Kurzgesch_ Internat
Transcrição
Kurzgesch_ Internat
Kurze Geschichte des Internationalen Frauentags 1909-2011 Der internationale Frauentag wurde NICHT von Clara Zetkin erfunden. Sie übernahm ihn von der us-amerikanischen Arbeiterinnenbewegung: 1908 richtete die dortige Sozialistische Partei ein Frauen-National-Komitee ein und erklärte den letzten Sonntag im Februar zum Frauentag. Begangen wurde er zuerst in Chicago 1909 am 23. Februar. 1910 trafen sich 100 Frauen aus 17 Ländern auf der Konferenz der 2. Sozialistischen Internationalen in Kopenhagen. Auf Antrag von Zetkin wurde dort beschlossen, dass sozialistische Frauen aller Länder den Frauentag gemeinsam begehen sollten, um für ihr Wahlrecht zu streiten. Schätzungsweise 1. Million Frauen und Männer nahmen 1911 außer in den USA auch in Dänemark, Deutschland, Österreich und der Schweiz am 19. März teil. In Holland und Schweden geschah Ähnliches 1912, ebenso wie in Nanking, China. In Russland begannen solche Demonstrationen 1913. In vielen Ländern wurden/werden Mimosenblüten zum Internationalen Frauentag verschenkt. In Kopenhagen war als Termin der 19. März beschlossen worden; aber die Russinnen kehrten 1913 zum ursprünglichen Termin: letzter Sonntag im Februar zurück. Auch in verschiedenen anderen Ländern fanden Frauenproteste damals am Internationalen Frauentag gegen den anstehenden Krieg statt. 1917, schon 2 Millionen Russen sind im Krieg getötet; die Arbeitsbedingungen in den Fabriken werden immer schlechter; es gibt kaum noch Nahrungsmittel. Daher legen Arbeiterinnen in Petrograd ihre Tätigkeiten nieder und lösen damit die Februarrevolution aus, die zur Abdankung des Zaren und zur Einführung des Frauenwahlrechts führt. Der historische Sonntag dafür war der 28. Februar nach dem Julianischen Kalender, aber der 8. März nach dem Gregorianischen. Sowjetunion 1931 Seitdem hat der Tag global neue Bedeutung gewonnen und wurde schließlich 1975, im internationalen Jahr der Frau auch von der UNO übernommen. 1921 legte die Kommunistische Internationale, wiederum auf den Antrag von Clara Zetkin, auf ihrer 2. Konferenz, den Termin für die Feiern zum Frauentag auf den 8. März fest. 1923 beschloss auch die 1. Internationale Frauenkonferenz der sozialistischen Arbeiterinternationalen unter dem Vorsitz von Adelheid Popp (Österreich) die Wiedereinführung des Frauentages. Statt Clara Zetkin führte Maria Juchacz, als Beisitzerin von Adelheid Popp die deutsche Delegation an. Juchacz stimmte bis 1926 gegen die Wiedereinführung des Internationalen Frauentages. Aber 1925 beschloss auch der Internationale Gewerkschaftsbund die Durchführung des Frauentages, um seine eigenen Arbeiterinnenorganisationen damit öffentlichkeitwirksamer darzustellen. Doch in der 2. Hälfte der 1920er Jahre fiel der Internationale Frauentag häufiger aus und wurde auch mit Beginn der 1930er-Jahre angesichts der faschistischen Bedrohung kaum radikaler. Zum letzen Mal wurde er 1931 in Deutschland begangen. Die Nazis verboten den Internationalen Frauentag; aber 1933 wurde er auch in den deutschen Gefängnissen mit viel Lärm begangen: Frauen hämmerten mit Schüsseln und Kannen gegen die Zellentüren. Denn für die Frauen im Widerstand hatte der Internationale Frauentag während des Faschismus ungebrochene Bedeutung. Der Nationalsozialismus bedeutete das Ende einer eigenständigen Frauenbewegung in Deutschland. Darüber hinaus wurden auch alle Beziehungen zu internationalen Frauenorganisationen abgebrochen. Von den Nazis wurde der Bund Deutscher Mädel und die NS-Frauenschaft gegründet und der Muttertag 1933 zum nationalen rassistischen Feiertag erklärt. Die Nachkriegszeit: Ab 1945 feierten die Sozialdemokratinnen und die Kommunistinnen den Internationalen Frauentag wie nach 1920 getrennt. Die sozialdemokratischen Veranstaltungen dauerten einige Tage oder Wochen im Frühjahr. Die Kommunistinnen begingen den Internationalen Frauentag weiterhin am 8. März. Mit der SPD in der Opposition verlor der Internationale Frauentag als politisches Datum in Westdeutschland an Bedeutung. Spätestens in den 1960er Jahren war Frauenpolitik kein starkes Thema mehr für die Sozialdemokratie. So wurde der Internationale Frauentag nur noch 1962 und 1963 begangen. 1963 sprach Willy Brandt das Grußwort. Doch Ende der 1960er- und Anfang der 1970er- Jahre entstand international die „Neue Frauenbewegung“; dadurch erlebte die Frauenarbeit in den Gewerkschaften und Parteien auch in WestDeutschland einen Aufschwung. Im Zuge dieser Bewegungen wurde der Internationale Frauentag zu einem Tag breit angelegter, vielfältiger Aktionen und gewann an Nachdruck und Durchsetzungskraft. In den 1980er-Jahren trat die Forderung nach Frieden und Abrüstung in den Mittelpunkt. Frauenund Friedenspolitik wurden verknüpft. Zum Internationalen Frauentag 1980 rief auch die „Abteilung Frauen“ des DGB die Gewerkschafterinnen auf, ihre Forderungen öffentlich zu machen. Doch die Spitzenvertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes wollten den Internationalen Frauentag nicht anerkennen, weil es sich um einen „sozialistischen Kampftag“ handele. Die Gewerkschaftsfrauen ließen sich aber von den Veranstaltungen nicht abhalten, obwohl die DGBFührung die Teilnahme verboten hatte. 1981 wurden in Einzelfällen gewerkschaftliche Veranstaltungen möglich, allerdings durften keine anderen gesellschaftlichen Frauengruppen außerhalb des DGB teilnehmen. Schließlich musste der DGB dem Druck der Frauen nachgeben: Der Internationale Frauentag wurde als Aktionstag für Gewerkschaftsfrauen bestätigt. Tatsächlich war der Einfluss von SEW = Sozialistischer Einheitspartei Westberlin, Demokratischem Frauenbund, DFB, und Sozialistischem Frauenbund, SB, alles Ableger der SED, auch in Westberlin und Westdeutschland in den 1980er Jahren besonders beim Internationalen Frauentag deutlich spürbar. Einfluss von SEW, DFB und SB Doch aus der Neuen Frauenbewegung kamen nun neue Themen: Die zentrale Veranstaltung 1982 zum 8. März, an der auch Alice Schwarzer teilnahm, stand unter dem Motto „Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter“. Beim Internationalen Frauentag 1983 in Hagen wurde gegen die konservative Regierung der CDU/CSU und FDP protestiert, da diese die mühsam erkämpften Frauenrechte bedrohte. 1984 stand der Internationale Frauentag unter dem Motto „Mehrheit an die Macht – Frauen aufgewacht“. Die zentrale Veranstaltung fand in Köln statt, daneben gab es noch 20 regionale Veranstaltungen. 1985 hießen die Forderungen „Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, Sozialausbau, Beteiligung an der Politik, an Mandaten und Funktionen“. 1986 hieß das Motto zum 75.Jahrestag des Internationalen Frauentags „Wir wollen Brot und Rosen“. „Brot“ steht für menschengerechte Arbeitsbedingungen, berufliche Entfaltung und Fortentwicklung und eigenständige soziale Sicherung für die Frau. „Rosen“ stehen für Liebe. Mit diesem Slogan wurde erneut auf ein durch die Frauenbewegung wieder erinnertes Lied amerikanischer Textilarbeiterinnen zurückgegriffen. Am Internationalen Frauentag 1986 treten 20 Organisationen für die Streichung des § 218 STGB ein. Zum ersten Mal senden alle ARD Rundfunkanstalten zusammen vier Stunden Frauentagsprogramm, mit der Ausnahme von Bayern. In der DDR diente der 8. März zur Aufwertung der politisch erwünschten Erwerbsarbeit von Frauen. Er war kein arbeitsfreier Feiertag wie in der Sowjetunion. Er entwickelte sich zu einer Art sozialistischem Muttertag. Die Tradition, an diesem Tag für die Rechte der Frau zu kämpfen, stand bald nicht mehr im Mittelpunkt: „Heute ist der 8. März, Frauentag ist heute, unserer Mutti machen wir eine große Freude. Ich wasche alle Teller, weil ich schon helfen kann, wir waschen alle Teller, nun schaut euch das mal an (...) Heute feiern alle Frauen, denn heut ist Frauentag, ich weiß, dass meine Mutti die Blumen gerne mag. Ich weiß es, ich weiß, dass sie Blumen gerne mag. Am 8. März da gibt es noch keine Blumen hier. Drum zeichne ich für Mutti die Blumen auf Papier. Ich zeichne, ich zeichne die Blumen auf Papier (...)“ lautete ein Kinderlied. Am 3. Oktober 1990 trat die DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. In der ersten Hälfte der 90er Jahre diente der 8. März auch zur Annäherung der Frauenbewegungen in Ost und West. 1991 hielt die Bürgermeisterin und Senatorin für Arbeit und Frauen, Dr. Christine Bergmann, anlässlich des Frauentages eine Rede im Roten Rathaus in Berlin. Sie betonte die Gemeinsamkeiten der Frauen in Ost und West und plädierte für eine Beibehaltung des Frauentages. Die Solidarität mit Migrantinnen wurde seit den 1990er Jahren ein wichtiges Thema am 8. März. 1993 hielt im Rathaus Schöneberg beim ersten politischen Frauenfrühstück, organisiert von der überfraktionellen Fraueninitiative, Fahimeh Ilya die Tischrede zum Thema „Einwanderinnen und ihr Platz in der Gesellschaft und in der Frauenbewegung“. Die Stadt München vergab seit 1992 jährlich zum Internationalen Frauentag am 8. März den Anita Augspurg-Preis für „vorbildliche Beiträge zur Gleichberechtigung in München“ an eine oder mehrere Fraueninitiativen; ähnlich der Senat in Berlin. 1994 wurde in ganz Deutschland vom 5.-8. März zum ersten Frauenstreik aufgerufen : „gegen den Abbau von Grundrechten, gegen die zunehmende Armut von Frauen, gegen die Zurückdrängung bereits erreichter Frauenrechte, gegen die Vorbereitungen zu deutscher Kriegsbeteiligung, gegen den Abbau von Sozialleistungen und die Zerstörung der Umwelt.“ Autonome Feministinnengruppen fuhren mit einem Sonderzug zur Zugspitze, um dort eine Fahne zu hissen mit der Aufschrift „Das ist der Gipfel“. 1995 warben in Berlin Feministinnen ironisch für den Internationalen Frauentag mit der Eura. Damit wurde statt zur Demonstration zu den altbekannten Themen der früheren Jahre „(gähn)“, zum „Konsumbummel“ eingeladen. Eine große Rolle spielten jetzt „Gleichstellungsbeauftragte“ und „Gleichstellungsbüros“, die seit den 90er Jahren in Kommunen und öffentlichen Ämtern eingerichtet wurden. Die Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag in Deutschland im Jahrzehnt 2000-2010 hatten viele verschiedene Themen, Anliegen und Botschaften. Aufrufe und Reden erschienen jetzt auch im Internet. Zum Beispiel in Hamburg fand am 8. März 2001 die Internationale Frauen-Internetkonferenz WOW - Women on the Web statt mit Fachfrauen aus Schweden, Italien, Österreich, Deutschland und Kroatien.(Und aus ebd. diesem Grund wurden hier in diesem Text aus dem Internet ladbare aktuelle Abbildungen übernommen, obgleich Rechte an den Bildern nicht geklärt werden konnten). Eine Kundgebung zum Internationalen Frauentag am 03. März 2001 in Hannover forderte: gleiche Rechte für Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen, eine gerechtere Aufteilung von gesellschaftlich notwendiger Arbeit und die selbstbewußte Präsenz von Frauen in der Öffentlichkeit, Kunst und Gesellschaft. Im Kreuzberger SO36 in Berlin feierte am internationalen Frauentag 2005 eine Party zugunsten der Aktion "Papiere für Alle"". Der Internationale Frauentag 2007 in Tübingen stand unter dem Motto "Natürlich bin ich Feministin"? In Dortmund diskutierten am Frauentag 2008 fast 600 Frauen in 12 Foren zum Thema: „Teilhabe für alle“. Der Internationaler Frauentag 2009 in Bochum stand unter dem Motto: “Frauen verbinden Welten”. Veranstaltungen waren z.B. ein christlich-muslimisches Frauengebet, ein Gottesdienst zum Weltgebetstag der Frauen aus Papua-Neuguinea, ein Frühstück mit Kabarett des DBG und ein Frauenstadtrundgang von ausZeiten, dem Bochumer Lesbenarchiv. Und anderswo? In Korea zum Beispiel wurde der Internationale Frauentag schon in den 1920er Jahren eingeführt, doch gab es erst seit 1987 landesweit Aktionen und auch leichte Verbesserungen zugunsten von Frauen. Ein entsprechender Bericht wurde zu Korea anlässlich des Weltfrauentags 2008 veröffentlicht. Oder 2008 auf den Philippinen: 2010 in Istanbul: oder im Iran: Wegen vielfältiger Nachfragen nach Materialien zum 100. Jahrestag in Europa 2011 und wegen Kooperationsbemühungen des Dresdenener Frauenstadtarchivs entschlossen wir uns, eine Auswahl von Archivalien aus unserm Graue-Materialien-Bestand digitalisieren zu lassen, um vor allem zu belegen, dass die Neue Frauenbewegung in Berlin und Westdeutschland den Internationalen Frauentag mitnichten, wie fälschlicherweise wiederholt behauptet, zugunsten der Walpurgisnacht missachtet hat. Berlin, im Februar 2011 Prof. Dr. Ursula Nienhaus