ESD-Schutz

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ESD-Schutz
ESD-Schutz
Voraussetzung für den erfolgreichen
Aufbau zuverlässiger elektronischer
Systeme
Hans-Joachim Günther, ESD-Consult&Service
Dr.-Ing. Bernd Schildwach, Ing.-Büro QUAPRO
14.08.2012, FED-Regionaltreffen Berlin
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Der Physiker sagt:
ESD-Schutz ist ganz einfach…
1. Vermeidungen von Aufladungen,
die mit ihrem Spannungswert ein Bauelement
gefährden können.
2. Sicherung einer langsamen Entladung,
so dass die dabei entstehende Stromstärke keine
Schäden verursacht.
Der Praktiker weiß:
Das Radfahren ist auch ganz einfach:
Treten, Treten und Lenken.
Aber wie lange benötigt mancher dies zu beherrschen?
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Triboelektrizität
-
-
+
+
+
+
+
+
+
+
d1 = 1nm
d = 0,1m
U1 = 1 mV
U1 > 1 kV
U=Q/C
C = ε * A/d
U=
Q*d
ε*A
C = Kapazität; Q = Gesamtladung; U = Spannung
ε = Dielektrizitätskonstante; A = Berührungsfläche; d = Abstand
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Einflussfaktoren für Triboelektrizität
AAbstandstand
Gesamtladung
Q*d
U = ε*A
Material
(Cohn´sche Tabelle)
Berührungsfläche
(„Klar“-sichthüllen))
Weitere Faktoren:
o Reibung (Triboelektrizität=„Reibungselektrizität“)
o Anpressdruck
o Trenngeschwindigkeit
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+
positiv
negativ
-
Aufladung
Cohn´sche Tabelle
Luft
Menschlicher Körper
Glas
Menschliches Haar
Nylon
Wolle
Seide
Aluminium
Papier
Baumwolle
Eisen
Holz
Hartgummi
Nickel Kupfer
Messing Silber
Gold Platin
Kunstseide
Polysteren
Polyester
…
Silizium
Mensch
und
Umfeld
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Influenz
Polarisation eines elektrisch leitfähigen
Körpers, der sich isoliert in einem
elektrostatischen Feld befindet
-----
++
++
---
++
++
++
----
nach Verlassen des elektrostatischen
Feldes gleichen sich die Ladungen
wieder aus
-+
++
++
++
++
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+-
-+
-+
-+
+-+
-+
+-+
Risiko durch Influenz
bei kurzzeitiger Erdung wird die positive Ladung nach Verlassen des elektrostatischen Feldes
durch den Erdkontakt ausgeglichen
überwiegen die negativen Ladungsträger
-----
------
++
++
++
++
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-
-
-
-
Einfluss der Luftfeuchte
A: Laufen auf einer Gummimatte
B: Aufnehmen eines Plastikbeutels von der Werkbank
C: Laufen auf einem Vinyl-Boden
über eine Entfernung von 6m
D: Aufstehen von einem Stuhl
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Relative Luftfeuchte
Rel. Luftfeuchte innen RH2 [%]
(Innentemperatur: 22°C)
50
Molliérdiagramm
20°C
40
30
25
20
10°C
0°C
10
-10°C
10
20
30
Rel. Luftfeuchte außen RH1 [%]
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40
50
Das Risiko
Energieempfindlichkeiten
mJ
10
Störungs-/Zerstörungsenegie in mJ
r
min/ max-Schwelle
1
0,1
0,01
0,001
0,0001
CMOS
schnelle Trs. low-Power Trs. kl. Gleichr.
Z-Dioden
0,3 1
3 10 (kV)
im Menschen gespeicherte Energie ( W = 0,5 C*U2 , Kap. des Menschen ca. 200 pF )
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Das Risiko
ESD-Häufigkeiten und Risikobereiche (Entwicklungsumgebung)
36
%
28
20
8
0-0,5kV
0,5 -1,0
1,0-1,7
5
1,7-3,0
3,0-5,0
2
1
5,0-8,0
>8,0
kV
MOSFET
JFET
BIPOL. TRS.
SCHOTTKY-TTL
CMOS
90%
Wahrnehmungsschwelle
Quelle: Baumgärtner/Gärtner
„ESD-Elektrostatische Entladungen“
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10%
Ziel:
Erarbeitung eines
ESD-Schutzprogramms
Referenzen:
- DIN EN 61340-5-1:2008
- DIN EN 61340-5-1, Beiblatt 1
(IEC/TR 61340-5-2:2007)
- ANSI/ESD wirksamer
S20.20-2007 Maßnahmen
Durchsetzung
für den durchgängigen ESD-Schutz
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Referenzen
DIN EN 61340-2-1:2003,
Elektrostatik, Messverfahren – Fähigkeit von Materialien und
Erzeugnissen, elektrostatische Ladungen abzuleiten
DIN EN 61340-2-3: 2000,
Elektrostatik, Prüfverfahren zur Bestimmung des Widerstandes und des
spezifischen Widerstandes von festen planen Werkstoffen, die zur
Vermeidung elektrostatischer Aufladungen verwendet werden.
DIN EN 61340-3-1:2003
Elektrostatik, Verfahren zur Simulation elektrostatischer Entladungen –
Human Body Model (HBM) – Bauelementeprüfung
DIN EN 61340-3-2:2003
Elektrostatik, Verfahren zur Simulation elektrostatischer Entladungen –
Machine Model (MM) - Bauelementeprüfung
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Voraussetzungen
Geltungsbereich
ESDSchutzprogrammPlan
Ziele
Zum Beispiel:
- Erarbeitung neuer Vorschläge zur Gestaltung des
ESD-Schutzes
oder
- Realisierung und Durchsetzung der notwendigen
Maßnahmen zum ESD-Schutz ?
ESDSchutzprogramm
Welche Geschäftsstellen?
Welche Bereiche?
Welche Prozesse?
Welche Verantwortungsbereiche?
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Von der Norm empfohlene Inhalte eines
ESDSchutzprogramm
Planung der Anforderungen an:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Schulungsplan
Überprüfung der Einhaltung
Erdungs-/Anschlusssysteme
Personenerdung
Schutzzonenanforderungen
Verpackungssysteme
Kennzeichnungen
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Das Risiko
Aufladungen lassen sich in Arbeitsprozessen nicht vermeiden, jedoch
schädigende Potenzialunterschiede, die zu ESD führen können.
Es muss ein gelenkter Potenzialausgleich realisiert werden, der sichert,
dass die Entladung nicht über gefährdete elektronische Bauelemente
erfolgt und dabei die Geschwindigkeit der vorhandenen Arbeitsprozesse
beachtet.
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Das Risiko
Schutzmaßnahmen, die wir heute treffen, können bereits
morgen durch Technologieentwicklungen unwirksam sein.
Entwicklung von Halbleiterstrukturen
1985: 1500nm
1990: 700nm
1998: 200nm
2000: 130nm
2002:
90nm
2005:
65nm
2007:
45nm
2008:
32nm
2010:
28nm
2012:
20nm
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Projektlebenszyklus
zum Aufbau und kontinuierlichen Verbesserung eines
ESD-Schutzprogramms
1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
2. Phase: Analyse des SOLL-Zustandes
3. Phase: Konzeption einer nachhaltigen und angemessenen ESDgeschützten Handhabung von elektronischen Bauelementen
4. Phase: Beschaffung, Realisierung,
Sicherung der ESD-Schutzmaßnahmen durch das QM-System
5. Phase: Schulung, Training, Motivation des Personals
6. Phase: kontinuierliche Verbesserungen, Analysen, Audits
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
Analyse im geplanten Geltungsbereich
Entwicklung,
Design
Material,
elektr.
Komponenten
Beschaffung
Fertigung
Prüfung
Lagerung,
Vertrieb
Schwachstellen, Fehlerquellen-Analyse, z.B.:
Wo sind ESDS-gefährdende Prozesse vorhanden?
Sind die Schutzmaßnahmen ausreichend?
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
• Analyse aller verwendeten elektronischen Bauelemente / Baugruppen
• Analyse der Kenntnisse des Personals
• Analyse der Technologien und Abläufe
• Analyse bereits vorhandener ESD-Schutzmaßnahmen und deren
Wirksamkeit
• Analyse von bereits aufgetretenen Fehlern
• Analyse des notwendigen „Publikumsverkehrs“
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
• Welche elektronischen Bauelemente werden im Geltungsbereich
gehandhabt ?
(beschafft/transportiert/verarbeitet/bestückt/gemessen/getestet/verpackt)
• Wo, an welchen Arbeitsplätzen erfolgt welche Handhabung?
• Welche ESD-empfindlichen Bauelemente (ESDS) werden bereits
gehandhabt?
• Welche Spannungsempfindlichkeitsschwellen sind bei diesen
Bauelementen (ESDS) zu beachten?
• Welche Ladespannungen sind bereits bei welchen Tätigkeiten bekannt?
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
Spannungsempfindlichkeitsklassen nach ESD Association
Human Body Model
Klasse
0
1A
1B
1C
2
3A
3B
Spannungsbereich
< 250V
250V bis < 500V
500V bis < 1.000V
1.000V bis < 2.000V
2.000V bis < 4.000V
4.000V bis < 8.000V
> 8.000V
Quelle: IEC 61340-3-1:2002
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
Spannungsempfindlichkeitsklassen nach ESD Association
Human Body Model
Klasse
0
1A
1B
1C
2
3A
3B
Spannungsbereich
< 250V
250V bis < 500V
500V bis < 1.000V
1.000V bis < 2.000V
2.000V bis < 4.000V
4.000V bis < 8.000V
> 8.000V
Quelle: IEC 61340-3-1:2002
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
Spannungsempfindlichkeitsklassen nach ESD Association
Charge Device Model
Klasse
C1
C2
C3
C4
C5
C6
C7
Spannungsbereich
< 125V
125V bis < 250V
250V bis < 500V
500V bis < 1.000V
1.000V bis < 1.500V
1.500V bis < 2.000V
> 2.000V
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
Spannungsempfindlichkeitsklassen nach ESD Association
Machine Model
Klasse
M1
M2
M3
M4
Spannungsbereich
< 100V
100V bis < 200V
200V bis < 400V
> 400V
Quelle: IEC 61340-3-2:2002
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
ESD-Empfindlichkeit
ESD-Schutzklassen:
1C, M2, C4
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
ESD-Empfindlichkeit
Klasseneinteilung für ESD-Empfindlichkeiten
Achtung:
Es gibt unterschiedliche Klassenbenennungen!
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
ESD-Empfindlichkeit und Klasseneinteilung nach ESDA
Device type
ESD withstand voltage
sensitivity HBM
Class
MR heads, RF FETs
10 - 100 V
0
Power MOSFETs, PIN diodes, laser diodes
100 - 300 V
0
Pre - 1990 VLSI
400 - 1000 V
1A
Modern VSLI
1.000 - 3.000 V
1C
HCMOS
1.500 - 3.000 V
1C
CMOS B Series
2.000 - 5.000 V
2
Linear MOS
800 - 4.000 V
2
Small geometry older bipolar
600 - 6.000 V
1B
Small geometry modern bipolar
2.000 - 8.000 V
2
Power bipolar
7.000 - 25.000 V
3A
Film resistor
1.000 - 5.000 V
1C
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
ESD-Empfindlichkeit, Klasseneinteilung nach ESA
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1. Phase: Analyse des IST-Zustandes
ESD-Empfindlichkeit und Klasseneinteilung nach ESA
- Class 1: Sensitivity Range 0 to < 1.000 Volts •
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Metal Oxid Semiconductor (MOS) devices, including C, D, N, P, V and other MOS
technology without protective circuitry, or protective circuitry.
Surface Acoustic Wave (SAW) devices.
Operational Amplifiers (OP AMP) with unprotected MOS capacitors.
Junction Field Effect Transistors (JFET´s)
Silicon Controlled Rectifiers (SCR´s) with to <0,175 amperes at +100°C ambient
temperature.
Precision Voltage Regulator Microcircuits: Line or Load Voltage Regulation <0,5%.
Microwave and Ultra-High Frequency Semiconductors and Microcircuits:
Frequency >1,0 gigahertz.
Thin Film resistors (Typ RN) with tolerance of <0,1%; power >0,05W.
Thin Film resistors (Typ RN) with tolerance of >0,1%; power <0,05W.
Large Scale integrated (LSI) Microcircuits, including microprocessors and memories
without protective circuitry, or protective circuitry.
(Note: LSI devices usually have 2 to 3 layers of circuitry with metallisation cross-overs
and small geometry active elements.)
Hybrids utilising Class 1 parts.
Quelle: ESA/SCC Basic Specification No. 23800
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2. Phase: Analyse des Sollzustandes
•
Welche Prozesse müssen aus der IST-Analyse geändert werden?
•
Welche Prozesse sind für eine Neueinführung geplant und welche
Arbeitsgeschwindigkeiten haben die neuen Prozesse?
•
Welche Ableitwiderstände müssen erreicht werden?
•
Welche neuen Bauelemente werden für neue Produkte verwenden
und welche ESD-Empfindlichkeiten weisen diese auf?
•
Welche Lieferanten werden mit der Fertigung von Teilsystemen
beauftragt?
•
Welches Personal ist in ESD zu schützenden Prozessen eingesetzt?
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3. Phase: Konzeption des ESD-Schutzes
Handhabung von elektronischen Bauteilen in den Prozessen
Der Schutzgrad richtet sich nach den Bauteilen und Prozessschritten
Basis-ESD-Schutzprogramm könnte beinhalten:
A. Geerdete Arbeitsoberfläche,
B. Personal, geerdet mit einem Handgelenkerdungsband,
C. ESD-Schutzverpackung, um ESDS von einem Prozess zum
nächsten zu transportieren,
Komplexes-ESD-Schutzprogramm könnte beinhalten:
A. Geerdete Arbeitsoberfläche,
B. Personal, geerdet über ein permanent überprüftes
Handgelenkerdungsband,
C. Personal, geerdet über ESD-Schuhwerk und leitfähiger Fußboden,
D. Personal, das geerdet ESD-Kittel trägt,
E. Ionisation an jedem Arbeitsplatz
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3. Phase: Konzeption des ESD-Schutzes
Anzustrebender
Wertebereich
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3. Phase: Konzeption des ESD-Schutzes
Quelle: Karl H. Helling, Elektrostatik Institut Berlin
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4. Phase: Realisierung
Thesen:
1. Es gibt keinen allgemeinen ESD-Schutz.
2. Schutzmaßnahmen müssen in Abhängigkeit von
den konkreten Erfordernissen im Unternehmen
aufgebaut, aufrechterhalten und kontinuierlich
verbessert werden.
3. Normen (z.B. DIN EN 61340-5-1) sind
anwendbare Referenzen und müssen jedoch auf
die Erfordernisse im Unternehmen angemessen
angewendet werden.
4. Der ESD-Schutz muss ein Teil der geltenden
Organisationsregeln werden.
5. Die Organisationsregeln zur Sicherung der Produktqualität
sind Bestandteil des Qualitätsmanagementsystems.
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4. Phase: Realisierung
Integration des ESD-Schutzes in das
Qualitätsmanagementsystem der Organisation
Forderung der DIN EN 61340-5-1:2008
Jedes Unternehmen entwickelt sein
- eigenes,
- unternehmensspezifisches und
- mit dem betrieblichen QMS konformes
ESD-Schutzprogramm.
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4. Phase: Realisierung
DIN EN ISO
9001:2008
Klärung der Verantwortlichkeiten durch die „Oberste Leitung“:
- Einführung der Schutzvorkehrungen nach DIN EN 61340-5-1,
- Einsetzen des ESD-Schutzbeauftragten
ESD-Schutzbeauftragter:
- Verantwortlich für Schutz der ESDS und Umsetzung der
DIN EN 61340-5-1
- Erarbeitung des ESD-Schutzprogramms
Der ESD-Schutzbeauftragter (Normenbezeichnung: ESD-Beauftragter oder
ESD-Koordinator ) kann bei Erfordernis weitere Beauftragte einsetzen.
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4. Phase: Realisierung
Angemessenheit der anzufertigenden
QM-Darlegungen
DIN EN ISO
9001:2008
(Umfang, Darstellungstiefe, Art der Darstellung,
Sprache, Formulierungen)
QMHandbuch
ESD-SchutzProgramm
ProzessBeschreibungen
AA
01
AA
02
AA
03
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4. Phase: Realisierung
Zertifikat
Schaffung von Vertrauen durch eine
Zertifizierung des QM-Systems:
Nachweis und Bestätigung der
Qualitätsfähigkeit von Lieferanten
in Übereinstimmung
mit einer Referenznorm durch eine
unabhängige „Stelle“
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5. Phase: Schulung, Training,
Motivation des Personals
Die Kenntnisse und Motivation des Personals sind die Grundlage für
die Akzeptanz der festgelegten Handhabungs- und Prozessschritte.
Die kompetente Mitwirkung des Personals ist eine Voraussetzung zur
Aufrechterhaltung und kontinuierliche Verbesserung der ESDSchutzfähigkeit unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit.
Schulungsplan
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ESD-Schutzmanagement
mit Zertifizierung
Nächster Termin:
16.-18.10.2012
in Erlangen
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