Österreich, Donauraum und Europa Darstellung des

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Österreich, Donauraum und Europa Darstellung des
Österreich, Donauraum und Europa
Darstellung des Forschungsbereiches
Redaktor: Moritz Csáky
Die Zusammenfassung von acht Arbeitsbereichen, die anscheinend so unterschiedliche Ziele verfolgen wie zum Beispiel die Kommission für Musikforschung
mit der Erstellung eines „Oesterreichischen Musiklexikons“, die Kommission
für Geschichte der Naturwissenschaften,
Mathematik und Medizin, die vor allem
die ihr übertragenen Sammlungen betreut
und aufarbeitet (Sammlung Woldan,
Sammlung Radiumforschung) oder die
Kommission für Kulturwissenschaften
und Theatergeschichte mit ihren historischen (Wiener Theatergeschichte) und
kulturtheoretischen, transdisziplinär orientierten Forschungsansätzen (Orte des
Gedächtnisses), bedarf zunächst einer gewissen Rechtfertigung. In der Tat mag die
Zusammenführung der hier versammelten Bereiche zwar auf den ersten Blick als
eine zufällige erscheinen. In früheren Berichten galt eine andere Einteilung und
die aktuelle web-site der ÖAW ordnet die
hier vorgestellten Forschungseinrichtungen bzw. Kommissionen drei verschiedenen Bereichen zu (Formalwissenschaften, Kulturwissenschaften, Historische
Wissenschaften). Dennoch ist eine Übereinstimmung wahrnehmbar, die freilich
ebenso die Integration anderer Bereiche
nahe legen könnte.
Ganz allgemein kann festgestellt werden,
dass sich die Arbeitsergebnisse der acht
Einrichtungen insgesamt auf Österreichrelevante Fragen in einem übergreifen-
den, gesamtregionalen und gesamteuropäischen Kontext beziehen. Sie bedienen
sich weitgehend vergleichbarer methodischer Verfahren, die sich mehr oder weniger einer historisch-kritischen Aufarbeitung von Quellen verdankt und sie argumentieren z. T. fächerübergreifend, d. h.
interdisziplinär. Mit einigen Hinweisen
soll dies verdeutlicht werden.
Die monumentale sechsbändige „Geschichte der bildenden Kunst in Österreich“ der Kommission für Kunstgeschichte, von der bisher vier Bände erschienen sind, thematisiert Kunst auf
dem heutigen Gebiet Österreichs in ihrer
Verflechtung mit gesamteuropäischen
Entwicklungen; sie ist somit sowohl ein
Beitrag zur Kulturgeschichte Österreichs
als auch Zentraleuropas (Donauraum)
bzw. Europas. Sie umfasst den Zeitraum
vom späten 8. Jh. bis zur Gegenwart und
wendet sich mit Überblicksartikeln und
detaillierten Katalognotizen (und bibliographischen Angaben) sowohl an die
Fachwelt als auch an eine breitere, interessierte Öffentlichkeit. Der zweite Band
der „Jesuitenarchitektur in Italien“, der
sich auf Oberitalien konzentriert, ist –
ebenso wie die im Oktober 2000 veranstaltete internationale Tagung „Die Jesuiten in Wien“ – ein wichtiger Beitrag zur
Erforschung des europäischen Barock.
Das historische Großvorhaben „Die
Habsburgermonarchie 1848–1918“ der
Kommission für die Geschichte der
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Forschungstätigkeit
Habsburgermonarchie, von dem bisher
sieben Bände vorliegen, konzentriert sich
nicht zuletzt auf ökonomische, politische
und soziale Interdependenzen im „historischen“ Donauraum. Im Jahre 2000 erschien Band VII/1 und 2, der sich mit
Grundfragen von Verfassung und Parlamentarismus in der Donaumonarchie
auseinandersetzt. Fünf weitere Bände
sollen folgen, zwei davon (Band VIII:
Die politische Öffentlichkeit, Band IX:
Sozialgeschichte) befinden sich derzeit in
unterschiedlichen Stadien der Bearbeitung. Ob die Reihe durch eine systematische Bibliographie und eine englischsprachige Synthese abgeschlossen werden soll, ist zu einem späteren Zeitpunkt
zu entscheiden. Ergänzt wird diese zentrale Arbeit durch eine das Gesamtwerk
begleitende Forschung, soweit sie für den
Fortgang des Unternehmens notwendig
ist bzw. insofern es sich um die Schließung von Forschungslücken handelt, die
sich im Zuge der bisherigen Arbeit gezeigt haben. In diesem Sinn hat die Kommission drei Forschungsprojekte entwickelt, von denen sie glaubt, einen zentralen Beitrag zur Habsburg-Forschung leisten zu können: „Die Quellen zur Wahlgeschichte in der Habsburgermonarchie
1848–1918. Atlas zur Wahlstatistik und
Wahlgeographie“, „Kollektivbiographie
der Parlamentarier in Österreich 1848–
1918“ und „Forschungen zum Bürgertum
in der Habsburgermonarchie“. Zum Arbeitsbereich der Kommission zählt ferner
die Herausgabe und redaktionelle Betreuung der Reihe „Studien zur Geschichte
der österreichisch-ungarischen Monarchie“. Im Zuge von Umstrukturierungen
ist der Kommission auch die Obsorge für
das „Österreichische Städtebuch“ zugefallen.
Neben dem Forschungsschwerpunkt
„Der Wiener Hof“ verspricht vor allem
das Großprojekt „Imperien im Vergleich“
der Historischen Kommission ein For-
schungsvorhaben von europäischer Dimension zu werden. Die große internationale Konferenz über Karl V. kann in gewissem Sinne als ein Auftakt dieses Unternehmens angesehen werden, obwohl
die konkrete Durchführung des Projekts
erst mit 1700 beginnen soll. Neben der
Initiierung dieser beiden Themenschwerpunkte hat sich die Kommission auch früher eingegangener Verpflichtungen zu
entledigen. Schließlich fördert sie, in
Fortführung einer älteren Tradition, auswärtige Manuskripte und Quelleneditionen, sei es durch direkte Aufnahme in
eine der Publikationsreihen oder durch
redaktionelle Betreuung.
Das für die Vertreter aller Fachrichtungen
unentbehrliche, bisher in elf Bänden vorliegende „Österreichische Biographische
Lexikon 1815–1950“ des Instituts Österreichisches biographisches Lexikon und
biographische Dokumentation erfasst ein
bald auch über das Internet zugängliches
biographisches Material, das weit über
die heutigen Grenzen unseres Landes
verweist. Die Herausgabe dieses Lexikons, das Persönlichkeiten erfasst, die auf
dem jeweiligen österreichischen Staatsgebiet geboren wurden, gelebt bzw. gewirkt haben und durch besondere Leistungen hervorgetreten sind, bildet also
die Hauptaufgabe des Instituts.
Die Arbeiten am Lexikon werden von
kleineren, spezifischen Forschungsvorhaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
begleitet.
Analog verfährt auch das „Oesterreichische Musiklexikon“ der Kommission für
Musikforschung, das die Musik in einem
Geflecht regionaler und europäischer Bezüge erscheinen lässt. Untermauert
wurde diese Sicht durch den Workshop
„Grenzüberschreitende Musikgeschichtsschreibung“. Die Kommission versteht
sich folglich als eine vornehmlich musikhistorische Einrichtung. Ihr Schwerpunkt
liegt in der Erforschung des österreichi-
Österreich, Donauraum und Europa
schen Musiklebens in Geschichte und
Gegenwart. Neben Detailforschungen
spielt die Zusammenfassung und Aufbereitung von Forschungsergebnissen, die
an den Universitätsinstituten nicht mehr
geleistet werden und in Hinkunft zugunsten der Grundausbildung von Musikwissenschaftlern vielleicht noch weiter in
den Hintergrund treten dürften, eine
große Rolle. Im Sommer 1999 hat die
Kommission ein mission statement diskutiert und verabschiedet, in dem die Arbeitsprinzipien bis auf weiteres auf folgende Kurzformeln gebracht erscheinen:
vornehmlich historische Ausrichtung,
Orientierung an vergleichbaren „Zentralinstituten“ in Deutschland, kurzfristig
Konzentration auf das Projekt „Oesterreichisches Musiklexikon“ und mittelfristig
auf den „zentraleuropäischen Dialog“,
modifizierte Weiterführung der bisherigen Publikationsreihen.
Die Kommission für Rechtsgeschichte
Österreichs ist 1994 als Nachfolgerin der
Weistümer- und Urbarkommission (gegründet 1864) und der Kommission für
die Savigny-Stiftung (gegründet 1864)
konstituiert worden. Ihre Hauptaufgabe
besteht in der Erforschung der Rechtsgeschichte Österreichs, wobei unter Österreich nicht nur das Gebiet der heutigen
Republik zu verstehen ist, sondern auch
jenes der Habsburgermonarchie und der
mittelalterlichen Territorien dieses (mitteleuropäischen) Raumes. Inhaltlich steht
die Edition von Rechtsquellen im Vordergrund, welche in der 3. Abteilung der
Fontes rerum Austriacarum, den Fontes
iuris, mit deren Herausgabe die Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs betraut ist, publiziert werden. Der Begriff
„Rechtsquellen“ ist nicht eng zu fassen.
Es werden selbstverständlich auch verwandte Quellen wie Weistümer, Urbare,
Stadtrechte, Polizeiordnungen, Zunftund Handwerksordnungen, Fabriksprivilegien und sonstige Urkunden bearbeitet.
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Auch ist daran gedacht, Juristenschriften
und Fakultätsgutachten zu edieren. Möglicherweise sind auch Reprints älterer
Werke (Quellen wie Darstellungen), denen in der Rechtsgeschichte und in der
Rechtswissenschaft große Bedeutung zukam, in Erwägung zu ziehen. Die Arbeitsbereiche der Kommission sind im
hohen Maße interdisziplinär. Die für eine
Edition in Betracht kommenden Quellen
greifen über die Rechtsgeschichte hinaus.
Das wichtigste, zurzeit laufende Forschungsprojekt „Vorträge zum Unterricht
des Kronprinzen Joseph II.“ thematisiert
„die innere Verfassung der deutschen
Erbkönigreiche und Lande“ im 18. Jh.
und gewährt damit einen guten Einblick
in die Beschaffenheit eines äußerst heterogenen Staatswesens (Habsburgermonarchie).
Die Kommission für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Medizin bearbeitet historisch-naturwissenschaftliche Themen aus den Bereichen
Physik, Geographie und Kartographie,
Mathematik und Medizin. Sie konzentriert sich dabei auf folgende Forschungsbereiche: (1) Betreuung und Aufarbeitung der Sammlung Woldan (SW) mit
den Nachlässen von Philipp Paulitschke
und Erich Woldan und den Teilnachlässen von Ernst Bernleitner, Karl Dobesch,
Eugen Oberhummer, Hans Pozdena und
Herbert Tichy. (2) Bearbeitung der
Sammlung Radiumforschung (SR), insbesondere der ersten 25 Jahre (1896–
1921); hier besteht auch eine Zusammenarbeit mit allgemein bildenden Höheren
Schulen (Wien und Niederösterreich).
Die Kommission erstellt interdisziplinäre
Vorträge, Seminare und Ausstellungen.
Die Aufarbeitung der Dokumente betreffend die Radioaktivitätsforschung in
Österreich ist für die Wissenschaftsgeschichte des 20. Jh. von Relevanz.
Die sowohl übergreifenden als auch verbindenden Perspektiven, die den Arbei-
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Forschungstätigkeit
ten der hier kurz vorgestellten Forschungseinrichtungen zugrunde liegen,
lassen sich mit einem zentralen, dem aktuellen kulturwissenschaftlichen Diskurs
entlehnten Forschungsansatz des Programms „Orte des Gedächtnisses“ der
Kommission für Kulturwissenschaften
und Theatergeschichte auch theoretisch
untermauern. Er besagt, dass die in Erinnerungsorten versammelten Identifikatoren (kulturelle Codes) nicht allein von nationaler, sondern grundsätzlich von transnationaler Provenienz und Relevanz sind,
auch wenn sie immer wieder national
vereinnahmt wurden bzw. werden. Unter
anderem kann dies an der ethnisch-kulturellen und sprachlichen Heterogenität
Zentraleuropas nachgewiesen werden,
die individuelle und kollektive Mehrfachidentitäten („entortete Identitäten“) zu
einer Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit werden lassen. Dieser Forschungsansatz vermag die von Pierre
Nora (Frankreich), Mario Isnenghi (Italien) oder Etienne François und Hagen
Schulze (Deutschland) vertretene Sichtweise, die sich hauptsächlich auf das
Problem der Konstruktion nationaler
Identitäten konzentriert, sowohl zu ergänzen als auch zu korrigieren. Die Forschungsarbeiten der Kommission beinhalten also neben theatergeschichtlichen
Forschungen („Theater der Habsburgermonarchie“) ein zweites, der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung
entlehntes Forschungsvorhaben („Orte
des Gedächtnisses“). Beide Bereiche sind
miteinander vernetzt und von einem
übergreifenden Kulturbegriff geleitet:
Kultur als „das Ensemble von Elementen,
mittels derer Individuen in einer Gesellschaft miteinander kommunizieren“ ist
ein Bedeutungszusammenhang und Orientierungsmuster, denen identitätsstiftende Funktion zukommt. Die Kommission reagiert also mit ihren Forschungsprogrammen (1) auf Fragen der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung,
schließt sich (2) dem aktuellen Diskurs
um einen umfassenden Kulturbegriff an,
folgt (3) den Forderungen von Transdisziplinarität und nutzt (4) die spezifischen
Konditionen einer europäischen Region
(Zentraleuropa, Österreich). Die von einem internationalen Expertenrat kontinuierlich evaluierten Forschungsprojekte
folgen inhaltlichen Vorgaben, die eng
miteinander vernetzt sind (z. B. Konstruktion von Identität, Österreich- bzw.
regionaler Aspekt) und von komparatistischen und transdisziplinären Gesichtspunkten geleitet werden.
Die Zusammenfassung von so heterogenen Forschungsbereichen unter die gemeinsame Leitlinie „Österreich, Donauraum und Europa“ lässt sich also sowohl
aufgrund inhaltlicher und methodischer
Berührungspunkte als auch aufgrund
theoretischer Vorgaben durchaus begründen bzw. rechtfertigen.
Arbeitsergebnisse
Kommission für Kunstgeschichte
Obmann: Hermann Fillitz (bis November 1999)
Artur Rosenauer (ab November 1999)
Geschichte der bildenden Kunst
in Österreich
Im Rahmen dieser Publikationsreihe sind
bisher vier Bände erschienen: Bd. I:
Früh- und Hochmittelalter, hrsg. von Hermann Fillitz, 1998; Bd. IV: Barock, hrsg.
von Hellmut Lorenz, 1999; und Bd. II:
Gotik, hrsg. von Günter Brucher, 2000.
Bd. VI: Kunst im 20. Jahrhundert, hrsg.
von W. Schmied erscheint im Frühjahr
2002. Alle bisher erschienenen Bände haben in der Fachwelt und Presse einhellige
Zustimmung erfahren.
Corpus der mittelalterlichen Wandmalereien Österreichs
Der den Werken der Steiermark gewidmete Band II erscheint 2002. Der immense Freskenbestand des an mittelalterlicher Monumentalmalerei nach Kärnten
reichsten Bundeslandes (Bearbeitungszeitraum vom 12. Jh. bis um 1530) wird
in 1752 Katalognummern in eingehenden Analysen kunstwissenschaftlich erschlossen. Der Band umfasst höchst bedeutsame und qualitätsvolle Werke von
europäischem Rang sowie umfangreiche
Gesamtausstattungen und Werkstattgruppen. Der gewaltige Bestand machte eine
Teilung in einen Text- und einen Tafelband notwendig. Im Textband gibt eine
Einführung einen knappen entwicklungsgeschichtlichen Überblick über die
vielfältigen Erscheinungsformen und Ge-
staltungsprinzipien der Monumentalmalerei und vermittelt einen Eindruck von
dem breit gefächerten Spektrum eines
Ziborium (um 1300 bzw. Mitte des 14. Jh.). Kupfer, Silber, vergoldet, Email, Höhe 37 cm. Klosterneuburg (NÖ.), Augustiner-Chorherrenstift.
Foto: I. Kitlitschka, Klosterneuburg.
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Forschungstätigkeit
Mediums. Der nach Orten alphabetisch
geordnete Katalog ist nach folgenden
Kategorien gegliedert: Ausstattungssysteme, übergreifende Gesamtprogramme,
Ikonographie, Technik, Erhaltung, Stil
und entwicklungsgeschichtliche Einordnung. Der Tafelband bietet mit insgesamt 991 farbigen und schwarz-weißen
Illustrationen eine annähernd vollständige fotografische Dokumentation der
Denkmäler.
Jesuitenarchitektur in Italien 1540–1773.
Die Baudenkmäler der Mailändischen
Ordensprovinz
Die Ergebnisse der Untersuchung werden
als zweiter Band eines ganz Italien umfassenden Corpuswerkes zur Jesuitenarchitektur publiziert. Der erste, ausschließlich vom Projektleiter verfasste
Band (römische und neapolitanische Ordensprovinz) wurde 1985 bzw. 1986 in
zwei (bereits vergriffenen) Auflagen im
Verlag der ÖAW veröffentlicht. Der konsequent weitergeführte und vom ersten
Band vorgegebene methodische Ansatz
der Untersuchung liegt in der Zusammenführung der Bauleistungen des Ordens im
westlichen Oberitalien unter besonderer
Bedachtnahme auf dessen organisatorische Strukturen. Zum einen wird zu klären versucht, inwieweit die Ordenshierarchie direkt auf das konkrete Baugeschehen Einfluss genommen und wie sehr
sich dieser Einfluss auf die baukünstlerische Gestaltung ausgewirkt hat. Die damit verbundene Frage nach typologischen und strukturellen Konstanten der
„Jesuitenarchitektur“ stellt dabei die
zweite Zielrichtung dar. Voraussetzung
für eine Beantwortung dieser Fragen ist
neben einer umfassenden Kenntnis des
Denkmälerbestandes auch die Erfassung
und Auswertung der schriftlichen wie
bildlichen Quellen. Dokumente aus dem
„Archivum Romanum Societatis Jesu“
aus den Staatsarchiven in Mailand, Genua und Turin haben (natürlich in unterschiedlicher Detaildichte) die Rekonstruktion der Chronologie der einzelnen
Entwurfs- und Baugeschichten ermöglicht. In Summe darf davon gesprochen
werden, dass die Bearbeitung des umfangreichen Materials zu Ergebnissen geführt hat, die den Erwartungen voll entsprechen. Auf Basis von Bauinterpretationen und präziser Quellenanalyse können Abläufe, Strukturen und Bedingungen des jesuitischen Bauschaffens transparent gemacht werden. So sind wir heute
imstande, die Konturen einer ordenspezifischen Architektur im Sinne der im ersten Band gewonnenen Erkenntnisse zu
präzisieren und weiterzuführen. Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch
auf die geplante Publikation der internationalen Tagung „Die Jesuiten in Wien“
hingewiesen (2002).
Österreich, Donauraum und Europa
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Kommission für Musikforschung
Obmann: Rudolf Flotzinger
Oesterreichisches Musiklexikon
Mit dem Musiklexikon hat die Kommission ein seit ihrem Bestehen mit unterschiedlichem Aufwand und Nachdruck
verfolgtes Projekt aufgegriffen und endgültig ins Zentrum ihrer Arbeit gerückt.
Für dieses wurde eine Liste der geplanten
Stichworte vorgelegt und mit Unterstützung der Mitarbeiter bis zuletzt laufend
ergänzt. Dabei wurden auch Reaktionen
auf die Veröffentlichung dieser Liste in
der Homepage der Kommission (insbesondere aus dem Ausland) berücksichtigt. Die Liste umfasst inzwischen an die
8500 Einträge, von denen die meisten
auch in der geplanten Druckfassung des
Lexikons Berücksichtigung finden werden. Ein entscheidender Punkt bei diesem
Unternehmen ist nämlich, dass die
Druckfassung, deren erster Band (enthaltend die Buchstaben A – F) zu Beginn des
Jahres 2002 erscheinen wird, nur eine
handliche Version der als längerfristig
und ständig sowohl zu erweiternd als
auch kostenpflichtig konzipierten Internet-Version darstellen wird. Beide Versionen sollen auch Abbildungen und Notenbeispiele, die Letztgenannte im Endausbau sogar Hörbeispiele enthalten. Zunächst war daran gedacht gewesen, die
Oesterreichisches Musiklexikon, online-Version: Artikel „Adler, Guido“ (Ausschnitt).
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Forschungstätigkeit
beiden Versionen nacheinander zu erarbeiten. Mehrere zuletzt verfolgte Projekte
mussten deshalb, so weit sie nicht diesem
Zweck unterzuordnen waren, entweder
abgeschlossen (darunter das Projekt Hans
Rott) oder, so weit zu verantworten, zumindest reduziert werden.
Publikationsreihen, Publikationen
Von den bisher drei Publikationsreihen
werden in Hinkunft nur mehr zwei („Veröffentlichungen der Kommission für Musikforschung“ mit gleicher Ausrichtung
wie bisher bzw. „Tabulae musicae Austriacae. Kataloge österreichischer Musiküberlieferung“ mit mittelfristig geänderter Zielrichtung, insbesondere hinsichtlich besserer Abstimmung mit vergleichbaren internationalen Projekten) weitergeführt.
Aus Mitteln des Bundesministeriums für
Wissenschaft, Bildung und Kultur, der
ÖAW und der Gemeinde Wien stehen der
Kommission derzeit insgesamt drei volle
und drei halbe Dienstposten zur Verfügung. Die sechs Inhaber derselben haben
im Berichtszeitraum 2 Bücher und 16
Aufsätze verfasst sowie 7 Bücher herausgegeben.
Anton Bruckner Institut Linz (ABIL)
Das der Kommission assoziierte Anton
Bruckner Institut Linz (Leitung: Theophil Antonicek) hat die Dokumentation
und Grundlagenforschungen weitergeführt. So sind u. a. die Arbeiten am
Bruckner-Archiv St. Florian sehr weit gediehen, die Bruckner-Schüler am Konservatorium fast vollständig erfasst, das Musikleben der Stadt Steyr zur Zeit Bruckners historisch-soziologisch aufgearbeitet sowie je ein weiterer Zeitabschnitt von
Bibliographie (1975–1999) und Ikonographie (1925–1846) abgeschlossen. Es
wurden auch Arbeitsergebnisse sowohl in
wissenschaftlichen Veranstaltungen (Tagungen in Wien 1999, Linz 2000, Gmunden 2001) als auch in der sich an eine
breitere Öffentlichkeit wendenden Wanderausstellung (konzipiert im Auftrag der
Oö. Landesregierung; bisherige Stationen: Linz, München, Wien, Skopje, Kapstadt, Weltausstellung Hannover, derzeit:
Helsinki, anschließend Tallinn) präsentiert. Als umfangreichste Publikation ist
eine kommentierte Faksimileausgabe von
Bruckners Taschen-Notizkalendern erschienen.
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Kommission für Kulturwissenschaften und
Theatergeschichte
Obmann: Moritz Csáky
Theatergeschichtliche Forschungen
Dieses Forschungsprogramm geht von
der metatheoretischen Forschungshypothese aus, dass Theater als „bedeutungserzeugendes System“ maßgeblich an der
Konstruktion kollektiver Identitäten beteiligt ist. Der Schwerpunkt „Wiener
Theatergeschichte“ (Elisabeth Großegger) mit den Projekten „Antrittsreden,
Abgesänge und Nekrologe der Burgtheaterdirektoren von Laube bis 1938“ und
„Prinz Eugen als Gedächtnisort im österreichischen Theater“ thematisiert daher,
abgesehen von der erstmaligen Aufarbeitung relevanter Quellenbestände, ganz
bewusst auch den Zusammenhang von
Theater, Gedächtnis und Erinnerung. Ein
anderer Schwerpunkt konzentriert sich
auf „Feste und Feiern der Casa de Austria“ (Andrea Sommer-Mathis). Hier geht
es u. a. um den Repräsentationscharakter
und die politische Relevanz des Theaters
innerhalb des höfischen Lebens.
Forschungsprogramm
Orte des Gedächtnisses
Die Inhalte des zweiten Forschungsprogramms verdanken sich transdisziplinären Forschungsperspektiven des aktuellen kulturwissenschaftlichen Diskurses:
Die Projekte „Der Heldenplatz als österreichischer Gedächtnisort“ (Peter Stachel, Habilitationsprojekt) und „Zwischen Integration und Marginalität – Versuch einer Typologie der intellektuellen
Leistungen in der Donaumonarchie“ (Peter Stachel) konzentrieren sich in unterschiedlicher Weise auf zwei Paradigmen
einer „österreichischen“ Gedächtniskul-
tur, während das Projekt „Museum – Gedächtnis – Identität. Das Landesmuseum
Joanneum als Speicher des Gedächtnisses“ (Monika Sommer, Dissertationsprojekt, Abschluss 2002) die Entstehung des
Museums vor allem unter dem Aspekt
der Relevanz des Speicher- und Funktionsgedächtnisses untersucht. Eine besondere Bedeutung kommt dem Projekt „Gedächtniskultur im ausgehenden 20. und
beginnenden 21. Jahrhundert – Transformationen gesellschaftlicher Erinnerung
im europäischen Vergleich“ (Heidemarie
Uhl, Habilitationsprojekt) zu: Es analysiert die sozial-politische Einbettung unterschiedlicher österreichischer Erinnerungskulturen in den Jahrzehnten nach
1945.
Wesentliche Arbeitsergebnisse bestehen
vor allem in forschungsimmanenten Erkenntnissen, sie sind ein unabdingbarer
Bestandteil der jeweiligen Projektarbeit
als ein Work in Progress. Sie verdanken
sich sowohl der Erschließung neuer
Quellenbestände (z. B. Burgtheater, Heldenplatz, Museum, Erinnerungskulturen
in Österreich) als auch einer kulturwissenschaftlichen Perspektive („Gedächtnis
und Erinnerung“), die neue, weiterführende Forschungserkenntnisse ermöglichen, die in den angestrebten monographischen Darstellungen (u. a. zwei Habilitationsschriften, eine Dissertation) zum
Ausdruck kommen.
Kommissionspublikationen
Im Berichtszeitraum erschienen sechs
Monographien und Sammelbände. Insbesondere sei hingewiesen auf eine Mono-
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Forschungstätigkeit
graphie von Adolf Scherl über das „Berufstheater in Prag 1680–1739“ (Theatergeschichte Österreichs X/5), auf den von
A. Sommer-Mathis und E. Th. Hilscher
redigierten Band über „Pietro Metastasio
(1698–1782) – Uomo universale. Festgabe der ÖAW zum 300. Geburtstag von
Pietro Metastasio“ und auf die Bände, die
die Ergebnisse der ersten zwei Internationalen Konferenzen zu „Orte des Gedächtnisses“ beinhalten. Darüber hinaus sei
auf die große Zahl von weiteren, insgesamt ca. 124 Publikationen (Monographien, Sammelbände und Aufsätze) verwiesen, die zum Teil die weitverzweigte
Vortragstätigkeit (insgesamt 84) der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommission wiederspiegeln, z. B. die ungarische (1999) und slowenische (2001) Fassung von „Ideologie der Operette und
Wiener Moderne“ von Moritz Csáky;
„Zur Humanisierung des Lebens. Theater
und Kunst. Ausgewählte Vorträge von
Margret Dietrich“, hg. von Elisabeth
Großegger, Andrea Sommer-Mathis, Dorothea Weber (2000); „Das Gewebe der
Kultur. Kulturwissenschaftliche Analysen zur Geschichte und Identität Österreichs in der Moderne“, hg. von Johannes
Feichtinger und Peter Stachel (2001) oder
„Kultur – Urbanität – Moderne. Differenzierungen der Moderne in Zentraleuropa
um 1900“, hg. von Heidemarie Uhl und
Antje Senarclens de Grancy (1999).
Internationale Konferenzen, Workshops,
Jours fixes
1. Die jährlichen interdisziplinären Konferenzen trugen zur Internationalisie-
rung der Forschungsaktivitäten bei und
stellten konkrete Forschungsergebnisse
zur Diskussion. Seit der Neukonstitution
der Kommission 1999 wurde jedes Jahr
im November eine Internationale Konferenz veranstaltet: „Speicher des Gedächtnisses“ im November 1999 (die Ergebnisse mit Beiträgen von Aleida und
Jan Assmann, Gottfried Korff, Ernst
Schulin, Gotthart Wunberg u. a. erschienen in zwei Bänden beim Passagen Verlag, Wien), „Erinnerungsräume, Gedächtnisorte“ im November 2000 (mit
Beiträgen von Andre Gingrich, Florin
Žigrai, Jacques Le Rider, Andrei Corbea-Hoisie, Pieter Judson u. a., Passagen
Verlag, Wien) und „Mehrdeutigkeit des
kulturellen Erbes“ im November 2001
(mit Beiträgen von Friedrich Achleitner,
Urs Altermatt, Michael Böhler, Bernhard Giesen, Horst Wenzel, Ruth Wodak
u. a.).
2. Unter der Federführung von Jacques
Le Rider (Paris) und in Kooperation mit
dem Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut (Wien) fand im April 2001
ein internationaler Workshop über „Europäische Gedächtnisorte (Lieux de mémoire) in Mitteleuropa“ statt.
3. Zu den Jours fixes traf sich einmal im
Monat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, um aktuelle Fragen der Kulturwissenschaften zu diskutieren. Teilnehmer waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, der
ÖAW, von universitären und außeruniversitären Einrichtungen sowie internationale Gäste.
Österreich, Donauraum und Europa
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Historische Kommission
Obmann: Grete Walter-Klingenstein
Der Wiener Hof
Ein internationaler und interdisziplinärer
Arbeitskreis wurde gegründet, der mit unterschiedlichen Institutionen im In- und
Ausland als Kooperationspartnern vier
Workshops veranstaltete: 1. Allgemeine
Problemanalyse, 2. Welcher Hof?, 3. Welche Quellen informieren über den Hof?,
4. Der Habsburger Hof und Prag.
Die Ausarbeitung des Forschungskonzepts über die Erbhuldigungen und Huldigungen in den Erbländern von Leopold I.
zu Leopold II. steht vor dem Abschluss,
während die Diskussionen zum Forschungskonzept über das diplomatische
Zeremoniell am Wiener Hof fortgeführt
wurden. Die Kommission war als Initiatorin und als Partnerin des Haus-, Hof- und
Staatsarchivs maßgeblich an der Ausarbeitung des Forschungskonzepts „Die
Hofstaatsverzeichnisse unter Leopold I.“
beteiligt. Neue Einblicke in die frühneuzeitliche Regierungspraxis des Wiener
Hofes gibt Stefan Sienells 2001 erschienene Arbeit „Die Geheime Konferenz unter Kaiser Leopold I. Personelle Struktu-
Die Eidesleistung Kaiser Karls VI. als Herzog der Steiermark vor Vertretern der Stände. Quelle: Georg
Jacob von Deyerl von Deyerlsperg, Erb-Huldigung, welche dem allerdurchleuchtigist-großmächtigisten und unüberwindlichsten römischen Kayser, Carolo dem Sechsten, zu Hispanien, Hungarn (etc.) …
abgelegt, Grätz 1740.
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Forschungstätigkeit
ren und Methoden zur politischen Entscheidungsfindung am Wiener Hof“. Im
November 1999 wurde die Tagung „Internationale Beziehungen und friedenssichernde Maßnahmen in Europa. Vom
Frieden von Karlowitz (1699) bis heute“
veranstaltet, wobei die strukturellen Hintergründe dieses zwischen dem Osmanischen Reich und Österreich abgeschlossenen Friedens und ähnlich gelagerte
Probleme der gegenwärtigen Lage diskutiert wurden. Dem Verhältnis von Kaiserhof und Reichsständen widmet sich der
von Heinz Duchhardt und Matthias
Schnettger herausgegebene Sammelband
„Reichsständische Libertät und Habsburgisches Kaisertum“ (Mainz 1999), der die
Ergebnisse der 1997 gemeinsam mit dem
Institut für Europäische Geschichte in
Mainz veranstalteten gleichnamigen Tagung enthält. Ferner wurde 1999 in Wien
die Tagung „Die böhmischen und die
österreichischen Länder in der frühen
Neuzeit (1526–1648). Eine historiographische und forschungsleitende Bestandsaufnahme“ veranstaltet.
Imperien im Vergleich von ca. 1700
bis nach dem Ersten Weltkrieg
Bei diesem Themenschwerpunkt wird
anhand ausgewählter Fragestellungen ein
Vergleich des russischen, osmanischen
und habsburgischen Reiches angestrebt.
Das Ergebnis der fortlaufenden Diskussionen im Kreis der Mitglieder wird in
Hinkunft als Grundlage für Einzelprojekte dienen. Eine Reihe von Unternehmungen hat diesen Themenbereich bereits bisher unmittelbar berührt. So wurde
das Forschungsprojekt „Österreichische
Regierung und Verwaltung in LombardoVenetien, 1848–1866“ abgeschlossen
und das Projekt „Österreich(-Ungarn) als
katholische Schutzmacht im Heiligen
Land vor dem Ersten Weltkrieg“ befindet
sich in seiner Endphase. Die damit verbundene Edition von Mordechai Eliav
unter Mitarbeit von Barbara Haider
„Österreich und das Heilige Land. Ausgewählte Konsulatsdokumente aus Jerusalem 1849–1917“ ist 2000 erschienen,
wie auch 1999 die Edition Michael Hochedlingers „Der Weg in den Krieg. Die Berichte des Franz Paul Zigeuner von Blumendorf, k. k. Geschäftsträger in Paris
1790–1792“. Redaktionelle Betreuung
erfuhr das Manuskript von Evelyn Kolm
„Die Ambitionen Österreich-Ungarns im
Zeitalter des Hochimperialismus“ (Wien
2000). Die inneren Strukturen eines aus
unterschiedlichen Ländern und Nationalitäten zusammengesetzten Staates beleuchteten die von der Kommission mitveranstalteten Tagungen „Staat – Land –
Nation – Region 1848–1918“ (Laibach
1999) und „Governance, Globalisation
and the European Union. Which Europe
for Tomorrow?“ (Wien 2000).
Tagungen, Tagungsbände
Einige Veranstaltungen gehen auf frühere
Verpflichtungen der Kommission bzw.
der mit Beschluss vom 5. April 2000 aufgelösten bilateralen Komitees und Arbeitsgruppen zurück. Hierzu zählen die
Tagungen: „Wien und Bukarest um
1900“ (1999), „Bulgarien und Österreich
im Ersten Weltkrieg“ (1999) und folgende Sammelbände, welche die Ergebnisse früherer Veranstaltungen enthalten:
Brigitte Mazohl-Wallnig – Marco Meriggi (Hg.), „Österreichisches Italien –
Italienisches Österreich? Interkulturelle
Gemeinsamkeiten und nationale Differenzen vom 18. Jahrhundert bis zum
Ende des Ersten Weltkrieges“ (Wien
1999); Walter Leitsch – Stanisław Trawkowski (Hg.), „Polen und Österreich im
17. Jahrhundert“ (Wien 1999); „Österreich bzw. Österreich-Ungarn und die
Entwicklung der bulgarischen Eliten
1815–1918“ (Sofia 1999).
Aus aktuellem Anlass veranstaltete die
Kommission 1998 eine Tagung zum
Österreich, Donauraum und Europa
150-Jahr-Jubiläum des Revolutionsjahres
1848. Das Manuskript des Sammelbandes steht unmittelbar vor der Drucklegung. Das gleiche gilt für den Sammelband, der die Ergebnisse einer aus Anlass
der 500. Wiederkehr der Geburt Karls V.
im Jahr 2000 veranstalteten Tagung zusammenfasst. Ein weiterer Sammelband
enthält die Beiträge des 1999 von der
Kommission veranstalteten Fachgesprächs „Umgang mit Quellen heute.
Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart“.
In umfassender Weise wird der gegenwärtige Stand der österreichischen Editionsunternehmen präsentiert und die vielfältigen Probleme diskutiert, die sich für
Fachhistoriker und Publikum aus dem
Umgang mit Quellen von ihrer Edition
über ihre „Lagerung“ bis zu ihrem medialen Gebrauch ergeben. In ähnlicher
Weise stellt die Kommission wissenschaftliche Grundinformationen für die
zwei Unternehmungen der österreichischen und der Internationalen Historischen Bibliographie zur Verfügung (1997
und 1998 sind erschienen). Im Jahr 2000
97
unterstützte die Kommission die Vorbereitung der Tagung „Strukturwandel der
kulturellen Praxis im theresianischen
Zeitalter (1740–1780)“, federführend war
sie 1999 bei der Organisation der Tagung
„Geschlechterbild und Frauenrealität im
18. Jahrhundert“ und bei der Abhaltung
des Symposiums „Zeiten – Wende – Zeiten“, das im Juni 2000 anlässlich des
75. Geburtstags ihres Altobmanns Richard G. Plaschka veranstaltet wurde.
Ferner war der Kommission die Organisation des Symposiums „Annäherungen
an eine europäische Geschichtsschreibung“ übertragen, das im Rahmen der
Feierlichen Sitzung der ÖAW im Mai
2000 veranstaltet wurde. Der Tagungsband wird demnächst erscheinen.
Werkstatt Geschichte
Im Rahmen der neu eingeführten Fachgespräche „Werkstatt Geschichte“ wurde 21
in- und ausländischen Forschern, insbesondere der jüngeren Generation, Gelegenheit gegeben, Zwischen- bzw. Endergebnisse ihrer Arbeiten zu präsentieren.
98
Forschungstätigkeit
Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie
Obmann: Helmut Rumpler
Die Habsburgermonarchie 1848–1918
Das zentrale Ereignis der Kommissionsarbeit der letzten Jahre war die Fertigstellung des Doppelbandes VII des Werkes
„Die Habsburgermonarchie 1848–1918:
Verfassung und Parlamentarismus“, hg.
von Helmut Rumpler und Peter Urbanitsch, im Herbst 2000. Am 14. Dezember 2000 wurde das Werk, das rund 2700
Seiten umfasst und in vielen Einzelfragen Neuland betritt, im Parlament der
Öffentlichkeit vorgestellt. Zum erstenmal
sind in einer integrativen Zusammenschau die Grundfragen der Verfassung
und der parlamentarischen Praxis sowohl
für die Staatsparlamente in Wien und Budapest wie auch für die cisleithanischen
und transleithanischen Landtage, für den
Sabor von Bosnien-Herzegowina und für
die semiparlamentarische Körperschaft
der „Delegationen“ auf der Grundlage rezenter Forschung dargestellt. Auf dem
Feld der materiellen Gesetzgebung entfalteten sowohl der österreichische
Reichsrat als auch der ungarische
Reichstag eine bedeutende legislatorische Tätigkeit, die tiefgreifende Modernisierungen und materielle Fortschritte
bewirkten. Aber auch die Frage nach den
Gründen für das Scheitern des Wiener
Zentralparlaments wird gestellt. Es war
die zunehmende Dominanz der Interessenpolitik vor der Staatspolitik, das Defizit einer Demokratiegesinnung, der der
zentrale politische Wert des „Gemeinsinns“ verloren gegangen war, die als
Elemente der Desintegration wirksam
wurden. Darüber hinaus wird in der Darstellung auf die regionalen Repräsentativkörperschaften, Länder, Gemeinden
und Komitate als den Trägern einer föderativen Gesamtordnung ein besonderes
Gewicht gelegt. Im Anhang illustrieren
Tabellen und Karten die komplizierte
Wirklichkeit: sie zeigt sich in der Relation zwischen Bevölkerungszahl, Wahlberechtigung, Mandatsverteilung nach
Wahlkreisen, Ländern und den fünf
Wahlkurien am Beispiel der Reichsratswahlen von 1897.
Die Arbeiten an den Bänden VIII und
IX wurden im Berichtszeitraum ebenfalls vorangetrieben. Band VIII: „Die
politische Öffentlichkeit“, der als methodische Ergänzung zu Band VII zu
betrachten ist, setzt sich mit der Diffusion politischen Bewusstseins und politischer Aktivitäten in breitere Bevölkerungskreise auseinander. Ein zur Vorbereitung des Bandes X: „Sozialgeschichte“ vom Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung finanziertes Projekt diente dazu, ostmitteleuropäische fremdsprachige Quellen und
Literatur für die überwiegend österreichischen Autoren so aufzubereiten, dass
sie für die dem Band zugrunde liegenden Fragestellungen nutzbar gemacht
werden können. Knapp 40 Mitarbeiter
aus 10 Ländern haben reichhaltiges Material vorgelegt. Ansatzweise wurden
Vorarbeiten für den Band X: „Kulturgeschichte“ eingeleitet.
Begleitende Projekte
Die beiden von der Kommission betriebenen Projekte „Die Quellen zur Wahlgeschichte in der Habsburgermonarchie 1848–1918“ und „Kollektivbiographie der Parlamentarier in Österreich
Österreich, Donauraum und Europa
99
Die Reichsratswahlen 1897. Wahlergebnisse der Wahlbezirke der IV. Kurie (Landgemeinden).
Aus: Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Band VII: Verfassung und Parlamentarismus, Karte 12.
100
Forschungstätigkeit
1848–1918“ wurden mit Drittmitteln diverser Finanzierungsstellen in Angriff
genommen.
Als ein Ergebnis der Bürgertumsforschung erschien im Jahr 2000 der Band
„Kleinstadtbürgertum in der Habsburgermonarchie 1862–1914“, hg. von Peter
Urbanitsch und Hannes Stekl. Als nächster Band der „Studien“ wird eine Darstellung von Frank Wiggermann, „K. u. K.
Kriegsmarine und Politik. Ein Beitrag zur
Geschichte der italienischen Nationalbewegung in Istrien“ erscheinen. Die
deutsche Übersetzung der Biographie
František Palackýs von Jiří Kořalka ist in
Bearbeitung.
Österreichisches Städtebuch
Im Rahmen des „Österreichischen Städtebuches“ wurde Ende 1999 der Band
„Wien“, hg. von Peter Csendes und Ferdinand Opll, Redaktion Friederike Goldmann, publiziert. Derzeit befinden sich
die Bände „Kärnten“ und „Steiermark I“
in Bearbeitung. Die Vereinheitlichung
der Daten durch die Redaktion und die
Erarbeitung der Stadtpläne wurden in
Angriff genommen.
Institut Österreichisches biographisches Lexikon und
biographische Dokumentation
Geschäftsführender Direktor: Peter Csendes
Österreichisches Biographisches Lexikon
(ÖBL)
Derzeit liegen 55 Lieferungen in 11 Bänden vor und umfassen die Namensgruppen Aarau bis Seidl. Neben der redaktionellen Arbeit am 12. Band werden
Nachträge und Ergänzungen vorbereitet,
aber auch Unterlagen für eine Fortsetzung gesammelt. Die Grundlage dafür
bildet neben einer umfassenden, etwa
100.000 Namen enthaltenden Kartei die
Datenbank ÖBLDOC. Mit Hilfe dieser
Datenbank wird an einem Gesamtregister
sowie an fachspezifischen Indices gearbeitet, die in nächster Zukunft über das
Internet abgerufen werden können. Im
Berichtszeitraum erschienen die Lieferungen 54 (sie beendet Band 11) und 55.
Damit umfasst das Lexikon die Namensgruppen Aarau bis Seidl mit insgesamt
rund 15.300 Einzelbiographien. Der abgeschlossene Band 11 enthält 742 Biographien und ein Gesamtnamensregister,
die 55. Lieferung 230 Biographien.
201 Autoren aus 10 Ländern waren an
der Abfassung der Biographien beteiligt.
Datenbank ÖBL
Ein thematisch spezifisches Lexikon wie
das ÖBL eignet sich in besonderem Maß
für Querschnittsanalysen. Um dafür Voraussetzungen zu schaffen, wird der Datenbank ÖBLDOC besonderes Augenmerk zugewendet. In den letzten beiden
Jahren konnte die Erfassung aller im
ÖBL gedruckten Biographien abge-
Österreich, Donauraum und Europa
101
schlossen werden, berufsspezifische Indices wurden angelegt. Sobald die technischen Bedingungen am Standort des Instituts vorliegen, können diese Informationen über Internet zugänglich gemacht
werden. Die Datenbank ist zugleich ein
wertvolles Instrument zur Erfassung von
Nachträgen und Corrigenda. Mit ihrer
Hilfe werden auch Informationen für
künftige Biographien aus bisher noch
nicht im Lexikon präsenten Namensgruppen erfasst, wobei die Grunddaten ebenfalls allgemein zugänglich gemacht werden sollen.
Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt in Wien zu sehen. Das Projekt soll
2002/2003 mit einer großen Ausstellung
in Wien und Budapest, einem Symposium und einer Veröffentlichung abgeschlossen werden.
Biographische Einzelforschungen befassten sich mit Frauengeschichte, Aspekten
der Musikgeschichte und medizinhistorischen Themen. Eine umfangreiche Studie
war der Niederösterreichischen Agrarelite gewidmet. Dazu sind Publikationen
erschienen (siehe unten) oder zu erwarten.
Weitere Projekte
In Zusammenarbeit mit dem Wiener
Stadt- und Landesarchiv, dem Archiv der
Technischen Universität und anderen
wissenschaftlichen Einrichtungen (u. a.
der Geologischen Bundesanstalt und dem
Archiv der Stadt Budapest) und mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wien
wird seit 1998 an einem großen Projekt
„Stadt- und Technik“ gearbeitet, das die
Interdependenz von natur- und ingenieurwissenschaftlicher Forschung und urbaner Entwicklung aufzeigen soll. Als ein
erstes Ergebnis dieser Kooperation wurde
die Ausstellung „Eduard Sueß“ gestaltet,
die 1999 im Rathaus und 1999/2000 in
der Aula der ÖAW gezeigt werden
konnte. Anschließend war die Exposition
in der Niederösterreichischen Landesbibliothek in St. Pölten und 2001 in der
Weitere Veröffentlichungen
Im Rahmen der Austrian Jewish Biography wurde eine Studie zu Zwangstaufen
jüdischer Kinder im 19. Jahrhundert abgeschlossen und veröffentlicht: Anna L.
Staudacher, „Wegen jüdischer Religion –
Findelhaus. Zwangstaufen in Wien
1816–1868“ (2001). In der Schriftenreihe
des Instituts erschienen im Berichtszeitraum folgende Veröffentlichungen: T.
Cernajsek – P. Csendes – Ch. Mentschl –
J. Seidl, „… hat durch bedeutende Leistungen … das Wohl der Gemeinde mächtig gefördert. Eduard Sueß und die Entwicklung Wiens zur modernen Großstadt“ (Heft 5, 1999). – T. Cernajsek – J.
Seidl – A. Rohrhofer, „Geowissenschaften und Biographik. Auf den Spuren
österreichischer Geologen und Sammler
(1748–2000)“ (Heft 6, 2000).
102
Forschungstätigkeit
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs
Obmann: Werner Ogris
Vorträge zum Unterricht des Kronprinzen
Joseph (II.)
Das größte zur Zeit laufende Projekt der
Kommission ist jenes über die „Vorträge
zum Unterricht des Kronprinzen Joseph
(II.) über die innere Verfassung der deutschen Erbkönigreiche und Lande“. Es
wird in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission der ÖAW sowie mit
Friedrich Hartl durchgeführt. Die – den
Abschluss des Unterrichts Josephs (II.)
bildenden – Vorträge über Beschaffenheit
und Verfassung der einzelnen Länder der
Der Ende 2001 erschienene Band 15 der von der
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs
herausgegebenen Editionsreihe „Fontes Iuris“.
Monarchie wurden von der Forschung
bisher kaum beachtet. Es liegen die Unterrichtsmanuskripte für Österreich ob
und unter der Enns, für Innerösterreich,
für Tirol und die Vorlande, für Böhmen,
Mähren und Schlesien sowie für den ungarischen Teil der Monarchie vor, die von
einzelnen Bearbeitern ediert und kommentiert werden. Inhaltlich geben die
Vorträge aufgrund der Vielzahl der behandelten Aspekte einen eindrucksvollen
Einblick in die Beschaffenheit des habsburgischen Staatswesens. Ziel war es, Joseph die erforderlichen Kenntnisse für
seine künftige Regierungstätigkeit zu
vermitteln, weshalb den Darstellungen
jede Schönfärberei weitgehend fremd ist.
Nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt
der späteren Reformtätigkeit Josephs II.
stellen diese Quellen eine wertvolle Information dar, da davon auszugehen ist,
dass der rechtskundliche Unterricht bei
dem jungen Thronfolger nachhaltige
Spuren in dessen Politik hinterlassen hat.
Im Berichtszeitraum wurden die Manuskripte für die Teile Österreich ob und unter der Enns sowie Innerösterreich (bearbeitet von Andreas Reisinger bzw. Ilse
Staudacher) fertig gestellt. Diese sollen
voraussichtlich im kommenden Jahr in
der Reihe „Fontes Iuris“ veröffentlicht
werden.
Weitere Projekte
Zwei weitere Projekte stehen kurz vor
dem Abschluss: „Das Landrecht von
1346 für Oberbayern und seine Gerichte
Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg. Kritische Edition der Georgenberger Handschrift Ms 201“ herausgegeben von Ingo
Österreich, Donauraum und Europa
Schwab und „Das Urbar 1457 des Zisterzienserklosters Zwettl (Textedition und
Auswertung) im wirtschaftshistorischen
Kontext des 15. und 16. Jahrhunderts“
herausgegeben von Günter Schneider.
Die folgenden Projekte wurden abgeschlossen und sind in der Reihe „Fontes
Iuris“ erschienen: Roman Zehetmayer,
„Das Urbar des Grafen Burkhard III. von
103
Maidburg-Hardegg“ aus dem Jahre 1363
(kritische, kommentierte Edition) als
Band 15, Sonja Pallauf und Peter Putzer,
„Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg“ als Band 16.
Mit dem laufenden Projekt „Südtiroler
Weistümer“ soll die Reihe der österreichischen Weistümer zu einem vorläufigen Abschluss gebracht werden.
Kommission für Geschichte der Naturwissenschaften,
Mathematik und Medizin
Obmann: Othmar Preining
Sammlung Woldan
Die Arbeiten an der „Sammlung Woldan“
betrafen den Abschluss der geographisch-kartographischen
Teilbereiche
Österreich-Ungarn und Deutsches Reich
(in den Grenzen von 1918) und den Beginn der restlichen europäischen Staaten.
Die Juridica sowie Autoren und Werke
der Sammlung werden in einer Datenbank erfasst, die Buchbestände mit Erscheinungsdatum nach 1800 werden in
den österreichischen Bibliotheksverbund
ALEPH eingegeben. Die Bedeutung der
Sammlung wird auch daraus ersichtlich,
dass mehr als dreihundert Benützer aus
dem In- und Ausland betreut werden
konnten.
Archiv des Wiener Radiuminstituts bzw.
der Sammlung Radiumforschung
Im Zusammenhang mit diesen der Kommission anvertrauten Sammlungen sei
auf folgende wissenschaftliche Aktivitä-
ten hingewiesen: Die Zusammenarbeit
betreffend die Veröffentlichung des gesamten Schriftverkehrs von Pierre und
Marie Curie mit den „Archivs Pierre et
Marie Curie“, Paris, wurde abgeschlossen. Der Briefwechsel von Pierre Curie
mit dem Präsidium der ÖAW und Marie
Curie mit Stefan Meyer und Carl Ulrich
wurde von der Kommission transkribiert
und sowohl in transkribierter Form als
auch in Kopien der Originalbriefe an
Pierre Radvanyi und Karin Blanc übergeben. Ein Teil der Briefe wurde zusätzlich
ins Deutsche übersetzt. Das Projekt
„100 Jahre Radioaktivität – 60 Jahre
Kernspaltung“ für allgemein bildende
Höhere Schulen wurde weitergeführt. Es
wurden von der Kommission 76 Klassen
und 32 Lehrer betreut und ein „Wissenschaftstag“ „Auswirkungen der Radioaktivität“ organisiert. Darüber hinaus beteiligte sich die Kommission an der Durchführung von Festveranstaltungen und
104
Forschungstätigkeit
Cornelis de Hooghe, Hollandt, [Antwerpen] 1563; Sign.: K-V(Bl): EU/Nie 26
Ausstellungen zu Ehren von Lise Meitner
(Enthüllung der Gedenktafel am Akademischen Gymnasium und Taufe des
Gymnasiums Schottenbastei) und Stefan
Meyer (mit Referaten von F. Meyer, W.
Reiter und H. Sexl). Es fanden Gemeinschaftsveranstaltungen mit der Polnischen Akademie der Wissenschaften
(über Statistische Physik und Radioaktivität statt, September 2000) und mit dem
Jüdischen Museum in Wien (über Lise
Meitner, November 2000 und Mai 2001)
statt.
Vom 3. April bis 4. Mai 2001 wurde die
Ausstellung „100 Jahre Quantentheorie“
in der Aula der ÖAW gezeigt. Die Ausstellung wurde gemeinsam mit Jost Lemmerich (Schöpfer der Ausstellung) aufund abgebaut und von der Kommission
betreut. Für die Ausstellung wurde zahl-
reiches schriftliches Material für drei verschiedene Niveaus (AHS Physiklehrer,
Schüler, allgemeine Öffentlichkeit) erstellt und verteilt. Insgesamt wurden 56
Führungen durchgeführt (41 Führungen
für Schulklassen).
Auch im Bereich der Medizingeschichte
ist die Kommission aktiv: Gemeinsam
mit dem Institut für Geschichte der Medizin der Universität Wien wird ein Kooperationsprojekt mit der Kroatischen Akademie der Wissenschaften über „Iconography in Dermatology in Central Europe
in the 19th Century – with Special Reference to Austria and the Vienna School in
Dermatology“ durchgeführt. Weiters
wurden anlässlich des Jubiläums
„100 Jahre Radiotheraphie“ verschiedene
Vorträge und Seminare (u. a. ETH Zürich, Universität Wien) abgehalten.

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