden. Die Partikel messen rund 150 Nanometer im Durchmesser und sind mit einer Schale umgeben, deren Dicke über die Temperatur eingestellt werden kann. TEM-Aufnahme: M. Siebenbürger / HZB Ein wichtiger Beitrag kam dabei aus dem HZB: Die Chemikerin Miriam Siebenbürger hat ein elegantes Modellsystem entwickelt, das aus winzigen Kunststoffpartikeln besteht, die in einer wässrigen Lösung schweben. Diese Nanopartikel besitzen eine „Schale“, deren Dicke sich über Wärme verändern lässt: Sie können daher kontinuierlich wachsen oder schrumpfen. Dadurch kann die Chemikerin ihre Proben gezielt von einem dicht gepackten „Glas“ in einen weniger dichten, flüssigen Zustand überleiten, sie also schmelzen. Miriam Siebenbürger ermittelte nun systema- tisch, wie schnell innere Spannungen in Proben mit unterschiedlichen Partikeldichten abklingen können. Dafür schloss sie die Proben zwischen zwei Platten ein, die sie gegeneinander verdrehte. Dadurch entsteht eine Scherspannung. Im Anschluss maß sie die Kraft, die nötig war, um die Platten in ihrer Position zu halten. Diese Kraft ist ein Gradmesser für die inneren Spannungen. Dabei zeigte sich der entscheidende Unterschied zwischen dem flüssigen und dem GlasZustand: Während in Flüssigkeiten Spannungen vollständig abklangen, blieb ein Teil der Spannungen im Glas-Zustand dauerhaft erhalten. Ihre Ergebnisse passen zu dem theoretischen Modell von Konstanzer Physikern, die das Verhalten harter Kugeln in unterschiedlichen Packungsdichten berechneten. Auch Messungen der inneren Spannungen an größeren Partikeln von Forschern in Kreta und Düsseldorf und Simulationen aus Köln und Mainz zeigen das gleiche Verhalten. Die Erkenntnisse könnten in die gezielte Entwicklung von Hightech-Gläsern einfließen. ÜBERRASCHENDER EINBLICK IN DIE SCHNAUZE EINES FOSSILS Der Lystrosaurus declivis lebte vor rund 250 Millionen Jahren und war damals weit verbreitet. Als dieser Schädel in Südafrika gefunden wurde, war der Knochen vollständig fossilisiert und nicht mehr vom Stein zu unterscheiden. Wissenschaftler um Oliver Hampe vom Museum für Naturkunde in Berlin haben den Sensationsfund am Berliner Forschungsreaktor bei Nikolay Kardjilov mit Neutronentomographie analysieren lassen. Die Neutronentomographie des Schädels eines Lystrosaurus declivis aus einem Fundort in Südafrika zeigt Spuren von Knorpelgewebe im Bereich der Schnauze. Sie belegen die Existenz von komplexen Nasennebenhöhlen. Bild: N. Kardjilov / HZB 16 Dabei musste der Schädel nicht aus dem Stein herauspräpariert werden. Das erwies sich als Glück: Denn als mit der Neutronentomographie Schicht für Schicht ein dreidimensionales Bild entstand, tauchten im Bereich der Schnauze Spuren von weichem Knorpelgewebe auf. Diese Gewebespuren wären durch eine mechanische Freilegung des Schädels sicher zerstört worden. Die Neutronentomographie belegt, dass der Lystrosaurus bereits über komplexe Nasennebenhöhlen verfügte. Das war für die Fachwelt eine echte Sensation. Denn Nasennebenhöhlen bringen die Atemluft auf Körpertemperatur. Kaltblüter brauchen das nicht, Warmblüter dagegen schon. Anders als bisher vermutet, war der Lystrosaurus kein kaltblütiges Reptil, sondern eher ein warmblütiges Tier. Dies könnte ihm dabei geholfen haben, größere Temperaturschwankungen besser zu ertragen, und vielleicht hat er auch deshalb das große Massenaussterben am Ende des Perm überlebt, vermuten die Paläobiologen. MATERIE ERFORSCHEN SCHALTER AUS GRAPHEN GOLD VERSTÄRKT DIE SPIN-BAHN-KOPPLUNG Seit Graphen vor wenigen Jahren erstmals isoliert worden ist, gilt das quasizweidimensionale Netz aus Kohlenstoffatomen als Wundermaterial. Es ist nicht nur mechanisch enorm belastbar, sondern auch als Basis für neue spintronische Bauelemente interessant. Diese nutzen zum Schalten die magnetischen Momente der Leitungselektronen, die so genannten Spins. Die HZB-Physiker Andrei Varykhalov, Dmitry Marchenko und Oliver Rader haben nun einen ersten Schritt auf dem Weg zu Graphen-Bauelementen gemacht. Dabei arbeiteten sie mit Kollegen aus St. Petersburg, Jülich und Harvard zusammen. Die Graphenschicht befand sich auf einem Substrat aus Nickel, dessen Atome in etwa die gleichen Abstände zueinander haben wie die Kohlenstoffatome in den sechseckigen Maschen des Graphennetzes. Anschließend bedampften sie ihre Probe mit Goldatomen. Dabei kriechen diese zwischen die Graphenschicht und die Nickelunterlage. Die Idee: Während die leichten Kohlenstoffatome im Graphen nur eine schwache Spin-Bahn-Kopplung aufweisen, ist die Kopplung in den schweren Goldatomen sehr stark und könnte die Eigenschaften im Graphen verändern. „Wir konnten durch Messungen an BESSY II zeigen, dass die Goldatome aufgrund ihrer Nähe zur Graphenschicht auch in dieser die SpinBahn-Kopplung um den Faktor 10.000 erhöhen“, erklärt Marchenko, der die Messungen im Rahmen seiner Promotion durchgeführt hat. Eine solch starke Spin-Bahn-Kopplung würde es ermöglichen, eine Art Schalter zu bauen, sagt Varykhalov, denn mithilfe dieser Kopplung könnte ein elektrisches Feld die Spins gezielt drehen. Zwei Spinfilter vor und hinter dem Bauelement würden jeweils nur Spins in eine Richtung durchlassen. Stünden die Spinfilter senkrecht zueinander, käme kein Spin mehr durch, der Schalter wäre geschlossen. Mit einem elektrischen Feld, das die Spins im Bauelement dreht, könnte sich der Schalter dann gezielt öffnen und schließen lassen. Eine Aufnahme mit dem Rastertunnelmikroskop zeigt die Topografie von Graphen auf Gold. Durch Überlagerung der Goldstruktur und der sechseckigen Bienenwabenstruktur des Graphens entsteht eine regelmäßige Überstruktur (Moiréstruktur), die zehnfach größer ist als die Maschen des Graphennetzes. Der Begriff stammt von der Moiré-Seide, bei der der gleiche Effekt eine typische Maserung erzeugt. Die Moiréstruktur beeinflusst die chemische Wechselwirkung zwischen den beiden atomaren Schichten und darüber auch die elektronischen Eigenschaften und das Verhalten der Spins. Bild: A. Varykhalov / HZB ORGANISCHE ELEKTRONIK: WIE DER KONTAKT ZWISCHEN KOHLENSTOFFVERBINDUNGEN UND METALL GELINGT „Organische Elektronik“ steckt schon heute im Display von Smartphones und könnte in Zukunft auch biegsame Leuchtfolien oder flexible Solarzellen ermöglichen. Es ist jedoch nicht einfach, die aktive organische Schicht mit Metallkontakten zu verbinden. Ein internationales Team um Georg Heimel und Norbert Koch vom HZB und der Humboldt-Universität zu Berlin fand heraus, wie ein guter Kontakt über geeignete Moleküle gelingen kann. Dabei haben sie Moleküle untersucht, deren Rückgrat aus aromatischen Kohlenstoffringen gebildet wird. Die Kandidaten unterschieden sich nur in einem Detail: Aus dem Rückgrat ragten unterschiedlich viele Sauerstoffatome. Diese Moleküle brachten sie auf typische Kontaktmetalle auf. An BESSY II untersuchten sie die Bindungen zwischen der Metalloberfläche und den Molekülen und ermittelten die Energieniveaus der Leitungselektronen. Dabei zeigte sich, dass die Moleküle bei nahem Kontakt der „Sauerstoff-Ausleger“ mit der Metalloberfläche metallische Eigenschaften annahmen. Das „nackte“ Rückgratmolekül zeigte diesen Effekt nicht. „Wir haben jetzt eine recht genaue Vorstellung davon, wie Moleküle aussehen sollten, damit sie gut zwischen einem aktiven organischen Material und einem Metall vermitteln, also gewissermaßen einen Soft Metallic Contact formen“, meint Heimel. Ihre Ergebnisse könnten dazu beitragen, die Kontaktschichten zwischen Metallelektroden und dem aktiven Material in organischen Bauelementen gezielt zu verbessern. Bild oben: Über ihre „Sauerstoff-Ausleger“ nehmen die untersuchten organischen Verbindungen Kontakt zu den Atomen der Metalloberfläche auf. Dadurch verändern sich ihre elektronischen Eigenschaften. Bild: G. Heimel / HU Berlin 17 HIER STEHT DER KOLUMNENTITEL DIE ZUKUNFT GESTALTEN Das HZB betreibt zwei Großgeräte, die jedes Jahr rund 3.000 Besuche von Messgästen aus aller Welt verzeichnen. Dabei erzeugt der Forschungsreaktor BER II Neutronen, die tief in die Materie dringen und magnetische Strukturen sowie chemische Elemente sichtbar machen. Die Synchrotronquelle BESSY II leuchtet die elektronischen Eigenschaften an Oberflächen und Grenzflächen aus und erlaubt Untersuchungen von schnellen Prozessen und chemischen Reaktionen. Die Neutronenquelle BER II wird Anfang 2020 abgeschaltet. Die nächsten Jahre werden daher intensiv genutzt. Auch BESSY II ist nun schon 15 Jahre in Betrieb. Unsere Beschleunigerexperten arbeiten mit Hochdruck an der Weiterentwicklung dieser Lichtquelle. „Zukunft gestalten“ heißt aber vor allem: künftige Forscherinnen und Forscher auszubilden und ihnen Freiräume zu bieten, um ihre wissenschaftlichen Vorhaben umzusetzen. Mit fünf Nachwuchsgruppen, einer eigenen Graduiertenschule sowie dem Schülerlabor leistet das HZB dazu wichtige Beiträge. 18 BESSER FORSCHEN AN BESSY II Kürzlich wurden wichtige Upgrade-Projekte am Elektronenspeicherring abgeschlossen – sie machen den Elektronenspeicherring fit für die Zukunft. Text: Antonia Rötger V or fast fünfzehn Jahren ging er als eine der ersten Synchrotronquellen der dritten Generation in Betrieb – der Elektronenspeicherring BESSY II in Adlershof. Die Fragestellungen der wissenschaftlichen Nutzer haben sich seither gewandelt – und damit ihre Anforderungen an die Eigenschaften des Photonenstrahls. Die Herausforderung ist es, die Anlage stets so weiterzuentwickeln, dass sie attraktiv für Nutzer bleibt. Die jüngst abgeschlossenen Upgrade-Projekte sind allerdings mehr als nur eine stetige Verbesserung. Die dadurch erreichten Strahleigenschaften sind ein enormer Fortschritt. Die mehr als 2.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die jedes Jahr an der Anlage forschen, werden davon profitieren „Was wir mit dem Upgrade von BESSY II geleistet haben, war eine Operation am offenen Herzen“, sagt Andreas Jankowiak, Leiter des Instituts „Beschleunigerphysik“ am HZB. Bei laufendem Betrieb und nur minimalem Verlust an Strahlzeit für die Nutzer haben die Beschleunigerexperten in den letzten zwei Jahren den neuen LINAC-Beschleuniger installiert und zahlreiche Komponenten ausgetauscht, um das Großgerät im so genannten Top-up-Modus zu betreiben. Dieser läuft seit Herbst 2012 und sichert den Nutzern seitdem eine nahezu konstante Intensität an Photonen. „Durch den Top-up-Modus ist es sehr viel einfacher, die ganze Maschine im thermischen Gleichgewicht zu halten“, erklärt Jankowiak. Denn da der Strahl mikrometergenau geführt werden muss, machen sich schon kleinste thermische Ausdehnungen bemerkbar. Zusätzlich wird der Elektronenstrahl durch ein „FastOrbit-Feedback“-System (FOFB) nun 150-mal in der Sekunde nachjustiert, so dass die Nutzer im Zusammenspiel beider Systeme von einem extrem stabilen und präzisen Photonenstrahl profitieren. MEHR LICHT FÜR DIE PROBEN Diese Verbesserungen spüren die Forscher an allen Beamlines, zum Beispiel auch beim Femto-slicing, einem Verfahren, mit dem die Lichtpulse zerhackt werden. Dadurch entstehen deutlich kürzere Pulse von nur rund 100 Femtosekunden. Mit diesen extrem kurzen Pulsen lassen sich atomare Ordnungsphänomene in Festkörpern genau beobachten. „Auch beim Femtoslicing hat sich die Gesamtstabilität erheblich verbessert“, sagt der Physiker Karsten Holldack, der die Arbeitsgruppe zum Femtoslicing leitet. „Die Nutzer können jetzt zudem jederzeit von der Pikosekunden-Zeitauflösung zur FemtosekundenZeitauflösung sowie variabel zwischen verschiedenen Photonenenergien umschalten, was früher nur alle acht Stunden möglich war. Wir erwarten deshalb aufregende neue Ergebnisse.“ „Ohne die Arbeit von Peter Kuske hätte das Top-up an BESSY II nicht umgesetzt werden können“, betont Andreas Jankowiak. Trotzdem sei so eine große Unternehmung natürlich immer Teamwork. „Auch die Experten aus der Beschleunigergruppe, der UndulatorAbteilung, dem Strahlenschutz und der Infrastruktur haben entscheidende Beiträge geleistet.“ 19 DIE ZUKUNFT GESTALTEN BESSY II 1.000. PROTEINSTRUKTUR Im Juli 2013 veröffentlichte ein Team um Clemens Steegborn von der Universität Bayreuth die 1.000. Proteinstruktur, die mithilfe von BESSY II entschlüsselt wurde. Dabei handelt es sich um ein Protein, das bei Alterungs-, Stress- und Stoffwechselprozessen eine Rolle spielt. Text: Antonia Rötger UWE MÜLLER „Für unsere Nutzer ist der neue PILATUS-Detektor ein weiterer Riesenfortschritt.“ 20 B ei Proteinmolekülen kommt es nicht nur auf die atomare Zusammensetzung an, sondern auch darauf, wie sich das Molekül dreidimensional faltet. Erst die genaue dreidimensionale Gestalt gibt Aufschluss darüber, welche Aufgaben ein Protein erfüllt und wie es mit anderen Molekülen wechselwirken kann. Diese Gestalt lässt sich mit der Röntgenstrukturanalyse herausfinden: Allerdings müssen die Proteine dazu erst Kristalle bilden. Die Analyse dieser oft winzigen Kriställchen erfordert extrem brillantes Röntgenlicht und besondere Messbedingungen, wie sie seit rund zehn Jahren an den MX-Beamlines an BESSY II zur Verfügung stehen. „Seit 2003 gibt es die drei MX-Beamlines an BESSY II und seither haben Forscher aus aller Welt die Möglichkeit, Proteinkristalle bei uns zu analysieren“, sagt Uwe Müller, der die MX-Beamlines an BESSY II aufgebaut hat und diese wissenschaftlich und instrumentell betreut. Erhebliche Verbesserungen am Messplatz – rasante Steigerung beim Durchsatz In den letzten Jahren hatten die HZB-Experten den Messplatz mehrfach erheblich verbessern können, das zeigt sich auch in dem rasant angestiegenen Durchsatz. Erst 2010 hatten Forscher der Bayer Healthcare Pharmaceuticals Berlin die 500. Struktur bestimmt, das Protein PIM-1. „Nur zwei Jahre später, im Mai 2012, wurden von der Steegborn-Gruppe die Daten gemessen, die jetzt zur Veröffentlichung der 1.000. Struktur geführt haben“, sagt Manfred Weiss, der zusammen mit Müller als HZB-Wissenschaftler für die MX-Beamlines verantwortlich ist. Der weitaus überwiegende Teil dieser veröffentlichten Strukturen stammt dabei aus der öffentlich finanzierten Forschung. Zwar nutzen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Industrie die Möglichkeiten an BESSY II, aber die meisten Industriestrukturen erblicken niemals das Licht der Öffentlichkeit. Seit Februar 2013 ermöglicht der neue Detektor P I L AT U S - 6 M sogar noch deutlich genauere Einblicke in die komplexen Faltungen der Lebensbausteine. „Für unsere Nutzer ist der PILATUS-Detektor ein weiterer Riesenfortschritt. Aufgrund seiner Größe, seiner Rauschfreiheit und seiner Schnelligkeit ist PILATUS-6M das Beste, was es momentan im Bereich Detektoren für Röntgenkristallographie auf dem Markt gibt“, sagt Uwe Müller. Einblicke in die Aktivität von Sirtuinen können die Entwicklung von Wirkstoffen erleichtern Die Analyse des 1.000. Proteins ist auch deshalb ein besonderes Highlight, weil Sirtuine für die medizinische Forschung interessant sind: Sirtuine regulieren Stoffwechselprozesse, Stressantworten und Alterungsprozesse im Körper und einige Sirtuine (zum Beispiel Sirt-1 und Sirt-3) spielen auch bei der Krebsentstehung eine Rolle. Ihre Aktivität gezielt mit einem Wirkstoff zu hemmen, gilt als interessanter Ansatz für neue Tumortherapien. Mit ihrer Analyse hat die Forschungsgruppe um Clemens Steegborn an der Universität Bayreuth aufklären können, wie die Aktivität von Sirt-1 und Sirt-3 durch das Molekül Ex-527 unterdrückt wird. „Wir konnten zeigen, dass Ex-527 ein Inhibitor mit einer ungewöhnlichen und zugleich sehr Sirtuinspezifischen Wirkungsweise ist“, erklärt Steegborn. „Wenn es mithilfe dieser Einsichten gelingt, gezielt nur die Aktivität eines einzigen Sirtuins zu hemmen, könnte dies ein Ansatz für eine wirksame Therapie mit nur minimalen Nebenwirkungen werden“, hofft Steegborn. Diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung sind daher für die medizinische Forschung wichtig und können bei der gezielten Entwicklung von neuen Wirkstoffen helfen. DIE ZUKUNFT GESTALTEN BESSY VSR : VARIABLE PULSLÄNGEN AN BESSY II Damit Großgeräte über mehrere Dekaden an der Spitze bleiben, arbeiten Expertinnen und Experten ständig an ihrer Weiterentwicklung. Text: Antonia Rötger B ereits jetzt hat BESSY II einen entscheidenden Vorteil: Die Anlage kann auch in einem Modus gefahren werden, der deutlich kürzere Pulse liefert als im Normalbetrieb. Forscherinnen und Forscher brauchen diese, um zum Beispiel dynamische Prozesse in Proben zu studieren. Doch zurzeit stehen an BESSY II entweder längere „helle“ Pulse mit hohem Photonenfluss zur Verfügung – oder aber kurze „dunkle“ Pulse. Letztere werden bisher nur an wenigen Tagen im Jahr erzeugt. Die Idee ist nun, an BESSY II variable Pulslängen anzubieten. Das ist ein völlig neues Konzept mit dem Namen BESSYVSR. „VSR“ steht dabei für „Variable pulse length Storage Ring“. Im Kern geht es darum, dass Nutzer an jeder einzelnen Beamline und für jedes Experiment die benötigte Pulslänge frei bestimmen können, und zwar ohne Verzicht auf Lichtintensität. „Unsere Berechnungen zeigen, dass wir mit neuarti- gen Hohlraumresonatoren variable Pulslängen von 1,5 bis 15 Pikosekunden bei voller Intensität erzeugen könnten“, erklärt der Beschleunigerexperte Andreas Jankowiak, der das Projekt leitet. Die dafür notwendigen Hohlraumresonatoren müssen allerdings aus supraleitendem Niob gebaut und bei sehr tiefen Temperaturen um zwei Kelvin betrieben werden. Außerdem müssen sie in der Lage sein, die hohen Ströme in einem Speicherring störungsfrei zu beschleunigen. Als die ersten Ideen für BESSYVSR entstanden, waren solche Kavitäten noch eine große technische Hürde. Mit dem Zukunftsprojekt BERLinPro hat sich die Situation verändert. „Genau solche Resonatoren werden auch für BERLinPro gebraucht. Die bereits begonnene Entwicklungsarbeit lohnt sich somit doppelt. Bis 2014 werden wir die Designstudie durchführen, so dass wir danach an die Umsetzung gehen können“, erklärt Andreas Jankowiak. 21 DIE ZUKUNFT GESTALTEN 1 2 4 5 3 1 Ein Meilenstein ist nach fünfjähriger Entwicklungsarbeit erreicht: So sieht die supraleitende Spule des neuen Hochfeldmagneten aus. 2 Sanft wird die Magnetspule in eine hölzerne Transportkiste verpackt. Sensoren an der Kiste zeichnen mögliche Erschütterungen während der 7 6 Text: Silvia Zerbe DER HOCHFELDMAGNET WIRD NUN IN ITALIEN MONTIERT Reise auf. 3 Mit einer Feier nimmt das 50-köpfige Entwicklungsteam GOODBYE, AMERICA! am National High Magnetic Field Laboratory (NHMFL) in Tallahassee, Florida, Abschied. 4 Goodbye: Die Spule verlässt das NHMFL. Nach etwa 270 Am HZB entsteht der weltweit stärkste Magnet für Neutronenexperimente. Die Spule wurde in den USA gebaut und im Herbst 2013 nach Europa transportiert. Der HZB-Projektleiter Peter Smeibidl begleitete am 9. Oktober 2013 persönlich seinen „Schatz“ im Flugzeug von Atlanta nach Frankfurt am Main. Damit endete ein wichtiger Projektabschitt: die Fertigung der supraleitenden Magnetspule am National High Magnetic Field Laboratory (NHMFL) in Tallahassee, USA. Mehr als 96.000 Arbeitsstunden des NHMFL stecken in der Entwicklung und Herstellung der supraleitenden Spule. Mitte Oktober ging die Reise des Magneten weiter nach Italien. In Chivasso soll die supraleitende Spule innerhalb von drei Monaten in 22 ihren Kryostaten eingebaut werden. „Diese Montage wird die nächste Herausforderung, denn niemand hat das vorher ausprobieren können. Aber wir sind sehr zuversichtlich, dass der vormontierte Hochfeldmagnet im Frühjahr die Pforte in Wannsee passieren wird“, sagt Hartmut Ehmler, Projektkoordinator des Teams. Dann beginnt vor Ort die Endmontage und Installation am Neutroneninstrument EXED. Meilen ist der Flughafen von Der Hochfeldmagnet wird eine Feldstärke von 25 bis 30 Tesla haben und damit das weltweit stärkste Magnetfeld für Neutronenstreuung erzeugen. Experimente mit Neutronen unter solch extrem starken Magnetfeldern versprechen einen besonders aufschlussreichen Einblick in das Verhalten von Materialien, unter anderem von Supraleitern. 6 & 7 Jeder Handgriff sitzt: Atlanta erreicht. 5 Letzte Station vor dem Abflug: In der Transportkiste (grau) verpackt, rollt der Laster mit der wertvollen Fracht über den Flughafen von Atlanta. Die Transportkiste wird in den Bauch des Transportflugzeugs bugsiert. Die Fachleute aus dem Cargo-Bereich erledigen diese Aufgabe mit höchster Sorgfalt. DIE ZUKUNFT GESTALTEN MESSPLÄTZE FÜR EMIL Das Großprojekt EMIL für die Forschung an Energiematerialien macht Fortschritte – statt drei wird das Labor nun vier Messplätze erhalten. Text: Christoph Neuschäffer / Hannes Schlender Bild oben: Der geplante Anbau an BESSY II schafft Platz für die Labore SISSY, CAT@EMIL sowie Rein- und Laborräume. M it EMIL (Energy Materials In situ Laboratory Berlin) wird das HZB gemeinsam mit der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ab 2015 nach besseren Materialien für die regenerative Energiegewinnung forschen. Hier fokussiert sich die Großforschung auf drängende Fragen der modernen Gesellschaft: Sie fordert und durchläuft derzeit einen Wandel zu einer nachhaltigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Sonne als Energielieferant . Um weltweit Strom in der benötigten Menge liefern zu können, müssen die Kosten für Solarenergie weiter reduziert werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unter dem Dach von EMIL arbeiten werden, wollen leistungsfähigere Dünnschichtsysteme für photovoltaische Zellen und neue katalytische Verfahren für alternative Speicherkonzepte erforschen. Sie entwickeln, analysieren und charakterisieren Energiematerialien – und zwar mit Methoden der Grundlagenforschung, mit anwendungsnahen Präparationsmethoden und ganz gezielt mit kurzen Wegen in die industrielle Umsetzung. Im Mittelpunkt des Projekts steht der Aufbau eines neuen Röntgenstrahlrohrs an der Synchrotronquelle BESSY II, mit dem diese Materialien analysiert werden können. Hier sollen insgesamt vier Experimen- tierplätze entstehen, an denen Forscher simultan Zugang zu weicher und harter Röntgenstrahlung haben. Sie können ihre Proben ohne Unterbrechung des erforderlichen Vakuums präparieren und an den Experimentierplätzen SISSY I & II@EMIL (SISSY steht für Solar Energy Materials In situ Spectroscopy) untersuchen. Während SISSY I zur Oberflächen- und Grenzflächenanalyse der im SISSYLabor präparierten Solarenergie-Materialien dient, wird an SISSY II ein vom Forschungszentrum Jülich entwickeltes Röntgen-Photoelektronen-Mikroskop (X-PEEM) aufgebaut. Für die Forschung an Katalysatoren, die für die Produktion von solaren Brennstoffen wie Wasserstoff benötigt werden, entsteht der Experimentierplatz CAT@EMIL. Am Messplatz PINK, den die MPG innerhalb der bestehenden Halle von BESSY II einrichtet und betreiben wird, steht dann nicht-resonante Röntgenfluoreszenz zur Verfügung. Im August 2013 haben die Bauarbeiten für den Anbau an BESSY II begonnen. „Hier werden die Labore SISSY und CAT@EMIL, ein Reinraum, ein Chemielabor sowie ein Elektronenmikroskopie-Labor untergebracht“, sagt Klaus Lips, der das Projekt am HZB leitet. Im Elektronenmikroskopie-Labor können dann auch Proben mit einem fokussierten Ionenstrahl präpariert werden. Bis 2015 soll EMIL betriebsbereit sein. 23 DIE ZUKUNFT GESTALTEN NEUE GRADUIERTENSCHULE AM HZB STRUKTURIERT DURCH DIE PROMOTION Im Herbst hat die Graduiertenschule „Materials for Solar Energy Conversion“ (kurz MatSEC) begonnen. MatSEC ist die erste eigene Graduiertenschule des HZB, in der sich Doktorandinnen und Doktoranden des Zentrums ausbilden lassen können. Angesiedelt ist sie an der Dahlem Research School der Freien Universität Berlin (FU). Bereits zum Sommersemester 2013 hatten sich die ersten Doktoranden eingeschrieben. Die Graduiertenschule konzentriert sich auf die Erforschung von Kesteriten, neuartigen Materialsystemen, die für Solarzellen, aber auch für die Erzeugung von solaren Brennstoffen interessant sind. Susan Schorr, HZB-Abteilungsleiterin für Kristallographie und Pro- Text: SZ 24 fessorin an der FU Berlin, ist Sprecherin der neuen Graduiertenschule. Außer der FU beteiligen sich auch die anderen Berliner Universitäten (TU und HU) sowie die BTU Cottbus. „Die Stärke der neuen Graduiertenschule MatSEC liegt genau in dieser interdisziplinären Forschungsstruktur“, sagt Susan Schorr. Die Promovierenden besuchen thematisch relevante Vorlesungen und können an Workshops, Auslandsaufenthalten und Angeboten der Dahlem Research School teilnehmen. „Wir freuen uns, dass wir sieben zusätzliche Stellen für Doktoranden zur Verfügung stellen können“, sagt Gabriele Lampert, Doktorandenkoordinatorin am HZB. Text: Hannes Schlender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HZB nach einem ersten Kick-off-Treffen zusammen mit den Promovierenden. Foto: A. Rötger / HZB. Wir freuen uns, dass wir in der Graduiertenschule sieben zusätzliche Stellen für Doktorandinnen und Doktoranden zur Verfügung stellen können. DIE ZUKUNFT GESTALTEN REGENERATIVE KRAFTWERKE IN DER SCHÜLERLABOR-AG „ALLES AUS SAUBEREM STROM“ Mit großem Einsatz waren die Kinder bei der Sache! Ihre Modellkraftwerke wandeln Wind, Sonne, Erdwärme und Wasserkraft in Strom um. Strahlend zeigen Lukas, Bennet und Anand ihre kleinen Kraftwerke, an denen sie in den letzten sechs Monaten gebastelt haben. Zusammen mit fünf weiteren Mitstreitern haben sie in der Schülerlabor-AG am HZB in Adlershof vier Modelle konstruiert: ein Windrad, einen Solarpark, ein Wasserkraftwerk und eine Geothermie-Anlage. Sie sind nicht nur liebevoll gestaltet, sondern funktionieren auch richtig. Jeweils zwei Schüler haben zusammen ein Kraftwerkmodell gebaut. Dabei durften sie von Anfang an alles selbst planen, Material beschaffen – und dann endlich loslegen. „Die Planung hat ganz schön lange gedauert“, gibt Anand zu. Die acht Jungen aus der Schülerlabor-AG besuchen die vierte bis sechste Klasse. Sie bringen meist schon Bastelerfahrung von zuhause mit, wie auch der 10-jährige Bennet, der zuhause gerne Modellflugzeuge zusammenbaut. Dass der aufgeweckte Junge regelmäßig zur AG nach Adlershof kommt, liegt vor allem an der guten Betreuung. Felix Kramer, Physikstudent aus der benachbarten Humboldt-Universität und im Schülerlabor-Team angestellt, gibt ihnen viel Freiraum, motiviert sie zu eigenen Ideen und lässt zu, dass auch einmal etwas schiefgeht – eine wichtige Voraussetzung, um zu lernen. An diesem Nachmittag wollen die Schüler den Speicher für die Minikraftwerke – das sind mehrere mit einer Kupferplatte verbundene Akkus – in Betrieb nehmen. Der Strom, den alle Kraftwerkmodelle erzeugen, soll dort zusammenfließen. Anand und Bennet machen sich gleich ans Löten, um die Kontakte herzustellen. „Das habe ich zuhause schon tausendmal gemacht“, erklärt Bennet lässig. Doch der Lötkontakt will sich einfach nicht herstellen lassen. Statt des Lötens nehmen die Jungen nun Krokodilklemmen. Das funktioniert – und die Schüler haben gleich noch etwas gelernt: Man muss sich nur zu helfen wissen. Als Nächstes führen die Schüler die Modelle vor. Der Solarpark produziert dank einer hellen Laborlampe Strom, die Peltier-Elemente im Geothermiekraftwerk arbeiten, das Windrad dreht sich und das Wasserkraftwerk läuft. Anand, der jeden Mittwoch mit der S-Bahn von Pankow zum Schülerlabor fährt, erzählt: „Mir gefällt am besten, dass unsere Kraftwerke nicht stinken.“ Text: Silvia Zerbe Nur eines fällt auf: Die Schülerlabor-AG besteht bisher nur aus Jungen. „Natürlich freuen wir uns, wenn wir noch Verstärkung von Mädchen bekommen. Alles, was man wissen muss, können sie bei uns lernen und sie haben gleichzeitig eine Menge Spaß“, sagt Ulrike Witte, Leiterin des Schülerlabors in Adlershof. 25 Emad Aziz Marcus Bär THEMA GUTER START IN DIE WISSENSCHAFTLICHE KARRIERE Junge Forscherinnen und Forscher, die eine Nachwuchsgruppe aufbauen, können ihre eigenen Ideen umsetzen, übernehmen aber auch viel Verantwortung. Text: Silvia Zerbe / Antonia Rötger A m Helmholtz-Zentrum Berlin forschen fünf Nachwuchsgruppen, eine davon wird über das BMBF finanziert, die vier anderen erhalten ein Budget aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Leitung einer Nachwuchsgruppe bietet sehr große Freiheiten und ist ein guter Start in eine wissenschaftliche Laufbahn. Die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können bald nach der Promotion ihre eigenen Forschungsziele verfolgen und werden dabei fünf Jahre lang mit bis zu 250.000 Euro jährlich gefördert. Mit diesem Budget können sie ein eigenes Team aufbauen. Für die Nachwuchsgruppenleiter wird eine gemeinsame Berufung auf eine Juniorprofessur mit einer Berliner Universität oder Hochschule angestrebt. Die jungen Forscher übernehmen dann auch Aufgaben in der Lehre und qualifizieren sich für eine Universitätskarriere. Und wenn die Zwischenbegutachtung positiv ausfällt, besteht die Möglichkeit, am Zentrum weiter zu forschen. EMAD AZIZ Emad Flear Aziz leitet eine Helmholtz-Nachwuchsgruppe und lehrt als Juniorprofessor am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin (FU). Darüber hinaus hat er einen der begehrten Starting Grant der EU eingeworben und baut ein neues „Joint-Lab“ an der FU auf, das sowohl vom HZB als auch von der FU gefördert wird. Insgesamt ste- 26 hen ihm so für seine Forschung von 2011 bis Ende 2016 knapp 3,5 Millionen Euro zur Verfügung. Von ursprünglich drei Personen ist sein Team auf über 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen. Der Chemiker Aziz entwickelt physikalische Methoden, um Reaktionen in komplexen biologischen oder chemischen Molekülsystemen in Lösungen, an Grenzflächen und Oberflächen zu untersuchen – zum Beispiel den Stoffwechsel in Muskelzellen, Prozesse in Katalysatoren und Brennstoffzellen oder Solarzellen. Er hat an BESSY II ein neues Instrument entwickelt und aufgebaut: Das LiXEdrom, ein Spektrometer mit einem Mikro-Flüssigkeitsjet, mit dem sich chemische Prozesse von Molekülen in Lösung untersuchen lassen. MARCUS BÄR Marcus Bär ist seit 2009 Leiter einer HelmholtzNachwuchsgruppe. Mit drei Doktoranden und einem Postdoc untersucht er Prozesse an Grenzflächen, die für den Wirkungsgrad von Dünnschichtsolarzellen entscheidend sind. Das Team hat eine eigene Ultrahochvakuum-Spektroskopie-Einheit aufgebaut. Außerdem arbeitet Bär intensiv am Aufbau des neuen „Energy Materials In situ Laboratory Berlin“ (EMIL) an BESSY II mit, wo er verantwortlich für die SISSY-Analytik ist, und er ist Juniorprofessor an der BTU Cottbus. DIE ZUKUNFT GESTALTEN Christiane Becker Aleksandr Matveenko Kürzlich konnte er zeigen, warum die strukturell ganz ähnlichen Kesterite deutlich weniger effizient Solarstrom liefern als so genannte Chalkopyrit-Zellen: Die elektronische Grenzflächenstruktur zwischen der Kesterit- und der Pufferschicht ist nicht optimal angepasst, es gibt dort einen „Bandversatz“. „Bei der Herstellung von Chalkopyrit-Zellen laufen ganz erstaunliche Prozesse ab, die dafür sorgen, dass man am Ende eine fast perfekt optimierte Solarzelle hat. Nun arbeiten wir daran, auch bei Kesterit-Solarzellen von solchen ‚magischen Effekten’ zu profitieren.“ CHRISTIANE BECKER Christiane Becker leitet seit Ende 2012 die Nachwuchsgruppe „Nanoarchitekturen aus Silizium für photonische und photovoltaische Anwendungen“, die vom Bundesforschungsministerium mit 950.000 Euro gefördert wird. Damit kann sie einen Doktoranden und einen Postdoc einstellen, ein weiterer Doktorand wird durch die SCHOTT AG finanziert, außerdem arbeitet eine Technikerin in ihrem Team. Die Forscherin will optische Bauelemente herstellen, indem sie die Vorzüge der Silizium-Dünnschichttechnologie mit dem neuartigen Nanoimprint-Verfahren kombiniert. Dabei werden die Nano- oder Mikrostrukturen zunächst in einen „Stempel“ eingeprägt, mit dem man anschließend diese Strukturen großflächig auf die Glasflächen auftragen und mit kristallinem Silizium beschichten kann. „Die Qualität ist erstaunlich gut, wie unsere Vorstudien gezeigt haben“, erklärt Becker. ALEKSANDR MATVEENKO Seit 2010 leitet Aleksandr Matveenko eine Nachwuchsgruppe zu „ERL-Design Simulationen“, um im Rahmen von BERLinPro die weltweit erste ERL-Anlage aufzubauen. „ERL“ steht für Energy Recovery Martina Schmid Linac, den Linearbeschleuniger mit Energierückgewinnung, der für die nächste Generation von Photonenquellen eingesetzt werden soll. Parallel dazu lehrt Aleksandr Matveenko seit März 2012 als Juniorprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Seine Gruppe besteht heute aus einem Postdoc und drei Doktoranden, die alle aus Novosibirsk kommen, einer Hochburg der russischen Forschung. ERL-basierte Lichtquellen können die hohe Lichtqualität eines langen, geraden und supraleitenden Linearbeschleunigers mit der Energieeffizienz eines Speicherrings verbinden. „Mein Zukunftstraum ist es, eine Nachfolgeanlage für BESSY II zu bauen“, sagt Matveenko. MARTINA SCHMID Seit November 2012 leitet Martina Schmid die Helmholtz-Nachwuchsgruppe „Nanooptische Konzepte für Chalkopyrit-Solarzellen“. Allerdings sind Chalkopyrite wegen des seltenen Schwermetalls Indium in der Herstellung sehr teuer. Deshalb ist es wichtig, möglichst wenig Material einzusetzen – also die Chalkopyrit-Dünnschichten beispielsweise noch dünner zu machen –, zugleich aber ihre hohen Wirkungsgrade zu erhalten. Die Lösung könnte in so genannten Nanooptischen Solarzellenarchitekturen liegen: Die Gruppe um Martina Schmid experimentiert mit metallischen Nanopartikeln, die in der Solarzelle unter einem extrem dünnen Chalkopyrit-Film liegen. „Dieser dünne Film absorbiert natürlich weniger Sonnenlicht als ein dickerer Film“, so Schmid. „Ein größerer Teil des eingestrahlten Lichts verschwindet in der Rückseite der Photovoltaik-Zelle, bevor das Chalkopyrit ihn in Strom umwandeln konnte.“ Die Nanopartikel haben die Aufgabe, dieses Licht in die Chalkopyrit-Schicht zurückzustreuen, damit es doch noch für die Energiegewinnung wirksam wird. 27 Science Photowalk 2012 Fotograf: Michael Fernahl