malstile berühmter maler - art-of

Transcrição

malstile berühmter maler - art-of
SEMINAR
FÜR
ÖLMALEREI
Martin Baumann, Überlandstrasse 247, 8600 Dübendorf, Schweiz
Telefon: 077 432 47 27, E-mail: [email protected]
www.art-of-martin.ch
SEMINARABLAUF
1. Tag
Grundieren der Malflächen,
Theorie in Maltechnik,
Malstile und Materialien
2. Tag
Grundieren der Malflächen mit Ölfarben,
üben der Pinseltechnik
3. Tag
Motivsuche, mitgebrachte Vorlagen,
Gegenstände, Landschaften etc. abzeichnen.
4. Tag
Der freien Experimente,
Themen verwirklichen.
5. Tag
1. eigenes Bild malen, mit Unterstützung
des Seminarleiters.
THEMEN
1. Kapitel
Theorie der Ölmalerei
MALTECHNIK HEUTE NOCH NOTWENDIG?
MALTECHNIK ALS BEGRIFF
DIE GRUNDELEMENTE DER MALTECHNIK
DIE 3 GRUNDFAKTOREN
ZUR FRAGE DER SCHLUSSBEHANDLUNG
2. Kapitel
Materialien
GRUNDIERMATERIALIEN
FARBEN
BINDEMITTEL FÜR ÖLMALEREI
REZEPTE FÜR MALMITTEL
GERÄTE FÜR ÖLMALEREI
SCHLUSSÜBERZÜGE
3. Kapitel
Farbskalen
KLEINSKALA, NORMALSKALA, STUDIENSKALA
4. Kapitel
Techniken der Ölmalerei
5. Kapitel
Malweisen in Ölfarben
PRIMAMALEREI
REINE PRIMAMALWEISE
SYSTEMATISCHE SCHICHTENMALEREI
LASURMALEREI ÜBER GRISAILLIE-UNTERMALUNG
ÖLMALEREI AUF ÖLUNTERMALUNG
6. Kapitel
Das Aufzeichnen
7. Kapitel
Malstile berühmter Maler
DIE RENAISSANCE IN ITALIEN
MEISTER IM NORDEN
GROSSE EINSAME
ENGLISCHES ZWISCHENSPIEL
VERGESTIGUNG DER AUGENLUST
DIE QUELLE IMPRESSIUNISMUS
NEOIMPRESSIONISMUS, EXPRESSIONISMUS
KUBISMUS, SURREALISMUS
KONKRETE KUNST, GEOMETRISCHE ABSTRAKTIONEN
Seite
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1. Kapitel
THEORIE
DER
ÖLMALEREI
MALTECHNIK HEUTE NOCH
NOTWENDIG?
Wirklich ernsthaftes Interesse findet man nur
bei einem verhältnismässig kleinen Kreis von
Studierenden.
Maltechnik wird oft falsch verstanden.
Zwischen Unachtsamkeit und übergrosser
Ängstlichkeit führt immerhin noch ein gangbarer Weg.
Man verdächtigt den handwerklichen Könner
einer äusserlichen Mache, einer Perfektion, von
der man sich ängstlich distanziert.
Heute gibt es neue interessante Materialien,
der Maler stellt seine Farben im allgemeinen
nicht mehr selber her.
Wichtig ist besonders die Grundierung.
Ich lasse sogar manchmal den Grund stehen.
Oft arbeite ich länger an der Grundierung als
an dem, was darauf kommt.
Man holt eben viel aus dem Grund heraus, was
die Malerei lebendig macht, wo das Auge gewissermassen eine Addition von Wirkung sieht.
Ich verwende z. B. deckende Farben am Anfang
und lasiere darüber, oder ich verwende zuerst
Lasuren und decke darauf, oder ich lasiere nur
partiell, oder decke partiell. Das wechselt bei
mir immer.
Manches erzielt man durch zahlreiche Manipulationen. Manchmal schleife ich sogar Schichten
teilweise wieder ab, damit der Ton herauskommt, der mir angenehm ist. Schon deshalb ist
die Bearbeitung des Grundes eine ausserordentliche Sache.
MALTECHNIK ALS BEGRIFF
Man versteht heute unter «Maltechnik» korrekterweise die Technologie des Malmaterials,
also dessen Art und Verarbeitung nach handwerklichen und gleichzeitig nach künstlerischen
Grundsätzen. Ein Kunstwerk nicht ausschliesslich oder überwiegend nach dem Eindruck zu
bewerten, den es auf den Besucher ausübt, sondern in hohem Masse auch nach der Gediegenheit der Herstellung, also nach dem Grad der
handwerklichen Leistung des Künstlers, ist im
Gegensatz zu früheren Jahrhunderten augenblicklich nicht mehr üblich, ja in vielen Kreisen
sogar verpönt. Ein unbestreitbar handwerklicher Verfall ist, wie gesagt, charakterisiert durch
die bereits erwähnte zunehmende Sorglosigkeit
in Wahl und Anwendung der Werkstoffe.
Eine neuzeitliche Kunst mit einem ernsten Willen zu wirklichem Fortschritt versucht, aus dem
bewährten Wissen der Alten Meister zu lernen
und unter Ausnutzung unserer jetzigen industriellen Möglichkeiten die alten wertvollen,
technischen Erfahrungen zu benutzen und für
unsere modernen Erfordernisse umzuwerten.
Etliche Surrealisten tun das. Dazu ist es aber
eben unerlässlich, sich einmal systematisch mit
den technologischen Grundlagen vertraut zu
machen, um tatsächlich in der Lage zu sein,
denjenigen Weg möglichst ohne zu grosse Umwege zu finden, der einer bestimmten künstlerischen Vorstellung am einfachsten und sichersten zur Realisierung verhilft und somit zu einer
wirklichen Harmonie führt zwischen handwerklichem und künstlerischen Können ohne extreme Überbetonung des einen wie des anderen.
Nietzsche hat einmal gesagt: «Kunst kommt
von können».
Irrtum; denn «Kunst» kommt von «künden»,
aber trotzdem kennzeichnet Nietzsche treffend
das, was damit gesagt sein soll. Mit einer angeborenen Begabung allein, ist es auf keinem Gebiet künstlerischem Wirkens getan.
Dass der Musiker seine Instrumente beherrschen muss und ohne tägliches, stundenlanges
Üben nicht auskommt, ist ebenso selbstverständlich wie das Rollenlernen des Schauspielers, aber mancher junge Maler ist noch in der
falschen Vorstellung befangen, dass es genüge,
sich Farben, Pinsel und Leinwand zu beschaffen, um dann alles das genügend klar und dauerhaft zum Ausdruck zu bringen, was ihn innerlich bewegt.
Firnis: Wenn beispielsweise der gewerbliche
Maler oder Anstreicher von «Firnis» redet,
so meint er damit ein mit Trockenstoff verkochtes Leinöl. Der Kunstmaler dagegen versteht
unter «Firnis» eine Lösung von einem Weichharz in Terpentinöl oder Testbenzin als Schlussfirnis (franz.: vernis; engl.: varnish) für seine
Gemälde. Dieses eine Beispiel mag hier für
viele stehen!
DIE GRUNDELEMENTE
DER MALTECHNIK
Malen ist technologisch gesehen nichts anderes
als eine edlere Art des Anstreichens; nur rechnet der Handwerker beim Anstrich mit einer gelegentlichen Erneuerung, während man in der
Kunst erwartet, dass die Erzeugnisse möglichst
THEORIE DER ÖLMALEREI
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für längere Zeit Dokumente künstlerischer
Aussage bleiben. Der Künstler will sich mitteilen, sei es auf eine realistische, surrealistische
oder gegenstandslose Weise. Er möchte aber
auch, dass ihn sein künstlerisches Bekenntnis
überlebt und zwar nach Möglichkeit so, wie er
es abgegeben hat, also lebendig und dauerhaft
in den Farben.
kommen, ist ausschlaggebend für die optische
Gesamtwirkung der Malerei. Dabei ist aber
auch massgebend, wie viele Anteile des Bindemittels der Grund aufsaugt, und ob der Grund
noch durch die Farbteilchen hindurchzuschimmern vermag Lasurwirkung) oder ganz von ihnen zugedeckt wird (Deckfarbenwirkung).
Malen heisst also: das Verteilen von Farbteilchen plus Bindemittel auf den Malgrund.
DIE 3 GRUNDFAKTOREN
Die rationelle Maltechnik kennt drei Grundfaktoren, die absolut gleichwertig in ihrer Bedeutung sind: den Grund, die Farbmittel und
die Bindemittel.
Eines steht in engster Abhängigkeit vom anderen. Ihre Beschaffenheit und ihr harmonisches
Verhältnis zueinander entscheiden nicht nur
über die künftige Dauerhaftigkeit eines Werkes, sondern auch – und das interessiert den
Künstler zunächst am meisten – über die stoffliche Wirkung, die für den Gesamteindruck
nicht unwesentlich ist. Gewisse Materialien und
besondere Anwendungsweisen ermöglichen
ganz bestimmte Wirkungen, die der Maler
sucht, die er sich zum Realisieren seiner Vorstellungen wünscht.
Keines dieser drei Grundelemente darf der
Künstler vernachlässigen, wenn das Gewünschte erreicht werden und dauerhaft bleiben soll!
Fundamentale Bedeutung kommt dem Malgrund zu, also dem Träger irgendeiner Malerei.
Er enthält normalerweise eine besondere Präparierung. Hier können bereits Ursachen für
Fehlresultate und für die Unerfüllbarkeit mancher Wünsche liegen, anderseits aber auch die
Grundlagen zu ganz bestimmten Wirkungen,
welche nachträglich mit keinem Mittel mehr zu
erlangen sind. Auf den Malgrund baut sich
alles auf. Er ist wirklich das Fundament.
Man versteht ein gleichseitiges Dreieck; G =
Grund, F = Farbmittel, B = Bindemittel.
Ob die Farbteilchen nur gerade zusammengehalten und auf den Grund festgeheftet werden
oder ob sie ganz von Bindemittel umgeben,
also sozusagen in dieses eingebettet zu liegen
ZUR FRAGE DER
SCHLUSSBEHANDLUNG
Die Schlussbehandlung hat zwei verschiedene
Aufgaben. Sie soll beispielsweise einer Malerei
Schutz gegen äussere Einwirkungen gewähren,
um somit dauerhafter zu machen. Da den Malerschüler zunächst nur das mehr oder weniger
gelungene künstlerische Endergebnis interessiert, verkennt er leicht die Bedeutung einer
eventuell notwendigen Schlussbehandlung.
Zweitens fällt aber einem Schlussüberzug die
nicht unwesentliche Aufgabe zu, dem Bild die
gewünschte Oberfläche und damit seine optische Endwirkung zu geben.
Schaut sich der Schüler nach Wochen oder
Monaten seine Arbeit nochmals an, so wird er
oft feststellen müssen, dass damit bereits
eine Veränderung eingetreten ist, indem manche Bildteile einer Ölmalerei oder gewisse Farben stumpf und matt «eingeschlagen» sind
und dabei ihren Glanz und alle Frische eingebüsst haben.
Ein geeigneter Schlussüberzug gibt allen Farben
wieder ihre ursprüngliche Wirkung zurück.
Manchmal ist das Verbleiben eines speckigen
Hochglanzes, wie ihn die Farben im nassen Zustand zeigen, gar nicht erwünscht. Hier besteht
für den Maler die Möglichkeit, über den Grad
des Glanzes oder einer Mattwirkung durch
Wahl eines Schlussüberzuges zu bestimmen.
Vor allem in der neuzeitlichen Malerei besteht
oft der Wunsch, seinem Bild einen völlig matten
Oberflächencharakter zu geben. Das hängt aber
im wesentlichen bereits von der Wahl des Malgrundes ab.
THEORIE DER ÖLMALEREI
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2. Kapitel
MATERIALIEN
Malgründe für Tafelmalerei
• Massivholplatten als starre Bildgrundträger
• Sperrholplatten-Systeme
• Stäbchen-Holzplatten
• Kreuzverleimte Sperrhölzer, aufgespannt
• Holzfaserplatten
• Spezial-Holzfaserplatten
• Spanplatten
• Pappe
• Metallplatten als Bildgrundträger
• Blanke Kupferplatten für Monotypie
• Gewebe als elastische Bildgrundträger
• Papier
GRUNDIERMATERIALIEN
Zwei Faktoren sind für die Notwendigkeit einer
Grundierung massgeblich: Erstens muss auf das
Trägermaterial eines Bildes, ganz gleich, welcher Art es sei, ein weisser oder mindestens
heller Reflektor aufgebracht werden, worauf
allein die Farben in ihrer vollen Leuchtkraft und
Schönheit zur Geltung kommen können.
Zweitens erfordert besonders die Ölfarbe einen
Untergrund, welcher einem ganz bestimmten
Grad der Saugfähigkeit aufweist, über welchen
der Künstler bestimmen möchte, um seiner
Malweise gewisse Reize zu ermöglichen und
dem fertigen Bild einen ganz bestimmten
Oberflächencharakter geben zu können.
Würde man auf roher Leinwand malen, so liesse es sich ausserdem nicht vermeiden, dass ein
erheblicher Anteil des Öles aus der Farbe vom
Gewebe aufgesogen wird.
Infolgedessen wird die Farbe nach kurzer Zeit
schwer und stumpf, und es geht eine gewisse
Farbmenge, welche sich in die Gewebestruktur
einlagert, praktisch wirkungslos verloren.
Das Trägermaterial, welches an sich sehr unterschiedlich hinsichtlich seiner Porosität sein
kann, bedarf infolgedessen zunächst einer ausgeglichenen Vorbehandlung, welche gleichzeitig die Aufgabe übernimmt, die Haftung der
Grundierschichten auf dem Trägermaterial zu
sichern oder mindestens zu verbessern. Es werden dafür wässrige und nicht wässrige, zweiteilige Bindemittel benutzt. Während ihre Lösungsmittel verdunsten, bleiben entweder leimartige oder harzige oder harzähnliche Stoffe
zurück und übernehmen das Schliessen der
Poren. Dabei besteht zunächst kein Unterschied, ob es sich um starres Trägermaterial wie
Massivholz, Holfaserplatten oder dgl. Handelt
oder um flexible Trägerwerkstoffe wie
Leinwand oder Papier, welche grundsätzlich
mit elastischeren Werkstoffen beschichtet werden müssen.
FARBEN
Eigenschaften die Farben haben müssen sind
Beständigkeit, Verträglichkeit mit anderen Farben, Bindemittelechtheit, Mischbarkeit, Benetzbarkeit, Bindemittelbedarf, Konsistenzstabilität, Farbvermögen, Deckvermögen, Lasierfähigkeit und Trockenwirkung auf fette Öle.
Beständigkeit: Höchstmögliche Lichtbeständigkeit ist eine Forderung, auf die man bei hochwertigen Künstlerfarben nicht verzichten darf,
denn viele der damit geschaffenen Werke sollen doch viele Generationen überdauern.
Die Künstlerfarbenindustrie drückt Lichtbeständigkeitsbewertungen gewöhnlich durch
Sternchen (*) aus. Danach bedeuten:
***
**
*
*
höchste Lichtbeständigkeit
sehr gute Lichtbeständigkeit
ausreichende Lichtbeständigkeit
geringe Lichtbeständigkeit
Abgesehen davon, dass die drei letztgenannten
Prädikate individuell sehr unterschiedlich aufgefasst werden können, stellen diese Bezeichnungen eine relativ grobe Klassifizierung dar.
Die Buntfarbenindustrie benutzt im Anstrichwesen die im internationalen Warenverkehr
übliche «Wollskala», welche aus der in dieser
Hinsicht notgedrungen fortschrittlicheren Textilindustrie entlehnt worden ist. Der deutsche
Normenausschuss hat sich jener Regelung angenommen, um sie auch auf den Pigmentsektor
zu übertragen. Die Unterteilung in 8 Stufen ist
wesentlich genauer als die 4 Stufen, welche
oben deklariert sind, aber auch sie lässt sich
durch Eigenschaftswörter, die fest dafür vereinbart sind, ausdrücken.
Danach gilt nach DIN 53952:
Lichtechtheit 8 = hervorragend
Lichtechtheit 7 = vorzüglich
Lichtechtheit 6 = sehr gut
Lichtechtheit 5 = gut
Lichtechtheit 4 = ziemlich gut
Lichtechtheit 3 = mässig
Lichtechtheit 2 = gering
Lichtechtheit 1 = sehr gering
MATERIALIEN
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Die Künstlerfarbenherstellung kennt allerdings
von jeher Pigmente, welche eine Erweiterung
dieser Bewertungsreihe bis 10 zweckmässig erscheinen lassen, doch steht eine solche Regelung noch aus. Mit dem höchstmöglichen Prädikat «absolut Lichtecht» ist man in Fachkreisen
sehr vorsichtig, aber Pigmentgruppen, welche
beispielsweise an Aussenwänden oder an Innenwänden mit fehlender Bedeutung seit etwa
2000 Jahren greller Bestrahlung der südlichen
Sonne standgehalten haben, verdienen dieses
Lob zweifellos.
Verträglichkeit:
Die umschliessenden Öltröpfchen der Pigmente, wirken auf chemische Reaktionen isolierend.
Bindemittelechtheit:
Bedeutend wichtiger als die Frage der Verträglichkeit der Pigmente untereinander ist praktisch die Bindemittelechtheit. So ist z. B. Pariser
Blau in Öl eine einwandfreie Künstlerfarbe, die
aber in alkalischem Kaseinbindemittel unsicher
wird und in der Freskotechnik in wenigen Stunden nur noch einen schmutzig-braunen Farbton zurücklässt. Da helles Chromgelb in Öl
grünt, die dunkleren Sorten hässlich bräunen
und die mittleren Tönungen sich zu einem erdigen Ockerton verfärben, kann sie der Künstler nur in wässrigen Techniken verwenden.
Mischbarkeit:
Trotz chemischer Verträglichkeit der Farben untereinander kann es zu unliebsamen Erscheinungen Kommen; denn auch die physikalische
Beschaffenheit eines Pigments vermag die Verträglichkeit in Frage zu stellen.
Benetzbarkeit:
Mancher Maler beklagt sich darüber, dass sich
ein Pigment im Bindemittel schlecht «löse».
Wie bereits erwähnt, darf es sich gar nicht lösen. Gemeint ist vielmehr eine schwere Benetzbarkeit. In wässrigen Substanzen pulvern nämlich beim Anteigen mit dem Bindemittel oder
auch schon im Wasser manche Farben auseinander in ähnlicher Weise, wie wenn man Kakaopulver mit kaltem Wasser anrührt. Krapplack
ist beispielsweise bekannt dafür. Sogar beim
Ansetzen in öligen Bindemitteln kann das vorkommen. Ein Befeuchten mit Spiritus schafft sofort Abhilfe gegen diese unangenehme Oberflächenspannungserscheinung. Als wasserlösli-
ches Netzmittel sind «Agepon» der Agfa-Ag
oder handelsübliche Fettalkoholsulfonate zu
empfehlen.
Bindemittelbedarf:
Der Bindemittelbedarf der Farben ist sehr unterschiedlich. Er schwankt zwischen 15% und
200%. Dem Maler ist das durchaus nicht gleichgültig, obschon er die erforderlichen Mengenverhältnisse nur abschätzt und nicht abzumessen hat wie der Fabrikant. Leimstoffhaltige Bindemittel trocknen mit teilweise hoher Spannung auf. Je mehr Bindemittel eine Farbe enthält, desto leichter reisst sie. Ölige Bindemittel
vergilben, und Ölüberschuss führt zu Runzelbildung. Mithin ist der Maler an einem möglichst
niedrigen Bindemittelbedarf eines Pigments interessiert, zumal dadurch oft die Tubenkonsistenz verbessert wird.
Konsistenzstabilität:
Um eine Farbpaste auf Tuben abfüllen zu können, muss sie eine bestimmte Konsistenz aufweisen. Sie darf nicht zu flüssig sein, muss sich
aber andererseits leicht aus der Tube drücken
lassen.
So gelingt es mühelos, mit Zinkweiss und
Mohnöl eine kurze, buttrige Farbe anzureiben,
was dem Anfänger mit Kremser-Weiss sehr
schwer fällt.
Bisweilen werden irgendwelche Zusätze wie
Wachssalbe, Aluminiumstearat u. a. benutzt,
um die unterschiedliche konsistenzbestimmende Eigenschaft der Pigmente auszugleichen, so
ungern man sich auch solcher Hilfsmittel bedient.
Farbvermögen:
Zwei völlig gleich aussehende Pigmente können in ihrem Färbvermögen grundverschieden
sein. Das hängt nicht etwa immer von Verschnitten ab, sondern auch von der Teilchengrösse der Farbpartikel oder von der Verarbeitungsart beim Anreiben.
Es ist unmöglich, eine fertige Farbe lediglich
nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Aber viele
Maler tun das gewöhnlich. Erst in Ausmischproben mit Weiss wird die Färbekraft eines Pigments erkannt.
Deckvermögen:
In engster Verbindung mit der Ausgiebigkeit
steht das Deckvermögen einer Farbe. Dieses ist
von der Struktur der Pigmentteilchen wesent-
MATERIALIEN
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lich abhängig. Echtes Neapelgelb (Bleiantimoniat) deckt z. B. besser als eine gleich aussehende Mischfarbe aus Kadmiumgelb und Zinkweiss. Ein tonreicher Ocker zeigt höhere Deckfähigkeit als ein kalkreicher. Ein ähnliches Eisenhydroxyd, die silikathaltige Sienaerde, deckt
weniger. Grüne Erde ist für ein ausgeprägtes
geringes Deckvermögen bekannt. Natürlich
hängt das Deckvermögen einer Farbein hohem
Grade auch vom verwendeten Bindemittel ab.
Leimfarbe deckt prinzipiell besser als Ölfarbe.
Deshalb wählt man in der Praxis für den gewünschten Farbton verschiedenartige Pigmentsorten und unterscheidet somit z. B. einen
«Leim-Ocker» von einem «Öl-Ocker». Pigmente
wie Englischrot ändern nicht nur ihre Deckkraft
in verschiedenartigen Emulsionen, sondern ihre
Farbnuancen, eine physikalische Angelegenheit im Zusammenhang mit der Teilchengrösse
und der Verteilbarkeit. Vom Schwarz verlangt
der Maler in normalen Fällen hohes Deckvermögen (dgl. Tusche!). Bei Weiss kann die Forderung schon recht verschieden sein. Die Alten
Meister wussten zwischen deckkräftigem Weiss
und lasierendem Weiss sehr genau zu unterscheiden. Bei Krapplack, Pariser Blau, Chromoxydhydratgrün, Ultramarinblau, Indischgelb
(bzw. Indischgelb-Ersatz) und anderen interessiert das Deckvermögen gar nicht. Das gilt
grundsätzlich für alle «Lasurfarben».
Lasierfähigkeit:
Unter «Lasur» versteht man eine Farbschicht,
die so dünn aufgetragen oder so pigmentarm
ist, dass das auftretende Licht durch sie hindurchgeht wie durch farbiges Glas oder wie
durch eine keramische Glasur und erst von darunterliegenden Schichten reflektiert wird. Das
heisst praktisch, dass tieferliegende Malgrundoder Farbschichten durch eine Lasurfarbe noch
hindurchwirken. Es gibt ausgesprochene Lasurtechniken wie Aquarellmalerei oder dünne Ölmalerei über Untermalungen. Beim Farbenmischen lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Wege beschreiten: In einem Falle werden
zwei oder mehrere Mischkomponenten miteinander vermengt. Nur das Mikroskop vermag
dann noch, die winzigen verschiedenfarbigen
Teilchen nebeneinander oder, genauer gesagt,
durcheinandergewürfelt zu zeigen. Dem Auge
erscheint ein neu erstandener Farbton, aus
Gelb und Blau z. B. Grün. Legt man dagegen
über einen gelben Anstrich eine blaue Lasurfarbe, so entsteht zwar ebenfalls Grün, jedoch
von einer ganz anderen Wirkung als die mit
gleichen Pigmenten auf der Palette ermischte
Farbe. Es handelt sich dabei um subtraktives Mischen. Gewisse Pigmente wie Krapplack, Ultramarinblau, Chromoxidhydratgrün u. a. zeigen
infolge ihrer kristallinen Struktur von sich aus
erhöhte Transparenz. Deshalb nennt man sie
«Lasurfarben». Es wäre exakter, sie als „Lasurpigmente» zu bezeichnen. Allerdings können
auch Deckfarben, wie oben beschrieben, lasierend gebraucht werden, nämlich dann, wenn
man sie reichlich mit Bindemitteln versetzt, dass
zwischen den einzelnen Deckfarbenteilchen
der Untergrund noch durchzuschimmern vermag. So schätzt man in einem Falle das Deckvermögen, im andern die Lasierfähigkeit eines
Pigments bzw. eines Farbauftrags.
Trockenwirkung auf fette Öle:
Manche Pigmente, wie Blei-, Kobalt- und Manganverbindungen, wirken auf fette, oxydierbare Öle als Katalysatoren beim Trockenvorgang.
Auch Pariser Blau, ein Ferriferrocyanid, beschleunigt das Trocknen, während Farben wie
Zinkweiss, Zinnober u. a. den Trockenvorgang
verzögern. Der Maler muss das berücksichtigen,
wenn er lange nass-in-nass malen möchte, und
ist dann gezwungen, Pigmente mit starker
Trockenwirkung nach Möglichkeit durch andere zu ersetzen, während es anderseits Fälle gibt,
wo ein rasches trocknen angestrebt wird. In
Emulsionen spielt diese Erscheinung keine
merkbare Rolle.
BINDEMITTEL FÜR ÖLMALEREI
Leinöl als Bindemittel für Ölfarben: Leinöl ist
das am raschesten trocknende fette Öl. Es erhärtet unlöslich zu Linoxyn durch Sauerstoffaufnahme. Für künstlerische Zwecke gibt es
gute Spezialsorten, die weniger stark gilben.
Alle von Natur aus langsam trocknenden Pigmente werden damit angerieben. In Malmitteln sollten sie möglichst gar nicht oder nur
sparsam gebraucht werden, da ja die angeriebenen Farben bereits schon die zur Bindung
genügende Ölmenge enthalten und manchmal
sogar einen Überschuss, der sich bei längerem
Lagern in der Tube abscheidet. Gebleichte
Leinöle bestechen zunächst, vergilben jedoch
beim Altern genauso wie ungebleichte Ware,
deren leichtgelblichen Stich der Maler berücksichtigen kann.
MATERIALIEN
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Mohnöl als Bindestoff für Ölfarben:
Mohnöl ist heller und fetter als Leinöl wegen
seiner anderen chemischen Zusammensetzung.
Infolgedessen trocknet es langsamer als Leinöl,
und der getrocknete Ölfarbfilm erreicht nicht
den Härtegrad wie bei Leinöl. Das braucht in
keiner Weise ein Nachteil zu sein. Man muss das
nur in manchen Fällen beachten, worauf später
an den entsprechenden Stellen noch hingewiesen wird. Mohnöl gilbt weniger als Leinöl. Das
gilt jedoch nur für Öle weissblumiger Herkunft
und sogenannter «Vorlaufware». Man kann in
der Praxis Mohnöle antreffen, die gelber sind
als Leinöl und auch ebenso stark vergilben.
Beim Anreiben von Farben wählt man Mohnöl
oder Sonnenblumenöl für alle an sich rasch
trocknenden Pigmente, um die Trockenzeit aller Farben seiner Palette, soweit das angängig
ist, auszugleichen. In einem einzigen Fall
weicht allerdings der Fabrikant davon ab, ebenso wie der Maler, der sich seiner Farben selbst
anreibt. Das betrifft das Weiss, und zwar Zinkweiss ebenso wie Titanweiss. Obgleich Zinkoxyd und Titanoxyd keine Trocknende Wirkung
aif Öle ausüben, reibt man sie doch mit Mohnöl
an, um ein schönes reines weiss zu bekommen,
was bei Verwendung von Leinöl nicht so leicht
gelingt. Ausserdem schätzen viele Maler ein
Weiss, das auch in Ausmischungen die Farben
lange traktabel hält und das Anziehen verzögert. Im malmittel dient Mohnöl als Verzögerer
des Trockenvorgangs für diejenigen Fälle, wo
möglichst lange nass-in-nass gemalt werden
soll. Seit dem Impressionismus haben Mohnöle
und Mohnölfarben an Bedeutung gewonnen.
Nussöl als Bindestoff für Ölfarben:
Dass für Malzwecke als Nussöl nur Walnusskernöl in Frage kommt, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Es steht in allen seinen Eigenschaften zwischen Lein- und Mohnöl und ist
ein hervorragender Werkstoff, dessen Verwendung auf breiterer Grundlage lediglich der heute verhältnismässig hohe Preis im Wege steht.
Man trifft es seit dem zweiten Weltkrieg in
deutschen Fachgeschäften seltener als früher.
Doerner rühmt den «feinzeichnerischen» strich
von Nussöl, doch darf das auch für andere hochwertige Öle gelten, während es für Nussöl, sehr
von dessen Qualität und Alter abhängig, geradezu typisch ist. Nussöl ist das einzige fette Öl,
das der Maler ohne Spezialgeräte selbst herstellen kann. In Malmitteln wird es wie Leinoder Mohnöl gebraucht.
Sonnenblumenöl als Bindestoff für Ölfarben:
In Russland ist Sonnenblumenöl das Anreibemittel für Künstlerfarben. Es steht in seinen Eigenschaften zwischen Nuss- und Mohnöl. In
Mittel- und Westeuropa war es bisher nicht gebräuchlich, aber es hat neuerdings an Interesse
gewonnen, obgleich sich A. Eibner im Jahre
1922 skeptisch äusserte.
Weitere Mittel für die Ölmalerei sind:
Synthetische Öle als Bindemittel, Standöle als
Bindemittel, Sonneneingedickte Öle als Zusatzmittel, Ölfirnisse als Zusatzmittel, Terpentinöl
als Verdünnungsmittel, Testbenzin als Verdünnungsmittel, Sangajol als Verdünnungsmittel,
Petroleum als Verdünnungsmittel, Mastix als
Zusatzmittel, Dammar als Zusatzmittel, Venetianer Terpentin als natürliche Harzlösung, Strassburger Terpentin als Zusatzmittel, Kopale als
Zusatzmittel, Sikkative als Trockenbeschleuniger, Nelkenöl als Verzögerer, Bienenwachssalbe
als Zusatz etc.
REZEPTE FÜR MALMITTEL
Rezepte für schnelltrocknende Malmittel:
Rezept 1
• 1 Volumenteil Dammar-Terpentinöllösung
(1:3)
• 2 Volumenteile Terpentinöl, rektifiziert
Rezept 2
• 1 Volumenteil Venetianer-Terpentin
• 3–4 Volumenteile Terpentinöl rektifiziert (in mässig warmem Wasserbad
mischen!)
Rezepte für Malmittel mittlerer
Trockenzeit
Rezept 3
• 1 Volumenteil Leinöl
• 1 Volumenteil Dammar-Terpentinöllösung (1:3)
• 1 Volumenteil Terpentinöl rektifiziert
Rezept 4
• 1 Volumenteil Mohnöl
• 2 Volumenteile Dammar-Terpentinlösung
(1:3)
• 1 Volumenteil Terpentinöl rektifiziert
MATERIALIEN
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Rezepte für langsamtrocknende Malmittel
SCHLUSSÜBERZÜGE
Rezept 5
• 1 Volumenteil Mohnöl
• 1/2 Volumenteil Dammar-Testbenzinlösung
(1:3)
• 1 Volumenteil Testbenzin
Schlussbehandlung
Rezept 6
• 2 Volumenteile Mohnöl
• 1 Volumenteil Testbenzin
Zugaben kleinerer Mengen Bienenwachs-Terbentinölsalbe oder Bienenwachs-Testbenzinsalbe zu jedem der aufgeführten malmittel nimmt
dick aufgetragener Ölfarbe den unangenehmen speckigen Glanz, verzögert aber die
Trockenwirkung etwas.
GERÄTE FÜR ÖLMALEREI
• Palette
• Palettenstecker
• Pinsel und Malspachteln
• Malstock
• Staffelei
• Farbkasten
• Palettenkasten zur Unterbringung der
• Palette
• Malmittel und Reinigungskasten
• Pinselkasten
3 Faustregeln für Schlussfirnisse:
1. Der Firnis darf die Farbe des Bildes nicht anlösen!
2. Der Firnis darf weder vergilben noch reissen!
3. Der Firnis soll rasch trocknen! (Verstaubungsgefahr!)
Natürliche Harze als Überzug
• Hartharze (Kopale)
• Spritharze (spirituslösliche Hartharze)
• Weichharze
• Dammar
• Cellodammar
• Mastix
• Balsame
Kunstharze als Überzug
• AW2-Harz
• Polymethacrylate
Wachse als Überzugsmittel
Rezept für gehärtete Harz-Wachs-Firnisse:
• 5 Teile Bienenwachs
• 1 Teil Carnaubawachs
• 12 Teile Terpentinöl (oder Testbenzin)
MATERIALIEN
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3. Kapitel
KLEINSKALA
NORMALSKALA
STUDIENSKALA
Zinkweiss
Titanweiss
Kadmiumgelb, hellst
Lichter Ocker
Kadmiumrot, hellst
Aliz. Krapplack, dkl.
Gebr. Sienaerde
Pariserblau*
Kremserweiss
Zinkweiss
Titanweiss
Kadmiumgelb, hellst
Kadmiumgelb, mittel
Lichter Ocker
Kadmiumrot, hellst
Kadmiumrot, mittel
Aliz.-Krapplack, dkl.
Gebr. Sienaerde
Englischrot, hell
Caputmortum, viol.
Kobaltblau, dkl.
Ultramarinblau, dkl.
Pariserblau*
Chromoxidgrün
Chromoxidhydratgrün
Elfenbeinschwarz
Zinkweiss
Titanweiss
Echtgelb (Hansagelb)
Lichter Ocker
Permanentrot, hellst
Permanentrot, mittel
Aliz.-Krapplack, dkl.
Englischrot, hell
Gebr. Sienaerde
Ultramarinblau, hell
Ultramarinblau, dkl.
Echtgrün (Heliogengr.)
Heliogenblau
Oxidschwarz
FARBSKALEN
*) Dafür heute evtl. Heliogenblau
FARBSKALEN
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4. Kapitel
TECHNIKEN
DER
ÖLMALEREI
Die Ölmalerei ist seit dem 17. Jahrhundert die
am meisten gebräuchlichste Technik der Tafelmalerei. Trotzdem ist sie, geschichtlich gesehen,
eine relativ junge Technik und, künstlerisch betrachtet, ein verhältnismassig einfaches Malverfahren. Die Farben ändern im wesentlichen ihr
Aussehen zwischen dem nassen und trockenen
Zustand nicht. Sie ziehen nur langsam an und
gestatten einerseits ein längeres Ineinandermalen, andererseits infolge ihrer Deckfähigkeit
aber auch ein korrigieren und Übereinandermalen, sooft dem Maler beliebt, wenn er dabei
nur die gröbsten Faustregeln nicht ausser acht
lässt. Fehlgemischte Farbe kann man mit der
Spachtel noch tagelang wieder wegnehmen.
Fast jede Art von Untergrund, vom Papier bis zu
Glas und Metall, ist möglich, und klimatische
Einflüsse können ihr relativ wenig anhaben. Sogar Dilettanten vermögen damit ganz nette Bilder malen. Alle diese Eigenschaften haben der
Ölmalerei ein breites Anwendungsgebiet erobert. Die Malstile haben sich zwar im Laufe
der Jahrhunderte mehrfach geändert, aber die
üblichen Techniken der Ölmalerei sind im grossen und ganzen dieselben geblieben. Gelegentlich wird immer wieder versucht, die Ölfarbentechniken zu vergewaltigen. Tatsächlich bestehen unglaublich mannigfache Variationsmöglichkeiten vom Aquarellcharakter bis zur
Freskowirkung, von Pastelleffekten bis zu
Emaille. Trotzdem sollte man auch die Ölmalerei nur werkstoffgerecht anwenden und artfremde Effekte vermeiden!
Welche Nachteile der Ölmalerei liessen sich anführen? Rissbildungen können auch bei anderen Techniken vorkommen. Schrumpfungen
und demzufolge Runzelbildungen bei einzelnen Pigmenten sind dagegen nur der Ölfarbe
eigen, treten aber lediglich bei einem übertriebenen dicken Farbauftrag auf nichtsaugenden
Malgründen ein. Im Anfang der Ölmalerei wurde die lange Trockenzeit als störend empfunden, und auch heute noch bereitet das dem Anfänger Ungelegenheiten, da bereits gemalte
Stellen im Bilde zunächst noch berührungsempfindlich bleiben. Anderseits hat es sogar Maler
gegeben, und es gibt sie heute noch, die alle
möglichen illegalen Mittel und Massnahmen
anwenden, um die Trockenzeit möglichst lange
hinauszuschieben. Mithin bleibt als Nachteil
nur noch der Umstand anzuführen, dass alle
fetten Öle beim Trocken- und Alterungsprozess
Vergilbungstendenz zeigen. Man kann Ölgemälde antreffen, die fast ebenso verbräunt
sind wie alte Ikonen. Sogar ein Vergrauen kann
eintreten. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur
alle fetten oxydierbaren Öle mehr oder weniger vergilben, sondern dass die Mehrzahl der
Harze die gleiche peinliche Eigenschaft hat!
Trotz allem findet man Ölgemälde, welche bei
einem respektablen Alter doch einen recht guten Erhaltungszustand aufweisen. Mithin muss
es Möglichkeiten geben, die Vorteile der Ölmalerei auswerten zu können, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
FARBSKALEN
13
5. Kapitel
MALWEISEN
IN ÖLFARBENTECHNIKEN
PRIMAMALEREI
Der heute für das Arbeiten mit verschiedensten
Farbensystemen der Maltechnik gebrauchte
Ausdruck «Primamalerei» ist aus der Ölmalerei
entlehnt worden. Die Primamalerei hat auch
tatsächlich vor allem heute in der Ölmalerei einen überwiegenden Umfang angenommen. Sie
ist das einzige Malverfahren, welches ohne Umwege am schnellsten zum Ziele führt, wenn es
sich darum handelt, einen Naturausschnitt, einen Kopf, den Akt und das Tier studienhalber
rasch zu erfassen oder abstrahierend zur Darstellung zu bringen oder auch innerlich Geschautem farbig Gestalt zu geben oder schliesslich den Farben an sich ohne Bindung an Formen absoluten Ausdruckswert zu verschaffen.
REINE PRIMAMALWEISE
Die reine Primamalerei ist die schwierigste Ausdrucksform beim Arbeiten vor der Natur in naturalistischer oder mehr impressionistischer Art
oder auch zum Zwecke eines raschen Notierens
einer malerischen Erfindung.
Beim Malen von Studien in der Landschaft gibt
es wiederum zwei grundverschiedene Wege.
Erste Möglichkeit: man malt vom Hintergrund
zum Vordergrund. Das bedeutet in den meisten
Fällen, dass man wie beim Schreiben links oben
beginnt und sich beinahe zeilenweise nach
rechts bewegt. Gewöhnlich wird es also der
Himmel sein, bei dem man anfängt, mithin bei
den hellsten saubersten Farbtönungen, zu einem Zeitpunkt, wo die Mischfläche der Palette
noch nicht verschmutzt ist. Man kann aber
auch, und das wird vorwiegend bei Stilleben
der Fall sein, von einem Gegenstand ausgehen,
wird aber in jedem Falle, gemäss der «prima vista», jede Bildstelle möglichst gleich fertigmalen. Um aber einen wichtigen Ton beurteilen zu
können, ist es unerlässlich, gleichzeitig auch die
unmittelbaren Nachbartöne sofort mit einzusetzen, denn ein Ton bestimmt den anderen in
seinem Wert. Erst wenn die umstehenden Farbpartien mit eingesetzt sind, vermag man „Fertigmalen» des ursprünglich behandelten Bildgegenstandes zurückzukehren, wobei man
noch bequem nass hinein malen kann. Man
mischt sogar nicht nur auf der Palette, sondern
nochmals auf der Malfläche selbst. Hat man auf
diese Weise in raschem Arbeitstempo, was allergrösste Konzentration erfordert, einen eini-
germassen geschlossenen Bildeindruck erreicht,
so kann man dann zu verbindenden Feinheiten
übergehen oder nötige Details einsetzen. Unterdessen ist auch auf der Palette eine Art Malerei entstanden, zwar gegenstandslos, aber in
den Farbharmonien des Bildes selbst. Dadurch
ist es leichter, die weiterhin benötigten Farbtönungen ziemlich genau auf der Palette vorzumischen. Auf diesem Wege tastet man sich allmählich dem Endresultat entgegen.
Eine zweite Möglichkeit wäre folgende: Man
richtet sich nicht nach den dargestellten Gegenständen, sondern man geht, einem alten
impressionistischen Prinzip folgend, zunächst
von grossen Mitteltönen aus und führt in allmählicher Steigerung sowohl nach den hellen
Stellen hin wie in Richtung der Schatten seine
Malerei weiter. Man übersät sozusagen die
ganze Bildfläche mit Farbklecksen, die man
nass-in-nass allmählich immer differenzierender zusammenzieht. Höchste prägnante
Drucker spart man sich bis zuletzt auf, wie man
bekanntlich höchste Trümpfe nicht vorzeitig
ausspielt. Man stimmt so Valeurs gegen Valeurs.
Bei beiden Möglichkeiten geht man nach folgenden Gesichtspunkten vor. Entweder malt
man vom Hellen ins Dunkle. Das ist für den Anfänger das rationellste zur Vermeidung einer
vorzeitigen Verschmutzung seiner Mischfläche,
wenn man sich nicht, wie oben beschrieben,
von Mitteltönen aus nach beiden Richtungen
Hell und Dunkel bewegt. Gleichzeitig beachtet
man das ständige Abwägen seiner Valeurs in
Richtung Kalt und Warm.
Eine grosse Erleichterung bedeutet es, auf einer
Palette neben jedem Farbton vor Beginn der
Arbeit je eine Weissausmischung aufzusetzen
oder eventuell sogar Abstufungen davon. Das
spart Zeit und lenkt einen während der höchsten Konzentration nicht durch zeitraubendes
Vormischen grösserer Farbpartien ab.
Eine in impressionistischer Zeit kultivierte Malweise geht so vor, dass man mit einem und
demselben Pinsel zunächst in eine vorgemischte warm gehaltene Farbe stippt, unmittelbar
darauf mit dem Pinsel auf die betreffenden
Bildstellen aufsetzt. Durch ein einmaliges Zurseiteschieben wird die endgültige Mischung
erst auf der Malfläche erwirkt. Solche zunächst
unvollständigen Mischungen wirken ungemein
lebendig, erfordert allerdings eine gewisse
Routine.
Für die Pinselbewegungen gibt es 4 grundlegende Variationen: Entweder streicht man die
MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN
14
Farbe lang aus, oder man setzt sie kurz auf.
Drittens: Man scheuert in kurzen Bewegungen,
senkrecht, waagrecht oder diagonal je nachdem es die Form des Gegenstandes verlangt.
Schliesslich kann man viertens auch mit einem
Pinsel, der bereits auf der Palette gut ausgestrichen ist und nur noch wenig Farbe enthält, diese auf das Bild leicht «aufschummern». Auch in
technischer Hinsicht gibt es zahlreiche Stile und
Richtungen, die alle mehr oder weniger der
Mode unterworfen sind. Streichen, Stupfen,
Vertreiben, Pointillieren sind alles Pinseltechniken, die in ihrer Gesamtwirkung die sogenannte Pinselhandschrift eines Malers ergeben.
SYSTEMATISCHE
SCHICHTENMALEREI
Zwischen verschiedenen Malweisen kann man
trotz ihrer individuellen Handhabung durch
Künstler sehr unterschiedlicher Temperamente
recht gut systematische Differenzierungen erkennen, doch ist es nicht immer leicht, ganz klar
zu klassifizieren. Wenn also ein Maler auf reine
«Primamalweise» abzielt, die der Engländer so
treffend «direct-painting» nennt, so gelingt das
oftmals an mehreren Bildstellen nicht auf Anhieb. Es muss also manchmal notgedrungen
eine zweite korrigierende Schicht folgen. Anders verhält es sich, wenn von vornherein mit
Überarbeitungen der ersten Anlage oder darauffolgender Untermalungen gerechnet wird.
Dann handelt es sich beim Übermalen nicht um
Korrektur, sondern um ein ganz systematisches
Vorgehen im Bildaufbau.
Das entspricht nicht etwa nur der Malweise Alter Meister, sondern ist trotz unterschiedlichster Stilrichtungen niemals gänzlich aus der
Maltechnik verschwunden.
LASURMALEREI ÜBER GRISAILLIEUNTERMALUNG
Die einfachste Methode einer Arbeitsteilung
von Form- und Farbgebung ist die Lasurmalerei
mit Ölfarben über einer neutralen Temperauntermalung grau in grau.
Das Lasieren mit Ölfarben und Harzmalmitteln
geschieht ungefähr in der Weise, wie eine
Schwarzweissphotographie koloriert wird, nur
mit dem Unterschied, dass man in der Grisailleuntermalung einen kompakten Weisskern vor
sich hat, der an Höchsten Lichtstellen bis beinahe beliebig starker Pastosität gesteigert werden kann und somit der gesamten Malerei gewisse stoffliche Reize zu geben vermag. Es ist
zunächst gar nicht nötig, darüber zu malen.
Schon beim Einreiben lokaler Farbtöne mit dem
Finger entsteht wie von selbst eine körperhafte
räumliche Wirkung. Alle Formmodellierung
schimmert von der Untermalung her durch und
bricht in allen ihren Schattierungsabstufungen
die gesättigt aufgetragenen Lokalfarben. Vollkommen falsch wäre es, diese mit zu reichlich
Malmittel aufzutragen, ein immer zu beobachtender Anfängerfehler! Eine dünne ärmliche
Wirkung einerseits und eine Versossung andererseits, bei der leicht ein harter, speckiger
Glanz entsteht, wären die Folge. Eine Lasurmalerei darf sich keineswegs in blossen Lasuren erschöpfen, sondern muss, wo es nötig erscheint,
in eine halbdeckende Malweise übergehen.
Dadurch werden durch halbdeckenden Farbauftrag verschleiert und dadurch in ihrer Härte gemildert. Wenn Doerner sagt, dass sich eine
Grisaille-Untermalung in hellen Graustufen bewegen müsse, dass also das ganze Bild zunächst
aussehen soll «wie durch einen Nebel gesehen», so ist damit nur eine Möglichkeit beschrieben, die aber leicht zu Flauheit und Kontrastlosigkeit verführt und die Gefahr in sich
birgt, dass schliesslich der Maler mit kräftigen
Deckfarben die nötigen Kontraste nachträglich
zurückzugewinnen sucht. Das aber ist gerade
nicht der Sinn einer Lasurmalerei. Deckt man
seine Untermalung zu stark zu, so ist die gesamte Mühe der Vorarbeit der Temperaschicht
vergebens und die ganze Malweise dieser Art
ein sinnloser Umweg. Hat man versehentlich
Lichter oder helle Bildpartien zu stark mit Ölfarbe gedeckt, so wäre es nicht sinnvoll, diese
Stellen durch Verwendung von Ölfarbenweiss
wieder aufzuhellen. Statt dessen nimmt man einen Lappen und ein wenig Harzmittel und
tupft oder wäscht die Ölfarbe wieder heraus,
bis der Temperakern erneut zum Vorschein
kommt. Gerade dadurch ergeben sich stoffliche
Reize, die auf andere Weise nicht zu erreichen
sind. Während dem Weiss in der üblichen, vorwiegend deckenden Ölmalerei, wie schon oft
betont, eine hervorgehobene Rolle zukommt,
sollte man in der Lasurmalerei möglichst ganz
ohne Ölfarbenweiss auskommen. Man braucht
es höchstens dazu, notfalls eine Lasurfarbe damit ein wenig zu vermilchen. Alle Helligkeiten
im Bild sollen von der Untermalung her durch-
MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN
15
wirken! Gar nicht selten werden veraltete Methoden vollkommen neu ausgewertet.
ÖLMALEREI AUF ÖLUNTERMALUNG
Eine schichtenweise aufgebaute Ölmalerei ist
natürlich auch auf Ölfarbenuntermalung
möglich. Fast alle Malstile bis zurück ins 18.
Jahrhundert haben sich dieser Technik bedient. Anfangs schätzte man noch braune Untermalungen oder graubraune Grundharmonien, die lange Zeit typisch für die französische
Ateliermalung blieb, bis der Pleinairismus die
Malerei von den braunen Grundtönen erlöste
und die gesamte Palette aufhellte. Derartige
monochrome Öluntermalungen bargen grosse
Gefahren in sich. Ölfarbe braucht nun einmal
Zeit für einen bestimmten Trockenprozess, bis
untere Farbschichten gefahrlos übermalt werden können, d. h., ohne dass Rissbildungen
eintreten. Oft fiel es aber den Malern bei
ihrem Schaffensdrang schwer, diese Trockenzeit einzuhalten. Wüste Rissbildungen, wie sie
geradezu typisch für jene Zeit sind, waren die
unausbleibliche Folge. Adolph von Menzel
(1815–1905) hat leider dafür sehr anschauliche
Schulbeispiele geliefert. Es ist besonders
schmerzlich, dass auch die grossformatigen
Frühwerke von Max Liebermann (1847–1935)
gleiche Erscheinungen zeigen. Ausserdem sind
Malereien mit solchen braunen Untermalungen auffallend stark nachgedunkelt. Kamen
dabei noch ungeeignete Malmittelzusätze zur
Verarbeitung, die auf untere Schichten lösend
einwirkten, so wurde das Übel um so grösser.
Eine katastrophale Situation trat aber erst ein,
als Asphalt für diese braunen Untermalungen
benutzt wurde, der an sich infolge seiner
unerhört feinen Verteilbarkeit zur Untermalung verführte. Es wurde damit förmlich getuscht, wie bei einer Spezialzeichnung. Risse,
mehrere Millimeter breit, waren die Folge.
Als man endlich jene düsteren Öluntermalungen verlassen hatte, war trotzdem bei einem
schichtenweisen Bildaufbau ein Anlegen in
mehreren Untermalungsfarben üblich. Nicht
jeder Maler wusste, dass er seine Untermalungsfarbe magerer, d. h. ölärmer halten musste. Vielmehr war ein unbedenklicher Gebrauch von Sikkativen in Übung, weil man damit die Zwischentrockenzeiten wenigstens etwas abkürzen konnte. Der maltechnisch erfahrene Künstler jener Zeiten, der seine Malerei wenigstens nach den Grundregeln eines
einfachen Ölfarbenanstriches aufbaute und
der gewöhnlich gleichzeitig an mehreren Bildern malte, um auch die Zwischentrockenzeiten gewissenhaft einhalten zu können, kam
tatsächlich häufig zu einwandfreien Ergebnissen. Aber im Grunde genommen war jene Zeit,
vom künstlerisch-handwerklichen Standpunkt
aus betrachtet, keine gesunde Epoche der
Maltechnik. Es lassen sich viele traurige Beispiele anführen, die um so schmerzlicher
berühren, je höher der Künstler zu bewerten
ist. Eine ganze Sammlung solcher unbeabsichtigter Beispiele birgt die Schackgalerie in
München. Man kannte noch keine Dispersionsfarben.
MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN
16
6. Kapitel
DAS
AUFZEICHNEN
Die Gepflogenheiten der Künstler beim Vorzeichnen für eine Malerei sind viel unterschiedlicher, als man zunächst annimmt. Während der
eine nach mehreren vorausgegangenen Entwurfskizzen oder Naturstudien erst eine gut
durchgeführte Zeichnung schafft, die er eventuell nach altmeisterlichem Brauch des 15. und
16 Jahrhunderts sorgfältig auf seine feingeschliffene Malfläche aufpaust, genügen dem
anderen wenig flott hingesetzte Kohlestriche.
Ein Dritter verzichtet überhaupt auf eine Vorzeichnung, sondern entwirft sofort mit Pinsel
und Farbe spontan wenige Konturen monochrom oder mehrfarbig.
Die Kunstauffassungen und Malstile unserer
Zeit sind so differenziert, dass sich heute
schwerlich bestimmte Arbeitsregeln vorschreiben lassen.
DAS AUFZEICHNEN
17
7. Kapitel
MALSTILE
BERÜHMTER
MALER
Beispiel: Sandro Botticelli, (1444(?)–1510)
DIE REINAISSANCE IN ITALIEN
Weshalb treten um 1500 im Laufe von 50 Jahren in Italien so grosse Maler auf?
Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael, Tizian und viele andere sahen sich damals von
geistlichen wie weltlichen Herren eifrigst umworben. Überhaupt ehrte man Künstler mehr
als andere Sterbliche. Drei Jahrhunderte zuvor
hatte sich ein erstaunlicher Wandel angebahnt,
als die Städte zu wachsen begannen und Bürger
und Kaufleute ihren Aufstieg nahmen. Die
grossen Dome wurden zwischen dem 13. und
dem 16. Jahrhundert gebaut: Die Malerei war
anfangs noch ganz an die religiösen Themen
gebunden, diente zur Ausschmückung der Kirchen und war demgemäss vorwiegend flächig.
Mit Giotto, dem ersten Maler, der schon zu seinen Lebzeiten berühmt wurde, beginnt die
Wiedergabe des Räumlichen, der Perspektive
und des Lichtes. Zugleich fingen die Künstler
ihre Umwelt zu schildern an – schöne Frauen,
edle Ritter, Wälder, Paläste, Festlichkeiten und
Schlachten.
Die glücklichen Erben dieser Neugeburt wissenschaftlicher Erkenntnis nach dem «dunklen»
Mittelalter waren dann die genialen Maler der
Hochrenaissance. Und was sie schufen, waren
Wunderwerke, wie die Welt sie damals wieder
hervorgebracht hat: Die geheimnisvollen Gestalten Leonardos, Michelangelos dramatischmonumentale Körperkompositionen. Raffaels
göttliche Schönheit und die Farben- und Lichtmirakel Tizians.
MALSTILE BERÜHMTER MALER
18
Beispiel: Albrecht Dürer,
(1471–1528)
MEISTER IM NORDEN
In den Ländern nördlich der Alpen blieben die
in Italien gemachten Entdeckungen nicht lange
unbekannt: Eine wichtige Rolle als Vermittler
spielten die Maler Böhmens. Steht der nordwestdeutsche Meister Bertram fast noch ganz
auf Goldgrund der Überlieferung, so tritt uns
aus den Bildern der niederländischen Brüder
van Eyck schon eine neue, überaus lebendige
Welt entgegen. Frühzeitig, an der Wende vom
14. zum 15. Jahrhunderts, werden die Extreme
deutlich, zwischen denen Deutsche und Niederländer sich stets zu bewegen scheinen: Grelle
Heftigkeit und stille Andacht. Der Alemanne
Konrad Witz bezieht in seinen frommen Schilderungen schon die Landschaft und das Stillebenein; alles Ungebärdige bändigt in Flandern
Hans Memling auf seinen Portraits. Hieronymus
Bosch dagegen stellt mit unheimlichem Realis-
mus die Dämonen der mittelalterlichen Glaubenswelt und die tiefgründige Allegorien des
Christentums dar.
Auf dem Gipfel der Malkunst dieser Epoche stehen in Deutschland einerseits der rätselhafte
Meister Grünewald, der sich mit ekstatischer Inbrunst in die Heilsgeschichte versenkte, und andererseits Dürer, der mit dem Eifer eines Wissenschaftlers die neuen Massstäbe und Darstellungsmittel erforschte. Altdorfer schuf die ersten reinen Landschaftsbilder der europäischen
Kunst. Die Bildnisse, die Holbein d. J. von grossen Herren und Damen malte, sind von mehr als
photographischer Treue: er spürte der inneren
Natur der Dargestellten nach. Im Gegensatz zu
ihm machte der Niederländer Bruegel die bunte Vielfalt des bäuerlichen Daseins als erster
zum Hauptgegenstand seiner Arbeit. Beide
Künstler weisen über ihre Zeit hinaus auf einen
künftigen Realismus.
MALSTILE BERÜHMTER MALER
19
Beispiel: Rembrandt
Harmensz van Rijn,
(1606–1669)
Mann mit Goldhelm
GROSSE EINSAME
Mit dem Barock beginnen in der Kunst zwei
Verhaltensweisen sich deutlicher zu zeigen: die
des weltoffenen Menschen, der als Maler die
Gegenwart nutzt und geniesst, und die des mit
sich selbst und seinem Schicksal als Künstler
Ringenden. Der Grieche El Greco verpflanzte
den Stil der grossen Form von Italien nach Spanien: seine visionären Gestalten sind unverwechselbar geblieben. Dramatik der Beleuchtung und der Gebärden kennzeichnen den Italiener Caravaggio. Aus dem Süden, wo er vor
allem von Tizian gelernt hatte, brachte der
Flame Rubens den Überschwang barocker Formen- und Farbensprache nach Antwerpen.
In Spanien malte Velazquez eine Fülle grossar-
tiger Portraits von Herrschern und Hofleuten,
während sich Frans Hals in den Niederlanden
schon mit überraschend naturalistischen Kunstmitteln seiner bürgerlichen Umwelt bemächtigte. Auf dem Höhepunkt dieser Zeit sehen
wir einen Einsamen: Rembrandt, der als Individualist alle Freuden und Leiden des Menschen
erlebte und in seinem Werk zu bannen suchte.
Eine andere, nicht minder vollendete Art, der
Wirklichkeit Herr zu werden, offenbart sich uns
in den Gemälden Jan Vermeers. Romantisches
Licht scheint über Lorrains Landschaften gebreitet: die Silbertöne Watteaus umspielen die
Gesellschaft des Rokoko-Zeitalters – dessen
Ausgang in Spanien noch einmal Goya verherrlicht, ehe er zum Künder bitterer Wahrheiten wird.
MALSTILE BERüHMTER MALER
20
ENGLISCHES ZWISCHENSPIEL
Während sich die Aristokraten noch immer,
wenn es Kunstwerke zu erwerben galt, gleichsam selbstverständlich nach Italien zu wenden
pflegte, weil das Einheimische unzulänglich
war, schilderte in London der Maler Hogarth
bereits 1735 als geistreicher Sozialkritiker das
blutvolle, wenn auch oft rohe Leben seiner
Vaterstadt. Nach ihm vergingen jedoch abermals Jahrzehnte, ehe es einem Engländer gelang, sich als Porträtist einen anerkannten
Platz zu schaffen: Reynolds. Er sah in Gainsborough bald einen Nebenbuhler in seinem
Revier, der der wachsenden Nachfrage nach
«vorteilhaften» Porträts nur widerstrebend
nachkam: für seine Landschaften fand er keine Käufer. Was auf diesem Gebiet damals
geleistet worden ist, hat die europäische Malerei stark beeinflusst. Ohne Constables Wahrheitsliebe gegenüber den Phänomenen der
Natur, ohne Turners weit seiner Zeit vorauseilende, eigentlich schon ganz subjektivistisch
empfundene Lichtwirbel wäre die Entwicklung der Kunst im vorigen Jahrhundert sicherlich anders verlaufen: Realismus und Impressionismus – der Sinn für die Wirklichkeit der
Erscheinung und die Hingabe an ihr flüchtiges
Bild – sind aus diesen Quellen wesentlich gespeist worden.
Beispiel: William Turner, (1775–1851)
Der Schiffbruch
MALSTILE BERÜHMTER MALER
21
Beispiel:
Jean-Dominique Ingres,
(1780–1867)
VERGESTIGUNG DER AUGENLUST
Am Vorabend der Französischen Revolution
standen «die Alten», die Künstler der Antike
und der Renaissance, in unvermindert hohem
Ansehen, und Italien blieb weiterhin trotz der
Wandlungen des politischen Bewusstseins das
Land, in dem Maler und Bildhauer aller Nationen zur Schule gingen. Ingres, der französische
Klassizist, verkörperte diese alte Ordnung noch
einmal, ehe Romantiker wie Delacroix energisch zu neuen Ufern aufbrachen.
In Deutschland bahnte sich zunächst eine andere Entwicklung an: C. D. Friedrich schuf mit
klassischen Mitteln vergeistigte Landschaften,
während Runge den sich ruhenden Menschen
seiner einfachen Welt Grösse verlieh. Und dann
bricht eine Epoche an, in der Paris, wie einst Florenz und Rom, zum Mittelpunkt der Malerei
wird. Die Photographie kommt auf und macht
langsam der bloss dokumentarischen Porträtkunst den Garaus: die Künstler, durch die be-
ginnende Industrialisierung bereits ihrer bürgerlichen Umgebung entfremdet, werden zu
ärgerniserregenden Bohemiens. Courbet spottet aller Konventionen, stellt in einem Schuppen aus und ruft seine Malerkollegen auf, im
Freien arbeitend, der Natur ins Angesicht zu
schauen: Manet entsetzt das Publikum durch
ungewohnte Farben und Themen. Degas und
Whistler lassen sich von japanischen Prinzipien
des Bildaufbaus inspirieren. Im Jahre 1874 gibt
ein Bild Monets einer ganzen Stilrichtung den
Namen Impressionismus. In Deutschland zeigten sich bei Menzel und Leibl nicht nur französische Einflüsse, sondern auch dem Realismus
verwandte Auffassung von der Welt des Sichtbaren, während Liebermann einen eigenen impressionistischen Stil entwickelte. Die Welt hatte sich in einem anderen, neuen Licht sehen
gelernt. Mit Renoir sei der Überblick beschlossen: in den Werken dieser Maler ist die Lust der
Augen zum Thema eines Preisliedes auf der
Schöpfung geworden.
MALSTILE BERÜHMTER MALER
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Beispiel: Vincent van Gogh, (1853–1890), Die Ernte
DIE QUELLE
IMPRESSIUNISMUS
In Anlehnung an den Pleinairismus der Schule
von Barbizon (Rousseau, Dupré, Daubigny) und
an die flüssige Malweise von Camille Corot
(1796 bis 1875) haben die Impressionisten ihre
Kunst auf das reine Sehen gestützt. Das Bild
sollte nicht mehr im Atelier, sondern im direkten Kontakt mit dem Motiv entstehen, die Natur nicht als entfremdete Kulisse, sondern als
«unendliche Vielfalt ständig wechselnder Farblicht-Phänomene» (W. Hess) dargestellt werden. Dies war ein bedeutender Schritt zur Befreiung der Malerei von den Inhalten, die sie
bisher begleitet und belastet hatten. Die Historisierenden und religiösen Themen, die idealisierenden Allergorien und konstruierten Atelierszenen, wie sie die damalige offizielle Malerei kannte, wurden aus den impressionistischen
Bildern verbannt.
MALSTILE BERÜHMTER MALER
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NEOIMPRESSIONISMUS
Beispiel: Paul Signac,
(1863–1935)
Porträt Félix Fénéon, 1890
EXPRESSIONISMUS
Beispiel: Edvard Munch,
(1863–1944)
Die Asche, 1894
MALSTILE BERÜHMTER MALER
24
KUBISMUS
Beispiel: Juan Gris, (1887–1907)
Stilleben mit Früchteschale
und Mandoline
SURREALISMUS
Beispiel: Salvador Dali,
(1904–1989)
Moment des Übergangs
MALSTILE BERÜHMTER MALER
25
KONKRETE KUNST
Beispiel: Max Bill, (1908–1994)
Achtteiliger Rhythmus
GEOMETRISCHE
ABSTRAKTIONEN
Beispiel: Victor Vasarely,
(1908–1974)
Variante Belatrix-C
MALSTILE BERÜHMTER MALER
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