Bald quaken Frösche im Hechtteich

Transcrição

Bald quaken Frösche im Hechtteich
17
Bieler Tagblatt, Dienstag, 3. März 2015
Seeland
Körper & Geist Die etwas andere Maturaarbeit
Seine Mutter ist an Multiple Sklerose erkrankt. Darauf aufbauend hat Jann Kessler
einen eindrücklichen Film gedreht. Das Interview mit dem Jungregisseur lesen Sie auf Seite 19
Bald quaken Frösche im Hechtteich
Naturschutz Im Bielersee werden ab diesem Jahr keine Hechte mehr ausgesetzt. Die Hechtteiche in Täuffelen werden zwar noch
geflutet. Jetzt aber soll sich dort der gefährdete Laubfrosch vermehren.
Falls die Fischer im Bielersee in wenigen
Jahren keine Hechte fangen sollten, dürfen sie sich beim Kanton Bern beklagen.
Denn ab diesem Jahr werden im Bielersee keine Hechte mehr ausgesetzt. Das ist
eine Folge der Sparmassnahmen des
Kantons: Im Zug der Angebots- und
Strukturüberprüfung (ASP) der kantonalen Aufgaben wurde entschieden, die
Hechtzucht des Fischereistützpunktes
Ligerz aufzugeben. Damit werden auch
die Hechtteiche am Strandboden in Täuffelen nicht mehr betrieben.
Als die Hechtteiche vor 17 Jahren feierlich eingeweiht wurden, hiess es beim
Kanton, diese würden gebraucht, weil die
natürliche Vermehrung der Hechte in
der freien Natur nur noch beschränkt
funktioniere. Ungefähr eine halbe Million Baby-Hechte wurden seither jährlich
in den sechs Naturteichen in Täuffelen
aufgepäppelt. Jeweils im März wurden
die Teiche geflutet. Die Hechte wuchsen
bis auf eine Länge von rund acht Zentimetern heran, bis sie im Mai im See ausgesetzt wurden. Ob wegen der ASP nun in
vier, fünf Jahren tatsächlich weniger
Hechte den Bielersee bevölkern, ist allerdings unklar. Nach Jörg Ramseier, Leiter
des Fischereiaufsichtskreises, zu dem der
Bielersee gehört, könne es durchaus sein,
dass die natürliche Reproduktion der
Hechte reichen wird, um den Bestand
stabil zu halten.
Naturförderung gibt Gegensteuer
Was die Berufsfischer und Hobbyangler
ärgern mag, freut den obersten Naturschützer des Kantons. Wie der Bieler Urs
Känzig, Leiter der Abteilung Naturförderung (ANF), erklärt, hat die ANF die Bewirtschaftung der ehemaligen Hechtteiche übernommen. Neu sollen Laubfrösche das Erbe der Hechte antreten. Die
Bestände des gesamtschweizerisch stark
gefährdeten Laubfrosches sind nach Angaben von Pro Natura im Kanton Bern
auf wenige isolierte Standorte zusammengeschmolzen. Mit der Umnutzung
der Hechtteiche will die ANF am Bielersee Gegensteuer geben.
Peter Bösiger vom Landschaftshof in
Sutz hat auch schon eine Idee, wie er als
Spezialist für ökologische Landschaftspflege mithelfen könnte, dass es den
Laubfröschen am Strandboden in Täuffelen bald noch besser gehen würde. Bösiger schlägt vor, dass die Felder künftig
nicht mehr wie bisher einmal pro Jahr
gemäht werden. Viel besser wäre es,
wenn seine Schottischen Hochlandrin-
Freiwillige Hilfe in
Naturschutzgebieten
• Naturschutzgebiete sind seltene und
natürliche Lebensräume für bedrohte
Tier- und Pflanzenarten. Sie werden
gepflegt und unterhalten.
• Die geschützten Zonen am Bielersee
werden vor allem vom Landschaftswerk Biel-Seeland bewirtschaftet.
• Für die Heckenpflege oder die Betreuung von Amphibienzäunen setzt
der Kanton aber auch auf freiwillige
Naturschutzgebietspfleger (FNP).
Rund 90 FNP übernehmen unentgeltlich einen grossen Teil der Pflege in den
kantonalen Schutzgebieten.
• Zusätzlich bietet der Kanton Interessierten die Möglichkeit, sich als freiwillige Naturschutzaufseher (FNA) zu engagieren. Zurzeit sind im ganzen Kanton 70 FNA aktiv. Sie achten unter anderem darauf, dass die Schutzbestimmungen eingehalten werden.
pst
Link: www.be.ch/natur
In den Hechtteichen zwischen dem Hafen Täuffelen und dem Wasserkraftwerk Hagneck sollen ab diesem Frühjahr Frösche laichen. Ob die Teiche demnächst von Hochlandrindern
beweidet werden, steht noch in den Sternen.
Patrick Weyeneth
der diese Arbeit übernähmen. «Das wäre
eine ideale Ergänzung zu den Amphibien.» Im Gegensatz zum Murten- und
Neuenburgersee, wo Bösigers Hochlandrinder bereits in Naturschutzgebieten
zum Einsatz kommen, tue man sich am
Bielersee leider noch «ziemlich schwer»
damit, die zotteligen Tiere als ökologische Bewirtschafter einzusetzen.
«Hochlandrinder wären perfekt»
Von dieser Idee ist auch Dario Wegmüller sehr angetan. Er ist Leiter der Sparte
Landschaftspflege im Landschaftswerk
Biel-Seeland, das verschiedene Naturschutzgebiete am rechten Bielerseeufer
pflegt. Von daher kennt er das Täuffeler
Riet (siehe Zweittext) und die Hechtteiche bestens. «Hochlandrinder wären für
die Förderung der Amphibien perfekt»,
sagt er. Dass sie ein Blickfang für die
vorbeiradelnden Velotouristen wären,
ist für ihn zweitrangig. Die Hochlandrinder seien keine hochgezüchteten Tiere,
sie kämen mit wenig Futter aus, sagt
Wegmüller. In den Fussstapfen, welche
die Tiere im Boden hinterlassen, würden
sich die Amphibien wohlfühlen. Zudem
könnte das ganze Schutzgebiet mit
einem geringeren finanziellen Aufwand
optimal gepflegt werden. «Das eingesparte Geld könnte man für andere Arten der Naturförderung einsetzen», sagt
Wegmüller.
Nicht bloss der Natur überlassen
Die Bewirtschaftung der zahlreichen Naturschutzgebiete zwischen der St. Petersinsel und dem Nidau-Büren-Kanal steht
nur scheinbar in einem Widerspruch
zum Anliegen, die natürlichen Lebensräume zu schützen. Im Gegenteil: «Die
wertvollsten Flächen sind nicht jene, die
man einfach der Natur überlässt», sagt
Daphné Rüfenacht. Die Bieler Grossrätin
(Grüne) und Geografin ist Mitglied der
Geschäftsleitung des Landschaftswerkes.
Damit sich möglichst viele Tiere und
Pflanzen wohlfühlen und entfalten
könnten, brauche es viele verschiedene
Strukturen wie Tümpel, Gebüschgruppen, gemähte Flächen sowie Stein- und
Asthaufen. Diese Flächen bieten seltenen Arten wie Orchideen oder der Ringelnatter – dem Tier des Jahres 2015 –
die Lebensgrundlage, sagt Rüfenacht.
Würde man die Natur einfach sich selbst
überlassen, würden diese ökologisch
wertvollen Flächen verwalden. Aufgrund
der verschiedenen Strukturen sei die
Pflege jedoch sehr aufwändig und setze
fundiertes Fachwissen voraus. «Mit über
20 Jahren Erfahrung bietet das Landschaftswerk die ideale Voraussetzung,
damit auch in Zukunft Orchideen am
Südufer des Bielersees zu entdecken
sind», sagt Daphné Rüfenacht.
Wegmüller sagt, dass momentan acht
Fachleute wie Forstwarte, Landwirte
oder Landschaftsgärtner, ein Praktikant,
zwei Zivildienstleistende und 8 bis 16
Teilnehmer aus Arbeitsprogrammen in
den Naturschutzgebieten im Einsatz stehen. «Unsere Fachleute betreuen teilweise seit 20 Jahren dieselben Gebiete»,
sagt Wegmüller. Sie wüssten genau, wie
man dort mit der Natur arbeiten müsse.
Sie seien auch im pädagogischen Bereich
ausgebildet, sodass sie ihr Wissen gut an
die anderen Mitarbeiter weitergeben
können.
Sparen bei der Aufsicht
Für die ANF ist Heinz Garo vom kantonalen Werkhof in Lyss als Gebietsbetreuer
im Einsatz. Seine Funktion lässt sich am
besten mit seiner ehemaligen Berufsbezeichnung beschreiben: Naturschutzaufseher. Auch er hat drei Zivildienstleistende, die ihn bei der Arbeit unterstützen.
Zu ihren Aufgaben gehört neben dem Mä-
hen auch der Bau von Stegen und Holzschnitzelwegen in Naturschutzgebieten.
In diesem Monat hat Garo die ersten zwei
Felder der ehemaligen Hechtteiche geflutet. In den nächsten zwei Monaten kommen jeweils zwei dazu, sodass die Amphibien ungestört laichen können.
Die Zahl der Naturschutzaufseher
wurde bereits vor mehreren Jahren von
vier auf zwei halbiert und die Aufsichtsfunktion den Wildhütern übertragen. Die
Sparmassnahmen der ASP 2014 wirken
sich nun erneut auf die Aufsicht in den
Naturschutzgebieten aus: Weil fünf Stellen gestrichen wurden, können die verbleibenden Wildhüter ihre Naturschutzaufgaben nur noch sehr beschränkt
wahrnehmen. Deshalb sind die freiwilligen Naturschutzaufseher noch wichtiger
geworden.
Peter Staub
Link: www.bielertagblatt.ch
Das Flugblatt für freiwillige Helfer im
Naturschutz finden Sie online.
Flachmoore von «nationaler Bedeutung»
Der Naturschutz ist weitgehend eine
kantonale Angelegenheit. Die Schaffung
von Naturschutzgebieten ist eine der
Hauptaufgaben der Abteilung Naturförderung. Zurzeit zählt der Kanton Bern
rund 200 geschützte Gebiete. Am Bielersee gibt es aber auch Schutzzonen, die
vom Bund dazu erklärt wurden.
Zum «Bundesinventar der Flachmoore
von nationaler Bedeutung» gehören am
Bielersee Teile des Seeufers in Mörigen
und Täuffelen, das Täuffeler Riet und der
Heidenweg auf der St. Petersinsel, den
sich die Gemeinden Erlach und Twann-
Tüscherz teilen. Auf der St. Petersinsel
gibt es zudem ein Auengebiet von nationaler Bedeutung.
Das Flachmoor «Täuffeler Riet» umfasst 10,9 Hektaren, «am See» in Mörigen
und Täuffelen sind es 6,4 Hektaren. In
beiden Mooren kommt Schilfröhricht
vor. Es wird durch wenige Pflanzenarten
gebildet. Vorherrschend ist das Schilfrohr. Weitere Arten sind Rohrkolben
und Binsen. Im Moor «am See» gibt es
zudem Grosseggenried und Pfeifengraswiese. Wesentlich grösser ist das Flachmoor «Heidenweg» auf der St. Peters-
insel. Es umfasst 87,4 Hektaren. Hier
kommt neben dem Röhricht und dem
Grosseggried auch das Kalk-Kleinseggenried vor.
Die Gemeinden, auf deren Gebiet die
Flachmoore liegen, haben damit wenig
zu tun. Stephan Mathys, Bauverwalter
von Täuffelen-Gerolfingen, sagt, man
führe dort keine Pflegearbeiten durch.
Frank Herren, Gemeindeschreiber von
Mörigen, und Angela Weibel von der Gemeindekanzlei Twann-Tüscherz sind
damit zufrieden, wie die kantonalen
Stellen die Gebiete pflegen.
pst

Documentos relacionados