F.S.K.

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F.S.K.
F.S.K.
”Akt, eine Treppe hinabsteigend”
Label: Buback Tonträger (only Vinyl)
Veröffentlichungstermin: 11.05.2012
"Denkbilder", so nannte Marcel Duchamp seine Arbeiten mit denen er vor allem der
damaligen Avantgarde eins auswischen wollte. Womit wir schon in der aktuellen F.S.K.Referenzhölle gelandet wären, deren Musik ja auch immer als "Denkmusik" betitelt wird.
Finden sich bei Duchamp doch mit Arbeiten wie der Mona Lisa mit Bart oder "Rrose Sélavy"
auch genau jene die Geschlechterzuordnungen verwirrenden Themen, um die es bei F.S.K.
im Grunde immer schon gegangen ist, und bei denen sich diesmal "Unter dem Regenbogen"
zu einer Art geheimnisvollem Minimal-Velvet Underground-Funk "im Zaubergarten von Oz"
verlaufen wird.
"Der 'Akt'", erklärt Thomas Meinecke, "der im französischen Originaltitel ja 'Nu' heißt und im
Englischen auch mit 'Nude' übersetzt wird, ist gleichsam ein politischer Akt. Ein 'Act Up!' bei
dem die Stiefel, die auf dem Cover zu sehen sind, auch schon mal zutreten können". "Wir
sagen ja: Akt, eine Treppe hinabsteigend. Bei uns geht es ja um den Akt, die Handlung, die
am Fuße der Treppe ausgeführt wird", ergänzt Michaela Melián. "Genauer gesagt, geht es
um Beate Klarsfeld, die nach vorn geht und dem Kanzler eine Ohrfeige gibt und nicht um den
Blick hinauf zu der nackten Frau, die zu einem herabsteigt."
Duchamps "Idee einer Bewegung", die den Kubismus vor allem um Elemente des noch
jungen Mediums Film erweitert, spinnen F.S.K. mit ihrem aktuellen Akt, als Idee einer Musik,
die "kubistisch klingt", weiter, ohne jedoch dabei kubistische Musik im engeren Sinn zu
machen. Immerhin empfanden schon die Kubisten Duchamps "Akt" als "ein wenig daneben".
Viel eher kommen die kubistischen Gitarren (etwa jene von George Braque oder Juan Gris)
deshalb ins Spiel, weil F.S.K. diesmal als Versuchsanordnung ihr altes Rockinstrumentarium
wieder hervorgekramt haben. Soll heißen: Justin Hoffmann hat die E-Gitarre wieder
ausgepackt und lässt seinen die letzten Alben markant gestaltenden DX7-Synthesizer etwas
in den Hintergrund treten, Thomas Meinecke und Wilfried Petzi lassen ihre Gitarren heftig
rückkoppeln. Nur, was tun damit?
"Rockmusik" geht auf alle Fälle nicht (auch wenn beim Lied über die durch Missy Elliott,
Timbaland/Magoo, Busta Rhymes, Aaliyah sowie Glen Campbell und Crystal Gayle berühmt
gewordenen "Master Sound Recording Studios" mal kurz ein diesbezügliches Fremdgehen
performt wird). Aber auch simpler Anti-Rock wäre zu einfach gewesen, selbst wenn an
einigen Stellen Updates des bandinternen Diskurses mit dem eigenen Werkkatalog (ihre
Debüt-LP "Stürmer" von 1981 wurde ja erst vor einigen Monaten wiederveröffentlicht)
durchschimmern. Zwar mag der zentrale Track "Eine Ohrfeige für Kurt Georg Kiesinger" mit
seinen laut klatschenden Sounds in einem Ohr an No Wave erinnern, im anderen Ohr wird
das jedoch gleich als Disco-Edit resignifiziert. Als Loop, der immer wieder an derselben
Stelle den Anfang wiederholt.
F.S.K. drehen hier gleichsam ihren eigenen Spieß um: Statt Techno- oder Disco-Tracks in
das Format Band zu übersetzen, überprüfen sie nun das Format Rocksong auf seine
Tracktauglichkeit hin. Das bedeutet zuerst einmal das Ausmisten von Breaks und Refrains
(auch wenn sich einige Melodien beim gelegentlich sehr extravaganten Verbiegen der
Songtexte als Quasi-Refrains maskieren), sowie die Reduktion auf maximal ein Riff oder
manchmal nur einen Akkord. Am besten gleich mit drei Gitarren inklusive nervös
herumeiernden, entfernt von den Frippertronics ausgeliehenen Nörgelsounds ("Erykah
sagt").
Dazu ein Sound (erneut aufgenommen in Hamburg von Ted Gaier und Mense Reents im Art
Blakey Studio, später abgemischt von Tobias Levin im Electric Avenue Studio) von einer
Klarheit, der all das sonische Scheuern, Schrammeln, Kratzen, Rauschen und Vibrieren
(exemplarisch dafür "Gute Nacht") sowie das permanente bis penetrante Schellen des
Tambourins erst so richtig zur Geltung kommen lässt. Nicht zu vergessen Carl Oesterhelts
stoisch getrommelter und von Michaela Meliáns Dub-Bass elegant umkreister BeatKubismus zwischen Jaki Liebezeit und Moe Tucker. Dabei ist zudem nicht immer klar, was
wir da gerade hören. Nachdem Wilfried Petzi schon mal bewiesen hat, dass eine Mandoline
auch wie eine House-Hi-Hat klingen kann, treten die Gitarren diesmal quasi "in drag" auf und
geben sich als Synthesizer aus ("Josephine Baker in Paris") oder legen das Sun Ra-Diktum,
nach dem jedes Instrument immer auch ein Perkussions-Instrument ist, beim
synkretistischen Humb-Ta-Polka als Dubstep-Samba-Verwirrspiel "Logisch" auf ihre Art und
Weise aus.
F.S.K. bringen dabei auch noch Duchamps "Idee einer Bewegung" ins Spiel, mit der das
vermeintliche auf der Stelle Treten im Loop ja auch als etwas ganz anderes gesehen werden
kann: Als Kreisen, Flanieren und Tanzen in der Schlaufe, der Schleife, dem Loop, dem
Regelkreis.
Oder wie es Thomas Meinecke anmerkt: "Musik von Verrückten. Eckig,
kantig, humpelnd, rumpelnd, holpernd."
Didi Neidhart
Produktion und Aufnahme:
Ted Gaier und Mense Reents gemeinsam mit F.S.K. im Art Blakey Studio in Hamburg.
Gemischt von Tobias Levin, Electric Avenue Studio.

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