Strategien der Produktion und Vermarktung von High
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Strategien der Produktion und Vermarktung von High
Kommunikationswissenschaft Riskante Kalkulationen. Strategien der Produktion und Vermarktung von High-Concept-Actionspielfilmen Eine komparative Fallstudie Hausarbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Westfalen vorgelegt von Oliver Kreft aus Minden 2004 -I- Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis I. I.1 I.2 II. II.1 II.2 II.3 II.4 II.5 Einleitung Problemstellung und Begründung Ziel und Gang Theoretische Grundlagen Charakteristika des Actiongenres Faszination des Actionfilms Thematische Bezugspunkte des Actionfilms Neue Methoden filmischer Umsetzung im Actionfilm Charakteristika des High-Concept-Approach Strategische Optionen der Produktion und Vermarktung von High-Concept-Actionfilmen III.1 Strategische Optionen der Produktion: Filmischer Text III.1.1 Orientierung am Actiongenre III.1.2 Rollenbesetzung mit Stars III.1.2.1 Begriffserklärung “Star“ III.1.2.2 Entstehung von Starimages III.1.2.3 Identifizierung von Actionfimen III.1.3 Transnationalisierung des Produkts Film III.1.4 Einsatz digitaler Technologien III.1.5 Authentizität der filmischen Darstellung III.2 Rahmenbedingungen der Vermarktungsstrategien: Ausserfilmischer Kontext III.2.1 Entscheidungsprozesse von Filmkonsumenten III.2.2 Einfluss der Mund-zu-Mund-Propaganda III.2.3 Akzeptanz von Filmen vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse III.3 Strategische Optionen der Vermarktung: Filmischer Kontext III.3.1 Budget III.3.2 Timing des Markteintritts III.3.3. Spielfilmtrailer III.3.4 Filmwerbung im Internet III.3.5 Filmwerbung in audiovisuellen Medien III IV V 1 1 2 5 5 7 10 11 13 III. 16 16 16 17 20 21 23 24 26 27 29 29 32 34 35 40 42 44 46 48 - II IV. Komparative Fallstudie IV.1 Anlage der komparativen Fallstudie IV.1.1 Methodenwahl IV.1.2 Konzeption forschungsleitender Annahmen und sich daraus ableitende Fragen IV.1.3 Handlungsbeschreibung der Filme, auf die sich die Untersuchung bezieht IV.1.4 Begründung der Filmauswahl IV.2 Durchführung der komparativen Fallstudie IV.3 Auswertung der komparativen Fallstudie 50 50 50 V. 97 Schlussbetrachtung und Diskussion Literaturverzeichnis 51 55 58 60 94 99 Anhang I 109 Anhang II 111 Anhang III: Filmographie 113 - III - Abkürzungsverzeichnis ABC Abb. a.M. Aufl. Bd. bspw. bzw. ca. CGI d.h. ELE et. al. ESPN f.,ff. F FA FAZ Hrsg. i.a. i.d.R. i.S. Jg. m.E. MIR MTV NASA NBA Nr. o.S. o.V. S. SMS sog. Tab. TAZ Warner Bros. WTC u.a. USA vgl. Vol. z.B. American Broadcasting Corporation Abbildung am Main Auflage Band beispielsweise beziehungsweise cirka Computer Generated Image das heißt Extinction Level Event et alii, et alia, et alteri Extreme Sports Channel folgende, fortfolgende Frage Forschungsleitende Annahme Frankfurter Allgemeine Zeitung Herausgeber im allgemeinen in der Regel im Sinne Jahrgang meines Erachtens Name der russischen Weltraumstation MIR Music Television National Aeronautics and Space Administration National Basketball Association Nummer ohne Seite ohne Verfasser Seite Short Message Service sogenannte(r) Tabelle Die Tageszeitung Warner Brothers World Trade Center und andere, unter anderem United States of America vergleiche Volume zum Beispiel - IV - Abbildungsverzeichnis Seite Abb. 1: Modell des klassischen Hollywoodkinos 8 Abb. 2: Modell des kontemporären Actionblockbusters 9 Abb. 3: US-Marktanteile Studios 2001 58 Abb. 4: Der Moment, in dem der Komet den „Deep Impact“ auslöst 69 Abb. 5: Das Shuttle Messiah beim Verlassen der Raumstation in Deep Impact 71 Abb. 6: Das Shuttle Messiah im Schweif des Kometen in Deep Impact 71 Abb. 7: Der Asteroid in Armageddon 72 Abb. 8: Meteoriteneinschlag in das Chrysler Building, in Armageddon (Einstellung eins) 72 Abb. 9: Meteoriteneinschlag in das Chrysler Building, in Armageddon (Einstellung zwei) 72 Abb. 10: Paris in Armageddon von Meteoritenschauer zerstört 73 Abb. 11: Roller Coaster Structure 74 Abb. 12: Struktur von Armageddon 75 Abb. 13: Struktur von Deep Impact 75 -V- Tabellenverzeichnis Tab. 1: Seite 33 Entscheidungsrelevante Parameter bei der Filmauswahl Tab. 2: Die durchschnittlichen Vermarktungskosten der zehn kostenintensivsten Produktionen in 1998 Tab. 3: Einspielergebnisse namhafter Stars in den 1990ern auf dem nordamerikanischen Markt Tab. 4: Filmographie von Morgan Freeman bis zum Start von Deep Impact. Zeitraum: von 1990 bis 1998 Tab. 5: Filmographie von Bruce Willis bis zum Start von Armageddon. Zeitraum: von 1990 bis 1998 Editingtrends in Actionfilmen 1990-1998 Tab. 6: Tab. 7: Die zehn kostenintensivsten Produktionen in 1998 Daten zum Kinostart von Armageddon und Deep Tab. 8: Impact Tab. 9: Übersicht über die Ergebnisse der komparativen Fallstudie. Tab. 10: Actionsequenzen in Deep Impact Tab. 11: Actionsequenzen in Armageddon 40 62 64 65 73 83 86 96 112 113 -1- I. Einleitung I.1 Problemstellung und Begründung In der Kinoentwicklung der letzten beiden Jahrzehnte lässt sich eine grundlegende Tendenz ausmachen: Die in Hollywood unter dem zunehmenden Einfluss digitaler Technik produzierten Actionfilme dominieren in der westlichen Hemisphäre den Markt des Unterhaltungskinos (vgl. Herrmann, 2001). Mit dieser Tendenz ist eine massive Kostenexplosion der Hollywoodproduktionen einhergegangen. Allein zwischen 1991 und 1999 verdoppelten sich die durchschnittlichen Produktionskosten einer Hollywood-Produktion auf über 52 Millionen Dollar. Der größte Teil der Kosten entsteht vor allem durch den Einsatz aufwendiger Technik und Computeranimation sowie die Gagen bekannter Schauspieler wie beispielsweise Arnold Schwarzenegger oder Tom Hanks. (vgl. o.V., Der Spiegel 16/1999, S.85) Die hohen Produktionskosten vermögen indes weder die Qualität, noch den ökonomischen Erfolg zu gewährleisten. Im Jahr 19981 etwa bestimmten riskante Kalkulationen und kostspielige Flops das Kinogeschäft. Zwei Drittel der Hollywoodproduktionen brachten den Produktionsstudios Millionenverluste, die sich mit Kassenschlagern kaum ausgleichen ließen. (vgl. o.V., Der Spiegel 16/1999, S. 84) Es ist festzustellen, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer mehr Medienangebote um die knappe Ressource Aufmerksamkeit ringen (vgl. Schmidt 2000: 82). Durch das Überangebot an medialem Output befindet sich daher das Medium Film in einer starken Konkurrenzsituation zu anderen Unterhaltungsmedien. Die mit dieser Konkurrenzsituation verbundene Erfolgsunsicherheit, sowie die hohen Produktionskosten stellen zwei wesentliche Charakteristika des Filmgeschäfts dar. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Konsumenten besteht daher auf Produzentenseite das Bedürfnis nach neuen erfolgsversprechenden Strategien der Produktion und Vermarktung von Actionfilmen. 1 Die für die komparative Fallstudie ausgewählten Filme wurden beide im Jahr 1998 produziert. -2Einen neuen Ansatz in der Produktion und Vermarktung von Actionfilmen stellt der High-Concept-Approach dar, der aus wissenschaftlicher Perspektive noch weitestgehend unerforscht ist. In den zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen über Hollywoodfilme, findet der High-Concept-Film kaum Beachtung. Die wenigen Veröffentlichungen zum High-Concept-Approach basieren vor allem auf einer filmökonomischen Betrachtung. Justin Wyatt (1994) hat ein Buch mit dem Titel “High Concept“ veröffentlicht, welches sich mit Aspekten der Filmvermarktung von HighConcept-Filmen befasst. Janet Wasko (1994) setzt sich in ihrem Buch “Hollywood in the information age“ mit der Entstehungsgeschichte des High-Concept-Films auseinander und beschreibt die Auswirkungen neuer Technologien auf Produktion, Distribution und Vermarktung von Hollywoodfilmen. Darüber hinaus gibt es von Robert Blanchet (2003) die Publikation “Blockbuster“, die sich mit Ästhetik und Ökonomie des postklassischen Hollywoodkinos befasst und den High-Concept-Approach aufgreift. I.2 Ziel und Gang Als kommunikationswissenschaftlicher Anschluss stellt sich die Frage, ob sich massenkulturelle Produkte wie der High-ConceptActionfilm dem Mainstream andienen, um ökonomisch erfolgreich zu sein. Gemäß Schmidt lässt sich im Werbesystem beobachten, dass jeder erfolgreichen Innovation die konzeptuelle Wiederholung folgt. Schmidt hat diesen Aspekt auf das Spannungsverhältnis zwischen Wiederholung, Unterbrechung und Veränderung zurückgeführt. Die sowohl innovative als auch erfolgreiche Strategie dient innerhalb des Werbesystems somit als Orientierung für die Konkurrenz und wird durch Imitation ihrerseits selber zu dem, was gemeinhin als Mainstream bezeichnet wird. (vgl. Schmidt 2000: 84) Im Rahmen dieser Arbeit wird daher untersucht, welche Strategien der High-Concept-Approach in bezug auf den Mainstream verfolgt und ob sich für den High-Concept-Actionfilm eine ähnliche Entwicklung wie für das Werbesystem zeigt. Darüber hinaus wird untersucht, ob dem High-Concept-Approach einheitliche Strategieelemente in der Produktion und Vermarktung von Actionfilmen zugrunde liegen und welche Erfolgsfaktoren von Actionfilmen sich identifizieren lassen. -3Ausgehend von einer Darstellung der Besonderheiten des Actionfilms und seiner filmischen Umsetzung wird der High-ConceptApproach definiert. Im Anschluss daran werden im folgenden dritten Kapitel strategische Optionen der Produktion und Vermarktung von High-Concept-Actionfilmen herausgearbeitet. Den Ausgangspunkt dazu bildet eine Betrachtung zentraler Produktionsstrategien wie beispielsweise die Besetzung mit Stars, der Einsatz digitaler Technologien und die Transnationalisierung von Filmen. Im Anschluss daran werden nicht oder nur schwer beeinflussbare Rahmenbedingungen der Vermarktung aufgezeigt. Daran schließt sich eine Betrachtung strategischer Optionen der Vermarktung an. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf Strategien, denen vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs konkurrierender Unterhaltungsmedien eine besondere Bedeutung für die Vermarktung von High-Concept-Actionfilmen zukommt. Unter anderem werden dabei die Strategie der MarketingBudgetierung und die genrespezifische Gestaltung von Filmtrailern betrachtet. Basierend auf diesen im vorangegangenen Kapitel herausgearbeiteten Strategien wird im vierten Kapitel der Arbeit im Rahmen einer komparativen Fallstudie überprüft, ob den beiden ausgewählten High-Concept-Actionfilmen einheitliche Strategien der Produktion und Vermarktung zugrunde liegen. Der Bezugsrahmen dieser Arbeit wird dabei insofern eingeschränkt, als dass er sich nur auf die Erstverwertung von High-Concept-Actionfilmen im Kino beschränkt und eine darüber hinausgehende Verwertung als Video, DVD und Fernsehfilm nicht weiter untersucht. Für die Fallstudie wurden die Filme Deep Impact und Armageddon ausgewählt, da diese in besonderem Maße der Idee des HighConcept-Films entsprechen. Dieser empirische Teil der Arbeit beginnt mit der Vorstellung und Begründung des Methodendesigns für die komparative Fallstudie. Im Anschluss daran werden bezogen auf High-ConceptActionfilme forschungsleitende Annahmen formuliert, aus denen sich wiederum konkrete Fragen ableiten lassen, die sich unmittelbar an die beiden Filme Deep Impact und Armageddon richten. Dieser Fragenkatalog bildet die Grundlage für die Durchführung der komparativen Fallstudie. Gegenstand der empirischen Studie sind Artikel aus verschiedenen Fachzeitschriften, Filmographien, Internetdatenbanken zu Filmstatistiken und ein Experten-Interview mit dem Marketingchef von Buena Vista Deutschland. -4Den Abschluss bildet eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse, dem sich ein Ausblick auf noch bestehenden Forschungsbedarf anschließt. -5- II. Theoretische Grundlagen II.1 Charakteristika des Actiongenres Das Genre des Actionfilms wird zu den großen Kategorien filmischer Genres gezählt. Gemäß dem Filmtheoretiker Sobchack existiert der Actionfilm als solches jedoch gar nicht, sondern stellt lediglich eine Art Sammelbegriff dar. Die Genrebezeichnung erlaubt keine eindeutigen Schlüsse hinsichtlich des Handlungsspektrums sog. Actionfilme (vgl. Sobchack 1988: 9). Zudem liegt dem Genre keine klar abzugrenzende Definition zugrunde. Der Filmwissenschaftler Neale konstatiert, dass das Genre des Actionfilms Hollywoods Neigung für generische Hybridität und Überlappung aufzeigt (vgl. Neale 2000: 52). Selbst ScienceFiction-Filme, Katastrophenfilme oder etwa Piratenfilme werden bisweilen unter die Kategorie Actionfilm gefasst. „The term loosely connects a number of more specific genres, all dealing with `adventures´, but particularized by certain plot formulas, settings, character networks, icons and conventions of action which together mark out the range of this category.” (Sobchack 1988: 9) Folgt man Sobchack, so sind Actionfilmen also auf der Handlungsebene bestimmte Muster und Konventionen gemein. Darüber hinaus stehen die Interaktionen der Charaktere in unmittelbarem Zusammenhang zur Narration. Das Handeln der Protagonisten ist stets intentional und direkt. Daraus lässt sich ableiten, dass den Interaktionen ebenfalls etwas Musterhaftes zugrunde liegt. Neale stellt als zentrale Merkmale des Actionfilms das Physische und Athletische im Sinne des Spektakulären heraus. „The term `action-adventure´ has been used […] to pinpoint a number of obvious characteristics common to these genres and films: a propensity for spectacular physical action, a narrative structure involving fights, chases and explosions, and in addition to the deployment of state-of-the-art special effects, an emphasis in performance on athletic feats and stunts.” (Neale 2000: 52) Laut dem Filmwissenschaftler King ist das Actionfilmgenre kein Format für die feineren Nuancen narrativer Strukturen (vgl. King 2002: 183). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Actionfilm auf narrative Strukturen verzichtet. Die narrative Dimension rückt in den Hintergrund und wird bisweilen vom Zuschauer nicht wahrgenommen, da das spektakuläre Bild dominiert (vgl. King 2002: 201). Das Spektakuläre entsteht folgerichtig keineswegs aus dem -6Nichts. Auf der narrativen Ebene muss sich eine gewisse Dramatik entfalten, die die Inszenierung des Spektakulären unterstützt. Die aussichtslose Situation, der schier unlösbare Konflikt und die unausweichliche Konfrontation besitzen unter dramaturgischen Gesichtspunkten ebendiese Qualität (vgl. Neumann 1987: 30). Stets sieht sich der Protagonist im Actionfilm großen und unüberwindlichen Hindernissen gegenüber. Nicht zuletzt sind es jedoch seine herausragenden Fähigkeiten und sein heldenhaftes Auftreten, die ihn jede noch so bedrohliche Situation meistern lassen. „A protagonist either has or develops great and special skills and overcomes insurmountable obstacles in extraordinary situations to successfully achieve some desired goal, usually the restitution of order to the world invoked by the narrative. The protagonists confront the human, natural or supernatural powers that have improperly assumed control over the world and eventually defeat them.” (Sobchack 1988: 9) Bordwell sieht im Protagonisten den Agenten eines UrsacheWirkungs-Prinzips, auf dem die Narration aufbaut. Der Protagonist wird entweder zum Auslöser bestimmter Ereignisse, oder er muss auf sie reagieren. (vgl. Bordwell und Thompson 2001: 62) Die Existenz einer psychologisch motivierten Ursache-Wirkungs-Logik im Action-Blockbuster wird allerdings von vielen Kritikern bestritten. Stattdessen gibt es – so der Vorwurf an New Hollywood2 – lediglich lose Verknüpfungen nachhaltiger Actionszenen, die auf spektakulären Stunts, Stars und Spezialeffekten basieren. „Many critics argue that […] complex character traits and character development […] have been replaced by one-dimensional stereotypes, and plot-lines are now devised almost solely to link one action sequence to the next. Narrative complexity is sacrificed on the altar of spectacle.” (Buckland 1998: 167) Die Filmwissenschaftler Maltby und Craven halten dem entgegen, dass es durchaus Sinn macht, dass Filme über ähnliche Strukturen verfügen und sich an ein System von Konventionen anpassen. „If a movie conforms to systems of conventions with which viewers are familiar, the viewers´ prior knowledge is both activated and guaranteed by their being able to predict the movie´s development or outcome.” (Maltby und Craven 1995: 40) Der Vorwurf der eindimensionalen Stereotypisierung lässt sich mit Maltby und 2 Der Terminus New Hollywood dient der zeitgeschichtlichen Einordnung und Abgrenzung zum klassischen Studiosystem New Hollywood bezeichnet die Filmproduktion seit den 1980er Jahren (vgl. King 2002: 3). -7Craven nicht eindeutig widerlegen. Immerhin wird aber klar, dass die geradlinige, schnörkellose Narration im Actionfilm den Zuschauer beim Rezeptionsvorgang in eine aktivere Rolle zwingt und ihm das erwünschte Rezeptionserlebnis verschafft. II.2 Faszination des Actionfilms Jeder Art von Genre liegt von Seiten des Rezipienten eine bestimmte Erwartungshaltung zugrunde. Dies gilt auch für den Actionfilm, erlaubt er doch dem Zuschauer das intensive Eintauchen in emotionale und viszerale Gefühlswelten. Nach Ansicht des Medienwissenschaftlers Schnell ist es das Gefühl der Angst und der Beklemmung, von dem der Zuschauer partiell ergriffen sein möchte. Die Angst vermag den Zuschauer zu packen, ihn einerseits aufzuwühlen und andererseits in ein erregendes Beben zu versetzen, das ihm einen Lustgewinn verheißt. (vgl. Schnell 1987: 8) Gemäß dem Filmjournalisten Seeßlen trachtet der Zuschauer danach, sich einen Kick bzw. Thrill zu verschaffen. „Im Thrill versucht man, über die Angst zur Lust zu kommen.“ (Seeßlen 1995: 28) Die dargestellten Bewusstseinszustände erschließen sich dem Zuschauer z.B. durch die intensive Wahrnehmung von Geschwindigkeit. Dazu der Mediendramaturg Christian Mikunda: „Die beliebteste Bewegungsinduktion ist jene, die Kinozuschauer in einen Geschwindigkeitsrausch versetzt, wie ihn sonst nur Rennfahrer erleben.“ (Mikunda 1986: 156) Mittels der induzierten Bewegung baut der Zuschauer ein nahezu erdrückendes Spannungspotential auf, das in der Lage ist, ihn in einen ungeheuren Bann zu versetzen. Ein Beispiel hierfür ist die schnelle Kamerafahrt bei einer Verfolgungsjagd, bei der der Zuschauer selbst das Gefühl hat, im Auto zu sitzen und die Verfolgung aufzunehmen. Die Jagd wird zur unmittelbaren Realität, und der Rezipient ist vollends in sie eingebunden. Ihre Geschwindigkeit verspürt er buchstäblich am eigenen Körper. (vgl. ebd. 1986: 157f.) Der Zuschauer erlebt das Geschehen auf der Leinwand als den „[…] exstatischen Rausch der Geschwindigkeit“ (ebd. 1986: 163). Maltby und Craven setzen den Bewusstseinszustand, der beim Zuschauer während des Rezeptionsvorganges entsteht, mit dem bei einer Achterbahnfahrt gleich. „In the experience of its audience, a movie is the emotional equivalent of a -8roller-coaster ride at least as much as it is a thematically significant story: borrowing a term, we might call the combination a `story ride´.” (Maltby und Craven 1995: 35f.) Die Achterbahnfahrt verspricht Nervenkitzel und Adrenalinschübe und versetzt den Menschen in einen exstatischen Rauschzustand. Das alles trägt zum unmittelbaren Lustgewinn bei und begründet die Faszination, die von diesem Hochgeschwindigkeitserlebnis ausgeht. Tatsächlich sind es diese Erregungszustände, nach denen wir Menschen suchen, da „[…] wir auf Lustgewinn [...] programmiert sind“ (Westerbarkey 2001: 13). Die Filmindustrie reagiert auf die angesprochenen Bedürfnisse der Zuschauer, indem sie Actionfilme nach einem bestimmten Muster produziert. „Many contemporary action, action-adventure, actionadventure-science-fiction and other blockbusters present a pattern of peaks and troughs of action/spectacle [...].“ (King 2002: 187) Gemäß diesem Muster existieren im modernen Actionfilm gleich mehrere spektakuläre Actionsequenzen von höchster Dramatik, deren Übergänge zahlreiche kleinere Spannungssequenzen beinhalten. Im Gegensatz dazu sieht das klassische Modell einen linearen Verlauf der Narration mit der spektakulärsten Sequenz am Ende vor. Im Folgenden veranschaulichen zwei Grafiken (Abb. 1 und Abb. 2) den Unterschied zwischen dem klassischen Modell und dem des zeitgenössischen Action-Blockbusters: Abb. 1: Klassisches Modell (Quelle: King 2002: 188) Abb. 1: Modell des klassischen Hollywoodkinos (Quelle: King 2002: 188) -9- Abb. 2: Modell des kontemporären Actionblockbusters (Quelle King 2002: 188) Wie Blanchet feststellt, liegt dem Actionfilm der 90er Jahre ein „[...] betont aggressiver und direkt auf den Zuschauer gerichteter audiovisueller Produktionsstil [zugrunde; Anm. d. Verf.]“ (Blanchet 2003: 11). Prägend für diesen Stil sind die zahlreichen technologischen Innovationen wie computergenerierte Bilder und der digitale Mehrkanalton, die „die Rückkehr einer Attraktionsästhetik.“ (ebd. 2003: 11) begründen. Nicht zuletzt ist es diese Attraktionsästhetik mit Blick auf das Spektakuläre, die den Zuschauer fasziniert und insgesamt die Grundlage für die Renaissance des Kinos bildet (vgl. ebd. 2003: 11). Die Faszination geht aber auch zu einem ganz wesentlichen Teil von einem weiteren typischen Handlungselement der Actionfilme aus. Sie resultiert aus der Identifikation des Rezipienten mit dem Protagonisten, dem Superhelden, der als einziger ein mögliches Unheil oder eine Katastrophe abwenden kann (vgl. Hant 1992: 50f.). Die Ausführungen verdeutlichen, dass sich die Faszination, die der Actionfilm auf den Zuschauer ausübt, nicht auf singuläre Aspekte beschränken lässt. Vielmehr zeigt sich, dass sie auf zahlreichen verschiedenen Faktoren basiert. Erst in ihrer Kombination bzw. als Einheit entfalten sie ihre gesamte Wirkung und begründen die Faszination des Actionfilms. - 10 - II.3 Thematische Bezugspunkte des Actionfilms Charakteristisch für das Amerika des vergangenen Jahrzehnts waren gemäß der Filmwissenschaftlerin Barbara Wyllie die zahlreichen Unwägbarkeiten, denen sich die amerikanische Gesellschaft ausgesetzt sah. Unzählige neue Herausforderungen, deren wahre Tragweite sich in der Gegenwart nicht ausmachen ließ, bestimmten das gesellschaftliche Bewusstsein vor dem Eintritt in das neue Jahrtausend. Das Hollywoodkino thematisierte vieles davon auf narrativer Ebene. „America in the 1990s was characterized by millennial angst, corporate domination, and dramatic advances in technology, all expressed, in varying forms, through the Hollywood product.“ (Wyllie 2003: 181) Nach King sind es ebendiese Themen mit umfassender gesellschaftlicher Bedeutung, die den Nerv der Zuschauer treffen und deshalb die thematischen Anforderungen an den Actionfilm kennzeichnen (vgl. King 2002: 108). In zahlreichen Actionfilmen stellt sich die Konfrontation des Einzelnen mit nahezu unüberwindbaren Hindernissen dar. Die Extremsituation, mit der sich der Protagonist konfrontiert sieht, findet dabei ihren Ursprung zumeist in gesellschaftlichen Missständen oder Naturereignissen. „Natural causes (floods, earthquakes) or societal causes (institutions, wars, economic depressions) may serve as catalysts or preconditions for the action, but the narrative invariably centers on personal psychological causes […].” (Bordwell und Thompson 2001: 76) Dem Einzelnen, der als Einziger die Welt retten oder einen herbeigesehnten Zustand herstellen kann, wird somit gewissermaßen die Funktion des Erlösers zuteil. Görnitz-Rückert3 spricht in diesem Zusammenhang von einem Erlösermythos und verweist darauf, dass die Erlöservorstellung tief im Christentum, aber auch im Buddhismus verankert ist. (vgl. Görnitz-Rückert 2002: 159) Hollywood macht sich diesen Aspekt zunutze und thematisiert dem Theologen Martin Laube zufolge die Erlöserfigur in zahlreichen Filmen (End of Days, Independence Day, The Matrix, um nur einige zu nennen) (vgl. Laube 2002: 3). Der Religionswissenschaftler Jörg Herrmann unterstützt die Aussage, dass das Kino einen Ort moderner Mythenproduktion darstellt. Mythen sind deshalb so interessant für 3 Sebastian Görnitz-Rückert schreibt für “Medienobservationen“, die essayistische Online-Zeitschrift der Universität München. - 11 das Kino, da sie „[...] die Grenzen zum Unvertrauten und Bedrohlichen [...],“ berühren und es gleichzeitig „[...] ins Vertraute zu integrieren [vermögen; Anm. d. Verf.]“ (Herrmann 2001: 93). Die Integration ins Vertraute bietet dem Rezipienten Orientierung und Halt zugleich und ermöglicht ihm, sich und seine Kultur darin wiederzufinden. In diesem Sinne ist es das Bestreben Hollywoods, Themen von hohem Komplexitäts- und Abstraktionsgrad zu vermeiden. „The Industry reduces the subject to easily recognizable cliches and stereotypes […]” (Giglio4 2000: 21). Schließlich geht es Hollywood darum, möglichst profitable Filme zu produzieren, die ein Massenpublikum ansprechen. Dementsprechend wurden am Ende des 20. Jahrhunderts in zahlreichen Actionfilmen Weltuntergangsszenarien thematisiert (vgl. Lewis 2001: 1). Dies geschah nicht zuletzt deshalb, weil der Weltuntergang zur Jahrtausendwende in beträchtlichem Maße in den Medien diskutiert wurde und das Publikum daher hinsichtlich dieser Thematik ausreichend sensibilisiert war. Auch die Medienethiker Loretan und Martig stellen fest, dass apokalyptische Vorstellungen, Bilder, Symbole, Erwartungen und Ängste die Bildkultur der 90er Jahre prägten. „Hollywood-Produktionen wie zum Beispiel Deep Impact oder Armageddon greifen zur Inszenierung der Zerstörung der Welt auf die apokalyptische Erzähldramaturgie zurück.“ (Loretan und Martig 1999: 47) II.4 Neue Methoden filmischer Umsetzung im Actionfilm Die Dynamisierung des visuellen Flusses und damit des Rezeptionserlebnisses ist die Tendenz, die sich im Hollywoodactionkino gegenwärtig ausmachen lässt. Beschleunigte Schnittrhythmen bestimmen die visuelle Ausgestaltung und tragen zu dynamischen und spektakulären Bildinhalten bei. (vgl. Blanchet 2003: 208ff.) Untersuchungen von Bordwell untermauern diese Entwicklung des Actionfilms. Bordwell hat hinsichtlich der visuellen Dynamik im Film einen Vergleich angestellt. Er verglich die durchschnittliche Einstellungsdauer von Actionfilmen, die zwischen den 60er und 4Earnest Giglio ist emeritierter Professor für Politikwissenschaften. Er erforscht u.a. die Beziehung zwischen Politik und Film. - 12 80er Jahren5 produziert wurden mit der von Actionfilmen der 90er Jahre. Zwischen den 60er und 80er Jahren war die durchschnittliche Einstellungsdauer sechs bis acht Sekunden, während der Actionfilm der 90er Jahre nur eine durchschnittliche Einstellungsdauer von zwei bis vier Sekunden aufweist. (vgl. Bordwell 2001: 170) Die Ursache für diesen Wandel sieht Bordwell zum einen im Einfluss der Werbung und zum anderen in der Geltung von MTV begründet, die beide zu einer Gewöhnung des Zuschauers an schnelle und aggressive Darstellungsformen beitrugen. Der Actionfilm reagierte demzufolge auf die vermeintlichen Bedürfnisse der Zuschauer. (vgl. ebd. 2001: 170f.) Im Zuge der Dynamisierung des Bildes stehen den Filmregisseuren aber noch weitere Möglichkeiten zur Verfügung. In den Filmen von John Woo zeigt sich beispielsweise eine außerordentliche Bandbreite filmästhetischer Stilmittel – Woo´s Filme sind gewissermaßen bezeichnend für den Actionfilm der 90er Jahre. „Auf der formalästhetischen Ebene gebraucht Woo einen unverwechselbaren Stil, um damit Dramatik und Spannung auszudrücken. Solche ästhetischen Mittel sind beispielsweise bei der filmtechnischen Umsetzung intensiver Zeitlupensequenzen, eingefrorene Bilder, hektische Kameraführung, viele Retrospektiven und Parallelmontagen, mehrere Kameras gleichzeitig bei der Aufnahme.“(Bohrmann 2002: 114) Ähnlich wie Woo arbeiten auch zahlreiche andere Regisseure6, was Bordwell dazu veranlasst, von einer allgemeinen Tendenz zum Stilpluralismus und Eklektizismus zu sprechen. Allein der exzessive Gebrauch von Zeitlupensequenzen im Actionfilm der 90er Jahre vermag hier als Beispiel zu dienen. (vgl. Bordwell 2001: 179) 5 Der Actionfilm hatte seinen Ursprung genau genommen erst Anfang der Achtzigerjahre (vgl. Bordwell 2001: 169f.). Bordwell verglich deshalb actionorientierte Filme der 60er und 70er Jahre mit Actionfilmen der 80er und 90er Jahre. 6 Man denke zum Beispiel an Regisseure wie John McTiernan (Die Hard 1-3), Jan de Bont (Speed, Twister) oder Michael Bay (Armageddon). Die Filme dieser Regisseure verweisen auf stilistische Vielseitigkeit im Actionfilm der 1990er. Allein Dialogszenen orientieren sich in ebendiesen Filmen nicht allein an dem klassischen Schuss/Gegenschuss – Verfahren, sondern werden permanent ergänzt durch Schwenks, Zooms und verschiedenste Kameraeinstellungen (vgl. Blanchet 2003: 208ff.). - 13 Gemäß Blanchet manifestiert sich im kontemporären ActionBlockbuster der „[...] Exzess der reinen Kinetik, Chaotik, Schnelligkeit, Wucht und Fülle des audiovisuellen Stimulus“ (Blanchet 2003: 210). Das Ziel ist es, „[...] dem Publikum eine physische Erfahrung zu geben und nicht eine distanziert voyeuristische“ (ebd. 2003: 211). Dem vermag der Actionfilm zu entsprechen, indem er sein Publikum durch unmittelbar auf die körperlichen Reflexe gerichtete Schock-, Schwindel- und Geschwindigkeitseffekte in seinen Bann zieht (vgl. ebd. 2003: 210f.). II.5 Charakteristika des High-Concept-Approach Der sog. High-Concept-Film hat das Kino der 90er Jahre als kulturelles und ökonomisches Phänomen unübersehbar geprägt und ist aus der aktuellen Filmproduktion Hollywoods nicht mehr wegzudenken. Der Begriff des High-Concept-Films findet zwar in filmwissenschaftlichen Fachpublikationen Verwendung, in nichtwissenschaftlichen Veröffentlichungen wird er aber stets als Blockbuster bezeichnet.7 In der aktuellen Mediengesellschaft, die sich durch Medienkonglomerate auszeichnet und in der nach Thomas Elsaesser alles irgendwie miteinander verbunden ist (vgl. Elsaesser 2001: 11), besitzen High-Concept-Filme eine Schlüsselfunktion.8 Sie stehen am Anfang einer komplexen Verwertungskette und bilden den Ausgangspunkt für weitgefächerte ökonomische Aktivitäten. „Popular films often initiate or continue an endless chain of other cultural products. A film concept or character often leads to a TV show, with possible spin-offs, video games, and records. Merchandising efforts also include toys, games, T-shirts, trading cards, […], theme park rides, […], magazines, how-the-movie-was-made books, etc.” (Wasko 1994: 4) Angesichts der großen wirtschaftlichen Bedeutung von HighConcept-Filmen ist es konsequent, die ihnen zugrunde liegenden 7 Beide Termini bezeichnen dasselbe. 8 Erst durch ihre Einbettung in diversifizierte und finanzkräftige Medienkonzerne konnten die Majorstudios die strategisch notwendige Ausgangssituation für den “Siegeszug des Blockbusters“ schaffen. Die großen Blockbusterproduktionen vermochten die zahlreichen Synergieeffekte der Medienkonzerne zu nutzen. Die Auswertungspalette für Filmprojekte erweiterte sich um ein Vielfaches (vgl. Blanchet 2003: 121). - 14 Konzeptionen verstärkt von einem filmökonomischen Standpunkt aus zu betrachten. In diesem Zusammenhang wird auf die Arbeiten von Justin Wyatt hingewiesen. In seinen Untersuchungen zum Hollywoodfilm der 1980er und 1990er argumentiert Wyatt, dass Filmprojekte von der Filmindustrie in zunehmendem Maße aufgrund ihrer Vermarktungschancen ausgewählt werden. Dabei ist der Fokus insbesondere auf die Vermarktungsmöglichkeiten von Begleitprodukten zum Film gerichtet. Die Definition, die sich bei Wyatt für HighConcept-Filme findet, drückt auf anschauliche Weise ebendiese kommerziell orientierte Anspruchshaltung an diesen Filmtypus aus. „High concept is […] a form of narrative which is highly marketable.“ (Wyatt 1994: 12) Auch mit Elsaesser lässt sich sagen, dass der kontemporäre Blockbuster Ausdruck der ökonomischen Logik Hollywoods ist. „The blockbuster is a movie engineered for maximum meaning, […] its different parts function as a cultural database. […] Often the parts are attractions, which come together in the film´s story line, but which in the process of marketing can be exploited separatedly.” (Elsaesser 2001: 19) Im Idealfall erlaubt ein Blockbuster folglich ein vielschichtiges Marketing, mit dem sich die verschiedensten Zielgruppen ansprechen lassen. Da es sich bei Filmen um Vertrauensgüter und Dienstleistungsprodukte handelt, ist es zwingend erforderlich, um das Vertrauen potentieller Konsumenten zu werben. Tatsächlich wird beim High-Concept-Actionfilm wie bei keinem anderen Filmtypus versucht, Kinogänger vom außergewöhnlichen Produktnutzen zu überzeugen. Dabei wird in der Filmvermarktung das herausgestellt, was in der Betriebswirtschaftslehre als sog. einzigartiges Verkaufsargument Unique Selling Proposition bezeichnet wird (vgl. www.marketing-lexikon-online.de/Welcome/ Stichworte_U/USP/usp.html). Dem Zuschauer wird ein unvergleichliches, nie zuvor erlebtes Kinoereignis versprochen. Der Slogan zum Film Armageddon “Take the ride of your life“ bringt das einzigartige Verkaufsversprechen stellvertretend für alle anderen Blockbuster sehr schön zum Ausdruck. In seiner wissenschaftlichen und medienökonomischen Auseinandersetzung mit dem High-Concept-Film befasst sich der Medienkulturtheoretiker Dominic Strinati ebenfalls mit der Verortung des - 15 High-Concept-Films im Spannungsfeld zwischen Wiederholung und Innovation. Strinati konstatiert, dass zyklische Tendenzen das Wesen der Filmproduktion Hollywoods – insbesondere von Blockbustern – bestimmen. In Hollywood wird stets nach dem Grundsatz verfahren, dass das, was einmal zum Erfolg führte, ein weiteres Mal zum Erfolg führen muss. Als Konsequenz aus dieser Haltung ergibt sich, dass die Standardisierung von Innovationen ein integraler Bestandteil dessen ist, was Strinati als das “System Hollywood“ (Strinati 2000: 48) bezeichnet. Wie der Filmwissenschaftler Paul McDonald feststellt, vollziehen sich Prozesse der Standardisierung verstärkt auf Genreebene. Dieser Aspekt lässt sich insofern nachvollziehen, als dass Genres grundsätzlich etwas Musterhaftes zugrunde liegt. In leicht abgewandelter Form verspricht das immer gleiche Prinzip wiederkehrenden Erfolg. Der Filmwissenschaftler Neil McDonald beschreibt die Denkweise Hollywoods denn auch wie folgt: „If a certain cluster of plot devices proves successful then use a variation of the same colours again and again.” (McDonald, Neil 2000: 74). Letztlich besteht die Leistung des High-Concept-Approach darin, „[…] eine zunehmend ökonomisierte und systematisierte Zugangsweise […] bei der Gestaltung von Filmprojekten und damit eine radikalisierte Kommerzialisierung des Hollywoodkinos durchzusetzen“ (Blanchet 2003: 153). - 16 - III. Strategische Optionen der Produktion und Vermarktung von High-Concept-Actionfilmen III.1 Strategische Optionen der Produktion: Filmischer Text III.1.1 Orientierung am Actiongenre Unter Genres werden unter filmtheoretischen Gesichtspunkten solche Filmgruppen verstanden, die sich nach dem Medienwissenschaftler Eggo Müller charakterisieren lassen „[...] z.B. durch eine typisch soziale oder geographische Lokalisierung, durch spezifische Milieus oder Ausstattungsmerkmale, Figuren- oder Konfliktkonstellationen oder durch besondere Themen oder Stoffe“ (Müller 1997: 141). Gemäß dem Filmwissenschaftler Thomas Schatz repräsentieren Filmgenres als textuelle Systeme Sets von Regeln der Konstruktion, die verwendet werden, um eine spezifische kommunikative Funktion zu schaffen (vgl. Schatz 1997: 96). Dabei handelt es sich genau genommen um eine Verständigungsfunktion, da Genres Orientierungen bieten, Erwartungen stiften und die Rezeption determinieren (vgl. Hickethier 2002: 63). Den Zuschauer versetzen sie in die Lage, vertraute Muster in Filmen wiederzuerkennen und tragen so zur Orientierung in der gesamten Filmwelt bei. Zwar sind die strukturellen Komponenten eines Genres nicht klar festgelegt, dennoch umfassen Genres individuelle, ikonographische Merkmale, mittels derer sich Bedeutungen von Film zu Film tragen lassen. Diese ikonographischen Konventionen, denen sich weitere bezogen auf Thematik, Motive und Bedeutungen hinzufügen lassen, verweisen dem Medien- und Kulturtheoretiker Rainer Winter zufolge darauf, dass Genres nicht aus Filmen allein bestehen. (vgl. Winter 1992: 38) Sie bestehen auch aus spezifischen Erwartungshaltungen von Seiten des Zuschauers. Diese Auffassung wird von Neale gestützt: „They [Genres; Anm. d. Verf.] consist [...] of specific systems of expectation and hypothesis which spectators bring with them to the cinema, and which interact with films themselves during the course of the viewing process.” (Neale 2000: 31) Produzenten und Filmemacher müssen nach Meinung des Fernsehwissenschaftlers Mikos die Erwartungen der Zuschauer in ihrer Planung berücksichtigen, um kommerziell erfolgreiche Filme zu produzieren (vgl. Mikos 2002: 96f.). So ist etwa davon auszugehen, dass die Zuschauer eines Actionfilms erwarten, dass er sich im Einklang mit den filmischen Strukturkonventionen des - 17 mit den filmischen Strukturkonventionen des Actionfilmgenres (vgl. Kap.II.2.1) befindet. In diesem Zusammenhang weist Cook darauf hin, dass Genres die Filmindustrie in die Lage versetzen, Zuschauererwartungen zu antizipieren. „The genres, each with its recognisable repertoire of conventions [...], enabled the industry to predict audience expectation. Differences between genres meant different audiences could be identified and catered to.” (Cook und Bernink 1999: 137) Der Filmtheoretiker Hickethier stellt heraus, dass Genrebegriffe als Schemata intersubjektive Funktionen besitzen (vgl. Hickethier 2002: 64). Nach Ansicht der Kommunikationswissenschaftler Schmidt und Weischenberg werden Schemata „[…] im Laufe der Sozialisation als überindividuelle, intersubjektiv wirksame Ordnungsmuster oder Programme im Individuum aufgebaut“ (Schmidt und Weischenberg 1994: 214). Auch für Filmgenres gilt, dass sich Menschen Kenntnisse bezogen auf Konventionen, thematische Inhalte und visuelle Ausgestaltung erst aneignen müssen. Die Vertrautheit eines Zuschauers mit einem Genre stellt sich als Folge eines kumulativen Prozesses dar. Durch wiederholte Sehvorgänge gelangen die genrespezifischen, narrativen Muster ins Bewusstsein des Zuschauers und haben letztlich Einfluss auf die Erwartungen der Zuschauer (vgl. Schatz 1981: 11f.). Wenngleich es – wie der Filmwissenschaftler Mark Jancovich betont – bezogen auf die Zusammensetzung von Genres keine einheitlichen Auffassungen gibt, so lässt sich jedoch mit Bordwell und Thompson sagen, dass Genres und deren Konzeption auf einem stillschweigenden Übereinkommen zwischen Filmemachern, Rezensenten und dem Publikum basieren. (vgl. Jancovich 2002: 470; Bordwell und Thompson 2002: 96) Was die Produktion von Actionfilmen angeht, so sind die Studios demnach gut beraten, sich an die genrespezifischen Strukturkonventionen zu halten. Andernfalls droht ihnen angesichts enttäuschter Erwartungshaltungen der finanzielle Misserfolg. III.1.2 Rollenbesetzung mit Stars Im kommerziell orientierten Hollywoodkino sind Filmstars von zentraler Bedeutung. Stars haben starken Einfluss auf die Textebene und die beiden Kontextebenen. Da sich das Selbstverständnis eines Filmstars aber in erster Linie aus seiner Tätigkeit - 18 als Schauspieler ableitet, spricht vieles dafür, seine originäre Funktion auf der Ebene des filmischen Textes anzusiedeln. Die Betrachtung der Funktion des Stars ist aufgrund dieses Aspektes dem Kapitel III.1 zugeordnet. Im Folgenden werden zudem auch Aspekte angesprochen, die die beiden Kontextebenen betreffen, da sich die Ebenen wechselseitig bedingen und durchdringen. Die Funktion des Stars ist primär im Rahmen des filmischen Textes zu sehen. Der Star schlüpft in die Rolle des Protagonisten, um den die Handlung strukturiert ist und wird zum „[...] Träger des Blickes des Zuschauers [...]“ (Winter 1992: 61). Der Zuschauer wird sich im Idealfall mit dem Protagonisten identifizieren und sich verstärkt auf den Film einlassen. Sekundär – aber nicht weniger relevant – ist die Funktion des Stars auf der filmischen Kontextebene und der außerfilmischen Kontextebene. So wird den Stars etwa eine wichtige Funktion sowohl auf der Ebene des Produktionsprozesses als auch auf der Ebene der Distribution (Verkauf und Vermarktung von Filmen) und Filmvorführung zuteil. Bei besonders kostspieligen Filmprojekten versuchen die Produzenten potentielle Geldgeber durch die Namen großer Stars zu gewinnen. Dadurch, dass das Mitwirken eines namhaften Stars in einer geplanten Produktion angekündigt wird, lassen sich Investoren leichter davon überzeugen, in ein Filmprojekt zu investieren. Der Star stellt letztendlich eine Art Absicherung der Profite dar. „The star becomes a form of capital inasmuch as his or her image can be used to create advantage in the market for films and secure profits.“ (McDonald, Paul 2000: 14) Für die Vermarktung ergeben sich durch die Besetzung mit Stars auch klare Vorteile. Vom Publikum wird schließlich erwartet, dass es sich in außerordentlicher Weise von Filmen mit Staraufgebot angezogen fühlt (vgl. ebd. 2000: 5ff.). So gilt es festzuhalten, dass die Besetzung mit Stars die Erfolgschancen einer Produktion prinzipiell erhöht. Um im Speziellen die finanziellen Erfolgsaussichten eines Actionfilms zu steigern, sollte sich der besetzte Star auch dem Actionfilmgenre zuordnen lassen (Gledhill 2000: 189f.). Einem Schauspieler wie Woody Allen oder Steve Martin würde die Verkörperung des Helden in einem Actionfilm kaum abgenommen. Die Erwartungen an einen Actionfilm mit einem dieser beiden Schauspieler wären voraussichtlich - 19 gering9 und der finanzielle Erfolg an der Kinokasse würde mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbleiben. Aufgrund der Intertextualität10 ihres Images können Stars in den verschiedensten Medien auf ein Produkt - beispielsweise einen neuen Film - aufmerksam machen (vgl. Dyer 1986: 3f.). Stars fungieren in diesem Sinne nach Aussage von Schmidt und Zurstiege als „komprimierte Aufmerksamkeitsaggregate“ (Schmidt und Zurstiege 2000: 83). Gaitanides11 stellt fest, dass bisweilen allein der Name eines Hauptdarstellers ausreicht, um einem Filmprojekt ein Markenimage zu geben. Dieser Umstand ist auf die Erwartungshaltung der Zuschauer zurückzuführen, die Projekten, an denen Stars beteiligt sind, ein hohes Maß an Vertrauen in die Qualität entgegenbringen. Nicht zuletzt wird mit dem Star die Erwartung einer Fortsetzung vergangener Spielfilmerfolge verknüpft. Stars haben für den Zuschauer somit eine Orientierungsfunktion bei der Filmauswahl. (vgl. Gaitanides 2001: 17f. und Albert 1998: 254ff.) Diese Orientierungsfunktion lässt sich gemäß Stephen Crofts ebenso Regisseuren zuschreiben, denen Starkult nachgesagt wird. „Authorship has therefore recently added the promise of certain spectatorial pleasures, the cachet of cultural respectability, or cult status to the labels which traditionally typified classical Hollywood’s promotion of its films – genre and stars.” (Crofts 2000: 85) Crofts misst dem Namen eines Regisseurs zudem wichtige Funktionen im Bereich des Marketings und der Produktdifferenzierung bei (vgl. ebd.: 96). Ähnlich verhält es sich mit der Funktion des Stars. „Stars act as a means of product differentiation […].” (McDonald, Paul 2000: 12) 9 Woody Allen und Steve Martin lassen sich aufgrund ihrer Filmographien eindeutig nicht dem Actionfilmgenre zuordnen. Beide Schauspieler sind eher bekannt für (Tragik)-komödien (vgl. The Internet Movie Database). 10 Zum Aspekt der Intertextualität des Starimages vgl. Kap.III.1. 11 Michael Gaitanides ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt u.a. Kapitalmarkt- und Medienkommunikation. - 20 - Der Filmstar ist also auf verschiedenen Ebenen Funktionsträger. Ein Aspekt, der sich unter anderem darauf zurückführen lässt, dass sich die Erwartungen und Bedürfnisse sowohl der Industrie als auch des Publikums auf ihn konzentrieren. (vgl. ebd. 1995: 80) III.1.2.1 Begriffserklärung “Star“ Der Star hat den Hollywoodfilm seit seinen Anfängen als ein kulturelles Phänomen entscheidend geprägt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind Stars unverzichtbare Bestandteile von Hollywoodproduktionen. Die Bedeutung des Stars stellt sich aber nicht nur auf Ebene des Filmes dar, sondern sie lässt sich genauso in nahezu allen Bereichen der aktuellen Mediengesellschaft beobachten.12 Geradezu inflationär erfolgt dabei die Verwendung des Begriffes Star, dessen Konturen mehr und mehr im allgemeinen Sprachgebrauch verschwimmen. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten erfuhr das Starphänomen lange Zeit kaum Berücksichtigung und galt als trivialer Aspekt der Populärkultur. Mittlerweile haben jedoch vor allem die Sozialwissenschaften die Bedeutung des Themengegenstandes für sich erkannt. Der Filmwissenschaftler Richard Dyer hat sich in mehreren wissenschaftlichen Publikationen intensiv mit dem Starphänomen auseinandergesetzt. In seinen frühen Arbeiten stellt Dyer einen semiotischen Ansatz vor, demzufolge der Star als Text existiert und das Image eines Stars sich aus einer Vielzahl von Zeichen zusammensetzt. Ausgehend von diesen Überlegungen entwickelt Dyer den sog. „intertextuellen Ansatz“ (Dyer 1986: 3), der sich durch eine hohe Anschlussfähigkeit auszeichnet.13 Dyer zufolge sind Stars durch medial vermittelte Starimages gekennzeichnet. (vgl. Dyer 1986: 3f.) Als Starimage wird das Bild bezeichnet, welches der Star aus Sicht des Rezipienten verkörpert. Dieses Bild besteht nach Meinung des Filmwissenschaftlers Stephen Lowry aus allen öffentlich zugänglichen „[...] Zeichen und Aussagen über den Star 12 Diverse TV-Formate wie “Deutschland sucht den Superstar“ oder “Star Search“ mögen hier als Beispiel dienen. 13 John Ellis (vgl Ellis 1982: 87ff.) und Paul McDonald (vgl. McDonald, Paul 1995: 95) dient dieser Ansatz als Grundlage ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Begriff Star. - 21 als Person und als Filmfigur" (Lowry 1997: 15). Derartige Zeichen und Aussagen basieren z.B. auf Filmkritiken, Fernsehauftritten oder Berichten und Fotos über das Privatleben der Stars in der Regenbogenpresse. Das Image lässt sich in zwei Bereiche differenzieren, die in fortwährender Wechselwirkung zueinander stehen: das innerfilmische und das außerfilmische Image. Das innerfilmische Image wird durch die Schauspieltätigkeit des Stars geprägt. Beim außerfilmischen Image rückt dagegen das Privatleben des Stars in den Vordergrund (vgl. ebd.: 15f.). Da Starimages auf einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen basieren, gelten sie als intertextuell. „Star images are the product of intertextuality in which the non-filmic texts of promotion, publicity and criticism interact with the filmic text.“ (McDonald, Paul 1995: 83) Die Bedeutung eines Starimage ist McDonald zufolge niemals begrenzt, dauerhaft oder in seiner Gesamtheit erfassbar. Die intertextuellen Verknüpfungen stellen sich als zu komplex dar. (vgl. ebd. 1995: 83) Anhand der komplexen Zusammensetzung eines Starimages wird deutlich, weshalb Paul McDonald Stars als ausgehandelte Identitäten bezeichnet (vgl. McDonald, Paul 2000: 6). Da sich Starimages aus zahlreichen verschiedenen Quellen speisen, aber nicht jedem Menschen jede Quelle zugänglich ist, werden sie unterschiedlich interpretiert. Folglich sind Starimages offen für verschiedene Lesarten (vgl. ebd. 2000: 7). III.1.2.2 Entstehung von Starimages Die Entstehung von Stars basiert keineswegs auf einem Zufallsprinzip, wie Belton weiß: „Stars are not born but made; and they are made with a purpose – to sell films.” (Belton 1994: 112) Der Star stellt ein Konstrukt dar, das nicht allein auf den Filmen eines Schauspielers fußt. Scheint sein Image zunächst in spezifischen Rollen verwurzelt, so reicht es jedoch darüber hinaus, denn das Startum wird vielmehr innerhalb eines weiten Terrains der Massenkultur konstruiert (vgl. ebd. 1994: 89f.). Diese Meinung vertritt auch der Filmwissenschaftler Geoff King: „The star persona is the product of a number of performances, but also cultivated offscreen, in press and publicity materials, interviews and other appearances.“ (King 2002: 150) Gemäß dem Medientheoretiker Faulstich stellt für die Starkonstruktion der öffentliche Raum eine unverzichtbare Bedingung dar (vgl. Faulstich 2000: 294). Erst durch die fortwährende Präsenz eines Schauspielers in den - 22 Medien wird dieser zum Star. Starimages bedürfen der Multimedialität (vgl. ebd. 2000: 293), denn „wie könnte ein Star ein Star sein, wenn niemand darum wüsste, wenn nicht darüber gesprochen würde, wenn er kein Bestandteil des Mediensystems wäre?“ (ebd. 2000: 296) Jedoch muss ein Schauspieler bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um in den Status eines Stars zu gelangen. Nach Carlo Sommer14 muss ihm etwas mythenhaftes und geheimnisvolles zugrunde liegen, etwas, dass ihn aus der Masse hervorstechen lässt und zu seiner Sublimierung beiträgt (vgl. Sommer 1997: 114). Indem er über Alltägliche hinausgeht und das Perfekte verkörpert, dient er als Ersatz für die eigene Unvollständigkeit (vgl. Faulstich 2000: 300). Faulstich: „Der Star ist die Verkörperung unserer Sehnsüchte als erfüllte.“ (ebd. 2000: 300) Bei alldem gilt es jedoch zu betonen, dass der Star nur dank seiner Fans ein Star ist bzw. geworden ist. Er verkörpert das Produkt sowohl individuellen als auch kollektiven Begehrens (vgl. ebd. 2000: 295). Das Starimage betreffend wird von Seiten der Fans erwartet, dass der Star seinem Image treu bleibt: „Too much difference from established star image may lead to disappointment for the intended audience.” (Geraghty 2000: 189) Einen Schauspieler wie Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger wollen die Fans nach Möglichkeit nur als stählernen Actionhelden in einem Actionfilm sehen (vgl. Schröder 1995: 43ff.). Dennoch sind aber Starimages (vor allem das außerfilmische), gemäß der Filmwissenschaftlerin Geraghty, von Inkonsistenz, Wandel und Schwanken gekennzeichnet (vgl. ebd. 2000: 186). Mit Paul McDonald lässt sich letztlich schlussfolgern, dass die Imagekonstruktion nie ganz abgeschlossen ist. „The process of intertextual associations is so complex that the meaning of a star´s image is never limited, stable or total. The star´s image is not one thing, but many things.” (McDonald, Paul 1995: 83) Dem polysem 14 Carlo Sommer ist Professor für Kommunikationspsychologie und Sprachwissenschaften an der Fachhochschule Darmstadt. - 23 strukturierten Starimage15 werden permanent neue Facetten hinzugefügt, solange eine Berichterstattung stattfindet (vgl. Geraghty 2000: 186f.). III.1.2.3 Identifizierung von Actionfilmen Das Publikum assoziiert nach Ansicht von Blanchet bestimmte Stars mit ganz bestimmten Handlungsmomenten innerhalb eines Films. „Jeder weiß in etwa, was er von einer romantischen Komödie mit Julia Roberts oder einem Actionfilm mit Arnold Schwarzenegger zu erwarten hat.“ (Blanchet 2003: 161) Nach King lässt sich sogar die Aussage treffen, dass bei Zuschauern mehrheitlich eine Korrelation zwischen Genre- und Starerwartungen existiert. Bei Hollywoodproduktionen, die zwar mit Stars aufwarten (sog. star vehicles), aber nicht den Genreerwartungen gerecht werden, droht gegebenenfalls ein finanzieller Misserfolg (vgl. King: 2002: 149). Grundsätzlich vermögen Stars eine bestimmte Konsumentengruppe anzusprechen, die überwiegend Filme sieht, in denen ihre favorisierten Stars mitwirken (vgl. Belton 1994: 112). Als Ursache hierfür mag etwa gelten, dass über die Identifikation mit dem Star dem Film, in dem er mitspielt, ein Vertrauensvorschuss zuteil wird. Der Filmwissenschaftler Justin Wyatt bezeichnet die für diesen Vertrauensvorschuss verantwortlichen Elemente innerhalb eines Films als pre-sold properties16. Wyatt zufolge kann Stars die wichtige Funktion eines pre-sold element zukommen (vgl. Wyatt 1993: 129). Gemäß Wyatt setzt eine Vielzahl der High-Concept-Filme auf presold elements speziell in bezug auf den Star. Im Bewusstsein, dass in den Zuschauererwartungen bestimmte Stars mit bestimmten Genres verknüpft sind, bemühen sich die Produzenten von 15 Der Terminus der “structured polysemy“ in Bezug auf das Starimage findet sich bei Dyer (Vgl. Dyer 1986: 3). Dyer bringt damit zum Ausdruck, dass sich das Starimage aus einer Vielzahl von Bedeutungen zusammensetzt. 16 Justin Wyatt bezeichnet diejenigen Elemente eines Filmprojekts als “pre-sold properties“, von denen der Konsument bereits Kenntnis besitzt, und die ihm vertraut sind. Im Idealfall haben sie sich bereits zu einem vorherigen Zeitpunkt oder in anderen Zusammenhängen als erfolgreich erwiesen (vgl. Wyatt 1994: 129ff.). - 24 High-Concept-Produktionen stets, den passenden Star zu finden und die festgelegten Erwartungen des Zuschauers nicht zu enttäuschen. „When a star´s persona is directly linked with a genre and the project under consideration adheres to this genre then the film generally falls into the high concept category.” (Wyatt 1993: 10) Stars agieren also als Mittel der Produktdifferenzierung auf Produzentenseite und auch auf Konsumentenseite (vgl. McDonald, Paul 2000: 12). Sie haben Orientierungsfunktion (vgl. Kap.III.1.2). Gemäß Dirk Schweitzer17 wird Filmen mit Starbesetzung grundsätzlich ein höherer Qualitätsgrad von Seiten potentieller Kinogänger unterstellt als Filmen ohne Stars (vgl. Schweitzer 1996: 39). III.1.3 Transnationalisierung des Produkts Film Kulturelle Massenprodukte sind nach Auffassung des Soziologen Richard Münch „[...] immer weniger an einen bestimmten Ort der Produktion, Präsentation und Aneignung gebunden [...]“ (Münch 2000: 137). und folgen so dem Diktat der Globalisierung. Der Unterhaltungsfilm – und als solches der High-Concept-Actionfilm – bildet da keine Ausnahme. Bei seiner Vermarktung und Distribution setzt Hollywood auf globale Strategien. Hollywoodfilme dominieren längst nicht mehr nur den heimischen Markt, sondern auch die internationalen Märkte. In allen Ländern, die dem westlichen Kulturkreis angehören, haben Hollywoodproduktionen den nationalen Produkten den Rang abgelaufen und prägen die Marktsituation. Rückflüsse sowohl aus heimischen, als auch internationalen Märkten werden mittlerweile von den amerikanischen Filmproduzenten einkalkuliert (vgl. Schweitzer 1996: 158f.). Die Intention Hollywoods ist es, seine Top-Filme mit Ereignischarakter auszustatten und ihnen ein Image zu geben, das sie entschieden von nationalen Produkten abhebt. Dem Zuschauer soll dabei die Botschaft vermittelt werden, dass nur Hollywoodproduktionen seinen hohen Ansprüchen gerecht werden können. In erster Linie versucht Hollywood, auf Ebene der Filmästhetik Maßstäbe zu setzen und Standards zu definieren. Diese Standards prägen das Anspruchsniveau der Zuschauer und machen weitere Kinobesuche von Hollywoodproduktionen wahrscheinlich 17 Dirk Schweitzer legte 1996 an der GH Siegen die Dissertationsschrift “Film als Marktleistung“ vor. - 25 (vgl. ebd. 1996: 160). Die Filmästhetik allein ist aber nicht das, was für den weltweiten Erfolg von Hollywoodfilmen ausschlaggebend ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Filme in der ganzen Welt – also auch über die Grenzen des nordamerikanischen Kulturkreises hinweg – verstanden werden können. „Wenn Hollywoods Figuren [...] oft stereotyp wirken, ist dies wohl [...] auf die für Hollywood generell wichtige Anforderung universeller Verständlichkeit zurückzuführen [...]“ (Blanchet 2003: 23). Was für die populäre Kultur im Allgemeinen gilt – die Affinität zu universalen Gefühlen und Wertvorstellungen – das gilt hier für den Unterhaltungsfilm im Speziellen. Stets dient die Orientierung an Universalia dabei der leichten Zugänglichkeit (vgl. Carroll 1998: 30ff. u. 414ff.). Der Rezipient soll sich in seinen Erwartungen bestätigt sehen. Diese Tendenz zur Affirmation ist kennzeichnend für den kommerziell ausgerichteten Unterhaltungsfilm. „Hollywood movies generally tend to meet more expectations that they frustrate, for commercial reasons. The confirmation of pre-existing assumptions is probably a more reliable source of the kind of pleasure likely to generate mass-market profits at the box-office.” (King 2002:149) Der Unterhaltungsfilm weist hierin ein typisches Merkmal massenkultureller Produkte auf, die gleichsam affirmativ funktionieren (vgl. Münch 2000: 137). Zugänglichkeit und universelle Verständlichkeit versucht der kontemporäre Blockbuster – als solches auch der High-ConceptActionfilm – ebenso durch intertextuelle Bezüge zu gewährleisten. Wyatt spricht in diesem Zusammenhang von einem Referenzsystem, in das der High-Concept-Film eingelagert ist. Dabei handelt es sich um Referenzen bezogen auf andere Filme, Fernsehshows und die verschiedensten Formen von Multimedia. „[...] High concept relies [...] on this intertextuality from an economic standpoint due to the audience´s point of recognition. These references function as a `shorthand´ method of transmitting information.” (Wyatt 1994: 57ff.) Um allerdings auf globaler Ebene ein Massenpublikum ansprechen zu können, muss mit Blick auf die unterschiedlichen Rezeptionsvoraussetzungen der verschiedenen Einzelkulturen eine Generalisierbarkeit der intertextuellen Bezüge gegeben sein. - 26 - III.1.4 Einsatz digitaler Technologien Die 1990er wurden nach Auffassung von Cook und Bernink im Bereich der filmischen Postproduktion durch Bildbearbeitungsund Bildmanipulationsprozesse auf Computerbasis geprägt. Die neuen Technologien fungierten als Wegbereiter für hoch budgetierte High-Concept-Actionfilme, die verstärkt auf Spezialeffekte setzten (vgl. Cook und Bernink 1999: 59). Während lange Zeit den neuen Techniken von Seiten der Hollywoodstudios große Skepsis entgegengebracht und vielfach ihre Notwendigkeit in Frage gestellt wurde, gelang den digitalen Technologien durch ein Filmtrio Anfang der 90er Jahre der Durchbruch. The Abyss, Terminator 2 und Jurassic Park beinhalteten Effekte, die keinesfalls anders als auf digitalem Wege hätten umgesetzt werden können. (vgl. Hubbard 2003: 99) Vor allem der Film Jurassic Park hatte maßgeblichen Anteil an der Zeitenwende und verkörpert wie kein anderer den Sprung ins digitale Zeitalter. „After Jurassic Park, everyone went digital […]. The CG dinosaurs […] were breathtakingly persuasive, giving a convincing impression of life. Not only was the 3D animation awe inspiring but the compositing of these creatures into real settings was virtually flawless.” (ebd. 2003: 99) Nach Hubbard stellt compositing den Kernbereich des digitalen Effektkinos dar. Beim compositing werden Bilder aus dem Computer – z.B. die nur virtuell existierenden 3D-Dinosaurier – in ein real existierendes Landschaftsszenario eingebunden. (vgl. ebd. 2003: 105) Die digitalen Techniken ermöglichen folglich die Verknüpfung zwischen dem Realen und dem Fantastischen. Der Filmwissenschaftler Wheeler Winston Dixon dazu: „Digital special effects have transformed the landscape of the visual in film, transporting the viewer seamless beyond that which is real into a synthetic world where computer animation, morphing and digital effects blend the actual with the fantastic.” (Dixon 1998: 22-23) Als Folge der fortwährenden Manipulation von Realität durch CGI (computer generated image) ergibt sich gemäß Cook und Bernink eine unwirkliche Realität, die sich jedoch bis heute als charakteristisch für den zeitgenössischen Blockbuster darstellt und seinen Reiz ausmacht. „This manipulation of reality results in a new reality, an unreal (or hyper-reality). The resultant films become spectacles of technological possibility, experienced for their awesome effects.” (Cook 1999: 61) - 27 Die Zuschauer sind sich letztendlich zwar im Klaren darüber, dass sich auf der Leinwand in extremem Maße eine unwirkliche Realität präsentiert, dennoch vermag dieser Umstand nichts an der Akzeptanz gegenüber dem Dargestellten zu ändern. Das Gegenteil ist der Fall. Gemäß Schweitzer ermöglicht die kontinuierliche Perfektion des Realitätsscheins die verstärkte Identifikation des Zuschauers mit dem Filminhalt. „Immer phantastischere Inhalte (Projektion) können glaubhafter der Realität angepasst werden (Identifikation). Somit erschließen sich zunehmend neue Publikumsschichten.“ (Schweitzer 1996: 48) Mithilfe digitaler Technologien gelingt es Hollywood also, sich auf einem Weltmarkt durchzusetzen, auf dem immer mehr Medienangebote um die Aufmerksamkeit des Zuschauers ringen (vgl. Münch 2000: 138ff.). III.1.5 Authentizität der filmischen Darstellung Mehr als jedes andere Kommunikationsmedium vermag der Film nach Einschätzung des Medien- und Kulturtheoretikers Rainer Winter den Eindruck einer Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit zu erzeugen. Tatsächlich ist es aber eben nur dieser Wirklichkeitseindruck und nicht die Wirklichkeit selbst, die der Zuschauer wahrnimmt. (vgl. Winter 1992: 58f.) Sind die Bilder gekonnt inszeniert, so reagiert er auf sie, als ob sie mehr als nur Bilder wären. „Es kommt zu einer Entdifferenzierung zwischen der Wirklichkeit und der Welt der Fiktion, die durch ihre große Ähnlichkeit mit der ersteren deren Platz einnimmt.“ (ebd. 1992: 59) Während des Rezeptionsvorgangs kommt es gemäß dem Medienund Kulturtheoretiker Patrick Fuery18 zu einem Abgleichen der im Film dargestellten Wirklichkeit und anderen Realitätsentwürfen. „There are a number of different orders of reality which come into play when we watch a film.” (Fuery 2000: 124) Diese anderen Realitätsentwürfe lassen sich nach Fuery in fünf Bereiche einteilen: Die Realität unseres Alltagsdaseins, die Sozio-Realität, die epistemische Realität, die psychische Realität und die vom Subjekt erfahrene Realität. Daraus ergibt sich eine ausgesprochen komplexe Beziehung des Films zur Realität. 18 Patrick Fuery ist Professor für Medien- und Kulturwissenschaften an der University of Sussex. - 28 Die im Film gezeigten Bilder beziehen sich laut Fuery auf die Interpretation einer materiellen Weltordnung (ebd.: 17). Ob und inwieweit sich Rückschlüsse auf die tatsächlich real existierende Weltordnung ziehen lassen, kann sich auf die Akzeptanz des Zuschauers gegenüber dem Film auswirken. Dabei spielt es jedoch nur eine untergeordnete Rolle, ob der Film stark realitätsorientiert ist oder ganz und gar ins Fantastische geht. „Even the most fantastic of films, such as Un chien andalou, Twelve Monkeys, or City of Lost Children produce a sense of reality within their textual order of things. […] So for example time travel has a level of (and investment in) realism in Twelve Monkeys, even if we do not accept it outside of the parameters of the film.” (ebd.: 123) Entscheidend ist nur, dass ein Film im Rahmen der Parameter, die er selbst vorgibt, einem realistischen und glaubwürdigen Erscheinungsbild entspricht und sich der Zuschauer darauf einlassen kann. Filminhalte, die sich als zu phantastisch und unwahrscheinlich darstellen, werden zum Teil nicht akzeptiert (vgl. Schweitzer 1996: 46). Die Akzeptanz von Seiten der Zuschauer einem Film gegenüber basiert zudem auf ihrer Erwartungshaltung, die von den jeweiligen Genrekonventionen bestimmt wird. Bestimmte Genres verlangen mehr als andere eine authentische und plausible Darstellungsweise der Filminhalte. „[Genres as; Anm. d. Verf.] systems of expectation and hypothesis involve a knowledge of, indeed they partly embody, various regimes of verisimilitude – various systems and forms of plausibility, motivation and belief.“ (Neale 2000: 32) Insbesondere dem Genre des Actionfilms, der viele fantastische Bilder und Motive beinhaltet, kommen die drastisch verbesserten Möglichkeiten der filmischen Illusion durch Spezialeffekte zugute. Mithilfe von Spezialeffekten lässt sich das Außergewöhnliche, das im Actionfilm ständig passiert, im realen Leben hingegen niemals irgendjemandem widerfährt, so präsentieren, dass es dem Zuschauer im Rahmen des Handlungskontextes als plausibel erscheint. Entscheidend ist, dass der Film es schafft, im Zuschauer die Bereitschaft zu wecken, sich auf die Illusion einzulassen – so der Filmwissenschaftler Nowell-Smith (vgl. Nowell-Smith 1998: 442). - 29 - III.2 Rahmenbedingungen der Vermarktungsstrategien: Ausserfilmischer Kontext III.2.1 Entscheidungsprozesse von Filmkonsumenten Bei der Auswahl von Medienangeboten im weiteren und Filmangeboten im engeren Sinne kann dem Publikum mit Katz und Foulkes eine aktive, bzw. selektive Rolle unterstellt werden (vgl. Katz / Foulkes 1962: 378). Eine aktive Selektionsleistung in Abhängigkeit zu den Bedürfnissen wird zudem durch den Filmtheoretiker Hickethier postuliert, der sich dabei auf den Uses-andGratifications Approach stützt: „Der Rezipient tritt als aktiv Handelnder auf, der aus dem Angebot auswählt, was er sehen und hören will, weil er sich davon eine Befriedigung seiner Bedürfnisse verspricht [...]. Dieser Nutzenansatz (Uses-and-Gratifications Approach) setzt jedoch vor, dass der Rezipient auch tatsächlich zwischen verschiedenen Angeboten wählen kann.“ (Hickethier 2001: 10) Die Aktivität des Rezipienten im Uses-and-Gratifications Approach wird von Schweitzer in Konstruktivität19 und Selektivität differenziert. Im Rahmen der Aktivitätsdimension der Selektion werden Entscheidungen für oder gegen bestimmte Filmangebote seitens der potentiellen Rezipienten gefällt. Filme stellen so gesehen die Objekte der Entscheidung dar und senden „[...] die für die Selektivität der Rezipienten notwendigen Stimuli aus“ (Schweitzer 1996: 22). Grundsätzlich muss beim potentiellen Rezipienten die Motivation zum Kinobesuch gegeben sein. Die Motivation kann verschiedenen Ursprungs sein wie Tesser et al. in ihren Studien über die Funktion von Kinofilmen20 feststellen. Tesser et al. unterscheiden im Wesentlichen drei Dimensionen der Motivation: Self Escape Self Development und Entertainment. 19 Konstruktivität bezeichnet das Verstehen von Medieninhalten (vgl. Schweitzer 1996: 22). 20 Die Studie von Tesser et al. aus dem Jahr 1984 basiert auf der Gratifikationshypothese der Massenkommunikationsforschung (vgl. Tesser et al. 1988: 441ff.) - 30 Self Escape definiert die Motivation des Kinobesuchs als Wunsch, dem Alltag zu entfliehen und Kompensation für nichterfüllte Wünsche und Träume zu erlangen. Der Faktor Self Development unterstellt, dass Menschen ins Kino gehen, um starke Emotionen zu erleben. Die Dimension Entertainment stellt den bloßen Unterhaltungsgedanken des Kinobesuchs ohne unmittelbar emotionale Motivation in den Mittelpunkt des Zuschauerinteresses. Self Development und Self Escape unterscheiden sich in der Hauptsache dadurch, dass beim Self Development der Kinobesuch einen persönlichen Charakter aufweist, während Self Escape eine soziale Ausrichtung besitzt. Vorausgesetzt, dass die Motivation zum Kinobesuch vorhanden ist, erfolgt die Entscheidung nach Tesser et al. in der Regel in Abhängigkeit zu den persönlichen Filmvorlieben. (vgl. Tesser et al. 1988: 441ff.) Die Ausführungen von Tesser zeigen, dass der Actionfilm prinzipiell allen drei Motivationsdimensionen gerecht zu werden vermag. Nach Meinung des Medienwissenschaftlers Sergi basiert der Entscheidungsprozess von Kinogängern auf Zuschauererwartungen. Dabei hat das zeitgenössische Hollywoodkino gemäß Sergi entscheidenden Einfluss auf die Erwartungshaltung des Publikums und setzt im internationalen Vergleich Maßstäbe. Sergi spricht von einer kontinuierlichen Anhebung der Rezeptionserwartungen und führt diesen Aspekt darauf zurück, dass Hollywood seine Zuschauer gegenwärtig besonders intensiv zu involvieren vermag und dadurch wesentlich stärker anspricht. „The audience´s powerful sensual involvement with this three-dimensional sonic space is clearly designed to fulfil their high aural expectations, to heighten the cinematic experience […].“ (Sergi 2001: 125) King vertritt ebenfalls die Auffassung, dass Rezipienten ihre Auswahl- und Kaufentscheidung an Erwartungen ausrichten. „We usually `buy into´ a particular set of expectations. This happens economically, if we pay for a ticket […] also emotionally.” (King 2002: 122) Bordwell stellt fest, dass die Erwartungen des Zuschauers im Spannungsfeld von Wiederholung auf der einen Seite und Innovation auf der anderen Seite anzusiedeln sind. „Audiences expect the film to offer something familiar, but they also demand fresh variations on it.“ (Bordwell 2001b: 97) Gerade das Zusammenspiel zwischen Konventionen und Innovationen, Gewöhnung und Neuheit – so Bordwell – ist zentral für den Genrefilm. Genres verändern sich im Laufe der Zeit, ihre Konven- - 31 tionen ändern sich, und durch die Vermischung der Konventionen verschiedener Genres schaffen Filmemacher kontinuierlich neue Möglichkeiten. (vgl. ebd. 2001b: 97) Gemäß Bordwell hat das Publikum Freude daran, die gleichen Konventionen in leicht abgewandelter Form immer und immer wieder zu sehen. Das Publikum möchte im Allgemeinen vertraute Werte vorfinden und diese Werte bestätigt wissen. Die Filmproduzenten halten sich in der Regel daran und tendieren weniger zu radikalen und grundlegend neu orientierten Konzepten, da es ihnen auch darum geht, die Erwartungen der Zuschauer nicht zu enttäuschen (vgl. King 2002: 148). Bordwell verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es so etwas wie einen stillschweigenden Vertrag zwischen Filmmachern und dem Publikum gibt: „The contract between filmmaker and audience, the promise of something new based on something familiar.“ (Bordwell 2001b: 99) Das Vertraute stellt sich überdies in intertextuellen Bezügen21 dar. Nach Auffassung des Medienwissenschaftlers Jenkins treffen im Prozess des Filmverstehens intertextuell organisierte Rezipienten auf intertextuell organisierte Texte innerhalb eines historisch und kulturell spezifischen Zusammenhangs (vgl. Jenkins 2000: 167). Da Intertextualität für den Zugang zu Filmen und der Verständlichkeit von Filmen eine gewichtige Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass Intertextualität auch Einfluss auf den Entscheidungsprozess von Kinogängern besitzt. Die essentielle Bedeutung vertrauter Elemente im Film findet sich ebenso bei Schweitzer. „Ein Film, der die Bedürfnisse des Publikums befriedigt, enthält sowohl vertraute als auch phantastische Elemente. Die Mechanismen der Identifikation und Projektion sind Voraussetzungen für die Wirkung eines Films.“ (Schweitzer 1996: 46) Der Großteil des Publikums – so Schweitzer – verlangt nach Filmen, bei denen sich die Interpretation des Filmtextes auf konkrete Merkmale stützt. Andernfalls droht ein Abbruch des Interpretations- bzw. Rezeptionsprozess. Um einem Abbruch des Interpretationsvorgangs vorzubeugen, muss der filmische Text 21 Zum Aspekt der Intertextualität vgl. Kap.III.1.3. - 32 nach Möglichkeit Kohärenzen bzw. gut nachvollziehbare Verbindungen beinhalten. Eindeutige Kohärenzen lassen sich durch konkrete Merkmale im Text schaffen. Diese eindeutigen Kohärenzen dienen auch dem filmischen Verständnis bei Personen, die lediglich ein niedriges konzeptuelles Niveau aufweisen. Zu große Assoziationsleistungen liegen nicht im Interesse der Publikumsmehrheit. Da die Informationsverarbeitungskapazität des Menschen beschränkt ist, werden bereits „[...] Filme mit immer gleichem `Strickmuster´, die nur geringe Variationen in konkret fassbaren Elementen aufweisen, als genügend abwechslungsreich erfahren[...]“ (ebd. 1996: 85). Schweitzer beschreibt zwar die unmittelbare Rezeptionssituation bei bereits vorangegangenem Filmentscheidungsprozess, verweist allerdings darauf, dass die Selektivität bezogen auf zukünftige Entscheidungsprozesse durch sowohl negative, als auch positive Rezeptionserfahrungen beeinflusst wird (vgl. ebd. 1996: 85). Es bleibt insgesamt festzuhalten, dass Rezipienten als aktiv handelnde Wesen ihre Auswahl an Erfahrungen und Erwartungen ausrichten. III.2.2 Einfluss der Mund-zu-Mund-Propaganda Die persönliche Kommunikation hat nach Ansicht der Sozialwissenschaftlerin Stefanie Henseler entscheidenden Anteil an der Informations- und Meinungsbildung bei der Lancierung neuer Kinofilme (vgl. Henseler 1987: 87). Schweitzer geht sogar soweit zu sagen, dass die persönliche Kommunikation über Kinofilme weitaus mehr Relevanz besitzt als die verschiedenen Massenmedien. „Zwar ist es [.] denkbar, dass sich eine beträchtliche Erreichbarkeit allein auf direkte [.] Wirkungen der Massenkommunikation (Werbung, Filmkritik etc.) zurückführen lässt, doch konnten empirische Studien belegen, dass die Mundpropaganda die für die Wahl eines Films bedeutendste Informationsquelle darstellt.“ (Schweitzer 1996: 218) Die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung von Helmar Baum unterstreichen ebenfalls den Wert von Mund-zu-MundPropaganda. Demnach entscheidet sich fast die Hälfte der befragten Kinogänger für einen Film, der ihnen von Freunden empfohlen wurde, wie die Tabelle 1 auf der folgenden Seite verdeutlicht. - 33 Die im Rahmen von persönlicher Kommunikation stattfindende Mund-zu-Mund-Propaganda kann, wie der Medienwissenschaftler Blanchet zeigt, verheerende Auswirkungen auf den Filmentscheidungsprozess haben (vgl. Blanchet 2003): 169. Tab.1: Entscheidungsrelevante Parameter bei der Filmauswahl (Baum 2003: 109) Nach Blanchet stellt Mund-zu-Mund-Propaganda ein postrezeptives Phänomen dar, während Marketinginstrumente grundsätzlich eher prärezeptiven Charakter haben (vgl. ebd. 2003: 168f.).22 Marketingkonzepte sind von Seiten der Studios beeinflussbar. Mund-zu-Mund-Propaganda folgt dagegen ganz eigenen Gesetzen. „Marketing and promotion can do much to boost a film on opening, but word-of-mouth, over which the studios have little if any control, tends to take over in the following weeks.” (King 2002: 65) 22 Blanchet verweist darauf, dass sich Filmmarketing fast ausschließlich auf den Filmstart konzentriert. Sobald Filme einmal angelaufen sind und z.B. hinter den Erwartungen der Analysten zurückbleiben, erhalten sie keine Nachfolgepromotion. - 34 Obschon die Studios kaum einen Einfluss darauf haben wie die Kommunikation über Filme abläuft, so sind sie jedoch in der Lage „ [...] neue Kinofilme zum Gesprächsthema in der Öffentlichkeit zu machen“ (Baum 2003: 10). Das heißt, dass die Filmunternehmen über die Massenmedien steuern können, über welchen Film kommuniziert wird. Sie machen dabei von der Macht der Massenmedien Gebrauch, Themen zu setzen und instrumentalisieren die Massenmedien für ihre eigenen Zwecke. In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, den Blick auf die Agenda-SettingForschung zu richten. (vgl. ebd. 2003: 30 und 64f.) Der Agenda-Setting-Ansatz war ursprünglich im Kontext der politischen Kommunikationsforschung entwickelt worden, lässt sich jedoch auf die Massenmedien insgesamt übertragen. „Der Grundgedanke lautet: Die Medien `besetzen´ durch ihre laufende Berichterstattung bestimmte Themen mehr oder weniger stark. Als Folge dessen wird auch in den Köpfen der Rezipienten – mit bestimmtem Zeitabstand – eine entsprechende thematische Besetzung festzustellen sein.“ (Merten 1999: 365) Das Agenda-Setting-Konzept setzt dabei eine Kausalbeziehung über die Wirkung der Massenmedien auf die Rezipienten voraus (vgl. ebd.: 366). Auf neue Filme bezogen lässt sich schlussfolgern, dass potentielle Kinogänger durch verstärkte Thematisierung dieser Filme in den Medien auf ebendiese aufmerksam werden. Die interpersonale Kommunikation über diese neuen Filme wird zudem – wie bereits festgestellt wurde – in Gang gesetzt. Der besonders hohe Stellenwert der Mund-zu-Mund-Propaganda lässt sich gemäß Baum darauf zurückführen, dass „im Rahmen der persönlichen Kommunikation den Kommunikator, i.d.R. keine materiellen Interessen mit der Empfehlung oder Warnung bzgl. eines bestimmten Produktes verbinden [...]“ (Baum 2003: 44). Im Vergleich zur Werbung wird die Mund-zu-Mund-Propaganda weniger bis überhaupt nicht in Frage gestellt und gilt als besonders glaubwürdig (vgl. ebd. 2003: 44). III.2.3 Akzeptanz von Filmen vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse Die Bereitschaft von Seiten des Publikums sich auf Filme bestimmter Genres einzulassen, ist unter anderem an historische Befindlichkeiten geknüpft (vgl. Crofts 2000: 84). So geht man in Hollywood beispielsweise davon aus, dass die Akzeptanz Action- - 35 filmen gegenüber in solchen Zeiten, in denen eine Gesellschaft mit unmittelbaren Kriegsängsten oder Terror im eigenen Land konfrontiert wird, sehr gering ist. Die unmittelbaren Reaktionen Hollywoods auf die Ereignisse vom 11. September 2001, die sich zum Teil im Verzicht von Filmstarts ausdrückten, sprechen da eine deutliche Sprache (vgl. Gallé 2001). Die Macher aus Hollywood befürchteten, dass das Publikum Actionfilme rigoros ablehnen würde. Eine Sorge, die insbesondere bei den Actionfilmen nachvollziehbar ist, die mit dem Motiv des Terrors spielen (vgl. ebd. 2001). In zahlreichen Filmen wurden in der Vergangenheit entweder Wolkenkratzer oder das WTC Ziel von Anschlägen und Naturkatastrophen. Tatsächlich war die Inszenierung der Zerstörung von Hochhäusern und der Zwillingstürme bis zum Zeitpunkt der verheerenden Anschläge vom 11. September weitgehend unbedenklich, doch änderte sich genau das schlagartig. Der Verzicht auf Gewaltorgien im actionorientierten Kinofilm währte jedoch nicht lang und effektlastige Blockbuster und Actionfilme – so Blanchet – sollten langfristig nichts von ihrer Rentabilität einbüßen (vgl. Blanchet 2003: 226). Dieser Umstand zeigt, dass historische Befindlichkeiten in der Tat keine konstanten, unveränderlichen Ausgangssituationen verkörpern und dauerhaften Einfluss auf die Hollywood-Studios ausüben. Bereits wenige Monate nach den Anschlägen auf das WTC kam ein Film mit Arnold Schwarzenegger in die Kinos, bei dem ein Terroranschlag auf ein Hochhaus thematisiert wurde. Collateral Damage, so der Name des Films, wurde nur kurzzeitig auf einen anderen Starttermin verlegt (vgl. ebd. 2001). III.3 Strategische Optionen der Vermarktung: Filmischer Kontext „The aim of the corporate blockbuster is to make a big splash, to create impact both in pre-publicity and during the crucial opening weekend.“ (King 2002: 196) Mit Beginn der 80er Jahre etablierte sich ein Filmmarketingsystem, das nicht länger nur als rein externe Begleiterscheinung der Filmindustrie zu sehen war. Im Zuge der wachsenden Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Filmgeschäfts begann das - 36 Marketing, unablässig steigenden Einfluss auf den Prozess der Filmgestaltung selbst zu nehmen. (vgl. Wyatt 1994: 1 u. 8f.) Nach Wyatt wurden Hollywoodfilme seit den 80er Jahren mit Blick auf eine optimale Vermarktung über die Medien konzipiert. Der Einfluss des Marketings wurde dabei so groß, dass bisweilen die Realisierung von Filmprojekten von den Vermarktungschancen abhängig gemacht wurde. Dazu King: „It is likely that decisions about what films to produce are shaped by such factors, especially at the blockbuster end of the market.“ (King 2002: 214) Durch die Dominanz des Marketings, so der Filmwissenschaftler Wyatt, wurden andere Aspekte des Mediums verstärkt in den Hintergrund gedrängt (vgl. Wyatt 1994: 1 u. 8f.). Blanchet erklärt die Bedeutungszunahme des Marketings damit, dass seine Auswirkung auf das Filmauswahlverhalten durch Hollywoods Filmunternehmen festgestellt wurde. Marketing schafft die Voraussetzung dafür, dass beim Kinogänger die so bedeutenden Erkennungs- und Differenzierungsprozesse eingeleitet werden. Dem potentiellen Konsument wird ermöglicht, ein Filmprojekt von anderen Filmen und Unterhaltungsangeboten zu unterscheiden und die immanenten Qualitäten eines Filmprojekts zu begreifen. (vgl. Blanchet 2003: 158) Um die Wahrnehmung des potentiellen Kinogängers auf zentrale Aspekte zu lenken, bevorzugt das zeitgemäße Filmmarketing elementare Botschaften und setzt auf die Reduktion von Komplexität. „The marketing of high concept films is structured also by the choice of an image which is reducible, concise, and transferable into other media.“ (Wyatt 1994: 122) Die Effizienz von Marketingkampagnen, so Blanchet, ist abhängig von einfachen, prägnanten, klaren Filmkonzepten, die sich schnell kommunizieren lassen. Dieser Umstand lässt sich nicht zuletzt darauf zurückführen, dass konkrete Handlungsmuster „[...] eine ideale Voraussetzung für den Entwurf von charakterisierenden Titeln, synoptischen Slogans, Printanzeigen, Trailern und Press Kits für sämtliche Formen der Crossover-Werbung [darstellen, Anm. d. Verf.], die in entsprechender Kombination schon lange vor dem Start eines Films entsprechende Schemata einrasten lassen und mehr oder weniger gefestigte und hohe Erwartungshaltungen beim Rezipienten wecken.“ (Blanchet 2003: 158) Auf den Punkt gebracht lässt sich sagen, dass einfache aber wirkungsvolle Botschaften einfache Konzepte voraussetzen. Das - 37 ist auch die Ansicht der führenden Hollywoodproduzenten der Achtziger und Neunziger23: Eine große Idee, das war die Überzeugung von Don Simpson, „[...] hat auf der Rückseite einer Streichholzschachtel Platz“ (zitiert nach Hüetlin 2001: 33). Das von Simpson plakativ beschriebene Erfolgsgeheimnis für einen Film entspricht exakt dem, was Wyatt als Bestandteil von High-Concept deklariert. High-Concept-Filme lassen sich thematisch in ein bis zwei Sätzen erklären (vgl. Wyatt 1994: 10). Der Vorteil, den Filme bieten, die thematisch so einfach gefasst sind, liegt darin, dass sie eine bessere Abstimmung des Marketings ermöglichen. „Films that are high concept could be matched by marketing campaigns that accurately represent their content.“ (ebd. 1994: 10) Marketing ist immer bestrebt, die filmische Narration auf Grundaussagen zu reduzieren. Daher bedarf es der klaren unmissverständlichen Handlungskonzeptionen, die in High-Concept-Filmen vorhanden sind. Paul McDonald spricht von der einen grundlegenden, gut zu vermarktenden Idee, die gegeben sein muss, um kommerziell erfolgreich zu sein. „Central to recognising success [...] is the premise, the basic marketable idea that can be exploited in the sale of the film and the ancillary merchandise.” (McDonald, Paul : 84) Der Erfolg einer Marketingkampagne ist nach Ansicht von Blanchet allerdings zeitlichen und räumlichen Begrenzungen einzelner Werbeplattformen ausgesetzt (vgl. Blanchet. 2003: 158). Das Marketing für die großen Blockbuster-Filme ist in der Regel unmittelbar auf mehrere Wochen vor dem Filmstart ausgerichtet. „The big movie [...] [announces; Anm. d. Verf.] itself like a weather front weeks before, by the turbulence it creates in the news media.” (Elsaesser: 16) Die wirklich großen Blockbuster, die ein derart gebündeltes Medieninteresse hervorrufen, setzen auf das, was King als Saturation Advertising beschreibt. Das Saturation Advertising 23 Als die führenden Hollywoodproduzenten der Achtziger- und Neunziger Jahre gelten Jerry Bruckheimer und Don Simpson (vgl. Hüetlin 2001: 33). - 38 verfolgt eine flächendeckende Filmwerbung über mehrere nationale TV-Sender. Diese Form des Marketings erzeugt zwar eine starke Konsumentenwahrnehmung, ist aber auch mit hohen Kosten verbunden. (vgl. King 2002: 58) Im Idealfall gelingt es dem Filmmarketing, einen Film so zu bewerben, dass in der medialen Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, durch Rezeptionsverzicht unbedingt ein großes Kinoereignis zu verpassen: „The aim of the corporate blockbuster is to make a big splash, to create impact both in pre-publicity and during the crucial opening weekend. A big, noisy, no-holds-barred spectacular offering might be assumed to do this most effectively. Audiences might be thought more likely to flood in droves to films described in these terms. Such films are more easily sold in the hyperbolic rhetoric used by Hollywood in an attempt to give blockbuster productions the coveted ´must-see´-quality” (ebd. 2002: 196) Weitestgehend Uneinigkeit herrscht darüber, ob Genres für das zeitgenössische Filmmarketing von eminenter Bedeutung sind. Dem Medienwissenschaftler Douglas Gomery zufolge lassen sich Genrefilme leichter vermarkten, da sie Elemente beinhalten, die bereits auf dem Markt erprobt sind. Anlehnungen an Erfolgsfilme eines Genres gehören zu einer beliebten Marketingstrategie (vgl. Gomery 1998: 436). Dem potentiellen Konsumenten, der sich mit der Entscheidung für einen Film einem gewissen Risiko24 aussetzt, soll ein Gefühl von Sicherheit gegeben werden. Er soll sich für einen Film in dem Bewusstsein entscheiden, dass er zu wissen glaubt, was er bekommt. Auch nach Auer haben Genres im Filmmarketing einen sehr hohen Stellenwert. Dieser Umstand lässt sich darauf zurückführen, dass hinter den Genres die Zielgruppen stehen, die es anzusteuern gilt. Zielgruppenorientiertes Marketing verspricht gemäß Auer eine höhere Effizienz als Marketingkonzepte, die den gesamten Markt erfassen wollen.25 „Eine Zielgruppenkombination 24 Das wahrgenommene Risiko der Rezeptionssituation Kino ist aus Sicht eines Filmkonsumenten vergleichsweise beachtlich (vgl. Schweitzer 1996: 218). 25 Der Filmwissenschaftler Hillier verweist ebenfalls darauf, dass sich das sog. “audience targeting“ im modernen Marketing durchgesetzt hat. Er führt das darauf zurück, dass sich mittels zielgruppenorientierten Marketingkonzepten Kosten minimieren lassen. (vgl. Hillier 1993: 30) - 39 oder Vermischung der Zielgruppen sollte [.] vermieden werden, sonst verwässert die Kommunikation.“ (Auer 2000: 91) Im Gegensatz zu Gomery und Auer ist Crofts der Meinung, dass Genres tatsächlich kaum mehr einen zentralen Aussagewert im Marketing darstellen. Als Begründung führt er die Destabilisierung der Genres an. Dadurch, dass Genregrenzen sich verschoben bzw. aufgelöst haben, bieten Genres gegenwärtig weniger Orientierung. Die Destabilisierung hat, so Crofts, zu einer “Zielgruppenfragmentierung“ (Crofts 2000:96) geführt. Nach Meinung von Crofts sind die Namen von Regisseuren und Produzenten im zeitgenössischen Kino als Marketing-Labels von großer Relevanz (vgl. Crofts 2000: 96). In der Tat machen Vermarktungsstrategien vom Regisseursnamen Gebrauch, und dies umso mehr, wenn es sich um sog. Kult-Regisseure handelt. Die für diese Marketingstrategien so typischen Slogans „[...] (”a x film“, ”x presents“, “from the y of x“) […]” (Blanchet 2003: 160) sind in zahlreichen Trailern und auf vielen Filmplakaten zu finden. Namhafte Filmregisseure und Produzenten zählen neben Starschauspielern zu dem, was Wyatt als pre-sold properties26 bezeichnet. Es sind dies Faktoren, die einem Film bereits vor dem Kinostart Aufmerksamkeit zusichern. (vgl. Wyatt 1994: 129ff.) Weitere pre-sold properties mit hohem Vermarktungswert sind etwa „[...] das Sequel respektive Filmfranchise, der Zyklus, das Remake und die Bestsellerverfilmung, aber auch die jüngeren Formen des TV-Serienremakes oder Spin-offs und der Comic- und Computerspielverfilmung“ (Blanchet 2003: 160). Der Drang der Produktionsfirmen zur Serie, so die Filmredakteurin Sabine Horst, resultiert aus dem Wunsch, den Erfolg kalkulierbar zu machen. Mittels der Serialisierung lassen sich Trademarks schaffen, die der Kreation erneuerbarer Konsumgüter dienen (vgl. Horst 2003: 30). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Filmmarketing durch die voranschreitende Ökonomisierung des Filmgeschäfts ein immenser Bedeutungszuwachs widerfahren ist. Ein beachtli- 26 Eine genaue Definition des Terminus pre-sold properties findet sich in Kap.III.1.2.3. - 40 cher Teil von dem, was Filme kosten, entfällt auf Filmwerbung und Marketing. Wie Tabelle 2 zu entnehmen ist, lagen die Marketingkosten im Jahr 199827 zwischen einem Drittel und der Hälfte der Gesamtkosten. Film Gesamtkosten Weltweite Marketingkosten Prozentualer Anteil der Marketingkosten an den Gesamtkosten 1. Armageddon $220.000.000 $80.000.000 36,36% 2. Godzilla $200.000.000 $80.000.000 40% 3. Lethal Weapon 4 $180.000.000 $60.000.000 33,33% 4. Mulan $150.000.000 $60.000.000 40% 5. Deep Impact $140.000.000 $60.000.000 42,86% 6. The Mask of Zorro $130.000.000 $60.000.000 46,15% 7. Dr. Doolittle $125.000.000 $50.000.000 40% 8. The X- Files $123,000,000 $60.000.000 48,78% 9. Saving Private Ryan $120.000.000 $50.000.000 41,67% 10. The Horse Whisperer $120.000.000 $60.000.000 50% Tab. 2: Die durchschnittlichen Vermarktungskosten der zehn kostenintensivsten Produktionen in 1998 (Quelle: Bannon 1998) Unter der Prämisse, dass Kino den Impetus schafft, der die ganze Maschinerie der Filmverwertung28 zum Laufen bringt, ist der hohe Anteil der Vermarktungskosten allerdings gut nachvollziehbar (vgl. King 2002: 74). III.3.1 Budget Kennzeichnend für das Hollywoodkino der 90er Jahre ist nach Auffassung des Filmwissenschaftlers Tino Balio die stete Anhebung der Produktionsbudgets bis hin zu einer drastischen Kostenexplosion. Der “Ultra-high-budget-Film“, dem kostenmäßig nach oben buchstäblich keine Grenzen gesetzt sind, verdeutlicht diese Tendenz auf anschauliche Weise. (vgl. Balio 1998: 59) 27 Da für die komparative Fallstudie im praktischen Teil dieser Arbeit zwei Filme aus dem Jahr 1998 ausgewählt wurden, sind hier die durchschnittlichen Marketingkosten für Filme aus ebendiesem Jahr aufgeführt. 28 Nach King ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass wenn ein Film bereits im Kino einen nennenswerten Erfolg erzielt, er auch in allen anderen Verwertungszusammenhängen erfolgreich sein wird (vgl. King 2002: 74). - 41 Nach Meinung von Jon Lewis existiert in Hollywood eine ökonomische Logik, die hohe Investitionen mit Erfolg gleichsetzt. „According to the revised logic of Hollywood economics, a movie attracts audiences through the excess of its investment in capital and technology.” (Lewis 1998: 47) Budgets wird insofern die Funktion von Statussymbolen zuteil (vgl. Schröder 1995: 83), als dass einem teuren Film ein hoher Qualitätsgrad von Seiten des Massenpublikums unterstellt wird. „Um mit hohen Produktionskosten eine in den Augen des Massenpublikums bessere Qualität herzustellen und damit die Chancen von Publikumserfolgen [...] zu erhöhen [...]“ (Schweitzer 1996: 159), setzen die Majorstudios auf immer größere Produktionsbudgets. Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Produktionsbudgets und dem Publikumserfolg eines Films existiert, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Schweitzer zufolge ist es jedoch theoretisch plausibel (vgl. ebd. 1996: 159). Fakten sprechen indes für die von Schweitzer geäußerte These: Laut King spielen 10 Prozent aller Filme 50 Prozent der gesamten Gewinne ein, und bei diesen 10 Prozent handelt es sich um die kostenintensiven Blockbuster-Produktionen (vgl. King 2002: 52). Letztendlich geht es den großen Studios darum Event-Filme zu produzieren, an denen das öffentliche Interesse nicht vorbeikommt. Filme also, die in sämtliche Bereiche der Populärkultur vordringen. Doch genau diese Filme verlangen eine hohe Investitionsbereitschaft, da sie in der Regel nicht ohne Stars, einen namhaften Regisseur und teure Spezialeffekte auskommen (vgl. Schröder 1995: 83 u. King 2002: 52). Event-Filme setzen gemäß Blanchet hauptsächlich auf die Darstellung des Spektakulären und sind zu einem Großteil dem Actionfilmgenre zuzuordnen. Sie kommen in der Regel nicht mehr ohne kostspielige Spezialeffekte aus. Dass High-ConceptActionfilme dementsprechend über ein hohes Budget verfügen müssen, erscheint da nur konsequent. „Die großen Budgets und Einspielerfolge gehen seit 1975 klar an das aktionistische, phantastische, jugendliche Spannungs- und Spektakelkino.“ (Blanchet 2003: 149) Der forcierten Produktion von Big-Budget-Filmen liegt nach Ansicht von Dirk Schweitzer aber noch ein ganz anderes bislang nicht genanntes Motiv zugrunde. Die Majorstudios setzen auf - 42 kapitalintensive Produktionen, „[...] um einen Markt für kapitalintensive Filme auf- und auszubauen und mit Zutrittsbarrieren zu versehen [...]“ (Schweitzer 1996: 159) III.3.2 Timing des Markteintritts Um seine High-Concept-Filme beziehungsweise Megapics optimal auf einem globalen Markt zu lancieren, entwickelte Hollywood das Distributionsschema des sog. Saturation Release, der auch weitestgehend als Wide Release bekannt ist. Anders als beim althergebrachten Platform Release lassen sich mittels des Saturation Release weltweit die wichtigsten Kinoleinwände dominieren (vgl. Balio 1998: 70). Blanchet hat die beiden Distributionsformen miteinander verglichen: „Im Modus des Platform Release startet der Film oft mit nur einer Handvoll Kopien in den zentralen Metropolen Amerikas New York und Los Angeles, per definitionem aber nicht mehr als mit einigen hundert Kopien in den wichtigsten Großstädten der USA und erfährt dann nach traditionellem Muster und abhängig von seinem Erfolg bei Publikum und Kritik eine schrittweise Ausweitung innerhalb dieser und anderer regionaler Märkte. Beim Saturation Release startet der Film dagegen landesweit in bis über 3000 Kinos gleichzeitig. Die Kopienzahl wird im weiteren Verlauf möglicherweise leicht erhöht, ändert sich aber nur geringfügig.“ (Blanchet 2003: 166) Nach Meinung von Wyatt profitieren nur High-Concept-Filme vom Saturation Release, wohingegen andere Filme, z.B. Produktionen der sog. Independent Studios auf Mund-zu-Mund-Propaganda und Rezensionen angewiesen sind (vgl. Wyatt 1994: 112). Um diesen Standpunkt zu untermauern, führt der Filmwissenschaftler Wyatt an, dass der Saturation Release spezielle Marketingstrategien verlangt, die sich nur bei High-Concept-Filmen vorfinden lassen. Exakt zum Zeitpunkt des Filmstarts muss das Interesse am Film in der öffentlichen Wahrnehmung dergestalt gebündelt sein, dass dem Film die maximale Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. „High concept films can garner high awareness and then maintain this awareness through a comprehensive marketing approach [...] to a greater extent than for low concept films […]. Of course, wordof-mouth also factors into the boxoffice success or failure of a high concept film, but the marketing channels working for the high concept movies offer a substantial `head start´ in the market place.” (Wyatt 1994: 113) Die extreme Konzentration auf das Startwochenende ist durchaus nachvollziehbar, denn Saturation Releases erzielen ihre höchsten Zuschauerzahlen und Chartplatzierungen nahezu ausnahmslos in der ersten Woche. Gemäß Blanchet lässt sich im Allgemeinen ab - 43 der zweiten Startwoche ein sukzessiver Rückgang des Zuschauerinteresses beobachten. (vgl. Blanchet 2003: 168) Wide Releases, die nach der ersten Woche hinter den Absatzerwartungen der Produzenten zurückbleiben, erhalten in der Regel keine weitere Nachfolgepromotion. Die Majors unterstellen ganz einfach, dass das Publikum – unterstützt durch Medieneinflüsse und negative Mund-zu-Mund-Propaganda – unwiderruflich ein vernichtendes Urteil über einen Film gefällt hat. (vgl. ebd.: 168) In eine neue Dimension des Saturation Release war Hollywood 1998 mit dem Film Godzilla vorgedrungen. Der Film lief in Nordamerika auf vorher nie erreichten 7363 Leinwänden an – rund 20 Prozent mehr, als der vorherige Rekordhalter, The Lost World von Steven Spielberg, der am gleichen Wochenende des Vorjahres in die Kinos kam. (vgl. King 2002: 49) Beide Filme wurden am strategisch sehr wertvollen Memorial Day Weekend in die Kinos gebracht. „`Memorial Day Weekend´ - das steht unter den Vermarktern der Ware Film in den USA für fette Erträge: Der Dollar rollt schneller, wenn etwa Eltern endlich Zeit haben, mit ihren Kindern ins Kino zu gehen.“ (o. V., Der Spiegel 24/ 1998: 211) Was das Timing des Markteintritts angeht, so existieren für die Majors indessen noch weitere Präferenztermine. Der 4. Juli, ein weiterer Nationalfeiertag in den USA, bietet ähnliche Vorzüge wie das Memorial Day Weekend. Neben diesen Feiertagen gilt die Ferienzeit zwischen Mai und September als die beste Zeit für Hollywood, um die erfolgversprechendsten, aber auch kostspieligsten Produktionen ins Rennen zu schicken. (vgl. Blanchet 2003: 170) Darüber hinaus stellt „[...] Weihnachten die ökonomisch wichtigste und am härtesten umkämpfteste Periode des amerikanischen Kinojahres [dar; Anm. d. Verf.]“ (Blanchet 2003: 171). Godzilla ist im Übrigen ein gutes Beispiel dafür, wie mittels massiver Marketingkampagnen ein Wide Release die Aufmerksamkeit potentieller Konsumenten erlangen kann. Genauso verweist Godzilla jedoch auf die Gefahren des Marktes. Nach dem durchaus zufriedenstellenden Einspielergebnis von 74 Millionen Dollar in der ersten Woche ging das Zuschauerinteresse drastisch zurück. Bis zum Kinostart von Godzilla war in den Medien eine kontinuierliche Spannung aufgebaut worden. Kaum etwas war über das Aussehen der Riesenechse nach außen hin bekannt geworden. Es war der Kampagne gelungen „[...] den Event-Film zum Film-Event zu machen [...]“ (o.V. 1998: 211), und der Film - 44 war gewissermaßen mit einem “Must See“-Label versehen worden. Als das Aussehen von Godzilla dann schließlich bekannt war, war der komplette Effekt der Marketingkampagne verpufft und das Interesse der Zuschauer schnell erloschen. Experten führen diesen Umstand nicht zuletzt auf die negative Mund-zuMund-Propaganda und die harschen Kritiken zurück. Das Distributionsschema des Saturation Release konnte der Film Godzilla aber grundsätzlich nicht in Frage stellen. Nach wie vor setzen die großen Blockbuster-Produktionen – nicht nur diejenigen aus dem Actiongenre – auf den Saturation Release. Im letzten Jahr, am 05.11.2003, lief der dritte Teil der Matrix- Trilogie, Matrix Revolutions, sogar weltweit absolut zeitgleich an, um der Internetpiraterie vorzubeugen (vgl. o.V.: 2003; URL: http://de.news.yahoo.com/031110/71/3qt4o.html:). Ob das Beispiel Matrix Schule machen wird, bleibt indes abzuwarten. III.3.3. Spielfilmtrailer „Trailer sind ein prägnantes Format audiovisueller Kommunikation, ausgestattet mit einer filmischen, das heißt aus Fotogrammen, Tönen und Texten komponierten Formgestalt.“ (Hediger 2001: 17) Anders ausgedrückt, stellen Trailer relativ kurze Filmzusammenschnitte dar, die auf einen umfassenden, filmischen Text verweisen und diesen gewissermaßen simulieren (vgl. ebd.: 217). Sie bilden das Schlüsselstück einer jeden Filmwerbekampagne und erreichen mehr potentielle Zuschauer als jedes andere Werbemittel (vgl. ebd.: 13). Die Funktion von Trailern ist es, bestimmte Filmimages aufzubauen und diese Images in audiovisuellen Medien zu kommunizieren. Das Image für ein und denselben Film kann dabei von Trailer zu Trailer variieren. In der Regel werden Trailer zielgruppenspezifisch produziert. „[ The; Anm. d. Verf.] image may be varied from trailer to trailer and commercial to commercial depending on the audience segment.“ (Wyatt 1994: 133) Die vornehmliche Funktion des Trailers liegt also darin, Aufmerksamkeit zu generieren. Gemäß Knut Hickethier gelingt dies dem Trailer „[...] durch physisch intensive, durch emotionale und durch überraschende Reize“ (Hickethier 1997: 226). Physisch intensive Reize resultieren aus Farbe und Größe der Darstellung. Emotionale Reize entstehen auf Grundlage der Präsentation von Personen und deren Befindlichkeiten. Sie sind da am wirkungsvollsten, wo - 45 ihnen ein emotionaler Appellcharakter an biologisch verankerte Signale zugrunde liegt. Überraschungs- oder Schockeffekte sind ebenfalls allgegenwärtig in der Trailerkonzeption und ergeben sich etwa dort, wo die Bilder des Trailers gegen grundlegende Wahrnehmungserfahrungen der Zuschauer verstoßen. (vgl. ebd: 226) Nach Auffassung von Vinzenz Hediger29 verfolgen Trailer die Intention, Zuschauer massiv emotionalem Stress auszusetzen. Aus diesem Grund sind sie so konzipiert, dass sie betont gefühlsmäßige Ereignisse darstellen, die aus dem Rahmen des Alltäglichen fallen. Dahinter steckt der Gedanke, dass emotionale Ereignisse grundsätzlich eher im Gedächtnis haften bleiben. Dazu Hediger: „Die Qualität der Erinnerung hängt ab von der Intensität der Emotion, die mit der Informationsverarbeitung einhergeht.“ (Hediger 2001: 232) Um die Intensität, mit der der Zuschauer einen Trailer erlebt, zusätzlich zu steigern, setzen die Produzenten prinzipiell auf eine höhere Schnittfrequenz. Die Schnittfrequenz beläuft sich auf ungefähr das Dreifache des eigentlichen Films. Da gemäß Julian Hochberg eine Korrelation zwischen der Schnittfrequenz von Filmen und dem Erregungszustand des Publikums besteht, ist tatsächlich von einem intensivierten Rezeptionserlebnis auszugehen (vgl. Hochberg 1986: Kap.22 S.53) Um ihrem Publikum in kürzester Zeit optimal verwertbare Informationen und begreifliche Botschaften zu vermitteln, greifen Trailer auf eine Reihe ganz bestimmter Strategien zurück. Der Filmtheoretiker Hickethier: „Für ihre Geschichten bedienen sich [...] Trailer in Anbetracht der knappen Zeit Stereotypen, Situationen, die der Zuschauer aus den Medien bereits kennt.“ (Hickethier 1997: 135) Überdies stellt Hickethier fest, dass Trailer Schlüsselbilder (vergleichbar mit Werbespots) beinhalten, die vorgeprägte, innere Bilder im Rezipienten ansprechen. Diese Schlüsselbilder basieren auf konventionalisierten Handlungsmustern und enthalten infolgedessen eindeutige Aussagen. Entscheidend für die Informationsverarbeitung ist, dass sich das Dargestellte auf bereits bekannte kommunikative Muster bezieht bzw. diesen entspricht. Die systematische Aktivierung dieser Grundmuster erfolgt durch den 29 Vinzenz Hediger hat eine Professur für Theorie und Geschichte bilddokumentarischer Formen an der Ruhr-Universität Bochum - 46 strategischen Einsatz der Schlüsselbilder. (vgl. ebd. 1997: 228) Hediger zufolge sind „[...] gewisse Muster der formalen Gestaltung über längere Zeiträume rekursiv gestaltet“ (Hediger 2001: 226). Es existieren lediglich Variationen dieser Muster in zeitgenössischen Trailern. Die Annahme, dass zwischen Formgestalt und psychischer Wirkung ein relativ enger Zusammenhang existiert, stellt ein zentrales Postulat der kognitiven Filmpsychologie dar. (vgl. ebd.: 226) Wenngleich Trailer zwar in erster Linie zum Film verführen sollen, haben sie noch eine weitere Funktion, die durchaus von zentraler Bedeutung ist. Mit Hediger lässt sich sagen, dass aktuelle Trailer jene Publikumsgruppen vom Kino fernhalten sollen, für die der Film nicht gedacht ist. Sofern sich Leute im Kino einen Film anschauen und anschließend schlecht darüber reden, kann das dem Geschäft schaden. (vgl. ebd.: 208) III.3.4 Filmwerbung im Internet Um die Relevanz der Filmwerbung im Internet aufzuzeigen, sollen zunächst Kommunikationsstrukturen im Internet dargestellt werden. Im Vergleich zu konventioneller Face-to-face-Kommunikation, die die physische Anwesenheit zweier Gesprächspartner verlangt, bietet das Internet auf kommunikativer Ebene den Vorteil, dass die Kommunikation im virtuellen Raum stattfindet. Wenngleich Personen räumlich voneinander getrennt sind, ist ihnen über das Internet die Möglichkeit kommunikativer Interaktion gegeben. Nach dem Wirtschaftswissenschaftler George Silverman erleichtert das Internet sowohl individuelle Kommunikation, als auch Gruppenkommunikation nach dem “one-to-many“- Prinzip30 (vgl. Silverman 2001: 110f.). Für Silverman stellt das Internet das idealste aller Medien für Mund-zu-Mund-Propaganda dar. „[…] Ideas can spread over the Internet because people are [.] in close communication proximity” (ebd.. 2001: 107). Kommunikate erreichen theoretisch jeden Ort unseres Planeten, und das in sehr 30 Eine einzelne Person kann z.B. einen Text (z.B. eine persönliche Filmkritik oder Beurteilung) in ein Internetforum einer Website stellen. Dieser Text kann theoretisch von beliebig vielen Besuchern der Website gelesen werden. Ähnlich verhält es sich mit Newsgroups, die ebenfalls theoretisch einen unbegrenzten Adressatenkreis ansprechen können. - 47 geringer Zeit. Genau darin liegt aber auch die Gefahr: „[…] All [Internet; Anm. d. Verf.]-forums are places where negative word of mouth can run rampant or be turned around to great advantage.” (ebd.. 2001: 112) Um negativer Mundwerbung vorzubeugen, sind die Majorstudios daher gefordert, ihren Marketingkampagnen im Internet einen hohen Qualitätsanspruch zugrunde zu legen. In der Regel führen nur qualitativ ansprechende Informationen zum Erfolg, das heißt zu guter publicity. Die kontemporären Blockbuster-Produktionen haben größtenteils alle eine eigene Website, die Filminteressierte bisweilen ein Jahr vor dem Kinostart eines Filmes aufsuchen können. Insbesondere Trailer lassen sich mittlerweile nicht mehr ausschließlich im Kino oder im TV sehen, sondern können von besagten Websites heruntergeladen werden (vgl. King 2002: 50). Verschiedene Studios darunter Warner Bros. und DreamWorks haben für die unmittelbare Zukunft die verstärkte Produktion von Kurzfilmen angekündigt, deren Rezeption ausschließlich im Internet möglich sein wird (vgl. ebd. 2002: 77). Wie diese Kurzfilme aussehen könnten, und was für einen Hype sie auszulösen imstande sind, haben im Jahr 2003 die vier “Animatrix“-Kurzfilme angedeutet. „Bei den großen Internetanbietern droht dieser Tage der Netzinfarkt. Aus der Tiefe des virtuellen Raums werden die Server nur so bombardiert, zu Spitzenzeiten herrscht ein elektronischer Superstau. Grund der Überbelastung sind [...] Kurzfilme, die vorerst nur über das World Wide Web abrufbar sind und der Wiedergeburt des innovativsten Kinoereignisses der 90er Jahre vorangehen: `Matrix´.“ (Rosner 2003: 28) Mit vier Millionen Downloads stellt allein der erste “Animatrix“-Teil Second Renaissance eindrucksvoll unter Beweis, dass der Grundgedanke der Studios, zusätzliches Interesse für ihre Produkte bereits lange im Vorfeld mittels Kurzfilmen zu erzeugen, ausgesprochen erfolgsversprechend ist (vgl. ebd. 2003: 28). Entscheidend ist, dass über die Kurzfilme das eigentliche Produkt, der Film, Teil des öffentlichen Kommunikationsprozess wird. (vgl. Rosen 2000: 196). Bei der hohen Anzahl von vier Millionen Downloads ist davon auszugehen, dass besagter “Animatrix“-Teil im Internet unter Usern viel kommuniziert und weiter empfohlen wurde. Es lässt - 48 sich dementsprechend die im Rahmen von persönlicher Kommunikation stattfindende Mund-zu-Mund-Propaganda (vgl. Kap.III.2.2) unterstellen. Was die “Animatrix“-Filme angeht, so lassen sie sich zwar ohne weiteres in das “Matrix“-Universum eingliedern, enthalten aber keine einzige Originalszene aus Matrix Reloaded oder Matrix Revolutions. Ihnen wird gewissermaßen die Funktion von Supplements zum Originalfilm zuteil (vgl. Rosner31 2003: 28f.). Diese Form der animierten Kurzfilme bietet sich auch bei anderen Blockbuster-Produktionen – wie zum Beispiel Comic-Verfilmungen – an. Die breite Resonanz auf die animierten Internettrailer dürfte zum Nachahmen animieren. Nach Auffassung von King hat sich herausgestellt, dass jüngere Menschen, die einen hohen Medienkonsum vorweisen und das Internet häufig und bevorzugt nutzen, eine bedeutende Zielgruppe für Blockbuster darstellen. „The internet is one of the fastestgrowing forms of communication and is especially popular among some of the younger, higher media-consuming and better educated groups that constitute key audiences constituencies for Hollywood films.” (King 2002: 76) Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass die Hollywoodmajors die Relevanz von Marketingkampagnen im Internet erkannt haben. III.3.5 Filmwerbung in audiovisuellen Medien Der Saturation Release, der bereits in Kap. III.3.2 eingehend dargestellt wurde, bedarf nach Hediger massiver TV- Werbung. Allein die riesigen TV-Werbekampagnen vermögen den hohen Grad an Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu gewährleisten, der nötig ist, um die zahlreichen Kinosäle bei Massenstarts zu füllen. Insbesondere das jugendliche Publikum, so Hediger, ist über Fernsehwerbung erreichbar (vgl. Hediger 2001: 196). Ausgesprochen treffend bezeichnet der Filmwissenschaftler King die gigantischen TV-Werbekampagnen als Saturation Television Advertising. Die enge Verbindung dieses Konzeptes zum Saturation Release wird deutlich. (vgl. King 2002: 50) 31 Heiko Rosner ist Filmredakteur bei der Filmzeitschrift Cinema und www.imdb.de. - 49 Das Saturation Television Advertising stellt sich als sehr kostenintensive Werbemaßnahme dar. Es wird jedoch von den Studios als eine Art Rückversicherung verstanden und soll vor dem finanziellen Fiasko am Box-Office32 bewahren. „Widespread opening and saturation television advertising are responses to potential financial insecurity and increasing budgets. They are designed to protect investments.” (ebd. 2002: 57) Die Rechtfertigung für teure Werbekampagnen basiert in erster Linie auf dem Umstand, dass TV-Kampagnen einem Film bereits vor dem Filmstart ein Image geben können (vgl. Hediger 2001: 203). Gemäß Wyatt sind High-Concept-Filme immer von großen TVWerbecampagnen begleitet (vgl. Wyatt 1994: 19). Speziell bei den ganz großen, hoch budgetierten Blockbuster-Filmen verteilt sich die Fernsehwerbung in Nordamerika auf ein Dutzend oder mehr Kanäle. Schließlich geht es bei Filmen wie Titanic nicht darum, nur bestimmte Zuschauersegmente anzusprechen, vielmehr lautet das Ziel, möglichst die Gesamtheit aller Zuschauergruppen zu erreichen (vgl. Hediger 2001: 199). Die Hauptursache für die gestiegenen Marketingkosten (im speziellen die für Blockbuster) liegt also in den hohen Kosten für die TV-Werbung (vgl. Schatz 1993: 26). Da sich der Stellenwert des Fernsehens voraussichtlich auch durch den Vormarsch des Internets nicht verringern dürfte, wird das TV-Filmmarketing mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft eine unverändert gewichtige Rolle spielen. 32 Box-office ist der englische Begriff für Kinokasse. Box office success/hit/attraction bedeutet so viel wie Kassenschlager (vgl. http://www.wordreference.com/de/Translation.asp?ende=box+office). - 50 - IV. Komparative Fallstudie IV.1 Anlage der komparativen Fallstudie Im theoretischen Teil der Magisterarbeit wurden strategische Optionen der Produktion und Vermarktung von Actionfilmen dargestellt. Im folgenden praktischen Teil schließt sich die exemplarische und vergleichende Analyse zweier HollywoodBlockbuster in Bezug auf die aufgezeigten strategischen Optionen an. Es wurden die beiden Filme Armageddon und Deep Impact ausgewählt. Eine ausführliche Begründung der Filmauswahl erfolgt in Kapitel IV.1.4. Bei der komparativen Fallstudie findet bezüglich dieser Filme eine Hinwendung zu den zugänglichen Daten statt. Neben diversen Fachartikeln in Filmzeitschriften und Filmberichten in Tageszeitungen dienen Texte aus dem Internet zur Datenbasis. Darüber hinaus fließen Daten aus Filmdatenbanken in die Untersuchung mit ein. IV.1.1 Methodenwahl Mittels einer komparativen Fallstudie lässt sich überprüfen, ob den in Kapitel III aufgestellten strategischen Optionen für den Erfolg von Actionspielfilmen bei aktuellen Hollywoodproduktionen Anwendung widerfährt. Durch den Vergleich im Rahmen der Fallstudie werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Produktion und Vermarktung von Deep Impact und Armageddon direkt erkennbar. Das Datenmaterial wird vorwiegend einer qualitativen inhaltsanalytischen Untersuchung unterzogen. Die Inhaltsanalyse hat sich in den Sozialwissenschaften als Instrument zur Erhebung sozialer Wirklichkeit etabliert und wird als `Königsweg´ in der Kommunikationswissenschaft angesehen (vgl. Knoche33 1997: 3f.). Sie dient der Analyse von fixierter Kommunikation. Im Zuge der qualitativen Inhaltsanalyse ist eine systematische, regel- und theoriegeleitete Vorgehensweise anzustreben, um Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte der Kommunikation ziehen zu können (vgl. Mayring 1983: 13f.). Die Vorgehensweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse 33 Manfred Knoche ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg. - 51 beschreibt Mayring34 wie folgt: „Der qualitative Analyseschritt besteht dabei darin, deduktiv gewonnene Kategorien zu manifesten Textstellen methodisch abgesichert zuzuordnen.“ (Mayring 2000) Für einzelne Untersuchungsaspekte werden auch quantitative Methoden zur Untersuchung angewandt. IV.1.2 Konzeption forschungsleitender Annahmen und sich daraus ableitende Fragen Die forschungsleitende Frage „Ob dem High-Concept-Approach einheitliche Strategieelemente in der Produktion und Vermarktung von Actionfilmen zugrunde liegen.“ lässt sich in ihrer allgemeinen Formulierung inhaltsanalytisch nicht untersuchen. Vielmehr bedarf es konkreter Untersuchungsschwerpunkte, die sich aus der leitenden Forschungsfrage ergeben. Die Konzeption der konkreten Schwerpunkte basiert auf einer deduktiv theoretischen Herangehensweise. Vor dem theoretischen Hintergrund erschließen sich forschungsleitende Annahmen, aus denen sich Fragen ableiten lassen. Der auf diese Art und Weise entstehende Katalog von Annahmen übersetzt die Forschungsfrage in „[...] einzelne überprüfbare Behauptungen“ (Früh 1991: 125). Im weiteren Forschungsverlauf gilt es, diese Behauptungen entweder zu bestätigen oder zu widerlegen. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit ist es erforderlich, dass den Annahmen eine Begründung auf Basis von theoretischen Überlegungen oder Vermutungen zugrunde liegt. Für die vorliegende Arbeit ist dieser Aspekt gewährleistet, da sich der folgende Katalog aus den theoretischen Vorüberlegungen ergibt. Nach Auffassung des Kommunikationswissenschaftlers Werner Früh ist es jedem Forscher selbst überlassen, auf der Grundlage seines eigenen Ermessens Untersuchungsschwerpunkte zu definieren (vgl. Früh 1991: 125f.). Im Folgenden werden für die im dritten Kapitel herausgearbeiteten strategischen Optionen forschungsleitende Annahmen formuliert, die es im Rahmen der komparativen Fallstudie zu überprüfen gilt. Jeder forschungsleitenden Annahme (FA) wird die entsprechend konkretisierte Fragestellung (F) unmittelbar zugeordnet. Die aus 34 Philip Mayring hat eine Professur am Institut für Psychologie an der Universität Klagenfurt. - 52 den Annahmen abgeleiteten Fragen werden für die Filme Deep Impact und Armageddon im Kapitel IV.2 jeweils überprüft. FA1: High-Concept-Actionfilme setzen auf den Starfaktor. F1: Werden die tragenden Rollen in Armageddon und Deep Impact mit Stars besetzt? FA1 liegt die Prämisse zugrunde, dass Stars aus Sicht der Studios einerseits eine Rückversicherung für sichere Profite darstellen und andererseits dazu dienen ein Markenimage für einen Film aufzubauen (vgl. Kap.III.1.2). FA2: In Actionfilmen werden vorzugsweise bekannte Stars eingesetzt, die schon in zahlreichen anderen Actionfilmen mitgespielt haben. F2: Spielen in Deep Impact und Armageddon Stars mit, die schon in vielen anderen Actionfilmproduktionen mitgewirkt haben? Wenn Stars mit einem anderen Genre als dem des Actionfilms verknüpft werden, besteht die Gefahr, dass diese aus Sicht der Konsumenten nicht die notwendige Glaubwürdigkeit besitzen, um eine Hauptrolle zu übernehmen. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihnen Misstrauen und Ablehnung von Seiten der Zuschauer widerfährt (vgl. Kap. III.1.2.2). FA3: High-Concept-Actionfilme sind so angelegt, dass sie universell verständlich sind und ihnen auch außerhalb des nordamerikanischen Kulturkreises Anerkennung widerfährt. F3: Genügen Armageddon und Deep Impact der Anforderung universeller Verständlichkeit und vermögen aufgrund dessen Kinobesucher weltweit anzusprechen? Diese Frage zielt unter anderem auf den Anspruch und die Verständlichkeit der Thematik und die Konzeption der Narration. - 53 Überdies soll in diesem Kontext untersucht werden, ob beide Filme eine Affinität zu universalen Gefühlen und Wertvorstellungen aufweisen (vgl. Kap.III.1.3). Nicht minder erforschenswert ist die Darstellung der Figuren und ihrer Charaktere und ihre eventuelle Ausrichtung an Stereotypen. FA4: High-Concept-Filme des Actiongenres machen Gebrauch von digitalen Produktionstechnologien, um a) b) c) der zeitgenössischen Blockbuster-Ästhetik zu entsprechen, ihre Inhalte glaubhaft der außerfilmischen Realität anzupassen und eine Dynamisierung des Rezeptionsprozesses herbeizuführen. F4: Setzen Armageddon und Deep Impact auf digitale Produktionstechnologien? In diesem Zusammenhang steht besonders die Ästhetik des Kinobildes im Untersuchungsinteresse (vgl. Kap.III.1.4). Es werden die Besonderheiten und Auffälligkeiten des Films benannt und überdies gilt es, die Qualität der Einbindung allein virtuell existierender Objekte in reale Schauplätze zu bewerten. FA5: High-Concept-Actionfilme entsprechen einem realistischen Erscheinungsbild – im Rahmen der Parameter, die sie selbst vorgeben. F5: Orientieren sich Armageddon und Deep Impact an einer realistischen Darstellungsweise innerhalb ihres eigenen narrativen Kontextes? Unabhängig davon, wie fantastisch sich die Filminhalte auch präsentieren, gilt: Das Aussergewöhnliche und die Extremsituation als mehr oder weniger essentielle Bestandteile des Actionfilms verlangen nach einer in ihren Grundzügen realistischen Darstellungsweise (vgl. Kap.III.1.5). Der Zuschauer soll sich schließlich auf die ihm gebotene Illusion einlassen können. - 54 - FA6: High-Concept-Actionfilme setzen in der Konzeption auf pre-sold properties, um sich bereits vor dem Kinostart Aufmerksamkeit zu sichern. F6: Werden bei Armageddon und Deep Impact pre-sold properties eingesetzt? Die Relevanz der pre-sold properties für große BlockbusterProduktionen ist in Kap.III.3 bereits ausführlich dargestellt worden. FA7: High-Concept-Filme des Actiongenres weisen einfache und prägnante Konzepte auf und beinhalten Botschaften, die sich gut kommunizieren lassen. F7: Verfügen Armageddon und Deep Impact über klare und unmissverständliche Handlungskonzeptionen, die thematisch so einfach gefasst sind, dass sie sich gut vermarkten lassen? Filmmarketing verfolgt generell die Absicht, die filmische Narration auf Grundaussagen zu reduzieren. Das setzt leicht fassbare und gut zu vermittelnde Handlungskonzeptionen voraus (vgl. Kap.III.3). FA8: Hoch budgetierte Event-Filme werden nach dem Distributionsschema des Saturation Release in die Kinos gebracht. F8: Hat man sich bei Deep Impact und Armageddon für den Saturation Release entschieden? In diesem Annahmen/Frage-Komplex soll in einem ersten Schritt die Frage nach dem Distributionsschema und der Anzahl der Startleinwände beantwortet werden. In einem zweiten Schritt sollen die Einspielergebnisse miteinander verglichen und kommentiert werden. Das heißt, dass mögliche Ursachen für gutes oder schlechtes Abschneiden an der Kinokasse erörtert werden sollen. Der Saturation Release erreicht seine höchsten Zuschauerzahlen und Chartplatzierungen nahezu ausnahmslos am ersten Wochenende seines Kinolaufs. Es ist demnach in der Regel bereits nach - 55 der ersten Woche eine Tendenz erkennbar, ob ein Film zu einem Hit oder einem Flop wird. Zudem sind Filmstarttermine meist so geplant, dass die Filme zu strategisch wichtigen Zeitpunkten anlaufen.35 Hier gibt es von Seiten der Majors bestimmte Präferenztermine für Filmpremieren (vgl. Kap. III.3). FA9: High-Concept-Actionfilme werden so vermarktet, dass ihnen in den Medien Ereignisstatus zuteil wird. Die Filmvermarktungsmaschinerie bei ActionfilmBlockbustern setzt auf spektakuläre und einprägsame Marketingformeln. F9: Gelingt es Deep Impact und Armageddon sich über umfangreiche Marketingkonzepte als Medienereignis zu etablieren? Sind die Trailer und Filmposter von Armageddon und Deep Impact geeignet, um den Filmen Ereignischarakter zu verleihen? Diese Frage bezieht sich vor allem auf Filmwerbung im Internet und in den audiovisuellen Medien. Es wird in diesem Zusammenhang untersucht, ob beide Filme mit flächendeckenden Marketingkampagnen beworben wurden. IV.1.3 Handlungsbeschreibung der Filme, auf die sich die Untersuchung bezieht Deep Impact: Der Film beginnt mit der Entdeckung eines Kometen, der geradewegs auf die Erde zurast. Erstaunlicherweise ist es der Schüler Leo Biederman (gespielt von Elijah Wood), der den Kometen mit einem Fernrohr, das kaum professionellen Ansprüchen genügt, noch vor allen Wissenschaftlern entdeckt. Um einer Panik in der Bevölkerung vorzubeugen, wird diese brisante Information vorerst von US-Präsident Beck (Morgan Freeman) unter Verschluss gehalten. Stattdessen wird ein Geheimplan ins Leben gerufen, der die nukleare Sprengung des Kometen vorsieht. Zu diesem Zweck soll unter der Führung des Apollo-Veteranen Captain Spurgeon 35 Strategisch wichtige Zeitpunkte sind beispielsweise Memorial Day Weekend oder die Weihnachtsfeiertage (vgl. Kap.III.3.2). - 56 “Fish“ Tanner (Robert Duvall) ein Raumschiff auf dem Kometen landen und unter der Kometenoberfläche Atombomben versenken. Die spektakuläre Mission scheitert jedoch. Der Komet wird lediglich in zwei Teile auf gespalten, die aber beide unverändert Kurs auf die Erde nehmen. Durch Zufall stößt die Fernsehreporterin Jenny Lerner (Téa Leoni) auf einen Bericht über die Ankunft eines sog. E.L.E. (Extinction Level Event). Lerner droht mit der Information an die Öffentlichkeit zu gehen. Infolgedessen sieht sich der Präsident gezwungen, eine Rede an die Nation zu richten, in der er bekannt macht, dass ein Komet von der Größe von Manhattan sich auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befindet. In der Ansprache erfolgt u.a. das Eingeständnis des Scheiterns einer bereits stattgefundenen Rettungsmission. Dieser Aspekt lässt die Katastrophe unausweichlich ins kollektive Bewusstsein rücken. Die Rede des USPräsidenten gibt der Bevölkerung kaum Anlass zur Hoffnung auf Abwendung des drohenden Aufpralls. Nach dem Plan der Regierung soll ein durch Losentscheid ermittelter kleiner Teil des amerikanischen Volkes solange in einem Bunker verharren, bis die Erde nach dem Kometeneinschlag wieder bewohnbar ist. Die Regierungsentscheidung konfrontiert die Bevölkerung mit einer harten, unausweichlichen Realität, die zudem wie ein Selektionsprozess anmutet (Personen ab einem gewissen Alter sind von der Verlosung der Plätze im Bunker ausgeschlossen). Fortan dominiert das “Warten auf den Weltuntergang“ die filmische Handlung. So wird z.B. eindringlich dargestellt, wie sich die Hauptcharaktere und ihre Familien mit ihrem Schicksal auseinandersetzen. Am Schluss des Filmes kommt dann doch alles ganz anders. Es kommt zu einem vergleichsweise versöhnlichen Ende mit Happy End-Charakter. Während zwar der kleinere Teil des Kometen im atlantischen Ozean einschlägt und eine verheerende Flutwelle auslöst, kann der weitaus größere Teil am Aufprall gehindert werden. In einer letzten entscheidenden Handlung opfert sich die Raumschiffbesatzung um Captain Tanner für das Wohl und den Fortbestand der Menschheit. (vgl. Berardinelli 1998 und vgl. Pfirstinger 1998b) - 57 Armageddon Der Meteoritenschauer, der am Anfang von Armageddon ein Loch in das World Trade Center schlägt und das Empire State Building auseinanderreißt, stellt lediglich einen Vorboten für die Ankunft eines Asteroiden von der Größe des Staates Texas dar. Eine verheerende Katastrophe von globalem Ausmaß scheint nahezu unausweichlich. Der Asteroid steuert mit einer Geschwindigkeit von 35000 km/h geradewegs auf die Erde zu, und es verbleiben nur 18 Tage Zeit, um die Gefahr aus dem All zu bannen. Dem Leiter der NASA, Dan Truman (Billy Bob Thornton), wird die Aufgabe übertragen, einen Weg zu finden, den blauen Planeten zu retten. Ein geradezu irrwitziger Plan wird zur Rettung der Erde entwickelt: Truman rekrutiert den weltbesten Spezialisten für TiefÖlbohrungen, Harry S. Stamper (Bruce Willis), samt seinem zwölf Mann starken Team. In zwei Shuttles, die Freedom und die Independence, werden Stamper und seine Männer in den Weltraum katapultiert und sollen unter der Begleitung hochqualifizierter Shuttle-Piloten auf dem Asteroiden landen. Auf dem gigantischen Gesteinsbrocken angekommen, ist das Expertenteam gefordert, ein 254 Meter tiefes Loch bis zum Kern zu bohren und den Asteroiden mit einem nuklearen Sprengkopf von innen heraus zu sprengen. Im Falle eines Scheiterns der Mission sieht sich die Bodenkontrollstation der NASA in letzter Instanz gezwungen, den Sprengkopf vorzeitig explodieren zu lassen. Im Team, das den Planeten retten soll, ist auch A.J. Frost (Ben Affleck), Stampers zukünftiger Schwiegersohn. Grace Stamper (Liv Tyler) hat also allen Grund, das riskante Unternehmen mit gemischten Gefühlen zu verfolgen. Mehr als einmal sieht es danach aus, dass ihr Vater oder ihr Freund bei der gefährlichen Mission ihr Leben verlieren könnten. Das Schicksal der gesamten Menschheit liegt also in den Händen zweier Männer. Am Ende lässt sich die Welt nur dadurch retten, dass einer der beiden sein Leben opfert. Stamper opfert sich schließlich zugunsten von A.J. Frost. (vgl. Berardinelli 1998; vgl. McCarthy36 1998; vgl. Westphal37 1998; vgl. Pfirstinger 1998a) 36 Todd McCarthy ist Filmredakteur bei www.variety.com. 37 Anke Westphal ist Filmredakteurin bei der Berliner Zeitung. - 58 - IV.1.4 Begründung der Filmauswahl Wenngleich das Actionfilmgenre von thematischer Vielfalt gekennzeichnet ist, so sind Actionfilmen jedoch auf der Handlungsebene grundsätzlich bestimmte Muster und Konventionen gemein.38 Bei der Auswahl der Filme für die komparative Fallstudie wurden solche Filme berücksichtigt, die sich unbedingt dem Actionfilmgenre zuordnen lassen und eine hohe Vergleichbarkeit auf Grundlage der Thematik vorweisen. Darüber hinaus sollte es sich um Blockbuster-Produktionen sog. Majors aus Hollywood handeln und nicht etwa um kleinere Independentproduktionen. Deep Impact und Armageddon stellen typische Majorproduktionen dar, „[...] kostspielige Flagschiffproduktionen, die im Erfolgsfall Rekordeinnahmen versprechen, das finanzielle Risiko des Studios aber auch dramatisch erhöhen“ (Blanchet 2003: 243). Deep Impact wurde von der DreamWorks SKG produziert und Armageddon von der Walt Disney Company (vgl. ebd. 83f.). Folgendes Schaubild (Abb. 3) gibt Aufschluss über die US-Marktanteile der Hollywoodstudios und belegt, dass DreamWorks und Disney zu den Majors in der Filmbranche zählen: Abb. 3: US-Marktanteile Studios 2001 (Quelle: Blanchet 2003: 80 u. AC Nielsen, EDI) 38 Vgl. Kap.II.2.1. - 59 Die Vergleichbarkeit beider Filme ist vor allem auf der Handlungsebene gewährleistet. Beide Filme greifen eine ähnliche Themenstellung auf und verkörpern ein typisches Handlungsszenario für das Genre des Actionfilms. Streng genommen lassen sie sich aber auch dem Genre des Katastrophenfilms zuweisen, das gewissermaßen ein Subgenre des Actionfilmgenres darstellt. Sie thematisieren die globale Bedrohung durch den Einschlag eines gigantischen Gesteinsbrockens aus dem All. In Armageddon ist es ein Asteroid von der Größe des Staates Texas, in Deep Impact bildet ein Komet den Ausgangspunkt für das Katastrophenszenario. Die Rettung vor dem drohenden Weltuntergang ist folglich das zentrale Thema beider Filme. Auch die Pläne zur Abwendung der Katastrophe weisen in Deep Impact und Armageddon analoge Strukturen auf. In beiden Filmen werden Weltraummissionen mit dem Ziel ins All entsandt, den jeweiligen Gesteinskörper mit nuklearen Sprengköpfen zur Explosion zu bringen und ihn von seiner Bahn abzubringen. Dabei werden die Protagonisten sowohl in Deep Impact als auch in Armageddon dazu gezwungen, „unter dem permanenten Druck eines Zeitultimatums zu operieren, das die Spannung [...] um ein Vielfaches zu steigern vermag“ (Blanchet 2003: 57f.). Das, was Bordwell als die Deadline bezeichnet, stellt ein von Hollywood oft verwendetes sehr kraftvolles Instrument dar: Ein übergreifendes Zeitlimit verschränkt mit einem langfristigen Ziel des Protagonisten, das über der kompletten Handlung des Films schwebt. (vgl. Bordwell 1985: 45f.) Aufgrund der Deadline-Struktur wird Deep Impact und Armageddon genau das zuteil, was den Actionfilm nach Auffassung von Neumann kennzeichnet: „Zuspitzung der Spannung, Countdown, Explosion, Katastrophe“ (Neumann 1987: 30). Ein weiterer Aspekt, der für die Auswahl der beiden Filme sprach, stellt der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung dar. Beide Filme datieren aus dem Jahr 1998. Deep Impact wurde am 08.05.1998 in die nordamerikanischen Kinos gebracht, während Armageddon knapp zwei Monate später am 01.07.1998 Leinwandpremiere hatte. Die historischen Befindlichkeiten zum Zeitpunkt der Erstausstrahlung sind also nahezu identisch. - 60 - IV.2 Durchführung der komparativen Fallstudie Bei der Durchführung der komparativen Fallstudie werden Antworten auf die aus den forschungsleitenden Annahmen abgeleiteten Fragestellungen gegeben. Die forschungsleitenden Annahmen selber finden in diesem Kapitel keine unmittelbare Berücksichtigung. Es erfolgt die fast ausschließliche Hinwendung zu den Fragen, die sich auf die beiden Filme beziehen. Dabei werden die Fragen gemäß der in Kapitel IV.1.2 fest gelegten Reihenfolge in der Regel abwechselnd für beide Filme beantwortet.39 Bei einigen Fragen – das sei hier angemerkt – bietet es sich an, die Fragen nicht im Wechsel und somit strikt voneinander getrennt zu beantworten. FA1: High-Concept-Actionfilme setzen auf den Starfaktor. F1: Werden die tragenden Rollen in Armageddon und Deep Impact mit Stars besetzt? Deep Impact Die tragenden Rollen verteilen sich auf sechs Schauspieler: Robert Duvall, Téa Leoni, Elijah Wood, Vanessa Redgrave, Maximilian Schell und Morgan Freeman. Von diesen Schauspielern stellt zum Zeitpunkt der Erstaustrahlung keiner einen unbedingten Kassenmagneten dar, der die Zuschauer allein durch seine Präsenz in die Kinos lockt. Für Elijah Wood – mittlerweile gefeierter Weltstar durch seine Hauptrolle als Frodo in Herr der Ringe – ist Deep Impact eine der ersten Major-Produktionen überhaupt. Morgan Freeman kann zwar auf zwei Oscar Nominie- 39 Genauso gut hätte eine strikte Trennung der Untersuchung bezogen auf beide Filme erfolgen können. D.h. man hätte beispielsweise zuerst nur die Fragen an den einen Film und dann an den anderen gerichtet. Das hätte m.E. aber dazu geführt, dass durch die ständige Wiederholung der Fragestellungen die Untersuchung unnötig überfrachtet worden wäre. - 61 rungen “Best Actor“ für die Komödie Driving Miss Daisy40 in 1989 und das Drama von Stephen King The Shawshank Redemption in 1994 zurückblicken, dennoch ist er kein Box-Office Star, der im Sinne einer pre-sold property (vgl. Kap.III.3) fungiert. Immerhin belegte Freeman im Oktober 1997 im englischen Magazin Empire den 31sten Platz in der "The Top 100 Movie Stars of All Time"Liste. Ob Freeman dem durchschnittlichen Kinogänger bekannt sein dürfte, ist aber trotzdem fraglich und muss tendenziell mit nein beantwortet werden (vgl. The Internet Movie Database). Vanessa Redgrave ist ebenfalls eine renommierte Schauspielerin, die bereits viermal für einen Oskar nominiert wurde41. Im Jahr 1978 wurde sie sogar Oscarpreisträgerin. Dennoch besitzt sie nicht das Format eines Top-Stars, zumal der Ruhm ihrer großen Erfolge längst verblasst ist (vgl. ebd.). Was Maximilian Schell anbetrifft, so lässt sich über den Österreicher sagen, dass er seine erfolgreichste Zeit zu Beginn der Produktion von Deep Impact lange hinter sich hatte. In den 60ern und 70ern spielte er in vielen Kinofilmen mit und gewann 1961 einen Oscar für eine TV- Rolle (vgl. ebd.). Eine weitere Hauptrolle ist mit Téa Leoni besetzt, deren Filmographie kaum nennenswert ist (vgl. ebd.). Deep Impact, so bleibt festzustellen, präsentiert zwar Stars, jedoch keine, die einen Vertrauensvorschuss beim Publikum haben (vgl. Schröder 1995: 42). Armageddon Der Film von Regisseur Michael Bay kann auf ein vortreffliches Staraufgebot verweisen. Neben Bruce Willis sind in weiteren Rollen Ben Affleck, Billy Bob Thornton und Liv Tyler zu sehen. Bruce Willis als Protagonist des Filmes zählt zu den absoluten Topstars der Branche. In der Rangliste der Top Stars des Jahres 40 Driving Miss Daisy belegte 1989 den 8. Platz in der Höhe der Gesamteinnahmen. Die Komödie erreichte $106.593.296. Das ist gemessen an Batman, der mit $251.188.924 den ersten Platz belegte, ein beachtlicher Wert. 41 Redgrave erhielt Oscarnominierungen in der Kategorie ”Best actress“ für A man for all seasons (1966), Isadora (1968), Mary, Queen of Scotts (1971), Howards End (1992). - 62 2000 belegt Willis den fünften Platz42. In den 1990ern erzielten Filme, in denen Willis die Hauptrolle spielte – es waren insgesamt 15 – auf dem nordamerikanischen Markt durchschnittlich $76.318.883,8 (vgl. http://www.boxofficemojo.com/actors/brucewillis/ ). Zum Vergleich werden im Folgenden (Tab .3) die durchschnittlichen Einspielergebnisse verschiedener Top Stars aufgeführt: Schauspieler Anzahl der GesamteinspielergebFilme mit nis Hauptrolle Durchschnittliches Einspielergebnis Tom Cruise 9 $959.589.388 $106.621.043,1 Arnold Schwarzenegger 10 $984.860.222 $98.486.022,2 Harrison Ford 10 $894.058.466 $89.405.846,6 Mel Gibson 12 $950.024.524 $79.168.710,33 Bruce Willis 15 $1.144.783.257 $76.318.883,8 Ben Affleck 11 $550.568.356 $50.051.668,73 Tab .3: Einspielergebnisse namhafter Stars in den 1990ern auf dem nordamerikanischen Markt (Quelle: Boxofficemojo) Auch die übrigen Rollen in Armageddon sind mit namhaften Schauspielern besetzt. Ben Affleck zählt zu den durchaus bekannteren Schauspielern, ist aber zum Zeitpunkt der Leinwandpremiere von Armageddon nur wenig etabliert.43 Dennoch bringen es die Filme von Affleck auf durchaus respektable Einspielergebnisse wie Tabelle 3 zeigt. Liv Tyler und Billy Bob Thornton zählten vor dem Filmstart nicht zu den Top-Stars der Branche, dennoch gelten sie als Stars (vgl. The Internet Movie Database). Für den Nebenhandlungsstrang, die im Film stark thematisierte Liebesbeziehung zwischen A.J Frost (Ben Affleck) und Grace Stamper (Liv Tyler), stellt Liv Tyler aufgrund ihrer Attraktivität eine ideale Besetzung dar (vgl. geocities.com). 42 Die Rangliste gibt Aufschluss über die “Star Power“ eines Schauspielers. Die Werte zur Ermittlung von Star Power ergeben sich primär aus den Einspielergebnissen am Startwochenende und aus den Gesamteinspielergebnissen (vgl. http://www.boxofficemojo.com/bankability ). 43 Seinen ersten großen Erfolg hatte Affleck mit Good will Hunting. Dies war zugleich der einzige nennenswerte Film vor Armageddon (vgl. The Internet Movie Database). - 63 Im Vergleich der beiden Filme lässt sich die Aussage treffen, dass Armageddon über vortreffliche Starpower verfügt, während Deep Impact kaum über sog. Starvalue verfügt. F1: Werden die tragenden Rollen in Armageddon und Deep Impact mit Stars besetzt? Deep Impact Armageddon Trifft eher nicht zu Trifft zu FA2: In Actionfilmen werden vorzugsweise bekannte Stars eingesetzt, die schon in zahlreichen anderen Actionfilmen mitgespielt haben. F2: Spielen in Deep Impact und Armageddon Stars mit, die schon in vielen anderen Actionfilmproduktionen mitgewirkt haben? Deep Impact Die Akteure in Deep Impact lassen sich bis auf Morgan Freeman nicht zwingend mit dem Actionfilmgenre in Verbindung bringen. Darüber geben die Filmographien der einzelnen Schauspieler Aufschluss (vgl The Internet Movie Database). Bei keinem von ihnen lässt sich mit Ausnahme von Freeman eine eindeutige Affinität zum Actionfilmgenre44 nachweisen. Im Folgenden (Tab .4) sind die gesamten Filme von Freeman aufgelistet, bei denen er mit Beginn der 90er Jahre bis zur Leinwandpremiere von Deep Impact mitgespielt hat: 44 Eine Affinität zum Actionfilmgenre wäre etwa dann gegeben, wenn sich mindestens 50-60 Prozent der Filme eines Schauspielers diesem Genre zuordnen lassen. - 64 - Filmtitel Genre Hard Rain (1998) Action, Thriller Amistad (1997) Drama Kiss the Girls (1997) Action, Drama, Thriller Chain Reaction (1996) Action, Thriller, Drama Moll Flanders (1996) Drama Se7en (1995) Action, Thriller, Drama Outbreak (1995) Action, Thriller, Drama The Shawshank Redemption (1994) Drama Unforgiven (1992) Western, Drama The Power of One (1992) Drama, Robin Hood: Prince of Thieves (1991) Action, Drama The Bonfire of the Vanities (1990) Comedy, Drama Tab. 4: Filmographie von Morgan Freeman bis zum Start von Deep Impact. Zeitraum: von 1990 bis 1998 (Quelle: The Internet Movie Database). Wie Tabelle 4 verdeutlicht, sind mindestens fünfzig Prozent von Freeman´s Filmen dem Actionfilmgenre zuzuordnen. Fünf Filme entfallen auf das Genre Drama, wobei dieses Genre selten ganz ohne Actionelemente auskommt45. Es fällt darüber hinaus auf, dass fünf der sieben Filme, in denen Freeman eine Hauptrolle hatte, dem Actiongenre zuzuordnen sind (vgl. The Internet Movie Database). Der Schauspieler Morgan Freeman lässt sich mit dem Genre des Actionfilms assoziieren. 45 Wie Tab. 4 verdeutlicht, werden Filme häufig sowohl dem Actiongenre als auch dem Genre Drama zugerechnet. - 65 - Armageddon Bruce Willis ist ohne Zweifel ein bekannter Actionfilmstar. Die Filmographie von Willis belegt diese Aussage: Filmtitel Genre Mercury Rising (1998) Action, Thriller, Drama The Jackal (1997) Action, Thriller The Fifth Element (1997) Action, Sci-Fi, Drama Last Man Standing (1996) Action, Drama, Western Twelve Monkeys (1995) Action, Drama, Sci-Fi, Thriller Die Hard: With a Vengeance (1995) Action, Thriller, Crime Nobody´s Fool (1994) Drama Pulp Fiction (1994) Drama, Crime Color of Night (1994) Mystery, Thriller, Drama Striking Distance (1993) Action, Thriller Death Becomes Her (1992) Comedy The Last Boy Scout (1991) Action, Thriller Billy Bathgate (1991) Crime, Drama Hudson Hawk (1991) Action,. Adventure, Comedy Mortal Thoughts (1991) Thriller The Bonfire of the Vanities (1990) Comedy, Drama Die Hard 2 (1990) Action, Thriller Tab .5: Filmographie von Bruce Willis bis zum Start von Armageddon. Zeitraum: von 1990 bis 1998 (Quelle: The Internet Movie Database) Der Tabelle lässt sich entnehmen, dass fast 60% der Filme von Bruce Willis auf das Actionfilmgenre entfallen. Frappierend ist zudem, dass die letzten sechs Filme vor der Produktion von Armageddon Actionfilme sind. Willis, so bleibt zu konstatieren, eignet sich vortrefflich, um Armageddon bereits vor der Leinwandpremiere das Image eines viel versprechenden Actionfilms zu geben. Im Vergleich der beiden Hauptakteure ist eindeutig Bruce Willis eher dazu geeignet, einen Actionfilm beim Publikum anzukündigen. Zuschauer mögen zwar spannende Filme mit Morgan Freeman assoziieren, jedoch stellt er nicht den “ultimativen“ Actionhelden wie z.B. Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger dar (vgl. Schröder 1995: 42). - 66 - F2: Spielen in Deep Impact und Armageddon Stars mit, die schon in vielen anderen Actionfilmproduktionen mitgewirkt haben? Deep Impact Armageddon Trifft zu Trifft zu FA3: High-Concept-Actionfilme sind so angelegt, dass sie universell verständlich sind und ihnen auch außerhalb des nordamerikanischen Kulturkreises Anerkennung widerfährt. F3: Genügen Armageddon und Deep Impact der Anforderung nach universeller Verständlichkeit und vermögen sie aufgrund dessen weltweit Kinobesucher anzusprechen? Deep Impact und Armageddon basieren beide auf einer zentralen, universell verstehbaren Thematik. Die globale Bedrohung durch einen Kometen- bzw. Asteroideneinschlag, wie sie beide Film thematisieren, ist zwar wenig wahrscheinlich, liegt jedoch zumindest im Bereich des Möglichen. In den Medien wird dieses Szenario von Zeit zu Zeit diskutiert, so dass unterstellt werden darf, dass die meisten Menschen schon einmal damit konfrontiert worden sind46. Weltuntergangsszenarien im Film sind darüber hinaus seit jeher ein beliebtes Motiv wie bereits in Kap.II.2.3 festgestellt wurde. Es werden menschliche Urängste angesprochen, die sich nicht zuletzt in apokalyptischen Bildern ausdrücken, und genau das tun Deep Impact und Armageddon. 46 Diverse Zeitungsartikel informierten die Öffentlichkeit in der Vergangenheit in unregelmäßigen Zeitabständen über real existierende Bedrohungen durch Kometen bzw. Asteroiden. Gibt man z.B. bei der Archivsuche beim Spiegel, der FAZ oder der Süddeutschen Zeitung die Suchbegriffe Asteroid oder Komet ein, so erhält man zahlreiche Verweise auf Artikel, die da etwa lauten: “Todesbote aus dem All“, “Asteroiden auf dem Kollisionskurs: wann fällt Gottes Hammer?“, “NASA-Warnung: Asteroid rast Richtung Erde“ oder “Massensterben: Der Killer kam aus dem All“. Interessanter Weise wird durch Wissenschaftler bereits als bedrohlich eingestuft, wenn ein sog. “erdnahes Objekt“ die Erde nur um 670000 Kilometer verfehlt, so Tom Levine von der Berliner Zeitung. (vgl. Levine 2000) - 67 Nach Ansicht von Wyllie ( vgl. Kap.II.2.3) hat sich bei vielen Menschen im Vorfeld zum Jahrtausendwechsel angesichts zahlreicher Unwägbarkeiten ein Gefühl kollektiver Angst breit gemacht. Das neue Millennium weckte apokalyptische Vorstellungen und machte unzählige Menschen im Vorfeld zum Jahrtausendwechsel im Allgemeinen sehr empfänglich für Filme, in denen Weltuntergangsszenarien thematisiert wurden. (vgl. Wyllie 2003: 181) In dieser Hinsicht wurden beide Filme optimal auf die historische Befindlichkeit ausgerichtet. Hans-Arthur Marsiske47 zufolge war das „[...] kein Zufall, dass gleich zwei aufwendige Produktionen sich mit diesem Thema beschäftigten: Wie alle Science-FictionErzählungen haben auch diese ihre wissenschaftliche Vorgeschichte. Die läuft in diesem Fall unter dem Titel Shoemaker Levy9. So hieß der Komet, dessen Trümmer vor vier Jahren auf den Jupiter stürzten. Es war das erste Mal, dass Astronomen ein solches Ereignis direkt beobachten konnten. Die Bilder von den riesigen Explosionswolken, aufgenommen vom Hubble-SpaceTelescope und bodengestützten Teleskopen, gingen um die Welt und nährten das Bewusstsein für die Gefahr, die auch der Erde aus dem All droht“ (Marsiske 1998). Die Argumentation von Marsiske erscheint durchaus plausibel. Offensichtlich orientieren sich Armageddon und Deep Impact an realen Begebenheiten, und dieser Umstand versetzt ein potentielles Publikum verstärkt in die Lage, Bezüge zur außerfilmischen Wirklichkeit herzustellen. Thematisch gesehen gibt es in beiden Filmen zwei zentrale Aspekte, wobei der eine aus dem anderen resultiert: Zum einen ist das die Katastrophe, die alles Leben auf dem Planeten zu zerstören droht, und zum anderen die zur Rettung eingeleitete Maßnahme. Die Leithandlungsfäden sind an einer direkten, unverschlungenen Narration ausgerichtet. Die Rettung bringt in beiden Filmen die handlungsrelevanten Charaktere ins Spiel. In Armageddon ist es mehr oder weniger ein Einzelner, Bruce Willis, der – zwar unterstützt von seinem Team – letzten Endes doch auf sich selbst gestellt ist, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob er sein Leben für das der gesamten Menschheit opfert. Dem gemäß wird Willis die Funktion des Erlösers zuteil (vgl. Kap.II.2.3). In Deep Impact dagegen schlüpft nicht ein einzelner in die Rolle des Erlösers, sondern die gesamte Besatzung des Raumschiffes 47 Hans-Arthur Marsiske ist promovierter Soziologe und ist als freier Redakteur für www.heise-online.de tätig. - 68 Messiah. Allein der Name des Shuttles hat hier Symbolcharakter und bringt ihren Auftrag zum Ausdruck. Neben dem Erlösermythos orientieren sich beide Filme aber auch am Mythos der Unverwundbarkeit48. Genau genommen geht es in beiden Filmen allerdings um die Demontage des Mythos der Unverwundbarkeit. „Earth´s impact craters are reminders of our vulnerability.“ (Graham 1998: 42) Und darüber hinaus schlägt Armageddon gleich zu Beginn des Filmes eine Brücke zum Mythos vom Aussterben der Dinosaurier, wie die Filmkritikerin Daphne Merkin49 feststellt: „It´s been sixty-five million years since an asteroid hurtled this way, killing off the dinosaurs […]“ (Merkin 1998: 78). Beide Filme stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass das Kino ein Ort moderner Mythenproduktion50 ist (vgl. Kap. II.2.3). Sie formulieren Botschaften, die sich an Mythen als integralen Bestandteilen des sozialen und kulturellen Gefüges von Gesellschaften orientieren – so die Ethnologin Elke Mader (vgl. Mader 2003). Dabei sind es jedoch nicht nur Mythen, die lediglich in der Kultur einer Einzelgesellschaft verwurzelt sind, sondern in einem weltgesellschaftlichen Kontext soziale Bedeutung manifestieren. Da Deep Impact und Armageddon beide auf einem einfachen, prägnanten und klaren Filmkonzept basieren, - die weltweit verstehbare Thematik eingeschlossen – entsprechen sie der Anforderung nach universeller Verständlichkeit. F3: Genügen Armageddon und Deep Impact der Anforderung universeller Verständlichkeit und vermögen aufgrund dessen weltweit Kinobesucher anzusprechen? Deep Impact Armageddon Trifft zu Trifft zu 48 Der Mythos der Unverwundbarkeit hatte das Nationalbewusstsein in den USA bis zu den Anschlägen vom 11.09.2001 geprägt und ist somit tief in der amerikanischen Bevölkerung verankert (vgl. Böhm 2002). 49 Daphne Merkin ist Filmkritikerin bei der Zeitung The New Yorker. 50 Kulturelle Produkte sind nach Auffassung von Eder besonders breiten- und tiefenwirksam, sofern sie von einem großen Publikum, mythosanalog als intuitiv zugängliche Sinnstiftung erfahren werden (vgl. Eder 2000: 5). Der Bezug beider Filme zu Mythen kommt also der Anforderung nach universeller Verständlichkeit nach. - 69 - FA4: High-Concept-Filme des Actiongenres machen Gebrauch von digitalen Produktionstechnologien, um a) b) c) der zeitgenössischen Blockbuster-Ästhetik zu entsprechen, ihre Inhalte glaubhaft der außerfilmischen Realität anzupassen und eine Dynamisierung des Rezeptionsprozesses herbeizuführen. F4: Setzen Armageddon und Deep Impact auf digitale Produktionstechnologien? Deep Impact Die Bildästhetik von Deep Impact basiert zu einem Großteil auf Spezialeffekten (vgl. Vaziri 1998). Dabei steht die Inszenierung des Spektakulären ganz klar im Vordergrund. Beispielhaft und von bemerkenswerter Qualität ist die Szene, in der der Komet auf die Wasseroberfläche des atlantischen Ozeans aufschlägt und eine 3000 Fuß hohe Flutwelle hervorruft. Vom Filmwissenschaftler Blanchet wird diese Einstellung (Abb. 4) als “Money Shot“ bezeichnet. Ein Terminus, der ihren ökonomischen Wert stark verdeutlicht51 (vgl. Blanchet 2003: 223). Abb. 4: Der Moment, in dem der Komet den “Deep Impact“ auslöst (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). 51 Nach Blanchet sind “Money Shots“ jene Einstellungen, die das Spektakuläre hervorragend in Szene setzen und vom „[...] Publikum mit einem ehrfürchtigen “wow“ kommentiert [werden; Anm. d. Verf.].“ (Blanchet 2003: 223) Häufig sind “Money Shots“ Bestandteile von Trailerkampagnen. - 70 Nach Aussage von Mimi Leder, der Regisseurin des Films, hätte sich nicht nur im speziellen diese Szene, sondern der ganze Film ohne digitale Effekte nicht realisieren lassen (vgl. McDonald, William 1998). Der gigantischen Flutwelle folgen zahlreiche Einstellungen sog. “Disaster Shots“, die die Überflutung New Yorks visualisieren. Das Wasser, das über die Stadt hereinbricht, wurde komplett digitalisiert und existiert nur als CGI. (vgl. Vaziri 1998) Alles in allem wurde bei diesen Einstellungen so verfahren, dass virtuelle Elemente am Computer in real existierende Schauplätze eingebunden wurden. Diese virtuellen Bilder sind entweder reine Computeranimationen oder wurden auf Basis von Miniaturmodellen (Abb. 5) geschaffen. Entscheidend für die Qualität der Bildästhetik sind aber nicht allein die Spezialeffekte. Vielmehr ist es die Verknüpfung von Spezialeffekten und Kameraarbeit, die zum einen die perfekte Illusion schafft und zum anderen die Intensität bestimmter Momente in Deep Impact ausmacht. „The single best shot of the destruction of New York is an overhead view of the city streets overcome with water. Visible on buildings' roofs are panicking New Yorkers, who desperately try to run away from their impending doom.” (ebd. 1998) Spektakuläre, publikumswirksame Sequenzen bietet der Film zudem bei der Darstellung der Rettungsmission, und hier zeigt sich ein weiteres Mal die große Wirkung der Spezialeffekte: Aufgabe des Shuttles Messiah ist es, auf der Oberfläche des Kometen zu landen. Dabei nähert sich das Raumschiff dem Kometen von hinten und fliegt unmittelbar durch dessen Schweif hindurch. Das Shuttle bekommt währenddessen die volle Urgewalt des Kometen – ausströmende Gase und gewaltige Gesteinsbrocken – zu spüren. Es wird von einem massiven Felskörper getroffen (Abb. 6). An dieser Einstellung ist wiederum bemerkenswert, dass das Shuttle – lediglich durch ein Miniaturmodell dargestellt – in ein teils virtuelles, dreidimensionales und teils real existierendes Szenario integriert wurde. Dank hervorragend abgestimmter Ausleuchtung und Kameraarbeit (durch starkes Ruckeln der Kamera wird ein extrem unruhiger Flug simuliert) wirkt auch diese Szene sehr authentisch (vgl. ebd. 1998). - 71 - Abb. 5: Das Shuttle Messiah beim Verlassen der Raumstation in Deep Impact (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). Abb. 6: Das Shuttle Messiah im Schweif des Kometen in Deep Impact (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). Armageddon Bei Armageddon dominieren ebenfalls Spezialeffekte die Bildästhetik. Während in der Vergangenheit52 – u. a. aufgrund mangelnder technischer Möglichkeiten – allein auf der rein deskriptiven Ebene eines Geschehens im Film Dramatik, Anspannung und Konfusion zum Ausdruck gebracht wurden, vermag Armageddon durch seine aggressive, hightech-unterstützte Bildgestaltung, dem Zuschauer eine physische Erfahrung (wie bei einer Achterbahnfahrt) zu geben. Der auf die Erde zu rasende Asteroid etwa wirkt in seiner Bedrohlichkeit so überaus real und veranschaulicht auf eindrucksvolle Weise die hohe Qualität der computer-generierten Bilder. Dabei basiert die Darstellung des Asteroiden (Abb. 7) auf der komplexen Verbindung einer Miniaturnachbildung des Gesteinskörpers und CGI53. „Dream Quest built an enormous miniature asteroid, and covered it with digital particles to simulate gases emanating from the rock.” (Vaziri 1998) 52 Vgl. dazu Kap.III.1.4. 53 Die Einbindung von Miniaturmodellen in Computer generierte Bilder zählt zu den traditionellen visuellen Effekten – so Mitch Mitchell, Professor für Advanced Image an der University of Bournemouth (vgl. Mitchell 2003: 63f.). - 72 - Abb. 7: Der Asteroid in Armageddon (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). Nicht minder beeindruckend und ausgesprochen realistisch wurde die Verwüstung des New Yorker Chrysler Building (Abb. 8 und Abb. 9) auf Grundlage einer ähnlichen Vorgehensweise inszeniert. Auch dieses Gebäude stellt ein Miniaturmodel dar. Die in Richtung der Erde herunter stürzenden Trümmer sind nur als digitale Elemente vorhanden (vgl. Vaziri 1998). Diese Einstellung ist beispielhaft für die Bildästhetik und die audiovisuellen Stimuli, die der Film in großer Menge beinhaltet. Abb. 8: Meteoriteneinschlag in das Chrysler Building, in Armageddon (Einstellung eins) (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). Abb. 9: Meteoriteneinschlag in das Chrysler Building, in Armageddon (Einstellung zwei) (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive). Die Spezialeffekte in Armageddon dienen in erster Linie dazu, die Zerstörung geschichtsträchtiger Städte und Gebäude zu visualisieren. Zwar gibt es gleichermaßen zahlreiche imposante Einstellungen von den Missionsshuttles auf Basis von CGI, doch im Mittelpunkt stehen eindeutig die katastrophentypischen Bilder. Diese sind am besten dazu geeignet, dem Zuschauer Schrecken und Entsetzen zu vergegenwärtigen. Die Darstellung des Einschlags eines Meteoritenschauers in das Zentrum von Paris wäre so ebenfalls ohne Spezialeffekte nicht möglich gewesen. Diese Einstellung (Abb. 10) basiert auf der Kombination einer herkömmlichen Photographie und einem Satellitenbild von Paris, das verwendet wurde, um eine wirklichkeitsgetreue dreidimensionale Umgebung zu generieren. (vgl. Vaziri 1998) - 73 - Abb. 10: Paris in Armageddon von Meteoritenschauer zerstört (Quelle: Visual Effects Headquarters Archive) Die Bildästhetik von Armageddon wird über die Spezialeffekte hinaus maßgeblich von Kameraführung und Schnitt bestimmt. Folgt man Blanchet, so ist es die Intention des Films, mittels beschleunigter Schnittrhythmen eine Dynamisierung des visuellen Flusses und somit des Rezeptionserlebnisses herbeizuführen. Die durchschnittliche Einstellungsdauer liegt für den Film von Regisseur Michael Bay bei 2,2 Sekunden und markiert einen Spitzenwert für Actionfilme. (vgl. Blanchet 2003: 207f.) Tabelle 6 zeigt Editingtrends im Actionfilmgenre im Zeitraum von 1990-1998: Film Armageddon (98) Durchschnittliche Einstellungslänge 2,2 Sek. Enemy of the State (98) 2,4 Sek. Volcano (97) 2,2 Sek. Face/Off (97) 2,5 Sek. The Rock (96) 2,7 Sek. Terminator 2 (91) 3,2 Sek. Independence Day (96) 3,2 Sek. Starship Troopers (97) 3,5 Sek. Twister (96) 3,6 Sek. Die hard with a Vengeance (95) 4,0 Sek. Jurassic Park (93) 5,2 Sek. Deep Impact (98)54 5,5 Sek. Saving Private Ryan (98) 8,8 Sek. Tab. 6: Editingtrends in Actionfilmen 1990-1998 (Quelle: Blanchet 2003: 207) 54 Die durchschnittliche Einstellungslänge in Deep Impact wurde der Tabelle hinzugefügt. Den Wert habe ich selbst ermittelt. Auf insgesamt 115 Filmminuten kommen 1258 Schnitte. - 74 Neben der hohen Schnittfrequenz hat aber auch Bays extrem mobile und multivariable Kameraführung maßgeblichen Anteil an der dynamischen Bildästhetik. Bay macht selbst da, wo die Figuren und Objekte seines Films in statischen Positionen verharren, Gebrauch vom gesamten Spektrum der Kameraarbeit: „Insbesondere jene Sequenzen, die das vergleichsweise aktionslose Geschehen in der NASA-Kontrollstation wiedergeben, werden von Bay [...] `künstlich´ dynamisiert: Kreisende bogenförmige, vertikale und horizontale Kranfahrten in weiten Einstellungen und Establishing Shots; frontale Zooms und Dollyfahrten auf und weg von den besorgten Gesichtern der Akteure; gelegentliche Reißschwenks in oder aus einer Einstellung und langsame, vorwiegend horizontal driftende Dollyfahrten in Nah- und Großaufnahmen [...] signalisieren ständig dramatische Spannung und halten den visuellen Fluss des Films konstant in Bewegung.“ (ebd. 2003: 209) Insgesamt gesehen versucht Armageddon, sein Publikum durch unmittelbar auf die körperlichen Reflexe ausgerichtete Schock-, Schwindel- und Geschwindigkeitseffekte in seinen Bann zu ziehen. Das narrative Konzept von Armageddon gleicht gemäß dem Filmwissenschaftler King einer für die kontemporäre Blockbuster-Ästhetik typischen “roller coaster structure“ (vgl. King 2002: 185, vgl. Blanchet 2003: 213). Diese Struktur ist durch eine fortdauernde Serie von Höhen und Tiefen und unablässiger Action gekennzeichnet wie Schaubild (Abb. 11) verdeutlicht: Abb. 11: Roller Coaster Structure (Quelle: King 2002: 188). Im Vergleich von Deep Impact und Armageddon lässt sich feststellen, dass Armageddon weit mehr spektakuläre Sequenzen beinhaltet. Folgende Schaubilder55 (Abb. 12 u. Abb. 13) lassen die Unterschiede erkennen: 55 Bei der Darstellung der Struktur erfolgte eine strikte Orientierung an der Handlung der beiden Filme (vgl. Tab. 10 u. Tab. 11 im Anhang dieser Arbeit). - 75 - Abb. 12: Struktur von Armageddon. Abb. 13: Struktur von Deep Impact. Deep Impact entspricht folglich weniger der roller coster structure als dies bei Armageddon der Fall ist. Dieser Umstand rechtfertigt allerdings nicht die Aussage, dass Deep Impact nicht der zeitgenössischen Blockbuster-Ästhetik entspricht. Wie King konstatiert, gibt es überdies andere, abweichende Strukturmodelle, die der Narration kontemporärer Actionblockbuster zugrunde liegen. (vgl. King 2002: 188) Deep Impact orientiert sich an einem anderen Modell56. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Intention, über digitale Produktionstechnologien Inhalte glaubhaft der außerfilmischen Realität anzupassen und eine Dynamisierung des Rezeptionserlebnisses zu erreichen, in beiden Filmen Rechnung getragen wurde. 56 King betont zwar, dass es andere Strukturmodelle gibt, er geht aber nicht näher ins Detail. - 76 - F4: Setzen Armageddon und Deep Impact auf digitale Produktionstechnologien? Deep Impact Armageddon Trifft zu Trifft zu FA5: High-Concept-Actionfilme entsprechen einem realistischen Erscheinungsbild – im Rahmen der Parameter, die sie selbst vorgeben. F5: Orientieren sich Armageddon und Deep Impact an einer realistischen Darstellungsweise innerhalb ihres eigenen narrativen Kontextes? Die in Deep Impact und Armageddon beschriebene Gefahrensituation durch einen Kometen- bzw. Asteroideneinschlag ist nach Meinung von Christian Gritzner, Raumfahrtingenieur und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Luft- und Raumfahrttechnik der Technischen Universität Dresden, grundsätzlich realistisch. (vgl. Neuhann57 2002) Der Wissenschaftler verweist indes darauf, dass mindestens zwei Jahre vor einem möglichen Aufprall erste Abwehrmaßnahmen ergriffen werden müssten. Andernfalls gingen die Chancen „[...] den Asteroiden [oder Kometen; Anm. d. Verf.] irgendwie aus seiner Umlaufbahn zu schubsen [...]“(ebd. 2002) – das Ziel aller erklärten Abwehrmaßnahmen – gegen null. In beiden Filmen wird aber versucht, in weitaus kürzerer Zeit (in Armageddon sind es sogar nur 18 Tage von der Entdeckung bis zum möglichen Einschlag) den Asteroiden bzw. Kometen zu sprengen und dadurch abzulenken. Infolgedessen können beide Produktionen auf die für Actionfilme so überaus attraktive Deadline-Struktur zurückgreifen. (vgl. Blanchet 2003: 57) Insbesondere Armageddon nutzt das so kontinuierlich im Plot vorhandene dramatische Element, um permanent Spannung aufzubauen. Nach Gritzner galten Nuklearexplosionen zur Sprengung des kosmischen Gesteinskörpers bis vor wenigen Jahren als einzig praktikable Lösung. Die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Sprengung der Asteroid bzw. Komet entweder in mehrere große 57 Florian Neuhann ist freier Redakteur bei der Berliner Zeitung. - 77 Teile zerbrechen würde oder die Energie in der lockeren Geröllstruktur verpuffen könnte, wird jedoch – neueren Erkenntnissen zufolge – als ziemlich hoch eingeschätzt. „Die bisher vorhandenen atomaren Raketen seien für die Asteroidenabwehr unter anderem wegen mangelnder Schubkraft ungeeignet. `Da müsste man eigens Satelliten bauen, die den Sprengsatz aufnehmen´, sagt Gritzner. Dann könnte der Sprengsatz beispielsweise - wie im Filmepos Armageddon - in den Asteroiden hineingebohrt werden.“ (Neuhann 2002) Mittlerweile werden andere Abwehrmethoden in Erwägung gezogen, von denen sich aber manche erst in einigen Jahren mithilfe von Hochtechnologie durchführen lassen (vgl. ebd. 2002). Prinzipiell, das zeigen die Ausführungen Gritzners, stellt eine Sprengung einen Lösungsansatz dar, der gar nicht so abwegig und realitätsfern ist. Beide Filme orientieren sich dementsprechend an durchaus denkbaren Abwehrmaßnahmen. Kevin Zahnle58 vom Wissenschaftsmagazin “Nature“ hat die beiden Filme hinsichtlich ihres wissenschaftlichen Anspruchs untersucht. Während er über Armageddon ein vernichtendes Urteil fällt, „Armageddon´s science is simply silly“ (Zahnle 1998: 435), bescheinigt er Deep Impact, wissenschaftlich plausibel ausgerichtet zu sein. Er stellt fest, dass die Oberfläche des Kometen in Deep Impact relativ realistisch dargestellt ist, kritisiert jedoch, dass es nie und nimmer zur sofortigen Eruption der Geysire auf dem Kometen beim Einfall erster Sonnenstrahlen kommen würde59. Auch den Effekt der Sprengungen im Film bezweifelt Zahnle. Viel wahrscheinlicher wäre es gewesen, wenn zum einen durch die Explosion lediglich eine äußere Schicht des Kometen abgetragen worden wäre und zum anderen das Massezentrum des Kometen auf eine andere Bahn gelenkt worden wäre. (vgl. ebd. 1998: 435) Ohne die Spaltung des Kometen in zwei unterschiedlich große Teile, die zudem ihren Kollisionskurs unverändert beibehalten, hätte der Film jedoch sein furioses, an spektakulären Spezialeffekten ausgerichtetes Finale eingebüßt. Dramaturgisch gesehen ist der besagte Aspekt also von immensem Wert, da er maßgeblich zu einer gesteigerten Intensität des gesamten Rezeptionserlebnis- 58 Kevin Zahnle arbeitet für das “NASA Ames Research Center“. 59 Tatsächlich wirkt die besagte Einstellung im Film m.E. sehr unrealistisch. Der Spannung tut das aber keinen Abbruch. - 78 ses beiträgt. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Publikums um der Spannung und der spektakulären Szenen willen dieses vermeintlich wissenschaftliche Defizit ignoriert. (vgl. Graham 1998: 42) Grundsätzlich ist Deep Impact, wie auch Rex Graham60 in der Fachzeitung Astronomy feststellt, sehr um wissenschaftliche Plausibilität bemüht. „The scientists who consulted on the project say Deep Impact pays attention to everything from the comets wispy coma, or fog-like shroud, to dialog as seemingly insignificant as NASA astronauts´ radio chatter.” (ebd. 1998: 42) Innovative Spezialeffekte werden gemäß Graham ganz in den Dienst einer authentischen Visualisierung eines Weltuntergangsszenarios gestellt (vgl. ebd.: 42). Deep Impact, so lässt sich feststellen, versucht, einem realistischen Erscheinungsbild – im Rahmen seiner eigenen Parameter – zu entsprechen. Im Großen und Ganzen vermag der Film diesem Anspruch gerecht zu werden. Bei Armageddon verhält es sich anders. Wie bereits angesprochen, vertritt Nature-Redakteur Kevin Zahnle die Auffassung, dass Armageddon jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt.61 Der Film tendiert zu maßloser Übertreibung und scheint sich nach Auffassung der FAZ-Redakteurin Verena Lueken an der Werbebotschaft von Godzilla “Size does matter!“62 zu orientieren (vgl. Lueken 1998: 37). Im Folgenden sind die Kritikpunkte von Zahnle an Armageddon aufgeführt: „(1) only the three largest asteroids can be described as `the size of Texas´; (2) at 18 days before impact, a Texas-sized asteroid would be as bright as the stars of Orion´s belt, yet somehow it evades discovery until then; (3) the energy required to split the Texas-sized asteroid is 10¹º megatonnes, roughly a million world nuclear arsenals; and (4) an 800-foot-drill-hole (everything in Ar- 60 Rex Graham ist freier Redakteur bei verschiedenen wissenschaftlichen Magazinen wie z.B. Astronomy, Biotechnology News, Earth, Hemispheres Magazine, International Wildlife und Technology Review. Er besitzt einen Master of Science in Mikrobiologie. 61 Der Vorwurf mangelnder wissenschaftlicher Plausibilität wird auch von anderer Seite aus erhoben (vgl. Ferris 1998: 5; vgl. Berardinelli 1998b). 62 Der Verweis auf Größe und Bedrohungspotential entspricht der Philosophie Hollywoods über Marketingkampagnen „den Event-Film zum Film-Event zu machen [...].“ (o.V., Der Spiegel 24/1998: 211) - 79 mageddon is bigger) hardly seems like much compared with the vastness of Texas.” (Zahnle 1998: 435) Armageddon muss sich auch von Timothy Ferris63, Redakteur der Zeitschrift The New Yorker, den Vorwurf gefallen lassen, nur wenig Glaubwürdigkeit zu besitzen. Ferris behauptet, dass sich ein Asteroid von so immenser Größe in unmittelbarer Erdnähe niemals in der dargestellten Art und Weise verheimlichen lassen würde: „In `Armageddon´, the NASA boss explains that `there are only nine telescopes in the world that can spot the asteroid, and we control eight of them.´ But even if the American government controlled the big telescopes, as it does not, the people up there in the mountaintop domes are scientist, not Army colonels, and the moment they saw such a thing they´d be on the phone to everybody”. (Ferris 1998: 5) Tatsächlich wiegt dieser Vorwurf schwer. Es darf aber unterstellt werden, dass ähnlich wie in Deep Impact die inkonsequente Logik des Filmes und die oft fehlende wissenschaftliche Plausibilität nicht vom Gesamtpublikum bemängelt werden. Die Kernzielgruppe für Actionfilme – junge Männer – zeigte sich über mehrere Wochen an dem Film interessiert, so Andrew Hindes von der Filmzeitschrift Variety. Das Fernbleiben des sog. älteren Publikums (vgl. Hindes 1998b) könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass Armageddon über ein Glaubwürdigkeitsproblem verfügt. Abschließend soll ein Aspekt angesprochen werden, den Marsiske an beiden Filme kritisiert. „Die faszinierende Stille des Vakuums etwa oder Schwerelosigkeit [im Weltall; Anm. d. Verf.],“ (Marsiske 1998) werden gar nicht berücksichtigt. „Statt dessen donnern die Raumfähren in berüchtigter `Star Wars´-Manier mit lautem Getöse wie Düsenjäger durch den luftleeren Raum“ (ebd. 1998). Den Zuschauer vermag das offenbar nicht zu irritieren, vielmehr scheint er es bereitwillig zu akzeptieren, sind doch mit ganz 63 Timothy Ferris ist emeritierter Professor an der Univerity of California, Berkeley. Er ist der Author diverser Bestseller auf dem Gebiet der Astronomie und Physik wie z.B. Coming of Age in the Milky Way, The Mind's Sky, Galaxies und The Red Limit. Ferris wurde sowohl für den Pulitzer Prize als auch und den National Book Award nominiert. - 80 wenigen Ausnahmen – darunter Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey – Weltraumfilme in der Regel effektvoll mit bombastisch lauter Soundkulisse inszeniert. (vgl. ebd.1998) Insgesamt lässt sich unterstellen, dass Deep Impact und Armageddon die extreme Distanz zur Alltagswelt64 nutzen, um von der Wirklichkeit abzulenken. Im direkten Vergleich lässt sich derweil feststellen, dass Deep Impact über weit mehr Glaubwürdigkeitspotential im Rahmen der vom Film vorgegebenen Parameter verfügt als Armageddon. Deep Impact F5: Orientieren sich Armageddon und Deep Impact an einer realistischen Darstellungsweise innerhalb ihres eigenen narrativen Kontext? Trifft eher zu Armageddon Trifft eher nicht zu FA6: High-Concept-Actionfilme setzen in der Konzeption auf pre-sold properties, um sich bereits vor dem Kinostart Aufmerksamkeit zu sichern. F6: Werden bei Deep Impact und Armageddon pre-sold properties eingesetzt? Deep Impact und Armageddon entsprechen der gängigen Blockbuster-Philosophie und setzen beide auf pre-sold properties wie im Folgenden gezeigt wird. Allein das jeweilige Konzept beider Filme entspricht dem, was der Filmwissenschaftler Wyatt als Presold Versprechen bezeichnet. Nach Wyatt ist ein Pre-sold Versprechen durch ein Konzept definiert, das ein nationales Gefühl oder einen Trend beinhaltet. (vgl. Wyatt 1994: 15) Das nationale Gefühl war gemäß Wyllie zum Jahrtausendwechsel durch kollektive Angst vor den Unwägbarkeiten einer ungewissen Zukunft geprägt. „America in the 1990s was characterized by millennial angst, corporate domination, and dramatic advances in technology, all expressed, in varying forms, through the Hollywood 64 Nach Gehring ist die Distanz zur Alltagswelt ein Charakteristikum von Actionfilmen, und sie dient dazu, die Gefahren zu maximieren (vgl. Gehring 1988: 10). - 81 product.“ (Wyllie 2003: 181) Die sowohl in Deep Impact als auch in Armageddon thematisierten Weltuntergangsszenarien spiegeln die gemeinschaftlichen Besorgnisse besagter Gesellschaft am Ende der 1990er Jahre wider. Die Apokalypse, die im Bewusstsein vieler Menschen mit dem Jahrtausendwechsel assoziiert wurde, findet in der gigantischen Flutwelle in Deep Impact ihren Ausdruck. Armageddon fußt genauso auf apokalyptischen Vorstellungen, die sich durch die schier ausweglose Situation am Ende des Films ausdrückt. Der Weltuntergang ist auch in Armageddon erst in allerletzter Sekunde abwendbar. Beide Filme machen sich demzufolge die Empfänglichkeit unzähliger Menschen für apokalyptische Szenarien zunutze. Es lassen sich aber noch weitere pre-sold properties in Deep Impact und Armageddon ausmachen. Deep Impact kann als Produzenten den als Koryphäe geltenden Steven Spielberg65 vorweisen, dessen Name gemeinhin so etwas wie eine Erfolgsgarantie bedeutet. „The presence of his name on a project is seen by industry and public alike as close to a guarantor of quality and popular appeal.“ (King 2002: 103) Und auch Armageddon verfügt mit Jerry Bruckheimer, „[…] one of the topgrossing moviemakers of the last two decades […]” (Hindes 1998b) über einen Produzenten, der beim Publikum großes Ansehen genießt und ähnlich wie Spielberg als Erfolgsgarant gilt (vgl. Williams66 1998: 41). Nach Ansicht von Marsiske werden mit Bruckheimer „[…] gewaltige Eruptionen kinematographischer Energie [assoziiert; Anm. d. Verf.]“ (Marsiske 1998). Bruckheimer steht für intensives, dynamisches Actionkino in einem audiovisuell aggressiven Produktionsstil (vgl. Blanchet 2003: 210). 65 Spielberg gilt seit den 1970ern als einer der einflussreichsten Produzenten Hollywoods. Selbst ein Film wie Schindlers Liste (1993), der mit einem Produktionsbudget von $25 Millionen auskommen musste, erreichte eine Einspielsumme von $96 Millionen. Ein Ergebnis, das einem Blockbuster gerecht werden würde. (vgl. King: 92f.) 66 David E. Williams ist Filmredakteur beim Filmmagazin “American Cinematographer“. - 82 Im Vergleich zu den Produzenten wird den Regisseuren beider Filme indes keineswegs die Funktion von pre-sold properties zuteil. Mimi Leder, die Regisseurin von Deep Impact, galt zum Zeitpunkt der Produktion des Films auf dem Kinofilmsektor als weitgehend unbekannt. Deep Impact war nach Project Peacemaker (1997) erst ihre zweite große Kinoproduktion. Allerdings stellte Leders Debutfilm einen Flop dar, da er nicht einmal in der Lage war, die Hälfte seiner Produktions- und Vermarktungskosten auf dem heimischen Markt einzuspielen. Den Produktions- und Vermarktungskosten des Debutfilms in Höhe von insgesamt ca. $85.000.000 steht ein Einspielergebnis von $41.262.140 gegenüber. (vgl. Boxofficemojo.com und The Internet Movie Database ) Auch Armageddon´s Michael Bay besaß bei Produktionsbeginn nicht den unbedingten Status eines Erfolgsregisseurs. Er zeichnete für drei Filme verantwortlich, von denen zwei respektable Einspielergebnisse brachten. The Rock (1996) spielte auf dem heimischen Markt insgesamt $134.006.771 ein (bei Produktionskosten von $75.000.000). Bad Boys (1995) erzielte eine Einspielsumme von $65.807.024 (Produktionsbudget von ca. $23.000.000 ). Zu Bays erstem Kinofilm Shadows and Light: From a different view (1992) lassen sich keine Daten finden. (vgl. ebd. und Worldwideboxoffice.com) Des Weiteren fungieren die Produktionsbudgets von Deep Impact und Armageddon beide als pre-sold properties.67 Armageddon war nicht nur mit Gesamtkosten von $220.000.000 die kostenintensivste Produktion des Jahres, sondern galt seinerzeit auch als der kostspieligste Film, den Disney bis dato produziert hatte. Deep Impact stellte mit $140.000.000 den fünft teuersten Film in 1998 dar. In der nachfolgenden Tabelle sind die kostenintensivsten Produktionen des Jahres 1998 aufgeführt. 67 Wie in Kap.III.3.1 gezeigt wurde, geht die Filmindustrie davon aus, dass teuren Filmen von Seiten potentieller Zuschauer hohe Qualitätsstandards unterstellt werden und daher einen Vertrauensvorschuss genießen. - 83 Film Produktionskosten Weltweite Marketingkosten Gesamtkosten 1. Armageddon $140.000.000 $80.000.000 $220.000.000 2. Godzilla $120.000.000 $80.000.000 $200.000.000 3. Lethal Weapon 4 $120.000.000 $60.000.000 $180.000.000 4. Mulan $90.000.000 $60.000.000 $150.000.000 5. Deep Impact $80.000.000 $60.000.000 $140.000.000 6. The Mask of Zorro $70.000.000 $60.000.000 $130.000.000 7. Dr. Doolittle $75.000.000 $50.000.000 $125.000.000 8. The X- Files $63.000.000 $60.000.000 $123.000.000 9. Saving Private Ryan $70.000.000 $50.000.000 $120.000.000 10. The Horse Whisperer $60.000.000 $60.000.000 $120.000.000 Tab. 7: Die zehn kostenintensivsten Produktionen in 1998 (Quelle: Bannon 1998) Da Stars nach Wyatt zwar zu den pre-sold properties zählen (vgl. Kap. III.1.2.2), dieser Aspekt aber schon unter FA1/F1 und FA2/F2 untersucht wurde, erfolgt an dieser Stelle keine explizite Hinwendung zu diesem Untersuchungsgegenstand. Es soll an dieser Stelle lediglich noch einmal darauf verwiesen werden, dass Deep Impact im Vergleich zu Armageddon weniger auf die Art von Stars setzt, denen der Status von pre-sold properties zugesprochen werden kann. Zählt man zu den pre-sold properties in erster Linie Budget, Produzenten, Regisseure, Konzepte und Stars so wird man feststellen müssen, dass sowohl Deep Impact als auch Armageddon in beträchtlichem Maße auf pre-sold-properties setzen. F6: Werden bei Deep Impact und Armageddon pre-sold properties eingesetzt? Deep impact Armageddon Trifft zu Trifft zu FA7: High-Conceptfilme des Actiongenres weisen einfache und prägnante Konzepte auf und beinhalten Botschaften, die sich gut kommunizieren lassen. F7: Verfügen Deep Impact und Armageddon über klare und unmissverständliche Handlungskonzeptionen, die thematisch so einfach gefasst sind, dass sie sich gut vermarkten lassen? - 84 Grundsätzlich gilt für die Konzepte beider Filme, dass sie einfach und prägnant sind. Die jeweilige Story lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen und ist grundsätzlich gut kommunizierbar: In Deep Impact geht es darum, dass ein Komet auf der Erde einzuschlagen droht und mit verheerenden Folgen für die gesamte Menschheit zu rechnen ist, sollte sich der Kometeneinschlag nicht abwenden lassen. Tauscht man das Wort Komet durch das Wort Asteroid aus, so erhält man die Handlungsbeschreibung von Armageddon. Wenngleich sich beide Filme primär auf eine ähnliche Grundthematik reduzieren lassen, so gibt es jedoch einen markanten, konzeptuellen Unterschied. Die Handlung in Armageddon ist im Wesentlichen auf die spektakuläre Rettung der Welt ausgerichtet. Allein dieser Gesichtspunkt macht Armageddon zu einem temporeichen Film, in dem sich zahlreiche Actionszenen scheinbar nahtlos aneinander reihen68. Im Gegensatz dazu wird in Deep Impact – nach dem ersten gescheiterten Rettungsversuch – ein Großteil des Filmes darauf aufgewendet, auf den scheinbar unausweichlichen Kometeneinschlag zu warten. (vgl. Orwall 1998a: 2)69 Dieser Aspekt nimmt viel Tempo aus dem gesamten Film. Im Rahmen der Vermarktung von Deep Impact wird er allerdings komplett ausgespart. Vielmehr vermitteln die Trailer von Deep Impact – wie auch die Trailer von Armageddon – konsequent den Anschein, dass der Film mit der unablässigen Präsenz von Actionsequenzen aufwartet. Dies ist natürlich die Intention der Produzenten, da auf diese Weise der Eindruck entsteht, Dramatik und reichlich spannungsgeladene Szenen würden das Rezeptionserlebnis bestimmen. Das kann wiederum nur im Sinne der Vermarktung eines Actionfilms sein, dessen Faszination in Dramatik und Spannung begründet liegt. Vergleicht man die Slogans der Marketingkampagnen zu beiden Filmen, so wird ebenfalls eine klare unmissverständliche Schwerpunktsetzung offenbar, die in direkter Verbindung zu den prägnanten Konzepten beider Filme steht. 68 Die durchschnittliche Schnittfrequenz ist Beleg für das hohe Tempo von Armageddon. 69 Die erste eigens einberufene Rettungsmission in Deep Impact scheitert sehr früh, so dass die Auseinandersetzung mit dem Weltuntergang den weiteren Handlungsverlauf beherrscht. - 85 Die Werbeparole von Deep Impact ”Oceans Rise. Cities Fall. Hope Survives.” impliziert bereits, dass sich der Kometeneinschlag nicht abwenden lässt und nennt die schrecklichen Folgen beim Namen. Der Slogan wirbt sozusagen mit den “Bildern des Grauens“, die er ankündigt und dem Publikum somit verspricht. Darüber hinaus unterstützt der Spruch die Botschaft des Trailers und verheißt ebenfalls Dramatik. Er ist somit voll und ganz an das typische Actionfilmpublikum gerichtet, das von einem Gefühl der Angst und Beklemmung beim Rezeptionsprozess ergriffen sein will (vgl. Kap.II.2.2). Der Slogan von Armageddon “Take the Ride of Your Life!“ ist indessen keine Anspielung auf Zerstörung und Verwüstung, gibt dem Zuschauer aber ausdrücklich zu verstehen, was er zu erwarten hat – Action pur. Er stellt eine unmittelbare Aufforderung dar, sich auf Spektakel und Thrill – vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt – einzulassen. (vgl. Blanchet 2003: 212f.) Beide Slogans – wie auch ihre Trailer – werden dem Anspruch des High-Concept-Actionfilm gerecht, klare und einprägsame Botschaften zu formulieren. Deep Impact F7: Verfügen Armageddon und Deep Impact über klare und unmissverständliche Handlungskonzeptionen, die thematisch so einfach gefasst sind, dass sie sich gut vermarkten lassen? Trifft zu Armageddon Trifft zu FA8: Hoch budgetierte Event-Filme werden nach dem Distributionsschema des Saturation Release in die Kinos gebracht. F8: Hat man sich bei Deep Impact und Armageddon für den Saturation Release entschieden und auf wie vielen Startleinwänden wurden die Filme präsentiert? Beide Filme wurden nach dem Distributionsschema des Saturation Release in die Kinos gebracht. Die Anzahl der Startleinwände unterscheidet sich nur unwesentlich. Tabelle 8 verdeutlicht, dass eep Impact im Vergleich zu Armageddon den besseren Start hatte. - 86 Film Anzahl der Zeitpunkt der Einnahmen am Gesamteinnahmen Startleinwände Premiere Startwochenende in den USA in den USA Deep Impact 3156 8.05.98 $41.152.375 (Mother´s Day Weekend) $140.464.664 Armageddon 3127 3.07.98 $36.089.972 (Memorial Day Weekend) $201.578.182 Tab. 8: Daten zum Kinostart von Armageddon und Deep Impact (Quelle www.boxofficemojo.com). Mit Einnahmen von $41.152.375 konnte Deep Impact die Erwartungen der Verantwortlichen bei DreamWorks und Paramount, dem Filmverleiher, mehr als nur erfüllen. Man war ursprünglich in der Kalkulation von einem Wert zwischen 25 und 30 Millionen Dollar ausgegangen. (vgl. Hindes 1998a) Deep Impact schaffte es sogar einen Box-Office-Rekord70 für das beste Einspielergebnis an einem Startwochenende am Mother´s Day Weekend aufzustellen. Der bisherige Rekord wurde von Twister genau zwei Jahre zuvor mit $41.059.405 aufgestellt. (vgl. ebd. und vgl. Box Office Mojo) Interessanterweise konnte Armageddon kaum Kapital daraus schlagen, dass das Memorial Day Weekend als Startzeitpunkt gewählt wurde. Der Film von Michael Bay blieb mit einem Einspielergebnis von $36.089.972 in der ersten Woche stark hinter den Einspielerwartungen zurück. Nach Meinung von Hindes71 hat der Umstand, dass der 4. Juli (Nationalfeiertag in den USA) auf einen Samstag fiel, den Ansturm auf die Kinos möglicherweise verhindert. Darüber hinaus spricht Hindes vom Deep ImpactEffekt, der möglicherweise die Ursache für die wenig zufrieden stellenden Box-Office Ergebnisse in der ersten Woche darstellen könnte. „And then there's the `Deep Impact´ effect: While no one knows how much impact Paramount's similarly themed summer release had on `Armageddon´, it's been consistently proven that there's little upside to being the second one in the marketplace.” (Hindes 1998b) 70 Box-Office bedeutet wörtlich übersetzt Kasse. Im erweiterten Sinn versteht man unter Box-Office das, was an der Kasse hinsichtlich der Einnahmen passiert. Unter Box Office versteht man insofern generell die Einnahmen eines Films, die er während seiner Spielzeit einbringt. 71 Andrew Hindes ist Redakteur bei www.variety.com, der OnlineFilmzeitschrift. - 87 Zwar konnte Armageddon die Kernzielgruppe für Actionfilme – junge Männer – gleich zu Beginn des Filmstarts in den USA in die Kinos locken, das ältere Publikum blieb dem Film – Hindes verweist auf demographische Daten – aber fern, und auch Frauen zeigten sich weniger interessiert. (vgl. ebd. 1998b) „According to exit polls, males outnumbered females 55% to 45%”72 (ebd. 1998b). Während sich Deep Impact zwei Wochen lang auf Platz eins der “Box-Office-Charts“ behaupten konnte, vermochte Armageddon nur in der Eröffnungswoche den vordersten Rang zu belegen (vgl. Box Office Mojo). Dieser Aspekt lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Kinostart von Lethal Weapon 4 eine Woche später am 10.07.1998 zurückführen. Tatsächlich erwies sich Lethal Weapon 4 als starke Konkurrenz und konnte in seiner ersten Woche $34.048.124 einspielen. (vgl. Hindes 1998b; vgl. Box Office Mojo) Auffallend ist darüber hinaus, dass Deep Impact bereits am ersten Wochenende 29,3% seiner Gesamteinspielsumme erreicht hat, während bei Armageddon das Startwochenende lediglich 17,9% ausmachte. Kinoexperten sprechen in diesem Zusammenhang von Staying Power. Durch den Terminus Staying Power wird bezeichnet, dass sich ein Film über längere Zeit am Markt halten kann, bevor er mangels Nachfrage aus dem Programm genommen wird. Es bleibt festzuhalten, dass das Distributionsmodell des Saturation Release am Startwochenende nicht beiden Filmen den optimalen Einspielerfolg bescherte. Wie die Zahlen in Tabelle 8 verdeutlichen, profitierte Deep Impact weitaus mehr von besagtem Distributionsmodell als Armageddon. Deep Impact F8: Hat man sich bei Deep Impact und Armageddon für den Saturation Release entschieden? 72 Trifft zu Armageddon Trifft zu Die Vergleichswerte von Variety.com beziehen sich auf die Startwoche. - 88 - FA9: High-Concept-Actionfilme werden so vermarktet, dass ihnen in den Medien Ereignisstatus zuteil wird. Die Filmvermarktungsmaschinerie bei ActionfilmBlockbustern setzt auf spektakuläre und einprägsame Marketingformeln. F9: Gelingt es Deep Impact und Armageddon sich über umfangreiche Marketingkonzepte als Medienereignis zu etablieren? Sind die Trailer und Filmposter von Armageddon und Deep Impact geeignet, um den Filmen Ereignischarakter zu verleihen? In die Vermarktung von Deep Impact und Armageddon wurden astronomische Summen investiert. Für Deep Impact wurden $60.000.000 veranschlagt und für Armageddon $80.000.000. Allein die Höhe der Aufwendungen lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass beide Filme über das Marketing zum Event-Film stilisiert werden sollten. Im Folgenden sollen die Marketingkonzepte beider Filme beschrieben und bewertet werden. Deep Impact Die Vermarktung von Deep Impact verfolgte grundsätzlich eine globale Ausrichtung (vgl. Orwall und Lippman 1998b:1). Die Trailerkampagnen können als Herzstück des gesamten Marketings gesehen werden. Insbesondere der erste von zwei Kinotrailern erlangte zentrale Bedeutung, da er allein mehr als 4000 Mal in der Kinovorschau von Titanic73 gespielt wurde (vgl. ebd. 1998b:1). Es ist davon auszugehen, dass besagter Trailer aufgrund der aussichtsreichen Platzierung mehr potentielle Kinogänger erreichte, als das beispielsweise als Vorfilm eines wenig nachgefragten Low Budget-Films der Fall gewesen wäre. 73 Titanic ist bisher der erfolgreichste Film aller Zeiten und hat allein an der Kinokasse auf dem nordamerikanischen Markt 600,8 Millionen US$ eingespielt. Der Film hat daher mehr Zuschauer ins Kino gelockt, als irgendein anderer Film. (vgl. The Internet Movie Database und www.worldwideboxoffice.com) Bei der Kinovorführung von Titanic liefen mehr Trailer über die Leinwand, als bei anderen Filmen. - 89 Beide Kinotrailer präsentierten dem Publikum eine in der gesamten Kinogeschichte beispiellose Einstellung einer gigantischen Flutwelle, die New York dem Erdboden gleichmacht. Eine Szene, die den Zuschauer fesselte, so Weinraub, und ihn neugierig auf den gesamten Film machte. (vgl. Weinraub 1998) Das Hauptunterscheidungsmerkmal der beiden Trailer stellte sich in ihrer jeweiligen Gesamtlänge (3:13 Minuten und 1:38 Minuten) und in der Schnittfrequenz dar. Der lange Trailer hatte eine durchschnittliche Schnittfrequenz von 1,12 Sekunden, während der kurze Trailer nur eine durchschnittliche Schnittfrequenz von 0,79 Sekunden aufweisen konnte. Während der lange Trailer bestrebt war, dem Zuschauer eine Vorstellung von der Gesamthandlung zu vermitteln, bot der kurze Trailer lediglich eine fragmentarische Aneinanderreihung von Einstellungen, mehr oder weniger losgelöst vom eigentlichen Handlungsrahmen.74 Der kurze Trailer war ausschließlich actionorientiert, er setzte auf die Wucht und Fülle des audiovisuellen Stimulus und war unmittelbar auf die körperlichen Reflexe der Zuschauer gerichtet. Die Differenzierung der Trailer lässt auf eine zielgruppenorientierte Konzeption schließen. Im Gegensatz zum langen Trailer, der auf Breitenwirkung ausgerichtet war, richtete sich der kurze Trailer in erster Linie an das Kernpublikum von Actionfilmen und an ein mit schnellen Schnitten vertrautes MTV-Publikum (vgl. Sterngold75 1998). Neben der Trailerkampagne im Kino machten die Marketingstrategen bei der Vermarktung von Deep Impact verstärkt von TVWerbung Gebrauch. Dabei wurden unter anderem Trailer präsentiert, die speziell auf das jeweilige Programmumfeld zugeschnitten waren. „The studio partnered with Turner to sponsor the NBA Playoffs this past spring, with extended trailers and movie clips. The Inside the NBA highlights show featured 60-second `Impact Player´ and `Impact Team´ segments, and Atlanta Braves games mixed movie footage with `best-of´ replays from historic Braves matchups. Turner's Thursday night World Championship Wrestling franchise hyped the movie through 90-second segments that showed the trailer followed by pro wrestlers talking about the movie's action and special effects.” (Stanley 1998) 74 Im Gegensatz zum kürzeren Trailer führt beim längeren Trailer eine Erzählerstimme in die Thematik ein. 75 James Sterngold ist Journalist bei der “New York Times“. - 90 Wie die Kooperation mit dem Medientycoon Turner zeigt, wurde Wert darauf gelegt, eine Sponsorenintegration anzustreben. Die Trailer erschienen nicht isoliert, sondern sie waren in das Programm eingebunden und hatten einen unmittelbaren Bezug zum Programm. Gemäß Stanley, Redakteur bei Brandweek, galt diese Art der Werbung in den späten 1990ern durchaus als innovativ. Darüber hinaus verdeutlicht die Zusammenarbeit mit Turner eine zielgruppenspezifische Ausrichtung des Marketings, da NBA und die World Championship Wrestling grundsätzlich von Männern konsumiert werden (vgl. Stanley 1998). Die Zielgruppe der jungen Frauen wurde versucht, über das Filmplakat anzusprechen. Folgt man Blanchet, so existiert eine eindeutige Parallele zum Poster von Cameron´s Titanic. „Das Filmplakat von Deep Impact bildet in kaum verkennbarer Anlehnung an das Poster von Titanic ein innig umschlungenes, jugendliches Liebespaar über dem ins Meer schlagenden Kometen und der sich auf Manhattan zuzubewegenden Flutwelle ab.“ (Blanchet 2003: 164) DreamWorks bewegte sich mit der Ausgestaltung des Deep Impact-Posters im Spannungsfeld zwischen Wiederholung und Innovation. Das Studio setzte auf die Rekombination bzw. Abwandlung eines vertrauten, als kontinuierlich zu bezeichnenden Elements und baute auf seine Wiedererkennbarkeit (vgl. ebd. 2003: 164f.). Vergegenwärtigt man sich ein weiteres Mal, dass der Trailer von Deep Impact in der Vorschau zu Titanic gezeigt wurde, so erscheint es als gelungener Schachzug, über das Poster weitere Vergleichsmomente mit Titanic zu schaffen. Ob es neben den umfangreichen Trailerkampagnen und der viel versprechenden Posterkonzeption weitere Vermarktungsstrategien etwa in Form von Tie-Ins76 gab, darüber ließen sich kaum Informationen gewinnen. Aus einem Artikel aus dem Wirtschaftsmagazin Brandweek geht lediglich hervor, dass DreamWorks neben Disney, New Line, Paramount, Universal, Sony, 20th Century Fox und Warner Tie-Ins als festen Bestandteil in ihre Filmvermarktungskampagnen 76 Als Tie-In wird auf dem Sektor des Unterhaltungsfilms die Kooperation mit einem Wirtschaftsunternehmen verstanden (vgl. o.Verf 1998b). In der Regel basieren Tie-Ins auf Werbekonzepten wie Cross Promotion und Product Placement. - 91 integrieren. (vgl. o. Verf. 2000) Ein Experteninterview hätte wahrscheinlich wichtige Erkenntnisse über das Wesen der Vermarktungskampagne des Filmes gebracht, das Gesuch wurde aber von der Distributionsfirma Universal abgelehnt. Es bleibt festzustellen, dass das Datenmaterial keine wirklich profunde Einsicht in die Vermarktungsstrategie von Deep Impact zulässt. Dennoch ist die klare Tendenz zu spektakulären und einprägsamen Marketingformeln erkennbar. Deep Impact wurde über das Marketing als Medienereignis konstituiert. Armageddon Auch die Vermarktung von Armageddon orientierte sich nach Aussage von Bodo Rauscher, Marketing Director Buena Vista Home Entertainment in Deutschland, an einem globalen Konzept: „Es gab zentrale TV-Spot-Konzepte, die lokal adaptiert und gegebenenfalls umgeschnitten wurden.“ (Rauscher). Der Anteil der klassischen Medien am Gesamtmarketing belief sich auf 50%, wovon 90% auf TV-Werbung entfielen (vgl. ebd.). TV-Trailer hatten somit eine wesentliche Bedeutung für das Marketing. Die Trailerkampagnen hatten zudem eine zielgruppenspezifische Ausrichtung. „[…] Es gab einmal eine eher romantische Konzeptausrichtung und eine eher action-orientierte, wobei die Programmumfelder nach den Zielgruppen ausgewählt wurden“ (ebd.). Folgt man Bruce Orwall vom Wall Street Journal, so ist die Strategie eines gezielten, die verschiedenen Marktsegmente erfassenden Zielgruppenmarketings unerlässlich, um einen Kassenschlager zu landen. „But for a movie to become a blockbuster, the boys need to bring dates” (Orwall 1998a: 3). In diesem Sinne war neben dem action-orientierten Trailer für die Kernzielgruppe von Actionfilmen ein zweiter kreiert worden, der einen romantischen Subplot mit Ben Affleck und Liv Tyler beinhaltete.77 Als Bestandteil einer weiteren grundlegenden Vermarktungsstrategie für Armageddon lassen sich zahlreiche Tie-Ins ausmachen. So gab es z.B. Kooperationen mit McDonalds, Swiss Army, Nokia, 77 In einem Artikel auf www.geocities.com (vgl. o.V. 1998b) ist die Rede von insgesamt ca. zehn verschiedenen Trailerversionen, deren Konzeption auf die Zielgruppen verschiedener TV-Sender abgestimmt wurde. - 92 Tag Heuer, Planet Hollywood, Goodyear, Nestlé, ABC, ESPN, Mattel, und der NASA (o. V. 1998; URL: http://www.geocities.com/Hollywood/Studio/3956/hype.html). Am Beispiel der Zusammenarbeit mit Nokia soll im Folgenden die Qualität der Tie-Ins veranschaulicht werden. Der Tie-In mit Nokia basierte zum einen auf Product Placement und zum anderen auf TV-Werbung: In Armageddon ist Bruce Willis zu sehen, der mit einem Nokia-Handy eine SMS an die NASA-Crew versendet. Was die TV-Werbung angeht, so wurden den für Nokia konzipierten TV-Werbespots Einstellungen aus Armageddon zugrunde gelegt (vgl. Elkin 1998). Kennzeichnend für die Nokia-Spots ist ein starker intertextueller Bezug. „Nokia runs commercials for their cell phones with a clip of that guy shouting `Someone dial 911!´.” (o. V. 1998; URL: http://www.geocities.com/Hollywood/Studio/3956/hype.html) Die Notrufnummer 911 – davon ist auszugehen – ist unter erwachsenen Amerikanern allgemein bekannt und weckt eindeutige Assoziationen. Im Werbespot stellt die 911 eine gut nachvollziehbare und daher ideale Verbindung zwischen Nokia und dem in Armageddon beschriebenen Katastrophenszenario her. Viel versprechende Konzepte, um das Kinoereignis Armageddon anzukündigen, lagen aber auch den anderen Tie-Ins78 zugrunde: „McDonalds is offering a chance to win a free ticket to `Armageddon´ with an order of Supersize fries. ABC and ESPN are doing special promotional shows (more on that later). Mattel is doing the obligatory toy line. Nestlé is introducing chocolate asteroid balls that explode in your mouth. And NASA, among many other things, hosted the June 29 open-air premiere at Cape Kennedy.” (o. V. 1998; URL: http://www.geocities.com/Hollywood/Studio/3956/hype.html) Ein echter Marketing-Coup gelang Disney darüber hinaus mit dem Soundtrack des Filmes. Der Song “I don´t want to miss a thing“, den Aerosmith eigens für den Film komponiert hatte, konnte sich insgesamt über einen Zeitraum von 26 Wochen in den US-Top 40 Charts halten (Quelle: top40-charts.com). Das Video zum Song mit Originalfilmsequenzen aus Armageddon wurde über mehrere 78 Keine Berücksichtigung finden in diesem Zusammenhang die Kooperationen für die Videovermarktung (vgl. Experteninterview mit Rauscher). Die vorliegende Untersuchung spart die erweiterten Verwertungszusammenhänge aus. - 93 Monate täglich auf MTV gespielt und stellte somit die ideale Filmwerbemaßnahme dar, um im speziellen ein jüngeres Publikum zu erreichen. Seinen Höhepunkt erreichte der Hype um Armageddon schließlich durch die MTV-Live-Übertragung der Filmpremiere im Kennedy Space Center in Florida. Vor 600 geladenen Gästen, darunter zahlreiche Journalisten, präsentierte unter anderem die Rockband Aerosmith ihre Armageddon-Ballade. Ergänzend zu den angesprochenen Marketingmaßnahmen und PR-Aktionen, gab es darüber hinaus eine Radiokampagne mit einem Testimonial, der den Film bewarb, sowie die obligatorischen Zeitungsfeatures mit Bruckheimer und den Hauptdarstellern. Richtet man sein Augenmerk auf die komplette Vermarktungsmaschinerie von Disney, so gelangt man unweigerlich zu dem Schluss, dass alle Anstrengungen unternommen wurden, Armageddon systematisch in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Nicht nur durch Trailerkampagnen, sondern vor allem durch gezielte Tie-Ins strebte Disney kontinuierlich dem Ziel entgegen, einen Medienhype um Armageddon zu inszenieren und nach Möglichkeit in alle Bereiche der Kultur vorzudringen. (vgl. Orwall 1998a: 5) Deep Impact F9: Gelingt es Deep Impact und Armageddon sich über umfangreiche Marketingkonzepte als Medienereignis zu konstituieren? Sind die Trailer und Filmposter von Armageddon und Deep Impact geeignet, um den Filmen Ereignischarakter zu verleihen? Trifft zu Armageddon Trifft zu - 94 - IV.3 Auswertung der komparativen Fallstudie Von den neun Fragen, die aus den forschungsleitenden Annahmen abgeleitet wurden, ließen sich sieben im Rahmen der komparativen Fallstudie sowohl für Deep Impact als auch für Armageddon eindeutig bejahen. Lediglich bei zwei Fragen fielen die Antworten unterschiedlich aus. Es ließ sich bejahen, dass die Konzeption nicht nur des einen, sondern auch des anderen Films der Anforderung nach universeller Verständlichkeit entspricht (FA3/F3). Die Realisierung eines High-Concept-Films – so wurde im theoretischen Teil der Magisterarbeit gezeigt – wird zu einem Großteil von dem zugrunde liegenden Konzept abhängig gemacht. Das Filmkonzept ist so gesehen von großem strategischem Wert und muss des Weiteren in zweierlei Hinsicht den Ansprüchen der Filmunternehmen genügen. Zum einen muss es gute Vermarktungsmöglichkeiten aufzeigen, und zum anderen muss es sich unter produktionstechnischen Gesichtspunkten vielversprechend umsetzen lassen. Einfache und leicht verständliche Konzepte genügen dem am ehesten. Wie in der komparativen Fallstudie gezeigt wurde, weisen die Handlungskonzeptionen beider Filme klare und thematisch prägnante Züge auf (FA7/F7). Ebendiese Einfachheit drückt sich auch in einprägsamen und ausdrucksstarken Marketingbotschaften aus. Beispielhaft hierfür sind die Trailer und Filmposter von Deep Impact und Armageddon. Sie geben dem potentiellen Zuschauer einen Vorgeschmack auf die spektakuläre Blockbuster- und High-Tech-Attraktionsästhetik, die beiden Filmen innewohnt. Tatsächlich beinhalten die Trailer eine Aneinanderreihung von kaum zusammenhängenden Actionsequenzen, die den massiven Einfluss digitaler Technik proklamieren. Besagter Einfluss lässt sich grundsätzlich bei beiden Filmen über deren volle Länge ausmachen (FA4/F4). Dadurch entsprechen beide Produktionen in ihrer visuellen Ausgestaltung der zeitgenössischen Blockbuster-Ästhetik. Um sich als Kinoevent und mediales Großereignis anzukündigen, wurden die beiden Majorproduktionen nach dem Distributionsschema des Saturation Release (FA8/F8) in die Kinos gebracht. Dieser Aspekt untermauert ihren Anspruch, den Kinounterhaltungssektor sowohl landesweit (auf die USA bezogen) als auch global dominieren zu wollen. Entsprechend wurden Marketingkampagnen gemäß dem Saturation Advertising – im Hinblick auf - 95 die Filmstarts – intensiviert und forciert. Dadurch sollte es gelingen, eine Plattform für den Saturation Release zu schaffen, und eine umfassende Thematisierung der Filme in der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Die Marketingkampagnen zu beiden Filmen waren in der Tat – so das Ergebnis der Untersuchung – sehr umfangreich und qualitativ geeignet, die Filme als Medienereignisse zu konstituieren (FA9/F9). Es darf zudem unterstellt werden, dass die zahlreichen pre-sold properties in beiden Filmen (FA6/F6) ebenfalls in der medialen Öffentlichkeit thematisiert wurden und die Filmvermarktung gewissermaßen unterstützten. Gleichermaßen lässt sich bejahen, dass beide Filme die Beteiligung eines Stars vorweisen können, der bereits in zahlreichen anderen Actionfilmen mitgespielt hat (FA2/F2). Im Vergleich zu Deep Impact verfügt Armageddon aber in Bruce Willis über einen (Action)-Star, der als Publikumsmagnet gilt und der dem Film in der Öffentlichkeit unbedingt Aufmerksamkeit zu verschaffen vermag. Diesem Anspruch kann Morgan Freeman (Deep Impact) – wie aus der Untersuchung hervorgeht – nicht bedingungslos gerecht werden. Überhaupt lässt sich nur bedingt die Aussage treffen, dass Deep Impact auf den Starfaktor setzt, während das für Armageddon uneingeschränkt zutrifft (FA1/F1). Die Besetzung in Deep Impact besteht überwiegend aus Schauspielern, von denen keiner über die Qualität eines Kassenmagneten verfügt. Die Frage, ob sich Armageddon und Deep Impact an einer realistischen Darstellungsweise innerhalb ihres eigenen narrativen Kontextes orientieren, konnte indes auch nicht für beide Filme bejaht werden (FA5/F5). Die vorliegende Fallstudie führt hierin zu der Erkenntnis, dass Deep Impact eine authentische Visualisierung seiner Weltuntergangsthematik gelingt, während Armageddon in vielerlei Hinsicht zu wenig Glaubwürdigkeit transportiert. Deep Impact ist bis auf wenige Ausnahmen um wissenschaftliche Plausibilität bemüht, während das Gegenteil auf Armageddon zutrifft. Im Folgenden (Tab .9) sind die Ergebnisse der komparativen Fallstudie noch einmal in einer tabellarischen Übersicht zusammengefasst: - 96 - Fragen der Fallstudie Deep Impact Armageddon F1: Werden die tragenden Rollen in Armageddon und Deep Impact mit Stars besetzt? Trifft eher nicht zu Trifft zu F2: Spielen in Deep Impact und Armageddon Stars mit, die schon in vielen anderen Actionfilmproduktionen mitgewirkt haben? Trifft zu Trifft zu F3: Genügen Armageddon und Deep Impact der Anforderung universeller Verständlichkeit und vermögen aufgrund dessen weltweit Kinobesucher anzusprechen? Trifft zu Trifft zu F4: Setzen Armageddon und Deep Impact auf digitale Produktionstechnologien? Trifft zu Trifft zu F5: Orientieren sich Armageddon und Deep Impact an einer realistischen Darstellungsweise innerhalb ihres eigenen narrativen Kontext? Trifft eher zu Trifft eher nicht zu F6: Werden bei Deep Impact und Armageddon pre-sold properties eingesetzt? Trifft zu Trifft zu F7: Verfügen Armageddon und Deep Impact über klare und unmissverständliche Handlungskonzeptionen, die thematisch so einfach gefasst sind, dass sie sich gut vermarkten lassen? Trifft zu Trifft zu F8: Hat man sich bei Deep Impact und Armageddon für den Saturation Release entschieden? Trifft zu Trifft zu F9: Gelingt es Deep Impact und Armageddon sich über umfangreiche Marketingkonzepte als Medienereignis zu konstituieren? Sind die Trailer und Filmposter von Armageddon und Deep Impact geeignet, um den Filmen Ereignischarakter zu verleihen? Trifft zu Trifft zu Tab .9: Übersicht über die Ergebnisse der komparativen Fallstudie (F1-F9) - 97 - V. Schlussbetrachtung und Diskussion Im Rahmen der komparativen Fallstudie zeigt sich vor allem, dass Produktion und Vermarktung vor dem Hintergrund des zunehmenden Wettbewerbs konkurrierender Unterhaltungsmedien stark aufeinander abgestimmt sein müssen, um den ökonomischen Erfolg der Filme zu sichern. Es wird deutlich, dass mit der Story, den Stars und dem Einsatz von Special-Effects in der Produktion die Grundlage für die Vermarktung geschaffen wird. Armageddon ist durch eine zielgruppenspezifische Vermarktung gekennzeichnet, die mit jeweils zielgruppenspezifischen Werbebotschaften auf der Story aufbaut und einerseits Actionszenen mit sensationellen Special-Effects sowie andererseits eine Love-Story in der Nebenhandlung herausstellt. So wurden bei Armageddon durch zwei unterschiedliche Trailer-Konzeptionen, mit einer actionbezogenen und einer romantischen Ausrichtung verschiedene Zielgruppen angesprochen. Mittels einer spektakulären Bildgestaltung und einer einfachen, linear verlaufenden Story wird in beiden betrachteten Filmen die Grundlage für eine international kulturübergreifende Vermarktung gelegt. Dieses Effekt-Kino schafft zum einen die Basis für eine weite Zielgruppendefinition und eine mainstream-orientierte, kulturübergreifende Vermarktung. Zum anderen entspricht die spektakuläre Bildgestaltung dem aktuellen Konsumentenbedürfnis im Action-Genre und stellt damit einen einzigartigen Produktnutzen (USP) dar. Bei den betrachteten Filmen der Fallstudie ist festzustellen, dass dieser USP beispielsweise in den Trailern deutlich herausgestellt wird. So enthalten die Trailer zu Armageddon und Deep Impact besonders viele Filmszenen, in denen digitale Technologien zum Einsatz kommen. Des Weiteren ist bei den betrachteten Filmen zu beobachten, dass sich durch die Besetzung der Hauptrollen mit dem Genre entsprechenden Top-Stars ein Imagetransfer erzielen lässt, welcher einen Vertrauensvorschuss bewirkt. Es ist anzunehmen, dass der durchaus erfolgreiche Film Deep Impact durch die Besetzung mit einem Top-Star des Genres wie Bruce Willis in Armageddon, noch erfolgreicher gewesen wäre. Mit Morgan Freeman wurde zwar ein Star, aber eben kein Top-Star des Genres aufgeboten. - 98 Bezogen auf die der Arbeit zugrundeliegende Fragestellung liefert die komparative Fallstudie eindeutige Ergebnisse. Es lässt sich feststellen, dass den im Rahmen der Fallstudie betrachteten HighConcept-Actionfilmen Deep Impact und Armageddon weitestgehend einheitliche Strategien in der Produktion und Vermarktung zugrunde liegen und damit beide ökonomisch sehr erfolgreich waren. Demnach scheint sich der High-Concept-Actionfilm im Zyklus aus Innovation und Imitation bereits in einer Phase der Standardisierung zu befinden. Fraglich ist, wie lange sich der High-Concept-Approach in dieser Form weiterverfolgen lässt, denn die möglichen Katastrophenszenarien wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutkatastrophen und Epidemien sind irgendwann ausgeschöpft und die Konsumenten könnten dessen überdrüssig sein. Die komparative Fallstudie kann aufgrund von zwei Filmen sicher nicht den Anspruch erheben, repräsentativ für das Actionfilmgenre sein; aber die Tatsache, dass sieben der neun forschungsleitenden Annahmen bei beiden Filmen zutreffen, spricht dafür, dass sie grundsätzlich für diese Untersuchung zutreffen. Um repräsentativere Ergebnisse zu erzielen, müsste man eine komparative Fallstudie auf einer deutlich größeren Anzahl von Filmen aufbauen. Eine solche Folgeuntersuchung könnte Erkenntnisse darüber liefern, ob sich die forschungsleitenden Annahmen auch für ein größeres Untersuchungssample bestätigen lassen, oder ob bei einem oder mehreren ökonomisch erfolgreichen Actionfilmen keine oder nur wenige der Annahmen zutreffen. In einer Folgeuntersuchung ließe sich darüber hinaus prüfen, inwieweit sich der Katalog von Annahmen auf Blockbuster-Produktionen anderer Genres übertragbar ist. Da Kinofilme im Jahr 2000 nur noch 21 Prozent des Gesamterlöses79 im Kino selbst einspielen, wäre darüber hinaus die Überprüfung der forschungsleitenden Annahmen in bezug auf eine erweiterte Verwertung ebenfalls ein interessanter Untersuchungsgegenstand. 79 Im Jahr 2000 entfielen in den USA des Weiteren 51 Prozent des Gesamterlöses auf die Video- und DVD-Verwertung und 28 Prozent auf die Verwertung im Fernsehen (vgl. Blanchet 2003: 107). - 99 - Literaturverzeichnis Albert, Steven (1998): Movie Stars and the distribution of financially successful films in the motion picture industry. In: Journal of Cultural Economics, Jg.22 (1998), S. 249-270. Auer, Manfred (2000): Top oder Flop? Marketing für Film- und Fernsehproduktionen. Bleicher Verlag. Gerlingen. Austin, Thomas (2002): Hollywood, hype and audiences. Selling and watching popular film in the 1990s. Manchester University Press: Manchester. 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Januar 2004 15:09 An: Oliver Kreft [mailto:[email protected]] Betreff: Re: Fragenkatalog Armageddon Sehr geehrte Frau Hecht, hier sind - wie am Telefon besprochen - die Fragen zu meiner Magisterarbeit. Das Thema meiner Arbeit lautet: Riskante Kalkulationen. Strategien in Produktion und Vermarktung von High-Concept-Actionfilmen. Eine komparative Fallstudie. In der komparativen Fallstudie geht es um den Vergleich von Armageddon und Deep Impact (beide Filme sind aus dem Jahr 98 und weisen dementsprechend eine hohe Vergleichbarkeit auf). Was mich im Besonderen interessiert sind Aspekte der Vermarktung. Die Antworten können so allgemein wie nötig und so speziell und vertiefend wie möglich ausfallen. Die Beantwortung der Fragen wurde von Herrn Bodo Rauscher, Marketing Director Buena Vista Home Entertainment in Deutschland, vorgenommen. 1. Gab es eine flächendeckende (einheitliche) Filmwerbung für Armageddon? (Die gleichen Kampagnen in Gesamtdeutschland bzw. Europa) Bodo Rauscher: Es gab zentrale TV-Spot-Konzepte, die lokal adaptiert und gegebenenfalls umgeschnitten wurden. 2. Wann begannen und wann endeten die Filmwerbekampagnen? (Hier genügt ein Schätzwert bzw. eine grobe Angabe. Wichtig ist es für mich herauszufinden, ob sich der Film bereits Monate vorher in den Medien ankündigte wie z.B. bei Godzilla.) Bodo Rauscher: 1 Woche vor bis 2 Wochen nach Veröffentlichungstermin. - 110 - 3. Gab es zielgruppenorientiertes Marketing? (Tagsüber z.B. TV- Trailer, die die Liebesbeziehung zwischen Grace Stamper (Liv Tyler) und A.J. Frost (Ben Affleck) thematisierten; Im Abend- bzw. Spätprogramm dagegen knallharte Actiontrailer.) Bodo Rauscher: Ja, es gab einmal eine eher romantische Konzeptausrichtung und eine eher action-orientierte, wobei die Programmumfelder nach den Zielgruppen ausgewählt wurden. 4. Gab es Werbekampagnen mit anderen Firmen (sog. Tie- Ins)? (Mir ist bekannt, dass Nokia einen Spot mit Bruce Willis gemacht hat und Originalfilmszenen für den Spot verwendet wurden. Diese Frage ist wahrscheinlich eher sensibel?) Bodo Rauscher: Ja, es gab für die Videovermarktung Kooperationen, u.a. mit einem Popcornhersteller und einer Brauerei. 5. Gab es spezielle Merchandising- Aktionen? (Meine Nachforschungen haben ergeben, dass Matell eine ArmageddonActionfigur entwickelte) Bodo Rauscher: Nicht für Deutschland. 6. Welche Anteile am Gesamtmarketing hatten die einzelnen Werbeformen? (Die Bonusfrage, die mir durchaus wichtige Erkenntnisse liefern würde. Allerdings würde ich es verstehen, wenn sie die Beantwortung dieser Frage ablehnen) Bodo Rauscher: Klassiche Media hatte einen Anteil von ca. 50%, davon ca. 90% TV . So, ich hoffe diese Fragen beinhalten genügend Diplomatie und Entgegenkommen. Mit freundlichen Grüßen, Oliver Kreft (Westfäl. Wilhelms Universität Münster - FB Kommunikationswissenschaft) - 111 - Anhang II Erläuterungen zu den Tabellen 10 und 11: In nachstehenden zwei Tabellen sind die Positionen der Actionsequenzen in Deep Impact und Armageddon zeitlich erfasst. Des Weiteren wurden Sequenzbeschreibungen vorgenommen, und es wurde die Qualität der Actionsequenzen bewertet. Filmminute Sequenzbeschreibung Qualität der Actionsequenz 5 Wolf, einer der Entdecker des Kometen, stirbt auf dramatische klein Weise bei einem Autounfall. Die Szene spielt im Weltall und beschreibt die unmittelbare 51 mittelgroß Eruption der Geysire auf dem Kometen beim Einfall erster (Sequenzdauer, ca. zwei Sonnenstrahlen. Die ungeheure Kraft der Eruption bewirkt, dass die Astronauten der Rettungsmission aus einem Bohrschacht geschleudert werden. Einer der Astronauten treibt ins All hinaus Minuten) und kann nicht mehr gerettet werden. 56 Der Komet explodiert nach der Zündung der Sprengladung und groß zerberstet in zwei unterschiedlich große Gesteinsbrocken. Das Shuttle wird dabei von der Explosion erfasst. Diese Szene beschreibt den Höhepunkt des Filmes. Biederman, 99 groß der kleinere Teil des Kometen, trifft auf den atlantischen Ozean (Sequenzdauer, zwei ca. auf und entfacht eine gigantische Flutwelle. Der Kometeneinschlag zieht eine Spur der Verwüstung nach sich. New York und Teile der Ostküste werden vollkommen weggespült. Minuten) 106 Der größere Teil des Kometen wird in nahezu allerletzter Sekunde gesprengt und der Weltuntergang somit abgewendet. Tab .10: Actionsequenzen in Deep Impact groß - 112 - Filmminute Sequenzbeschreibung Qualität der Actionsequenz 3 Ein Meteoritenschauer zerstört die Raumfähre Atlantis im mittelgroß Weltall. Die NASA ist schockiert, es herrscht äußerste Alarmbereitschaft bei absoluter Geheimhaltung des Vorfalls. 6 New York wird von massivem Meteoritenhagel heimgesucht. groß Zahlreiche Gebäude werden zerstört. 47 Simulation einer Bohrung auf dem NASA Testgelände. Das klein Team um Harry Stamper (Bruce Willis) gerät stark unter Druck. 54 Meteoriteneinschlag in Shanghai. Verheerende Verwüstungen mittelgroß sind die Folge. 65 Start der Mission zur Rettung der Erde klein 72 Beide Missionsshuttles docken an der MIR an, um Treibstoff zu groß tanken. Die Treibstoffzufuhr verläuft äußerst problematisch. Die (Sequenzdauer, ca. fünf MIR muss wegen eines Lecks evakuiert werden. A.J. Frost (Ben Affleck) droht bei der Aktion sein Leben zu verlieren. In der kompletten Einstellung gibt es zahlreiche Explosionen und Minuten) gewaltige Feuerausbrüche. Stamper rettet A.J. Frost in allerletzter Sekunde (Deadline-Effekt) Beide Shuttles nähern sich von hinten dem Asteroiden. Ein 80 groß ausgesprochen turbulentes Manöver bei dem das eine Shuttle (Sequenzdauer, ca. fünf Independence mehrfach von kleineren Gesteinsbrocken getroffen wird und infolgedessen manövrierunfähig ist. Die Independence kann zwar landen, es gibt aber an Bord einige Minuten) Tote. Innerhalb kurzer Zeit scheitern zwei Bohrungen auf dem 90 klein Asteroiden. Es bleibt nur ein letzter Bohrkopf, um die Mission (Sequenzdauer, erfolgreich zu beenden. ca. drei Minuten) 110 Die Überlebenden der Independence bahnen sich ihren Weg mittelgroß zum Team der “Freedom“ über einen Abgrund auf dem Kometen. 114 Ein verheerender Meteoriteneinschlag verwüstet Paris. mittelgroß 120 Das Bohrteam auf dem Asteroiden ist massivem Steinhagel mittelgroß ausgesetzt. Ein Crewmitglied lässt sein Leben. 133 Sprengung des Asteroiden Tab. 11: Actionsequenzen in Armageddon groß - 113 - Anhang III: Filmographie 2001: A Space Odyssey Amistad Armageddon Bad Boys Billy Bathgate Chain Reaction City of Lost Children Color of Night Death Becomes Her Deep Impact Die Hard: With a Vengeance Die Hard 2 Driving Miss Daisy Emergency Room End of Days Godzilla Good will Hunting Hard Rain Hudson Hawk Independence Day Jurassic Park Kiss the Girls Last Man Standing Lord of the Rings Lethal Weapon 4 Mercury Rising Moll Flanders Mortal Thoughts Nobody´s Fool Outbreak Project Peacemaker Pulp Fiction Robin Hood: Prince of Thieves Se7en Shadows and Light: From a different view - 114 Striking Distance Terminator 2 The Abyss The Bonfire of the Vanities The Fifth Element The Jackal The Matrix; Teil 1 The Matrix Reloaded The Matrix Revolutions The Last Boy Scout The Lost World The Power of One The Rock The Shawshank Redemption Titanic Twelve Monkeys Unforgiven Un Chien Andalou