Leitlinien für die Minimierung des Risikos der

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Leitlinien für die Minimierung des Risikos der
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5.3.2011
Amtsblatt der Europäischen Union
C 73/1
IV
(Informationen)
INFORMATIONEN DER ORGANE, EINRICHTUNGEN UND SONSTIGEN
STELLEN DER EUROPÄISCHEN UNION
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Leitlinien für die Minimierung des Risikos der Übertragung von Erregern der Spongiformen
Enzephalopathie tierischen Ursprungs durch Human- und Tierarzneimittel (EMA/410/01 Rev. 3)
(2011/C 73/01)
Das vorliegende Papier enthält Leitlinien zur Minimierung des Risikos der Übertragung von Erregern der
spongiformen Enzephalopathie tierischen Ursprungs durch Human- und Tierarzneimittel.
Das Ziel dieser dritten fachlichen Überarbeitung der TSE-Leitlinien (TSE = Transmissible Spongiforme
Enzephalopathien) besteht darin, den wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der transmissiblen spongi­
formen Enzephalopathien sowie die weltweite Entwicklung in Bezug auf BSE (Bovine Spongiforme Enze­
phalopathie) zu berücksichtigen.
Für die Einstufung von Ländern oder Regionen je nach ihrem BSE-Risiko beziehen sich die überarbeiteten
Leitlinien auf die vom Internationalen Tierseuchenamt (OIE) festgelegten Vorschriften, die die frühere Ein­
stufung nach dem geografischen BSE-Risiko (GBR) ersetzen. Allerdings gilt für Länder, die zwar nach den
GBR-Kriterien, aber noch nicht nach den OIE-Kriterien eingestuft wurden, die GBR-Einstufung weiter, sofern
keine Anzeichen für signifikante Veränderungen ihres BSE-Risikos vorliegen.
Es wurden neue Kriterien für die Herkunftssicherung und die Herstellungsverfahren für Gelatine und Deri­
vate von Rinderblut, die bei der Herstellung von Human- oder Tierarzneimitteln verwendet werden, sowie
ein neuer Unterabschnitt über Peptone eingeführt.
Diese Überarbeitung ersetzt die vorhergehende Revision der Leitlinien (EMEA/410/01 Rev. 2, veröffentlicht
im Amtsblatt der Europäischen Union C 24 vom 28.1.2004, S. 6). Als Zeitpunkt für die Anwendung dieser
überarbeiteten Leitlinien wird der 1. Juli 2011 vorgeschlagen.
1. EINFÜHRUNG
1.1. Wissenschaftlicher Hintergrund
Transmissible spongiforme Enzephalopathien (TSE) sind chro­
nische neurodegenerative Erkrankungen, die durch die An­
sammlung einer abnormen Isoform eines zellulären Glycopro­
teins, bekannt als PrP bzw. Prionprotein, gekennzeichnet sind.
Die abnorme Isoform des PrP (PrPTSE) unterscheidet sich vom
normalen PrP (PrPc) durch ihre hohe Proteaseresistenz und Hit­
zebeständigkeit. PrPTSE gilt als der für die Übertragung der TSEErkrankung verantwortliche Erreger.
Zu den TSE-Erkrankungen bei Tieren zählen:
— die spongiforme Enzephalopathie bei Rindern (BSE),
— die Traberkrankheit bei Schafen und Ziegen (Scrapie),
— die chronische Schwundkrankheit (Chronic Wasting Disease)
bei Hirschen und Elchen,
— die transmissible Enzephalopathie bei gezüchteten Nerzen,
— die spongiforme Enzephalopathie bei Feliden (insbesondere
Hauskatzen und in Gefangenschaft lebende Großkatzen),
sowie
— die spongiforme Enzephalopathie bei im Zoo lebenden exo­
tischen Huftieren.
Beim Menschen gehören zu den spongiformen Enzephalo­
pathien verschiedene Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
(CJK), Kuru, das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom und
die tödliche familiäre Schlaflosigkeit.
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Es sind Fälle von iatrogener Übertragung spongiformer Enze­
phalopathien aufgetreten. Bei Schafen wurde Scrapie versehent­
lich durch den Impfstoff Louping III übertragen: bei der Her­
stellung des Impfstoffs, der aus mit Formaldehyd behandeltem
Hirn- und Milzmaterial von Schafen gewonnen wird, wurde
versehentlich Material von an Scrapie erkrankten Schafen ver­
wendet. Auch ist eine Übertragung von Scrapie auf Schafe und
Ziegen durch die Verwendung eines Formol-inaktivierten Impf­
stoffs gegen ansteckende Agalaktie vorgekommen, der aus Hirn
und Milchdrüsenhomogenaten mit Mycoplasma agalactiae infi­
zierter Schafe hergestellt wurde. Beim Menschen wurden Fälle
von CJK-Übertragung auf die parenterale Verabreichung von
Wachstumshormon und Gonadotropin zurückgeführt, die aus
postmortal entnommenem menschlichen Hypophysengewebe
gewonnen wurden. CJK-Fälle werden auch mit der Verwendung
kontaminierter Instrumente in der Gehirnchirurgie und mit der
Transplantation von menschlicher Hirnhaut und Hornhaut in
Verbindung gebracht.
Die TSE-Übertragung zwischen verschiedenen Arten wird durch
verschiedene natürliche Schranken gehemmt. Dabei wird die
Übertragbarkeit durch die Herkunftstierart, den Prionenstamm,
die Dosis, den Ansteckungsweg und bei einigen Tierarten durch
das Wirtsallel des PrP-Gens beeinträchtigt. Unter bestimmten
Umständen können Artenschranken übersprungen werden.
BSE wurde erstmals 1986 im Vereinigten Königreich festgestellt.
Damals war eine große Anzahl von Rindern und Beständen
befallen. BSE wird eindeutig durch Futtermittel übertragen, wo­
bei ein Zusammenhang mit der Verfütterung von Tiermehl be­
steht, das aus TSE-infizierten Tieren gewonnen wurde. In ande­
ren Ländern traten BSE-Fälle entweder bei aus dem Vereinigten
Königreich eingeführten Tieren oder bei einheimischen Tieren
auf. Vieles spricht dafür, dass die Variante der Creutzfeldt-JakobKrankheit (vCJK) von dem Erreger ausgelöst wird, der bei Rin­
dern BSE verursacht. Daher ist größte Vorsicht geboten, wenn
biologische Materialien von Tierarten, die auf natürlichem Wege
von TSE-Erkrankungen befallen werden, für die Herstellung von
Arzneimitteln verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Rin­
dermaterial.
Im Verlauf aktiver Überwachungsprogramme wurden zwei bis
dahin unbekannte Formen atypischer BSE (BSE-L, auch als BASE
und BSE-H bezeichnet) in seltenen sporadisch auftretenden Fäl­
len aus Europa, Nordamerika und Japan ermittelt. „L“ und „H“
stehen für die höhere bzw. niedrigere elektrophoretische Posi­
tion ihrer Protease-resistenten PrPTSE-Isoformen. Wohlgemerkt
sind atypische Fälle in Ländern aufgetreten, in denen bisher
keine klassischen BSE-Fälle vorkamen, wie Schweden, oder in
denen nur wenige klassische BSE-Fälle entdeckt wurden, wie
Kanada oder USA. Der Erreger atypischer BSE wurde im Tier­
versuch auf transgene Mäuse übertragen, die das humane Prion­
protein exprimieren, sowie auf einen Javaneraffen.
Scrapie ist weltweit verbreitet. Die Krankheit ist in nahezu allen
europäischen Ländern aufgetreten. Ihre höchste Inzidenz liegt in
Zypern vor. Obgleich der Mensch seit mehr als 250 Jahren
natürlich auftretenden Scrapie-Erkrankungen ausgesetzt war,
gibt es keinen epidemiologischen Nachweis für einen direkten
Zusammenhang zwischen Scrapie und den spongiformen Enze­
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phalopathien beim Menschen (1). Allerdings besteht theoretisch
das derzeit nicht quantifizierbare Risiko, dass eventuell mit BSE
verseuchte Futtermittel zur Eiweißergänzung an Schafe verfüttert
wurden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass BSE-Erreger,
die durch verseuchtes Futtermittel auf kleinere Wiederkäuer
übertragen werden, voraussichtlich in den Recycling-Kreislauf
gelangen und sich weiter ausbreiten (2).
Aus wissenschaftlichen Gründen und zur Entwicklung von Tests
ist es sinnvoll, Zellen mit TSE-Erregern zu infizieren. Es wurde
über einige Erfolge berichtet, in der Regel, aber nicht immer, mit
Nervenzelllinien. Noch ist nicht ganz erforscht, unter welchen
Bedingungen eine Zelle infiziert wird, und das Verfahren ist
schwierig, da es bestimmte Kombinationen von Erreger und
Zelle erfordert. So wird es nicht als sinnvoll betrachtet, spezielle
Empfehlungen für die zur Herstellung biologischer/biotechnolo­
gischer Stoffe zu verwendenden Zellsubstrate abzugeben.
Gleichwohl ist die Möglichkeit der Infektion von Zelllinien
mit TSE-Erregern bei der Risikobewertung zu berücksichtigen.
1.2. Überwachung der Einhaltung der geltenden Rechtsvor­
schriften
Risikobewertung — Da sich die Verwendung aus Tieren ge­
wonnener Materialien für die Herstellung einiger Arzneimittel
nicht vermeiden lässt und ein vollständiger Risikoausschluss
an der Quelle selten möglich ist, dienen die Maßnahmen zur
Eindämmung des Risikos einer TSE-Übertragung bei Tieren
durch Arzneimittel vielmehr der Minimierung des Risikos als
seinem Ausschluss. Folglich sollte die Überwachung der Einhal­
tung der geltenden Rechtsvorschriften auf der Grundlage einer
Risikobewertung durchgeführt werden, wobei alle in diesen Leit­
linien genannten einschlägigen Faktoren zu berücksichtigen sind
(siehe unten).
Rechtsgrundlage — Diese Leitlinien werden von der Europäi­
schen Kommission veröffentlicht gemäß
— Anhang I Teil I Modul 3 Abschnitt 3.2, „Wesentliche Grund­
sätze und Anforderungen“, Nummer 9 der Richtlinie
2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschafts­
kodexes für Humanarzneimittel (3), in der geänderten Fas­
sung, und
— Anhang I Titel I Teil 2 Buchstabe C, „Kontrolle der Aus­
gangsstoffe“ der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur
Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimit­
tel (4), in der geänderten Fassung.
(1) Dies wird derzeit von EFSA und ECDC geprüft. Aktuelle Informa­
tionen
sind
von
folgender Website
abrufbar: http://
registerofquestions.efsa.europa.eu/roqFrontend/questionsListLoader?
mandate=M-2009-0221.
(2) Im Januar 2005 wurden nach der Bestätigung eines BSE-Falls bei
einer Ziege in Frankreich zusätzliche legislative Maßnahmen zur
Überwachung und verstärkten Testung kleiner Wiederkäuer getrof­
fen. Bei dieser verstärkten Überwachung wurden keine weiteren BSEFälle bei Schafen und Ziegen in der EU gefunden.
(3) ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67.
(4) ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 1.
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Nach diesen Richtlinien muss bei der Stellung eines Antrags auf
eine Zulassung für Human- bzw. Tierarzneimittel der Nachweis
erbracht werden, dass die Arzneimittel gemäß der im Amtsblatt
der Europäischen Union veröffentlichten jüngsten Fassung dieser
Leitlinien hergestellt werden. Diese Verpflichtung bleibt auch
nach der Erteilung der Zulassung bestehen.
Der Grundsatz der spezifizierten Risikomaterialien nach der Ver­
ordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und
des Rates (5) gilt per definitionem nicht für Arzneimittel. In der
seit dem 1. Mai 2003 geltenden Verordnung (EG)
Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (6)
sind allerdings Hygienevorschriften für nicht für den mensch­
lichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte festgelegt.
Alle tierischen Nebenprodukte, die bei der Herstellung von Arz­
neimitteln als Ausgangsmaterialien verwendet werden, sollten
— generell und sofern nicht ordnungsgemäß begründet — Ma­
terialien der Kategorie 3 (d. h. sichere Materialien) oder gleich­
wertig im Sinne der genannten Verordnung sein. Die Verwen­
dung von anderen Stoffen (z. B. von Stoffen, die aus anderen,
hochinfektiösen Materialien gewonnen werden) muss nach einer
geeigneten Nutzen-Risiko-Analyse begründet werden (siehe un­
ten).
Diese Leitlinien sind im Zusammenhang mit den verschiedenen
Rechtsinstrumenten der Europäischen Union, einschließlich der
seit 1991 schrittweise umgesetzten Entscheidungen der Kom­
mission, zu sehen. Gegebenenfalls wird auf diese Entscheidun­
gen im Text Bezug genommen. Die Stellungnahmen und Erläu­
terungen des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) und
des Ausschusses für Tierarzneimittel (CVMP) sind für die Über­
wachung der Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften wei­
terhin maßgebend, sofern sie nicht durch diese Leitlinien ersetzt
werden.
In das Europäische Arzneibuch wird eine allgemeine Monografie
mit dem Titel: „Produkte, die Erreger von spongiformen Enze­
phalopathien tierischen Ursprungs übertragen können“ auf­
genommen. Diese Monografie, die sich auf ein allgemeines Ka­
pitel des Europäischen Arzneibuchs bezieht, ist mit den vorlie­
genden Leitlinien identisch. Auf der Grundlage dieser Monogra­
fie werden Eignungszertifikate ausgestellt, die als Nachweis dafür
gelten, dass zur Herstellung von Human- und Tierarzneimitteln
verwendete Stoffe und Materialien den TSE-Vorschriften ent­
sprechen.
Erläuterungen zu den Leitlinien — Da sich der Wissensstand
zu TSE und insbesondere zur Pathogenese dieser Erkrankungen
ständig weiterentwickelt, kann es von Zeit zu Zeit erforderlich
werden, dass der CHMP und seine Arbeitsgruppe „Biotechnolo­
gie“ in Zusammenarbeit mit dem CVMP und dessen Arbeits­
gruppe „Immunologie“ zusätzliche Stellungnahmen oder Erläu­
terungen zu diesen Leitlinien ausarbeiten. Diese werden von der
Kommission veröffentlicht und auf die Website der Europäi­
schen Arzneimittel-Agentur (EMA) gesetzt. Darüber hinaus wer­
(5) ABl. L 147 vom 31.5.2001, S. 1.
(6) ABl. L 273 vom 10.10.2002, S. 1. Die Verordnung (EG) Nr.
1774/2002 wurde durch die ab 4. März 2011 geltende Verordnung
(EG) Nr. 1069/2009 (ABl. L 300 vom 14.11.2009, S. 1) aufgeho­
ben.
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den sie bei der Zertifizierung der Europäischen Direktion für
Arzneimittelqualität (EDQM — European Directorate for the
Quality of Medicines) entsprechend berücksichtigt.
2. GELTUNGSBEREICH
TSE-relevante Tierarten — Zu den TSE-relevanten Tierarten
zählen per definitionem Rinder, Schafe, Ziegen und sonstige
Tiere, die naturgemäß für eine Infektion mit Erregern der trans­
missiblen spongiformen Enzephalopathie bzw. für eine Infek­
tion auf oralem Wege anfällig sind. Ausgenommen sind Men­
schen (7) und nicht-menschliche Primaten (8).
Materialien — Gegenstand dieser Leitlinien sind von TSE-rele­
vanten Tierarten stammende Materialien, die verwendet werden
für die Herstellung von
— Wirkstoffen,
— Hilfs- und Trägerstoffen sowie
— Rohmaterialien, Ausgangsmaterialien und Reagenzien für die
Arzneimittelproduktion (z. B. Rinderserumalbumin, Enzyme,
Zellkulturmedien einschließlich der für die Herstellung von
Arbeitszellbänken bzw. neuen Masterzellbänken für Arznei­
mittel verwendeten, für die eine neue Zulassung erforderlich
ist).
Diese Leitlinien gelten auch für Materialien, die bei der Herstel­
lung des Arzneimittels mit den benutzten Ausrüstungsgegen­
ständen bzw. mit dem Arzneimittel selbst in Berührung kom­
men und daher eine Kontamination verursachen könnten.
Bei Materialien, die für die Eignungsprüfung von Anlagen und
Ausrüstungsgegenständen verwendet werden (z.B. Zellkulturme­
dien für Media Fills zur Validierung des aseptischen Abfüllver­
fahrens), wird davon ausgegangen, dass sie diesen Leitlinien
entsprechen, sofern das Gewebe, dem die Bestandteile entnom­
men wurden, keine nachweisbare Infektiosität aufweist (Gewebe
der Kategorie IC), auf das Risiko einer Kreuzkontamination mit
eventuell infiziertem Gewebe hin überprüft wurde (siehe Ab­
schnitt 3.3) und aus Ländern mit vernachlässigbarem oder kon­
trolliertem BSE-Risiko (Kategorien A bzw. B — siehe Abschnitt
3.2) stammt. Die entsprechenden Informationen sind in den
Antragsunterlagen für die Zulassung anzugeben. Während der
Routinekontrolle wird überprüft, ob sie mit der Guten Herstel­
lungspraxis übereinstimmen.
(7) Der Ausschuss für Humanarzneimittel und seine Arbeitsgruppe „Bio­
technologie“ haben Leitlinien und Stellungnahmen zu aus mensch­
lichem Gewebe stammenden Arzneimitteln in Verbindung mit CJK
und vCJK veröffentlicht. Diese Unterlagen sind von folgender Web­
site abrufbar: http://www.ema.europa.eu.
(8) Schweine und Vögel sind für die Herstellung von Arzneimitteln von
besonderer Bedeutung. Diese Tierarten sind für eine Infektion auf
oralem Wege naturgemäß nicht anfällig. Daher zählen sie nicht zu
den TSE-relevanten Tierarten im Sinne dieser Leitlinien. Dies gilt
auch für Hunde, Kaninchen und Fische.
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Bei anderen Materialien, wie beispielsweise Reinigungsmittel,
Weichspüler und Schmierstoffe, die während der Routineherstel­
lung, der Fertigstellung oder der Primärverpackung mit dem
Arzneimittel in Berührung kommen, wird davon ausgegangen,
dass sie diesen Leitlinien entsprechen, sofern es sich um Talgde­
rivate handelt, die unter Anwendung der strengen physikalischchemischen Verfahren gemäß Abschnitt 6 gewonnen werden.
Saatgutpartien, Zellbänke und Routinefermentierung/-her­
stellung (9) — Zwecks Überwachung der Einhaltung der gelten­
den Rechtsvorschriften fallen Master-Saatgut und Master-Zell­
bänke, die in Anträgen auf eine Zulassung angegeben werden,
unter diese Leitlinien, sofern die Anträge nach dem 1. Juli 2000
(für Humanarzneimittel) bzw. nach dem 1. Oktober 2000 (für
Tierarzneimittel) eingereicht wurden.
Bei Master-Zellgut und Master-Zellbänken
— für Impfantigene,
— für ein mit Hilfe eines biotechnologischen Verfahrens her­
gestelltes Arzneimittel gemäß dem Anhang der Verordnung
(EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des
Rates (10) und
— für sonstige Arzneimittel, zu deren Herstellung Saatgut- oder
Zellbanksysteme verwendet werden,
deren Verwendung zur Herstellung eines Bestandteils eines zu­
gelassenen Arzneimittels genehmigt wurde, wird davon aus­
gegangen, dass sie diesen Leitlinien entsprechen, selbst wenn
die entsprechenden Anträge auf eine Zulassung nach dem
1. Juli 2000 (für Humanarzneimittel) bzw. nach dem
1. Oktober 2000 (für Tierarzneimittel) eingereicht wurden.
Für Master-Zellbänke und Master-Saatgut, die zwar vor dem
1. Juli 2000 (für Humanarzneimittel) bzw. vor dem
1. Oktober 2000 (für Tierarzneimittel) erstellt, jedoch noch
nicht als Bestandteil eines zugelassenen Arzneimittels genehmigt
wurden, ist der Nachweis zu erbringen, dass sie die Anforde­
rungen dieser Leitlinien erfüllen. Falls für einige Roh- bzw. Aus­
gangsmaterialien oder Reagenzien, die für die Erstellung dieser
Zellbänke oder Saatgutsysteme verwendet werden, kein vollstän­
diges Nachweismaterial (mehr) vorhanden ist, legt der Antrag­
steller eine Risikobewertung nach Abschnitt 4 dieser Leitlinien
vor.
Auch bei Arbeitssaatgut und Arbeitszellbänken zur Herstellung
von Arzneimitteln, welche vor dem 1. Juli 2000 (Humanarznei­
mittel) bzw. vor dem 1. Oktober 2000 (Tierarzneimittel) zuge­
lassen wurden, und deren Zulassung von der zuständigen Be­
hörde des jeweiligen Mitgliedstaates oder der EMA nach einer
(9) Siehe auch: Positionspapier über die Bewertung des Risikos der
Übertragung von Erregern der spongiformen Enzephalopathie tieri­
schen Ursprungs durch Stammimpfgut, das bei der Herstellung von
Tierimpfstoffen verwendet wird (EMEA/CVMP/019/01, Februar
2001, verabschiedet vom Ausschuss für Tierarzneimittel (CVMP)
im Juli 2001 (ABl. C 286 vom 12.10.2001, S. 12).
(10) ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1.
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ordnungsgemäß durchgeführten Risikobewertung befürwortet
wurde, wird davon ausgegangen, dass die Anforderungen dieser
Leitlinien erfüllt sind.
Werden allerdings zur Fermentierung, für Routineproduktions­
verfahren oder zur Erstellung von Arbeitssaatgut und Arbeits­
zellbänken Materialien verwendet, die von TSE-relevanten Tier­
arten stammen, muss der Antragsteller nachweisen, dass diese
die Anforderungen der Leitlinien erfüllen.
3. ALLGEMEINE ERWÄGUNGEN
3.1. Wissenschaftliche Grundsätze für die Risikominimierung
Wenn die Hersteller die Wahl haben, ist die Verwendung von
aus „nicht-TSE-relevanten Tierarten“ gewonnenen Materialien
oder von Materialien nicht-tierischen Ursprungs vorzuziehen.
Werden Materialien verwendet, die von „TSE-relevanten Tier­
arten“ stammen, anstatt Materialien von „nicht-TSE-relevanten
Tierarten“ oder Materialien nicht-tierischen Ursprungs, so ist
dies zu begründen. Ist die Verwendung von Materialien von
„TSE-relevanten Tierarten“ unumgänglich, so sollten alle zur
Minimierung des Risikos einer TSE-Übertragung erforderlichen
Maßnahmen geprüft werden.
Unmittelbar anwendbare In-vivo-Diagnoseverfahren zur Feststel­
lung einer TSE-Infektiosität stehen noch nicht zur Verfügung.
Die Diagnose basiert auf einer postmortalen histopathologischen
Bestätigung charakteristischer Hirnschädigungen und/oder auf
der Feststellung von PrPTSE durch das Western-Blot-Verfahren
oder mittels Immunassay. Die Infektiosität lässt sich auch nach­
weisen durch Inokulation verdächtigen Gewebes in Zieltierarten
oder Labortieren. Allerdings liegen die Ergebnisse der In-vivoTests aufgrund der langen Inkubationszeit der TSE-Erkrankun­
gen erst nach Monaten oder Jahren vor.
Für den Nachweis von PrPTSE in post-mortalen Proben wurden
mehrere immunchemische Tests entwickelt; einige davon gelten
inzwischen als äußerst sensitiv. Ob sie die Infektion eines Tieres
nachweisen können, hängt jedoch davon ab, in welchem zeitli­
chen Abstand zur Exposition die Probe entnommen wurde, um
welche Art Gewebe es sich dabei handelt und wie hoch die
Infektionsdosis ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, wann die
klinische Erkrankung eingesetzt hat. Zurzeit liegen keine aus­
reichenden Erkenntnisse darüber vor, welchen Einfluss Stamm­
variationen in diesem Zusammenhang haben können.
Durch ein Screening-Verfahren mit In-vitro-Tests kann zwar ver­
hindert werden, dass Material von Tieren verwendet wird, die
sich in den letzten Inkubationsstadien der Krankheit befinden.
Außerdem können diese Untersuchungen Informationen über
den epidemiologischen Status eines bestimmten Landes oder
einer bestimmten Region liefern. Doch gilt keiner der Tests
als geeignet, um eindeutig den negativen Status eines Tieres
zu bestätigen.
Die Minimierung der Risiken einer TSE-Übertragung basiert auf
folgenden drei sich ergänzenden Parametern:
— geografische Herkunft der Tiere,
— Art des zur Herstellung verwendeten Tiergewebes und der
Verfahren, die zur Verhinderung
— einer Kreuzkontamination mit Material einer höheren Risi­
kogruppe angewandt werden,
— Herstellungsverfahren einschließlich des vorhandenen Quali­
tätssicherungssystems zur Sicherstellung der Konsistenz und
der Rückverfolgbarkeit des Produkts.
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3.2. Herkunft der Tiere
Die Ausgangsmaterialien für die Produktion von Materialien, die
ihrerseits zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden,
müssen von Tieren stammen, die bei der Schlachttier- und
Fleischuntersuchung nach den Anforderungen der EU oder ent­
sprechenden Anforderungen (eines Drittlandes) für genusstaug­
lich befunden wurden. Stammen die Materialien von lebenden
Tieren, so müssen diese nach einer tierärztlichen Untersuchung
für gesund befunden worden sein.
3.2.1 Geografische Herkunft der Tiere
3.2.1.1. Rindermaterialien
Das Internationale Tierseuchenamt (Organisation Internationale
des Epizooties — OIE) (11) legt die Kriterien für die Einstufung
von Ländern in Abhängigkeit vom BSE-Status im Kapitel über
BSE im Internationalen Tiergesundheitskodex fest. Länder oder
Regionen werden folgendermaßen eingestuft:
A. Länder oder Regionen mit vernachlässigbarem BSE-Risiko,
B. Länder oder Regionen mit kontrolliertem BSE-Risiko,
C. Länder oder Regionen mit unbestimmtem BSE-Risiko.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 der Kommission, in
der geänderten Fassung (12), ist die Einstufung von Ländern und
Regionen nach ihrem BSE-Risiko auf der Grundlage der OIERegeln in der EU seit dem 1. Juli 2007 rechtsverbindlich. Die
Entscheidung 2007/453/EG der Kommission (13), in der geän­
derten Fassung, enthält die Einstufung von Ländern und Regio­
nen nach ihrem BSE-Risiko.
Zuvor hatte der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss
(WLA) (14) der Europäischen Kommission ein System zur Ein­
stufung der Länder in Abhängigkeit von ihrem geografischen
BSE-Risiko (GBR) (15) ausgearbeitet.
___________
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Für die Zwecke dieser Leitlinien sollte die BSE-Einstufung nach
den OIE-Regeln verwendet werden. Ist ein Land, das zuvor nach
den GBR-Kriterien eingestuft wurde, noch nicht nach den OIERegeln eingestuft worden, so kann die GBR-Einstufung bis zur
OIE-Einstufung Anwendung finden, sofern keine Anzeichen für
eine signifikante Veränderung des BSE-Risikos vorliegen (16).
Falls eine Wahlmöglichkeit besteht, sollten die Tiere aus Ländern
der niedrigstmöglichen BSE-Kategorie (vernachlässigbares BSERisiko — Kategorie A) stammen, es sei denn die Verwendung
von Material aus Ländern einer höheren BSE-Kategorie ist ge­
rechtfertigt. Einige der in Abschnitt 6 „Spezifische Bedingungen“
aufgeführten Materialien können aus Ländern mit kontrolliertem
BSE-Risiko (Kategorie B), in einigen Fällen sogar aus Ländern
mit unbestimmten BSE-Risiko (Kategorie C) stammen, sofern die
Kontrollen und Anforderungen der entsprechenden nachstehen­
den Abschnitte durchgeführt bzw. erfüllt werden. Abgesehen
von diesen Ausnahmefällen, darf von Tieren aus Ländern mit
unbestimmtem BSE-Risiko (Kategorie C) kein Material verwen­
det werden. Die Verwendung von Tieren aus Ländern mit unbe­
stimmtem BSE-Risiko (Kategorie C) ist stets zu begründen.
3.2.1.2. Schafe und Ziegen (kleine Wiederkäuer)
Natürlich auftretende klinische Scrapie-Fälle wurden weltweit in
einer Reihe von Ländern festgestellt. Da BSE bei Schafen irr­
tümlicherweise für Scrapie gehalten werden könnte, muss als
Vorsichtsmaßnahme bei Materialien, die von kleinen Wieder­
käuern gewonnen werden, sowohl die Verbreitung von BSE
und Scrapie in dem betreffenden Land als auch die Art des
Gewebes, aus dem die Materialien stammen, berücksichtigt wer­
den.
(11)
(12)
(13)
(14)
http://www.oie.int/eng/Status/BSE/en_BSE_free.htm.
Verordnung (EG) Nr. 722/2007 (ABl. L 164 vom 26.6.2007, S. 7).
ABl. L 172 vom 30.6.2007, S. 84.
Der durch den Beschluss 97/404/EG der Kommission (ABl. L 169
vom 27.6.1997, S. 85) eingesetzte Wissenschaftliche Lenkungsaus­
schuss unterstützt die Kommission bei der Aufgabe, in Fragen der
Verbrauchergesundheit die bestmöglichen wissenschaftlichen Gut­
achten einzuholen. Seit Mai 2003 werden die Aufgaben des Aus­
schusses von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit
(EFSA) übernommen): http://www.efsa.europa.eu
(15) Die Klassifizierung des geografischen BSE-Risikos (GBR) des Wis­
senschaftlichen Lenkungsausschusses gibt einen Hinweis auf die
Wahrscheinlichkeit, dass in einem Land oder einer Region eine
klinische oder präklinische BSE-Infektion bei einem oder mehreren
Rindern auftritt. Die folgende Tabelle enthält die Definition der vier
Kategorien:
GBR-Kategorie
I
II
III
IV
Auftreten einer klinischen oder präklinischen BSE-Infektion
bei einem oder mehreren Rindern in einem Land oder
einer Region
Höchst unwahrscheinlich
Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen
Wahrscheinlich, aber nicht bestätigt bzw. bestätigt
bei niedriger Inzidenz
Bestätigt bei hoher Inzidenz (≥ 100 BSE-Fälle/1
Mio. ausgewachsener Rinder pro Jahr)
Berichte über die GBR-Bewertung der einzelnen Länder stehen auf
der WLA-Website (http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/outcome_en.
html) zur Verfügung.
Die Grundsätze für „Rinderbestände mit vernachlässigbarem
BSE-Risiko (geschlossene Rinderbestände)“ (siehe Abschnitt
3.2.2) könnten auch auf kleine Wiederkäuer angewandt werden,
um auf diese Weise den Rahmen für die Feststellung des TSEStatus eines Bestands von kleinen Wiederkäuern zu schaffen.
Um TSE-freie Bestände zu schaffen, ist bei Schafen aufgrund
der Möglichkeit einer BSE-Infektion die Verwendung eines BSE/
Scrapie-resistenten Genotyps zu erwägen (17). Allerdings ist da­
bei auch zu berücksichtigen, dass gegen Scrapie resistente Geno­
typen für BSE (experimentelle orale Exposition) oder atypische
Scrapie (natürliche Fälle) empfänglich sein könnten. Bei Ziegen
liegen jedoch noch keine ausreichenden Erkenntnisse über eine
Genotyp-spezifische Sensitivität vor.
___________
(16) Experten halten die GBR-Einstufung für stabil genug, so dass sie
vorläufig zum Nachweis der Konformität mit diesen Leitlinien wei­
ter verwendet werden kann.
(17) Gutachten des Wisenschaftlichen Gremiums für biologische Gefah­
ren zum „Zuchtprogramm für TSE-Resistenz bei Schafen“: http://
www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753812_
1178620775678.htm.
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hohen Infektionstiter erreicht, sowie bestimm­
tes Gewebe, das anatomisch mit dem ZN in
Verbindung steht.
Materialien kleiner Wiederkäuer sollten vorzugsweise aus Län­
dern stammen, in denen Scrapie schon lange nicht mehr auf­
getreten ist. Stammt das Material aus anderen Ländern bzw.
Beständen, so ist dies zu begründen.
3.2.2 Rinderbestände mit vernachlässigbarem BSE-Risiko
(geschlossene Rinderbestände)
Am sichersten ist die Herkunft aus Ländern oder Regionen mit
vernachlässigbarem BSE-Risiko (Kategorie A). In anderen Län­
dern treten/traten vielleicht BSE-Fälle während eines bestimmten
Zeitraums auf. Für diesen Fall hat der WLA mit Unterstützung
des CHMP und des CVMP das praktische Konzept der „Rinder­
bestände mit vernachlässigbarem BSE-Risiko (geschlossene Rin­
derbestände)“ ausgearbeitet. Die Kriterien für die Schaffung und
Erhaltung eines „Rinderbestands mit vernachlässigbarem BSERisiko (geschlossenen Rinderbestands)“ sind im Gutachten des
WLA vom 22./23. Juli 1999 (18) enthalten.
Bisher ist es nicht möglich, die Verringerung des geografischen
BSE-Risikos für Tiere aus „Rinderbeständen mit vernachlässig­
barem BSE-Risiko (geschlossenen Rinderbeständen)“ zu quanti­
fizieren. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich das Risiko
erheblich verringern lässt. Daher wird bei der Risikobewertung
neben der OIE-Einstufung des Landes auch die Entnahme von
Materialien aus solchen geschlossenen Beständen berücksichtigt.
3.3. Tierkörperteile, Körperflüssigkeiten und Sekrete als Aus­
gangsmaterialien
Bei TSE-infizierten Tieren sind die unterschiedlichen Organe und
Sekrete unterschiedlich infektiös. Ist die Verwendung von Mate­
rialien von „TSE-relevanten Tierarten“ unumgänglich, so ist da­
rauf zu achten, dass es sich um Materialien der niedrigsten
Risikokategorie handelt. In den Tabellen im Anhang dieser Leit­
linien (19) sind die aktuellen Daten über die Verbreitung der
BSE-Infektiosität und von PrPTSE bei Rindern sowie zur Scra­
pie-Infektiosität bei Schafen und Ziegen zusammengefasst (20).
Diese Daten basieren ausschließlich auf Beobachtungen von na­
türlich auftretenden Erkrankungen oder experimentellen Erst­
infektionen auf oralem Wege (bei Rindern). Angaben über Ver­
suche mit an Labortiere angepassten TSE-Stämmen sind nicht
berücksichtigt, da die Phänotypen passagierter Stämme von den
Phänotypen natürlich auftretender Krankheiten in signifikanter,
nicht vorhersagbarer Weise abweichen können. Da sich heraus­
gestellt hat, dass die Feststellung von umgefaltetem Wirtsprotein
(PrPTSE) nach dem immunhistochemischen und/oder dem Wes­
tern-Blot-Verfahren ein indirektes Anzeichen für eine Infektiosi­
tät darstellt, wurden die PrPTSE-Testergebnisse neben den Bio­
assay-Daten dargestellt. Die Gewebe werden ungeachtet des
Krankheitsstadiums in drei Infektiositäts-Hauptkategorien unter­
teilt:
Kategorie IA:
Hohe Infektiosität des Gewebes: Gewebe des
Zentralen Nervensystems (ZN), das in den letz­
ten Stadien aller TSE-Erkrankungen einen
(18) Wissenschaftliches Gutachten des WLA zu den Bedingungen für
„Rinderbestände mit vernachlässigbarem BSE-Risiko (geschlossene
Rinderbestände)“, verabschiedet in der Sitzung vom 22./23. Juli
1999. http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/out56_en.html.
(19) Die Tabellen mit der Gewebeklassifikation basieren auf den jüngsten
WHO-Leitlinien über die Verteilung der Gewebeinfektiosität bei
transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (2010) http://
www.who.int/bloodproducts/tablestissueinfectivity.pdf.
(20) Ein wissenschaftliches Gutachten über BSE/TSE-Infektiosität bei klei­
nen Wiederkäuern wird zurzeit von der EFSA überarbeitet (Anfrage
Nr. EFSA-Q-2010-052). Aktuelle Informationen sind von folgender
Website
abrufbar:
http://registerofquestions.efsa.europa.eu/
roqFrontend/questionsListLoader?mandate=M-2010-0041.
5.3.2011
Kategorie IB:
Mäßige Infektiosität des Gewebes: Peripheres
Gewebe mit positivem Befund beim Infektiosi­
täts- und/oder PrPTSE-Test bei zumindest einer
TSE-Form.
Kategorie IC:
Keine nachweisbare Infektiosität des Gewebes:
Gewebe, das mit negativem Befund auf Infek­
tiosität getestet wurde, d. h. dass keine Infek­
tiosität und/oder kein PrPTSE nachgewiesen
werden konnte.
Gewebe der Kategorie IA und daraus gewonnene Stoffe dürfen
zur Herstellung von Arzneimitteln nicht verwendet werden, es
sei denn, die Verwendung ist begründet (siehe Abschnitt 5).
Die Kategorie „Mäßige Infektiosität des Gewebes“ (Gewebe der
Kategorie IB) umfasst mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Ge­
webe einer niedrigeren Risikostufe (z.B. Blut) als die übrigen
Gewebe dieser Kategorie (z. B. lymphoretikuläres Gewebe). Die
über die unterschiedliche Infektiosität dieser Gewebe vorliegen­
den Daten reichen jedoch nicht aus, um die Kategorie in ver­
schiedene Risikostufen zu unterteilen. Natürlich kann die Ein­
stufung eines bestimmten Gewebes in die eine oder andere
Kategorie auch von der jeweiligen Krankheit bzw. Tierart ab­
hängen. Liegen neue Daten vor, kann die Einstufung auch ge­
ändert werden.
Für die Risikobewertung (siehe Abschnitt 4) berücksichtigen die
Hersteller und/oder Inhaber einer Zulassung/Antragsteller die in
der Anlage dieser Leitlinien enthaltenen Gewebeklassifizierungs­
tabellen.
Die Kategorien in den Tabellen sind nur als grobe Orientierung
zu verstehen. Folgende Punkte sind zu berücksichtigen:
— In bestimmten Situationen kann es zu einer Kreuzkontami­
nation zwischen Geweben unterschiedlicher Infektiosität
kommen. Das potenzielle Risiko hängt dabei von den Um­
ständen ab, unter denen die Gewebe entnommen wurden;
insbesondere spielt eine Rolle, ob Gewebe mit mäßiger In­
fektiosität oder ohne nachweisbare Infektiosität (Gewebe der
Kategorien IB und IC) mit Gewebe mit hoher Infektiosität
(Gewebe der Kategorie IA) in Berührung kommt. Die Gefahr
einer Kreuzkontamination bestimmter Gewebe kann sich z.
B. erhöhen, wenn infizierte Tiere mit einer Bolzenschusspis­
tole getötet werden oder wenn der Schädel und/oder das
Rückenmark aufgesägt werden. Die Gefahr einer Kreuzkon­
tamination vermindert sich, wenn die Körperflüssigkeiten
bei minimaler Gewebeschädigung entnommen werden,
wenn zelluläre Komponenten entfernt werden, und wenn
fötales Blut entnommen wird, ohne dass es dabei zu einer
Kontamination durch anderes Mutter- oder Fötusgewebe,
einschließlich Plazenta, Fruchtwasser oder Allantoisflüssig­
keit, kommen kann. Bei bestimmten Geweben (z. B. Schä­
del) ist es äußerst schwierig bzw. unmöglich, eine Kreuz­
kontamination mit Geweben der Kategorie IA zu verhin­
dern. Dieser Tatsache ist bei der Risikobewertung Rechnung
zu tragen.
5.3.2011
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Amtsblatt der Europäischen Union
— Zur Minimierung des potenziellen Risikos (21) kann bei be­
stimmten Stoffen die jeweils angewandte Betäubungs/Schlachtmethode von entscheidender Bedeutung sein, da
von ihr die Wahrscheinlichkeit abhängt, ob Hirnpartikel in
die peripheren Organe, insbesondere die Lunge, gelangen.
Daher sollten sowohl die Betäubungs- und Schlachtmetho­
den als auch die Verfahren zur Entfernung hochinfektiöser
Gewebe beschrieben werden. Auch die Verfahren zur Ent­
nahme der zu verwendenden Tiergewebe/-organe und die
Maßnahmen zur Vermeidung einer Kreuzkontamination
mit Material einer höheren Risikostufe sind ausführlich dar­
zustellen.
— Das Risiko einer Kontamination von Geweben und Organen
mit einer BSE-Infektiosität, die infolge der zur Schlachtung
von Rindern angewandten Betäubungsmethode potenziell
im zentralen Nervengewebe vorhandenen ist, hängt von fol­
genden Faktoren ab:
— Grad der BSE-Infektiosität im Hirn des geschlachteten
Tieres,
— Ausmaß des Hirnschadens,
C 73/7
und Gewebe ab dem Zeitpunkt der Infektion ist bei beiden
Tierarten unbekannt. Daher ist es schwierig, eine klare Empfeh­
lung dafür abzugeben, ab welchem Alter die verschiedenen Ge­
webe infiziert sein können und daher nicht entnommen werden
sollten. Die ursprüngliche Empfehlung, Gewebe von den jüngs­
ten Tieren zu entnehmen, behält weiterhin ihre Gültigkeit. Da­
rüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Alterskriterien
ebenso von der geografischen Herkunft abhängen. Das Alter
ist ein wichtigerer Parameter bei Materialien, die aus Ländern
mit höherem Risiko kommen (Kategorien B und C), als aus
Ländern mit vernachlässigbarem BSE-Risiko (Kategorie A).
3.5. Herstellungsverfahren
Zur Bewertung der allgemeinen Minderung des TSE-Risikos bei
der Herstellung eines Arzneimittels werden die Kontrollmaßnah­
men berücksichtigt, die hinsichtlich
— der Herkunft der Roh-/Ausgangsmaterialien sowie
— Verbreitung der Hirnpartikel im Tierkörper.
Neben der OIE/GBR-Einstufung der Tiere, dem Alter der Tiere
im Falle von Rindern und der Schlachtkörperuntersuchung an­
hand einer validierten Methode müssen auch diese Faktoren
berücksichtigt werden.
Die oben genannten Grundsätze gelten für Schafe und Ziegen
entsprechend.
Das Risiko einer Kreuzkontamination ist abhängig von verschie­
denen anderen Faktoren, wie beispielsweise:
— Maßnahmen zur Verhütung einer Kontamination bei der
Entnahme von Gewebe (siehe oben),
— Grad der Kontamination (Menge des kontaminierenden Ge­
webes),
— Menge und Art der zum selben Zeitpunkt entnommenen
Materialien.
Die Hersteller bzw. die Inhaber der Zulassung/Antragsteller soll­
ten das Risiko einer Kreuzkontamination berücksichtigen.
3.4. Alter der Tiere
Da bei Rindern die TSE-Infektiosität während der mehrjährigen
Inkubationszeit akkumuliert wird, sollten die Materialien vor­
sichtshalber jungen Tieren entnommen werden.
Infektiöses Material ist im Wesentlichen im zentralen Nerven­
system und damit verbundenen Geweben nachgewiesen worden,
außerdem im lymphoretikulären System, je nach TSE-Erreger
(BSE bei Rindern oder Scrapie bei Schafen und Ziegen). Der
genaue zeitliche Verlauf der Infektiosität im jeweiligen Köperteil
(21) Stellungnahme des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses zu Be­
täubungsverfahren und zum BSE-Risiko vom 10./11. Januar 2002:
Das Risiko der Verbreitung von Hirnpartikeln im Blut und Schlacht­
körper bei bestimmten Betäubungsverfahren, http://ec.europa.eu/
food/fs/sc/ssc/out245_en.pdf.
Bericht der EFSA-Arbeitsgruppe über das BSE-Risiko aufgrund der
Verbreitung von Hirnpartikeln im Blut und Schlachtkörper.
Anfrage Nr. EFSA-Q-2003-122 vom 21. Oktober 2004: http://
www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753812_
1178620777397.htm.
— des Herstellungsverfahrens vorgesehen sind.
In Anbetracht der nachgewiesenen Resistenz der TSE-Erreger
gegen die meisten Inaktivierungsverfahren ist die Herkunfts­
sicherung eine äußerst wichtige Maßnahme zur Gewährleistung
der Produktsicherheit.
Zur Überwachung des Herstellungsverfahrens und zur Chargen­
abgrenzung (d. h. Definition der Chargen, Trennung der Char­
gen, Reinigung zwischen einzelnen Chargen) müssen Qualitäts­
sicherungsverfahren wie die ISO 9000-Zertifizierung, die
HACCP-Analyse (22) oder die Gute Herstellungspraxis angewandt
werden. Außerdem sind Verfahren zur Sicherung der Rückver­
folgbarkeit sowie zur Selbstkontrolle und zur Überwachung der
Lieferer von Roh-/Ausgangsmaterialien vorzusehen.
Bestimmte Produktionsverfahren können zur Minderung des
Risikos einer TSE-Kontamination erheblich beitragen. Dies gilt
z. B. für Verfahren, die bei der Herstellung von Talgderivaten
(siehe Abschnitt 6) angewandt werden. Da solche genau fest­
gelegten Herstellungsverfahren nur bei wenigen Produkten an­
gewandt werden können, sind physikalische Verfahren wie Prä­
zipitation und Filtration zur Entfernung von prionenhaltigem
Material wahrscheinlich geeigneter als chemische Behandlungen.
Es ist eine Beschreibung des Herstellungsverfahrens einschließ­
lich der angewandten Inprozesskontrollen vorzulegen, in der die
Schritte, die eventuell zur Minderung bzw. Eliminierung des
Risikos einer TSE-Kontamination beitragen, dargelegt sind. Ist
die Herstellung auf mehrere Produktionsstätten verteilt, so
sind die in jeder einzelnen Produktionsstätte vorgenommenen
Schritte genau anzugeben. Ferner sind auch die Maßnahmen zur
Sicherung der Rückverfolgbarkeit der einzelnen Produktion­
schargen zu beschreiben.
(22) HACCP — Hazard Analysis Critical Control Point (Analyse der
Risiken und der kritischen Kontrollpunkte).
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Amtsblatt der Europäischen Union
Reinigungsverfahren — Eine Validierung der Reinigung von
verfahrenstechnischen Ausrüstungsgegenständen im Hinblick
auf die Eliminierung von TSE-Erregern dürfte schwierig sein.
Es wird berichtet, dass an der Oberfläche von rostfreiem Stahl,
der hochtitrigen Präparationen von TSE-Erregern ausgesetzt war,
eine nachweisbare Infektiosität zurückbleiben kann. Bei nicht
ersetzbaren Ausrüstungsgegenständen, die potenziell kontami­
niertem Material ausgesetzt waren, wurde die Verwendung
von Desinfektionsmitteln, die Natriumhydroxid oder Chlor frei­
setzen (z. B. 20 000 ppm Chlor während einer Stunde) als
Verfahren zur Entfernung des adsorbierten Proteins akzeptiert.
Mildere Behandlungen mit begrenzten Konzentrationen von Al­
kali oder stabilisierten Bleichmitteln, sind bei geeigneter Verwen­
dung von Waschmitteln und bei bestimmten Temperaturen
nachweislich ähnlich wirksam bei der Prionenentfernung wie
klassische Behandlungen mit NaOH oder Chlor. Mit der Anwen­
dung von Wasserstoffperoxiddampf ließen sich TSE-Erreger
ebenso wirksam inaktivieren. Diese neuen Behandlungsformen
sind für empfindliche Materialien und die praktische Anwen­
dung geeigneter (23).
Falls zur Herstellung eines Produkts Risikomaterialien verwendet
werden, sind zur Minimierung des Risikos einer Kreuzkontami­
nation zwischen Produktchargen entsprechende Reinigungsver­
fahren und Kontrollmaßnahmen vorzusehen. Dies gilt insbeson­
dere, wenn Materialien unterschiedlicher Risikokategorien in
derselben Produktionsstätte und mit denselben Ausrüstungs­
gegenständen verarbeitet werden. Werden zur Herstellung eines
Produkts Materialien der Kategorie IA verwendet, so werden —
außer in begründeten Fällen — speziell dafür vorgesehene Aus­
rüstungsgegenstände benutzt.
Es bedarf weiterer Forschung, um neue Dekontaminierungsver­
fahren zu entwickeln und zu validieren, mit denen sich das
Risiko einer Kreuzkontamination für Material und Geräte sen­
ken lässt, die nicht den von der WHO empfohlenen Verfahren
entsprechen.
Validierung der Beseitigung/Inaktivierung — Validierungs­
studien für Verfahren zur Beseitigung/Inaktivierung von TSE
sind schwierig zu interpretieren. Dabei müssen die Art des do­
tierten Materials und die Entsprechung mit der realen Situation,
das Studiendesign (einschließlich Maßstabreduktion von Verfah­
ren) und das Verfahren zum Nachweis des Erregers (in vitro oder
in vivo) berücksichtigt werden. Weitere Forschungsarbeiten sind
erforderlich, um die optimale Dotierung der Präparate für Vali­
dierungsstudien herauszufinden. Daher sind Validierungsstudien
gegenwärtig noch nicht allgemein erforderlich. Wird jedoch im
Rahmen der Produktsicherheit geltend gemacht, dass ein Her­
stellungsprozess TSE-Erreger beseitigt oder inaktiviert, so ist dies
durch entsprechende Validierungsstudien nachzuweisen (24).
Die Hersteller sind aufgefordert, neben der Sicherung der Her­
kunft der Materialien ihre Forschungsanstrengungen in Bezug
auf Verfahren zur Beseitigung und Inaktivierung von TSE fort­
zusetzen. In jedem Fall sollten bereits jetzt Herstellungsprozesse
nach Möglichkeit so ausgelegt werden, dass der gegenwärtige
Kenntnisstand über potenziell geeignete Verfahren zur Inakti­
vierung und Beseitigung von TSE-Erregern berücksichtigt wird.
(23) WHO-Leitlinien über die Verteilung der Gewebeinfektiosität bei
transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (2006) http://
www.who.int/bloodproducts/tse/WHO%20TSE%20Guidelines%
20FINAL-22%20JuneupdatedNL.pdf.
(24) Leitlinie zur Untersuchung des Herstellungsverfahrens von Arznei­
mitteln aus Plasma unter Berücksichtigung des vCJD-Risikos CPMP/
BWP/5136/03.
5.3.2011
Bei bestimmten Arten von Erzeugnissen (siehe Abschnitt 6.3,
Rinderblutderivate), bei denen eine validierte Entfernung/Inakti­
vierung nicht direkt anwendbar ist, kann eine Verfahrensevalu­
ierung erforderlich sein. Diese sollte auf dem Ausgangsmaterial
und allen veröffentlichten Daten über das TSE-Risiko beruhen.
4. RISIKOBEWERTUNG VON MATERIALIEN ODER STOFFEN,
DIE ZUR HERSTELLUNG UND ZUBEREITUNG VON ARZ­
NEIMITTELN VERWENDET WERDEN, IM RAHMEN DER
ÜBERWACHUNG DER EINHALTUNG DER GELTENDEN
RECHTSVORSCHRIFTEN
Die Bewertung des Risikos im Zusammenhang mit TSE bedarf
einer sorgfältigen Prüfung aller Parameter (siehe Abschnitt 3.1
— Wissenschaftliche Grundsätze für die Risikominimierung).
Wie in der Einführung zu diesen Leitlinien dargestellt, ist die
Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften gegeben, wenn die
Risikobewertung zu einem positiven Ergebnis kommt. Die von
den Herstellern und/oder Inhabern von Zulassungen bzw. An­
tragstellern durchgeführten Risikobewertungen für die verschie­
denen Materialien oder Stoffe, die von „TSE-relevanten Tier­
arten“ gewonnen und zur Herstellung eines Arzneimittels ver­
wendet werden, belegen, dass alle TSE-Risikofaktoren berück­
sichtigt wurden und dass das Risiko durch die Anwendung
der Grundsätze dieser Leitlinien nach Möglichkeit minimiert
wurde. Die Inhaber einer Zulassung bzw. die Antragsteller kön­
nen das von der EDQM ausgestellte TSE-Eignungszertifikat als
Grundlage für die Risikobewertung verwenden.
In der vom Inhaber der Zulassung bzw. vom Antragsteller
durchgeführten allgemeinen Risikobewertung für ein bestimmtes
Arzneimittel sind die Risikobewertungen für alle von „TSE-rele­
vanten Tierarten“ stammenden Materialien zu berücksichtigen.
Dies gilt gegebenenfalls auch für die Reduzierung bzw. Inakti­
vierung von TSE-Erregern während der einzelnen Herstellungs­
schritte des Wirkstoffs und/oder des Fertigprodukts.
Die endgültige Entscheidung über die Einhaltung der geltenden
Rechtsvorschriften bleibt der zuständigen Behörde überlassen.
Bei Zulassungen für Human- oder Tierarzneimittel ist es Auf­
gabe des Herstellers und/oder Inhabers der Zulassung oder des
Antragstellers, die Kontrollmaßnahmen für ein von „TSE-rele­
vanten Tierarten“ stammendes Derivat unter Berücksichtigung
des Standes von Wissenschaft und Technik auszuwählen und
zu begründen.
5. NUTZEN-RISIKO-ANALYSE
Neben den in den Abschnitten 3 und 4 genannten Parametern
(erstere können durch ein von der EDQM ausgestelltes Eig­
nungszertifikat abgedeckt werden) sind für die Entscheidung
über die Vertretbarkeit eines bestimmten Arzneimittels, das
von „TSE-relevanten Tierarten“ stammendes Material enthält
bzw. das nach der Herstellung solches Material enthalten
könnte, auch folgende Faktoren zu berücksichtigen:
— Art der Verabreichung des Arzneimittels,
— Menge des im Arzneimittel verwendeten tierischen Materials,
5.3.2011
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Amtsblatt der Europäischen Union
C 73/9
— therapeutische Höchstdosis (Tagesdosis und Behandlungs­
dauer),
ausgetreten und auf der Hautoberfläche getrocknet sein
könnte. Auch dieser Tatsache ist bei der Sicherheitsbewer­
tung dieses Augangsmaterials Rechnung zu tragen.
— Verwendungszweck des Arzneimittels und sein klinischer
Nutzen,
Die Herstellungsverfahren von Kollagen und Gelatine können
einige Gemeinsamkeiten aufweisen, wie die Behandlungen mit
Alkali und Natriumsulfat, Calciumhydroxid und Natriumhydro­
xid oder Enzymen. Gleichwohl können sich diese gemeinsamen
Verfahrensschritte in Dauer und pH-Wert unterscheiden, was zu
bedeutenden Unterschieden ihrer Inaktivierungsfähigkeit führen
kann. Die Hersteller sollten mindestens eine Verfahrensbewer­
tung auf der Grundlage der Ähnlichkeiten der Verfahrensschritte
zur Kollagenherstellung mit bekannten Inaktivierungsschritten
bei der Gelatineherstellung durchführen, um die Sicherheit des
Produkts zu untermauern. Unterschiede bestehen nicht nur in
den Verfahren, sondern auch bei ihrer Risikobewertung. Wäh­
rend Gelatine weithin oral verabreicht wird, findet Kollagen
vielfach in Form chirurgischer Implantate Anwendung. Auch
dieser Aspekt sollte bei der endgültigen Risikobewertung beach­
tet werden.
— Vorliegen der Artenschranke.
Hochinfektiöse Gewebe (Gewebe der Kategorie IA) und daraus
gewonnene Stoffe dürfen nicht zur Herstellung von Arzneimit­
teln, deren Ausgangsmaterialien und Zwischenprodukten (ein­
schließlich Wirkstoffen, Trägerstoffen und Reagenzien) verwen­
det werden, sofern nicht begründet wird, weshalb keine anderen
Materialien verwendet werden können. In Ausnahmefällen und
sofern durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt, könnte
die Verwendung von hochinfektiösem Gewebe zur Herstellung
von Wirkstoffen in Betracht gezogen werden, wenn nach
Durchführung der Risikobewertung nach Abschnitt 4 dieser
Leitlinien und unter Berücksichtigung des klinischen Verwen­
dungszwecks eine positive Nutzen-Risiko-Analyse von dem die
Zulassung Beantragenden vorgelegt werden kann. Aus Materia­
lien der Kategorie IA gewonnene Stoffe müssen, sofern ihre
Verwendung begründet ist, von Tieren aus Ländern mit vernach­
lässigbarem BSE-Risiko (Kategorie A) stammen.
6. SPEZIFISCHE BEDINGUNGEN
Bei den nachstehend genannten, von „TSE-relevanten Tierarten“
gewonnenen Materialien wird davon ausgegangen, dass sie die­
sen Leitlinien entsprechen, sofern sie zumindest die nachstehen­
den Bedingungen erfüllen. Der Inhaber der Zulassung/Antrag­
steller liefert die diesbezüglichen Informationen bzw. legt ein
von der EDQM ausgestelltes Eignungszertifikat vor.
6.2. Gelatine
Gelatine ist ein natürliches, lösliches gelierendes oder nicht ge­
lierendes Protein, das durch partielle Hydrolyse von Kollagen
aus Knochen, Fellen und Häuten von Tieren hergestellt wird.
Die für Gelatine zum Nachweis der Leitlinienkonformität vor­
zulegenden Unterlagen müssen den in den Abschnitten 3 bis 5
genannten Bestimmungen Rechnung tragen. Darüber hinaus ist
Folgendes zu berücksichtigen (25):
i) Verwendetes Ausgangsmaterial
In Arzneimitteln verwendete Gelatine kann aus Knochen oder
Häuten gewonnen werden.
—
Häute als Ausgangsmaterial — Nach bisherigen Erkenntnis­
sen sind Häute als Ausgangsmaterial für die Gelatinegewin­
nung wesentlich sicherer als Knochen. Dennoch wird drin­
gend nahegelegt, Maßnahmen zu ergreifen, um eine Kreuz­
kontamination mit möglicherweise infektiösem Material
bei der Gewinnung zu vermeiden.
—
Knochen als Ausgangsmaterial — Wird Gelatine aus Kno­
chen hergestellt, ist die Qualität des Ausgangsmaterials
als zusätzlicher Parameter für die Gewährleistung der Si­
cherheit des Endprodukts zu kontrollieren. Aus diesem
Grund gilt Folgendes:
6.1. Kollagen
Kollagen ist ein Faserproteinbestandteil im Bindegewebe von
Säugetieren.
Die für Kollagen zum Nachweis der Leitlinienkonformität vor­
zulegenden Unterlagen müssen den in den Abschnitten 3 bis 5
genannten Bestimmungen Rechnung tragen. Darüber hinaus ist
Folgendes zu berücksichtigen:
— Bei Kollagen, das aus Knochen gewonnen wird, gelten die
für Gelatine genannten Vorgaben (siehe unten). Beim Kolla­
genherstellungsverfahren ist eine geringere Inaktivierung zu
erwarten als bei der Gelatineherstellung. Daher ist die Her­
kunft stärker zu berücksichtigen.
— Sofern eine Kontamination durch potenziell infiziertes Ma­
terial wie austretendes Blut und/oder zentrales Nervenge­
webe während der Gewinnung vermieden wird, weist aus
Gewebe wie Fellen und Häuten, Sehnen und Bändern ge­
wonnenes Kollagen im Normalfall kein messbares TSE-Ri­
siko auf. Daher sind Häute ein sichereres Ausgangsmaterial
für aus Kollagen hergestellte Implantate für den Menschen.
Dennoch wäre es schwierig, eine Kreuzkontamination mit
Hinrmaterial auszuschließen, das während der Schlachtung
1. Schädel und Rückenmark sind von den entnommenen
Knochen zu entfernen (Roh-/Ausgangsmaterial), unab­
hängig von Alter oder Herkunftsland der Rinder.
2. Wirbel sind vom Roh-/Ausgangsmaterial von mehr als
30 Monate alten Rindern zu entfernen, die aus Ländern
mit kontrolliertem oder unbestimmtem BSE-Risiko (Ka­
tegorie B oder C) stammen.
(25) Auf der Grundlage des Gutachtens des Wissenschaftlichen Gremi­
ums für biologische Gefahren der Europäischen Behörde für Lebens­
mittelsicherheit zur „Quantitativen Bewertung des von Gelatine aus­
gehenden BSE-Risikos für den Menschen im Hinblick auf das BSERestrisiko“, The EFSA Journal, 312, (1-28). http://www.efsa.europa.
eu/EFSA/efsa_locale-1178620753812_1178620776107.htm
Die Anforderungen an die Auswahl des Ausgangsmaterials und die
Herstellung sind für die orale und parenterale Verwendung von
Gelatine in Human- und Tierarzneimitteln angemessen.
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Amtsblatt der Europäischen Union
3. Gelatine zur parenteralen Anwendung sollte aus Kno­
chen hergestellt werden, die aus Ländern mit vernach­
lässigbarem oder kontrolliertem BSE-Risiko stammen
(Kategorie A bzw. B). Gelatine zur oralen Anwendung
kann aus Knochen hergestellt werden, die aus Ländern
mit vernachlässigbarem, kontrolliertem oder unbe­
stimmtem BSE-Risiko stammen (Kategorie A, B bzw. C).
4. Zur Gelatineherstellung ist eines der nachstehenden
Herstellungsverfahren anzuwenden.
ii) Herstellungsverfahren
— Häute — Für Gelatine, die aus Häuten gewonnen wird, sind
keine besonderen Maßnahmen bei der Verarbeitung erfor­
derlich, sofern entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getrof­
fen werden, um sowohl bei der Beschaffung der Häute als
auch während des Herstellungsprozesses eine Kreuzkon­
tamination zu vermeiden.
— Knochen — Werden als Ausgangsmaterial Knochen verwen­
det, dann stellt die Herstellungsweise den zweiten Parameter
für die Gewährleistung der Sicherheit von Gelatine dar.
— Gelatine kann aus Knochen hergestellt werden, die aus
Ländern mit vernachlässigbarem, kontrolliertem oder
unbestimmtem BSE-Risiko (Kategorie A, B oder C) stam­
men und nach den in Abschnitt 6.2. Ziffer i beschrie­
benen Bedingungen unter Verwendung von Säure-, Al­
kali- oder Druck-/Hitze-Verfahren gewonnen wurden.
— Bei der Risikobewertung gemäß Abschnitt 4 dieser Leit­
linien ist auch das Herstellungsverfahren zu berücksich­
tigen. Sowohl mit den Säure- als auch den Alkali-Her­
stellungsverfahren konnte in den Gelatinevalidierungs­
experimenten die TSE-Infektiosität ähnlich gut inakti­
viert bzw. beseitigt werden. Studien haben gezeigt,
dass eine zusätzliche alkalische Behandlung (pH 13, 2
Stunden) von Knochen/Ossein das Inaktivierungs-/Besei­
tigungsvermögen des Herstellungsverfahrens weiter er­
höhen kann. Weitere Verarbeitungsschritte, wie Filtra­
tion, Ionenaustauschchromatographie und UHT-Sterili­
sierung, tragen ebenso zur Sicherheit von Gelatine bei.
— Bei einem typischen alkalischen Herstellungsprozess
werden die Knochen fein zerkleinert, mit heißem Was­
ser entfettet und mit verdünnter Salzsäure (Mindestkon­
zentration 4 % und pH < 1,5) mindestens zwei Tage
lang entmineralisiert. So entsteht das Ossein. Dann er­
folgt über einen Zeitraum von mindestens 20 Tagen
eine alkalische Behandlung mit gesättigter Kalklösung
(pH-Wert mindestens 12,5).
— Genauso kann für Rinderknochen ein saures Verfahren
angewandt werden. Die Behandlung mit Kalklösung
wird dann ersetzt durch eine saure Vorbehandlung, bei
der das Ossein mindestens zehn Stunden lang in einer
Lösung mit pH < 3,5 eingelegt wird.
— Sowohl bei dem alkalischen als auch dem sauren Her­
stellungsverfahren wird eine kurze mindestens 4 Sekun­
5.3.2011
den dauernde Hitzebehandlung (Sterilisierung) bei min­
destens 138 °C angewendet.
— Beim Erhitzungs-/Druckverfahren werden die getrock­
neten, zerkleinerten und entfetteten Knochen mindes­
tens 20 min lang mit gesättigtem Dampf bei einem
Druck von über 3 bar und einer Mindesttemperatur
von 133 °C autoklaviert; danach wird das Protein mit
heißem Wasser extrahiert.
Die letzten Verarbeitungsschritte sind beim alkalischen und
beim sauren Verfahren sowie bei der Hitze-/Druckbehandlung
ähnlich und umfassen die Extraktion der Gelatine, die dann
gewaschen, gefiltert und konzentriert wird.
6.3. Rinderblut und dessen Derivate
Fötales bovines Serum wird allgemein in der Zellkulturtechnik
eingesetzt. Fötales bovines Serum sollte von Föten stammen, die
in Schlachthöfen gesunden und für den menschlichen Verzehr
geeigneten Muttertieren entnommen werden, wobei der Uterus
vollständig zu entfernen und das Fötenblut in einem speziellen
Raum oder Bereich durch Herzpunktion gewonnen und in
keimfreier Umgebung in ein geschlossenes Auffangsystem ein­
zuleiten ist.
Neugeborenen-Kälberserum wird Kälbern vor dem 20. Lebens­
tag und Kälberserum Tieren vor Erreichen des 12. Lebens­
monats entnommen. Bei Spenderserum von Rindern, die weni­
ger als 36 Monate alt sein dürfen, ist der TSE-Status der Spen­
derherde hinreichend zu definieren und zu dokumentieren. In
allen Fällen ist die Gewinnung von Serum nach spezifischen
Protokollen und durch Personal vorzunehmen, das mit diesen
Verfahren vertraut ist, um eine Kreuzkontamination mit Risiko­
gewebe zu vermeiden.
Die für bovines Blut und dessen Derivate zum Nachweis der
Leitlinienkonformität vorzulegenden Unterlagen müssen den in
den Abschnitten 3 bis 5 genannten Bestimmungen Rechnung
tragen. Darüber hinaus ist Folgendes zu berücksichtigen:
i) Rückverfolgbarkeit
Jede Serum- oder Plasmacharge muss bis zum Schlachthof rück­
verfolgbar sein. Den Schlachthöfen müssen Verzeichnisse der
landwirtschaftlichen Betriebe vorliegen, aus denen die Tiere
stammen. Wird Serum von lebenden Tieren gewonnen, so
muss für jede Serumcharge nachgewiesen werden können, aus
welchem Betrieb sie kommt.
ii) Geografische Herkunft
Zwar ist die BSE-Infektiosität bei Rindern stärker auf spezi­
fisches Gewebe begrenzt als bei Scrapie, doch sollte vorsichts­
halber nur Rinderblut aus Ländern der Kategorie A verwendet
werden. Rinderblut aus Ländern der Kategorie B ist ebenso
akzeptabel, sofern kein Risiko einer Kreuzkontamination mit
Blut besteht, das Hirnmaterial aus der Schlachtung von mehr
als 21 Monate alten Tieren enthält (26).
(26) Gutachten des Wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefah­
ren zur Bewertung der Altersgrenze von Rindern für die Entfernung
von spezifierten Risikomaterialien (SRM). Anfrage Nr. EFSA-Q2004-146 vom 28. April 2005.
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5.3.2011
Amtsblatt der Europäischen Union
C 73/11
iii) Betäubungsverfahren
iv) Alter
Bei der Gewinnung aus Schlachtkörpern ist die Schlachtmethode
für die Sicherheit des Materials ausschlaggebend. Es wurde nach­
gewiesen, dass Betäubung durch Bolzenschuss mit oder ohne
Rückenmarkzerstörung sowie pneumatische Betäubung, ins­
besondere bei anschließender Zuführung von Druckluft, das
Gehirn zerstören kann; dabei kann Hirngewebe in den Blutkreis­
lauf gelangen. Nichtinvasive Betäubung gilt nicht mehr als Al­
ternative zur invasiven Betäubung, weil eine Kontamination des
Blutes mit Hirngewebe gezeigt werden konnte (27). Ein vernach­
lässigbares Risiko ist von der Elektronarkose (28) zu erwarten,
doch selbst diese bietet keine absolute Sicherheit, denn wenn
das Verfahren nicht funktioniert, müssen die Tiere noch einmal
betäubt werden. Aus diesem Grund müssen für die Gewinnung
von Rinderblut die Betäubungsverfahren beschrieben werden.
Für Länder mit einem kontrollierten BSE-Risiko (Kategorie B)
gilt vorsorglich eine Altersbegrenzung von 21 Monaten für
Rinderblut und dessen Derivate, wenn keine signifikante Ver­
ringerung der TSE-Erreger in der Herstellung zu erwarten ist.
Für Blutderivate, bei denen eine signifikante Verringerung der
TSE-Erreger, wie unten beschrieben, nachgewiesen werden kann,
ist eine Altersgrenze von 30 Monaten ausreichend.
Lässt sich das Risiko einer Kreuzkontamination von Blut mit
Hirngewbe bei der Routineschlachtung in Ländern mit einem
kontrollierten BSE-Risiko (Kategorie B) nicht vermeiden, müssen
Sicherheitsmaßnahmen, wie die Altersbegrenzung der Tiere und/
oder Verringerung der Infektionserreger bei der Herstellung, an­
gewendet werden.
v) Verringerung der TSE-Erreger bei der Herstellung
Für Blutderivate sollte in Studien abgeschätzt werden, inwieweit
das Herstellungsverfahren TSE-Erreger verringern/beseitigen
kann. Die Schätzung kann auf veröffentlichten oder internen
Daten beruhen, sofern diese Daten nachweislich für das spezi­
fische Herstellungsverfahren relevant sind. Lässt sich nicht da­
rauf schließen, dass die Fähigkeit zur Verringerung vergleichbar
ist, wird empfohlen, dass die Hersteller produktspezifische Un­
tersuchungen vornehmen. Untersuchungen mit biochemischen
Tests können ausreichen, wenn genügend wissenschaftliche
Nachweise dafür vorliegen, dass diese Tests mit den Infektiosi­
tätsdaten korrelieren. Es wurde eine allgemeine Anleitung für
Studien zur Verringerung von TSE-Erregern gegeben (29). Für
Studien, mit denen das Risiko erforscht wird, das mit hirnkon­
taminiertem Blut einhergeht, sind aus Hirngewebe gewonnene
dotierte Präparate geeignet.
Tabelle 1
Konzept für die Annahme von Rinderblut/Seren und Derivaten
Serum/
Plasma vom
erwachsenen
Rind
Serum/Plasma/
Serumderivat vom
erwachsenen Rind
Serumderivat
vom
erwachsenen
Rind
Serumderivat
vom
erwachsenen
Rind
Kat. A
und B
Kat. A
Kat. B
Kat. A
Kat. B
< 1 Jahr
Keine Be­
grenzung
< 21 Mona­
teb (2)
Keine
Begrenzung
< 30 Monate
Produkt
Fötales
Rinderserum
SpenderKälberserum
Spenderserum
vom
erwachsenen
Rind
Kälberserum
Geografische Herkunft des
Tiere
Kat. A
und B
Kat. A
und B
Kat. A
und Ba (1)
ungebo­
ren
< 1 Jahr
< 36 Monate
Alter der Tiere
Schlachtung/Kreuzkonta­
mination von Blut mit
ZNS-Material
Kein Risiko einer Kreuzkontamination
Nachweis der Prionenver­
ringerung bei der Herstel­
lung
Nein
Risiko einer Kreuzkontamination
Nein
Ja (3)
(1) Tiere aus Ländern der Kategorie B sollten aus genau definierten und dokumentierten Beständen stammen.
(2) Ein höheres Alter kann erlaubt werden, wenn eine Kreuzkontamination von Blut mit ZNS-Material eindeutig auszuschließen ist (z. B. Halal-Schlachtung).
(3) Auf den Nachweis der Prionenverringerung kann verzichtet werden, wenn eine Kreuzkontamination von Blut mit ZNS-Material eindeutig auszuschließen ist (z. B. HalalSchlachtung).
6.4. Talgderivate
Talg ist Fett, das aus Gewebe im Unterhaut-, Bauch- und Zwi­
schenmuskelbereich sowie aus Knochen gewonnen wird. Wird
Talg als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Talgderivaten
(27) WHO-Leitlinien über die Verteilung der Gewebeinfektiosität bei
transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (2006) http://
www.who.int/bloodproducts/tse/
WHO%20TSE%20Guidelines%20FINAL-22%20JuneupdatedNL.pdf.
(28) Bericht der EFSA-Arbeitsgruppe über das BSE-Risiko durch die Ver­
breitung von Hirnpartikeln im Blut und Schlachtkörper. Anfrage Nr.
EFSA-Q-2003-122, vom 21. Oktober 2004http://www.efsa.europa.
eu/en/science/biohaz/biohaz_opinions/opinion_annexes/733.html.
verwendet, ist er als Material der Kategorie 3 oder einer ver­
gleichbaren Kategorie im Sinne der Verordnung (EG)
Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für
den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte
zu behandeln.
Bei Talgderivaten wie Glycerol und Fettsäuren, die nach strikten
Vorgaben hergestellt werden, ist die Wahrscheinlichkeit der
(29) Leitlinie zur Untersuchung des Herstellungsverfahrens von Arznei­
mitteln aus Plasma unter Berücksichtigung des vCJD-Risikos CPMP/
BWP/5136/03.
C 73/12
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
Infektiosität sehr gering. CPMP und CVMP haben sich speziell
mit ihnen befasst. Aus diesem Grund wird davon ausgegangen,
dass solche Derivate, deren Herstellung unter mindestens so
strikten wie den nachstehend genannten Bedingungen erfolgt,
ungeachtet ihrer geografischen Herkunft und der Art des Gewe­
bes, aus dem die Talgderivate gewonnen werden, leitlinienkon­
form sind. Als strikte Verfahren gelten beispielsweise:
— Umesterung oder Hydrolyse unter Druck bei einer Mindest­
temperatur von 200 °C und einer Prozessdauer von mindes­
tens 20 Minuten (Herstellung von Glycerol, Fettsäuren und
Fettsäureester).
— Verseifung mit NaOH 12 M (Herstellung von Glycerol und
Seife).
— Batch-Verfahren: bei einer Mindesttemperatur von 95 °C
und einer Prozessdauer von mindestens 3 Stunden;
— Kontinuierliches Verfahren: unter Druck bei einer Min­
desttemperatur von 140 °C und einer Prozessdauer von
mindestens 8 Minuten oder vergleichbares Verfahren.
— Destillation bei 200 °C.
Bei Talgderivaten, die auf diese Weise hergestellt werden, ist das
TSE-Risiko äußerst gering. Daher gelten sie als leitlinienkon­
form.
Für Talgderivate, die unter anderen Bedingungen hergestellt wer­
den, ist die Konformität mit diesen Leitlinien nachzuweisen.
6.5. Tierkohle
Tierkohle wird durch Karbonisierung tierischer Gewebe, wie
Knochen, bei Temperaturen von mehr als 800 °C hergestellt.
Außer in begründeten Fällen ist das Ausgangsmaterial für die
Herstellung von Tierkohle als Kategorie 3 oder eine vergleich­
bare Kategorie im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober
2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen
Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte zu behandeln. Re­
gelungstechnisch gilt Tierkohle ungeachtet ihrer geografischen
Herkunft und der Art des verwendeten Gewebes als leitlini­
enkonform.
Bei Kohle, die gemäß diesen Vorgaben hergestellt wird, ist das
TSE-Risiko äußerst gering. Daher gilt sie als leitlinienkonform.
Für Kohle, die unter anderen Bedingungen hergestellt worden
ist, ist die Konformität mit diesen Leitlinien nachzuweisen.
5.3.2011
6.6. Milch und Milchderivate
Den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge be­
steht bei Kuhmilch, unabhängig von ihrer geografischen Her­
kunft, mit großer Wahrscheinlichkeit kein Risiko einer TSEKontamination (30).
Bestimmte Stoffe, einschließlich Laktose, werden aus Molke, der
bei der Käseherstellung nach der Gerinnung ablaufenden Flüssig­
keit, extrahiert. Die Gerinnung kann durch den Zusatz von Lab,
einem Extrakt aus dem Labmagen von Kälbern oder anderen
Wiederkäuern, ausgelöst werden. CHMP und CVMP haben eine
Risikobewertung für Laktose und andere unter Verwendung von
Kälberlab produzierte Molkederivate vorgenommen und sind zu
dem Schluss gekommen, dass das TSE-Risiko vernachlässigbar
ist, wenn das Kälberlab entsprechend dem im Bericht über die
Risikobewertung beschriebenen Verfahren gewonnen wird (31).
Dieses Ergebnis wurde vom wissenschaftlichen Lenkungsaus­
schuss (32), der ebenfalls eine allgemeine Bewertung des TSERisikos von Lab vorgenommen hat, bestätigt (33).
Bei Milchderivaten, die unter den nachstehenden Bedingungen
hergestellt werden, ist das TSE-Risiko äußerst gering. Daher
gelten sie als leitlinienkonform, sofern
— die Milch von gesunden Tieren und in derselben Weise
gewonnen wird wie Milch für den menschlichen Verzehr,
und
— abgesehen von Kälberlab bei der Herstellung solcher Deri­
vate kein Wiederkäuermaterial verwendet wird (z.B.: pankre­
asverdautes Kasein).
Für Milchderivate, die unter anderen Bedingungen oder mit dem
Lab anderer Wiederkäuerarten hergestellt werden, ist die Kon­
formität mit diesen Leitlinien nachzuweisen.
6.7. Wollderivate
Derivate aus der Wolle und dem Fell von Wiederkäuern, wie z.
B. aus Fell gewonnenes Lanolin oder Wollalkohol, gelten als
leitlinienkonform, sofern die Wolle bzw. das Fell von lebenden
Tieren stammt.
(30) Für Milch und Milchderivate von kleinen Wiederkäuern siehe das
EFSA-Gutachten vom 22. Oktober 2008 zur Anfrage Nr. EFSA-Q2008-310, http://www.efsa.europa.eu/en/scdocs/scdoc/849.htm.
(31) Der Ausschuss für Humanarzneimittel und seine Arbeitsgruppe
„Biotechnologie“ haben für Laktose aus Kälberlab eine Risikobewer­
tung vorgenommen und die Regelungslage geprüft. Bei der Risiko­
bewertung wurden die Herkunftstiere, das Ausschneiden des Ma­
gens und die Existenz exakt gefasster Verfahren zur Qualitätssiche­
rung geprüft. Besonders wichtig ist die Qualität aller Milchersatz­
stoffe, die an die Tiere verfüttert werden, deren Mägen zur Labge­
winnung verwendet werden. Der Bericht ist von folgender Website
abrufbar: http://www.ema.europa.eu/pdfs/human/press/pus/057102.
pdf.
(32) Vorläufige Erklarung zur Sicherheit von Kälberlab für die Laktose­
herstellung, abgegeben vom WLA auf seiner Sitzung vom 4.-5.
April 2002 (http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/out255_en.pdf).
(33) Der wissenschaftliche Lenkungsausschuss gab auf seiner Sitzung
vom 16. Mai 2002 eine Stellungnahme zur Sicherheit von Tierlab
insbesondere hinsichtlich des Risikos der Übertragung von tierischer
TSE und BSE ab. (http://ec.europa.eu/food/fs/sc/ssc/out265_en.pdf)
5.3.2011
DE
Amtsblatt der Europäischen Union
Bei Wollderivaten aus Wolle, die von „für den menschlichen
Verzehr geeigneten“ Schlachttieren stammt und bei deren Ver­
arbeitung zumindest eine der im Folgenden genannten Vor­
gaben hinsichtlich pH-Wert, Temperatur und Dauer erfüllt ist,
besteht mit großer Wahrscheinlichkeit kein TSE-Risiko. Sie gel­
ten daher als leitlinienkonform nach
— mindestens einstündiger Behandlung bei einem pH-Wert
von ≥ 13 (Ausgangswert, d.h. eine NaOH-Konzentration
von mindestens 0,1 M NaOH) und einer Temperatur
von ≥ 60 °C; dies erfolgt normalerweise während der Reflux­
phase der organisch-alkalischen Behandlung;
— molekularer Destillation bei ≥ 220 °C unter reduziertem
Druck.
C 73/13
bei 140 °C und einem Druck von 3 bar hitzebehandelt
wurde;
— die so gewonnenen Aminosäuren und Peptide anschließend
gefiltert werden und
— die verbleibenden intakten Makromoleküle nach einem vali­
dierten und empfindlichen Analyseverfahren unter Anwen­
dung eines geeigneten Grenzwertes analysiert werden.
Für Aminosäuren, die unter anderen Bedingungen hergestellt
werden, ist die Konformität mit diesen Leitlinien nachzuweisen.
6.9. Peptone
Für Wollderivate, die unter anderen Bedingungen hergestellt
werden, ist die Konformität mit diesen Leitlinien nachzuweisen.
6.8. Aminosäuren
Aminosäuren können durch Hydrolyse aus Material unterschied­
lichster Provenienz gewonnen werden.
Außer in begründeten Fällen ist das Ausgangsmaterial für die
Herstellung von Aminosäuren als „Material der Kategorie 3 oder
einer gleichwertigen Kategorie“ im Sinne der Verordnung (EG)
Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für
den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte
zu behandeln.
Bei Aminosäuren, die auf diese Weise hergestellt werden, ist das
TSE-Risiko äußerst gering. Daher gelten sie als leitlinienkon­
form, sofern
— Aminosäuren aus Häuten und Fellen nach einem Verfahren
gewonnen wurden, bei dem das Rohmaterial zunächst auf
einen pH-Wert von 1-2 und anschließend auf einen pHWert von > 11 gebracht und schließlich 30 Minuten lang
Peptone sind Teilhydrolysate von Proteinen, die durch Enzyme
oder Säure bei der Verdauung entstehen. Sie werden in mikro­
biologischen Nährlösungen zur Ernährung von Mikroorganis­
men eingesetzt, die als Saatgut oder zur Fermentierung in der
Großproduktion von Human- und Tierarzneimitteln, einschließ­
lich Impfstoffen, verwendet werden können. Es besteht ein be­
trächtliches Interesse an der Verwendung pflanzlicher Proteine
anstelle tierischer. Allerdings
— wird für die Verwendung von Gelatine als Ausgangsmaterial
auf Abschnitt 6.2 dieser Leitlinien, „Gelatine“, verwiesen;
— wird für die Verwendung von Kasein als Ausgangsmaterial
auf Abschnitt 6.6 dieser Leitlinien, „Milch und Milchderi­
vate“, verwiesen;
— muss bei der Verwendung von Gewebe TSE-relevanter Tier­
arten als Ausgangsmaterial dieses von Tieren stammen, die
für den menschlichen Verzehr geeignet sind (siehe Abschnitt
3.2 dieser Leitlinien, „Herkunft der Tiere“) und die — bei
Rindern aus Ländern mit kontrolliertem BSE-Risiko (Katego­
rie B) — nicht älter als 30 Monate sind. Bei Tieren aus
Ländern mit vernachlässigbarem BSE-Risiko (Kategorie A)
ist das Alter von geringer Bedeutung.
DE
C 73/14
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5.3.2011
ANHANG
Infektiosität — Hauptkategorien
Die nachstehenden Tabellen sind den WHO-Leitlinien zur Verteilung der Gewebeinfektiosität bei transmissiblen spongi­
formen Enzephalopathien (2010) entnommen.
Die Angaben bedeuten Folgendes:
+
Infektiosität oder PrPTSE gegeben.
–
Weder nachweisbare Infektiosität noch PrPTSE gegeben.
NT Nicht getestet.
?
Kontroverse oder unsichere Ergebnisse.
Kategorie IA: Hohe Infektiosität des Gewebes
Gewebe
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Gehirn
+
+
+
+
+
+
Rückenmark
+
+
+
+
NT
+
Retina
+
NT
NT
+
NT
+
Sehnerv (2)
+
NT
NT
+
NT
+
Spinalganglien
+
+
+
+
NT
+
Trigeminusganglien
+
+
NT
+
NT
–
Hypophyse (3)
–
NT
+
+
NT
+
Dura mater (3)
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Kategorie IB: Mäßige Infektiosität des Gewebes
Gewebe
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Peripheres Nervensystem
Periphere Nerven
|+|
+
+
+
NT
+
Autonome Ganglien (4)
NT
+
NT
+
NT
+
Lymphoretikuläres Gewebe
Milz
–
–
+
+
NT
+
Lymphknoten
–
–
+
+
NT
+
DE
5.3.2011
Amtsblatt der Europäischen Union
Gewebe
C 73/15
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Tonsillen
+
–
+
+
NT
+
Nickhaut
+
–
(+)
+
NT
+
Thymus
–
NT
+
+
NT
–
Verdauungstrakt (5)
Ösophagus
–
NT
(+)
+
NT
+
Vormagen (6)
(nur Wiederkäuer)
–
NT
(+)
+
NT
+
Magen/Labmagen
–
NT
(+)
+
NT
+
Duodenum
–
–
(+)
+
NT
+
Jejunum (7)
–
+
(+)
+
NT
NT
Ileum (7)
+
+
+
+
NT
+
Appendix
NA
NA
NA
NA
NA
NA
–
–
+
+
NT
+
NT
NT
NT
+
NT
+
Colon/Caecum (7)
Rectum
Fortpflanzungsgewebe
Plazenta (8)
–
NT
+
+
NT
–
Eierstock (3)
–
NT
–
–
NT
–
Uterus (3)
–
NT
–
–
NT
–
Sonstiges Gewebe
Brustdrüse/Euter (9)
–
NT
–
+
NT
NT
Haut (3), (10)
–
NT
–
+
(+)
(+)
Fettgewebe
–
NT
NT
NT
(+)
NT
Herz/Herzbeutel
–
NT
–
NT
NT
+
Lunge
–
NT
–
–
NT
+
Leber (3)
–
NT
+
–
NT
–
Niere (3), (11)
–
–
(+)
+
NT
+
Nebenniere
(+)
+
+
–
NT
+
Pankreas (3)
–
NT
+
NT
NT
+
DE
C 73/16
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Gewebe
5.3.2011
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Knochenmark (12)
(+)
NT
+
NT
NT
–
Skelettmuskel (13)
(+)
NT
(+)
+
(+)
–
Zunge (14)
–
NT
(+)
+
NT
–
Blutgefäße
–
NT
NT
+
NT
–
Nasenschleimhaut (15)
–
NT
+
+
NT
+
Speicheldrüse
–
NT
+
NT
–
–
Hornhaut (16)
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen
Liquor
–
NT
+
–
NT
NT
Blut (17)
–
?
+
?
+
?
Speichel
NT
NT
–
NT
+
(–)
Milch (18)
–
–
+
(+)
NT
NT
Urin (19)
–
NT
–
–
–(+)
(+)
Kot (19)
–
NT
–
NT
–(+)
NT
Kategorie IB: Mäßige Infektiosität des Gewebes
Gewebe
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Fortpflanzungsgewebe
Hoden
–
NT
–
–
NT
–
Prostata/Nebenhoden/Sa­
menbläschen
–
NT
–
–
NT
–
Sperma
–
NT
–
–
NT
NT
Plazentaflüssigkeiten
–
NT
NT
NT
NT
NT
Fötus (20)
–
NT
–
–
NT
(–)
Embryo (20)
–
NT
?
NT
NT
NT
DE
5.3.2011
Amtsblatt der Europäischen Union
Gewebe
C 73/17
Rinder
Schafe und Ziegen
Elche und Hirsche
BSE
Scrapie
CWD
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Infektiosität (1)
PrPTSE
Skelettmuskelgewebe
Knochen
–
NT
NT
NT
NT
NT
Sehne
–
NT
NT
NT
NT
NT
Sonstiges Gewebe
Zahnfleischgewebe
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Zahnmark
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Luftröhre
–
NT
NT
NT
NT
–
NT
NT
–
NT
NT
–
Schilddrüse
Körperflüssigkeiten und Ausscheidungen
Kolostrum (21)
(–)
–
(?)
NT
NT
NT
Nabelblut (21)
–
NT
NT
NT
NT
NT
Schweiß
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Tränenflüssigkeit
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Nasenschleim
NT
NT
NT
NT
NT
NT
Galle
NT
NT
NT
NT
NT
NT
(1) Bioassays zur Feststellung der Infektiosität menschlicher Gewebe wurden entweder an Primaten oder an Mäusen (oder beiden)
durchgeführt; Bioassays von Rindergeweben entweder an Rindern oder Mäusen (oder beiden); und die meisten Bioassays von Schafund/oder Ziegengeweben nur an Mäusen. Bei Schafen und Ziegen stimmten die Ergebnisse für beide Tierarten nicht immer überein,
so sind beispielsweise zwei Ziegen (aber keine Schafe) auf natürliche Weise an BSE erkrankt (Eurosurveillance, 2005, Jeffrey et al.,
2006). Gleichermaßen stammen die meisten Ergebnisse für CWD aus Studien an Hirschen und können von denen für Elche und
andere Hirschartige abweichen.
(2) In TSE-Experimenten wurde nachgewiesen, dass der Sehnerv einen neuroinvasiven Übertragungsweg darstellt und hohe Infektiositäts­
titer enthält.
(3) Zur Infektiosität von menschlicher Hypophyse und Dura mater liegen keine experimentellen Daten vor, doch kam es bei der
Transplantation von Dura mater Toter und der Behandlung mit Wachstumshormonen aus der Hypophyse von Toten in Hunderten
von Fällen zur Krankheitsübertragung. Daher sind sie in die Kategorie „hochinfektiöses Gewebe“ aufzunehmen. PrPTSE wurde durch
Immunblot in der Dura Mater eines vCJD-Patienten nachgewiesen, der in den USA nach einer ungewöhnlich langen Inkubationszeit
starb (siehe auch weitere positive Gewebe in der Tabelle IB: Haut, Niere, Leber, Pankreas, Eierstock und Uterus) (Notari et al., 2010).
Wohlgemerkt wurde in früheren Studien an zahlreichen britischen Fällen berichtet, dass all diese Gewebe negativ seien (Ironside et al.,
2002; Head et al., 2004).
(4) Es wird berichtet, dass PrPTSE bei Rindern im Plexus entericus im distalen Ileum ungleichmäßig auftritt, aber die immunhistoche­
mische Untersuchung eines einzigen an BSE verendeten Tieres in Japan legte (wenn auch nicht eindeutig) eine Beteiligung des Plexus
myentericus im gesamten Dick- und Dünndarm nahe (Kimura und Haritani, 2008).
5
( ) Bei vCJD ist PrPTSE auf das mit dem Darm verbundene Lymph- und Nervengewebe beschränkt (Schleimhäute, Muskel und seröse
Häute sind negativ).
(6) Der Vormagen von Wiederkäuern (Netzmagen, Pansen und Blättermagen) ebenso wie der eigentliche Magen (Labmagen) werden
vielfach für den Verzehr verwendet. Aus dem Labmagen von Rindern (und manchmal Schafen) wird Lab gewonnen.
(7) Wurde eine hohe BSE-Dosis oral verabreicht, um Rinder im Tierversuch zu infizieren, so wurde in der Verbindung zwischen Jejunum
und Ileocaecum bei tg-Mäusen, die PrP überexprimieren, Infektiosität nachgewiesen (Daten freundlicherweise von Dr. M. Groschup
zur Verfügung gestellt). PrPTSE wurde mit geringer Inzidenz im Lymphgewebe des Ileums nachgewiesen (Terry et al., 2003) und mit
noch geringerer Häufigkeit im Lymphgewebe des Jejunums bei Rindern, die gleichermaßen auf oralem Wege infiziert wurden (EFSA,
2009).
(8) Die Infektiositätsübertragung sporadischer CJD von humaner Plazenta wurde ein einziges Mal berichtet, aber nie bestätigt und gilt
daher als unwahrscheinlich.
(9) PrPTSE wurde bei einem Scrapie-infizierten Schaf mit chronischer Mastitis nachgewiesen, nicht jedoch bei infizierten Schafen ohne
Mastitis (Ligios et al., 2005).
(10) Studien an oral mit Scrapie infizierten Hamstern haben gezeigt, dass PrPTSE sich in der Haut hauptsächlich in kleinen Nervenfasern
abgelagert hat. Auch wird berichtet, dass die Häute der Samtgeweihspitzen CWD-infizierter Hirsche PrPTSE enthalten und infektiös
sind (Angers et al., 2009).
(11) PrPTSE wurde immunzytochemisch im Nierenbecken Scrapie-infizierter Schafe (Siso et al., 2006) und in Lymphfollikeln im an das
Nierenbecken angrenzenden Verbindungsgewebe bei CWD-infizierten Hirschen nachgewiesen (Fox et al., 2006).
C 73/18
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(12) Es gibt ein einziges positives Ergebnis bei Mark nach mehrfachen Übertragungsversuchen auf Rinder, denen BSE-infiziertes Hirnge­
webe oral verabreicht wurde (Wells et al., 1999; Wells et al., 2005; Sohn et al., 2009).
(13) Durch Muskelhomogenate fand keine Krankheitsübertragung von Menschen mit sporadischer CJD auf Primaten oder von BSEinfizierten Rindern auf andere Rinder statt. Doch mittels intrazerebraler Inokulation eines semitendinösen Muskelhomogenats (ein­
schließlich Nerven- und Lymphgewebeteile) von einer einzigen Kuh mit klinischer BSE konnte die Krankheit auf transgene Mäuse
übertragen werden, die PrP mit einer Quote überexprimieren, welche Spuren von Infektiosität anzeigt (Buschmann and Groschup,
2005). Auch wurde in jüngsten Veröffentlichungen und unveröffentlichten Studien über den Nachweis von PrPTSE in Skelettmuskeln
bei Nagetieren, die experimentell mit Scrapie und vCJD infiziert wurden, berichtet (Beekes et al., 2005), ebenso wie bei experimen­
tellen und natürlichen Scrapie-Infektionen von Schafen und Ziegen (Andreoletti et al., 2004), bei Schafen, denen BSE-infiziertes
Gewebe oral verabreicht wurde (Andreoletti, unveröffentliche Daten) und bei Menschen mit sporadischen und iatrogenen Formen
sowie Varianten der CJD (Glatzel et al., 2003; Kovacs et al., 2004; Peden et al., 2006). Bioassays von Muskeln transgener Mäuse, die
PrP von Hirschartigen exprimieren, haben die Infektiosität von CWD-infizierten Hirschen gezeigt (Angers et al, 2006). Außerdem
laufen Experimente zur Feststellung, ob nachweisbare PrPTSE bei anderen TSE-Formen auch mit Infektiosität einhergehen.
14
( ) Bei Rindern war der Bioassay zur Feststellung der Infektiosität der Zunge negativ, doch die Infektiosität der Rachenmandeln hat zu
Besorgnis über mögliche Infektiosität des lingualen Mandelgewebes an der Zungenbasis geführt, die bei der Schlachtung nicht entfernt
werden kann (Wells et al., 2005; EFSA, 2008). Bei auf natürliche Weise mit Scrapie infizierten Schafen hatten 7 von 10 Tieren
nachweisbare PrPTSE in der Zunge (Casalone et al., 2005; Corona et al., 2006).
(15) Hauptsächlich auf Gebiete begrenzt, die an der olfaktorischen Sinneswahrnehmung beteiligt sind.
(16) Da unter Tausenden von Empfängern nur ein Fall iatrogener CJD mit Sicherheit auf eine Hornhauttransplantation zurückgeführt
werden konnte (ein weiterer Fall gilt als wahrscheinlich, ein anderer gilt nur als möglich), wurde Hornhaut als Gewebe mit mäßigem
Risiko eingestuft; Tests mit anderem Gewebe der vorderen Augenkammer (Linse, Kammerwasser, Iris, Bindehaut) waren sowohl für
vCJK als auch für andere menschliche TSE negativ. Es gibt auch keinen epidemiologischen Nachweis für eine iatrogene Übertragung.
(17) Unzählige Daten aus Studien zur Blutinfektiosität bei Tierversuchen mit Nagetieren wurden durch jüngste Studien ergänzt, die die
Infektiosität von Blut bei Schafen mit natürlich auftretender Scrapie und bei Schafen, die Blutinfusionen BSE-infizierter Rinder erhalten
hatten, dokumentieren (Houston et al., 2008); ebenso bei Hirschen mit natürlich auftretender CWD (Mathiason et al., 2006) und
(nach epidemiologischen Beobachtungen) in den roten Blutkörperchen (einschließlich erheblicher Mengen von Plasma und Leukozy­
ten) von vier Blutspendern in der präklinischen Phase von vCJD-Infektionen (rezensiert in Brown, 2006; Hewitt et al., 2006). Auch
die Verabreichung von Plasma Faktor VIII war möglicherweise an einem subklinischen Fall von vCJD bei einem Hämophilie-Patienten
beteiligt (Peden et al., 2010). Es wurde nicht festgestellt, dass Blut von Menschen mit irgendeiner Form der „klassischen“ TSE (Dorsey
et al., 2009) oder von Rindern mit BSE (einschließlich fötales Kälberblut) die Krankheit überträgt. Eine Reihe von Labors, die neue,
hoch sensitive Verfahren zum Nachweis von PrPTSE verwenden, berichten über Erfolge bei verschiedenen TSE bei Mensch und Tier.
Allerdings sind mehrere davon auf Schwierigkeiten dabei gestoßen, reproduzierbare Ergebnisse mit Plasma zu erzielen, und es ist noch
nicht klar, ob positive Ergebnisse eine potenzielle Krankheitsübertragbarkeit bedeuten, einerseits aufgrund falsch positiver Ergebnisse
und andererseits wegen „echter“ positiver Ergebnisse, die auf subtransmissible Konzentrationen von PrPTSE zurückzuführen sind.
Aufgrund dieser Erwägungen (und der Tatsache, dass noch keine Daten über Blindversuche mit Proben von auf natürliche Weise
infizierten Menschen oder Tieren vorliegen) war die Sachverständigengruppe der Ansicht, dass es noch zu früh sei, um die Validität
dieser Tests mit hinreichender Sicherheit positiv oder negativ bewerten zu können.
(18) Der Nachweis, dass bei Milch keine Infektiosität besteht, wurde erbracht durch: raum-zeitliche epidemiologische Beobachtungen, bei
denen keine maternale Übertragung festgestellt wurde, die klinische Beobachtung von über hundert Kälbern, die von infizierten Kühen
gesäugt wurden und kein BSE entwickelten, und Tierversuchsbeobachtungen, denen zufolge keine Krankheitsübertragung durch Milch
von infizierten Kühen stattfand, die bis zu einem Alter aufgezogen wurden, das die Mindestinkubationszeit überschreitet, wenn die
Milch intrazerebral oder oral an Mäuse verabreicht wurde (Middleton und Barlow, 1993; Taylor et al., 1995). Auch wurde PrPTSE
nicht in Milch von Kühen nachgewiesen, die BSE nach experimenteller oraler Verabreichung inkubierten (SEAC, 2005). Es wurden
jedoch geringe Mengen (μg bis ng/L) normaler PrP in Milch sowohl von Tieren als auch von Menschen nachgewiesen (Franscini et al.,
2006). PrPTSE wurde in den Brustdrüsen Scrapie-infizierter Schafe mit chronischer Mastitis nachgewiesen (Ligios et al., 2005). In
jüngster Zeit wurde über eine Krankheitsübertragung durch Milch (die in einigen Fällen auch Kolostrum enthielt) von Scrapieinfizierten Schafen auf gesunde Tiere berichtet (Konold et al., 2008; Lacroux et al., 2008).
(19) Durch ein gemischtes Inoculum aus Urin und Kot von auf natürliche Weise mit CWD infizierten Hirschen fand während einer 18monatigen Beobachtungszeit nach Inokulation gesunder Hirsche mit einem heterozygoten (96 G/S) PRNP-Genotyp keine Krankheits­
übertragung statt (Mathiason et al., 2006). Bei kürzlich durchgeführten Bioassays an tg-Mäusen ist jedoch sowohl durch Urin (Haley et
al., 2009) als auch durch Kot (Tamgüney et al., 2009) eine Krankheitsübertragung erfolgt. Darüber hinaus schieden tg-Mäuse mit
lymphozytischer Nephritis, die im Tierversuch mit Scrapie infiziert wurden, im Bioassay sowohl PrPTSE als auch Infektiosität mit dem
Urin aus (Seeger et al., 2005). Auch wurde eine sehr geringe Infektiosität im Urin (und in histologisch normalen Nieren) von
Hamstern nachgewiesen, die im Tierversuch mit Scrapie infiziert worden waren (Gregori und Rohwer, 2007; Gonzalez-Romero et
al., 2008). Schließlich führte im Bioassay an tg-Mäusen, die PrP überexprimieren, bei einem Scrapie-Versuchsmodell an Hamstern die
orale Verabreichung zu infektiösem Kot (Safar et al., 2008).
(20) Embryonen von BSE-infizierten Rindern haben die Krankheit nicht auf Mäuse übertragen, doch wurde nur die Infektiosität von Blut
und nicht von anderem fötalen Kälbergewebe gemessen (negativer Maus-Bioassay). (Fraser und Foster, 1994). Kälber von Muttertieren,
die Embryonen BSE-infizierter Rinder erhalten hatten, überlebten für Beobachtungszwecke bis zu sieben Jahre. Die Untersuchung der
Gehirne sowohl der nicht infizierten Muttertiere als auch ihrer Kälber wiesen keine spongiforme Enzephalopathie oder PrPTSE auf.
(21) Frühe Berichte über die Übertragung von CJK über menschliches Nabelblut oder Kolostrum wurden nicht bestätigt und gelten als
unwahrscheinlich. Ein Bioassay mit Material einer BSE-infizierten Kuh an transgenen Mäusen, die bovines PrP überexprimieren,
erbrachte ein negatives Ergebnis (Buschmann und Groschup, 2005). PrPTSE wurde auch nicht im Kolostrum von Rindern nach­
gewiesen, die nach experimenteller oraler Verabreichung BSE inkubierten (SEAC, 2005).
5.3.2011

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