Als wir in Paris ankamen, dachte ich, wir sind in einem Kühlschrank
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Als wir in Paris ankamen, dachte ich, wir sind in einem Kühlschrank
TITEL Foto: Mich »Als wir in Paris ankamen, dachte ich, wir sind in einem Kühlschrank gelandet.« Ambassadeurs geschaffen. Das ist nicht wahr! Dieser Mann, immerhin die Nummer zwei an der Macht in Mali hinter dem Staatschef Moussa Traore, kam als Klient zu uns. Er war ein Fan der Band und hat sie dann beschäftigt, genau wie er Fan des Fußballclubs Djoliba AC war, wo er einmal von der Tribüne herunter dafür gesorgt hat, dass ein Elfmeter gegeben wurde. Er liebte die Künste, war lustig und sympathisch." Nein, die Ambassadeurs seien keine Jukebox für die Hautevolee gewesen, sondern eine Band fürs Volk, beteuert Seck außerdem. Schließlich habe man ja nicht nur im Motel aufgespielt, sondern Konzerte in ganz Mali gegeben. Ob denn Keita die Ambassadeurs verändert hat, oder ob der Fall eher umgekehrt lag? „Das sollten Sie besser Salif fragen", dröhnt Soumaoro vielsagend. Doch der gibt grundsätzlich sehr ungern Interviews und entzieht sich auch während des TFF Rudolstadt Befragungen, ließ aber einmal im Gespräch mit dem britischen Journalisten Andy Morgan durchblicken, dass bei den Ambassadeurs er der Lehrling gewesen sei. Fest steht, dass mit dem neuen Star in ihren Reihen die Geschichte der Ambassadeurs Fahrt aufnimmt. Mit ihnen verabschiedet sich die malische Musikszene endgültig von der sozialistischen Doktrin des Expräsidenten Modibo Keita. Der hatte in den Sechzigern als Gegenbewegung zur überwundenen Kolonialzeit Regionalorchester ins Leben gerufen und verordnete ihnen, sich dem afrikanischen Erbe zu widmen. Sein Nachfolger Traore entbindet die Bands von diesem ideologischen Überbau, schafft spielerische Freiheiten für Musiker und Tänzer, die sich nun auf kulturellen Biennalen präsentieren. Das System der Patronage geht von staatlichen Händen oft über in private. In diesem Klima können die Ambassadeurs aufblühen. 1974 kommt es im großen Fußballstadion von Bamako vor zigtausenden Anhängern zum direkten Showdown zwischen der Rail Band und den Ambassadeurs, als beide den Song „Kibaru" interpretieren. Dank Salif Keita, der seinen Gesang 6.15 FOLKER mittlerweile zu hoher Falsettkunst ausgebaut hat, ist klar, dass die an den Gleisen angesiedelten Kollegen inzwischen das Nachsehen haben. Im gleichen Jahr brechen die Ambassadeurs auch erstmals ins Ausland auf. „Als wir in Paris ankamen, dachte ich, wir sind in einem Kühlschrank gelandet", lacht Soumaoro. „Doch ich habe tolle Erinnerungen an diese Zeit, an die Bastille und an Sacre-Cceur. Wir haben dort für unsere Landsleute gespielt, die malischen Gastarbeiter, und wir haben gelernt, was es heißt, Emigrant zu sein." Sie selbst trifft dieses Schicksal vorerst noch nicht. Mittlerweile sind sie bereichert um weitere prominente Mitglieder, etwa den Balafonspieler Keletigui Diabate, der sich mit Kante Manfila die Arrangements teilt, sowie den Gitarristen Amadou Bagayoko, später eine Hälfte des blinden Duos Amadou & Mariam. Erste Aufnahmen für die aufkeimende Musikindustrie des Landes entstehen. Es sind zunächst Singles wie ihre Erkennungshymne „ Ambassadeur" oder das in der Sprache Soninke gesungene „Nagana", das an die Einheit der Völker Malis appelliert. Das Spektrum von modernisiertem Folk bis zu Anlehnungen an Soul und Funk ist auch der Grund, weshalb sich die Ambassadeurs mehrere Frontsänger leisten, ohne dass diese sich den Rang streitig machen. Jeder hat seine Domäne: Salif Keita übernimmt sowohl Karibisches als auch die im Sahel verorteten Stücke, Ousmane Dia ist für die auf Wolof interpretierten Songs zuständig, Moussa Doumbia und Idrissa Soumaoro brillieren in funkigen Nummern, die vor einem James Brown den Hut ziehen - wie etwa in „M'Bouran-Mousso", der delikaten Geschichte über die irrtümliche Verführung einer Stiefschwester. 1976 erscheint ihre erste LP, die die komplexe Seite der Ambassadeurs mit bis zu zweiundzwanzig Minuten langen Tracks zeigt, allesamt in der Griotsphäre angesiedelt. Wie sehr Salif Keita in dieser Tradition immer noch beheimatet ist, kann er zeigen, als die Gruppe vor dem guineischen Staatschef Sekou Toure auftritt und er ihm zu Füßen das Preislied „Mandjou" singt. Konzerte in Burkina Faso und Benin folgen, der Ruf der Bamako-Helden dringt bis nach Kuba, von wo sich das Orquesta Aragon nach Mali aufmacht, um ihren Adepten die Reverenz zu erweisen. Doch am Horizont dräut Ungemach für die Erfolgsverwöhnten. Das in Auflösung begriffene Militärregime greift hart durch gegen Studenten und Gewerkschafter, Oppositionelle verschwinden. Der Schutzpatron der Band, Tiekoro Bagayoko, spielt dabei eine unrühmliche Rolle, bis er selbst von Präsident Traore in die Salzminen geschickt wird. Ihres Mäzens beraubt, blicken die Ambassadeurs in eine unsichere Zukunft, schlimmer noch: Einige Politiker wollen sie ins Gefängnis stecken. So wird ihre Übersiedlung in die Elfenbeinküste im August 1978 zu einer regelrechten Flucht bei Nacht und Nebel, die die Gruppe auch auseinanderreißt, denn eine kleine Sektion der Ambassadeurs um Soumaoro bleibt zurück. Die anderen finden in Abidjan, damaliges Zentrum der afrikanischen Musikindustrie, Bedingungen vor, die ein Wirken ohne Gönner leidlich »Wir wollten immer eine Ermutigung für das malische Volk sein und ein Vorbild für die gesamte Jugend Afrikas.« ermöglichen. Durch Auftritte bei Hochzeiten, Taufen und in Clubs arbeiten sich die Exilanten hoch, neue Impulse kommen vom einstigen Rail-Band-Tastenmann Cheick Tidiane Seck, der von Salif Keita persönlich ein Einladungstelegramm erhält und mit den Aufgaben des künstlerischen Leiters betreut wird - nicht von ungefähr, gilt der Mann doch als Quincy Jones Afrikas. Reformiert als „Ambassadeurs Internationaux", machen sie ihrem Namen alle Ehre: Sie touren in Guinea und besuchen Fela Kutis Kalakuta Republic im nigerianischen Lagos. „Inspiriert durch die Besuche bei Fela, komponierten wir damals auch Afrobeat und Highlife", erinnert sich Seck. Besonders mit Keita pflegt der politisch engagierte Kuti eine enge Freundschaft, sieht in ihm sogar einen Nachfolger im Kampf für ein neues Afrika. Tatsächlich aber lässt sich beobachten, dass die Themen der Ambassadeurs zu dieser Zeit wieder mehr auf traditionelle Werte rekurrieren: Etliche Hits jener späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre wie „Seydou Bathily" oder „Kandja" sprechen von der Verherrlichung von Mande-Herrschern. Keita und Manfila klinken sich gar für zwei Duoalben aus der Band aus und versuchen es auf ganz akustischem Weg. Doch auch die Ambassadeurs kommen an zeitgenössischen Entwicklungen nicht vorbei. In den USA gehen sie mit dem Kongolesen Ray Lema, der gerade in Washington, D. C., Aufnahmetechnik studiert, ins Studio. Die teils mit Synthesizern und Drum-Maschinen überfrachteten Aufnahmen „Tounkan" und „Mana Mani" sind das Ergebnis. Der Sound der Ambassadeurs ist im Afropop-Zeitalter angekommen, es fehlt das Feuer der handgemachten Grooves. Auch sonst ist die Reise über den Atlantik nicht gerade eine Offenbarung. Die menschliche Kälte, die das Land ausstrahlt, die fehlende Solidarität schockiert die Westafrikaner. Schnell sind sie wieder zurück in Abidjan. Doch was den Sound der Neuen Welt angeht, hat Salif Keita Blut geleckt. Ganz im Gegensatz zum Bandkollegen Kante Manfila begeistert er sich für die aktuelle Technologie und die kosmopolitischeren Klänge. „Schließlich splittete sich die Band", erinnert sich Seck an die Auflösungserscheinungen. „Ein Teil spielte unter der Leitung von Manfila weiterhin im Club Les Trois Cocotiers in Abidjan. Die, die Salifs neuer Richtung folgen wollten, darunter Sänger Ousmane Dia, Gitarrist Ousmane Kouyate und ich, tourten durch Gabun, Liberia und nahmen auch an Festivals in Frankreich, etwa in Angouleme teil." Es ist diese frühe Weltmusikbegeisterung der Europäer, die den nun Les Super Ambassadeurs benannten Salif-Keita-Loyalen neue Türen öffnet. Und die letztendlich 1984 auch dazu führt, dass sich das Gros der Musiker dauerhaft in Paris niederlässt. Neuen Schwung können sie dadurch nicht mitnehmen. Auf einer Tour durch den Senegal im Folgejahr kommt es zum endgültigen Zerwürfnis. Die Ambassadeurs mögen in einer künstlerischen Sackgasse gelandet sein, doch wo ihre Historie endet, beginnt die von Salif Keita als Solokünstler. Versöhnt mit Kante Manfila, schart er den alten Kumpan sowie Musiker der Ex-Ambassadeurs und ihrer Kontrahenten, der Rail Band, um sich und produziert 1986 an der Seine sein Debüt Soro. Der Rest ist bekannt: Keita avanciert über die Jahre zu einem der größten Popstars Schwarzafrikas, der ebenbürtig neben einem Youssou N'Dour bestehen kann und sich auf jedem Album neu erfindet. Doch das ist eine andere Geschichte. Um den Lebensfaden der Ambassadeurs wieder aufzunehmen, heißt es, sage und schreibe dreißig Jahre voranzuschreiten. 2015 sieht die Wiedergeburt der Supergroup Westafrikas, und passenderweise heißt auch ihre aktuelle Veröffentlichung, eine zugegebenermaßen magere EP mit vier Stücken, Rebirth. Gründe für diese unverhoffte Neuauflage? „Das war eine Idee von Cheick Tidiane und Salif", gibt Soumaoro zu Protokoll. „Wir wollten denjenigen, die nicht mehr unter uns weilen, wie zum Beispiel dem vor vier Jahren verstorbenen Manfila, die Ehre erweisen. Und wir selbst wollen noch ein paar Jahre Leben feiern!" Und Seck beteuert: „Es ist tatsächlich der gleiche Esprit, den ich spüre, es sind die gleichen Gefühle wie während der Blütezeit." Man muss nicht lange suchen, um einen noch viel handfesteren Grund dafür zu finden, dass die Botschafter nun wieder am Start sind. Salif Keita hat sich über die Jahre immer wieder für seine Leidensgenossen eingesetzt und zusammen mit seiner Tochter Nantenin, einer Menschenrechtsanwältin und erfolgreichen Sportlerin bei den paralympischen Spielen, eine Stiftung gegründet. Die kümmert sich in einem Zentrum im malischen Kouloubleni um junge Albinos, betreut sie medizinisch und hat für sie ein Bildungsprogramm auf die Beine gestellt. Alle Erlöse aus dem Verkauf der EP kommen dieser Organisation zugute. Zu den alten Recken von damals treten nun jüngere Musiker, erstmals auch zwei Backgroundsängerinnen. Der Sound dieser „Ambassadeurs 2.0" knüpft an die glorreichen Tage der Siebziger an, vereint den Puls einer Big Band mit traditionellen Farben. Und auch der engagierte Geist der Texte ist geblieben. „In erster Linie sind wir keine politisch aktiven Menschen, sondern Künstler", sagt Seck. „Aber wir wollten immer eine Ermutigung für das malische Volk sein und ein Vorbild für die gesamte Jugend Afrikas, denn wir hatten Fans auf dem ganzen Kontinent." Nicht von ungefähr haben sie deshalb nochmals das Loblied auf die Kinder Malis, „Mali Denou" aufgegriffen - eine mentale Unterstützung, die das konfliktbeladene Land heute mehr denn je gebrauchen kann. Doch nicht nur Ethnien, auch Generationen wollen die Ambassadeurs versöhnen. „Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen steht es, den Orchestersound mit Liveinstrumenten aufrechtzuerhalten, im Gegensatz zu den Jungen, die jetzt Rap machen", fasst Soumaoro zusammen. „Aber wir wollen das so tun, dass auch die junge Generation sich mit uns identifizieren kann." Ob das den legendären Herren gelingt, lässt sich auch in diesem Herbst auf ausgewählten Konzerten in Europa nachprüfen. -^ • lesambassadeursfondationsalifkeita.com • Auswahldiskografie: Les Ambassadeurs: Rebirth (EP; World Village, 2015) Les Ambassadeurs Du Motel De Bamako (Do-CD; Sterns/Alive, 2014; Kompilation der Jahre 1975-1977) ^AMBASSADEURS Tounkan/Mana Man! (Universal, 2010; Re-Release) Les Ambassadeurs International!* (Celluloid, 1982) Tounkan (Sako Production, 1981) Mana Man! (Sako Production, 1981) Mandjou (Amons Records, 1978) Vol. 1: Les Ambassadeurs Du Motel De Bamako (Sonafric, 1977) Vol.2: Les Ambassadeurs Du Motel De Bamako (Sonafric, 1977) Les Ambassadeurs Du Motel (Sonafric, 1976) Kante Manfila & Salif Keita: Dons L'Authentiäte Vol. 1 & 2 (Badmos, 1979) • Termine: Siehe Serviceseiten in der Heftmitte und folker.de FOLKEK 6.15