Gebrochene Versprechen - düstere Zukunft

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Gebrochene Versprechen - düstere Zukunft
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Gebrochene Versprechen –
düstere Zukunft
Bezahlen indigene Völker und der Amazonas
den Preis für den Rohstoffhunger der Welt?
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GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
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Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist eine internationale Menschenrechtsorganisation, die
sich für verfolgte Minderheiten und indigene Völker ­einsetzt. Sie dokumentiert Menschenrechtsverletzungen, informiert und sensibilisiert die Öffentlichkeit und nimmt die Interessen der Betroffenen
gegenüber Behörden und Entscheidungsträgern wahr. Sie unterstützt lokale Bemühungen zur Stärkung
der Menschenrechte von Minderheiten und indigenen Völkern und arbeitet national sowie international mit Organisationen und Per­sonen zusammen, die ähnliche Zielsetzungen verfolgen. Die GfbV hat
sowohl beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der UNO als auch beim Europarat.
Carmen Santana Dos Santos ist Praktikantin der GfbV im Bereich Kampagnen & Projekte. Sie studierte
„Mehrsprachige Kommunikation“ an der Zürcher Fachhochschule (ZHAW) und hat einen M.A.S. in „Peace
and Conflict Transformation“ der Universität Basel.
Herausgeberin: Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz, Schermenweg 154, CH-3072
Ostermundigen, Tel. 031 939 00 00, ­E-Mail: [email protected], Web: www.gfbv.ch, Spendenkonto: BEKB: IBAN CH05 0079 0016 2531 7232 1 Redaktion: Carmen Santana Dos
Santos
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
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Glossar
ANA
Agência Nacional de Águas
Staatliche Wasserbehörde
ANEEL
Agência Nacional de Energia Elétrica
Brasilianische Elektrizitätsbehörde
CII
Coordenadoria de Índios Isolados
CGIIRC
Coordenadoria Geral de Índios Isolados e
Recém Contatados
CIMI
Conselho Indigenista Missionário
Missionsrat für Indigene
Eletrobrás
Eletrobrás
Hauptenergieversorger Brasiliens
FUNAI
Fundação Nacional do Indio
Nationale Stiftung der Indigenen
IBAMA
Instituto Brasileiro do meio Ambiente e
dos Recursos Naturais Renováveis
Brasilianische Umweltbehörde
ISA
Instituto Socioambiental
IIRSA
Integración de la Infrastructura Regional
en América del Sur
NESA
Norte Energia S.A.
OEA
Organização dos Estados Americanos
PAC
Programa de Aceleração do Crescimento
REDD
Koordinationsstelle für isolierte Indigene
Allgemeine Koordinationsstelle für
isolierte und vor kurzem kontaktierte
Indigene
Brasilianische NGO, die sich mit indigenen Völkern in Brasilien befasst
Initiative zur regionalen Infrastrukturintegration in Südamerika
Brasilianisches Konsortium, Konzessionsinhaber von Belo Monte
Organisation Amerikanischer Staaten
Nationales Programm zur Beschleunigung des Wachstums
Reducing Emissions from Deforestation and Reduzierung von Emissionen aus EntDegradation
waldung und Walddegradierung
RIMA
Relatório de Impacto Ambiental
Umweltverträglichkeitsprüfung/-studie
SPI
Serviço de Proteção ao Índio
Dienst zum Schutz der Indigenen
TI
Terra Indígena
Indigenenreservat
UHE
Usina Hidroelétrica
Wasserkraftwerk
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Vorwort
Während Jahrhunderten erlebten die indigenen Völker in Brasilien - wie in vielen anderen Ländern auch
- Unterdrückung, Ausbeutung, Vertreibung, manchmal gar Ausrottung ganzer Gemeinschaften und Völker
und die Zerstörung ihrer kulturellen Identität. In den letzten Jahrzehnten aber keimte verschiedentlich
Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Richtung Selbstbestimmung auf: Am 14. April 1961 wurde der grosse
Park für die Kayapo-Indigenen, der Nationalpark Xingù (Parque Indígena do Xingu), ins Leben gerufen. In
einer Aufbruchsphase nach Überwindung der jahrzehntelangen Militärdiktatur sprach Brasilien 1988 den
Indigenen durch die Annahme der Verfassung deutlich mehr Rechte zu und erteilte ihnen Landrechte im
Sinne der Demarkierung ihrer traditionellen Lebensräume – ein Meilenstein in der Indigenenpolitik Brasiliens. Mehr als 20 Prozent der Amazonasregion wurde in der Folge demarkiert. 2002 ratifizierte Brasilien
die Indigenenkonvention ILO 169 und verpflichtete sich damit zur Anerkennung der in dieser Konvention
festgelegten Indigenenrechte. Im September 2007 unterstützte Brasilien schliesslich das umfassendste
Rechtswerk auf internationaler Ebene, die Erklärung der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen,
und erklärte sich damit bereit, die Indigenenrechte umfassend zu verwirklichen.
Diese Hoffnungen erwiesen sich als falsch: Die brasilianische Regierung bremst in den letzten Jahren den
Demarkierungsprozess und damit ein Kernstück der von der Verfassung garantierten Rechte. Im Amazonasregenwald wird ein Staudamm nach dem anderen bewilligt, ohne das Einverständnis der betroffenen
indigenen Völker einzuholen. Die verfassungsmässig garantierte Anhörung der Indigenen bei Projekten
entwickelt sich zu einem Feigenblatt für eine rasche Umsetzung wirtschaftlich fragwürdiger Unternehmen,
Im Rahmen der Bekämpfung der Armut – und im Interesse der Wirtschaft und Grossgrundbesitzer - möchte
die Regierung den artenreichen und als Ursprung sowie Heim vieler indigener Völker dienende Amazonas
in ein riesiges Industriezentrum verwandeln, was massive Auswirkungen auf die indigenen Völker, die Artenvielfalt und das lokale sowie das weltweite Klima haben wird.
Die wirtschaftliche Entwicklung Brasiliens der letzten zwei Jahrzehnte ist beeindruckend. Euphorisch plant
die brasilianische Regierung, fast jeden Fleck dieses riesigen Landes in landwirtschaftliche Produktion
umzuwandeln, möglichst jedes Mineral aus dem Boden zu holen, aus vielen Flüssen Strom zu erzeugen und
jedes Stück Wald, das geschützt werden soll, über den Kohlenstoffmarkt in bare Münzen zu verwandeln.
Dies führt paradoxerweise zur Zerstörung dessen, was man eigentlich schützen möchte: Dem Lebensraum
Amazonas.
Der wirtschaftliche Fortschritt darf nicht auf Kosten der indigenen Bevölkerung gehen, die dieses Land
während Jahrtausenden nachhaltig genutzt hatten, bevor das Land kolonialisiert wurde und den Namen
Brasilien erhielt. Er darf auch nicht auf Kosten des grössten Regenwaldgebiets gehen und damit die weltweite Klimaerwärmung anheizen. Brasilien ist mächtig geworden und muss damit mehr Verantwortung
übernehmen: Die wirtschaftliche Entwicklung muss in Einklang mit den Bedürfnissen der Betroffenen und
der Natur vorangetrieben werden.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker sieht im völkerrechtlich abgestützten Konzept des freien, informierten
und vorherigen Einverständnisses (FIVE) der betroffenen indigenen Völker ein interessantes Instrument,
sodass die Konflikte um Landbesitz, Landnutzung und Selbstbestimmung gemindert oder gar zu gelöst
werden können. Es sieht vor, dass sämtliche Projekte, die das Leben der Indigenen betreffen, mit ihnen
ausgehandelt werden und dass ihr Einverständnis dafür gesucht wird. Dies hätte zur Folge, dass schadenmindernde Massnahmen diskutiert und umgesetzt werden und dass Kompensationen und Beteiligungen am
Gewinn ausgehandelt werden. Es bedeutet, dass die bisher vom Schaden betroffenen Menschen am Nutzen
beteiligt werden.
Es bedeutet aber auch, dass der Staat sich bereit zeigt, ein mögliches Nein der betroffenen Menschen zu
akzeptieren. Davon ist Brasilien noch weit entfernt.
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Mit diesem Bericht möchte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aufzeigen, wie verheerend sich der
heutige Trend auf die indigenen Völker sowie auf den Amazonas auswirken würde und warum es wichtig ist,
dass die Rechte der Indigenen umgesetzt werden. Ferner schlägt die GfbV Massnahmenbereiche vor, wie
Brasilien diese Rechte umsetzen könnte. Damit könnte Brasilien aufzeigen, dass wirtschaftliche Entwicklung und die Rechte der betroffenen Völker durchaus vereinbar sind und einen grossen Schritt in Richtung
fortschrittlicher, menschenrechtskonformer Politik gehen.
Bern, Juni 2012
Christoph Wiedmer
Geschäftsleiter
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
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Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
8
2. Allgemeine Informationen
10
3. Rechtliche Grundlagen der Indigenenpolitik
11
3.1 Die brasilianische Verfassung und das Indigenenstatut
11
3.2 Das oberste Gericht
12
3.3 Die Indigenenschutzbehörde FUNAI
13
3.4 Internationales Recht
15
3.4.1 Übersicht
15
3.4.2 Deklaration über die Rechte indigener Völker
15
3.4.3 ILO-Konvention 169
15
3.4.4 Freies, Informiertes, Vorheriges Einverständnis - FIVE
16
4. Indigene in Amazonien
18
4.1 Indigene
18
4.2 Indigene mit Erstkontakt
20
4.3 Isolierte Indigene
21
5. Wirtschaftliche und politische Bedrohungen
26
5.1 Übersicht
26
5.2 Wirtschaftliche Entwicklung
27
5.2.1 Initiative zur regionalen Infrastrukturintegration in Südamerika (IIRSA)
27
5.2.2 Nationales Programm zur Beschleunigung des Wachstums (PAC)
29
5.3 Strassenbau
30
5.4 Staudämme
31
5.4.1 Aktuelle Situation
31
5.4.2 Geplante Staudämme
32
5.4.3 Staudamm Belo Monte
34
5.4.4 Teles Pires
43
5.5 Abholzung
45
5.6 Bodenschätze
48
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5.6.1 Mineralienreichtum
48
5.6.2 Erdöl und -gas
50
5.6.3 Gold
51
5.7 Politische Prozesse
52
5.7.1 Demarkierung der Indigenenreservate
52
5.7.2 Waldgesetz
52
5.8 Landwirtschaft
54
5.8.1 Übersicht
54
5.8.2 Rinderzucht
54
5.8.3 Soja
54
5.8.4 Zuckerrohr
55
5.8.5 Palmöl
55
5.9 Globaler Kohlenstoffmarkt
56
6. Gesellschaftliche Bedrohung
58
7. Schlusswort und Lösungsansätze
60
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Gesetzesartikel
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1. Einführung
Wachstum ist die Zauberformel, mit der die brasilianische Regierung das Land seit Jahren entwickelt.
Seit der Einführung des exportorientierten Wachstumsmodells mit Beginn der Amtszeit des damaligen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva im Jahr
2003 hat sich die Wirtschaftsleistung des Landes
fast verdoppelt. 40 Millionen Brasilianerinnen und
Brasilianer sind in den vergangenen Jahren in die
Mittelschicht aufgestiegen, ungefähr 20 Millionen
konnten sich aus der totalen Armut befreien.
Dafür wird ein enormer Preis bezahlt: Die ökologischen Probleme werden immer grösser. Die Leidtragenden sind insbesondere die Indigenen, die bereits seit der Kolonisierung des Kontinents in ihrer
Existenz durch Krankheiten, Versklavung, Enteignung ihres Landes, Entwaldung und Ausbeutung
der Bodenschätze bedroht werden. Viele indigene
Gemeinschaften sind im Laufe der Zeit ganz oder
teilweise verschwunden oder haben sich in die Tiefen des Regenwaldes zurückgezogen. Im heutigen
Brasilien leben noch 817‘000 indigene Menschen,
was weniger als einem halben Prozent der gesamten Bevölkerung entspricht1. Viele der traditionellen Lebensräume oder Rückzugsgebiete werden
mit oder ohne Erlaubnis der zuständigen Behörden
ausgebeutet und zerstört.
Das brasilianische Entwicklungsprogramm, das
sogenannte Programm zur Beschleunigung des
Wachstums (PAC), das die brasilianische Regierung
zur Bekämpfung der Armut entwickelte, umfasst
riesige Infrastrukturbauten. Geplant sind neue
Staudämme, ein enormer Ausbau der Nutzung von
Rohstoffen, Erdöl und Erdgas sowie der Bau von
Strassen. Ausserdem sind Projekte im Bereich städtischer und sozialer Infrastruktur in ganz Brasilien
geplant.
Nun nimmt diese Entwicklung eine neue Dimension
an: Seit 2011 werden die umstrittenen Staudämme
Belo Monte und Teles Pires im Bundesstaat Pará
gebaut. Es bestehen zudem Pläne für bis zu 258
weitere Staudämme im Amazonasgebiet2.
Nicht nur die Wasserkraftwerke haben verheeren-
de Folgen für die Menschen vor Ort, insbesondere
leiden darunter die indigene Bevölkerung und ihre
Umwelt. Der Hunger nach Bodenschätzen, getrieben durch die grosse Nachfrage in den sogenannt
entwickelten Ländern und in den aufstrebenden
Märkten China und Indien, lässt die Preise für Rohstoffe steigen. Nun lohnt sich der Rohstoffabbau
auch in entferntesten Regionen des Regenwaldes.
Hunderte von Gesuche für die Mineralschürfung
wurden bereits eingereicht und zum Teil vom Ministerium für Bergbau bewilligt. Einige dieser Bewilligungen wurden sogar in Indigenenreservaten
erteilt, was bis zum heutigen Tag illegal ist. Dies
geschah alles ohne das Wissen oder die Einwilligung der indigenen Völker, welche die rechtmässigen Nutzer dieser Gebiete sind.
Auch neue Siedlungsgebiete und Anbauflächen für
die Landwirtschaft weiten sich aus. Riesige Flächen
im Amazonaswald werden niedergebrannt und als
Sojaplantagen und Grasland für Vieh genutzt. Das
Volk der Xikrin am Fluss Catete ist beispielsweise vollständig von intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen umzingelt.
Besorgniserregend ist zudem die Entwicklung der
brasilianischen Gesetzgebung. Während Brasilien mit der Verfassung von 1988 einen grossen
Schritt in Richtung modernen Indigenenschutz
unternahm, demontiert seither das Parlament den
menschenrechtlichen Schutz der Indigenen und
deren Lebensraum. Ein Beispiel ist der Entwurf
des Waldgesetzes, das eine massive Zunahme der
Abholzung und eine Amnestie für Waldgesetzesbrecher zur Folge haben wird. Äusserst besorgniserregend ist der Gesetzesentwurf PL 1610/1996
zur Regelung der Demarkierung der Indigenenreservate. Wenn dieser angenommen wird, würde er
die Tore zum kommerziellen Rohstoffabbau auch in
Indigenenreservaten öffnen. Gemäss der brasilianischen Nichtregierungsorganisation Instituto Socioambiental (ISA) wurden bis ins Jahr 2010 1‘338
Schürfgenehmigungen in den Reservaten erteilt.
10‘348 entsprechende Anfragen sind in Bearbei-
__________
1 Vgl. http://www.funai.gov.br
2 Vgl. Movimento dos Atingidos por Barragens (2008): Hidréletricas no Rio Madeira: Energia para qué? E para quem?, http://
www.mabnacional.org.br/publicacoes/cartilha_riomadeira_miolo_2ed.pdf, Seite 7.
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tung, obwohl das Gesetz noch nicht verabschiedet
wurde (siehe Kapitel Bergbaugesetz)3.
Neben diesen gesetzgeberischen Entwicklungen
richtet sich auch die Realpolitik der Regierung
klar gegen die Interessen der indigenen Völker
und wirkt sich verheerend auf den Schutz ihres Lebensraumes aus. Invasionen von Siedlern, Goldwäschern und Wilderern wird kein Einhalt geboten.
In vielen Konfliktzonen ist der Staat nicht präsent.
Neue Indigenenreservate werden kaum mehr ausgewiesen. Die Gewalt an indigenen Menschen ist
besorgniserregend hoch.
Brasilien kann stolz sein auf die kulturelle Vielfalt,
die sich in diesem riesigen Land gebildet hat. Dazu
gehören die kaum mehr vorhandenen indigenen
Völker, die noch vollständig ohne Kontakt mit anderen Gruppen oder in freiwillig gewählter Isolation leben. Unbeeinflusst von der „Aussenwelt“ hat
sich bei ihnen eine jahrhundertealte Kultur entwickelt, die es um jeden Preis zu schützen gilt. Da
diese Gemeinschaften besonders gefährdet sind,
gilt ihnen ein besonderes Augenmerk.
Brasilien hat sich nicht nur der Bekämpfung der
Armut verschrieben. Durch die Ratifizierung der
Indigenenkonvention ILO 169 und durch die Zustimmung zur UNO-Deklaration über die Rechte der
indigenen Bevölkerung hat sich Brasilien auch dem
Schutz der Indigenen verpflichtet. Diesen Zugeständnissen müssen nun Taten folgen. Der Schutz
der indigenen Bevölkerung muss weiterentwickelt
werden, die zugesprochenen Territorien müssen
vollständig ausgewiesen und die Mitbestimmung
der indigenen Bevölkerung muss garantiert werden.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) stellt
in diesem Bericht ein Konzept vor, das zur Lösung
vieler Konflikte beitragen könnte: Das Recht der
indigenen Bevölkerung auf ihr freies, informiertes
und vorheriges Einverständnis bei allen Aktivitäten
Dritter, die sie oder ihre Lebensweise beeinflussen.
__________
3 Vgl. Veríssimo, Adalberto et al. (2011): Protected Areas in the Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/10381.pdf, Seite 76.
9
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2. Allgemeine Informationen
Brasilien ist das weltweit fünftgrösste Land und
rei, der Kautschukboom und die Diskriminierung
verfügt über eine Fläche von 8‘511‘950 km². Die
hatten diese Zahl im Laufe der folgenden Zeit
grosse ethnische Vielfalt entstand durch Durchmassiv verringert. Seit 28 Jahren ist die indigene
mischung der ursprünglichen indigenen BevölkeBevölkerung erstmals wieder am Wachsen. Nun berung Brasiliens mit portugiesischen Siedlern und
mit verschleppten afrikanischen Sklaven. Später
auch Immigranten aus Europa, dem Nahem Osten
und Asien hinzu. Zu den indigenen Völker zählen
laut offiziellen Statistiken der FUNAI noch ungefähr 817‘000 Menschen4. Dies entspricht ca. 0.4
Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie leben in Gemeinschaften in den Reservaten und in Städten.
In Brasilien wurden bis ins Jahr 2011 643 Indigenenreservate demarkiert, die insgesamt eine Fläche von 1‘154‘999km², knapp 28-mal die Fläche
der Schweiz, einnehmen5.
Im 16. Jahrhundert, zur Zeit der portugiesischen
Kolonisation, lebten schätzungsweise noch 1‘000
indigene Gemeinschaften und je nach Schätzungen und Quelle zwischen ein bis zehn Millionen Abbildung 2: Situierung Amazonien (Quelle: Imazon8)
indigene Personen in ganz Brasilien6. Gewaltsame
drohen die neuen wirtschaftlichen EntwicklungsKonflikte, gezielte Tötungen, Krankheiten, Sklaveprojekte erneut die Existenz der indigenen Völker.
Das brasilianische Amazonasgebiet erstreckt sich
auf einer Fläche von 4‘200‘000 km², das heisst es
bedeckt die Hälfte des Landes9. Von dieser Fläche stehen ungefähr 43 Prozent unter Schutz: 49.4
Prozent ist Naturschutz und 50.6 Prozent sind
Indigenenreservate. Diese Schutzgebiete leiden
zunehmend unter Übergriffen wegen schlechter
Verwaltung und unzureichenden Kontrollen seitens
der Regierung.
Abbildung 1: Brasilien (Quelle: muz7 )
__________
4 Vgl. http://www.funai.gov.br
5 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 13.
6 Vgl. http://www.funai.gov.br
7 Quelle: http://www.muz-online.de/america/brasilien1.html
8 Quelle: http://www.imazon.org.br/mapas/amazonia-legal/view
9 Auch bekannt unter der Bezeichnung „Amazonien“ - in Brasilien wird dieses Gebiet auch Amazônia Legal genannt. In diesem Bericht werden die Begriffe Amazonien und Amazonasgebiet als Synonyme verwendet.
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3. Rechtliche Grundlagen der Indigenenpolitik
3.1 Die brasilianische Verfassung und
das Indigenenstatut
Nach Überwindung der Militärdiktatur erhielt der
brasilianische Staat am 5. Oktober 1988 eine neue
Verfassung. Neben fortschrittlichen Elementen für
eine moderne Menschenrechtspolitik enthielt sie
auch progressive Paragraphen zu den Rechten der
Indigenen. Die Paragraphen 231 und 232 unterteilen die indigene Bevölkerung in drei Gruppen:
integrierte, teil-integrierte und isolierte indigene
Gemeinschaften. Die Verfassung bezieht sich auf
den Schutz der indigenen Gemeinschaften und deren traditionellem Leben. Zusätzlich bildet sie die
Grundlage für die Errichtung indigener Reservate.
Auch in Bezug auf die isolierten Indigenen verbesserte sich die Verfassung, denn sie werden nicht
mehr per se kontaktiert, sondern ihre freiwillige
Isolation wird respektiert.
Parallel zur progressiven Verfassung ist jedoch
auch das veraltete Indigenenstatut vom Jahr 1973
immer noch in Kraft, welches den Grundsatz des
Zivilgesetzbuches von 1916 widerspiegelt. Es entspricht nicht mehr den Bestimmungen der Verfassung und den Forderungen der indigenen Völker.
Eine verfassungsangepasste Neuregelung ist aber
seit geraumer Zeit im Parlament blockiert. Das alte
Indigenenstatut wurde noch unter der Militärdiktatur geschrieben und deklariert die Indigenen als
unmündige Personen, was verschiedenste internationale und nationale Richtlinien verletzt.
Des Weiteren schreibt der Artikel 1 des Statuts vor,
dass die indigene Bevölkerung auf harmonische
und fortschrittliche Weise in die brasilianische Gesellschaft integriert werden soll10. Die Verfassung
von 1988 gibt aber den Indigenen ausdrücklich
kulturelle Autonomie und widerspricht damit dem
Statut. Dies ergibt ein unübersichtliches nationales Rechtsgefüge auf Kosten der betroffenen Gemeinschaften.
Die gesetzlichen Grundlagen zum Schutz der isolierten Indigenen sind damit im Prinzip gegeben,
jedoch mangelt es an deren Umsetzung. Der Artikel
231 der brasilianischen Verfassung ermöglicht eine
Demarkierung der Siedlungsgebiete von isolierten
Indigenen, ohne zuvor direkt mit ihnen in Kontakt
getreten zu sein. Früher hatte der brasilianische
Staat eine indigene Gruppe und deren Gebiet erst
dann anerkannt, wenn die Gemeinschaft kontaktiert
wurde und eine Volkszählung erfolgt war. Werden
heute konkrete Hinweise gefunden, dass isolierte
Indigene in einer Region leben, wird der Demarkierungsprozess durch die Mitarbeiter der Indigenenschutzbehörde FUNAI initiiert und durchgeführt.
Das Sammeln von Hinweise und Spuren, die darauf
hinweisen, welches konkrete Gebiet von den Indigenen genutzt wird, kann einige Jahre dauern.
Gleichzeitig werden von der FUNAI an strategisch
wichtigen Punkten wie etwa an Flussmündungen,
spezielle Überwachungsposten eingerichtet, um
den Lebensraum der isolierten Indigenen vor dem
Zutritt von Unbefugten zu schützen.
__________
10 Übersetzung des Portugiesischen: Art.1º Esta Lei regula a situação jurídica dos índio ou silvícolas e das comunidades indígenas, com o propósito de preservar a sua cultura e integrá-los, progressiva e harmonicamente, à comunhão nacional – FUNAI:
LEI Nº 6.001 - DE 19 DE DEZEMBRO DE 1973, http://www.funai.gov.br/quem/legislacao/estatuto_indio.html
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
3.2 Das oberste Gericht
Das oberste Bundesgericht (Supremo Tribunal Federal, STF) ist unter anderem für verfassungsrechtliche Fragen zuständig und befasst sich auch mit
Entscheiden, welche die Indigenen betreffen. Eine
wichtige Entscheidung, die sich teilweise negativ
auf die Indigenen auswirkt, wurde am 19. März
2009 getroffen. Die Indigenen des Gebiets Raposa
do Sol kämpften jahrelang für eine Demarkierung
und alleinige Nutzung ihres Gebiets. Den Status
als indigenes Reservat hatte der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva im Jahr 2005 zugesprochen, aber eine Gruppe von Reisbauern wehrten sich dagegen und reichten einen Antrag beim
obersten Gericht ein, wobei sie die Aufhebung der
legalen Anerkennung des Territoriums durch die
Regierung forderten. Das Gericht lehnte die Klage der Reisbauern ab und erteilte den Indigenen
das alleinige Nutzungsrecht der Reservate, machte
jedoch gleichzeitig klar, dass die nationale Souveränität und das öffentliche Interesse über diesem
Recht stehen. Im Falle von militärischen Einrichtungen, Gesundheits- oder Bildungsinstitutionen,
von Strassenbau, Dämmen oder anderen alternativen Methoden von Energieproduktion und Bergbau
müsse das Parlament entscheiden, ob diese Projekte auch in den Reservaten durchgeführt werden
können oder nicht.
Zurzeit ist ein Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung, der diese Entscheidung gesetzlich regeln
soll. Zwar ist dabei eine Anhörung der Indigenen
vorgesehen, nicht aber ihr Mitbestimmungsrecht.
12
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
3.3 Die Indigenenschutzbehörde FUNAI
Die Nationale Stiftung der Indigenen (Fundação
Nacional do Indio, FUNAI) ist eine nationale Organisation zum Schutz und zur Unterstützung der
Indigenen in Brasilien. Sie hat ihren Hauptsitz in
Brasilia und ist dem Justizministerium unterstellt.
Bis zur neuen Verfassung war das Hauptziel dieser Behörde die Integration der Indigenen in die
Mehrheitsgesellschaft. Danach hat die FUNAI ihre
Strategie geändert und unter anderem eine eigene
Koordinationsstelle (CII) für in freiwilliger Abgeschiedenheit lebende Völker und eine eigene Abteilung für isolierte und vor kurzem kontaktierte
Völker (CGIIRC) eingerichtet. Die Hauptaufgabe der
CGIIRC ist die Lokalisierung der isolierten Indigenen, ohne jedoch Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
Die FUNAI ist heute zuständig für die Durchführung aller Massnahmen zugunsten der indigenen
Gemeinschaft Brasiliens und muss sicherstellen,
dass die Gesetze, die Verfassung und das veraltete Indigenenstatut eingehalten werden. Seit Ende
2009 wirkt die FUNAI nicht mehr als Vormund der
indigenen Völker, sondern verfügt über Kompetenzen, die Indigenen im Namen der Regierung
zu schützen und ihre Rechte zu garantieren. Des
Weiteren müsste die FUNAI die Indigenen über
Projekte, die sie betreffen, informieren und mit ihnen eine gemeinsame Lösung möglicher Konflikte
finden. Diese Aufgabe wird aber gemäss Indigenen
unzureichend wahrgenommen11.
Eine zentrale Aufgabe der Behörde ist die Demarkierung und die Durchsetzung der Grenzen der Indigenenreservate. Die Demarkierung – der Prozess
der Überführung des traditionellen Nutzgebietes
indigener Gemeinschaften in ein Indigenenreservat – vollzieht sich in Brasilien in mehreren rechtlich vorgeschriebenen Schritten:
1. Identifizierung: Eine Arbeitsgruppe der FUNAI
identifiziert die Region, die von den Indigenen be-
13
ansprucht wird. Der daraus folgende Bericht muss
vom Präsidenten der FUNAI bestätigt werden. Dieser veröffentlicht eine Zusammenfassung und leitet diesen Report an das Justizministerium weiter.
2. Verlautbarung: Das Justizministerium gibt
nach Erhalt des Vorgangs innerhalb von 30 Tagen
die Grösse des indigenen Gebietes bekannt.
3. Demarkierung: Es folgt die tatsächliche Vermessung und Abgrenzung des indigenen Territoriums.
4. Zulassung: Der Präsident oder die Präsidentin
der Republik bestätigt mit der Unterschrift die Demarkierung.
5. Eintrag im Grundbuch: Nach der Zustimmung
durch den Präsidenten oder die Präsidentin wird
das indigene Territorium in einem Notariat offiziell
registriert12.
Der ganze Prozess kann sich endlos in die Länge ziehen, wenn die nicht-indigene Bevölkerung
Einspruch erhebt. Ein weiteres Problem besteht
darin, dass in vielen Indigenenreservaten illegal
Minen erschlossen werden und Wald gerodet sowie Gold geschürft wird, obwohl es die Aufgabe
der FUNAI wäre, die Grenzen der demarkierten
Gebiete zu schützen und derartige Aktivitäten zu
verhindern. Als Folge davon erscheint die FUNAI
immer wieder in einem schlechten Licht. Obwohl
viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FUNAI
einen ausgezeichneten Einsatz für die Indigenen
leisten, hat sich die FUNAI zunehmend zu einem
Instrument der Regierung entwickelt, um ihre Entwicklungspolitik gegenüber der indigenen Bevölkerung durchzusetzen. Sie ist keine Institution
der indigenen Bevölkerung. So wurde zum Beispiel
Megaron Txucarramãe13 , ein Häuptling der Kayapo
im Xingu-Gebiet, der für die FUNAI als regionaler
Koordinator arbeitete, aufgrund seiner Opposition
gegen den Belo Monte-Staudamm entlassen14.
Die FUNAI geniesst immer weniger Vertrauen bei
__________
11 Vgl. Ricardo, Beto / Ricardo, Fany (2011): Povos Indígenas No Brasil 2006/2010, Instituto Socioambiental, São Paulo, Seite
92.
12 Vgl. ISA: Demarcation Process, http://pib.socioambiental.org/en/c/terras-indigenas/demarcacoes/como-e-feita-a-demarcacao-hoje
13 Megaron Txucarramãe ist der Häuptling des Stammes der Kayapo und einer der wichtigsten Indigenenführer Brasiliens. Er ist
der Neffe des Indignenhäuptlings Raoni, der vor 20 Jahren mit Unterstützung des Sängers Sting eine internationale Kampagne
gegen den Belo Monte Staudamm lancierte. 1982 war er der erste indigene Präsident der FUNAI.
14 Vgl. Plattform Belo Monte (01.12.2011): Índios besetzen Fuani und fordern Rückkehr von Kazike Megaron, http://plattformbelomonte.blogspot.com/2011/12/indios-besetzen-nach-entlassung-von.html
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
den indigenen Gemeinschaften. Diese verlangen
daher seit geraumer Zeit eine nationale Indigenenorganisation, in der sie die Führung und Entscheidung selbst übernehmen und für ihre Rechte
einstehen können.
14
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
3.4 Internationales Recht
3.4.1 Übersicht
Seit Jahrzehnten setzen sich die Indigenen für
die Anerkennung ihrer Rechte ein. Die zentralen
Forderungen sind:
• Das Recht auf Selbstbestimmung
• Das Recht auf ihr Land
• Das Recht, ihr Land und Ressourcen selber zu nutzen oder die Nutzung anderer kontrollieren zu
können.
Während die Rechte der indigenen Völker in kaum
einem Land umfänglich garantiert werden, macht
die Rechtsentwicklung auf internationaler Ebene
Fortschritte, wie in den folgenden Unterkapiteln
aufgezeigt wird. So haben bisher 22 Länder die Indigenenkonvention der Arbeitsorganisation (International Labour Organization) ILO 169 ratifiziert.
Zudem hat im 2007 die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Deklaration zu den Rechten
der Indigenen Völker angenommen. Im Februar
2012 erstellte die UNO Richtlinien für den Umgang mit isolierten Völkern. Sie heben hervor, dass
das Land der isolierten Völker unantastbar sei und
dass keine Rechte auf Ressourcen-Ausbeutung auf
ihrem Territorium erteilt werden dürfen. Bei der
Durchsetzung dieser Verpflichtungen besteht bei
der brasilianischen Regierung wie bei den meisten
anderen Ländern grosser Nachholbedarf.
3.4.2 Deklaration über die Rechte indigener
Völker
Am 13. September 2007 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Deklaration der
Rechte für Indigene Völker (UNDRIP15) angenommen. Brasilien hat der Deklaration zugestimmt,
die unter anderem einen universellen Rahmen an
Mindeststandards in den Bereichen Überleben,
Würde, Wohlergehen und Rechte der Indigenen
fordert. Nun sollte Brasilien die Verpflichtungen in
die brasilianische Gesetzgebung aufnehmen. Die
Deklaration garantiert den indigenen Völkern explizit als Kollektiv und auch den Individuen alle
Menschenrechte. Die Artikel 3 und 4 der Deklara-
15
tion (siehe Anhang) beziehen sich auf das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Bevölkerung, und
der Artikel 8 legt fest, dass ihre Kultur und Lebensweise respektiert werden muss.
3.4.3 ILO-Konvention 169
Die ILO-Konvention 169 ist die einzige internationale Norm, die den Indigenen rechtsbindend
Schutz und Anspruch auf eine Anzahl an Grundrechten garantiert. Diese Konvention ist am 5.
September 1991 in Kraft getreten. Brasilien unterzeichnete sie am 25. Juli 2002 und verpflichtet
sich damit, die 44 Artikel der grundlegenden Rechte der Indigenen in ihre nationale Gesetzgebung
aufzunehmen und durchzusetzen16.
In Bezug auf die Infrastrukturprojekte und Wirtschaftsprojekte in Brasilien geben die Artikel 6,
7 und 15 Rahmenbedingungen vor, wie die Regierung mit den Indigenen umgehen müsste, um sie
in die Pläne einzubeziehen.
Am 2. März 2012 hat die Expertenkommission der
ILO einen Bericht zur Umsetzung dieser Konvention veröffentlicht17, in der sie Brasilien auffordert
„die erforderlichen Massnahmen zur Durchführung
von Konsultationen der betroffenen indigenen Völker gemäss Artikel 6 und 15 der Konvention 169
zum Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte zu treffen, bevor mögliche schädliche Auswirkungen dieses Projekts irreversibel sind und in Absprache mit
den indigenen Völkern zusammen zu arbeiten, um
festzustellen, ob die Prioritäten der indigenen Völker respektiert werden. Zudem soll die brasilianische Regierung Massnahmen zur Risikobegrenzung
planen und die betroffene Bevölkerung angemessen entschädigen18.“
Auch die Interamerikanische Kommission für
Menschenrechte der Organisation Amerikanischer
Staaten (IACHR) hat die brasilianische Regierung
aufgrund der Nicht-Einhaltung der ILO-Konvention
169 wegen des Kraftwerks Belo Monte kritisiert.
Brasilien reagierte verärgert und setzte ihren finanziellen Beitrag an die Organisation Amerikanischer
Staaten aus. Auf regionaler Ebene scheint die ILO-
__________
15 UNDRIP = United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples.
16 Vgl. ILO (2011): Convention Nr. C169, http://www.ilo.org/ilolex/cgi-lex/ratifce.pl?C169.
17 Vgl. ILO (2012): Informe de la Comisión de Expertos en Aplicación de Convenios y Recomendaciones, http://www.politicaspublicas.net/panel/images/stories/docs/2012-informe-ceacr-oit-pueblos-indigenas.pdf
18 Vgl. Plattform Belo Monte (05.03.2012): Belo Monte verletzt die ILO-Konvention 169, http://plattformbelomonte.
blogspot.com/2012_03_01_archive.html
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Konvention dagegen auf breitere Unterstützung zu
stossen: Die Bundesanwaltschaft des Staates Pará
hat beispielsweise mehrfach Beschwerde eingereicht gegen die Bewilligungsverfahren der Staudämme und dabei auf die mangelnde Umsetzung
der Konvention 169 aufmerksam gemacht.
3.4.4 Freies, informiertes, vorheriges Einverständnis - FIVE
Ein zentrales Instrument zur Durchsetzung der
Rechte der Indigenen ist das freie, informierte
und vorherige Einverständnis (FIVE19). Das heisst,
wenn Dritte im Gebiet eines indigenen Volkes aktiv
werden wollen, müssen diese das Einverständnis
der betroffenen Bevölkerung einholen. Dazu müssen vorgängig ernsthafte Verhandlungen über das
geplante Projekt geführt werden. Mit Hilfe dieses
Konzeptes können schadenminimierende Massnahmen, Kompensationen für die Beeinträchtigung
und eine Gewinnbeteiligungen ausgehandelt werden. Damit bietet das FIVE eine Chance für eine
nachhaltige Entwicklung für die betroffene Bevölkerung. Industrielle oder Infrastrukturprojekte
müssten damit einen stärkeren Beitrag für die lokale, nachhaltige Entwicklung leisten, wollen sie
eine Chance für die Zustimmung der betroffenen
Bevölkerung erhalten.
Vor dem Bau der Wasserkraftwerke Belo Monte und
Teles Pires sowie den meisten anderen Bauvorhaben in Amazonien wurden die Indigenen vor Ort
nicht oder ungenügend über die Projekte informiert und einbezogen. Der Artikel 10 der UNO-Resolution 61/29520, dem Brasilien zugestimmt hat,
schreibt Folgendes vor:
„Indigene Völker dürfen nicht zwangsweise aus
ihrem Land oder ihren Gebieten ausgesiedelt werden. Eine Umsiedlung darf nur mit freiwilliger und
in Kenntnis der Sachlage erteilter vorheriger Zustimmung der betroffenen indigenen Völker und
16
nach Vereinbarung einer gerechten und fairen
Entschädigung stattfinden, wobei nach Möglichkeit eine Option auf Rückkehr bestehen muss.21“
Der aktuelle FUNAI-Präsident Márcio Meira hat an
einem Treffen mit Indigenenvertretern zum Wasserkraftwerk Belo Monte im Januar 2012 ausgesagt, dass die FUNAI nicht wisse, wie man eine
solche Anhörung und die Miteinbeziehung der Indigenen durchführen müsste22.
__________
19 Der Ausdruck „FIVE“ ist auch unter dem englischen Akronym FPIC (Free, Prior and Informed Consent) bekannt.
20 Die Arbeitsgruppe in Bezug auf die indigene Bevölkerungen war neben dem ständigen Forum über indigene Angelegenheiten und dem Sonderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und grundlegenden Freiheiten indigener Völker eines der
drei Organe der Vereinten Nationen, das sich ausschliesslich mit der Situation der indigenen Völker befasst. Im 1985 fing die
Arbeitsgruppe bereits mit der Erarbeitung der UNO-Erklärung der Rechte der indigener Völker an, die dann erst im 2007 von der
UNO-Versammlung verabschiedet wurde.
21 Vgl. UN: Resolution ohne Überweisung an einen Hauptausschuss, www.un.org/esa/socdev/unpfii/documents/
Declaration(German).pdf, Seite 16-25.
22 Vgl. Xingu Vivo: Problemas continuam sem respostas após reunião com presidencia da Funai, dizem indígenas (26.01.2012),
http://www.xinguvivo.org.br/2012/01/26/problemas-continuam-sem-respostas-apos-reuniao-com-presidencia-da-funai-dizem-indigenas.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
17
Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat sich intensiv mit der Umsetzung des FIVE-Konzeptes beschäftigt.
In einer Studie zur Anwendung des FIVE im Kongobecken kam die GfbV zu folgenden Schlüssen:
•
FIVE ist auf alle Projekte anzuwenden, welche die indigene Bevölkerung und deren Le-
bensraum betreffen.
•
Alle relevanten Informationen müssen vor den Aktivitäten bekannt gegeben werden.
•
Die Informationen müssen so aufgearbeitet sein, dass sie objektiv sind, transparent ver
mittelt werden und von den indigenen Gemeinschaften verstanden werden.
•
Eine breite Konsultation unter Berücksichtigung sämtlicher Betroffenengruppen muss durchgeführt werden.
•
In den Verhandlungen darf keinerlei Druck oder Manipulation gegen die Betroffenen aus
geübt werden.
•
Die Betroffenen haben das Recht, „Ja“ zu sagen.
•
Die Betroffenen habe das Recht, „Wie“ zu sagen und solange zu verhandeln, bis sie ein
verstanden sind.
•
Die Betroffenen haben aber auch das Recht, „Nein“ zu sagen.
•
Zentrale Aspekte der Verhandlungen sind: Schadensmindernde Massnahmen, Einrich-
tung von Schutzgebieten, Kompensation für Schäden und Beteiligung am Mehrwert, der durch das Projekt generiert wird.
•
Am Ende der Verhandlungen entscheiden die Betroffenen, ob sie ihr Einverständnis ge-
ben oder nicht.
•
FIVE ist nicht ein einmalig einzuholendes Einverständnis. Es muss während des gesam-
ten Projektes weiter verhandelt werden. Insbesondere muss der Informationsfluss und der ständige Einbezug der indigenen Gemeinschaften gewährleistet sein. Bei neuen Informationen, oder falls sich Informationen als falsch erweisen sollten, können die Ge-
meinschaften ihr Einverständnis auch wieder zurückziehen23.
__________
23 Lewis, Jerome et al. (2008): Free, Prior and Informed Consent and Sustainable Forest Management in the Congo Basin,
http://assets.gfbv.ch/downloads/fpic_congo_report_english.pdf
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
18
4. Indigene in Amazonien
4.1 Indigene
Laut dem Zensus von 2010 des brasilianischen Institut für Geographie und Statistik (IGBE) gibt es in
Brasilien 817‘000 indigene Menschen, von denen
315‘000 auf dem Land und 502‘000 in den Städten
wohnen24. Ungefähr 13 Prozent der Fläche Brasiliens wurde für die indigene Bevölkerung demarkiert. Die meisten Indigenen leben in Amazonien,
das die Bundesstaaten Amazonas, Acre, Amapá,
Pará, Rodônia, Roraima, Tocantis, Mato Grosso und
einen Teil von Maranhão umfasst.
Die indigene Bevölkerung ist in Brasilien am stärksten von Armut betroffen25. Armut und Landraub
haben mehr als die Hälfte von ihnen in die Elendsviertel der städtischen Ballungszentren getrieben.
326‘375 indigene Menschen leben in extremer Armut und rund 64‘000 indigene Familien sind auf
die Unterstützung von einem Sozialhilfeprogramm
der Regierung (Bolsa Família) angewiesen26.
Heute gibt es noch ungefähr 235 indigene Völker
und je nach Schätzungen zwischen 150‘000 und
350‘000 Indigene im Amazonasgebiet, die zum Teil
in kleinen Gemeinschaften, weniger als ein Dut-
zend Personen, zum Teil aber auch in grösseren
Siedlungen mit bis zu 30‘000 Menschen zusammenleben27. Sie sprechen ungefähr 180 verschiedene indigene Sprachen. Gemäss ISA leben im
Amazonien 173 indigene Gemeinschaften in 405
Indigenenreservaten, die etwa 22 Prozent des brasilianischen Amazonasgebiets ausmachen28. Der
Regenwald ist nicht nur der Lebensraum der indigenen Menschen, sondern er versorgt sie auch mit
Nahrung, Medizin und fast allen Materialien, die
sie benötigen. Insbesondere für die Spiritualität
und das traditionelle Leben ist der Amazonaswald
mit den vielen heiligen Orten fundamental für das
langfristige Überleben der indigenen Völker und
ihrer Lebensweise.
Die Entstehung der Indigenenreservate geht bis in
die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts zurück.
Die Verfassung von 1988 hatte zur Folge, dass viele
neue Reservate verwirklicht wurden. Die Gründung
neuer Reservate hat in letzter Zeit auf besorgniserregende Weise abgenommen. Die folgende Tabelle
beschreibt den aktuellen Stand der Demarkation
indigener Reservate.
Situation
In Identifizierung
Mit eingeschränkter Nutzung von Nicht-Indigenen
Total
Anzahl
134
5
139
Grösse (ha)
9‘964
842‘022
851‘986
Deklariert
Ausgewiesen
Anerkannt
In das Grundbuch eingetragen SPU/CRI29
Total in Brasilien
69
23
30
400
677
5‘059‘374‘452
138‘665
5‘549‘675
98‘289‘838
111‘523‘636
Tabelle 1: Indigenenreservate in Brasilien (Stand Juli 201130)
________ __
24 Vgl. Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (2012): http://ibge.gov.br/indigenas/graficos.html
25 Vgl. Ministério do Desenvolvimento Social e Combate à Fome: O perfil da Extrema Pobreza no Brasil com base nos dados preliminares do universo do Censo 2010, http://www.mds.gov.br/saladeimprensa/noticias/2011/maio/arquivos/11.05.02_Nota_
Tecnica_Perfil_A.doc
26 Vgl. ISA: Cresce número de famílias indígenas beneficiadas pelo Programa Bolsa Família (31.05.2011),
http://pib.socioambiental.org/en/noticias?id=102996
27 Vgl. Ricardo/Ricardo (2011): Povos Indígenas No Brasil 2006/2010, Instituto Socioambiental: São Paulo, Seite 16.
28 Viele Indigenenreservate sind noch nicht als solche deklariert worden und besitzen daher auch noch keinen Schutz von der
Regierung.
29 SPU Serviçio de Patrimônio da União (Staatseigentumsedienst)/ CRI Cartórios de Registro de Imóveis (Grundbuch).
30 Vgl. Ricardo, Beto / Ricardo, Fany (2011): Povos Indígenas No Brasil 2006/2010, Instituto Socioambiental: São Paulo,
Seite 90.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Abbildung 3: Indigenenreservate in Brasilien (Quelle: © FUNAI31 )
Legende
Gelbe Fläche: Indigenenreservate
Rote Fläche: Rohstoffabbaugesuche in Indigenenreservaten
Grüne Fläche: Indigenenreservate im Demarkierungsprozess
__________
31 Quelle: http://www.funai.gov.br/ultimas/e_revista/iconografia/fotos/mapao.htm
19
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
4.2 Indigene mit Erstkontakt
Die Indigenen mit Erstkontakt haben erst seit kurzem Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft. Gemäss
ISA gibt es in Brasilien sieben indigene Völker mit
Erstkontakt. Die Erfahrungen der Indigenen mit
Erstkontakt zeigen exemplarisch die Gefahren für
die in Isolation lebenden Völker auf:
Gemäss Survival International hatten zum Beispiel
die Zo‘é den Erstkontakt zu Aussenstehenden im
Jahr 1987, als Missionare eine Basis in ihrer unmittelbaren Umgebung errichteten. Die Zo‘é infizierten sich daraufhin an Krankheiten, gegen die
sie nicht immun waren. Die Missionare hatten
nicht mit einer solchen Situation gerechnet und
wussten sich nicht mehr zu helfen. Sie baten die
FUNAI um Hilfe, die darauf ein Team zur gesundheitlichen Versorgung zu den Zo‘é schickte, worauf
sich die Lage stabilisierte. Jahre später wurde ihr
Territorium offiziell von der Regierung anerkannt,
ein Gesundheitsposten wurde erstellt und ihr Gebiet wurde unter Schutz gestellt. Daraufhin mussten die Missionare das Gebiet verlassen32.
Ähnlich geht es den Korubo. Sie wurden im 1996
zum ersten Mal kontaktiert. Diese Gruppe besteht
aus 27 Personen. Gemäss ISA wurde jeweils eine
Person jeder Familie mindestens einmal in die
Stadt begleitet, um dort medizinische Betreuung
und Medikamente zu bekommen. Denn viele der
Korubos leiden unter Malaria und anderen Krankheiten. Heute gibt es noch 27 Korubos.
__________
32 Vgl. Survival International: Die Zo’é, http://www.survivalinternational.de/indigene/zoe/erster-kontakt
20
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
4.3 Isolierte Indigene
Gemäss dem brasilianischen Missionsrat für Indigene (CIMI) gibt es weltweit mehr als 150 indigene Völker, die in freiwilliger Isolation33 leben. Die
meisten davon leben im dicht bewaldeten Amazonas, in Neuguinea sowie auf den Inseln Andamanen und Nikobaren. In Südamerika rechnet man
mit 127 isolierten Völkern in sieben Ländern: In
Brasilien leben ungefähr 90 isolierte Völker, 23 in
Peru, 13 in Bolivien, 6 in Paraguay, 5 in Venezuela,
4 in Ecuador und 2 in Kolumbien34.
21
90 isolierten Gruppen in Brasilien. Von einigen
dieser Gruppen gibt es nur Anhaltspunkte durch
Fotos, die man aus der Luft aufnehmen konnte und
über Spuren, die man im kaum zugänglichen Urwald fand. Die FUNAI bestätigt 28 isolierte Völker
in Brasilien36.
Die Bezeichnung „in (freiwilliger) Isolation“ entstand, weil viele Angehörige dieser Völker Überlebende von gewalttätigen Übergriffen sind und sich
nach verheerenden Erfahrungen mit der Zivilisation
wieder zurückzogen. Beispielsweise wurden in der
Abbildung 4: Isolierte Völker weltweit (Quelle: Wikipedia35 )
Es gibt unterschiedliche Informationen über die
Anzahl der isoliert lebenden Indigenen in Brasilien, weil es unter anderem ein kompliziertes Unterfangen ist, die Daten zu erheben. Das Institut
Coordenaçao Geral de Índios Isolados e Recém Contatados (CGIIRC) der FUNAI beispielsweise weiss
zurzeit von mindestens 28 verschiedenen isolierten Völkern im brasilianischen Amazonasgebiet.
Die NGO Instituto Socioambiental rechnet sogar
mit 46 Gemeinschaften, und gemäss dem Indigenenmissionsrat gibt es Anzeichen von mindestens
Blütezeit des Kautschukbooms gegen Ende des 19.
Jahrhunderts in Amazonien knapp 90 Prozent der
Indigenen als Sklaven gehalten oder sie wurden
Opfer brutaler Gewalttaten. Die zweite, respektive dritte Gewaltwelle erreichte Amazonien in den
Jahren 1920 und 1960, wobei viele indigene Gemeinschaften nicht überlebten. Zum Beispiel hat
der Unternehmer Antonio Mascarenhas Junqueira 1963 aus einem gemieteten Flugzeug das Volk
Cinta Larga (Breite Gürtel) mit Dynamit beworfen,
weil ihn die Indigenen beim kommerziellen Gummizapfen störten. Einige Tage nach der Bombar-
__________
33 Isolierte Völker sind ethnische Gruppen, die gar nicht, nur geringfügigen oder nur kurz Kontakt mit anderen Menschen in der
Mehrheitsgesellschaft eines bestimmten Landes haben oder hatten.
34 Loebens, Guenter Francisco/Neves, Lino Joao de Oliveira (2011): Povos Indígenas Isolados na Amazônia: A luta pela sobrevivencia: Conselho Indígenista Missionário, Seite 41.
35 Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Uncontacted_peoples.svg&filetimestamp=20100507170210.
36 Vgl. ISA: Índios Isolados, http://pib.socioambiental.org/pt/c/no-brasil-atual/quem-sao/Indios-isolados.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
22
dierung schickte er eine Gruppe Söldner vor Ort,
um die Überlebenden auf brutalste Art und Weise
zu töten37.
doch an den Grenzgebieten der Reservate oder
ausserhalb solcher Schutzzonen und verfügen
über keinen speziellen Schutz.
Solche traumatischen Erlebnisse prägten die Überlebenden von indigenen Gruppen, die sich deshalb
Die isolierten Indigenen leben ein reichhaltiges, kulturelles Leben mit einem ganzheitlichen
Abbildung 5: Siedlung von Indigenen in freiwilliger Isolation (Quelle: © Gleison Miranda)
dafür entschieden haben, ein Leben in Isolation
zu führen. Man nimmt an, dass ein Leben in vollständiger Isolation jedoch nicht möglich ist, weil
die meisten Völker Kontakte zu ihren unmittelbaren Nachbarn pflegen, um mit ihnen gelegentlich
Gegenstände und Nahrungsmittel zu tauschen.
Durch diesen Tauschhandel verfügen einige isolierte Völker unter anderem über Waffen aus Metall,
Kochgeschirr und Metallteile, beispielsweise aus
Schiffswracks. Auf den veröffentlichten Fotos von
Überflügen zu Studienzwecken oder zum Schutze
der Isolierten sind diese Gegenstände teilweise
sichtbar.
Die die Abbildung auf der folgenden Seite zeigt
auf, in welchem Gebiet es Beweise oder Indizien
von isolierten Völkern gibt. Einige dieser Völker
leben in einem Indigenenreservat, viele leben je-
Wissen über die Flora und Fauna. Dieses Leben
ist durch die gegenwärtige Entwicklung massiv
bedroht: Der Bau von Staudämmen oder Strassen, aber auch die Suche und Förderung von
Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas, Gold und anderen
Bodenschätzen lockt viele Menschen in ihre unmittelbare Umgebung. Unter solchen Umständen
ist es den indigenen Völkern nicht möglich, ihre
traditionelle Lebensform weiterzuführen.
In den letzten Jahren erteilte die Regierung Brasiliens Baubewilligungen für die Wasserkraftwerke Santo Antônio und Jirau am Fluss Madeira,
Belo Monte am Fluss Xingu und Teles Pires am
Fluss Teles Pires, obwohl bekannt ist, dass in deren Umgebung isoliert lebende Gruppen leben.
Gemäss der FUNAI leben beispielsweise rund 70
Kilometer vom Staudamm Belo Monte entfernt
__________
37 Vgl. Survival International: Warum verstecken sie sich?, http://www.survivalinternational.de/artikel/3129-warum-verstecken-sie-sich.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
eine oder mehrere Gruppen isolierter Indigene im
Indigenenreservat Koatinemo und in der Nähe des
Baches Ipiaçava. Auch gibt es laut der FUNAI eine
Gruppe Isolierter in unmittelbarer Nähe von nur
30 Kilometern des Staudamms Santo Antônio. Dort
leben sie im Indigenenreservat Katauixi/Jacareúba. Ebenso gibt es Hinweise, dass sich in der Umgebung des Wasserkraftwerks Teles Pires isolierte
Indigene aufhalten39.
23
henden sterben können. Jeglicher Kontakt mit der
Zivilisation soll daher vermieden werden, es sei
denn, sie selber suchen den Kontakt40.
Mit dem Bau der interozeanischen Strasse von Rio
Branco, der Hauptstadt des Bundesstaates Acre,
bis zur peruanischen Küste des Pazifischen Ozeans,
die in einer Entfernung von nur 300 Kilometern
des Siedlungsgebiets isolierten Völker durchführt,
Abbildung 6: Situierung der brasilianischen isolierten Indigenen (Quelle: © FUNAI38)
Legende
Rotes Haus:
Blaues Dreieck:
Gelber Punkt: Grüne Fläche: Blaue Fläche: Nachgewiesenes isoliertes Volk
Indigene, die erst seit kurzem entdeckt wurden
Es wird vermutet, dass dort isolierte Indigene leben
Indigenenreservate, wo isolierte Indigene leben
Indigenenreservate
Neben der Bedrohung durch die Infrastrukturprojekte sind die isoliert lebenden Indigenen auch
durch Krankheiten wie die Grippe, gegen die sie
nicht immun sind, stark gefährdet. Die Erfahrung
zeigt, dass bis zu zwei Drittel einer isoliert lebenden Gruppe nach dem Erstkontakt mit Aussenste-
kam es auf peruanischem Staatsgebiet zu einer regelrechten Invasion von ungefähr 60‘000 illegalen Holzfällern, Goldsuchern und Drogenhändlern.
Diese dringen zurzeit entlang der Flussläufe des
Rio de las Piedras, des Rio Tauhamanu, Rio Madre
de Dios, Puru und Juruá bis in die entlegensten
__________
38 Quelle: www.funai.gov.br
39 Vgl. ISA, Braune Wiik, Flavio (1999): Xoklenghttp://pib.socioambiental.org/pt/povo/xokleng/975
40 Vgl. ISA, Braune Wiik, Flavio (1999): Xoklenghttp://pib.socioambiental.org/pt/povo/xokleng/975
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
24
Siedlungsgebiete der Isolierten ein. Seit der Verdreifachung des Goldpreises ist es in der Region zu
einem regelrechten Goldrausch gekommen, berichtet FUNAI-Mitarbeiter José Carlos Meirelles41.
Allein in der peruanischen Stadt Puerto Maldonado am Fluss Madre de Dios werden monatlich drei
Tonnen Quecksilber an Goldsucher verkauft, welches in die Zuflüsse des Amazonas gelangt und
nicht nur das Wasser, sondern auch die gesamte
Nahrungskette verseucht. So wurden nach Kontrolluntersuchungen bei den Ashaninka-Indigenen42
Höchstwerte von Quecksilber im Blut gemessen43.
Seit 1990 vergibt die peruanische Regierung aufdem Siedlungsgebiet von isolierten Völker Konzessionen an Holzfirmen, die sich ausschliesslich auf
die Abholzung von Mahagoni-Bäumen spezialisiert
haben, die sie über die neu errichtete Strassenverbindung zum Pazifik nach Übersee exportieren.
Seit 2005 sind jedoch die meisten MahagoniBestände auf peruanischer Seite abgeholzt. Dazu
kommt, dass die peruanische Regierung für fast
das gesamte peruanische Amazonasgebiet Konzessionen an multinationale Ölkonzerne vergeben hat.
Davon sind auch die isolierten Gruppen betroffen.
So wanderten in letzter Zeit immer häufiger isolierte Völker aus Peru nach Brasilien. Dabei stiessen
sie auf Gebiete, die bereits von anderen Personen
bewohnt sind, was zu (bewaffneten) Konflikten
führen kann. Dies führt oft zu Konflikten zwischen
den Isolierten, Kautschukzapfern und Siedler die
sich schon vor langer Zeit an den Flussläufen im
Bundesstaat Acre niedergelassen haben. Denn isoliert lebende Indigene kennen keine Landesgrenzen im Wald. Sie fühlen sich auch nicht als Bürger
der Nationalstaaten. Ein binationales Schutzgebiet
könnte diese Probleme lösen. Die GfbV unterstützt
daher die lokalen Initiativen für ein binationales
Territorium zwischen Peru und Brasilien, welches
zum Schutz der Isolierten errichtet werden soll.
Auf der unten stehenden Karte ist sichtbar, wo sich
das binatinale Territorium befinden könnte.
__________
41 José Carlos Meirelles arbeitet seit 1971 für die FUNAI und ist bekannt für seine Pionierarbeit für die isolierten Indigenen
in Brasilien.
42 Die Ashaninka-Indigenen befinden sich im östlichen Peru/westlichen Brasilien.
43 Mehr Information dazu unter: GfbV: Die Unsichtbaren (2012), http://www.gfbv.at/publikationen/bvbilder/bv01_2012.pdf
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Abbildung 7: Karte des binationalen Schutzgebiets isolierter Indigener in Peru/Brasilien (Quelle: ©
José Frank M. Silva)
25
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
26
5. Wirtschaftliche und politische Bedrohungen
5.1 Übersicht
Die grösste Bedrohung für indigene Völker liegt in
den Folgen der wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens. Der brasilianische und weltweite Rohstoffhunger und damit verbundene Preisanstieg hat
ein enormes Interesse an den Bodenschätzen und
Ressourcen im Amazonasgebiet ausgelöst. Die brasilianische Regierung entwickelte Pläne zur Nutzung der Wasserkraft, von Häfen, Wasserwegen und
Strassen, des Bergbaus sowie der Ausdehnung von
grossflächiger Agrarwirtschaft von Monokulturen
und der Viehzucht. Der Kongress weicht das Waldgesetz auf, das zu massiver Entwaldung führen
wird, und es liegen Vorlagen vor, um sich die Kompetenz zur Demarkierung der Indigenenreservate
zuzusprechen sowie den Bergbau selbst in Indigenenreservate zuzulassen. Das hat verheerenden
Konsequenzen für die indigene Bevölkerung.
Die unten aufgeführte Karte zeigt auf, welcher
Druck auf den indigenen Gemeinschaften durch die
kommerzielle Nutzung des Amazonas lastet.
Abbildung 8: Druck und Bedrohungen auf die Indigenenreservate in Amazonien (Quelle: © ISA44)
Legende:
Rote Schaufel und Spaten: Weisser Baum: Rote Linie: Rosa Fläche: Dunkel-orange Fläche: Grüne Fläche: Rote Fläche: Gelbe Fläche: Goldabbau in Indigenenreservaten
Illegale Abholzungen
Abholzungsstrasse
Gegenwärtige Rohstoffabbaugebiete
Indigenenreservate
Abholzungen
Aktuelle Erdöl- und Gasförderfelder
Zukünftige Erdöl- und Gasförderfelder
__________
44 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon,
http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf,
Seite 8.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.2 Wirtschaftliche Entwicklung
5.2.1 Initiative zur regionalen Infrastrukturintegration in Südamerika (IIRSA)
Mit der Initiative zur regionalen Infrastrukturintegration in Südamerika (IIRSA) wird seit ihrer Gründung im Jahr 2000 das Ziel verfolgt, Südamerika
in die Weltwirtschaft einzubinden. Dabei planen
zwölf südamerikanische Staaten gemeinsam riesige
Bauvorhaben in den Bereichen Telekommunikation, Energie und Transport auf dem Subkontinent.
Finanziellen und technischen Support erhält das
Programm von der Interamerikanischen Entwicklungsbank, der Andinen Entwicklungsgesellschaft
27
und dem Fonds für die Entwicklung des La-PlataBeckens. Die IIRSA umfasst insgesamt 348 Projekte, die in einem Zeitraum von 20 Jahren bei
annähernd 38 Mrd. US-Dollar Investitionsvolumen
realisiert werden sollen. Die Projekte verlaufen
dabei entlang von zwölf Integrationsachsen, die
sich, über ganz Südamerika erstreckend, miteinander verbinden und gegenwärtigen oder zukünftigen
Handelsströmen entsprechen. Die unten aufgeführte Karte zeigt, wo die Achsen im Amazonasgebiet
durchlaufen werden.
Der Grossteil der IIRSA-Projekte befindet sich in
Regionen mit reicher Biodiversität, sensiblen Ökosystemen und mit einer Bevölkerung, die massiv
Abbildung 9: IIRSA-Achsen in Südamerika (Quelle: Planet Trails Foundation45)
__________
45 Quelle: Planet Trails Foundation, Infrastructure for Deeper Integration in South America: IIRSA,
http://planettrailsfoundation.org/IIRSAandAmazonia.html
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
von den negativen Auswirkungen betroffen ist.
Das Einverständnis der direkt betroffenen Bevölkerung wurde nie eingeholt. Die südamerikanischen
Staaten kopieren damit ein Entwicklungsmodell,
das in anderen Teilen der Erde massive soziale und
ökologische Probleme ausgelöst hat.
Die folgende Abbildung zeigt, wo die Projekte der
IIRSA in Amazonien durchgeführt und welche Regionen mit neuen Wasserwegen miteinander verbunden werden.
28
Einer dieser Achsen durchquert ganz Amazonien:
die Pazifikhäfen Pita in Peru, Esmeraldas in Ecuador und Temuco in Kolumbien sollen mit der Amazonasmündung Belem in Brasilien verbunden werden. Auf diesen Transportwegen sollen vor allem
Mineralien aus den Anden nach Europa und in der
Gegenrichtung Fleisch und Holz nach Asien und
Nordamerika transportiert werden.
Abbildung 10: IIRSA-Achsen im Norden von Südamerika (Quelle: GEOSUR46)
__________
46 Quelle: Geosur, Integration and Development Hubs,http://www.geosur.info/geosur/iirsa/mapas_en.php
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.2.2 Nationales Programm zur Beschleunigung
des Wachstums (PAC)
Die Regierung von Brasilien hat zur Bekämpfung
der Armut und zugunsten der wirtschaftlichen Entwicklung das nationale Programm zur Beschleunigung des Wachstums (PAC) entwickelt, das sich
an die Grossprojekte der IIRSA anlehnt. Es wurde
unter der Regierung von Luiz Inácio Lula da Silva
2007 initiiert und unterstützt vor allem folgende
Projekte:
• Ausbau der Energieversorgung
• Abbau der Rohstoffe, z.B. Erdöl und Gas
• Neubau und Ausbau der vorhandenen Transportwege an Land und auf Wasser
• Ausdehnung der landwirtschaftlichen Nutzfläche
für die Viehzucht und den Ackerbau47
2010 wurde das PAC durch das PAC 2 ersetzt, das
die Wirtschaft von 2011 bis 2014 noch mehr ankurbeln soll. Dabei soll der Schwerpunkt in den
Bereichen Energie, Infrastruktur und dem sozialem
Städtebau liegen48.
Für eine rasche Umsetzung solcher Projekte hat
die Regierung Ende Oktober 2011 den Erlass49 Nr.
419/2011 unterzeichnet, der auf eine verkürzte Konzessionsvergabe durch die Umweltbehörde
IBAMA abzielt. Dieser Erlass verkürzt die Zeiträume, während denen die Betroffenen Informationen
und Erklärungen bei den zuständigen Behörden
(IBAMA, FUNAI) einholen können. Der Umweltbehörde bleiben demnach nur noch zehn Tage, die
betroffene Bevölkerung über ein geplantes Projekt
zu informieren und einzubeziehen. Damit wird jede
demokratische Willensbildung und Mitbestimmung
zur Farce. Brasilien hat sich aber durch das Ratifizieren der ILO-Konvention 169 verpflichtet, die
indigene Bevölkerung durch das Einholen des freien, informierten und vorherigen Einverständnisses
(FIVE) in die Projektplanung einzubeziehen, das
durch den neuen Erlass gefährdet wird.
Zudem wurde auch das Lizenzierungsverfahren an-
29
derer Behörden verkürzt. Die Verkürzung der Fristen
schliesst eine genaue wissenschaftliche Analyse
aus. Erst nach der Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVP) haben die Betroffenen die Möglichkeit, die
Projektpläne der Firmen einzusehen und Fragen innerhalb von 60 Tagen zu stellen. Wenn keine UVP
vorliegt, verkürzt sich diese Frist auf 20 Tage. Die
Betroffenen haben allerdings höchstens die Möglichkeit, kleine Änderungen oder Anpassungen zu
verlangen. Sie können hingegen ein Projekt nie
ganz ablehnen50. Durch die Änderung des Lizenzverfahrens geniessen Grossvorhaben nationaler
oder internationaler Firmen eine Sonderstellung
und können schnell und ohne Einwände seitens der
indigenen Bevölkerung umgesetzt werden.
Indigene Delegierte kritisierten an einer Versammlung einer Allianz von Indigenen, Flussbewohnern
und NGOs in Amazonien das Entwicklungsmodell
der Regierung wie folgt: „In der Vergangenheit haben alle grossen Infrastrukturprojekte Brasiliens
den mächtigen ökonomischen Gruppen immer Profit gebracht, während sie den ursprünglichen und
traditionellen Völkern Zerstörung und Tod ihrer Lebensweise brachten. Der Bau der Staudämme wie
Tucuruí in Pará, Samuel in Rondônia, Estreito in
Tocantins und Balbinas in Amazonas sind eindeutige Beispiele des Übels, das dieses Entwicklungsmodell gebracht hat51.“
__________
47 Vgl. PAC: http://www.brasil.gov.br/pac
48 Vgl. PAC 2: http://www.brasil.gov.br/pac/o-pac/conheca-o-pac
49 Ein Erlass ist eine Anordnung der Exekutive an andere staatliche Stellen, beim zitierten Beispiel ans Umweltministerium.
50 Vgl. CIMI (9.11.2011): Perversidade e Autoritarismo: Governo Dilma edita portarias de restrição e desconstrução de direitos territoriais indígenas e quilombolas, http://www.cimi.org.br/site/pt-br/?system=news&conteudo_id=5931&action=read
51 Erklärung einer Allianz von Bewohnern der Amazonasflüsse und NGOs anlässlich des „4 Rivers Meeting“ in Itaituba, Pará,
am 27. 12.2010.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.3 Strassenbau
Im Rahmen des PAC will die Regierung ungefähr
5 Milliarden US-Dollar in den gigantischen Strassenbau investieren. Im Amazonas sollen unter
anderem die Transamazônica (BR 320) sowie die
Strassen BR 163 von Cuiabá nach Santarém und
BR 319, die von Manaus nach Porto Velho führt,
asphaltiert werden.
Der Strassenbau wirkt sich nicht nur negativ auf
die ökologische Umwelt aus, sondern öffnet die
Tore für eine unkontrollierte wirtschaftliche Entwicklung und illegale Aktivitäten, denn durch die
Strassen können ungehindert legal und illegal
gefälltes Holz sowie abgebaute Rohstoffe transportiert werden. Der Strassenbau ermöglicht den
Zugang zu zuvor unzugänglichem Gebiet. Tief im
Amazonaswald werden neue Siedlungen gebaut.
Dadurch werden die dort wohnhaften Indigenen,
ganz speziell auch die noch isoliert Lebenden, in
Gefahr gebracht. Gemäss dem ISA-Bericht über
die Gefahren der Indigenen in Amazonien, sind
die Auswirkungen die folgenden: Illegale Holzfäller, Goldschürfer und Landbesetzer dringen in
das indigene Gebiet vor und bringen unter anderem Krankheiten, Alkohol und Prostitution in ihre
Nähe. Durch die verbesserten Absatzmöglichkeiten, die der Strassenbau mit sich bringt, weiten
30
sich auch die landwirtschaftlich genutzten Flächen
rund um die Strassen aus. Cachoeira Seca, das Indigenenresevat der Arara, wurde beispielsweise
seit dem Strassenbau der Transamazônica zu einem
Viertel von illegalen Landbesetzern besetzt. Von
der Transamazônica ausgehend wurden insgesamt
735 Kilometer weitere Strassen und Strässchen,
meist illegal, in den Amazonaswald hinein gebaut
und bedecken insgesamt 735'000 Hektaren Land
der indigenen Gemeinschaft Cachoeira Seca, wovon bereits 4 Prozent des Gebiets abgeholzt wurde.
Eine andere Nationalstrasse durch den Amazonas,
die BR 163, hat gemäss ISA 33 Indigenenreservate
in Mitleidenschaft gezogen. Die BR 319 wiederum,
die 877 Kilometer lang ist und grösstenteils bereits gebaut, aber noch nicht geteert ist, könnte
mehr als 50 Indigenenreservate respektive etwa
6'000 Menschen beeinträchtigen52. Die ISA rechnet
damit, dass bis ins Jahr 2050 insgesamt 39 Millionen Hektaren Urwald für den Strassenbau gerodet
werden. Ferner werden in diesem Gebiet vier isolierte Indigenenvölker vermutet. Ohne das Recht
auf Mitbestimmung der betroffenen lokalen Bevölkerung, ohne klare Auflagen und ohne rigorose
Kontrollen durch den Staat, führt der Strassenbau
zur Zerstörung des Amazonas und der dort lebenden indigenen Völker.
Abbildung 11: Strassennetz Amazonien (Quelle: WWF53)
__________
52 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 15.
53 Quelle: WWF (2007), Infrastrukturprojekte am Amazonas, http://www.wwf.at/de/menu27/subartikel476
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.4 Staudämme
5.4.1 Aktuelle Situation
Die brasilianische Regierung plant im Amazonasgebiet einen massiven Ausbau von Staudämmen
für die Energiegewinnung. Bereits in den 1980er
31
darf an Elektrizität durch das Wachstum der brasilianischen Wirtschaft gaben den Regierungen von
Luiz Inácio Lula da Silva und Dilma Rousseff gute
Argumente, um auch weitab der bisherigen nationalen Stromnetze grosse Wasserkraftwerke zu bauen. Da über grosse Transportdistanzen viel Energie
Abbildung 12: Wasserkraftwerke in Amazonien (Quelle: © ISA54)
Legende:
Schwarzes Viereck: Blaues Viereck: Rotes Viereck: Braune Fläche: Blaue Fläche:
Grüne Fläche:
Wasserkraftwerke in Betrieb
Wasserkraftwerke im Bau
Geplante Wasserkraftwerke
Indigenenreservate
Betroffene Wasserfläche
Amazonien
Jahren baute sie im Amazonasgebiet die Dämme
Balbinas und Tucuruí. Schon damals wollte sie den
höchst umstrittenen Belo Monte Staudamm bauen, scheiterte aber am massiven Widerstand der
indigenen Bevölkerung und von Umweltorganisationen.
Grossflächige Stromausfälle und der wachsende Be-
verloren geht, plant die Regierung, die Rohstoffe,
die es im Amazonas in grossen Mengen gibt, vor
Ort zu verarbeiten. Nun werden Riesenprojekte wie
beispielsweise Belo Monte und Teles Pires gebaut,
um vor allem die Aluminiumindustrie mit Energie
zu speisen.
Die Abbildung 13 zeigt die aktuelle Situation der
Wasserkraftwerke in Amazonien. Einige Wasser-
__________
54 Quelle: Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in
the Brazilian Amazon,
http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf,
Seite 20.
32
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
kraftwerke sind bereits in Betrieb, die grosse Mehrheit ist jedoch noch in der Planungsphase.
Diese Wasserkraftwerke verwüsten nicht nur die
Umwelt der Indigenen. Sie sind entgegen den
Behauptungen der Befürworter auch keine klimafreundlichen Energiequellen. Denn durch die
grossflächige Flutung der Wälder, die für den Bau
nötig ist, wird viel klimaschädliches Kohlendioxid
ausgestossen und während des Fäulnisprozesses werden andere klimaschädliche Gase wie beispielsweise Methan freigesetzt. Des Weiteren sind
die Stauseen perfekte Brutplätze für Mücken, die
Krankheiten wie zum Beispiel Malaria übertragen.
Die drei wichtigsten Projekte des Wirtschaftsplanes sind aufgrund ihrer hohen Kapazität der Belo
Monte Staudamm mit einer Höchstleistung von
11'000 Megawatt und die Staudämme Jirau und
Santo Antônio am Fluss Madeira mit zusammen
6'450 Megawatt.
Gemäss ISA sind momentan 16 grössere und 67
kleinere Wasserkraftwerke in Amazonien in Betrieb.
Weitere fünf grössere und 21 kleinere Kraftwerke
sind bereits im Bau, 177 grössere und 70 kleinere
Wasserkraftwerke sind in der Planungsphase55.
5.4.2 Geplante Staudämme
Die brasilianische Regierung plant ungefähr 250
Staudämme in ganz unterschiedlichen Grössen:
Von so genannten UHE (Usina Hidrelética de Energía), grossen Wasserkraftwerken mit einer Leistung
ab 30 Megawatt bis zu kleineren Kraftwerken PCH
(Pequena Central Hidrelétrica) mit einer Leistung
zwischen 1-30 Megawatt. Kleinstkraftwerke (unter
1 Megawatt) werden als CGH (Central Geradora Hidrelétrica) bezeichnet.
Jahr
2011
2011
2012
2012
2013
2014
2015
2015
2015
Projekt
UHE Estreito
UHE Dardanelos
UHE Randon 2
UHE Santo Antônio
UHE Jirão
UHE Santo Antônio do Jari
UHE Ferreira Gomes
UHE Colider
UHE Belo Monte
2015
2016
2016
2016
2017
2019
2019
2020
2020
2020
2020
UHE Teles Pires
UHE Sinop
UHE São Manoel
UHE Foz de Apiacás
UHE São Luiz do Tapajós
UHE Cachoeira dos Patos
UHE Marabá
UHE Jatobá
UHE Cachoeira do Caí
UHE Jamanxim
UHE Serra Quebrada
MW
1‘087
261
74
3'150
3'300
300
252
300
11'233
1'820
400
700
230
6'133
528
2'160
2'336
802
881
1'328
Tabelle 2: Geplante Staudämme 2010 - 2020
__________
55 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf.
56 Vgl. Plano Decenal de expansão de Energía 2020. Ministério de Minas e Energía. Seite 67-69.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
33
Abbildung 13: Wasserkraftwerke in Brasilien (Quelle: Plattform Belo Monte57)
__________
57 Plattform Belo Monte (01.08.2011): Pläne für weitere Kraftwerke in Amazonien vorgestellt, http://plattformbelomonte.
blogspot.com/2011/08/regeirung-stellt-plane-fur-weitere.html
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.4.3 Staudamm Belo Monte
Bereits in den 1980er Jahren sollte der Belo Monte Staudamm am Rio Xingu, einem Nebenfluss des
Amazonas, entstehen, aber nach nationalem und
internationalem Protest zog sich die Weltbank von
der Finanzierung zurück, worauf das Projekt suspendiert wurde. Der Projektplan wurde jedoch 20
Jahre später wieder aufgenommen und eine verkleinerte Version des Wasserkraftwerks wurde trotz
grossem Widerstand im Februar 2010 von der brasilianische Regierung genehmigt.
Das aktuelle Projekt plant, den Fluss Xingu zu zwei
34
Stausee in Brasilien mit 14'000 Megawatt) und
kann während der Höchstleistung 11'200 Megawatt59 erzeugen. Er kann damit rund 11 Prozent
des brasilianischen Strombedarfs decken.
Jedoch kommt dieser Staudamm nur während der
Regenzeit auf diese Leistung, in der Trockenzeit
hingegen sinkt die Energieproduktion gegen Null,
was zu einer durchschnittlichen jährlichen Leistung von lediglich 4'428 Megawatt führt. Gemäss
Norte Energia (NESA60) fliessen insgesamt 3.7 Milliarden US-Dollar in das Projekt und die betroffene
Region bekommt rund 50 Millionen US-Dollar an
Entschädigungszahlungen pro Jahr. Experten befürchten jedoch, dass die Gesamtkosten viel höher werden als angenommen und warnen deshalb
die Investoren vor den Risiken. Der brasilianische
Energieexperte Célio Bermann beispielsweise, der
an der Universität in São Paulo unterrichtet, rechnet mit einem Betrag von mindestens 15 Milliarden US-Dollar, wovon 80 Prozent mit öffentlichen
Mitteln bezahlt werden sollen61.
Die Abbildungen 16 und 17 zeigen die Lage des
Staudamms Belo Monte.
Abbildung 14: Belo Monte Konstruktion, in der Nähe von
Altamira (Quelle: © Greenpeace/Daniel Beltra58)
Stauseen mit einer Fläche von zusammen etwa
500 Quadratkilometern aufzustauen und, je nach
Quelle, 20'000 bis 40'000 Angehörige der lokalen
Bevölkerung umzusiedeln. 516 Quadratkilometer
Wald werden für den Bau überschwemmt und unterhalb der Staumauer wird der Xingufluss auf einer
Länge von über 100 Kilometern kaum mehr Wasser
führen. Der Flusslauf des Xingu wird sich komplett
verändern, weil er durch zwei Kanäle umgeleitet
wird und beim Kanalbau hunderte von Millionen
Kubikmetern Erde und Felsgestein (mehr als beim
Bau des Panamakanals) ausgehoben werden.
Der Belo Monte Staudamm wird der drittgrösste
Staudamm der Welt (nach dem Drei-SchluchtenStausee in China mit 18'000 Megawatt und Itaipu__________
58 Online verfügbar unter: http://news.mongabay.com/2012/0418-hance_belomonte_photos.html#.
59 11 200 Megawatt entsprechen der Aktivität rund 12 Schweizer AKWs.
60 Norte Energia S.A. ist ein Baukonsortium, das aus 18 privaten und staatlichen Firmen besteht, um das Grossprojekt Belo
Monte umzusetzen.
61 Vgl. Brum, Eliane (31.10.2011): Belo Monte, nosso dinheiro e o bigode do Sarney, http://revistaepoca.globo.com/Sociedade/noticia/2011/10/belo-monte-nosso-dinheiro-e-o-bigode-do-sarney.html.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Abbildung 15: Lokalisierung des Belo Monte Staudamms
(Quelle: © ISA62)
Abbildung 16: Der Staudamm Belo Monte umgeben von
Indigenenreservaten und Schutzgebieten (Quelle: © ISA63)
Legende:
Violette Fläche: Grüne Fläche: Orange Fläche: Bundesstaatliche Schutzgebiete
Nationale Schutzgebiete
Indigenenreservate
__________
62 Quelle: ISA: Belo Monte especial, http://www.socioambiental.org/esp/bm/hist.asp.
35
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Der Bewilligungsprozess für den Belo Monte Staudamm wurde zum juristischen Streitgegenstand.
Die Bundesanwaltschaft des Staates Pará hat den
Vorgang mehrmals sistiert, wurde dann aber umgehend von der Bundesanwaltschaft in Brasilia überstimmt. Bis Mai 2012 wurden 13 Klagen gegen das
Projekt eingereicht. Die interamerikanische Kommission für Menschenrechte der Organisation der
Amerikanischen Staaten (OAS) verlangte ebenfalls
einen Baustopp und kritisiert den mangelnden Einbezug der Indigenen vor Ort.
36
gewann die Ausschreibung und unterschrieb den
Konzessionsvertrag. Das Baukonsortium erhielt
damit das Nutzungsrecht für die kommenden 35
Jahre am Kraftwerk.
Das Baukonsortium hat daraufhin die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung65 durchgeführt und den Bericht dazu der Umweltbehörde
IBAMA vorgelegt. Innerhalb der IBAMA gab es Widerstand gegen die Erteilung der Bewilligung. Erst
kurz nachdem der damalige Präsident der brasilia-
Abbildung 17: Übersicht des Staudammkomplexes Belo Monte (Quelle: © Telma Monteiro64)
Trotz allen Protesten gab der damalige Präsident
Luiz Inácio Lula da Silva am 1. Februar 2010 grünes
Licht für den Bau. Darauf fand am 20. April 2010
die Ausschreibung des Projekts für Firmen respektive Konsortien statt. Viele der interessierten Firmen
zogen sich wegen des hohen ökonomischen Risikos
zurück. Das Baukonsortium NESA, das von der Firma Hidro-Elétrica do São Francisco angeführt wird,
nischen Umweltbehörde, Abelardo Bayma Azevedo,
seinen Rücktritt eingereicht hatte, erteilte sie dem
Konsortium eine Teil-Lizenz. Diese erlaubte es,
die ersten Bauarbeiten für den Staudammkomplex
Belo Monte durchzuführen. Viele vermuten, dass
die Regierung grossen Druck auf Azevedo ausgeübt
hat, die Bewilligung auch bei grossen Zweifeln der
__________
64 Online verfügbar unter: Plattform Belo Monte (17.12.2011): Belo Monte Kraftwerk: Baustopp im Flussbereich wieder aufgehoben, http://plattformbelomonte.blogspot.com/search/label/Baustopp
65 Das Umweltgenehmigungsverfahren ist in der brasilianischen Umweltgesetzgebung verankert und verlangt vom Baukonsortium eines Grossprojektes, eine Umweltverträglichkeitsprüfung (RIMA- Relatório de Impacto Ambiental) zu erstellen, die für
die Allgemeinheit verständlich und zugänglich sein sollte, sowie den Betroffenen vorgestellt werden muss.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Umweltverträglichkeit zu bewilligen. Auch die TeilLizenz wurde zum juristischen Streitobjekt.
Azevedo war nicht der erste, der wegen des Konflikts zwischen der Energie- und der Umweltbehörde zurückgetreten ist: Marina Silva trat unter
der Regierung Lula als Umweltministerin zurück,
um ein Zeichen gegen die fortschreitende Aufweichung des Umweltgenehmigungsverfahrens zu
setzen. Auch der Häuptling der Kayapo-Indigenen
Megaron Txucarramãe wurde wegen seiner Opposition gegen die Wasserkraftwerke aus der FUNAI
entlassen66.
Unabhängige Wissenschaftler führten ausserhalb
der offiziellen Umweltverträglichkeitsprüfung des
Baukonsortiums Analysen durch, die zeigen, dass
die Auswirkungen des Projekts Belo Monte wesentlich grösser sind, als in der Studie des Konsortiums
angegeben67. Unter anderem kritisieren sie, dass
bisher noch keine Untersuchung zu den Auswirkungen auf die isolierten Indigenen durchgeführt wurden. Zudem gab es lediglich eine unzureichende
Abbildung 18: Erste Bauten des Kraftwerks mit bereits grossen
Umweltschäden (Quelle: © Greenpeace/Daniel Beltra68)
Untersuchung zu den Auswirkungen der Migration
auf die Indigenenreservate, zu den Arbeitssuchenden und dem damit verbundenen Anstieg von Armut, Gewalt, Prostitution sowie zum mangelhaften
Zustand des Bildungs- und Gesundheitswesen für
die lokale Bevölkerung.
37
Die zukünftigen Betreiber des Kraftwerks geben
zwar im Bericht der Umweltverträglichkeitsprüfung
negative Folgen des Staudamms an, diese sollen
aber durch Kompensationen ausgeglichen und somit aus der Welt geschafft werden.
Die brasilianische Umweltbehörde ist für die Einhaltung aller Umweltauflagen zuständig und büsst
allfällige Nichteinhaltungen der Auflagen. Das
Baukonsortium Norte Energia wurde wegen Verzögerung bei der Umsetzung der Umweltauflagen
bereits gebüsst. Dem Baukonsortium wurde eine
Geldstrafe von ungefähr 3.58 Millionen US-Dollar
auferlegt, und es musste der IBAMA einen Aktionsplan vorlegen, wie die Umweltprogramme zukünftig umgesetzt werden. Das Baukonsortium
wird nicht nur wegen mangelhafter Umweltpolitik
gerügt, sondern auch bezüglich des Umgangs mit
den Bewohnern vor Ort und insbesondere in Bezug
auf deren Umsiedlungen und Entschädigungen.
Um die durch den Staudamm Belo Monte verursachten Umweltschäden zu kompensieren, muss Norte
Energia etwa 533‘000 US-Dollar zur Erhaltung des
Flusses Xingu und zur Abfederung negativer Folgen
im sozialen und im Umweltbereich investieren. Angesichts von 2 Milliarden US-Dollar, die während
der Bauzeit alleine für Zinsen fällig werden, ist der
Betrag äusserst gering. Die Kompensationen werden in so genannten Lizenzgebühren den betroffenen Gemeinden bezahlt. Da es aber weder eine
Transparenzpflicht noch eine Kontrolle der Zahlungen gibt, können die Gelder verschwinden, bevor
sie bei den Gemeinden ankommen.
Zudem verhandelt das Baukonsortium NESA vor Ort
direkt mit den Indigenen, um ihren Widerstand
zu brechen, allerdings in einen intransparenten
Prozess, ohne umfassend zu informieren und ohne
ernsthafte Verhandlung um das Einverständnis
der Betroffenen. Der Indigenenhäuptling Megaron
Txucarramãe sagte in einem Interview mit der GfbV
im Jahr 2010, dass die staatlichen Stromversorgungskonzerne Eletro Norte und Electrobrás den
Betroffenen Geld, Diesel und Grundnahrungsmittel
__________
66 Vgl. Xingu Vivo (01.11.2011): Demitido da Funai, Megaron diz que ato foi motivado por oposição a hidrelétricas,
http://www.xinguvivo.org.br/2011/11/01/demitido-da-funai-megaron-diz-que-ato-foi-motivado-por-oposicao-a-hidreletricas
67 Vgl. Plataforma Brasileira de Direitos Humanos Econômicos, Sociais, Culturais e Ambientais, Bericht der Mission Xingu –
Menschenrechtsverletzung im Zuge des Genehmigungsverfahrens für das Wasserkraftwerk Belo Monte, http://www.dka.at/
fileadmin/download/entwicklung/DHESCA_Belo_Monte_Zusammenfassung_deutsch.pdf
68 Online verfügbar unter: http://news.mongabay.com/2012/0418-hance_belomonte_photos.html#
38
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Abbildung 19: Rodungen für das Projekt Belo Monte (Quelle: © Greenpeace/Daniel Beltra69)
Name
Paquiçamba
Arara da Volta Grande
Juruna do
KM 17
Trincheira
Bacajá
Koatinemo
Kararaô
Apyterewa
Araweté
do Igarapé
Ipixu-na
Arara
Cachoeira
Seca
Ethnie
Juruna
Arara
Population Fläche
81
4'348 ha
107
25'498 ha
Indigenenreservat
Bedrohung Belo M.
Im Grundbuch eingetragen Direkt betroffen
Deklarierung
Direkt betroffen
Juruna
38
35 ha
In Identifizierung
Xikrin
673
1'650'939 ha Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen70
Asurini
Kararaô/
Kayapó
Parakanã
Araweté
144
39
387'834 ha
330'837 ha
Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen
Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen
411
398
773'000 ha
940'900 ha
Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen
Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen
Arara
Arara
236
81
294'010 ha
734'027 ha
Im Grundbuch eingetragen Indirekt betroffen
Deklarierung
Indirekt betroffen
Direkt betroffen
Tabelle 3: Übersicht über die Indigenen, die gemäss FUNAI vom Belo Monte betroffen sind
__________
69 Online verfügbar unter: http://news.mongabay.com/2012/0418-hance_belomonte_photos.html#
70 Gemäss der FUNAI sind diese Völker nur indirekt vom Projekt betroffen. Die Nachforschungen der GfbV zeigen aber, dass
dieses Volk direkt vom Staudamm betroffen ist, weil sie nach dem Bau ihre Wasserwege nicht mehr benutzen können, da der
Fluss zu wenig Wasser führt. Auch werden sie durch den geringen Wasserstand des Flusses einen deutlich geringeren Fischbestand haben und durch die Konsequenzen der Bevölkerungszunahme (Anstieg der Gewalt, Prostitution, neue Krankheiten,
etc.) an Lebensqualität verlieren.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
offerieren, damit diese sich kooperativ zeigen.
In der Umgebung des Staudamms leben etwa 29
verschiedene indigene Gemeinschaften in ebenso
vielen Indigenenreservaten, die sich in den Bundesstaaten Mato Grosso und Pará befinden. Diese Indigenenreservate umfassen etwa eine Fläche
von 198‘000 Quadratkilometern (fast fünfmal die
Schweiz) mit ungefähr 20‘000 Indigenen71.
Besonders betroffen von direkten und indirekten
negativen Auswirkungen sind die indigenen Völker
der Kayapó Xikrin (Rio Bacajá), Araweté (Rio Xingu), Kayapó in Kararaõ (zwischen Rio Iriri und Xingu), Juruna (Volta Grande do Xingu und Km 17),
39
Assuriní (Xingu), Kuruáya (Rio Curuá), Parakanã
(Rio Xingu), Xipaya (Rio Iriri) und Arara (Rio Iriri
und Volta Grande), welche seit Menschengedenken
in diesem Gebiet leben.
Einer der direkten negativen Folgen entsteht aufgrund der Umleitung des Xingu-Flusses. Der grosse
Flussbogen wird selbst in der Regenzeit nur noch
ganz wenig Wasser führen und die hauptsächliche
Proteinquelle der dort ansässigen Indigenen, der
Fisch, wird dezimiert. Die Bewohner der Indigenenreservate Paquiçamba und Arara da Volta Grande do Xingu sind massiv betroffen, denn sie leben
direkt am Flussufer unterhalb des Staudamms. Sie
sind zudem auf den Bootsverkehr angewiesen, um
Abbildung 20: Massiver Druck auf die indigenen Reservate nahe Altamira und Belo Monte Damm aufgrund des grossen Interesses am Rohstoffabbau (Quelle: DNPM72)
Legende
Orange schraffierte Fläche:
Graue Quadrate: Rosa Quadrate: Dunkelrote Fläche: __________
Indigenenreservate
Forschungsgesuch gestellt
Forschungsbewilligungen für Rohstoffabbau erteilt
Bewilligung für den Rohstoffabbau
71 Vgl. ISA, Belo Monte especial, http://www.socioambiental.org/esp/bm/loc.asp.
72 Online verfügbar unter: http://assets.gfbv.ch/downloads/mapa_direitos_minerarios_incidentes_na_area_de_estudo.pdf.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
40
Abbildung 21: Indigenenreservat Trincheira Bacajá und Schürfungsanfragen vor allem für
Gold (Au) und Kupfer (Cu) (Quelle: © IBAMA)
Legende
Grüne Fläche: Schürfungsanfragen
Lila Fläche: Schürfungsbewilligungen
Rote Linie: Indigenenreservat Trincheira Bacajá
ihre Absatzmärkte in Altamira zu erreichen. Die
Schiffbarkeit wird aber durch den Staudamm unmöglich gemacht.
Nur ungefähr 70 Kilometer vom geplanten Ort des
Staudamms entfernt vermutet man seit längerer
Zeit eine oder mehrere Gruppen indigener Völker
in freiwilliger Isolation, die nomadisch leben. Die
Regierung hat noch kein Konzept ausgearbeitet,
wie diese Menschen vor den negativen Auswirkungen des Dammbaus und seiner indirekten Folgen
geschützt werden können.
Die brasilianische Verfassung garantiert eine Konsultation der indigenen Bevölkerung bei Entwicklungsprojekten, die sie betreffen (siehe Kapitel 3),
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
aber keine Mitentscheidung. Zwar führte sowohl
die FUNAI als auch das Konsortium NESA Treffen
mit einigen indigenen Völkern durch, um Information auszutauschen, doch zeigen sich die Betroffenen alles andere als zufrieden und ernst genommen. Es gab keine seriösen Verhandlungen um die
Kompensationen, ihre Sorgen fanden kein Gehör
und die Gemeinschaften haben kein Einverständnis gegeben.
Selbst wenn die direkten und indirekten Auswirkungen des eigentlichen Staudammbaus einigermassen gut abgefedert werden können, besteht
darüber hinaus eine weit grössere Gefahr für die
indigene Bevölkerung und ihren Reservaten. Laut
dem Bericht der Umweltverträglichkeitsprüfung
des Belo Monte Staudamms beantragten bereits
zahlreiche Rohstoff-Firmen bei der Regierung Bewilligungen zur Suche nach Bodenschätzen. Im Indigenenreservat Apyterewa zum Beispiel ist dies,
neben anderen, die Firma Vale SA, eine der weltgrössten Rohstofffirmen und Trägerin des Schmähpreises beim Public Eye on Davos 2012. Insgesamt
wurden bereits für rund 63 Prozent der Fläche der
Indigenenreservate im oberen Xingu solche Bewilligungen beantragt. Die Indigenen selbst sind
bislang weder informiert worden, noch haben sie
einem künftigen Rohstoffabbau in ihrem Siedlungsgebiet in irgendeiner Weise zugestimmt.
Die Abbildung 21 zeigt, wie weit der Rohstoffabbau bereits geplant ist. Die gesamte Region könnte bald in ein Industriezentrum verwandelt werden
und den Regenwald und die Indigenenreservate
zerstören. Insbesondere vom Moment an, an dem
der brasilianische Kongress das Gesetz zur Nutzung
von Bodenschätzen in Indigenenreservate genehmigt.
Die Abbildung 22 zeigt die Anträge für Forschungsbewilligungen im Indigenenreservat Trincheira Bacajá. Falls der Kongress das entsprechende Gesetz
annehmen würde, wäre bald von diesem Indigenenreservat kaum mehr etwas übrig. Die lila Rechtecke
sind bereits gesprochene Bewilligungen, selbst
wenn sie gegen geltendes brasilianisches Gesetz
verstossen.
Grundsätzlich bringt Belo Monte das ganze Ökosystem des Xingu-Gebietes durcheinander. Flussläufe
sowie Wassermengen werden komplett verändert.
41
Der bereits bestehende Druck auf die Amazonaswälder und die indigenen Völker im Gebiet wird
massiv steigen. Es werden weitere Strassen gebaut und die Stadt Altamira wird massiv wachsen.
Tausende von Menschen werden in die Umgebung
von Altamira strömen, in der Hoffnung, Arbeit zu
finden. Eines der Argumente des Baukonsortiums
und der Regierung für den Bau ist, dass dadurch
viele Arbeitsplätze (18‘000 direkte und 23‘000 indirekte Arbeitsplätze) geschaffen werden. Nach
Beendigung der Arbeiten muss die Region aber mit
einer grossen Arbeitslosigkeitsrate rechnen, denn
danach sollen gemäss den Angaben der NESA nur
noch etwa 1‘000 Arbeitsplätze bestehen bleiben.
Die Armut und als Folge auch Kriminalität und Gewaltbereitschaft könnten dramatisch ansteigen.
Eine Bevölkerungszunahme bringt sowohl einen
Anstieg illegaler Landaneignungen, Abholzungen
und Brandrodungen mit sich, als auch vermehrte
Fischerei und Jagd – und damit zusätzliche Konkurrenz für die indigene Bevölkerung.
Aufgrund ihres traditionellen Lebens verfügen die
betroffenen indigenen Gemeinschaften nicht über
die notwendigen finanziellen Mittel, um sich Gehör
zu verschaffen. Die grossen Distanzen zwischen
den Dörfern und die hohen Reisekosten erschweren es zudem, sich zu treffen, Informationen auszutauschen und ihre Position bezüglich Belo Monte zu diskutieren. Somit leiden jene Menschen am
meisten, die am längsten in diesem Gebiet wohnen
und bewiesen haben, dass sie mit dem Regenwald
leben können, ohne ihn zu zerstören.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Abbildung 22: Feuer entlang des Xingu Flusses am 17. September 2011 (Quelle: NASA73)
__________
73 Vgl. NASA (17.09.2011), http://earthobservatory.nasa.gov/IOTD/view.php?id=71256
42
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.4.4 Teles Pires
Teles Pires ist ein weiterer Staudamm, im Rahmen
des Ausbaus der brasilianischen Energievorsorg. Es
ist nach dem gleichnamigen Fluss benannt. Die Bewilligungsverfahren für den Bau haben begonnen
und die ersten Klagen wurden bereits eingereicht,
zuletzt am 16. März 2012 von der Bundesanwaltschaft der Bundestaaten Pará und Mato Grosso74.
Es ist bereits die vierte Klage im Zusammenhang
mit Irregularitäten beim Bewilligungsprozess dieses Staudamms. Die Klage richtet sich an das Umweltinstitut IBAMA und die Energieforschungsfirma
Abbildung 23: Situierung des Teles Pires Staudamms und der
Indigenengebiete (Quelle: epe75)
43
EPE (Empresa de Pesquisa Energética) betreffend
des Bewilligungsverfahrens und erreichte eine Suspendierung der Betriebsbewilligung und der Bauarbeiten. Dies wurde nach wenigen Wochen bereits
wieder aufgehoben.
Betroffen von diesem Staudamm sind die Indigenen der Kayabi, Munduruku, Apiaká und die
isolierten Indigenen, die in unmittelbarer Umgebung vermutet werden. Die betroffenen Indigenen (ausser die isoliert Lebenden) haben sich nun
zusammengeschlossen. In einem Manifest vom 9.
Dezember 2011 positionieren sie sich gegen die
Staudämme76 und fordern:
• Das freie, informierte und vorherige Einverständnis (FIVE) muss unbedingt eingeholt werden, bevor ein Projekt bewilligt wird.
• Detaillierte Studien zu den Auswirkungen der
Wasserkraftwerke auf die Indigenen und Indigenenreservate müssen durchgeführt werden.
• Alle sollen das Recht haben, beim Energiediskurs
der Regierung mitreden zu dürfen.
• Es muss einen definitiven Baustopp der Staudämme Teles Pires, São Manoel, Foz de Apiacàs und
Chacorão geben.
• Die indigenen Reservate vor Ort müssen demarkiert und geschützt werden77.
Am 29. März 2012 haben sich die Indigenen nochmals getroffen, um über die aktuelle Situation und
das weitere Vorgehen zu sprechen. Dort wurde der
Bericht der Umweltverträglichkeitsprüfung des
Baukonsortiums (Odebrecht Energia, Voith Hydro
und Alstom) den indigenen Leader zwar gezeigt,
doch lehnten sie das Projekt ab. Auch kritisierten
sie, dass sie nicht in die Planungsphasen einbezogen wurden.
Die negativen Auswirkungen sind verheerend für die
Indigenen, denn um das Wasserkraftwerk zu bauen, müssten die sieben Wasserfälle (7 Quedas), die
als Brutgebiet für Fische dienten, überschwemmt
__________
74 Vgl. Procuradoria da República no Pará (27.03.2012) : Justiça suspende licença e ordena consulta indígena para usina Teles
Pires, http://www.prpa.mpf.gov.br/news/2012/justica-suspende-licenca-e-ordena-consulta-indigena-para-usina-teles-pires-2.
75 Online verfügbar unter: Monteiro, Telma (22.08.2011): Três hidrelétricas ameaçam indígenas no rio Teles Pires, http://telmadmonteiro.blogspot.com/2011/08/tres-hidreletricas-ameacam-indigenas-no.html
76 Der Teles Pires Staudamm ist nicht der einzige Damm, der in ihrer Nähe gebaut wird, sondern gemäss den Plänen der Regierung sind zudem die Staudämme São Manuel, Foz do Apiacàs, Colíder und Chacorão im Becken des Flusses Teles Pires /Tapajós
geplant.
77 Vgl. COIAB (09.12.2011): MANIFESTO KAYABI, APIAKÁ E MUNDURUKU CONTRA OS APROVEITAMENTOS HIDRELÉTRICOS NO RIO
TELES PIRES, http://www.coiab.com.br/coiab.php?dest=show&back=index&id=807&tipo=A.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
werden. Dies würde einen grossen Einfluss auf die
Ernährung der Menschen vor Ort haben. Die sieben
Wasserfälle sind zudem ein heiliges Gebiet für die
Indigenen, das sie verlieren würden. Ausserdem
werden, wie auch beim Staudamm Belo Monte, die
Wasserwege der Indigenen unterbrochen. Der Druck
auf die Indigenenreservate wird sich aufgrund zunehmender illegaler Abholzung, Jagd, Rodung und
Rohstoffabbau massiv erhöhen.
Neben Teles Pires wurden auch die Bewilligungen
zum Bau der beiden in der Nähe liegenden Staudämme São Manoel und Foz do Apiacás erteilt, die
ähnliche Auswirkungen auf den Regenwald und die
indigene Bevölkerung haben werden. Zudem sind
alle drei Staudämme Teil einer geplanten Wasserstrasse mit Schleusen, die den Transport der
Rohstoffe, vor allem von Holz und landwirtschaftlichen Produkten, in die Hafenstadt Santarém an
der Mündung des Flusses Tapajós in den Amazonas
ermöglichen soll, von wo aus die Weltmärkte beliefert werden können. Damit würden weitere Hindernisse zur industriellen Erschliessung des Amazonasgebietes überwunden und die Zerstörung der
Region beschleunigt.
44
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.5 Abholzung
Mit der Abholzung des Amazonas wird nicht nur
das Klima in Brasilien beeinflusst, sondern es werden auch grosse Mengen an Kohlendioxid ausgestossen. Dies hat einen massiven Einfluss auf die
Klimaveränderung. In Brasilien macht die Waldrodung einen Anteil von bis zu 75 Prozent des gesamten Ausstosses des Treibhausgases aus. Bis
heute wurden bereits 14 Prozent der 4'200'000
Quadratkilometer (etwa 100-mal die Fläche der
Schweiz) grossen Fläche des Amazonaswaldes abgeholzt. Die Grösse der jährlich gerodeten Fläche
ist aber in den letzten Jahren deutlich kleiner geworden (siehe Abbildung 26). Mit der Aufweichung
45
des Waldgesetzes durch den Kongress ist allerdings
wieder mit einer drastischen Zunahme zu rechnen.
In den Indigenenreservaten sind 98.4 Prozent des
Amazonaswaldes noch bewahrt. Gemäss ISA wurden jedoch zwischen 1998 und 2009 insgesamt
12'204 Quadratkilometer Wald in den Reservaten
gerodet78. Nur ein kleiner Teil dieser Entwaldung
ist der indigenen Bevölkerung selbst zuzuschreiben. Der Grossteil, mehr als 93 Prozent der Rodungen innerhalb der Reservate, geht auf die illegalen
Tätigkeiten von externen Personen zurück. Der ISA
zufolge liegt die Hauptschuld dafür im mangelhaften Management der Indigenenreservate durch die
Behörden.
Abbildung 24: Holzwirtschaft in Amazonien (Quelle: © ISA79)
Legende
Weisser Baum: Illegale Abholzung
Orange Fläche:Flächen, die durch illegale Abholzung und Bergbau bedroht sind
Rote Fläche: Abholzung
Gelbe Fläche: Indigenenreservate
__________
78 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf , Seite 27.
79 Quelle: Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in
the Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 44.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
46
Abbildung 25: Die Abholzungsstatistik im Amazonas 1988 bis 2011 (Quelle: © Rhett A. Butler/ Mongabay80)
Die Abbildung 25 zeigt die Abholzungsgebiete. Immer stärker dringt die Landwirtschaft in diese Gebiete, wie zum Beispiel in den Bundesstaaten Rodônia und Mato Grosso, ein. Besonders betroffen
sind auch die Bundesstaaten Maranhão und Pará,
in denen zwischen 18 und 58 Prozent des Waldes
in den Indigenenreservaten abgeholzt wurde.
Ein besonderes Augenmerk verdient das Indigenengebiet Apyterewa, welches einerseits durch
den Bau des Belo Monte-Staudamms betroffen und
andererseits besonders stark von der Abholzung
bedroht ist (siehe Abbildung 27). Gemäss einer FUNAI-Studie aus den Jahren 2006 bis 2008 wurden
acht Prozent des Reservats bereits abgeholzt81.
Die folgenden zwei Satellitenbilder (Abbildung 28)
des Bundesstaates Rondônia belegen das Ausmass
der Abholzung innerhalb von zehn Jahren. Rondônia hatte früher 208‘000 Quadratkilometer Waldfläche und ist nun der Bundesstaat in Brasilien, der
am meisten von Abholzung betroffen ist.
Die erste Aufnahme wurde am 30. Juli 2000 gemacht und die zweite am 2. August 2010. Sie zei-
gen das Ausmass der Zerstörung durch die Abholzung.
Leider ist dieses Beispiel keine Ausnahme. Es repräsentiert den Trend der letzten Jahrzehnte im
ganzen südlichen und östlichen Amazonas.
Der Amazonasregenwald beherbergt eine grosse
Zahl von Baumarten. Besonders begehrt ist der
Mahagoni. Um an diese Bäume zu kommen, dringen Holzfäller meist illegal tief in den Wald ein
und schlagen ohne Bewilligung diese wertvollen
Hölzer. Sie machen auch nicht vor den Indigenenreservaten halt. Damit werden sie zu einer ernsthaften Bedrohung für die Indigenen.
Grössere Holzfirmen haben das Kapital, um über
weite Distanzen Strassen zu bauen. Auch wenn sie
selbst das Holz selektiv nutzen, hinterlassen sie
einen beträchtlich geschädigten Wald. Entlang der
Holzfällerstrassen dringen in der Folge Kleinbauern
und Grossgrundbesitzer ein. Diese roden den Wald
vollständig und nutzen die Fläche für die Landwirtschaft. Damit wird die Holzindustrie zum Türöffner
der Zerstörung des Amazonas.
__________
80 Quelle: http://photos.mongabay.com/06/braz_defor_88-05-lrg.jpg
81 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, Socioambiental: http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/Atlas.pdf.pdf, Seite 24-26.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
47
Abbildung 26: Die Abholzung im Indigenenreservat Apyterewa (Quelle: © Greenpeace82)
Abbildung 27: Rodônia Fotovergleich 10 Jahre Unterschied (Quelle: NASA, Robert Simmon and Reto Stöckli83)
__________
82 Quelle: http://www.greenpeace.org.br/gado/googleearth/TI_Apyterewamapa.jpg
83 Vgl. NASA (30.07.2000): Amazon Deforestation, http://earthobservatory.nasa.gov/Features/WorldOfChange/deforestation.
php
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.6 Bodenschätze
5.6.1 Mineralienreichtum
Brasilien ist reich an Bodenschätzen. Seit die
Nachfrage für die Rohstoffe auf dem Weltmarkt
und in Brasilien wächst, steigen auch deren Preise.
Dadurch sehen immer mehr Firmen, auch in den
entferntesten Gebieten, neue Einnahmequellen.
Die brasilianische Regierung entwickelte innerhalb
des PACs (siehe Unterkapitel 5.2.2) den langfristigen Plan für die Entwicklung des Bergbausektors
(Plano Nacional de Mineração 2030), der für die
kommenden Jahre 350 Milliarden US-Dollar Investitionen in diesem Bereich vorsieht.
In weiten Gebieten Amazoniens gibt es einen grossen Reichtum an Bodenschätzen, insbesondere Eisenerz-, Bauxit84 -, Zinn-, Kupfer- und Goldvorkommen. Seit vielen Jahren beantragen daher grosse
und kleine Firmen sowie Spekulanten Genehmigungen für die Suche nach Bodenschätzen, nicht
selten auch in geschützten Indigenenreservaten.
Gemäss der brasilianischen Verfassung dürfen keine Rohstoffe in den Indigenenreservaten abgebaut werden ohne die ausdrückliche Zustimmung
des nationalen Kongresses. Ein Gesetz, das diese
Ausnahmen regeln soll, wird zurzeit im Kongress
diskutiert. Ausserdem müssten die Unternehmen,
die in Indigenenreservaten Bergbau betreiben, der
dort wohnhaften Bevölkerung und der FUNAI eine
Gewinnbeteiligung (die so genannten Royalities)
bezahlen.
Gemäss ISA gibt es in den Indigenenreservaten Cajueiro (RR), Pequizal (MT), Kwazá do Rio São Pedro
e Roosevelt (RO), Xikrin do Cateté (PA), Baú und
Arara (PA) für über 90 Prozent ihres Territoriums
Explorations- oder Abbaugesuche85. Bei weiteren
35 Reservaten sind Gesuche eingegangen, die 50
Prozent oder mehr des Territoriums in Anspruch
nehmen würde. Die Reservate mit den meisten
Anfragen sind: Yanomami (AM/RR) mit 790 Anfra-
48
gen, Menkragnoti (PA) mit 410, und Alto Rio Negro
(AM) mit 37786. In Waimiri Atroari (AM/RR), Xikrin
do Cateté (PA) und im Osten von Pará wurden auch
schon die ersten Bewilligungen in den Reservaten
erteilt87. Damit wird der Schutz der Reservate de
facto aufgehoben.
Das Parlament arbeitet momentan an einer Gesetzesvorlage, nach deren Verabschiedung jedes
Bergbauunterfangen in den Reservaten einzeln
zu prüfen wäre. Zudem würde den betroffenen
Gemeinschaften ein Konsultationsrecht sowie Beteiligung an Profiten garantiert. Einige Vorstösse
jedoch sehen keine Notwendigkeit für vorherige Studien über die Auswirkungen des Bergbaus
in der jeweiligen Region. Weiter wird befürchtet,
dass das Konsultationsrecht der Gemeinschaften
als reine Formalität wahrgenommen wird und Zustimmung der Betroffenen wird nicht verlangt.
Gemäss ISA gibt es im Gebiet der Xikrin do Cateté acht Bergbaubewilligungen und 120 Anfragen
zur Rohstoffsuche. Seit den 1980er Jahren sucht
die brasilianische Firma Vale SA (früher Compania Vale do Rio Doce - CVRD88) in der Nähe des
Reservats nach Bodenschätzen. Auch ausserhalb
der Reservate stellen die Bergbauaktivitäten eine
Bedrohung der Indigenen dar, denn für die Minen
werden Strassen gebaut, Arbeiter kommen in die
Gegend und Wald wird gerodet. 1989 startete Vale
ein Programm für die Erziehung, Gesundheit und
Infrastruktur vor Ort, um die Indigenen wegen der
Minen zu entschädigen. Die Gemeinschaft erhielt
dadurch Geld, worauf sich ihre Essgewohnheiten
schlagartig änderten. Dadurch begannen sie an
(für sie) neuen Krankheiten wie Diabetes zu leiden.
Ein anderes Beispiel ist das Schutzgebiet der Waimiri Atroari. Auf 44,5 Prozent des Reservats gibt
es 195 Bergbauverfahren: 193 Anfragen für Rohstoffsuche, eine Abbaugenehmigung und eine Forschungszulassung. 1970 wurden im Gebiet grosse
__________
84 Aus Bauxit wird Aluminium gewonnen, was ein sehr energieaufwendiger Vorgang ist. Die Stromproduktion von Belo Monte
würde den Strom für die Aluminiumproduktion liefern.
85 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/Atlas.pdf.pdf, Seite 35-38.
86 Vgl. Ricardo, Beto / Ricardo, Fany (2011): Povos Indígenas No Brasil 2006/2010, Instituto Socioambiental: São Paulo, Seite
127-128.
87 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 37.
88 Die Vale SA ist eines der drei grössten Bergbauunternehmen der Welt.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Zinnerzvorkommen entdeckt. Dem 1971 gegründeten Indigenenreservat wurden jedoch nachträglich
525'000 Hektaren Land weggenommen, um die
grösste Kassiterit-Mine der Welt zu bauen. Dadurch
wurde viel Wald gerodet und der Fluss Alalaú, der
für 55 Prozent der Wasserversorgung der Zone verantwortlich ist, wurde verschmutzt89.
49
Gemäss ISA gibt es bereits über 4'903 Bodenproben und Bergbauprozesse in Indigenenreservaten,
was eine totale Fläche von rund 40,3 Prozent der
Reservate entspricht und dies bevor das Gesetz
überhaupt verabschiedet wurde90.
Forschungsbewilligungen:
Abbaugenehmigung:
Bergbaugesuche von Firmen:
Bergbaugesuche von Personen:
Bergbaugesuche für Betriebsgenehmigung:
Bergbaugesuche für Forschungsbewilligung:
Verfügbarkeit:
Total
178
5
5
65
4
4'404
242
4'903
Tabelle 4: Aktuelle Bergbauprozesse in den Indigenenreservaten
__________
89 Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the Brazilian Amazon, Vgl. http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/Atlas.pdf.pdf, Seite 36.
90 Vgl. ISA: Terra Indígena Apyterewa , http://ti.socioambiental.org/#!/terras-indigenas/3585
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.6.2 Erdöl und –gas
Brasilien setzt seine Hoffnungen auch in Erdöl
und Erdgas. Nach ihnen wird vor allem im Westen
Amazoniens gesucht. Es gibt bereits zehn Orte, wo
Rohölvorkommen vermutet werden. Die kommerzielle Ausbeutung ist auch schon im Tal des Flusses Urucu (AM) im Gange. In unmittelbarer Nähe
des Tals befindet sich kein Indigenenreservat, aber
die Folgen sind auch für die etwas weiter entfernt
wohnhaften Indigenen spürbar. Die Reservate Cajuhiri Atravessado, Paumari do Lago Manissuã,
Paumari do Lago Paricá und Paumari do Cuniuá
liegen jedoch in der Nähe eines potentiellen Abbaugebiets. Falls keine präventiven Massnahmen
unternommen werden, können Ölfelder, Raffinerien, Ölleitungen, Rodungen, Verschmutzung, Landbeschlagnahmungen und unkontrollierte Migration
50
folgen, was sich verheerend auf die Indigenen auswirken wird.
Darüber hinaus gab im April 2012 die Regierung
grünes Licht für Erdöl- und Erdgasbohrungen im Tal
Juruá im Bundesstaat Acre. Dieser Prozess ist bereits 2007 initiiert worden. In den Bezirken Cruzeiro do Sul, Mâncio Lima, Rodrigues Alves, Marechal
Thaumaturgo und Porto Walter wurde bereits Erdöl
und Erdgas gefunden91. Zurzeit werden rund 520
Arbeiter unter Vertrag genommen, die während
zehn Monaten seismologische Untersuchungen
durchführen werden. Besonders gravierend ist,
dass in dieser Umgebung die meisten isoliert lebenden Indigenen in Brasilien wohnhaft sind.
In der folgenden Karte ist sichtbar, wo sich die
aktuellen Erdöl- und Erdgasfelder in Brasilien und
in den angrenzenden Ländern befinden.
Abbildung 28: Erdöl- und Gasfelder Aktuelle und potentielle zukünftige Standorte (Quelle: © ISA92)
Legende
Rote Fläche: Aktuelle und bekundetes Interesse an Erdöl- und Gasfelder
Gelbe Fläche: Potentielle Förderung von Erdöl- und Gasfelder
Blaue Fläche: Indigenenreservate
__________
91 Vgl. Santana, Nayanne (12.03.2012): Perfurações de petróleo e gás terão início no Vale do Juruá, http://www.vozdoacre.
com/portal/03/perfuracoes-de-petroleo-e-gas-terao-inicio-no-vale-do-jurua
92 Quelle: Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in
the Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 42.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.6.3 Gold
Seit langer Zeit lockt der Goldboom Tausende von
Menschen in das Amazonasgebiet, die sich davon
ein besseres Leben erhoffen. Die fehlende Organisation, die mangelhafte Infrastruktur, die prekäre
Lebensweise und das gewaltsame Eindringen der
Goldsucher in die Indigenengebiete schüren Konflikte mit den Indigenen. Die Goldsucher dringen
in die Reservate ein und verschmutzen sowie zerstören die Umwelt durch das Schürfen. Die Verfassung verbietet die Goldsuche von nicht-indigenen
Personen in den Indigenenreservaten. Nichtsdestotrotz befindet sich beispielsweise in unmittelbarer Nähe des Indigenenreservats Munduruku, im
Südwesten von Pará, eine der Hauptzonen für die
Goldsuche.
Um die Situation zu entschärfen, gründete die Regierung 1983 die Zone Garimpeira do Tapajós, ein
Reservat für Goldsucher. 20'000 Goldsucher wurden durch diese neue Arbeitsquelle in die Region
gelockt. Aber auch die definierte Goldsuchzone
schützt die Indigenen nicht vor illegalen Invasoren.
Ende der 1980er Jahre kamen Tausende von Goldgräbern in das Gebiet der Yanomami im brasilianischen Bundesstaat Roraima. Da bei der Schürfung von Gold meist das hochgiftige Schwermetall
Quecksilber verwendet wird, wurden die Flussufer,
Böden und Gewässer damit vergiftet. Es kam zu
gewalttätigen Konflikten und über 1'500 Yanomami wurden ermordet oder starben an den eingeschleppten Krankheiten und Vergiftungen. Erst
nach weltweitem Protest wurde die Regierung Brasiliens aktiv, erkannte 1992 einen Grossteil des
Yanomami-Gebiets als Indigenenreservat an und
wies das Militär an, die Goldsucher aus dem Gebiet
zu verweisen. 2003 wurde zudem bekannt, dass im
Yanomami-Gebiet ein grosses Uranvorkommen vermutet wird, was eine neue Bedrohung für das Volk
darstellt.
Der sozio-ökologische Einfluss der Goldsuche ist
sehr gross. Für wenige Gramm Gold werden Tonnen
von Erde geschwemmt und grosse Flächen Urwald
gerodet. Wasser und Tiere, allen voran Fische, können durch den Prozess vergiftet werden. Aber auch
Menschen können durch das Einatmen von giftigen Dämpfen, das Trinken von verseuchtem Wasser
51
oder durch vergiftete Nahrung zu Schaden kommen. Auch führt der Goldabbau zu Erosion, Verschlammung und Verschmutzung des Bodens. In
Amazonien gibt es schätzungsweise 1'300 Gebiete,
wo nach dem wertvollen Metall gesucht wird, unter
anderem auch in verschiedenen Indigenenreservaten.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.7 Politische Prozesse
5.7.1 Demarkierung der Indigenenreservate
Seit die brasilianische Verfassung von 1988 den Indigenen einen besseren Schutz zuspricht, wurden
den Indigene über 20 Prozent des Amazonasregenwaldes als Reservate zugesprochen. Für die indigene Bevölkerung sind die Umwelt und das Land, auf
dem sie leben, die wichtigsten Voraussetzungen,
um ihr Überleben zu sichern. Doch der wirtschaftliche Druck wächst und das wirtschaftliche Interesse an Bodenschätzen nimmt zu. Dadurch ist eine
konsequente Demarkierung der Indigenengebiete
überlebensnotwendig. Gemäss Verfassung sollte
die Demarkierung innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen werden. Doch der Prozess stockt und der
Schutz durch die Demarkierung wird aufgeweicht.
Die Initiation eines Demarkierungsprozesses stellt
aber hohe Anforderungen an die indigenen Gemeinschaften und ihre Vertretungen, denn für die
Identifizierung eines Reservats braucht es ethnographische Kenntnisse und Instrumente, die nicht
dem indigenen Verständnis entsprechen.
Ist die Demarkierung eines Reservats beendet, werden die brasilianischen nicht-indigenen Bewohner
aus diesem Gebiet ausgeschlossen. Diese erhalten
eine „angemessene“ Entschädigung. Dieses Vorgehen provoziert Konflikte zwischen der indigenen
und der nicht-indigenen Bevölkerung, die nicht
selten in Gewalt münden.
In den letzten Jahren sind trotz vieler Anfragen
kaum mehr neue Reservate deklariert worden. Mit
den gesetzlichen Änderungen soll nicht mehr der
Präsident oder die Präsidentin die Demarkierung
genehmigen, sondern der wirtschaftsfreundlichere Kongress. Mit der geplanten Bewilligung von
Rohstoffabbau ist gar der Schutz der bestehenden
Indigenenreservate in allen Regionen, wo es Bodenschätze gibt, grundsätzlich gefährdet.
Die Präsenz des Staates in den riesigen Gebieten
Amazoniens ist äusserst schwach. Der FUNAI fehlt
es an Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten,
das Gesetz durchzusetzen. Wie ein ISA-Bericht belegt, wurden in den Indigenenreservaten Alto Rio
52
Guamá, Awá und Caru, die zusammen eine Fläche
von 1.1 Millionen Hektaren bedecken, mehr als 18
Prozent illegal entwaldet93.
Die Raposa Serra do Sol im Norden Brasiliens mussten lange Zeit für ihr Reservat kämpfen. Das Reservat an der Grenze zu Venezuela wurde 2005 unter
Schutz gestellt. Viele Indigene sind dabei ums Leben gekommen, denn die zugewanderten Siedler
und Viehzüchter wollten das Land nicht verlassen
und wehrten sich gewaltsam. Die Mehrheit hat das
Land mit Entschädigungszahlungen der Regierung
verlassen. Eine kleine Gruppe von Kleinbauern
mit Unterstützung von Politikern ist ungeachtet
dessen geblieben und hat sich an den Indigenen
gerächt. Dabei wurden viele Menschen ermordet,
Brücken in Brand gesteckt und es wurde sogar eine
Bombe über ein indigenes Dorf geworfen94. Erst
als die Bundespolizei die Siedler vertrieb, kehrte
Ruhe ein.
5.7.2 Waldgesetz
Die Agrarlobby macht sich für ein neues Waldgesetz (Código Florestal) stark. Das bisherige Waldgesetz, das seit 1965 in Kraft ist, versucht einen
Kompromiss zwischen Schutz und Nutzen zu verwirklichen. Denn in den vergangenen 40 Jahren
wurden fast 18 Prozent des Regenwaldes zerstört,
was einen folgenschweren Wandel des Klimas und
eine Reduzierung der Artenvielfalt zur Folge hatte.
Daher steht Brasilien auf einem der ersten Plätze
der grössten CO2-Emittenten der Welt. Die weiträumigen Abholzungen waren weniger das Problem der
Gesetzgebung, sondern der illegalen Abholzungen
und der Unfähigkeit des Staates, die Gesetze im
Amazonas durchzusetzen. Die Rechtsdurchsetzung
muss deshalb verbessert werden.
Das bisherige Gesetz ist ein wichtiges Instrument,
um Brasiliens Kohlendioxidausstoss um 40 Prozent
zu reduzieren. Es sieht vor, dass beim Kauf einer
grossen Waldfläche höchsten 20 Prozent des Waldes abgeholzt werden kann und somit 80 Prozent
geschützt bleiben muss. Die Agrarlobby möchte
nun mit der Aufweichung des Waldgesetzes die
Schutzfläche auf 50 Prozent reduzieren. Darüber
hinaus soll es eine Amnestie geben für die Perso-
__________
93 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the
Brazilian Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.pdf, Seite 27.
94 Vgl. Survival International: Die Indigenen von Raposa–Serra do Sol, http://www.survivalinternational.de/indigene/raposa
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
nen, die illegal abgeholzt haben. Das Parlament
hat das Waldgesetz bereits verabschiedet. Die Präsidentin Dilma Rousseff hat am 25. Mai 2012 nur
ein Teil-Veto gegen das Gesetz eingereicht: Sie hat
mit ihrem Veto zwölf Teile des Gesetzesentwurfs
blockiert, 32 Änderungen führte sie direkt am Gesetzesentwurf durch. Das Parlament hat jedoch
nun das letzte Wort und könnte das Dekret der Präsidentin mit einer einfachen Mehrheit in beiden
Kongresshäusern überstimmen95.
__________
95 Vgl. Freitas, Carolina (25.05.2012): Dilma veta doze itens do Código Florestal, http://veja.abril.com.br/noticia/brasil/
dilma-veta-12-itens-do-codigo-florestal
53
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.8 Landwirtschaft
5.8.1 Übersicht
Die Militärregierung der 1970er Jahre prägte die
Kampagne „Land ohne Menschen für Menschen
ohne Land“, um damit Ansiedlungen von Menschenmassen aus stark bevölkerten Regionen oder
von Dürre geprägten Gebieten im waldreichen Amazonien zu ermöglichen. Die Regierungen von Fernando Henrique Cardoso und Luiz Inácio Lula da Silva haben diese Tendenz noch verstärkt. Zwischen
2003 und 2008 befanden sich 66 Prozent der vom
Institut für Landerschliessung und Agrarreformen
(INCRA) verteilten Parzellen im Amazonas. Obwohl
die Siedler nicht die Hauptverantwortlichen für die
Abholzung sind, tragen sie einen grossen Teil dazu
bei.
Weit gravierender ist die Ausdehnung des Grossgrundbesitzes im südlichen und östlichen Amazonas. Wie die nächsten Kapitel zeigen, werden
weiterhin riesige Flächen für die Rinderzucht, für
die Sojaplantagen und in naher Zukunft vielleicht
auch für Zuckerrohr kahlgeschlagen. Ohne politische Gegensteuer wird dies durch die Nachfrage
der Weltgemeinschaft nach Agrarkraftstoff massiv
beschleunigt.
5.8.2 Rinderzucht
Seit 2004 ist Brasilien der grösste Rindfleisch-Exporteur der Welt. Da die Bodenpreise im Amazonas viel tiefer sind als im Süden, expandieren viele
Rinderzüchter in den Amazonas. Dies bringt Abholzungen grosser Flächen mit sich. Bis zu 80 Prozent
des Waldes werden zugunsten der Rinderweiden
gerodet96. Die grossflächigen Rodungen führen zu
einer Vernichtung der Artenvielfalt, zudem laugen
sie die Böden aus, die dann trotzdem nur für eine
kurze Zeit als Weiden nutzbar sind97.
54
In den Jahren von 1992 bis 2006 hat sich die Zahl
der Rinder mehr als verdoppelt. Der Trend geht
weiter, und im 2010 gab es in ganz Brasilien mehr
als 209 Millionen Rinder. Die grössten Zunahmen
werden in Amazonien verzeichnet, vor allem im
Bundesstaat Pará98. Der Wachstumstrend ist ganz
im Sinne der Regierung, die eine Verdoppelung der
Fleischexporte bis ins Jahr 2018 geplant hat. Die
regelrechten Invasionen der Rinderzüchter bedrohen die Indigenen. So wurde beispielsweise das
Land der teilweise isoliert lebenden Awá für die
Rinderzucht von der Regierung freigegeben, woraufhin viele der Indigenen in Auseinandersetzungen mit den Viehzüchtern und an eingeschleppten
Krankheiten gestorben sind99.
5.8.3 Soja
Weil die weltweite Nachfrage nach billigen Sojabohnen für Tierfutter angestiegen ist, wird der
brasilianische Amazonasregenwald immer mehr für
riesige Soja-Monokulturen gerodet. Seit 2005 ist
Brasilien der weltweit grösste Sojalieferant. Noch
werden die Bohnen hauptsächlich im Süden angebaut. Aufgeschreckt durch die Gefahr der grossflächigen Rodung des Amazonas durch die Sojaindustrie handelte Greenpeace im Jahre 2006 erfolgreich
ein Anbaumoratorium100 aus.
Die bereits bestehenden Sojaanbaugebiete in Amazonien zeigen die vielen Gefahren auf. Wegen den
schlechten Böden wird massiv Dünger eingesetzt.
Brasilien ist zudem einer der grössten Verbrauchern von Pestiziden. Der Einsatz von chemischem
Dünger führt zur weiteren Auslaugung der Böden.
Gemäss WWF werden jährlich zwischen 150'000
und 200'000 Menschen mit Pestiziden vergiftet,
wobei 4'000 Personen daran sterben. Es wird vermutet, dass 10 Prozent der Bevölkerung, vor allem
Indigene und Landarbeiter, den Pestiziden ausge-
__________
96 Vgl. Carneiro Filho, Arnaldo/ Braga de Souza, Oswaldo (2009): ATLAS of Pressures and Threats to Indigenous Lands in the Brazilian
Amazon, http://www.socioambiental.org/banco_imagens/pdfs/AtlasofPressuresandThreatstoIndigenousLandsintheBrazilianAmazon.
pdf, Seite 31.
97 Vgl. Wissensmedia: Amazonien, http://www.wissen.de/thema/amazonien?chunk=Die%20Erschlie%E2%98%82szlig%E2%98%81u
ng%20Amazoniens.
98 Vgl. Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (26.10.2011): PPM 2010: Rebanho bovino nacional cresce 2,1% e chega a 209,5
milhões de cabeças, http://www.ibge.gov.br/home/presidencia/noticias/noticia_visualiza.php?id_noticia=2002&id_pagina=1
99 Vgl. Survival International: Das bedrohteste Volk der Welt, http://www.survivalinternational.de/indigene/awa
100 Das Moratorium wurde im 2006 erstmals für zwei Jahre von Greenpeace initiiert und wurde seither jährlich verlängert, zuletzt im
Oktober 2011. Die weltweit grössten Getreidehändler Cargill, Bunge, Archer Daniels Midland (ADM), Dreyfus und Grupo Maggi gaben
ihr Einverständnis, kein Soja von neu angelegten Sojafeldern im Amazonas-Regenwald zu kaufen. Des Weiteren müssen die Sojabauern
die Rechtmässigkeit ihres angebauten Gebiets beweisen.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
setzt sind, die unter anderem auch in die Flüsse
gelangen101 .
Um die Sojabohne günstig auf dem Weltmarkt zu
verkaufen, braucht es riesige industrielle Anlagen
und mechanisierte Prozesse. Daher können kleine
Sojabauern sich nicht mehr mit den grossen Industrien messen und gehen unter. Die vier grössten
Unternehmungen (US Getreidehändler Cargill, Bunge und Archer Daniels Midland (ADM), sowie das
brasilianische Unternehmen von Blairo Maggi102)
exportieren 60 Prozent der brasilianischen Sojaernte. Diesen vier Multiunternehmen gehört zudem 80 Prozent der Sojamühlen in Europa, die das
billige Sojaschrot als Tierfutter weiterverkaufen.
Gemäss Nachforschungen von Greenpeace kaufen
diese vier Getreidehändler das brasilianische Soja
von Bauern, die auch an illegaler Landaneignung,
Rodung und Sklaverei beteiligt sind103.
5.8.4 Zuckerrohr
Der Zuckerrohranbau hat in Brasilien stark zugenommen. Die Hauptanbaugebiete waren früher im
Süden des Landes zu finden, in den letzten Jahren wurden vor allem im nördlich gelegenen Mato
Grosso neue Felder bepflanzt. Diese Plantagen sind
auch Teil des Wirtschaftsplanes der Regierung, der
die Kraftstofferzeugung durch den aus Zuckerrohr
gewonnenen Alkohol erhöhen soll. Generell wird
dem brasilianischen Benzin 20 bis 25 Prozent
Ethanol beigemischt.
Der alternative Treibstoff Ethanol wird kontrovers
diskutiert: Einerseits ist das Ethanol im Vergleich
zum Erdöl ein umweltfreundlicher Treibstoff, da es
weniger Treibhausgase freisetzt. Andererseits wird
das Zuckerrohr in grossflächigen Monokulturen
angebaut, die massiven Pestizideinsatz benötigt.
Darüber hinaus verdrängt der Zuckerrohranbau die
Nahrungsmittelproduktion, was fatale Folgen für
die Preise der Grundnahrungsmittel hat. Ein weiterer Kritikpunkt sind die häufig schlechten Arbeitsbedingungen auf den Plantagen.
55
Ein trauriges Beispiel ist das der Guarani-Indigenen im Südwesten Brasiliens. Der multinationale
Konzern Shell baut zusammen mit dem brasilianischen Unternehmen Cosan Zuckerrohr auf dem
angestammten Land der Guarani an. Seit die Unternehmen ihr Land bepflanzen und auch Chemikalien für ihre Plantagen benützen, hat sich die
Gesundheit der Guarani in der Umgebung rasant
verschlechtert: Sie leiden vermehrt an Durchfall.
Zudem beklagen sie ein Fisch- und Pflanzensterben
in ihrer Umgebung. Gemäss einem Bericht von Survival International wurden die Guarani nie um ihre
Bewilligung angefragt104. Da das Territorium der
Guarani noch nicht als Reservat eingetragen ist,
verfügen sie über keinen speziellen Schutz durch
die Regierung und sind den Machenschaften der
Unternehmen praktisch schutzlos ausgeliefert.
5.8.5 Palmöl
Auch die brasilianische Palmölindustrie möchte die
Produktion drastisch erhöhen. Die meisten Plantagen in Amazonien befinden sich im Bundesstaat
Pará. Das Potential für mögliche Anbauflächen in
Amazonien ist allerdings gross, da die Dendé-Palme zur Produktion des Palmöls sehr gut im tropischen Klima gedeiht. Das Palmöl wird auf riesigen
monokulturellen Flächen unter Einsatz von viel
Pestiziden und Dünger gepflanzt, was eine grosse
Bedrohung für die Umwelt und die Menschen vor
Ort darstellt.
Das Palmöl wird einerseits für die Nahrungsmittelund Chemieindustrie, anderseits für die Produktion
von Treibstoff weiterverarbeitet. Momentan überwiegt die Produktion des Treibstoffs aus Zuckerrohr
und Soja, aber seit die brasilianische Regierung
beschlossen hat, dass dem Diesel mindestens drei
Prozent des so genannten Biodiesels beigemischt
werden muss, wird das Palmöl auch als Alternativtreibstoff deklariert.
__________
101 Vgl. WWF (2007): Sojaanbau am Amazonas, http://assets.wwf.ch/downloads/hg_amazonas_sojaanbau_071018.pdf
102 Blairo Maggi ist der Gouverneur des Bundesstaates Mato Grosso und gleichzeitig der grösste brasilianische Getreidehändler.
103 Vgl. Greenpeace (17.10.2006): Wir essen Amazonien auf – Zusammenfassung des Greenpeace-Reports „Eating up the
Amazon“, http://www.greenpeace.de/themen/waelder/urwaelder_mittel_und_suedamerikas/artikel/wir_essen_amazonien_auf/
104 Vgl. Survival International (6.09.2011): Brasilien: Indigene fordern Shell zum Abzug auf, http://www.survivalinternational.de/nachrichten/7677
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
5.9 Globaler Kohlenstoffmarkt
Brasilien gehört aufgrund des Ausmasses an Waldzerstörung weltweit zu den grössten CO2-Verursachern und steht daher im Fokus der Diskussionen
um das Verfahren der Reduzierung von Emissionen
aus Entwaldung und Walddegradierung, abgekürzt
REDD (Reducing Emissions from Deforestation and
Forest Degradation)105. Mit REDD-Programmen soll
die Waldzerstörung und Degradierung aufgehalten
und dem in den Wäldern gespeicherte Kohlenstoffdioxid einen wirtschaftlichen Wert zugeschrieben
werden106. Das Konzept ist noch nicht fertiggestellt und höchst umstritten. Die offenen Fragen
drehen sich unter anderem um Zweifel bei der Finanzierung, um die Vorgehensweise und um das
Mitspracherecht der indigenen Bevölkerung. Ob
REDD überhaupt einen wesentlichen Beitrag zur
Reduktion der CO2-Emmissionen leisten wird, ist
umstritten. Griffige und verbindliche Richtlinien
für die Umsetzung der Projekte fehlen. Für die indigene Bevölkerung wäre REDD nur dann akzeptabel, wenn es ihre Rechte gemäss der Erklärung der
Rechte indigener Völker vollständig anerkennen
würde. Dies bedeutet, dass kein Projekt finanziert
werden kann, wenn nicht die indigene Gemeinschaft ihr freies, informiertes und vorheriges Einverständnis erteilt hat.
Aussicht auf schnelles Geld über den Kohlenstoffmarkt lässt findige Spekulanten und Firmen spriessen, die versuchen, für Geld aus dem Kohlenstoffmarkt Schutzprojekte zu finanzieren. So behauptet
die irische Firma Celestial Green Ventures PLC mit
Sitz in Dublin in mindestens zehn brasilianischen
Indigenenreservaten107 den Kohlenstoffbestand zu
schützen108. Die Firma hat am 1. Juni 2011 einen
höchst problematischen Vertrag mit den indigenen
Munduruku unterzeichnet. In diesem verpflichten
sich die Indigenen, ihr Reservat (rund 2'381'795
56
Hektaren Wald) der irischen Firma zu einem Betrag
von 120 Millionen US-Dollar während 30 Jahren zu
verpachten. Die Bezahlung erfolgt durch jährliche
Raten von 4 Millionen US-Dollar während den Jahren 2012 bis 2041. Im Gegenzug verlangt die Firma
nicht nur das Recht auf alle Kohlenstoffkredite des
Gebiets, sondern fordert auch alle Rechte der Biodiversität des gepachteten Gebiets. Mit anderen
Worten: Die Indigenen dürfen während den 30 Jahren ihr eigenes Gebiet nicht mehr ohne ausdrückliche Genehmigung durch die Firma bewirtschaften,
sofern es Auswirkungen auf den Kohlenstoffspeicher hat – was bei fast allen ökonomischen Aktivitäten der Fall ist. Celestial Green Ventures hat sich
im Vertrag gut abgesichert: Falls sie selbst das Geld
auf dem Kohlenstoffmarkt nicht beschaffen kann,
ist der Vertrag nichtig und die Munduruku werden
die versprochenen Zahlungen nicht erhalten.
Gemäss Aussagen von Mitgliedern der Munduruku-Gemeinschaft ging es bei der Vertragsunterzeichnung nicht mit rechten Dingen zu. Bei den
Gesprächen rund um die Vertragsunterzeichnung
mit der Celestial Green Ventures PLC habe das Unternehmen die anwesenden Indigenen im Verlauf
eines Morgens über ihr Vorhaben informiert. Die
Anwesenden hätten den Vertrag aber nicht unterschrieben, weil die Häuptlinge und die Mehrheit
der Indigenen dagegen gewesen seien. Erst am
Nachmittag des gleichen Tages sei der umstrittene
Vertrag an einem anderen Ort unter Ausschluss der
Häuptlinge mit nur etwa zehn Indigenen unterschrieben worden. Der damalige Präsident der FUNAI, Márcio Meira stellte an einer Pressekonferenz
klar, dass der Vertrag ungültig sei. Die FUNAI müsse bei solchen Verhandlungen zwingend involviert
werden, um Missbräuche zu verhindern109.
Kompensationen für Schutzbestrebungen indigener Völker könnten eine attraktive Alternative zur
__________
105 In der Zwischenzeit gibt es auch ein REDD+, das eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, eine Erhaltung der Wälder und eine
Verbesserung der Kohlenstoffsenken garantieren soll.
106 Vgl. Kuhlmann, Wolfgang: Wald und Klima: Bäume pflanzen reicht nicht, http://www.oekom.de/nc/zeitschriften/umweltaktuell/archiv/umwelt-aktuell-ar-chiv.html?artikel_id=3850&rubrik=Klima%2B%2526%2BEnergie&backpid=448&nummer=5%2
F2009%29&mag=aus%20umwelt%20aktuell%26%23160%3B%28
107 Vgl. Lang, Chris (15.03.2012): Celestial Green Ventures’ contracts are “not valid”, says Brazil’s National Indian Foundation, FUNAI, http://www.redd-monitor.org/2012/03/15/celestial-green-ventures-contracts-are-not-valid-says-brazils-nationalindian-foundation-funai/#more-11623
108 Homepage der Celestial Green Venture: http://www.celestialgreenventures.com
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
57
kommerziellen wirtschaftlichen Nutzung des Umfeldes der Indigenen sein. Diese dürfen aber nicht
auf spekulativer Basis beruhen, sondern auf umfassender Information und Einbezug der betroffenen
Gemeinschaften und nur mit ihrem Einverständnis.
Der Dachverband der indigenen Völker der gesamten Amazonasregion (COICA) hat im August
2011 in Zusammenarbeit mit der brasilianischen
Indigenen-Organisation COIAB eine Konferenz zum
Thema "Traditionelles Wissen, indigene Völker und
Leben in Eintracht mit den Wäldern“ durchgeführt.
Dabei wurde auch die Debatte rund um REDD geführt und unter anderem folgende Forderungen gestellt:
• Kein REDD ohne Land- und kollektive Rechte110;
• Keine nachteiligen Verträge, die beispielsweise
den Verzicht auf territoriale Souveränität vorsehen. Die Gesetze und Regelungen des REDDs sollen
zudem auf verständliche Weise formuliert werden;
• Respektierung und Förderung der ganzheitlichen
Erhaltung der Wälder, nicht nur in Gebieten mit
Abholzung oder indem man die Wälder auf ihren
Kohlenstoffgehalt reduziert;
• Respektierung der Vorschläge zu nationalen Regelungen bezüglich REDD sowie die Einhaltung des
freien, informierten und vorherigen Einverständnisses111.
__________
109 Vgl. REDD-Monitor (15.03.2012): Celestial Green Ventures‘ Contracts are „not valid“ says Brazils National Indian Foundation FUNAI, http://www.redd-monitor.org/2012/03/15/celestial-green-ventures-contracts-are-not-valid-says-brazils-nationalindian-foundation-funai/#more-11623
110 Freie Übersetzung der Forderungen unter: http://www.redd-monitor.org/2012/03/15/celestial-green-ventures-contractsare-not-valid-says-brazils-national-indian-foundation-funai/#more-11623
111 Vgl. Coordenação das Organizações Indígenas da Bacia Amazônica (15.- 18. August 2011), http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:hStXvBe4EY4J:dialogos2012.org/novo/Biblioteca/Territorios/Biblioteca/TerritorioseBemViver_COICA.rtf+conferencia+manaus+15-18.+agosto+2011+coica&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=ch
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
58
6. Gesellschaftliche Bedrohung
Neben den Risiken, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens für die indigenen
Gemeinschaften und ihr Umfeld ausgehen, bestehen weitere Bedrohungen aufgrund der NichtEinhaltung von fundamentalen Menschenrechten
durch die brasilianische Gesellschaft und den
Staat. Gewalt und Todesdrohungen gegen indigene
Menschenrechtler nehmen zu. Zwischen den Jahren 2003 und 2010 wurden in Brasilien insgesamt
452 indigene Menschen umgebracht. In den letzten Jahren waren es durchschnittlich 60 Personen
pro Jahr112. Viele Aktivisten und Indigenenführer
werden zudem mit Todesdrohungen eingeschüchtert und bedroht.
Viel Gewalt geht von illegalen Besetzern indigener
Territorien aus. Es sind oft Grossgrundbesitzer und
deren bezahlten Söldner, Mitarbeiter von Holzunternehmen und andere Einzelpersonen. Weiter
schliessen sich auch Jäger und Fischer in bewaffnete Gruppen zusammen, um in die Reservate einzudringen und bei Widerstand Angehörige der indigenen Gemeinschaften zu töten, zu verwunden,
zu bedrohen, zu vergewaltigen und auszurauben.
Die Regierung Brasiliens ist nicht in der Lage, der
indigenen Bevölkerung die Ausübung des Rechts
auf Leben, auf medizinische Grundversorgung, auf
Schutz vor ihren Angreifern und auf die Wahrung
ihres materiellen sowie kulturellen Erbes zu ermöglichen. In den entlegenen Waldgebieten herrscht
die Macht des Stärkeren, der Staat ist kaum präsent
und in der Regel sind die Indigenen im Konfliktfall
ganz auf sich gestellt. Beamte des Staates pflegen
stereotype, diskriminierende Anschauungen über
indigene Gemeinschaften. Letztlich führen auch
die Diskriminierung und die Marginalisierung durch
die Politik und Gesellschaft zu Gewalt gegen die
Indigenen. Viele Gewalttaten werden des Weiteren
gar nicht erst geahndet.
Der Zustand der Gesundheitsvorsorge und der
Schulbildung für die indigene Bevölkerung wird
seit langer Zeit kritisiert. Internationale und nationale Organisationen sowie die Indigenen vor Ort
machen sich für eine Neuorganisation dieser zwei
Bereiche stark. Indigene Völker haben 2009 bei der
Bundesanwaltschaft Klage wegen der mangelnden
Gesundheitsvorsorge eingereicht113. Viele Indigene
sterben an Krankheiten, die bekämpft oder ausgerottet werden könnten, oder leiden an Mangelernährung. Die Kindersterblichkeit ist im Vergleich
zum nationalen Durchschnitt besorgniserregend
hoch und die Indigenen haben im Schnitt eine viel
geringere Lebenserwartung als der Rest der Bevölkerung. James Anaya, der Sonderberichterstatter
der UNO für die Rechte von indigenen Völkern,
kritisierte in seinem Bericht114 zur Situation der
Indigenen in Brasilien den Zugang zum Gesundheitssystem. Die staatliche Gesundheitsbehörde
(FUNASA) hat spezielle Massnahmen ergriffen, um
das Gesundheitswesen auch weit abgelegenen indigenen Gruppen zugänglich zu machen, jedoch
limitieren die strukturellen Mängel der FUNASA die
Arbeit. 2011 starben beispielsweise sechs Xavante-Indigene an den Folgen von Lungenentzündungen und Entbindungen. 2010 starben 200 Neugeborene unter anderem auch an Erkrankungen der
Atemwege aufgrund unzureichender medizinischer
Betreuung115.
Die neue Verfassung von 1988 macht deutlich,
dass die Indigenen das Recht haben, in ihrer Sprache und ihnen bekannten Methoden unterrichtet
zu werden. Die anfänglichen Bemühungen der Regierung zeigten erste Früchte und im Jahr 2007
gab es landesweit 2'480 indigene Schulen und
176'714 indigene Schülerinnen und Schüler. Bedeutende Herausforderung bleiben aber bestehen:
Es herrscht ein Mangel an Lehrerinnen und Leh-
112 Vgl. Relatório Violência contra os povos indígenas no Brasil – Dados de 2010, CIMI.
113 Vgl. CIMI (16.01.2011): O caos no atendimento à saúde indígena, http://www.adital.com.br/site/noticia.
asp?lang=PT&cod=53409
114 Vgl. UN Report on the Situation of Human Rights of Indigenous Peoples in Brazil (26.08.2009), http://unsr.jamesanaya.
org/country-reports/report-on-the-situation-of-human-rights-of-indigenous-peoples-in-brazil-2009, Seite 18-19.
115 Vgl. CIMI (16.01.2011): O caos no atendimento à saúde indígena, http://www.adital.com.br/site/noticia.
asp?lang=PT&cod=53409.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
59
rern und die Einbeziehung indigener Sprachen und
indigener Kultur im Unterricht ist unzureichend.
Darüber hinaus schliesst die Mehrheit der indigene Kinder nur die Grundschule ab und bleibt dem
Bildungswesen danach fern116.
__________
106 Vgl. UN Report on the Situation of Human Rights of Indigenous Peoples in Brazil (26.08.2009), http://unsr.jamesanaya.
org/country-reports/report-on-the-situation-of-human-rights-of-indigenous-peoples-in-brazil-2009, Seite 19-20.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
60
7. Schlusswort und Lösungsansätze
Für die Durchsetzung der Indigenenrechte ist der Staat verantwortlich. Die Gesellschaft für bedrohte Völker
fordert daher von der brasilianischen Regierung, den Sinn und Geist der brasilianischen Verfassung von
1988 wieder aufzunehmen und die Erklärung der Rechte der Indigenen Völker der UNO und der Indigenenkonvention ILO 169 umzusetzen. Dies bedeutet insbesondere:
1. Die Anerkennung des Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker;
2. Eine echte Partizipation der indigenen Völker bei allen parlamentarischen Vorstössen und Regierungsprogrammen wie die Projekte zur Beschleunigung des Wachstums und weitere entwicklungspolitische
Prozesse, die Auswirkungen auf das Leben der Indigenen und deren Umfeld haben;
3. Eine Anpassung der Institutionen des brasilianischen Bundesstaates, der Staaten und der Gemeinden,
die sich um die indigenen Anliegen kümmern, um eine echte Vertretung der indigenen Interessen
gegenüber dem Staat und den Behörden zu gewährleisten, sowie die Überarbeitung des Indigenenstatuts, unter Partizipation und mit dem Einverständnis der indigenen Völker;
4. Die Garantierung des Rechts auf das freie, informierte und vorherige Einverständnis der betroffenen Indigenengemeinschaft für sämtliche wirtschaftliche und entwicklungspolitische Projekte. Dies
betrifft insbesondere Infrastrukturbauten (Strassen, Eisenbahnlinien, Wasserstrassen, Staudämme),
wirtschaftliche Projekte (Holznutzung, Bodenschätze), Landwirtschaftliche Entwicklung und die Einrichtung von Schutzgebieten sowie Klimaprojekte in den Indigenenreservaten;
5. Die zügige Demarkierung aller Regionen, die von indigenen Gruppen traditionellerweise genutzt werden;
6. Den Aufbau eines Schutzsystems für die Indigenenreservate, die sämtliche illegale Aktivitäten unterbindet, unter Mitwirkung und Einverständnis der betroffenen indigenen Bevölkerung;
7. Die sofortige Demarkierung aller Gegenden, in denen unkontaktierte Indigene leben oder vermutet
werden, und wirkungsvolle Abschottung dieser Gebiete, unabhängig jeglicher wirtschaftlichen Interessen;
8. Die Erarbeitung wirksamer Schutzprogramme für gefährdete indigenen Menschenrechtlern und die Verfolgung und Verurteilung der Verantwortlichen, die Gewalt androhen oder ausüben;
9. Die Lancierung nationaler Programme zugunsten der indigenen Bevölkerung und sowohl gegen die
Marginalisierung als auch die Stigmatisierung der Indigenen in der brasilianischen Gesellschaft.
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
61
Anhang
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• Plattform Belo Monte (17.12.2011): Belo Monte Kraftwerk: Baustopp im Flussbereich wieder aufgehoben, http://plattformbelomonte.blogspot.com/search/label/Baustopp, 12.06.2012
• Plattform Belo Monte (01.12.2011): Índios besetzen Fuani und fordern Rückkehr von Kazike Megaron, http://plattformbelomonte.blogspot.com/2011/12/indios-besetzen-nach-entlassung-von.html,
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• Procuradoria da República no Pará (27.03.2012): Justiça suspende licença e ordena consulta indígena
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• REDD: Celestial Green Ventures’ contracts are “not valid”, says Brazil’s National Indian Foundation,
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• Xingu Vivo: Problemas continuam sem respostas após reunião com presidencia da Funai, dizem indígenas (26.01.2012), http://www.xinguvivo.org.br/2012/01/26/problemas-continuam-sem-respostas-aposreuniao-com-presidencia-da-funai-dizem-indigenas/, 12.06.2012
• Xingu Vivo (01.11.2011): Demitido da Funai, Megaron diz que ato foi motivado por oposição a hidrelétricas, http://www.xinguvivo.org.br/2011/11/01/demitido-da-funai-megaron-diz-que-ato-foi-motivado-por-oposicao-a-hidreletricas/, 12.06.2012
GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Brasilien (Quelle: muz)....................................................................................
Abbildung 2: Situierung Amazonien (Quelle: Imazon)...............................................................
Abbildung 3: Indigenenreservate in Brasilien (Quelle: © FUNAI).................................................
Abbildung 4: Isolierte Völker weltweit (Quelle: Wikipedia).........................................................
Abbildung 5: Siedlung von Indigenen in freiwilliger Isolation (Quelle: © Gleison Miranda).............
Abbildung 6: Situierung der brasilianischen isolierten Indigenen (Quelle: © FUNAI)......................
Abbildung 7: Karte des binationalen Schutzgebiets isolierter Indigener in Peru/Brasilien (Quelle: ©
José Frank M. Silva).............................................................................................................
Abbildung 8: Druck und Bedrohungen auf die Indigenenreservate in Amazonien (Quelle: © ISA)......
Abbildung 9: IIRSA-Achsen in Südamerika (Quelle: Planet Trails Foundation)................................
Abbildung 10: IIRSA-Achsen im Norden von Südamerika (Quelle: GEOSUR)....................................
Abbildung 11: Strassennetz Amazonien (Quelle: WWF)...............................................................
Abbildung 12: Wasserkraftwerke in Amazonien (Quelle: © ISA)....................................................
Abbildung 13: Wasserkraftwerke in Brasilien (Quelle: Plattform Belo Monte).................................
Abbildung 14: Belo Monte Konstruktion, in der Nähe von Altamira (Quelle: © Greenpeace/Daniel
Beltra)...............................................................................................................................
Abbildung 15: Lokalisierung des Belo Monte Staudamms (Quelle: © ISA)......................................
Abbildung 16: Der Staudamm Belo Monte umgeben von Indigenenreservaten und Schutzgebieten
(Quelle: © ISA)....................................................................................................................
Abbildung 17: Übersicht des Staudammkomplexes Belo Monte (Quelle: © Telma Monteiro).........
Abbildung 18: Erste Bauten des Kraftwerks mit bereits grossen Umweltschäden (Quelle: © Greenpeace/Daniel Beltra).............................................................................................................
Abbildung 19: Rodungen für das Projekt Belo Monte (Quelle: © Greenpeace/Daniel Beltra)..............
Abbildung 20: Massiver Druck auf die indigenen Reservate nahe Altamira und Belo Monte Damm
aufgrund des grossen Interesses am Rohstoffabbau (Quelle: DNPM).............................................
Abbildung 21: Indigenenreservat Trincheira Bacajá und Schürfungsanfragen vor allem für Gold und
Kupfer (Quelle: © IBAMA)......................................................................................................
Abbildung 22: Feuer entlang des Xingu Flusses am 17. September 2011 (Quelle: NASA)..................
Abbildung 23: Situierung des Teles Pires Staudamms und der Indigenengebiete (Quelle: epe)..........
Abbildung 24: Holzwirtschaft in Amazonien (Quelle: © ISA).......................................................
Abbildung 25: Die Abholzungsstatistik im Amazonas 1988 bis 2011 (Quelle: © Rhett A. Butler, Mongabay)...............................................................................................................................
Abbildung 26: Die Abholzung im Indigenenreservat Apyterewa (Quelle: © Greenpeace)...................
Abbildung 27: Rodônia Fotovergleich 10 Jahre Unterschied (Quelle: Robert Simmon und Reto Stöckli, NASA)............................................................................................................................
Abbildung 28: Erdöl- und Gasfelder Aktuelle und potentielle zukünftige Standorte (Quelle: © ISA)...
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GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Indigenenreservate in Brasilien (Stand Juli 2011)
Tabelle 2: Geplante Staudämme 2010 - 2015
Tabelle 3: Übersicht über die Indigenen, die vom Belo Monte betroffen sind gemäss FUNAI
Tabelle 4: Aktuelle Bergbauprozesse in den Indigenenreservaten
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GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
Brasilianische Verfassung
Artikel 231
Die sozialen Organisationsformen, Bräuche, Sprachen, Glauben und Traditionen der Indigenen
werden anerkannt, sowie die Rechte auf die von ihnen seit langen Zeiten besetzten Gebiete,
wobei der Bund die Aufgabe hat, diese zu demarkieren und alle ihre Güter zu schützen und respektieren.
§ 1:
Als von den Indigenen besetzte Gebiete gelten jene Territorien, die von ihnen in ständiger Weise
bewohnt werden, die sie für produktive Aktivitäten benutzen, die für ihr Wohlergehen und für
ihre physische und kulturelle Reproduktion notwendig und unerlässlich sind, gemäss ihren Gewohnheiten, Sitten und Traditionen.
§ 2:
Die von den Indigenen besetzten Gebiete sind deren ständigem Besitz vorbehalten, und ihnen
steht die alleinige Nutzung der darin vorkommenden Reichtümer des Bodens, der Flüsse und
Seen zu.
§ 3:
Die Nutzung der Wasserkraft und der Energie, die Untersuchung und Ausbeutung der Mineralschätze kann nur auf Anordnung des Nationalkongresses durchgeführt werden, nach Anhörung
der betroffenen Gemeinschaften, denen eine Beteiligung an den Erträgen zugesichert wird, laut
Vorschrift des Gesetzes.
§ 4:
Die in diesem Artikel erwähnten Gebiete sind unerlässlich, über sie kann nicht verfügt werden
und die Rechte darüber sind unanfechtbar.
§ 5:
Es ist verboten, indigene Gruppen von ihrem Land zu entfernen, es sei denn zum Schutz „per
Abstimmung“ durch den Nationalkongress im Falle einer Katastrophe oder Epidemie, die die Bevölkerung gefährdet oder im Interesse der Souveränität des Landes liegt […]
§ 6:
Ungültig und ohne rechtliche Wirkung sind all jene Handlungen, die auf Besetzung, Herrschaft
und Besitz der in diesem Artikel behandelten Gebiete oder die Ausbeutung der im Boden, in
Flüssen und Seen vorhandenen Naturschätze abzielen, ausser bei relevantem öffentlichem Interesse des Bundes und nur im Einklang wie ein Ergänzungsgesetz angeordnet. Aus dieser Nichtigkeit lässt sich kein Recht auf Schadenersatz oder ein Verfahren gegen den Bund ableiten, es sei
denn nach geltendem Recht hinsichtlich der Güter, die in gutem Glauben in Besitz genommen
wurden.
§ 7:
Die indigenen Gebiete bleiben unberührt von der Verfügung im Artikel 174, §§ 3 und 4. Artikel.
Artikel 232
Die Indigene, ihre Gemeinschaften und Organisationen, sind anerkannte Parteien bei Gericht zur
Verteidigung ihrer Rechte und Interessen unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft bei jedem
Schritt eines Prozesses.
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GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker
Artikel 3
Indigene Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei
über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.
Artikel 4
Bei der Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung haben indigene Völker das Recht auf Autonomie oder Selbstverwaltung in Fragen, die ihre inneren und lokalen Angelegenheiten betreffen,
sowie das Recht, über die Mittel zur Finanzierung ihrer autonomen Aufgaben zu verfügen.
Artikel 8
1. Indigene Völker und Menschen haben das Recht, keiner Zwangsassimilation oder Zerstörung
ihrer Kultur ausgesetzt zu werden.
2. Die Staaten richten wirksame Mechanismen zur Verhütung und Wiedergutmachung der folgenden Handlungen ein:
a) jeder Handlung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass indigene Völker und Menschen ihrer
Integrität als eigenständige Völker oder ihrer kulturellen Werte oder ihrer ethnischen Identität
beraubt werden;
b) jeder Handlung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass ihnen der Besitz ihres Landes, ihrer
Gebiete oder ihrer Ressourcen entzogen wird;
c) jeder Form der zwangsweisen Überführung der Bevölkerung, die zum Ziel oder zur Folge hat,
dass ihre Rechte verletzt oder untergraben werden;
d) jeder Form der Zwangsassimilation oder Zwangsintegration;
e) jeder Form der Propaganda, die darauf abzielt, rassische oder ethnische Diskriminierung, die
sich gegen sie richtet, zu fördern oder dazu aufzustacheln.
ILO-Konvention 169
Artikel 6
1. Bei der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens haben die Regierungen
a) die betreffenden Völker durch geeignete Verfahren und insbesondere durch ihre repräsentativen Einrichtungen zu konsultieren, wann immer gesetzgeberische oder administrative Maßnahmen, die sie unmittelbar berühren können, erwogen werden;
b) Mittel zu schaffen, durch die diese Völker sich im mindestens gleichen Umfang wie andere
Teile der Bevölkerung ungehindert auf allen Entscheidungsebenen an auf dem Wahlprinzip beruhenden Einrichtungen sowie an Verwaltungs- und sonstigen Organen beteiligen können, die für
sie betreffende Maßnahmen und Programme verantwortlich sind;
c) Mittel zu schaffen, die es diesen Völkern ermöglichen, ihre eigenen Einrichtungen und Initiativen voll zu entfalten, und in geeigneten Fällen die für diesen Zweck erforderlichen Ressourcen
bereitzustellen.
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GfbV-Bericht: Gebrochene Versprechen – düstere Zukunft
2. Die in Anwendung dieses Übereinkommens vorgenommenen Konsultationen sind in gutem
Glauben und in einer den Umständen entsprechenden Form mit dem Ziel durchzuführen, Einverständnis oder Zustimmung bezüglich der vorgeschlagenen Maßnahmen zu erreichen.
Artikel 7
1. Die betreffenden Völker müssen das Recht haben, ihre eigenen Prioritäten für den Entwicklungsprozess, soweit er sich auf ihr Leben, ihre Überzeugungen, ihre Einrichtungen und ihr
geistiges Wohl und das von ihnen besiedelte oder anderweitig genutzte Land auswirkt, festzulegen und soweit wie möglich Kontrolle über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung auszuüben. Darüber hinaus haben sie an der Aufstellung, Durchführung und Bewertung von
Plänen und Programmen für die nationale und regionale Entwicklung mitzuwirken, die sie unmittelbar berühren können.
2. Die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie des Gesundheits- und Bildungsstandes der betreffenden Völker mit ihrer Beteiligung und Unterstützung muss in den allgemeinen Plänen für die wirtschaftliche Entwicklung der von ihnen bewohnten Gebiete Vorrang haben.
Auch die besonderen Entwicklungspläne für diese Gebiete sind so zu gestalten, dass sie diese
Verbesserung begünstigen.
3. Die Regierungen haben sicherzustellen, dass in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern
gegebenenfalls Untersuchungen durchgeführt werden, um die sozialen, geistigen, kulturellen
und Umweltauswirkungen geplanter Entwicklungstätigkeiten auf diese Völker zu beurteilen. Die
Ergebnisse dieser Untersuchungen sind als grundlegende Kriterien für die Durchführung dieser
Tätigkeiten anzusehen.
4. Die Regierungen haben in Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern Massnahmen zu
ergreifen, um die Umwelt der von ihnen bewohnten Gebiete zu schützen und zu erhalten.
Artikel 15
1. Die Rechte der betreffenden Völker an den natürlichen Ressourcen ihres Landes sind besonders zu schützen. Diese Rechte schließen das Recht dieser Völker ein, sich an der Nutzung,
Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen.
2. In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an den mineralischen oder unterirdischen Ressourcen oder Rechte an anderen Ressourcen des Landes behält, haben die Regierungen Verfahren
festzulegen oder aufrechtzuerhalten, mit deren Hilfe sie die betreffenden Völker zu konsultieren haben, um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß ihre Interessen beeinträchtigt werden
würden, bevor sie Programme zur Erkundung oder Ausbeutung solcher Ressourcen ihres Landes
durchführen oder genehmigen. Die betreffenden Völker müssen wo immer möglich an dem Nutzen aus solchen Tätigkeiten teilhaben und müssen einen angemessenen Ersatz für alle Schäden
erhalten, die sie infolge solcher Tätigkeiten erleiden.
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