malstile berühmter maler - art-of
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malstile berühmter maler - art-of
SEMINAR FÜR ÖLMALEREI Martin Baumann, Überlandstrasse 247, 8600 Dübendorf, Schweiz Telefon: 077 432 47 27, E-mail: [email protected] www.art-of-martin.ch SEMINARABLAUF 1. Tag Grundieren der Malflächen, Theorie in Maltechnik, Malstile und Materialien 2. Tag Grundieren der Malflächen mit Ölfarben, üben der Pinseltechnik 3. Tag Motivsuche, mitgebrachte Vorlagen, Gegenstände, Landschaften etc. abzeichnen. 4. Tag Der freien Experimente, Themen verwirklichen. 5. Tag 1. eigenes Bild malen, mit Unterstützung des Seminarleiters. THEMEN 1. Kapitel Theorie der Ölmalerei MALTECHNIK HEUTE NOCH NOTWENDIG? MALTECHNIK ALS BEGRIFF DIE GRUNDELEMENTE DER MALTECHNIK DIE 3 GRUNDFAKTOREN ZUR FRAGE DER SCHLUSSBEHANDLUNG 2. Kapitel Materialien GRUNDIERMATERIALIEN FARBEN BINDEMITTEL FÜR ÖLMALEREI REZEPTE FÜR MALMITTEL GERÄTE FÜR ÖLMALEREI SCHLUSSÜBERZÜGE 3. Kapitel Farbskalen KLEINSKALA, NORMALSKALA, STUDIENSKALA 4. Kapitel Techniken der Ölmalerei 5. Kapitel Malweisen in Ölfarben PRIMAMALEREI REINE PRIMAMALWEISE SYSTEMATISCHE SCHICHTENMALEREI LASURMALEREI ÜBER GRISAILLIE-UNTERMALUNG ÖLMALEREI AUF ÖLUNTERMALUNG 6. Kapitel Das Aufzeichnen 7. Kapitel Malstile berühmter Maler DIE RENAISSANCE IN ITALIEN MEISTER IM NORDEN GROSSE EINSAME ENGLISCHES ZWISCHENSPIEL VERGESTIGUNG DER AUGENLUST DIE QUELLE IMPRESSIUNISMUS NEOIMPRESSIONISMUS, EXPRESSIONISMUS KUBISMUS, SURREALISMUS KONKRETE KUNST, GEOMETRISCHE ABSTRAKTIONEN Seite 5–6 5 5 5 6 6 7–11 7 7 9 10 11 11 12 12 13 14–16 14 14 15 15 16 17 18–26 18 19 20 21 22 23 24 25 26 1. Kapitel THEORIE DER ÖLMALEREI MALTECHNIK HEUTE NOCH NOTWENDIG? Wirklich ernsthaftes Interesse findet man nur bei einem verhältnismässig kleinen Kreis von Studierenden. Maltechnik wird oft falsch verstanden. Zwischen Unachtsamkeit und übergrosser Ängstlichkeit führt immerhin noch ein gangbarer Weg. Man verdächtigt den handwerklichen Könner einer äusserlichen Mache, einer Perfektion, von der man sich ängstlich distanziert. Heute gibt es neue interessante Materialien, der Maler stellt seine Farben im allgemeinen nicht mehr selber her. Wichtig ist besonders die Grundierung. Ich lasse sogar manchmal den Grund stehen. Oft arbeite ich länger an der Grundierung als an dem, was darauf kommt. Man holt eben viel aus dem Grund heraus, was die Malerei lebendig macht, wo das Auge gewissermassen eine Addition von Wirkung sieht. Ich verwende z. B. deckende Farben am Anfang und lasiere darüber, oder ich verwende zuerst Lasuren und decke darauf, oder ich lasiere nur partiell, oder decke partiell. Das wechselt bei mir immer. Manches erzielt man durch zahlreiche Manipulationen. Manchmal schleife ich sogar Schichten teilweise wieder ab, damit der Ton herauskommt, der mir angenehm ist. Schon deshalb ist die Bearbeitung des Grundes eine ausserordentliche Sache. MALTECHNIK ALS BEGRIFF Man versteht heute unter «Maltechnik» korrekterweise die Technologie des Malmaterials, also dessen Art und Verarbeitung nach handwerklichen und gleichzeitig nach künstlerischen Grundsätzen. Ein Kunstwerk nicht ausschliesslich oder überwiegend nach dem Eindruck zu bewerten, den es auf den Besucher ausübt, sondern in hohem Masse auch nach der Gediegenheit der Herstellung, also nach dem Grad der handwerklichen Leistung des Künstlers, ist im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten augenblicklich nicht mehr üblich, ja in vielen Kreisen sogar verpönt. Ein unbestreitbar handwerklicher Verfall ist, wie gesagt, charakterisiert durch die bereits erwähnte zunehmende Sorglosigkeit in Wahl und Anwendung der Werkstoffe. Eine neuzeitliche Kunst mit einem ernsten Willen zu wirklichem Fortschritt versucht, aus dem bewährten Wissen der Alten Meister zu lernen und unter Ausnutzung unserer jetzigen industriellen Möglichkeiten die alten wertvollen, technischen Erfahrungen zu benutzen und für unsere modernen Erfordernisse umzuwerten. Etliche Surrealisten tun das. Dazu ist es aber eben unerlässlich, sich einmal systematisch mit den technologischen Grundlagen vertraut zu machen, um tatsächlich in der Lage zu sein, denjenigen Weg möglichst ohne zu grosse Umwege zu finden, der einer bestimmten künstlerischen Vorstellung am einfachsten und sichersten zur Realisierung verhilft und somit zu einer wirklichen Harmonie führt zwischen handwerklichem und künstlerischen Können ohne extreme Überbetonung des einen wie des anderen. Nietzsche hat einmal gesagt: «Kunst kommt von können». Irrtum; denn «Kunst» kommt von «künden», aber trotzdem kennzeichnet Nietzsche treffend das, was damit gesagt sein soll. Mit einer angeborenen Begabung allein, ist es auf keinem Gebiet künstlerischem Wirkens getan. Dass der Musiker seine Instrumente beherrschen muss und ohne tägliches, stundenlanges Üben nicht auskommt, ist ebenso selbstverständlich wie das Rollenlernen des Schauspielers, aber mancher junge Maler ist noch in der falschen Vorstellung befangen, dass es genüge, sich Farben, Pinsel und Leinwand zu beschaffen, um dann alles das genügend klar und dauerhaft zum Ausdruck zu bringen, was ihn innerlich bewegt. Firnis: Wenn beispielsweise der gewerbliche Maler oder Anstreicher von «Firnis» redet, so meint er damit ein mit Trockenstoff verkochtes Leinöl. Der Kunstmaler dagegen versteht unter «Firnis» eine Lösung von einem Weichharz in Terpentinöl oder Testbenzin als Schlussfirnis (franz.: vernis; engl.: varnish) für seine Gemälde. Dieses eine Beispiel mag hier für viele stehen! DIE GRUNDELEMENTE DER MALTECHNIK Malen ist technologisch gesehen nichts anderes als eine edlere Art des Anstreichens; nur rechnet der Handwerker beim Anstrich mit einer gelegentlichen Erneuerung, während man in der Kunst erwartet, dass die Erzeugnisse möglichst THEORIE DER ÖLMALEREI 5 für längere Zeit Dokumente künstlerischer Aussage bleiben. Der Künstler will sich mitteilen, sei es auf eine realistische, surrealistische oder gegenstandslose Weise. Er möchte aber auch, dass ihn sein künstlerisches Bekenntnis überlebt und zwar nach Möglichkeit so, wie er es abgegeben hat, also lebendig und dauerhaft in den Farben. kommen, ist ausschlaggebend für die optische Gesamtwirkung der Malerei. Dabei ist aber auch massgebend, wie viele Anteile des Bindemittels der Grund aufsaugt, und ob der Grund noch durch die Farbteilchen hindurchzuschimmern vermag Lasurwirkung) oder ganz von ihnen zugedeckt wird (Deckfarbenwirkung). Malen heisst also: das Verteilen von Farbteilchen plus Bindemittel auf den Malgrund. DIE 3 GRUNDFAKTOREN Die rationelle Maltechnik kennt drei Grundfaktoren, die absolut gleichwertig in ihrer Bedeutung sind: den Grund, die Farbmittel und die Bindemittel. Eines steht in engster Abhängigkeit vom anderen. Ihre Beschaffenheit und ihr harmonisches Verhältnis zueinander entscheiden nicht nur über die künftige Dauerhaftigkeit eines Werkes, sondern auch – und das interessiert den Künstler zunächst am meisten – über die stoffliche Wirkung, die für den Gesamteindruck nicht unwesentlich ist. Gewisse Materialien und besondere Anwendungsweisen ermöglichen ganz bestimmte Wirkungen, die der Maler sucht, die er sich zum Realisieren seiner Vorstellungen wünscht. Keines dieser drei Grundelemente darf der Künstler vernachlässigen, wenn das Gewünschte erreicht werden und dauerhaft bleiben soll! Fundamentale Bedeutung kommt dem Malgrund zu, also dem Träger irgendeiner Malerei. Er enthält normalerweise eine besondere Präparierung. Hier können bereits Ursachen für Fehlresultate und für die Unerfüllbarkeit mancher Wünsche liegen, anderseits aber auch die Grundlagen zu ganz bestimmten Wirkungen, welche nachträglich mit keinem Mittel mehr zu erlangen sind. Auf den Malgrund baut sich alles auf. Er ist wirklich das Fundament. Man versteht ein gleichseitiges Dreieck; G = Grund, F = Farbmittel, B = Bindemittel. Ob die Farbteilchen nur gerade zusammengehalten und auf den Grund festgeheftet werden oder ob sie ganz von Bindemittel umgeben, also sozusagen in dieses eingebettet zu liegen ZUR FRAGE DER SCHLUSSBEHANDLUNG Die Schlussbehandlung hat zwei verschiedene Aufgaben. Sie soll beispielsweise einer Malerei Schutz gegen äussere Einwirkungen gewähren, um somit dauerhafter zu machen. Da den Malerschüler zunächst nur das mehr oder weniger gelungene künstlerische Endergebnis interessiert, verkennt er leicht die Bedeutung einer eventuell notwendigen Schlussbehandlung. Zweitens fällt aber einem Schlussüberzug die nicht unwesentliche Aufgabe zu, dem Bild die gewünschte Oberfläche und damit seine optische Endwirkung zu geben. Schaut sich der Schüler nach Wochen oder Monaten seine Arbeit nochmals an, so wird er oft feststellen müssen, dass damit bereits eine Veränderung eingetreten ist, indem manche Bildteile einer Ölmalerei oder gewisse Farben stumpf und matt «eingeschlagen» sind und dabei ihren Glanz und alle Frische eingebüsst haben. Ein geeigneter Schlussüberzug gibt allen Farben wieder ihre ursprüngliche Wirkung zurück. Manchmal ist das Verbleiben eines speckigen Hochglanzes, wie ihn die Farben im nassen Zustand zeigen, gar nicht erwünscht. Hier besteht für den Maler die Möglichkeit, über den Grad des Glanzes oder einer Mattwirkung durch Wahl eines Schlussüberzuges zu bestimmen. Vor allem in der neuzeitlichen Malerei besteht oft der Wunsch, seinem Bild einen völlig matten Oberflächencharakter zu geben. Das hängt aber im wesentlichen bereits von der Wahl des Malgrundes ab. THEORIE DER ÖLMALEREI 6 2. Kapitel MATERIALIEN Malgründe für Tafelmalerei • Massivholplatten als starre Bildgrundträger • Sperrholplatten-Systeme • Stäbchen-Holzplatten • Kreuzverleimte Sperrhölzer, aufgespannt • Holzfaserplatten • Spezial-Holzfaserplatten • Spanplatten • Pappe • Metallplatten als Bildgrundträger • Blanke Kupferplatten für Monotypie • Gewebe als elastische Bildgrundträger • Papier GRUNDIERMATERIALIEN Zwei Faktoren sind für die Notwendigkeit einer Grundierung massgeblich: Erstens muss auf das Trägermaterial eines Bildes, ganz gleich, welcher Art es sei, ein weisser oder mindestens heller Reflektor aufgebracht werden, worauf allein die Farben in ihrer vollen Leuchtkraft und Schönheit zur Geltung kommen können. Zweitens erfordert besonders die Ölfarbe einen Untergrund, welcher einem ganz bestimmten Grad der Saugfähigkeit aufweist, über welchen der Künstler bestimmen möchte, um seiner Malweise gewisse Reize zu ermöglichen und dem fertigen Bild einen ganz bestimmten Oberflächencharakter geben zu können. Würde man auf roher Leinwand malen, so liesse es sich ausserdem nicht vermeiden, dass ein erheblicher Anteil des Öles aus der Farbe vom Gewebe aufgesogen wird. Infolgedessen wird die Farbe nach kurzer Zeit schwer und stumpf, und es geht eine gewisse Farbmenge, welche sich in die Gewebestruktur einlagert, praktisch wirkungslos verloren. Das Trägermaterial, welches an sich sehr unterschiedlich hinsichtlich seiner Porosität sein kann, bedarf infolgedessen zunächst einer ausgeglichenen Vorbehandlung, welche gleichzeitig die Aufgabe übernimmt, die Haftung der Grundierschichten auf dem Trägermaterial zu sichern oder mindestens zu verbessern. Es werden dafür wässrige und nicht wässrige, zweiteilige Bindemittel benutzt. Während ihre Lösungsmittel verdunsten, bleiben entweder leimartige oder harzige oder harzähnliche Stoffe zurück und übernehmen das Schliessen der Poren. Dabei besteht zunächst kein Unterschied, ob es sich um starres Trägermaterial wie Massivholz, Holfaserplatten oder dgl. Handelt oder um flexible Trägerwerkstoffe wie Leinwand oder Papier, welche grundsätzlich mit elastischeren Werkstoffen beschichtet werden müssen. FARBEN Eigenschaften die Farben haben müssen sind Beständigkeit, Verträglichkeit mit anderen Farben, Bindemittelechtheit, Mischbarkeit, Benetzbarkeit, Bindemittelbedarf, Konsistenzstabilität, Farbvermögen, Deckvermögen, Lasierfähigkeit und Trockenwirkung auf fette Öle. Beständigkeit: Höchstmögliche Lichtbeständigkeit ist eine Forderung, auf die man bei hochwertigen Künstlerfarben nicht verzichten darf, denn viele der damit geschaffenen Werke sollen doch viele Generationen überdauern. Die Künstlerfarbenindustrie drückt Lichtbeständigkeitsbewertungen gewöhnlich durch Sternchen (*) aus. Danach bedeuten: *** ** * * höchste Lichtbeständigkeit sehr gute Lichtbeständigkeit ausreichende Lichtbeständigkeit geringe Lichtbeständigkeit Abgesehen davon, dass die drei letztgenannten Prädikate individuell sehr unterschiedlich aufgefasst werden können, stellen diese Bezeichnungen eine relativ grobe Klassifizierung dar. Die Buntfarbenindustrie benutzt im Anstrichwesen die im internationalen Warenverkehr übliche «Wollskala», welche aus der in dieser Hinsicht notgedrungen fortschrittlicheren Textilindustrie entlehnt worden ist. Der deutsche Normenausschuss hat sich jener Regelung angenommen, um sie auch auf den Pigmentsektor zu übertragen. Die Unterteilung in 8 Stufen ist wesentlich genauer als die 4 Stufen, welche oben deklariert sind, aber auch sie lässt sich durch Eigenschaftswörter, die fest dafür vereinbart sind, ausdrücken. Danach gilt nach DIN 53952: Lichtechtheit 8 = hervorragend Lichtechtheit 7 = vorzüglich Lichtechtheit 6 = sehr gut Lichtechtheit 5 = gut Lichtechtheit 4 = ziemlich gut Lichtechtheit 3 = mässig Lichtechtheit 2 = gering Lichtechtheit 1 = sehr gering MATERIALIEN 7 Die Künstlerfarbenherstellung kennt allerdings von jeher Pigmente, welche eine Erweiterung dieser Bewertungsreihe bis 10 zweckmässig erscheinen lassen, doch steht eine solche Regelung noch aus. Mit dem höchstmöglichen Prädikat «absolut Lichtecht» ist man in Fachkreisen sehr vorsichtig, aber Pigmentgruppen, welche beispielsweise an Aussenwänden oder an Innenwänden mit fehlender Bedeutung seit etwa 2000 Jahren greller Bestrahlung der südlichen Sonne standgehalten haben, verdienen dieses Lob zweifellos. Verträglichkeit: Die umschliessenden Öltröpfchen der Pigmente, wirken auf chemische Reaktionen isolierend. Bindemittelechtheit: Bedeutend wichtiger als die Frage der Verträglichkeit der Pigmente untereinander ist praktisch die Bindemittelechtheit. So ist z. B. Pariser Blau in Öl eine einwandfreie Künstlerfarbe, die aber in alkalischem Kaseinbindemittel unsicher wird und in der Freskotechnik in wenigen Stunden nur noch einen schmutzig-braunen Farbton zurücklässt. Da helles Chromgelb in Öl grünt, die dunkleren Sorten hässlich bräunen und die mittleren Tönungen sich zu einem erdigen Ockerton verfärben, kann sie der Künstler nur in wässrigen Techniken verwenden. Mischbarkeit: Trotz chemischer Verträglichkeit der Farben untereinander kann es zu unliebsamen Erscheinungen Kommen; denn auch die physikalische Beschaffenheit eines Pigments vermag die Verträglichkeit in Frage zu stellen. Benetzbarkeit: Mancher Maler beklagt sich darüber, dass sich ein Pigment im Bindemittel schlecht «löse». Wie bereits erwähnt, darf es sich gar nicht lösen. Gemeint ist vielmehr eine schwere Benetzbarkeit. In wässrigen Substanzen pulvern nämlich beim Anteigen mit dem Bindemittel oder auch schon im Wasser manche Farben auseinander in ähnlicher Weise, wie wenn man Kakaopulver mit kaltem Wasser anrührt. Krapplack ist beispielsweise bekannt dafür. Sogar beim Ansetzen in öligen Bindemitteln kann das vorkommen. Ein Befeuchten mit Spiritus schafft sofort Abhilfe gegen diese unangenehme Oberflächenspannungserscheinung. Als wasserlösli- ches Netzmittel sind «Agepon» der Agfa-Ag oder handelsübliche Fettalkoholsulfonate zu empfehlen. Bindemittelbedarf: Der Bindemittelbedarf der Farben ist sehr unterschiedlich. Er schwankt zwischen 15% und 200%. Dem Maler ist das durchaus nicht gleichgültig, obschon er die erforderlichen Mengenverhältnisse nur abschätzt und nicht abzumessen hat wie der Fabrikant. Leimstoffhaltige Bindemittel trocknen mit teilweise hoher Spannung auf. Je mehr Bindemittel eine Farbe enthält, desto leichter reisst sie. Ölige Bindemittel vergilben, und Ölüberschuss führt zu Runzelbildung. Mithin ist der Maler an einem möglichst niedrigen Bindemittelbedarf eines Pigments interessiert, zumal dadurch oft die Tubenkonsistenz verbessert wird. Konsistenzstabilität: Um eine Farbpaste auf Tuben abfüllen zu können, muss sie eine bestimmte Konsistenz aufweisen. Sie darf nicht zu flüssig sein, muss sich aber andererseits leicht aus der Tube drücken lassen. So gelingt es mühelos, mit Zinkweiss und Mohnöl eine kurze, buttrige Farbe anzureiben, was dem Anfänger mit Kremser-Weiss sehr schwer fällt. Bisweilen werden irgendwelche Zusätze wie Wachssalbe, Aluminiumstearat u. a. benutzt, um die unterschiedliche konsistenzbestimmende Eigenschaft der Pigmente auszugleichen, so ungern man sich auch solcher Hilfsmittel bedient. Farbvermögen: Zwei völlig gleich aussehende Pigmente können in ihrem Färbvermögen grundverschieden sein. Das hängt nicht etwa immer von Verschnitten ab, sondern auch von der Teilchengrösse der Farbpartikel oder von der Verarbeitungsart beim Anreiben. Es ist unmöglich, eine fertige Farbe lediglich nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Aber viele Maler tun das gewöhnlich. Erst in Ausmischproben mit Weiss wird die Färbekraft eines Pigments erkannt. Deckvermögen: In engster Verbindung mit der Ausgiebigkeit steht das Deckvermögen einer Farbe. Dieses ist von der Struktur der Pigmentteilchen wesent- MATERIALIEN 8 lich abhängig. Echtes Neapelgelb (Bleiantimoniat) deckt z. B. besser als eine gleich aussehende Mischfarbe aus Kadmiumgelb und Zinkweiss. Ein tonreicher Ocker zeigt höhere Deckfähigkeit als ein kalkreicher. Ein ähnliches Eisenhydroxyd, die silikathaltige Sienaerde, deckt weniger. Grüne Erde ist für ein ausgeprägtes geringes Deckvermögen bekannt. Natürlich hängt das Deckvermögen einer Farbein hohem Grade auch vom verwendeten Bindemittel ab. Leimfarbe deckt prinzipiell besser als Ölfarbe. Deshalb wählt man in der Praxis für den gewünschten Farbton verschiedenartige Pigmentsorten und unterscheidet somit z. B. einen «Leim-Ocker» von einem «Öl-Ocker». Pigmente wie Englischrot ändern nicht nur ihre Deckkraft in verschiedenartigen Emulsionen, sondern ihre Farbnuancen, eine physikalische Angelegenheit im Zusammenhang mit der Teilchengrösse und der Verteilbarkeit. Vom Schwarz verlangt der Maler in normalen Fällen hohes Deckvermögen (dgl. Tusche!). Bei Weiss kann die Forderung schon recht verschieden sein. Die Alten Meister wussten zwischen deckkräftigem Weiss und lasierendem Weiss sehr genau zu unterscheiden. Bei Krapplack, Pariser Blau, Chromoxydhydratgrün, Ultramarinblau, Indischgelb (bzw. Indischgelb-Ersatz) und anderen interessiert das Deckvermögen gar nicht. Das gilt grundsätzlich für alle «Lasurfarben». Lasierfähigkeit: Unter «Lasur» versteht man eine Farbschicht, die so dünn aufgetragen oder so pigmentarm ist, dass das auftretende Licht durch sie hindurchgeht wie durch farbiges Glas oder wie durch eine keramische Glasur und erst von darunterliegenden Schichten reflektiert wird. Das heisst praktisch, dass tieferliegende Malgrundoder Farbschichten durch eine Lasurfarbe noch hindurchwirken. Es gibt ausgesprochene Lasurtechniken wie Aquarellmalerei oder dünne Ölmalerei über Untermalungen. Beim Farbenmischen lassen sich zwei grundsätzlich verschiedene Wege beschreiten: In einem Falle werden zwei oder mehrere Mischkomponenten miteinander vermengt. Nur das Mikroskop vermag dann noch, die winzigen verschiedenfarbigen Teilchen nebeneinander oder, genauer gesagt, durcheinandergewürfelt zu zeigen. Dem Auge erscheint ein neu erstandener Farbton, aus Gelb und Blau z. B. Grün. Legt man dagegen über einen gelben Anstrich eine blaue Lasurfarbe, so entsteht zwar ebenfalls Grün, jedoch von einer ganz anderen Wirkung als die mit gleichen Pigmenten auf der Palette ermischte Farbe. Es handelt sich dabei um subtraktives Mischen. Gewisse Pigmente wie Krapplack, Ultramarinblau, Chromoxidhydratgrün u. a. zeigen infolge ihrer kristallinen Struktur von sich aus erhöhte Transparenz. Deshalb nennt man sie «Lasurfarben». Es wäre exakter, sie als „Lasurpigmente» zu bezeichnen. Allerdings können auch Deckfarben, wie oben beschrieben, lasierend gebraucht werden, nämlich dann, wenn man sie reichlich mit Bindemitteln versetzt, dass zwischen den einzelnen Deckfarbenteilchen der Untergrund noch durchzuschimmern vermag. So schätzt man in einem Falle das Deckvermögen, im andern die Lasierfähigkeit eines Pigments bzw. eines Farbauftrags. Trockenwirkung auf fette Öle: Manche Pigmente, wie Blei-, Kobalt- und Manganverbindungen, wirken auf fette, oxydierbare Öle als Katalysatoren beim Trockenvorgang. Auch Pariser Blau, ein Ferriferrocyanid, beschleunigt das Trocknen, während Farben wie Zinkweiss, Zinnober u. a. den Trockenvorgang verzögern. Der Maler muss das berücksichtigen, wenn er lange nass-in-nass malen möchte, und ist dann gezwungen, Pigmente mit starker Trockenwirkung nach Möglichkeit durch andere zu ersetzen, während es anderseits Fälle gibt, wo ein rasches trocknen angestrebt wird. In Emulsionen spielt diese Erscheinung keine merkbare Rolle. BINDEMITTEL FÜR ÖLMALEREI Leinöl als Bindemittel für Ölfarben: Leinöl ist das am raschesten trocknende fette Öl. Es erhärtet unlöslich zu Linoxyn durch Sauerstoffaufnahme. Für künstlerische Zwecke gibt es gute Spezialsorten, die weniger stark gilben. Alle von Natur aus langsam trocknenden Pigmente werden damit angerieben. In Malmitteln sollten sie möglichst gar nicht oder nur sparsam gebraucht werden, da ja die angeriebenen Farben bereits schon die zur Bindung genügende Ölmenge enthalten und manchmal sogar einen Überschuss, der sich bei längerem Lagern in der Tube abscheidet. Gebleichte Leinöle bestechen zunächst, vergilben jedoch beim Altern genauso wie ungebleichte Ware, deren leichtgelblichen Stich der Maler berücksichtigen kann. MATERIALIEN 9 Mohnöl als Bindestoff für Ölfarben: Mohnöl ist heller und fetter als Leinöl wegen seiner anderen chemischen Zusammensetzung. Infolgedessen trocknet es langsamer als Leinöl, und der getrocknete Ölfarbfilm erreicht nicht den Härtegrad wie bei Leinöl. Das braucht in keiner Weise ein Nachteil zu sein. Man muss das nur in manchen Fällen beachten, worauf später an den entsprechenden Stellen noch hingewiesen wird. Mohnöl gilbt weniger als Leinöl. Das gilt jedoch nur für Öle weissblumiger Herkunft und sogenannter «Vorlaufware». Man kann in der Praxis Mohnöle antreffen, die gelber sind als Leinöl und auch ebenso stark vergilben. Beim Anreiben von Farben wählt man Mohnöl oder Sonnenblumenöl für alle an sich rasch trocknenden Pigmente, um die Trockenzeit aller Farben seiner Palette, soweit das angängig ist, auszugleichen. In einem einzigen Fall weicht allerdings der Fabrikant davon ab, ebenso wie der Maler, der sich seiner Farben selbst anreibt. Das betrifft das Weiss, und zwar Zinkweiss ebenso wie Titanweiss. Obgleich Zinkoxyd und Titanoxyd keine Trocknende Wirkung aif Öle ausüben, reibt man sie doch mit Mohnöl an, um ein schönes reines weiss zu bekommen, was bei Verwendung von Leinöl nicht so leicht gelingt. Ausserdem schätzen viele Maler ein Weiss, das auch in Ausmischungen die Farben lange traktabel hält und das Anziehen verzögert. Im malmittel dient Mohnöl als Verzögerer des Trockenvorgangs für diejenigen Fälle, wo möglichst lange nass-in-nass gemalt werden soll. Seit dem Impressionismus haben Mohnöle und Mohnölfarben an Bedeutung gewonnen. Nussöl als Bindestoff für Ölfarben: Dass für Malzwecke als Nussöl nur Walnusskernöl in Frage kommt, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Es steht in allen seinen Eigenschaften zwischen Lein- und Mohnöl und ist ein hervorragender Werkstoff, dessen Verwendung auf breiterer Grundlage lediglich der heute verhältnismässig hohe Preis im Wege steht. Man trifft es seit dem zweiten Weltkrieg in deutschen Fachgeschäften seltener als früher. Doerner rühmt den «feinzeichnerischen» strich von Nussöl, doch darf das auch für andere hochwertige Öle gelten, während es für Nussöl, sehr von dessen Qualität und Alter abhängig, geradezu typisch ist. Nussöl ist das einzige fette Öl, das der Maler ohne Spezialgeräte selbst herstellen kann. In Malmitteln wird es wie Leinoder Mohnöl gebraucht. Sonnenblumenöl als Bindestoff für Ölfarben: In Russland ist Sonnenblumenöl das Anreibemittel für Künstlerfarben. Es steht in seinen Eigenschaften zwischen Nuss- und Mohnöl. In Mittel- und Westeuropa war es bisher nicht gebräuchlich, aber es hat neuerdings an Interesse gewonnen, obgleich sich A. Eibner im Jahre 1922 skeptisch äusserte. Weitere Mittel für die Ölmalerei sind: Synthetische Öle als Bindemittel, Standöle als Bindemittel, Sonneneingedickte Öle als Zusatzmittel, Ölfirnisse als Zusatzmittel, Terpentinöl als Verdünnungsmittel, Testbenzin als Verdünnungsmittel, Sangajol als Verdünnungsmittel, Petroleum als Verdünnungsmittel, Mastix als Zusatzmittel, Dammar als Zusatzmittel, Venetianer Terpentin als natürliche Harzlösung, Strassburger Terpentin als Zusatzmittel, Kopale als Zusatzmittel, Sikkative als Trockenbeschleuniger, Nelkenöl als Verzögerer, Bienenwachssalbe als Zusatz etc. REZEPTE FÜR MALMITTEL Rezepte für schnelltrocknende Malmittel: Rezept 1 • 1 Volumenteil Dammar-Terpentinöllösung (1:3) • 2 Volumenteile Terpentinöl, rektifiziert Rezept 2 • 1 Volumenteil Venetianer-Terpentin • 3–4 Volumenteile Terpentinöl rektifiziert (in mässig warmem Wasserbad mischen!) Rezepte für Malmittel mittlerer Trockenzeit Rezept 3 • 1 Volumenteil Leinöl • 1 Volumenteil Dammar-Terpentinöllösung (1:3) • 1 Volumenteil Terpentinöl rektifiziert Rezept 4 • 1 Volumenteil Mohnöl • 2 Volumenteile Dammar-Terpentinlösung (1:3) • 1 Volumenteil Terpentinöl rektifiziert MATERIALIEN 10 Rezepte für langsamtrocknende Malmittel SCHLUSSÜBERZÜGE Rezept 5 • 1 Volumenteil Mohnöl • 1/2 Volumenteil Dammar-Testbenzinlösung (1:3) • 1 Volumenteil Testbenzin Schlussbehandlung Rezept 6 • 2 Volumenteile Mohnöl • 1 Volumenteil Testbenzin Zugaben kleinerer Mengen Bienenwachs-Terbentinölsalbe oder Bienenwachs-Testbenzinsalbe zu jedem der aufgeführten malmittel nimmt dick aufgetragener Ölfarbe den unangenehmen speckigen Glanz, verzögert aber die Trockenwirkung etwas. GERÄTE FÜR ÖLMALEREI • Palette • Palettenstecker • Pinsel und Malspachteln • Malstock • Staffelei • Farbkasten • Palettenkasten zur Unterbringung der • Palette • Malmittel und Reinigungskasten • Pinselkasten 3 Faustregeln für Schlussfirnisse: 1. Der Firnis darf die Farbe des Bildes nicht anlösen! 2. Der Firnis darf weder vergilben noch reissen! 3. Der Firnis soll rasch trocknen! (Verstaubungsgefahr!) Natürliche Harze als Überzug • Hartharze (Kopale) • Spritharze (spirituslösliche Hartharze) • Weichharze • Dammar • Cellodammar • Mastix • Balsame Kunstharze als Überzug • AW2-Harz • Polymethacrylate Wachse als Überzugsmittel Rezept für gehärtete Harz-Wachs-Firnisse: • 5 Teile Bienenwachs • 1 Teil Carnaubawachs • 12 Teile Terpentinöl (oder Testbenzin) MATERIALIEN 11 3. Kapitel KLEINSKALA NORMALSKALA STUDIENSKALA Zinkweiss Titanweiss Kadmiumgelb, hellst Lichter Ocker Kadmiumrot, hellst Aliz. Krapplack, dkl. Gebr. Sienaerde Pariserblau* Kremserweiss Zinkweiss Titanweiss Kadmiumgelb, hellst Kadmiumgelb, mittel Lichter Ocker Kadmiumrot, hellst Kadmiumrot, mittel Aliz.-Krapplack, dkl. Gebr. Sienaerde Englischrot, hell Caputmortum, viol. Kobaltblau, dkl. Ultramarinblau, dkl. Pariserblau* Chromoxidgrün Chromoxidhydratgrün Elfenbeinschwarz Zinkweiss Titanweiss Echtgelb (Hansagelb) Lichter Ocker Permanentrot, hellst Permanentrot, mittel Aliz.-Krapplack, dkl. Englischrot, hell Gebr. Sienaerde Ultramarinblau, hell Ultramarinblau, dkl. Echtgrün (Heliogengr.) Heliogenblau Oxidschwarz FARBSKALEN *) Dafür heute evtl. Heliogenblau FARBSKALEN 12 4. Kapitel TECHNIKEN DER ÖLMALEREI Die Ölmalerei ist seit dem 17. Jahrhundert die am meisten gebräuchlichste Technik der Tafelmalerei. Trotzdem ist sie, geschichtlich gesehen, eine relativ junge Technik und, künstlerisch betrachtet, ein verhältnismassig einfaches Malverfahren. Die Farben ändern im wesentlichen ihr Aussehen zwischen dem nassen und trockenen Zustand nicht. Sie ziehen nur langsam an und gestatten einerseits ein längeres Ineinandermalen, andererseits infolge ihrer Deckfähigkeit aber auch ein korrigieren und Übereinandermalen, sooft dem Maler beliebt, wenn er dabei nur die gröbsten Faustregeln nicht ausser acht lässt. Fehlgemischte Farbe kann man mit der Spachtel noch tagelang wieder wegnehmen. Fast jede Art von Untergrund, vom Papier bis zu Glas und Metall, ist möglich, und klimatische Einflüsse können ihr relativ wenig anhaben. Sogar Dilettanten vermögen damit ganz nette Bilder malen. Alle diese Eigenschaften haben der Ölmalerei ein breites Anwendungsgebiet erobert. Die Malstile haben sich zwar im Laufe der Jahrhunderte mehrfach geändert, aber die üblichen Techniken der Ölmalerei sind im grossen und ganzen dieselben geblieben. Gelegentlich wird immer wieder versucht, die Ölfarbentechniken zu vergewaltigen. Tatsächlich bestehen unglaublich mannigfache Variationsmöglichkeiten vom Aquarellcharakter bis zur Freskowirkung, von Pastelleffekten bis zu Emaille. Trotzdem sollte man auch die Ölmalerei nur werkstoffgerecht anwenden und artfremde Effekte vermeiden! Welche Nachteile der Ölmalerei liessen sich anführen? Rissbildungen können auch bei anderen Techniken vorkommen. Schrumpfungen und demzufolge Runzelbildungen bei einzelnen Pigmenten sind dagegen nur der Ölfarbe eigen, treten aber lediglich bei einem übertriebenen dicken Farbauftrag auf nichtsaugenden Malgründen ein. Im Anfang der Ölmalerei wurde die lange Trockenzeit als störend empfunden, und auch heute noch bereitet das dem Anfänger Ungelegenheiten, da bereits gemalte Stellen im Bilde zunächst noch berührungsempfindlich bleiben. Anderseits hat es sogar Maler gegeben, und es gibt sie heute noch, die alle möglichen illegalen Mittel und Massnahmen anwenden, um die Trockenzeit möglichst lange hinauszuschieben. Mithin bleibt als Nachteil nur noch der Umstand anzuführen, dass alle fetten Öle beim Trocken- und Alterungsprozess Vergilbungstendenz zeigen. Man kann Ölgemälde antreffen, die fast ebenso verbräunt sind wie alte Ikonen. Sogar ein Vergrauen kann eintreten. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur alle fetten oxydierbaren Öle mehr oder weniger vergilben, sondern dass die Mehrzahl der Harze die gleiche peinliche Eigenschaft hat! Trotz allem findet man Ölgemälde, welche bei einem respektablen Alter doch einen recht guten Erhaltungszustand aufweisen. Mithin muss es Möglichkeiten geben, die Vorteile der Ölmalerei auswerten zu können, ohne ihre Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. FARBSKALEN 13 5. Kapitel MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN PRIMAMALEREI Der heute für das Arbeiten mit verschiedensten Farbensystemen der Maltechnik gebrauchte Ausdruck «Primamalerei» ist aus der Ölmalerei entlehnt worden. Die Primamalerei hat auch tatsächlich vor allem heute in der Ölmalerei einen überwiegenden Umfang angenommen. Sie ist das einzige Malverfahren, welches ohne Umwege am schnellsten zum Ziele führt, wenn es sich darum handelt, einen Naturausschnitt, einen Kopf, den Akt und das Tier studienhalber rasch zu erfassen oder abstrahierend zur Darstellung zu bringen oder auch innerlich Geschautem farbig Gestalt zu geben oder schliesslich den Farben an sich ohne Bindung an Formen absoluten Ausdruckswert zu verschaffen. REINE PRIMAMALWEISE Die reine Primamalerei ist die schwierigste Ausdrucksform beim Arbeiten vor der Natur in naturalistischer oder mehr impressionistischer Art oder auch zum Zwecke eines raschen Notierens einer malerischen Erfindung. Beim Malen von Studien in der Landschaft gibt es wiederum zwei grundverschiedene Wege. Erste Möglichkeit: man malt vom Hintergrund zum Vordergrund. Das bedeutet in den meisten Fällen, dass man wie beim Schreiben links oben beginnt und sich beinahe zeilenweise nach rechts bewegt. Gewöhnlich wird es also der Himmel sein, bei dem man anfängt, mithin bei den hellsten saubersten Farbtönungen, zu einem Zeitpunkt, wo die Mischfläche der Palette noch nicht verschmutzt ist. Man kann aber auch, und das wird vorwiegend bei Stilleben der Fall sein, von einem Gegenstand ausgehen, wird aber in jedem Falle, gemäss der «prima vista», jede Bildstelle möglichst gleich fertigmalen. Um aber einen wichtigen Ton beurteilen zu können, ist es unerlässlich, gleichzeitig auch die unmittelbaren Nachbartöne sofort mit einzusetzen, denn ein Ton bestimmt den anderen in seinem Wert. Erst wenn die umstehenden Farbpartien mit eingesetzt sind, vermag man „Fertigmalen» des ursprünglich behandelten Bildgegenstandes zurückzukehren, wobei man noch bequem nass hinein malen kann. Man mischt sogar nicht nur auf der Palette, sondern nochmals auf der Malfläche selbst. Hat man auf diese Weise in raschem Arbeitstempo, was allergrösste Konzentration erfordert, einen eini- germassen geschlossenen Bildeindruck erreicht, so kann man dann zu verbindenden Feinheiten übergehen oder nötige Details einsetzen. Unterdessen ist auch auf der Palette eine Art Malerei entstanden, zwar gegenstandslos, aber in den Farbharmonien des Bildes selbst. Dadurch ist es leichter, die weiterhin benötigten Farbtönungen ziemlich genau auf der Palette vorzumischen. Auf diesem Wege tastet man sich allmählich dem Endresultat entgegen. Eine zweite Möglichkeit wäre folgende: Man richtet sich nicht nach den dargestellten Gegenständen, sondern man geht, einem alten impressionistischen Prinzip folgend, zunächst von grossen Mitteltönen aus und führt in allmählicher Steigerung sowohl nach den hellen Stellen hin wie in Richtung der Schatten seine Malerei weiter. Man übersät sozusagen die ganze Bildfläche mit Farbklecksen, die man nass-in-nass allmählich immer differenzierender zusammenzieht. Höchste prägnante Drucker spart man sich bis zuletzt auf, wie man bekanntlich höchste Trümpfe nicht vorzeitig ausspielt. Man stimmt so Valeurs gegen Valeurs. Bei beiden Möglichkeiten geht man nach folgenden Gesichtspunkten vor. Entweder malt man vom Hellen ins Dunkle. Das ist für den Anfänger das rationellste zur Vermeidung einer vorzeitigen Verschmutzung seiner Mischfläche, wenn man sich nicht, wie oben beschrieben, von Mitteltönen aus nach beiden Richtungen Hell und Dunkel bewegt. Gleichzeitig beachtet man das ständige Abwägen seiner Valeurs in Richtung Kalt und Warm. Eine grosse Erleichterung bedeutet es, auf einer Palette neben jedem Farbton vor Beginn der Arbeit je eine Weissausmischung aufzusetzen oder eventuell sogar Abstufungen davon. Das spart Zeit und lenkt einen während der höchsten Konzentration nicht durch zeitraubendes Vormischen grösserer Farbpartien ab. Eine in impressionistischer Zeit kultivierte Malweise geht so vor, dass man mit einem und demselben Pinsel zunächst in eine vorgemischte warm gehaltene Farbe stippt, unmittelbar darauf mit dem Pinsel auf die betreffenden Bildstellen aufsetzt. Durch ein einmaliges Zurseiteschieben wird die endgültige Mischung erst auf der Malfläche erwirkt. Solche zunächst unvollständigen Mischungen wirken ungemein lebendig, erfordert allerdings eine gewisse Routine. Für die Pinselbewegungen gibt es 4 grundlegende Variationen: Entweder streicht man die MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN 14 Farbe lang aus, oder man setzt sie kurz auf. Drittens: Man scheuert in kurzen Bewegungen, senkrecht, waagrecht oder diagonal je nachdem es die Form des Gegenstandes verlangt. Schliesslich kann man viertens auch mit einem Pinsel, der bereits auf der Palette gut ausgestrichen ist und nur noch wenig Farbe enthält, diese auf das Bild leicht «aufschummern». Auch in technischer Hinsicht gibt es zahlreiche Stile und Richtungen, die alle mehr oder weniger der Mode unterworfen sind. Streichen, Stupfen, Vertreiben, Pointillieren sind alles Pinseltechniken, die in ihrer Gesamtwirkung die sogenannte Pinselhandschrift eines Malers ergeben. SYSTEMATISCHE SCHICHTENMALEREI Zwischen verschiedenen Malweisen kann man trotz ihrer individuellen Handhabung durch Künstler sehr unterschiedlicher Temperamente recht gut systematische Differenzierungen erkennen, doch ist es nicht immer leicht, ganz klar zu klassifizieren. Wenn also ein Maler auf reine «Primamalweise» abzielt, die der Engländer so treffend «direct-painting» nennt, so gelingt das oftmals an mehreren Bildstellen nicht auf Anhieb. Es muss also manchmal notgedrungen eine zweite korrigierende Schicht folgen. Anders verhält es sich, wenn von vornherein mit Überarbeitungen der ersten Anlage oder darauffolgender Untermalungen gerechnet wird. Dann handelt es sich beim Übermalen nicht um Korrektur, sondern um ein ganz systematisches Vorgehen im Bildaufbau. Das entspricht nicht etwa nur der Malweise Alter Meister, sondern ist trotz unterschiedlichster Stilrichtungen niemals gänzlich aus der Maltechnik verschwunden. LASURMALEREI ÜBER GRISAILLIEUNTERMALUNG Die einfachste Methode einer Arbeitsteilung von Form- und Farbgebung ist die Lasurmalerei mit Ölfarben über einer neutralen Temperauntermalung grau in grau. Das Lasieren mit Ölfarben und Harzmalmitteln geschieht ungefähr in der Weise, wie eine Schwarzweissphotographie koloriert wird, nur mit dem Unterschied, dass man in der Grisailleuntermalung einen kompakten Weisskern vor sich hat, der an Höchsten Lichtstellen bis beinahe beliebig starker Pastosität gesteigert werden kann und somit der gesamten Malerei gewisse stoffliche Reize zu geben vermag. Es ist zunächst gar nicht nötig, darüber zu malen. Schon beim Einreiben lokaler Farbtöne mit dem Finger entsteht wie von selbst eine körperhafte räumliche Wirkung. Alle Formmodellierung schimmert von der Untermalung her durch und bricht in allen ihren Schattierungsabstufungen die gesättigt aufgetragenen Lokalfarben. Vollkommen falsch wäre es, diese mit zu reichlich Malmittel aufzutragen, ein immer zu beobachtender Anfängerfehler! Eine dünne ärmliche Wirkung einerseits und eine Versossung andererseits, bei der leicht ein harter, speckiger Glanz entsteht, wären die Folge. Eine Lasurmalerei darf sich keineswegs in blossen Lasuren erschöpfen, sondern muss, wo es nötig erscheint, in eine halbdeckende Malweise übergehen. Dadurch werden durch halbdeckenden Farbauftrag verschleiert und dadurch in ihrer Härte gemildert. Wenn Doerner sagt, dass sich eine Grisaille-Untermalung in hellen Graustufen bewegen müsse, dass also das ganze Bild zunächst aussehen soll «wie durch einen Nebel gesehen», so ist damit nur eine Möglichkeit beschrieben, die aber leicht zu Flauheit und Kontrastlosigkeit verführt und die Gefahr in sich birgt, dass schliesslich der Maler mit kräftigen Deckfarben die nötigen Kontraste nachträglich zurückzugewinnen sucht. Das aber ist gerade nicht der Sinn einer Lasurmalerei. Deckt man seine Untermalung zu stark zu, so ist die gesamte Mühe der Vorarbeit der Temperaschicht vergebens und die ganze Malweise dieser Art ein sinnloser Umweg. Hat man versehentlich Lichter oder helle Bildpartien zu stark mit Ölfarbe gedeckt, so wäre es nicht sinnvoll, diese Stellen durch Verwendung von Ölfarbenweiss wieder aufzuhellen. Statt dessen nimmt man einen Lappen und ein wenig Harzmittel und tupft oder wäscht die Ölfarbe wieder heraus, bis der Temperakern erneut zum Vorschein kommt. Gerade dadurch ergeben sich stoffliche Reize, die auf andere Weise nicht zu erreichen sind. Während dem Weiss in der üblichen, vorwiegend deckenden Ölmalerei, wie schon oft betont, eine hervorgehobene Rolle zukommt, sollte man in der Lasurmalerei möglichst ganz ohne Ölfarbenweiss auskommen. Man braucht es höchstens dazu, notfalls eine Lasurfarbe damit ein wenig zu vermilchen. Alle Helligkeiten im Bild sollen von der Untermalung her durch- MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN 15 wirken! Gar nicht selten werden veraltete Methoden vollkommen neu ausgewertet. ÖLMALEREI AUF ÖLUNTERMALUNG Eine schichtenweise aufgebaute Ölmalerei ist natürlich auch auf Ölfarbenuntermalung möglich. Fast alle Malstile bis zurück ins 18. Jahrhundert haben sich dieser Technik bedient. Anfangs schätzte man noch braune Untermalungen oder graubraune Grundharmonien, die lange Zeit typisch für die französische Ateliermalung blieb, bis der Pleinairismus die Malerei von den braunen Grundtönen erlöste und die gesamte Palette aufhellte. Derartige monochrome Öluntermalungen bargen grosse Gefahren in sich. Ölfarbe braucht nun einmal Zeit für einen bestimmten Trockenprozess, bis untere Farbschichten gefahrlos übermalt werden können, d. h., ohne dass Rissbildungen eintreten. Oft fiel es aber den Malern bei ihrem Schaffensdrang schwer, diese Trockenzeit einzuhalten. Wüste Rissbildungen, wie sie geradezu typisch für jene Zeit sind, waren die unausbleibliche Folge. Adolph von Menzel (1815–1905) hat leider dafür sehr anschauliche Schulbeispiele geliefert. Es ist besonders schmerzlich, dass auch die grossformatigen Frühwerke von Max Liebermann (1847–1935) gleiche Erscheinungen zeigen. Ausserdem sind Malereien mit solchen braunen Untermalungen auffallend stark nachgedunkelt. Kamen dabei noch ungeeignete Malmittelzusätze zur Verarbeitung, die auf untere Schichten lösend einwirkten, so wurde das Übel um so grösser. Eine katastrophale Situation trat aber erst ein, als Asphalt für diese braunen Untermalungen benutzt wurde, der an sich infolge seiner unerhört feinen Verteilbarkeit zur Untermalung verführte. Es wurde damit förmlich getuscht, wie bei einer Spezialzeichnung. Risse, mehrere Millimeter breit, waren die Folge. Als man endlich jene düsteren Öluntermalungen verlassen hatte, war trotzdem bei einem schichtenweisen Bildaufbau ein Anlegen in mehreren Untermalungsfarben üblich. Nicht jeder Maler wusste, dass er seine Untermalungsfarbe magerer, d. h. ölärmer halten musste. Vielmehr war ein unbedenklicher Gebrauch von Sikkativen in Übung, weil man damit die Zwischentrockenzeiten wenigstens etwas abkürzen konnte. Der maltechnisch erfahrene Künstler jener Zeiten, der seine Malerei wenigstens nach den Grundregeln eines einfachen Ölfarbenanstriches aufbaute und der gewöhnlich gleichzeitig an mehreren Bildern malte, um auch die Zwischentrockenzeiten gewissenhaft einhalten zu können, kam tatsächlich häufig zu einwandfreien Ergebnissen. Aber im Grunde genommen war jene Zeit, vom künstlerisch-handwerklichen Standpunkt aus betrachtet, keine gesunde Epoche der Maltechnik. Es lassen sich viele traurige Beispiele anführen, die um so schmerzlicher berühren, je höher der Künstler zu bewerten ist. Eine ganze Sammlung solcher unbeabsichtigter Beispiele birgt die Schackgalerie in München. Man kannte noch keine Dispersionsfarben. MALWEISEN IN ÖLFARBENTECHNIKEN 16 6. Kapitel DAS AUFZEICHNEN Die Gepflogenheiten der Künstler beim Vorzeichnen für eine Malerei sind viel unterschiedlicher, als man zunächst annimmt. Während der eine nach mehreren vorausgegangenen Entwurfskizzen oder Naturstudien erst eine gut durchgeführte Zeichnung schafft, die er eventuell nach altmeisterlichem Brauch des 15. und 16 Jahrhunderts sorgfältig auf seine feingeschliffene Malfläche aufpaust, genügen dem anderen wenig flott hingesetzte Kohlestriche. Ein Dritter verzichtet überhaupt auf eine Vorzeichnung, sondern entwirft sofort mit Pinsel und Farbe spontan wenige Konturen monochrom oder mehrfarbig. Die Kunstauffassungen und Malstile unserer Zeit sind so differenziert, dass sich heute schwerlich bestimmte Arbeitsregeln vorschreiben lassen. DAS AUFZEICHNEN 17 7. Kapitel MALSTILE BERÜHMTER MALER Beispiel: Sandro Botticelli, (1444(?)–1510) DIE REINAISSANCE IN ITALIEN Weshalb treten um 1500 im Laufe von 50 Jahren in Italien so grosse Maler auf? Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael, Tizian und viele andere sahen sich damals von geistlichen wie weltlichen Herren eifrigst umworben. Überhaupt ehrte man Künstler mehr als andere Sterbliche. Drei Jahrhunderte zuvor hatte sich ein erstaunlicher Wandel angebahnt, als die Städte zu wachsen begannen und Bürger und Kaufleute ihren Aufstieg nahmen. Die grossen Dome wurden zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert gebaut: Die Malerei war anfangs noch ganz an die religiösen Themen gebunden, diente zur Ausschmückung der Kirchen und war demgemäss vorwiegend flächig. Mit Giotto, dem ersten Maler, der schon zu seinen Lebzeiten berühmt wurde, beginnt die Wiedergabe des Räumlichen, der Perspektive und des Lichtes. Zugleich fingen die Künstler ihre Umwelt zu schildern an – schöne Frauen, edle Ritter, Wälder, Paläste, Festlichkeiten und Schlachten. Die glücklichen Erben dieser Neugeburt wissenschaftlicher Erkenntnis nach dem «dunklen» Mittelalter waren dann die genialen Maler der Hochrenaissance. Und was sie schufen, waren Wunderwerke, wie die Welt sie damals wieder hervorgebracht hat: Die geheimnisvollen Gestalten Leonardos, Michelangelos dramatischmonumentale Körperkompositionen. Raffaels göttliche Schönheit und die Farben- und Lichtmirakel Tizians. MALSTILE BERÜHMTER MALER 18 Beispiel: Albrecht Dürer, (1471–1528) MEISTER IM NORDEN In den Ländern nördlich der Alpen blieben die in Italien gemachten Entdeckungen nicht lange unbekannt: Eine wichtige Rolle als Vermittler spielten die Maler Böhmens. Steht der nordwestdeutsche Meister Bertram fast noch ganz auf Goldgrund der Überlieferung, so tritt uns aus den Bildern der niederländischen Brüder van Eyck schon eine neue, überaus lebendige Welt entgegen. Frühzeitig, an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhunderts, werden die Extreme deutlich, zwischen denen Deutsche und Niederländer sich stets zu bewegen scheinen: Grelle Heftigkeit und stille Andacht. Der Alemanne Konrad Witz bezieht in seinen frommen Schilderungen schon die Landschaft und das Stillebenein; alles Ungebärdige bändigt in Flandern Hans Memling auf seinen Portraits. Hieronymus Bosch dagegen stellt mit unheimlichem Realis- mus die Dämonen der mittelalterlichen Glaubenswelt und die tiefgründige Allegorien des Christentums dar. Auf dem Gipfel der Malkunst dieser Epoche stehen in Deutschland einerseits der rätselhafte Meister Grünewald, der sich mit ekstatischer Inbrunst in die Heilsgeschichte versenkte, und andererseits Dürer, der mit dem Eifer eines Wissenschaftlers die neuen Massstäbe und Darstellungsmittel erforschte. Altdorfer schuf die ersten reinen Landschaftsbilder der europäischen Kunst. Die Bildnisse, die Holbein d. J. von grossen Herren und Damen malte, sind von mehr als photographischer Treue: er spürte der inneren Natur der Dargestellten nach. Im Gegensatz zu ihm machte der Niederländer Bruegel die bunte Vielfalt des bäuerlichen Daseins als erster zum Hauptgegenstand seiner Arbeit. Beide Künstler weisen über ihre Zeit hinaus auf einen künftigen Realismus. MALSTILE BERÜHMTER MALER 19 Beispiel: Rembrandt Harmensz van Rijn, (1606–1669) Mann mit Goldhelm GROSSE EINSAME Mit dem Barock beginnen in der Kunst zwei Verhaltensweisen sich deutlicher zu zeigen: die des weltoffenen Menschen, der als Maler die Gegenwart nutzt und geniesst, und die des mit sich selbst und seinem Schicksal als Künstler Ringenden. Der Grieche El Greco verpflanzte den Stil der grossen Form von Italien nach Spanien: seine visionären Gestalten sind unverwechselbar geblieben. Dramatik der Beleuchtung und der Gebärden kennzeichnen den Italiener Caravaggio. Aus dem Süden, wo er vor allem von Tizian gelernt hatte, brachte der Flame Rubens den Überschwang barocker Formen- und Farbensprache nach Antwerpen. In Spanien malte Velazquez eine Fülle grossar- tiger Portraits von Herrschern und Hofleuten, während sich Frans Hals in den Niederlanden schon mit überraschend naturalistischen Kunstmitteln seiner bürgerlichen Umwelt bemächtigte. Auf dem Höhepunkt dieser Zeit sehen wir einen Einsamen: Rembrandt, der als Individualist alle Freuden und Leiden des Menschen erlebte und in seinem Werk zu bannen suchte. Eine andere, nicht minder vollendete Art, der Wirklichkeit Herr zu werden, offenbart sich uns in den Gemälden Jan Vermeers. Romantisches Licht scheint über Lorrains Landschaften gebreitet: die Silbertöne Watteaus umspielen die Gesellschaft des Rokoko-Zeitalters – dessen Ausgang in Spanien noch einmal Goya verherrlicht, ehe er zum Künder bitterer Wahrheiten wird. MALSTILE BERüHMTER MALER 20 ENGLISCHES ZWISCHENSPIEL Während sich die Aristokraten noch immer, wenn es Kunstwerke zu erwerben galt, gleichsam selbstverständlich nach Italien zu wenden pflegte, weil das Einheimische unzulänglich war, schilderte in London der Maler Hogarth bereits 1735 als geistreicher Sozialkritiker das blutvolle, wenn auch oft rohe Leben seiner Vaterstadt. Nach ihm vergingen jedoch abermals Jahrzehnte, ehe es einem Engländer gelang, sich als Porträtist einen anerkannten Platz zu schaffen: Reynolds. Er sah in Gainsborough bald einen Nebenbuhler in seinem Revier, der der wachsenden Nachfrage nach «vorteilhaften» Porträts nur widerstrebend nachkam: für seine Landschaften fand er keine Käufer. Was auf diesem Gebiet damals geleistet worden ist, hat die europäische Malerei stark beeinflusst. Ohne Constables Wahrheitsliebe gegenüber den Phänomenen der Natur, ohne Turners weit seiner Zeit vorauseilende, eigentlich schon ganz subjektivistisch empfundene Lichtwirbel wäre die Entwicklung der Kunst im vorigen Jahrhundert sicherlich anders verlaufen: Realismus und Impressionismus – der Sinn für die Wirklichkeit der Erscheinung und die Hingabe an ihr flüchtiges Bild – sind aus diesen Quellen wesentlich gespeist worden. Beispiel: William Turner, (1775–1851) Der Schiffbruch MALSTILE BERÜHMTER MALER 21 Beispiel: Jean-Dominique Ingres, (1780–1867) VERGESTIGUNG DER AUGENLUST Am Vorabend der Französischen Revolution standen «die Alten», die Künstler der Antike und der Renaissance, in unvermindert hohem Ansehen, und Italien blieb weiterhin trotz der Wandlungen des politischen Bewusstseins das Land, in dem Maler und Bildhauer aller Nationen zur Schule gingen. Ingres, der französische Klassizist, verkörperte diese alte Ordnung noch einmal, ehe Romantiker wie Delacroix energisch zu neuen Ufern aufbrachen. In Deutschland bahnte sich zunächst eine andere Entwicklung an: C. D. Friedrich schuf mit klassischen Mitteln vergeistigte Landschaften, während Runge den sich ruhenden Menschen seiner einfachen Welt Grösse verlieh. Und dann bricht eine Epoche an, in der Paris, wie einst Florenz und Rom, zum Mittelpunkt der Malerei wird. Die Photographie kommt auf und macht langsam der bloss dokumentarischen Porträtkunst den Garaus: die Künstler, durch die be- ginnende Industrialisierung bereits ihrer bürgerlichen Umgebung entfremdet, werden zu ärgerniserregenden Bohemiens. Courbet spottet aller Konventionen, stellt in einem Schuppen aus und ruft seine Malerkollegen auf, im Freien arbeitend, der Natur ins Angesicht zu schauen: Manet entsetzt das Publikum durch ungewohnte Farben und Themen. Degas und Whistler lassen sich von japanischen Prinzipien des Bildaufbaus inspirieren. Im Jahre 1874 gibt ein Bild Monets einer ganzen Stilrichtung den Namen Impressionismus. In Deutschland zeigten sich bei Menzel und Leibl nicht nur französische Einflüsse, sondern auch dem Realismus verwandte Auffassung von der Welt des Sichtbaren, während Liebermann einen eigenen impressionistischen Stil entwickelte. Die Welt hatte sich in einem anderen, neuen Licht sehen gelernt. Mit Renoir sei der Überblick beschlossen: in den Werken dieser Maler ist die Lust der Augen zum Thema eines Preisliedes auf der Schöpfung geworden. MALSTILE BERÜHMTER MALER 22 Beispiel: Vincent van Gogh, (1853–1890), Die Ernte DIE QUELLE IMPRESSIUNISMUS In Anlehnung an den Pleinairismus der Schule von Barbizon (Rousseau, Dupré, Daubigny) und an die flüssige Malweise von Camille Corot (1796 bis 1875) haben die Impressionisten ihre Kunst auf das reine Sehen gestützt. Das Bild sollte nicht mehr im Atelier, sondern im direkten Kontakt mit dem Motiv entstehen, die Natur nicht als entfremdete Kulisse, sondern als «unendliche Vielfalt ständig wechselnder Farblicht-Phänomene» (W. Hess) dargestellt werden. Dies war ein bedeutender Schritt zur Befreiung der Malerei von den Inhalten, die sie bisher begleitet und belastet hatten. Die Historisierenden und religiösen Themen, die idealisierenden Allergorien und konstruierten Atelierszenen, wie sie die damalige offizielle Malerei kannte, wurden aus den impressionistischen Bildern verbannt. MALSTILE BERÜHMTER MALER 23 NEOIMPRESSIONISMUS Beispiel: Paul Signac, (1863–1935) Porträt Félix Fénéon, 1890 EXPRESSIONISMUS Beispiel: Edvard Munch, (1863–1944) Die Asche, 1894 MALSTILE BERÜHMTER MALER 24 KUBISMUS Beispiel: Juan Gris, (1887–1907) Stilleben mit Früchteschale und Mandoline SURREALISMUS Beispiel: Salvador Dali, (1904–1989) Moment des Übergangs MALSTILE BERÜHMTER MALER 25 KONKRETE KUNST Beispiel: Max Bill, (1908–1994) Achtteiliger Rhythmus GEOMETRISCHE ABSTRAKTIONEN Beispiel: Victor Vasarely, (1908–1974) Variante Belatrix-C MALSTILE BERÜHMTER MALER 26