das Zukunftsfest Zum 90. Geburtstag von Conrad

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das Zukunftsfest Zum 90. Geburtstag von Conrad
JOHANNESHAUS
Rundschau
Winter 2011- Ausgabe Nr. 57
Weihnachten - das Zukunftsfest
Zum 90. Geburtstag von Conrad Schachenmann
Wem Gott will rechte Gunst erweisen
Am 12.11.2011 ist Jutta Lauer von uns in ihre geistige Heimat gegangen. Jutta Lauer, geprägt durch die unruhige Zeit der Weimarer
Republik und des Dritten Reiches, setzte sich Zeit ihres sehr arbeitsreichen Lebens tatkräftig für ein freies Schulwesen und die Dreigliederung Rudolf Steiners ein. Rückschläge, Hindernisse spornten sie,
auch wenn sie oft an die Grenzen ihrer Kräfte kam, nur noch weiter an. Im Juli 2007 bezog sie ihren Altersruhesitz im Johanneshaus,
um auch hier, bereits im hohen Alter, noch gestaltend mitzuwirken.
So war sie während dieser Zeit durchgängig in der Redaktion der
Johanneshaus-Rundschau tätig und gab wichtige Impulse. Bis zum Schluss waren ihr die Termine der
Redaktion ein großes Anliegen. Sie wird in unseren Gedanken weiter unsere Arbeit begleiten.
Die Redaktion
Inhalt
Tirol (Franz Marc)
3
4
5
Ursula Weidmann
Kino im Faltpavillon
6
Großmütter
7
Das Gedicht - Folge 3
8
10
10
Christian Morgenstern
Bodecker & Neander verzaubern …
Heilkräfte für Mensch und Erde
11
Ein Dialog in der polnischen Romantik
12
Junge Interpreten: Klavierduo Stegmann
23
25
26
27
Barbara M. Schönstedt
12
13
Veranstaltungen im Johanneshaus
Erinnerungen an Herbst und Winter
28
29
Gerhard Lehmann
14
16
17
17
Wenn die Börsenkurse fallen
30
Kurt Tucholsky
Rezeptvorschlag für das ganze Jahr
31
Katharina Elisabeth Goethe
Impressum
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Theodor Storm
Titelbild: Tirol von Franz Marc
2 Johanneshaus Rundschau
23
Rose Rauther
Dieter Kissel
Notizen vom Eichhof
Menschen, die zu uns gekommen sind
Menschen, die von uns gegangen sind
Leis auf zarten Sohlen
Gedanken zur Kunst der Pantomime
Annedore Friedrich, Marianne Worel
Susanne Hagemann
Diätprodukte verschwinden vom Markt
Zum 90. Geburtstag C. Schachenmann
22
Karl Michael Heel
Karin Drexler, Karin Talmon
Heileurythmie im Johanneshaus
21
Dorette Jensen
Friederike Michelsen
Ein Tag an der Pforte
20
Hans Krauss
Marga Rödelberger
So wie die Sonne
19
Lothar Hoppe
Dieter Kissel
Ein Erlebnis auf der Station 2/4
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, …
6
Ursula Weidmann
Lang ist die Zeit, …
Neuigkeiten aus dem Garten
Erika Müller
Veerle von Wedemeyer
Sterbekulturtagung am Goetheanum
18
Julia Werdermann
Karin Barkhoff
Spätherbst-Erlebnis
Wirkendes Feuer
Lothar Hoppe
Hans Krauss
Der Martinibazar
18
Hedi Delfino
Heidrun Loewer
Weihnachten - ein Zukunftsfest
Aufgaben des Heimbeirats
31
32
Tirol (Franz Marc)
Das Bild „Tirol“, das Franz Marc 1913 gemalt
und ausgestellt hatte, nahm er im gleichen Jahr
der Ausstellung wieder zurück, um es weiter zu
bearbeiten. 1914 stellte er es fertig – es wurde
sein letztes großes Werk. 1916, 36-jährig, fiel er
im Ersten Weltkrieg.
Was hatte Franz Marc dazu veranlasst, sein
bereits ausgestelltes Bild zurück zu holen? „Tirol“
1913 – ein Bild des Chaos, des Zusammenbruchs.
Harte, zackige, schiefe Formen über geduckten
kleinen Häusern und entlaubten, toten Bäumen
ziehen den Betrachter in eine Atmosphäre des
Zusammenbruchs und Untergangs.
„Tirol“ 1914 – mitten in dem bedrohlichen
Chaos ist für den genauen Betrachter eine Frau
im roten Kleid und blauen Umhang zu erkennen,
die auf einer türkisfarbenen Sichel steht und ein
Kind auf ihren Armen hält.
Dieses Motiv hat Marc dem Bild hinzugefügt,
als er es aus der Ausstellung zurück rief. In dem
Bild von 1913 nimmt der Maler die Schrecken des
drohenden Weltkriegs wie vorweg. Erst als es in
der Ausstellung hing, muss er empfunden haben,
dass dieses Grauen nicht die ganze Wirklichkeit
wiedergibt. Mit dem Motiv der Maria und dem
Kind fügt er den Schrecken der Gegenwart ein
auf die Zukunft weisendes Bild hinzu.
Hier wird die Angst vor einer zu fürchtenden
Zukunft überwunden durch ein Hoffnung tragendes Zukunftsbild.
Heidrun Loewer
Johanneshaus Rundschau 3
Weihnachten - das Zukunftsfest
So erlebte ich die Feier der Geburt Jesu zu Bethlehem als unsere Kinder noch klein waren.
Endlich wird das große, das letzte Adventskalenderfenster geöffnet, endlich am frühen Abend
läutet das Glöckchen, und in erwartungsvoller
Stimmung betreten die Kinder das Weihnachtszimmer. Sie bewundern den Lichterbaum und die
so geliebte Krippe. Nun das Vorlesen der vertrauten Weihnachtsgeschichte, einige Lieder, das Eingehen auf Fragen der Kinder, das Denken an liebe
Menschen nah und fern.
Dann irgendwann ein Innehalten, eine natürliche Pause. Denn natürlich haben die Kinder längst
die noch verpackten Geschenke gesehen. Jetzt
Jubelrufe und freudiger Dank, bei jeder weiteren
Entdeckung immer wieder erneuert.
Dann aber irgendwann, man weiß nichtrecht
wie, halten die „Großen“ plötzlich Hirtenstäbe in
den Händen, Zipfelmützen sind da, angedeutetes
Wollzeug. Denn jetzt wird das Oberuferer Christgeburtspiel aufgeführt, hingebungsvoll und immer wieder neu einsetzend. Und selbstverständlich alles auswendig. Derweil wuselt unter dem
Baum unentwegt ein kleines Wollschaf herum, bis
wir es, endlich eingeschlafen, in sein Bett tragen.
Bei alledem ist eins sicher. Ob nun durch die
Hirten oder die Priesterkönige, ob mehr oder ob
weniger bewusst, die Kinder spüren: Diese Geburt
hat eine Bestimmung, ein festes Ziel. Und das ist
die Heilsgeschichte, der Weg bis hin zur Wiederkunft des Christus.
Die sehnsuchtsvolle Erwartung dieser Zeit äußert sich für mich am deutlichsten im Barock.
Dessen Sprache ist uns fremd geworden, wir empfinden sie als „barock.“ Und doch ist es gerade diese Sprache, die bei aller Sinnenfreude zugleich in
zahlreichen gottesdienstlichen Arien am innigsten
das Verlangen der Epoche nach Erlösung offenbart. Der Mensch als „Sündenknecht“. Eine späte
Parallele hierzu finde ich noch in den klassischen
Gospelsongs. Auch hier die Freude am Diesseits
unmittelbar neben einer fast inbrünstigen Erwartung des Christus als Erlöser von der Sklaverei dieser Welt.
4 Johanneshaus Rundschau
Mir selbst aber war von allen den Liedern zur
Wiederkunft des Christus schon früh am eindrucksvollsten: „Es kommt ein Schiff ... „ Zunächst
machte das wohl die Melodie, später dann die
unübertreffbar klare und einfache Gewissheit der
Botschaft.
Gleich im ersten Vers der ersten Strophe verlangt die Grammatik ein obligatorisches Komma
nach „Schiff“. Hier ist die Ruhepause im Vers und
nicht an seinem Ende, das ohne Pause in den zweiten Vers überleitet. Die Melodie begleitet das nicht,
dennoch versuche ich, immer darauf zu achten.
Während der Komponist bekannt ist (Daniel Sudermann, 1550-1631), wird als Dichter mit einem
Fragezeichen („nach Tauler“) dieser zweihundert
Jahre frühere Mystiker genannt. Es könnte aber,
denke ich, ebenso der irgendwann einmal endgültig fixierte Text die Endstufe einer längeren Entwicklung sein, ähnlich wie bei den Epen Homers.
Das Bild des Schiffes für die christliche Kirche,
für den Christus, ist sehr alt, schon die Katakombenchristen lebten damit. Späte Theologen haben dann diesen Vergleich in verspielter Manier
überstrapaziert und damit entwertet bis hin zur
Decklast des Schiffs als dem heiligem Grab. Hier
dagegen ist alles mit sparsamsten Mitteln auf das
Wesentliche begrenzt: Das Schiff als Transportmittel, als Gefäß für den kommenden Christus:
„Der Sohn ist uns gesandt.“
Natürlich muss das Schiff ein Segler gewesen
sein, ist es für mich noch heute, hochbordig ist
es, hören wir, ein ansehnliches Schiff, gewiss ein
Zweimaster. Er segelt „im Triebe“, diese heute vergessene Bedeutungsvariante weist uns wieder auf
das hohe Alter des Textes hin.
Das Schiff hält, bei ruhiger See, einen stetigen, langsamen, aber unaufhaltsamen Kurs, sein
„Kommen“ weist bereits auf sein Ankommen, auf
sein Ziel voraus, dem es, nach Verlassen des Ankerplatzes, Hafen für Hafen, eine weitere Strecke
näher kommt, der Christus ist schon in der Erdatmosphäre angekommen, langsam, unaufhaltsam
kommt er zu uns, alle Jahre wieder seit Bethlehem.
Hans Krauss
Der Martini-Bazar – ein Höhepunkt im Jahreskreislauf!
Seit Jahrzehnten ist unser Martini-Bazar am
ersten Sonntag im November ein wichtiger Tag,
den sich Hunderte Menschen aus Nah und Fern
dick im Kalender anstreichen. Und jedes Jahr ist
es das gleiche Spiel: kein freier Parkplatz ist mehr
zu finden, und lange vor der Eröffnung sind Foyer
und Saaleingänge von Besuchern belagert - jeder
will zu den ersten gehören, wenn sich die Türen
Punkt 14:30 Uhr öffnen.
Der Martini-Bazar hat eine lange Tradition und
feste Gepflogenheiten, an denen nicht gerüttelt
wird. So sind es nach wie vor die Bewohner, die
ihre ganze Kraft Wochen und Monate vorher
für Planung und Organisation des Bazars aufwenden. Jeder neu eingezogene Bewohner wird
gleich umworben, sich hier einzubringen. Ein
Rückzug davor ist noch keinem geglückt  Unterstützung kommt auch von den Mitarbeitern und
vielen Ehemaligen, die beim Bazar ehrenamtlich
ihre Sonntagsfreizeit in den Dienst der guten Sache stellen und Seit‘ an Seit‘ mit den Bewohnern
mit Freude mit von der Partie sind.
Im Festsaal finden sich die angestammten
Plätze für das umfangreiche, gut bestückte Antiquariat, den Verkauf von Tisch- und Leibwäsche sowie Leder- und Kurzwaren. Auf der umlaufenden Galerie ist der Möbel-, Teppich- und
Gemäldeverkauf, wo man mit etwas Glück antike
Schätze finden kann. Im Eurythmieraum werden
Kleider verkauft, im unteren Foyer geben sich die
leckeren Spezialitäten der Gärtnerei ein Stelldichein mit dem verführerischen Duft der Waffelbäckerei, und in der Cafeteria ruhen sich die
vom Einkauf müden Menschen aus. Dort gibt es
eine große Auswahl leckerer süßer oder herzhafter „Magendrazerln“ (bayerischer Ausdruck für
lukullische Leckereien) und erfrischender warmer
und kalter Getränke.
Im oberen Foyer und verschiedenen Räumlichkeiten rund um die Ladenstraße locken liebevoll gestaltete Stände: Bücher und exklusive
Geschenkartikel, Handarbeiten, Holzspielwaren
und Perlenschmuck, nützlicher Hausrat – ja sogar homöopathische Salben und Tinkturen für
das kleine oder größere Wehwehchen werden
feilgeboten. Für Kinder gibt es Märchenlesungen
und für Musikfreunde Violinenmusik.
Neu in diesem Jahr: Der Förderverein des Johanneshauses hat sich mit einem Informationsstand im Foyer präsentiert und hatte sehr viel
Zulauf. Es galt bei einem Preisrätsel alle Fragen
richtig zu beantworten, wenn man einen der
vielen attraktiven Preise gewinnen wollte. Teilnehmen an diesem Ratespiel durfte aber nur der,
der das Spendenschweinchen des Fördervereines
auch fütterte.
Bis abends um sechs Uhr herrscht immer ein
reges Gewimmel, und man trifft viele bekannte
Gesichter. Es ist eben nicht nur ein Bazar, sondern
auch ein „Sehen-und-gesehen-werden“, ein Wiedersehen mit Freunden, Bekannten und anderen
lieben Menschen
Erst spät kommen alle, Bewohner wie Mitarbeiter, zur Ruhe und nach Hause. Und auch erst
spät spüren alle ihre müden Füße, denn während
der vielen Stunden hatte jeder so viel zu tun, dass
keiner es merkte, wie lange man auf den Beinen
war. So ging es auch mir, ich war abends zwar
rechtschaffen müde und wollte nur noch heim
auf die bequeme Couch, freute mich aber zugleich schon wieder auf den zweiten Novembersonntag 2012, wenn es dann wieder heißt „Der
Martini-Bazar ist eröffnet!“
Ursula Weidmann
Johanneshaus Rundschau 5
Kino im Faltpavillon?
Spätherbst-Erlebnis
Nein, da müssen wir enttäuschen. Es wird kein
Freilichtkino im Johanneshaus geben. Was das
Kino mit dem Faltpavillon verbindet, ist, dass beide aktuelle Projekte des Fördervereins sind. Den
Pavillon haben sich die Therapeuten des Hauses
gewünscht, um, wenn es sie mit Bewohnergruppen in den Garten zieht, geschützt zu sein vor
zu starker Sonnenbestrahlung oder plötzlich
einsetzendem Regen. Das ist aber nur praktikabel, wenn der Pavillon schnell und unkompliziert
auf- und abzubauen ist - und ein solcher soll es
sein. Der Förderverein wollte sich hier gerne einsetzen und nutzte den anstehenden Martini-Bazar, um für Spenden zu werben. Verbunden war
die Spendenaktion mit einem Preisausschreiben
mit Fragen zum Förderverein, an dem man gegen
eine Spende für das Zelt teilnehmen konnte. Die
attraktiven Preise für das Preisrätsel wurden von
einigen nicht nur ortsansässigen Firmen zu Verfügung gestellt, denen wir noch einmal an dieser
Stelle ganz herzlich danken. Einen ganz besonderen Dank möchten wir der Linden-Apotheke und
der Enz-Apotheke aussprechen, die uns mit einer
wirklich großen Anzahl an Preisen bedacht haben. Es haben sich viele Martini-Bazar-Besucher,
auch etliche Bewohner und Mitarbeiter an unserem Stand über den Förderverein informiert und
unser Spendenschwein gefüllt. Dem Faltpavillon
steht nun nichts mehr im Wege. Ein herzliches
Dankeschön den Spendern!
Das Kino im großen Saal war bereits fester
Bestandteil im Veranstaltungsprogramm des Johanneshauses, bis es aus Zeitgründen der Mitarbeiter „einschlief“. Der Ruf der Bewohner, die
Filmvorführungen mögen doch bitte wieder
stattfinden, hat auch den Förderverein erreicht.
Nachdem er vor Jahren die technischen Voraussetzungen, Anschaffung eines Beamers, für das
Kino geschaffen hatte, hat der Förderverein nun
das gesamte Procedere der Filmvorführungen ab
2012 übernommen. Genaueres hierzu im Frühjahrsheft.
Karin Barkhoff
Oh ein verletztes Vögelchen
taumelt da aus dem Baum –
aber nein
ein letztes trockenbraunes Blatt
das gestern
dem Sturm noch getrotzt
entschloss sich
loszulassen
hinabzusegeln
frei
zu den früher gefallenen
wartenden Brüdern
unten
ihr Winterschicksal teilen
Veerle von Wedemeyer
In Verantwortung
fŸr unsere Kunden,
fŸr unsere Umwelt
setzen wir auf
QualitŠt.
Seit Ÿber 40 Jahren!
ParfŸmerie, Foto und Reformhaus
Nieferná Hebelstra§e1 á Tel. 07233-3934
6 Johanneshaus Rundschau
Sterbekulturtagung
am Goetheanum
Aus Gottes Sein erstand die Menschenseele,
Sie kann in Wesensgründen sterbend tauchen,
Sie wird dem Tod dereinst den Geist entbinden.
(Rudolf Steiner)
Bereits zum dritten Mal fand am Goetheanum
die Sterbekulturtagung statt, dieses Jahr vom 18.
– 20. November unter dem Titel „Das Leben im
Tode“. Vom Johanneshaus nahmen Nicole Heidt
(Wohnbereichsleitung WB 2/4), Adelheid Kast
(Wohnbereich 3/1), Barbara Nottebaum (Sozialdienst) und Ursula Weidmann (Sozialdienst) und
für die Christengemeinschaft Veronika Kietzig als
Gemeindehelferin an der Tagung teil.
Steiner hat nun der Menschheit geholfen, dieses
Gebiet tiefer, genauer und lebendiger zu verstehen. Dadurch kann erlebbar werden, dass der Tod
zum Leben gehört, dass die Toten im Geistgebiete
weiterleben und am vergangenen Schicksal weiterarbeiten. Nichts, was im Leben geschieht, ist
dabei vergebens. Dann entsteht die Sehnsucht,
zurück auf die Erde zu kommen, um da als irdische Menschen das eigene Schicksal zu korrigieren.“ (Quelle: Tagungsprogramm, Vorwort von Dr.
Virginia Sease und Päivi Lappalainen)
Am ersten Tag nahmen wir an einer Exkursion
zum „Hörnli“, Basels großem Friedhof mit Krematorium für Basel-Stadt und Basel-Land, teil. Zurück im Goetheanum wählte dann jede von uns
den Besuch der Arbeitsgruppen aus, die für die
persönliche Intention in Verbindung mit der Arbeit im Johanneshaus passend war. Für uns fünf
konnten die Voraussetzungen nicht unterschiedlicher sein: für manche war das Goetheanum und
die Begegnung mit der Anthroposophie Premiere, für andere ein Wiedersehen. Doch gemeinsam
war uns, dass wir für unsere Arbeit im Johanneshaus einen großen Erkenntnisschatz mitgebracht
haben.
Ursula Weidmann
B. Nottebaum, V. Kietzig, N. Heidt, U. Weidmann und A. Kast
„Im Jahr des 150. Geburtstages Rudolf Steiners blicken wir auf seine bedeutende Tat, mit
der er für unsere Zeit das Bewusstsein in völlig
neuer Weise auf den Tod gelenkt hat. Er hat nicht
nur viele Fragen um den Tod herum erörtert,
sondern auch beschrieben, wie der Mensch nach
dem Tode weiterlebt. Früher hatten die Menschen
in der allgemeinen Kultur nur sehr undeutliche
Vorstellungen über die Verstorbenen; nur wenige Menschen hatten bildhafte, leibfreie Begriffe,
Gedanken oder Einsichten vom jenseitigen Leben. Auch in den Evangelien sind manche Imaginationen über den Himmel geschildert. Rudolf
Johanneshaus Rundschau 7
„Lang ist die Zeit, es ereignet sich
(F. Hölderlin)
aber das Wahre.“ Aspekte der Demenz aus der Sicht einer erweiterten Heilkunst
In einem umfangreichen Artikel in der Pforzheimer Zeitschrift „Generationen im Dialog,
2/2011“ führt Dr. Kissel den Leser in die Denkansätze der anthroposophischen Menschenkunde
und Medizin ein. Wir geben im Folgenden aus
dem zweiten Teil des Artikels den Inhalt wieder,
möchten aber gleichzeitig auf den gesamten
Artikel in dem angegebenen Heft aufmerksam
machen.
… In dem Grundlagenwerk zur anthroposophischen Medizin von Dr. Rudolf Steiner und Dr. Ita
Wegmann finden wir im Anfangsteil die folgende
auf- und anregende Ausführung, die wir thematisch weiter beleuchten wollen:
„Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des
menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft. Und diese
Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen webenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft.“
Die Pathologie im Äther- oder Bildekräfteleib,
die bei der Demenz auftritt, hat zwei Aspekte, die
alle etwas mit dem Begriff oder Phänomen ZEIT zu
tun haben. An anderer Stelle spricht die anthroposophische Menschenerkenntnis auch vom Ätheroder Zeitenleib.
Der Zerfall des Tagesrhythmus und auch des
Lebensrhythmus ist etwas, das wir in jeder Phase
der Demenzkrankheit finden können. Der Mensch
- könnte man sagen - nimmt Abschied vom Erdenrhythmus und gerät in den eigenen Schicksalsrhythmus, die Seele sucht neue Tore, neue freie
Zeiten; das Vergessen ist vielleicht eine Gnade, die
es ermöglicht, ungelöste (Karma)Aufgaben zu bearbeiten.
8 Johanneshaus Rundschau
Schon im Bewusstsein des „normalen“ Menschen gibt uns die Zeit viele Rätsel auf. Wie verläuft
beispielsweise die Zeit im Traumbewusstsein? Wie
empfinden wir die Zeit in einer Prüfung oder die
Zeit an einem Sonnentag in den Bergen?
Wenn schon im Bewusstsein des normalen Menschen die Zeit zum Rätsel werden kann, was ist
sie dann für den Demenzkranken? In welcher Zeit
lebt er? Woher kommt der Wechsel des Tag-NachtRhythmus? Warum muss die 85jährige alte Dame
ihre Söhne (10 und 12 Jahre alt) von der Schule
abholen? Oder die andere Dame gleichen Alters, die
ihre kranken Eltern besuchen will/muss. Ist die Gegenwart nicht mehr wichtig? Oder sind Gegenwart
und Vergangenheit zusammengeflossen?
Wie bereits dargestellt, betreffen auffallende
Abnutzungsvorgänge die Sinnesorgane, die immer
weniger funktionstüchtig werden. Die Linse des
Auges verliert ihre Anpassungsfähigkeit, und die
Strukturen im Innenohr verhärten sich oder bilden
sich zurück.
Die Instrumente werden immer weniger brauchbar, mit denen sich der Mensch die Erfahrungen
in der äußeren Welt innerlich deuten konnte. Die
Abkehr vom Hier und Jetzt der Sinnenwelt wird
leiblich-organisch manifest. Der Rückzug vom
äußeren Leben ist aber die Voraussetzung für die
Ausbildung eines reichen inneren Lebens. Bewusstseinsarbeit ist grundsätzlich erst möglich in der Distanz zur Welt.
Man kann diese Erscheinungen als Defizit betrachten, sie sind aber auch eine Möglichkeit eine
innere Bereicherung zu haben.
Wie die Sinnesorgane und das Bewegungssystem verändert sich auch das physische Organ, mit
dem sich der Mensch in Zeit und Raum orientiert.
Es tritt ein Prozess ein, den man als dementielle
Entwicklung bezeichnet Hier hat sich die innere
Bewusstseinstätigkeit: Vorstellungen, Bilder, Absichten, Denkprozesse, Deutungen usw., in gewisser
Weise verselbständigt. Es entsteht ein abgetrennter, eigenständiger, in sich geschlossener Bewusstseinsraum, der in keinem oder zumindest nur in
einem außerordentlich lockeren, nicht zu kontrollierenden Zusammenhang mit den Gegebenheiten
der äußeren Situation steht. Die verwirrten alten
Menschen finden sich nicht nur nicht mehr in ihrer
Umgebung zurecht, sondern sie produzieren sich
sozusagen eine ganz eigene, verrückte Umwelt, die
für sie momentan subjektiv ganz real ist.
Michael Brater und Günter Kaul führen in ihrem
Buch: „Altenpflege“ dazu richtig aus: Die Bewusstseinsinhalte, die im Falle der Altersverwirrtheit das
Handeln lenken, beziehen sich also offenbar nicht
mehr auf die aktuelle Situation, in der gehandelt
wird, sondern sie stammen aus ganz anderen Bereichen. Ganz vom Phänomen her kann man vielleicht
sagen: Die Umwandlung von Leben in Bewusstsein,
von der zuvor die Rede war, ist hier in dem Sinne
zu weit vorangeschritten, dass die Lebensprozesse das Bewusstsein zu weitgehend freigeben, dass
zu viel inneres Leben - ohne Bezug zum äußeren
- entsteht, das dann auch nicht mehr an der Erfahrungswelt orientiert oder geprüft werden kann….
Man muss versuchen diese Bilder zu verstehen, die
das Bewusstsein der alten Menschen »besetzen«
(und die uns eben als »Verwirrtheit« erscheinen,
weil wir sie zunächst nicht deuten können und weil
sie keinen unmittelbar einsichtigen Bezug zur Situation haben):
1.
Die erste Form von Bildern stammt
aus bestimmten Abschnitten der Biographie.
Angeregt durch Namen, Gerüche oder Eindrücke schieben sie sich vor die Wahrnehmung
der gegenwärtigen Welt, und der Mensch
taucht ein in eine eigene Wirklichkeit.
2.
Die nächste Form der Bilder oder
Bewusstseinszustände kommt aus der verfremdeten Wahrnehmung körperlicher Zustände. Die verwirrten Menschen fühlen sich
bestohlen (=Verlust der körperlichen Kräfte),
andere fürchten sich vor dem Ausziehen der
Tageskleider.
3.
Manchmal erlebt der demente
Mensch in den verfremdeten Bewusstseinszuständen zerstörerische und selbstzerstörerische Impulse aus dem Unbewussten, Kräfte,
die er früher unterdrücken konnte und die
gewissermaßen das Gegenbild seiner Persönlichkeit darstellen und sich jetzt in Wut, herausforderndem Verhalten, Wahnvorstellungen
oder unflätigen Beschimpfungen äußern.
Diese unterschiedlichen Bilderwelten verlangen
zweifellos auch ganz unterschiedliche Formen der
Behandlung durch den Pflegenden. Schon hier ist
eine erste grundlegende Aufgabe für diejenigen
erkennbar, die mit verwirrten alten Menschen umgehen, nämlich die, zu lernen, diese Bilderwelten
zu unterscheiden und immer besser zu verstehen.
Immer wird hier das Nicht- Tagesbewusstsein des
alten Menschen »Empfangsorgan« für nichtsinnliche, nicht physisch in Erscheinung tretende Realitäten sehr unterschiedlichen Ursprungs. Deshalb
sind diese Bilder auch in jedem Fall als solche ernst
zu nehmen und nicht als pure Verrücktheit abzutun
- auch wenn Außenstehende sie nicht verstehen.
»Krankhaft« sind all diese Zustände, weil sie
heute von den Betroffenen eben in keiner Weise
kontrollierbar oder herstellbar sind. Es wird für den
Ansatz der Pflege dieser verwirrten alten Menschen
u. a. darauf ankommen, ob man einen liebevollen,
verständnisvollen Weg zum Kranken findet. Auch
im Falle der Altersverwirrtheit ist damit jener oben
ausführlich dargestellte Gedanke der Wandlung
von Leben in Erleben, von Lebens- in Bewusstseinsprozesse leitend.
Die eben dargelegten Ausführungen zeigen,
wie wichtig die menschliche Biographie für das
Verständnis des Demenzkranken ist. Deshalb ist es
wichtig, über möglichst viele Seiten Hinweise über
die Persönlichkeit und ihre Entwicklung zu erhalten. Daraus kann manche besondere Pathologie
oder einfach nur Verhaltensweise klar werden.
Provokativ ist vielleicht eine andere Folgerung
aus dem Dargelegten: Wir betrachten den anderen
in seiner Demenz nicht primär aus seiner Pathologie, sondern als Mensch, der auf seinem Lebensweg
unterwegs ist und uns sogar selber Hinweise zum
Umgang geben kann: Der Demenzkranke ist unser
Lehrer geworden.
Dr. Dieter Kissel
Literaturhinweise
Rudolf Steiner, Ita Wegmann: Grundlegendes zur Erweiterung
der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen.
Dornach 1925; Michael Brater, Günter Kaul: Altenpflege. Stuttgart 1990; Dieter Kissel, Rumi Reitsma: Der alte Mensch. Pflege
und Therapie. In: Anthroposophische Medizin. Ein Weg zum Patienten. Stuttgart 2004
Johanneshaus Rundschau 9
Ein Erlebnis auf der Station 2/4
Im Sommer oder Frühherbst 1999 beim Mittagessen: etwa 10 oder 12 Patienten sitzen an
einem großen Vier-Eck von zusammengestellten
Tischen, in weitem Abstand voneinander. Sie können einander gut in den Blick fassen, beobachten.
Das Mittagessen wird still eingenommen.
Ich habe mir an einer Ecke einen Hocker hingestellt, helfe rechts von mir einem Patienten,
einem früheren Arzt. Er war fast 50 Jahre lang
hochgeschätzter Allgemeinmediziner, Hausarzt
zahlreicher anthroposophischer Familien, seit
1998 nun als ein an Demenz erkrankter Heimbewohner im Johanneshaus. Links von mir sitzt eine
Bewohnerin, der ich das Essen reiche.
In die Stille kommt plötzlich laute Bewegung!
Mir gegenüber springt ein Bewohner zornrot auf,
fuchtelt erregt mit beiden Armen und ruft, Antwort heischend: „Was soll ich machen?! Meine
Frau ist unverschämt!!!“
Mein kurzer Blick in die Runde erfährt: Jeder
Tischgenosse zeigt nur für seinen eigenen Teller Interesse. Jeder bemüht sich, die Schelte zu
überhören. Da: Der Bewohner wiederholt seinen
Ruf! Wieder keine Reaktion?! Dann: Der Bewohner stürmt von seinem Platz aus um die Tische,
hält rechts von dem Doktor neben mir an, macht
etwas wie ein Verbeugung und ruft noch aufgebrachter, noch dringender: „Herr Doktor! Was soll
ich machen?! Meine Frau ist unverschämt!!!“
Nun denkt keiner der Tischgenossen mehr an
seinen Teller. Es ist wie im Theater: Zwei Hauptdarsteller werden bestaunt und: Siehe da! Der
Doktor ist plötzlich anwesend in seiner Menschlichkeit als Arzt: Er hebt den Löffel in Ruhe hoch
auf wie ein Zepter, schaut dann den anderen
Bewohner voll an und – indem er den erhobenen Löffel betont bedachtsam auf den Tisch zurückführt, hören wir nun alle die Anweisung des
Arztes: „Fragen Sie Ihre Frau, wie es ihr geht!“ …
Der Bewohner steht mit offenem Mund still da,
… ringt um Fassung, ... dann bricht es aus ihm
heraus: „Was soll ich tun?? Was?? Ich soll meine
Frau fragen, wie es ihr geht?!!“
Es ist wie eine Art Fanfarenstoß.
10 Johanneshaus Rundschau
Der Doktor geht auf ihn ein. Auf seine Art – die
ruhige, überlegene Art des Arztes. Der Bewohner
wartet, mit allen Fasern gespannt. Auch wir Zuschauer, wir Zuhörende sind weit mehr als nur
„normalanwesend“.
Da: Der Doktor ergreift von neuem seinen abgelegten Löffel und spricht, wie zuvor in großer
Ruhe: „Fragen Sie Ihre Frau, wie es ihr geht!“
Der Bewohner m u s s es nun verstehen! Er
schluckt gewissermaßen die herbe Medizin, verbeugt sich leicht, lässt ein deutliches „Danke, Herr
Doktor!“ hören, geht still an seinen Platz zurück
und wendet sich wieder seinem Essen zu.
Die allgemeine Stimmung hat sich verändert:
ein leises Aufatmen ist spürbar. Ein jeder von uns
Anwesenden hat Staunenswertes erlebt. Die Stille ist wohltuend, und das Mittagessen schmeckt
wieder.
Dieser ganze Vorgang hat mich intensiv erleben lassen: Die Demenzerkrankung verändert die
Fähigkeiten des Patienten, nicht aber sein Wesen!
Der Doktor hatte offensichtlich alles wach verfolgt. Er war nicht abgetaucht in ein Niemandsland, in Unbedeutung für die Mitmenschen. Er ist
– trotz dieser Krankheit – maßgebend geblieben
für das Johanneshaus als ein nach Wahrheit strebender liebevoller Menschenbruder, der er sein
Leben lang gewesen war.
Marga Rödelberger
So wie die Sonne
allseitig strahlend
ihr Licht uns Menschen verschenkt:
So sollen auch wir
liebe- und wärmewirkend
die Welt beschenken.
Friederike Michelsen
Ein Tag an der Pforte
Früh um sieben öffnet die Pforte ihr Tor
und die ersten Leute stehn schon davor.
Die Reinigungskräfte bekommen ihre Schlüssel
die Zeitung zum Frühstück möchte keiner vermissen.
Das Telefon beginnt zu klingeln,
„ Ja, gerne werd ich weiter verbinden.“
dies alles nur der Pforte sagen
was wir selbst nicht können,
werden wir weiter tragen.
Turbulent geht’s oft zu, wenn der Postbote
kommt,
denn jeder Bewohner freut sich, wenn er Post
oder Pakete bekommt.
Auch Gäste sind uns stets willkommen
sie können im Johanneshaus ein Zimmer bekommen.
Verschiedenste Wnüsche werden angenommen
„Ich kann heute nicht zum Essen kommen!
Gibt’s schon den neuen Speiseplan?
Oder das Kulturprogramm?
Tragen sie mich ein für die Einkaufsfahrt!
Ich werde verreisen, bitte melden sich mich ab!
Können sie mir einen Schlüssel borgen?
Brief- und Wäschemarken möchte ich mir besorgen!“
Und sollte der Tag mal langweilig sein,
dann schaun Sie doch mal bei der Pforte rein.
Der Aufzug klemmt, das Licht defekt
ein Bild hängt schief, der Gang verdreckt....
Ob Bewohner, Mitarbeiter oder andere Leut alle werden von uns gerne betreut!
Und weil dies so viele verschiedene Aufgaben
sind,
tippen wir alles in den Computer geschwind.
Das hilft uns dann beim Wiederfinden,
denn es darf ja nichts verschwinden.
Die Pfortedamen
Die Pfortedamen Martina Kramer, Karin Drexler, Gabriele Garbatzki; es fehlt : Karin Talmon
Johanneshaus Rundschau 11
Heileurythmie im Johanneshaus
Die Heileurythmie ist eine Bewegungstherapie,
die von Rudolf Steiner inauguriert wurde. Die Bewegungen stehen im Zusammenhang mit den Lauten der Sprache und kosmischen Kräften, die im
Menschen wirksam sind und durch die Bewegungen verstärkt werden, sodass der kranke Mensch
wieder in ein Gleichgewicht kommt.
Vom Beginn dieses Hauses an wurde hier die
Heileurythmie für die Bewohner durch Ilse Horny und auch Ilse Meußdörffer angeboten. Vor 14
Jahren übernahm ich die Nachfolge. Ich hatte sehr
lange nach meiner Lebensaufgabe gesucht und auf
meinem Weg über verschiedene Ausbildungen (Erzieherin, Musikerin, Eurythmistin, Heileurythmistin) diese dann im Johanneshaus gefunden.
Die Heileurythmie kann in jeder Situation den
Menschen hilfreich sein, auch wenn der Patient
selbst die Übungen nicht ausführen kann und nur
zuschaut, wie der Heileurythmist sie für ihn ausführt. In der Sterbephase kann sie dem Menschen
helfen, zur Ruhe zu kommen und in Frieden loszulassen. Es gibt auch viele Krankheitssituationen im
Alter, bei denen die Heileurythmie sehr hilfreich ist,
z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knochenbrüche,
sklerotische -, allergische - und Stoffwechselerkrankungen und vieles mehr.
Manche Patienten kommen epochenweise, andere viele Jahre und werden bis über die Schwelle
hinweg begleitet.
Wenn Sie die Heileurythmie selbst kennenlernen
möchten, können Sie gern über eine Nachricht an
der Pforte Kontakt mit mir aufnehmen.
Susanne Hagemann
Diätprodukte für Diabetiker verschwanden vom Markt
Über sechs Millionen Menschen leiden in
Deutschland an Diabetes. Kein Wunder also, dass in
Supermärkten, Drogerien und Reformhäusern viele
Lebensmittel angeboten wurden, die allen Diabetesgeplagten Genuss versprachen.
Doch diese speziellen Marmeladen, Kekse oder
12 Johanneshaus Rundschau
Aufstriche für Diabetiker entsprechen in ihrer
Zusammensetzung nicht mehr den aktuellen Ernährungsempfehlungen. Nicht selten enthielten
Diabetikerprodukte mehr Fett und Kalorien als
die normale Variante. Die Folge war, dass die Patientinnen und Patienten zu viele Kalorien zu sich
nahmen. Die daraus folgende Gewichtszunahme
verschlechterte aber ihre Stoffwechseleinstellung.
Außerdem verleitete die Aufschrift "Diät" zu der
falschen Annahme, man könne mehr davon essen
als von anderen Nahrungsmitteln.
Die Süße war ein weiteres Problem. Viele Diabetikerprodukte waren mit dem Fruchtzucker "Fructose" gesüßt. Essen Diabetiker jedoch zu viel davon,
kann das zu einer Verschlechterung ihres Stoffwechsels führen.
Besondere Lebensmittel für Diabetiker wie zum
Beispiel bestimmte Kuchen, Fruchtsäfte und Biere
sind daher überflüssig. Sie sind zu fett, zu kalorienreich, zu teuer - so die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Personen mit "Diabetes mellitus" brauchen keine speziellen diätetischen Lebensmittel. Die Experten der wissenschaftlichen Fachgesellschaften
empfehlen, sich wie die Allgemeinbevölkerung zu
ernähren. Das bedeutet: wenig Alkohol zu trinken,
nicht zu viel Zucker zu sich zu nehmen und nicht
zu fett zu essen. Schokolade, Chips, Wurst und
Käse sind nur in Maßen empfehlenswert. Dafür
sollten aber täglich Obst, Salat, Gemüse und fettarme Milchprodukte auf den Tisch kommen. Beim
Kochen kann Butter durch Öl ersetzt werden. Viele
Ballaststoffe wie Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte gehören mit auf den Speiseplan.
Der Austausch von Zucker gegen andere Süßungsmittel bringt für Diabetiker keine Vorteile. Die
früher übliche Deklaration von Broteinheiten (BE),
also der Kohlenhydratmenge von Lebensmitteln,
wird nicht mehr als sinnvoll oder hilfreich angesehen. Denn Menschen mit Diabetes haben nicht
nur einen gestörten Zuckerhaushalt. Auch der Fettund Eiweißstoffwechsel ist beeinträchtigt.
Lebensmittel dürfen nun nicht mehr als für Diabetiker geeignet gekennzeichnet und in den Verkehr gebracht werden.
aus: Regierung Online
Zum 90. Geburtstag von
Conrad Schachenmann
Sehr verehrter, lieber
Herr Doktor Schachenmann,
Vorstand, Beirat, Geschäftsführung und die
Gemeinschaft des Johanneshauses grüßen
Sie ganz herzlich zu Ihrem Geburtstag.
An seinen Kindern merkt man, dass die Jahre vorbei geflogen sind. Ihr Kind Johanneshaus hat nunmehr die „Hälfte des Lebens“
erreicht und erfreut sich über das Geschaffene.
Ohne Ihre Ideen und Ihre Beharrlichkeit
wäre dieses Kind auf dem Eichhof nie geworden. Ihre Vorausschau und Ihre Schöpferkraft haben viel bewirkt, wir konnten
jetzt auch Ihren fortwährenden Bau- und
Gestaltungsimpuls fortsetzen im Neubau
des „Ernst-Zimmer-Hauses“, einem Haus
für Demenzkranke, das die Geschichte Ihres
Johanneshauses weiter schreiben wird.
Herzlichen Dank sagen wir, und wir wünschen Ihnen alles das, was man zu einem
solchen großen Geburtstag wünschen
kann.
Das Geheimnis des Fuchses aus dem kleinen
Prinzen lebt auch aus Ihrer Persönlichkeit:
Man kann nur mit dem Herzen sehen, das
Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
Und manchmal vermögen wir dieses für einen Augenblick zu sehen.
Im Oktober 1974 eröffnete Dr. jur. Conrad
Schachenmann zusammen mit Gleichgesinnten
das Johanneshaus. Vorausschauend hatte der
Schweizer Anthroposoph die Senioreninitiative
Hägelberg begründet, mietete dann den leer stehenden Eichhof an und begründete das „Zentrum
für Lebensgestaltung im Alter“, das aus der anthroposophischen Menschenerkenntnis Lösungen
zur Altersfrage finden sollte und das eben mehr
sein sollte als eine Verwahranstalt für alte und
pflegebedürftige Menschen.
Sehr schnell waren die Zimmer belegt, ältere
Menschen aus ganz Deutschland (und Europa)
drängten herein, und es entstand ein blühendes
kulturelles und anthroposophisches Leben.
Dr. Schachenmann hatte ein erfolgreiches Unternehmen in der Schweiz um der neuen Aufgabe willen verlassen, sein Unternehmertum setzte
sich am Johanneshaus fort. Es entstanden mit
dem Anbau, mit dem gelben und grünen Haus,
mit dem Saalneubau, den Aufbauten in Haus1, 2
und 3 rasch neue Lebenswelten für die 350 Bewohner.
Die enge Nachbarschaft zu einer anthroposophischen Klinik, die Besetzung der eigenen Hausund Heimarztstelle waren für Dr. Schachenmann
Voraussetzung, dass sich die Menschen auch in
Krankheitssituationen geborgen fühlen konnten.
Das Erfolgkonzept setzte sich fort, der Eichhof
konnte bald übernommen werden als Eigentum.
Mit einem eigenen Zweig der anthroposophischen Gesellschaft, den regelmäßigen Klassenstunden, der Christengemeinschaft, den vielen
Vortragsveranstaltungen zu den Festeszeiten
und durch das Jahr und mit der Begründung der
ganz speziellen Aussegnung für die Verstorbenen
initiierte Dr. Schachenmann zusammen mit der
Lebensgefährtin Gisela Gaumnitz ein reiches anthroposophisches Leben.
Nach einer schweren Krankheit, die Dr. Schachenmann zu Weihnachten 1990 in Todesnähe
brachte, begann die Phase der Neuorientierung
im Johanneshaus, wie das oft in den Pionierphasen einer anthroposophischen Einrichtung geschieht.
Nach der Feier zum 20jährigen Bestehen der
Einrichtung 1994 verließ der Gründervater den
Eichhof in einen wohlverdienten Ruhestand.
Bekanntermaßen war die Fortführung der
Einrichtung am Eichhof für die Nachfolger keine leichte Aufgabe, auch aufgrund einer veränderten Alterswelt: Auf 17 Jahre Aufbruch in der
Verantwortungszeit von Doktor Schachenmann
folgten 17 Jahre Umbruch und Neugestaltung
und mit dem Neubau der Demenzeinrichtung
endlich wieder ein zukunftsweisender Impuls
Dieter Kissel
Johanneshaus Rundschau 13
Foto: Stefan Kreuzer
Notizen vom Eichhof
Johanneshaus goes BIO.
Wenn man auf seinen Körper achtet, geht es
auch dem Kopf besser“, sagte einmal Jil Sander,
deutsche Modeschöpferin. ...Besser noch geht es
dem Kopf (und nicht nur dem Kopf), wenn man
auf die Herkunft der Produkte schaut.
Ab dem 01.01.2012 dürfen wir für unsere
Schafsprodukte endlich auch sagen und schreiben, dass wir "Bio" sind, da wir nun regelmäßig
von einer ÖKO-Kontrollstelle für unsere biologisch und ökologisch korrekte Wirtschaftsweise
geprüft werden. Wir arbeiten zwar seit über 30
Jahren in Park, Garten und auf den Wiesen ohne
Einsatz von Chemie und künstlichen Düngern,
aber, wie gesagt, ohne Kontrolle von außen. Nun
dürfen wir das auch ganz öffentlich bekennen.
Für unsere Schnittblumen, Küchenkräuter und
natürlich unsere vielen leckeren Kräuterteemischungen gilt das Bio schon seit dem 01.01.2011.
Für unsere Schafe gilt das erst 2012, weil wir sie
mit unserem Heu aus dem letzten Jahr, das damals noch nicht Bio war, noch bis zum Juni gefüttert bzw. zugefüttert haben.
Also, ab jetzt gilt sozusagen offiziell: Johanneshaus goes BIO.
Stefan Kreuzer
14 Johanneshaus Rundschau
Diplome und Traumnoten für Sarah D’Heer
und Ursula Weidmann
D’Heer, examinierte Altenpflegerin, ist seit
vier Jahren im Johanneshaus und wurde 2008
zur kommissarischen Wohnbereichsleitung des
Wohnbereiches 3/4 bestellt. Gleichzeitig begann
sie am Diakonischen Institut Stuttgart die Weiterbildung zur Wohnbereichsleitung, die sie im
Sommer 2011 mit der Note 1,5 abschloss.
Ursula Weidmann ist seit 2009 im Johanneshaus. Die Fachkraft für Sozialpädagogik und
Kommunikationswirtschaft berät im Sozialdienst
u.a. zu allen relevanten sozialrechtlichen Themen, führt als Fallmanagement (Case Mangement) Einzelfallhilfe für Menschen in besonderen Lebenssituationen durch und kümmert sich
um die Pressearbeit des Johanneshauses. Letztes
Jahr begann U. Weidmann die einjährige Weiterbildung zur „Case Managerin DGCC“, die die
Hans-Weinberger-Akademie der AWO in Kooperation mit der Universitätsklinik Regensburg
veranstaltet. Im Oktober 2011 schloss sie mit der
Note 1,5 für ihre Diplomarbeit „Neuausrichtung
Sozialdienst im Johanneshaus Öschelbronn unter
Berücksichtigung von Case Management“ ab.
Herzlichen Glückwunsch!
Essen auf Rädern
Im Oktober 2011 konnte das Angebot des ambulanten Diensts (Pflege mobil) um Essen auf Rädern erweitert werden.
Nachtrufbereitschaft
Ebenfalls neu im Angebot des ambulanten
Dienstes „Pflege mobil“ ist seit November 2011
die Nachtrufbereitschaft zwischen 22.00 – 6.30
Uhr. Im Moment läuft die Notrufbereitschaft
noch telefonisch, es wird aber an einem mobilen,
telefonunabhängigen Notrufsystem gearbeitet.
ruhe. Mit seinem Buch „Einkommen für alle“ hat
er die Diskussion in Gang gesetzt, ob jeder Bürger ein vom Staat garantiertes bedingungsloses
Grundeinkommen erhalten soll. Im August 2010
ist Werners neues Buch „1.000 Euro für jeden:
Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen“ erschienen, das er zusammen mit der Berliner Kuratorin
Adrienne Goehler geschrieben hat.
Götz Werner spricht am Freitag, 27. Januar
2012, im Festsaal des Johanneshauses. Beginn
19:30 Uhr, Eintritt frei; Spenden herzlich erbeten.
Sponsoren übergeben VW Caddy
Das Johanneshaus Öschelbronn bedankt sich
bei rund 50 Firmen und Privatpersonen aus Niefern-Öschelbronn, dem östlichen Enzkreis und
Pforzheim für ihr beispielhaftes Engagement. Mit
ihren Spenden haben sie dafür gesorgt, dass ein
nagelneuer VW Caddy, welcher als Ersatz für den
in die Jahre gekommenen Bus gebraucht wurde,
nun an das Johanneshaus übergeben werden
konnte.
Ein moderner Visionär kommt ins Johanneshaus
Einer gemeinsamen Initiative von Johanneshaus, Klinik Öschelbronn und Carl Gustav CarusInstitut ist es zu verdanken, dass Professor Götz
Werner für einen Gastvortrag gewonnen werden
konnte.
Prof. Götz W. Werner, 67, ist Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt GmbH, Karls-
Ein Luxus der nur für mich sichtbar ist,
weil YSIS nur für mich gemacht wird.
J Ä G E R PA S S A G E
75172 PFORZHEIM
TEL.: 0 72 31-35 18 91
FAX: 0 72 31-35 77 38
Jeden Monat im Haus
Refraktion, Beratung, Service u. Verkauf
Sehhilfen aller Art
Johanneshaus Rundschau 15
101. Geburtstag
Menschen,
die zu uns gekommen sind
Helga Eichele
Marianne Litzinger Martha Rinkensmeier
Rosemarie Lindner
Annelies Engler
Dr. Ursula Maxeiner
Ernst Maxeiner
Helga Zuckschwerdt
Christel Sigler
Gertrud Wilde
Elisabeth Hannsmann
Fritz Gaupp
Helma Funke
am 02.09.2011
am 06.09.2011
am 08.09.2011
am 08.09.2011
am 29.09.2011
am 29.09.2011
am 29.09.2011
am 04.10.2011
am 10.10.2011
am 05.11.2011
am 21.11.2011
am 28.11.2011
am 13.12.2011
Am 07.10.2011 wurde Gertrud Rauch 101 Jahre alt. Geschäftsführer Thomas Kirst gratulierte auf das Herzlichste zu diesem denkwürdigen
Geburtstag. Wem ist es schon vergönnt, auf ein
ganzes Jahrhundert zurückblicken zu können?
Menschen,
die das Haus verlassen haben
Helene Lötterle
Dr. Klaus Wilde
Paul Schenk
am 18.10.2011
am 19.11.2011
am 21.11.2011
Winterliche Impressionen . Fotos: Stefan Kreuzer
16 Johanneshaus Rundschau
Leis auf zarten Füßen naht es,
vor dem Schlafen wie ein Fächeln:
Horch, o Seele, meines Rates,
laß dir Glück und Tröstung lächeln:
Die in Liebe dir verbunden,
werden immer um dich bleiben,
werden klein und große Runden
treugestellt mit dir beschreiben.
Und sie werden an die bauen,
unverwandt, wie du an ihnen, und, erwacht zu Einem Schauen,
werdet ihr wetteifernd dienen!
Christian Morgenstern
Christiane Schwaderer Große weiße Lilie
Menschen, die von uns gegangen sind
Christine Gerhards
Wiltrud Bichlmeier
Margot Mayer
am 08.09.2011
am 05.10.2011
am 22.10.2011
Joachim Bock
Georg Sundström
Jutta Lauer
am 25.10.2011
am 31.10.2011
am 12.11.2011
Johanneshaus Rundschau 17
Aufgaben des Heimbeirats
In der letzten Johanneshaus-Rundschau wurde kurz über die Heimbeiratswahl in diesem Jahr
sowie über die gesetzlichen Grundlagen dieses
Gremiums berichtet. Ergänzend dazu soll heute
etwas über die Aufgaben des Heimbeirats gesagt
werden, und wie er seine Tätigkeit im Johanneshaus ausübt.
Der Heimbeirat trifft sich alle 14 Tage zu einer
Sitzung, um sich über alle anstehenden Arbeiten
und Probleme auszutauschen. Die Heimbewohner können die gewählten Vertreter jederzeit anrufen, Plakate mit Fotos und Telefonnummern
hängen an verschiedenen Stellen. Eine weitere
Möglichkeit, sich mit den Mitgliedern des Heimbeirats in Verbindung zu setzen, ist der Briefkasten für schriftliche Mitteilungen im Foyer.
Jede Pflegestation im Haus wird von einem
Heimbeiratsmitglied betreut. Den neu eingezogenen Bewohnern wird Unterstützung bei der
Eingewöhnung gewährt. Außerdem wird ihnen
eine Mappe mit allen notwendigen Informationen ausgehändigt. Aber auch schon lange hier
wohnende Patienten wenden sich an den Heimbeirat, wenn sie z.B. Probleme mit den Mitarbeitern in der Pflege haben. Besonderen Wert legt
der Heimbeirat darauf, den Menschen liebevoll
und mit Anteilnahme zu begegnen. Über die Zuständigkeitsregelung hinaus kommt es immer
wieder vor, dass die Heimbeiratsmitglieder bei
ihren Gängen im Haus auf verwirrte Bewohner
stoßen, die sich Hilfe suchend an sie wenden. Die
Grenzen zwischen Betreutem Wohnen und Pflegestationen sind in diesem Fall fließend. Mit der
Heimleitung nehmen die Heimbeiratsmitglieder
Kontakt auf, sofern sich die Notwendigkeit ergibt. Sie begrüßen es, wenn von der Heimleitung
wichtige Informationen regelmäßig an sie weitergeleitet werden. In unregelmäßigen Abständen stellt die Leitung des Johanneshauses neu
eingestellten Mitarbeitern die organisatorische
Struktur des Hauses dar. In dieser Zusammenkunft stellen sich neben den einzelnen Bereichen
auch der Betriebsrat und der Heimbeirat vor.
Es gibt noch manch anderen Bereich, in dem
18 Johanneshaus Rundschau
die Heimbeiratsmitglieder aktiv werden; auch bei
der Betreuung der Gruppe ehrenamtlicher Helfer
beteiligt sich der Heimbeirat. Es sei darauf hingewiesen, dass das Johanneshaus sich über ein
verstärktes Engagement der Ehrenamtlichen sehr
freuen würde und bittet Interessenten, sich mit
Frau Lambacher, Tel. 9797 in Verbindung zu setzen.
Den Heimbeiratsmitgliedern, die ihre Arbeit
mit viel Einsatzbereitschaft und Zeitaufwand
verrichten, sei an dieser Stelle ein herzlicher Dank
ausgesprochen.
Hedi Delfino
Wirkendes Feuer
Feuer, entfalt‘ deine Kraft,
glüh mir das harte Eisen.
Brenne auch mein Gefäß aus weichem Ton geformt, damit ich mir Speise bereite.
Lasse dich zähmen und hüten,
entfliehe nicht meinem Herd.
Wehre der Kälte der Nacht
und erhell mir das Dunkel
bis zu dem neuen Morgen
Du Kind dieser Erde,
alle heiligen Schriften
zeugen von meiner Kraft.
Verbanne irdisches Denken
und prüf dein Begehren,
handle stets mit Bedacht.
Lass göttliches Feuer wirken,
dass es dir läutern mag
deine unsterbliche Seele,
damit du Mensch sein kannst.
Lothar Hoppe
Neuigkeiten aus dem Garten
Mein Name ist Julia Werdermann, ich bin die
„neue“ FÖJ-lerin aus dem Garten. Manch einer
kennt mich schon von den Ansagen im Speisesaal oder mittwochs vom Kräuterrebeln. Zusammen mit meinem Kollegen Laurin Freiberg mache
ich seit September das Freiwillige Ökologische
Jahr in der Johanneshaus Gärtnerei. Wir sind
beide achtzehn Jahre alt und haben dieses Jahr
das Abitur bestanden. Um mal etwas weniger mit
dem Kopf und mehr mit den Händen zu arbeiten,
kamen wir beide auf die Idee, ein FÖJ zu machen,
und sind schließlich bei Ihnen im Johanneshaus
gelandet.
Mittlerweile haben wir uns hier gut eingelebt
und schon allerhand neue Dinge gelernt. Gleich
zu Beginn standen im September die Apfelernte
und das Mosten an. Wir lernten außerdem den
richtigen Umgang mit den Maschinen, die Vorlieben der Schafe und tausende lateinische Pflanzennamen. Mein Arbeitsbereich ist der Obere
Garten, dort gab es vor ein paar Wochen noch
viele hübsche Schnittblumen und Kräuter. Bald
übte ich mich in der Kunst des Sträußebindens.
Mit dem Herbst kamen dann andere Aufgaben,
wie zum Beispiel das Herstellen der vielen verschiedenen Teesorten. Dabei waren uns die Bewohner eine große Hilfe. Jeden Mittwoch wurde
zusammen im Haus gerebelt und später konnten
die Tees dann in unserem Trockenraum gemischt,
gewogen und verpackt werden.
In der Johanneshaus Gärtnerei wird seit jeher
auf biologisch-dynamische Weise gearbeitet. Seit
diesem Frühjahr dürfen unsere Produkte sogar mit
dem EU-Biozertifikat ausgezeichnet werden. Das
Bio-Siegel können Sie seit dem Martinibazar auf
unseren neuen Etiketten bewundern; dort hatte
der Garten wieder einen Verkaufsstand mit Tee,
Apfelsaft, Honig, Schafswurst, Schafswolle und
Filzsohlen. Ich war für den Getränkeausschank
zuständig und hatte einen schönen Nachmittag,
an dem ich mit den Bewohnern einmal mehr ins
Gespräch kommen konnte.
Vor drei Wochen begann für uns Gärtner
dann auch schon die Adventszeit, denn die vie-
len Kränze für die Dekoration im Haus wollten
gebunden werden. Zu Beginn fand ich diese Aufgabe furchtbar schwierig und ich mühte mich
mit den Tannenzweigen ab. Doch nach ein, zwei
Kränzen stellte ich mich geschickter an und durfte sogar die großen Kränze für Foyer, Speise- und
Festsaal binden. Vielen Stunden Arbeit und zehn
kalte Finger später waren diese dann bereit fürs
Dekorieren und hängen seit dem 1. Advent im Johanneshaus.
Ruhe im Garten
Zur kalten Jahreszeit sind wir in unseren Tätigkeiten natürlich ein wenig eingeschränkt. Unsere starken Männer, Ramo und Laurin, sind schon
seit einiger Zeit mit dem Laubrechen beschäftigt.
Mein Chef Stefan Kreuzer hat gemeinsam mit
der BFD-lerin Katharina Görsch (sie macht den
Bundesfreiwilligen Dienst) ein Beet im Park neu
gestaltet. Im Oberen Garten wurden viele Beete
gerodet, von Unkraut befreit und für das kommende Jahr vorbereitet. Heute haben wir Tulpen
und Narzissen gesteckt und ich freue mich schon
auf die Zeit der Blüte.
Mir gefällt die Arbeit draußen im Garten sehr
gut, denn es vergeht kaum ein Tag, an dem ich
nichts Neues lerne. Im Johanneshaus fühle ich
mich auch sehr wohl und es ist in den letzten drei
Monaten zu meinem Zuhause geworden.
Julia Werdermann
Johanneshaus Rundschau 19
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen…“
Sieben Ländlefahrten 2011
Sie begannen mit der Besichtigung der evangelischen St. Martinskirche in Niefern. Ortschronist
Friedrich Leicht brachte uns durch seine eingehende Führung die Baugestalt der Kirche, den Lettner und die Chorausmalung des 15. Jahrhunderts
nahe. Danach hatten wir nun sowohl eine Ausflugsfahrt als auch einen guten Kaffee verdient:
Wir begaben uns auf den Weg nach Tiefenbronn,
wurden begleitet von einem kräftigen Aprilgewitter, erfreuten uns dort an Kaffee und Kuchen und
kehrten bei Sonnenschein wieder heim.
In einer Obstlandschaft wie Gräfenhausen und
Ellmendingen sollte man im Mai doch mit einer
Fülle blühender Obstbäume rechnen können –
sollten Kirschen und Pflaumen schon verblüht
sein, so warteten doch sicher Äpfel und Birnen
auf uns! Aber nein, am 10. Mai war alles abgeblüht. Trotzdem wurde es für uns ein spannender Vorsommertag, begonnen mit einer Führung
in der Gräfenhauser Kelter. Obwohl der Weinbau
zugunsten von Obstkulturen zurückgegangen ist,
wird diese Kelter jeden Herbst zur Weinernte in
Betrieb genommen.
Die kleine, malerisch in den Wiesen gelegene
St. Pankraziuskirche in Niebelsbach beeindruckte
uns mit ihren alten Fresken, mehr aber noch durch
ihren quellenreichen Umkreis. Der Hinweis auf ein
keltisches Quellenheiligtum ließ uns aufhorchen.
Im warmen Sonnenschein genossen wir danach
im schicken Ellmendinger Café unsere Erfrischungen.
Für den Juni hatten wir uns den Kastaniengarten am Brötzinger Heimatmuseum im Blütenschmuck vorgestellt – aber auch die Kastanienblüte hatte nicht auf uns gewartet. Doch begannen
wir unsere Fahrt mit dem Besuch der evangelischen Matthäuskirche in der Pforzheimer Gartenvorstadt Arlinger, erbaut vom Architekten Egon Eiermann in den fünfziger Jahren. Die Verwendung
von Trümmersplit, die Lichtdurchlässigkeit der
Gussglassteine und weitere Kunstwerke erfüllten
uns mit Staunen und Bewunderung. Vielleicht war
20 Johanneshaus Rundschau
es ganz gut, dass im interessanten Brötzinger (eigentlich Pforzheimer!) Heimatmuseum eine Etage
wegen Umbau geschlossen war. So konnten die
ermüdeten Ländlefahrer sich im schattigen Kastaniengarten bei Kaffee und Kuchen regenerieren!
Juli – Botanischer Garten in Karlsruhe – was
hätten wir getan bei Landregen oder Gewitter?!
Aber es war ein strahlender Sommertag mit 30°
Wärme. Bei der Einfahrt in die Stadt fuhr eine Autofahrerin seitlich in unseren Bus, Herr Iskauskas
spielte gekonnt Verkehrspolizist bis die echte Polizei kam, und wir harrten klaglos und still in der
Hitze aus. Bei solchen Gelegenheiten erlebt man,
was innere Disziplin bei den Mitreisenden bedeutet! Im wunderbar blühenden Garten waren es
dann aber eher die Schattenplätze (darunter auch
das Café), die uns anzogen. Die Heimfahrt verlief –
nachdem der Bus gehörig vorgekühlt worden war
– problemlos und ohne Stau.
Im vorigen Jahr hatten wir in Hirsau die Ruinen des Benediktinerklosters St. Peter und Paul
besucht. Im diesjährigen August war nun die romanische katholische Pfarrkirche St. Aurelius unser Ziel. Jeder Besucher ist beeindruckt von dem
dämmrigen, katakombenhaften Innenraum mit
den gedrungenen Säulen. Es ist bewundernswert,
wie die moderne Gestaltung von Glasfenstern und
Altarraum in diese Stimmung hineingearbeitet
wurde. Das anschließende Museum und der blühende Klostergarten schenkten uns weitere Eindrücke. Auf der Heimfahrt machten wir Halt im
Gartencafé des Monbachtals und genossen im
Sonnenschein die romantische Umgebung.
Der September ließ uns einen strahlenden
Sommertag auf der Fahrt ins Keltenmuseum in
Hochdorf erleben. Dieses kleine Museum zeigt auf
engem Raum vieles, was man über das Keltentum
in unserer Umgebung wissen sollte. Ende der siebziger Jahre wurde hier das ungeplünderte Grab eines keltischen Fürsten gefunden, die Fundstücke
ins Landesmuseum nach Stuttgart verbracht und
hier eine getreue Nachbildung der Grabkammer
errichtet. Dank des schönen Wetters genossen wir
unsere Weiterfahrt in die Konditorei nach Rutesheim und auch die Heimfahrt ins Johanneshaus.
Die Oktoberfahrt war wie im letzten Jahr ge-
plant als reine Herbstlandschafts-, Weinberg-,
Naturerlebnisreise. Doch dann erfuhren wir, dass
der Ort Kleingartach unterhalb der Leinburg (unser
Ziel zum Kaffeetrinken) eine gotische Kirche besitzt, deren Wandmalereien des 15. Jahrhunderts
die Nord- und Südwände bedecken. Sie beginnen
mit der Weltschöpfung und enden mit Tod und
Auferstehung des Christus. So verband sich auch
bei dieser Fahrt der Kunstgenuss mit dem Erleben
der sonnenüberstrahlten Frühherbstlandschaft.
Die Wintermonate werden nun hoffentlich die
guten Ideen für das kommende Jahr bringen, jedenfalls freuen wir uns schon darauf: unser treuer Chauffeur Uwe Iskauskas, meine Mitgestalterin
Frau Giuliana, alle Helfer und Mitfahrer - und ich
selbst.
Erika Müller
Auch an dieser Stelle sei Frau Müller noch einmal ganz herzlich im Namen aller Mitfahrenden
gedankt für ihr großes Talent im Herausfinden und
exaktem Planen immer wieder neuer schöner Ziele, für ihre fundierten Kommentare unterwegs und
vor Ort sowie für die milde Strenge, mit der sie es
immer wieder schafft, dass der Bus pünktlich um
18 Uhr am Küchenhof heimkehrt.
Ja, auch wir sind schon gespannt, welche neuen Erlebnisse sie uns mit allen ihren Helfern im
kommenden Jahr schenken wird.
Hans Krauss
Großmütter
Viele Kinder haben zwei, manche vielleicht
noch eine, etliche aber haben gar keine Großmutter mehr erlebt. Das Schicksal meiner beiden
Großmütter hatte seltsame Ähnlichkeit. Beide
hatten viele Geschwister, beide waren Vollwaisen und beide mussten einem Großbauern ihres
Heimatortes als billige Arbeitskraft dienen. Mit
der Volljährigkeit entflohen sie in die Textilindustrie und hatten beide das Glück bald geheiratet zu werden, Das war damals für die soziale
Anerkennung noch sehr wichtig. Die Großväter
sah ich nur ein Mal, mit etwa drei Jahren, bald
danach starben beide. Die eine Großmutter war
arm, sie lief z.B. eine Stunde, um ihrer Tochter
bei der großen Wäsche zu helfen. Das Zehnerle
für die Straßenbahn sparte sie, um ihren Enkeln
etwas zum Naschen mitbringen zu können, bis
kurz vor ihrem Tod. Die andere, pensionsberechtigte, hielt ihr Geld gut zusammen, überlebte den
Krieg samt ihrer Wohnung, und wurde so für uns
zur Anlaufstelle. Mutter war total erschöpft aus
Schlesien geflüchtet, der Bruder kam aus der Gefangenschaft, und auch ich hatte nach tausend
Kilometern Fußmarsch zu ihr gefunden. Unser
Vater blieb verschollen. Als plötzlich die Amerikaner abzogen und die Russen nachfolgten, hatten
auf einmal ganz andere Leute das Sagen. Großmutter starb, und wir wurden aus ihrer Wohnung
vertrieben. Der letzte Anker war gekappt. Irgendwann, -wie, -wo fand jedes seine Bleibe. Wir
Brüder entflohen auf abenteuerliche Weise nach
Westen, wurden Väter und fanden einen Trick, um
auch unserer Mutter nach „drüben“ zu verhelfen.
Doch bald war ihre Lebenskraft erschöpft, die
„Neue Zeit“ ging an ihr vorüber.- Der altgewohnte Großelterntypus wandelte sich allmählich zum
unternehmungsfreudigeren Zeitgenossen, und
die Großfamilie war nur noch in Ausnahmefällen funktionsfähig. Das „gehorsame, ehrerbietige“ Enkelkind empfindet und äußert sich immer
mehr in die Richtung auf Gleichberechtigung.
– Und wie steht es mit den Pflichten? Nun, wo
es Vorbilder gibt, kann sich auch Herzensbildung
entwickeln, da ist das Nehmen nicht Rechtssache, sondern dankbares Empfangen, das Geben
nicht Pflicht, sondern inneres Bedürfnis – wie bei
den alten Omas. – Es ist doch immer noch herzerfrischend, einer echten Großmutter und ihrem
unverbildeten Enkelkind zu begegnen. Da braucht
man nicht einmal die Frage nach Blutsverwandtschaft zu stellen, da zählt nur Menschlichkeit.
Ich bin zuversichtlich, sie sterben nicht aus, die
blutsverwandten, die freiwilligen und die erwählten Großmütter!
Dies vermutet, ja behauptet: Mit freundlichen
Grüßen Ihr Mitbewohner
Lothar Hoppe
Johanneshaus Rundschau 21
Das Gedicht - Folge 3
Immer noch fliegen im Schwarm
Die Tauben über den Himmel, die goldenen
Plejaden, rundet durch Tod und Geburt
Mal um Mal sich der Mond,
Steht das Sternbild eines Gedichts
Wie damals auf Lesbos Hochentrückt über dem Herzen
Einer Liebenden, die allein liegt.
Mögen die Künftigen den Mond befahren,
Den silbernen Spiegelstern
Mit Füßen treten, die Mythenlandschaft
Träumender Seele entgöttern:
Immer noch wird am Himmel
Mit tönenden Kielen der Schwan
Den Äther teilen, wird der große
Orion jagen im Sternendickicht,
Und eine Liebende sein in der Welt
Auf der alten Erde drunten
Und ruhlos liegen vor Jugend
Allein unter den Sternen Gottes.
Emil Barth (1900-1958)
Der Mond ist hinabgesunken,
hinab die Plejaden, Mitte
der Nacht und vorbei die Stunde.
Ich liege allein im Dunkeln.
Etwas sehr Seltenes: Ein Gedicht auf ein Gedicht, und das nach über zweieinhalbtausend
Jahren. Wenn beide Frauen in ihrer schlaflosen
Einsamkeit über Zeit und Raum hinweg die großen Gestirne des Weltraums anrufen, möchte
man hier fast von einer kosmischen Dimension
sprechen. Das Ende des späten Gedichts bestätigt
das.
Hierzu passt auch, dass der späte Dichter Sapphos Verse mit dem schönen Bild „Sternbild eines Gedichts“ selbst an den Himmel versetzt, was
der Titel schon voraus nimmt. Zugleich bringt der
Dichter Beispiele dafür, was die großen Bilder am
Himmel der Menschheit schon immer bedeutet
haben. Das späte Gedicht benennt seinen Bezug
zum frühen gleich zu Beginn durch das „immer
noch“, vor allem aber durch das ebenso beiläufige
wie eindeutige „wie damals auf Lesbos“. Hier liegt
der Schlüssel, fehlt nur noch das Gedicht der
Sappho. Erst wenn man auch dies hat, erschließt
sich der volle Zusammenhang.
Das „immer noch“ des Auftakts durchströmt
wie in einem Atemzug, und nur durch die mittlere Strophe kurz unterbrochen, das ganze Gedicht.
Die Bedeutung der Sternbilder wird in den zwei
ersten Strophen als noch jetzt wirkend, in den
zwei letzten als auch künftig gültig beschrieben.
Und zwar dies trotz allem, was die zentrale Mittelstrophe als Folge der hier schon vorhergesagten ersten Mondbegehung höchst eindringlich
schildert.
In längeren Versen und in makelloser Form
erläutert der spätere Dichter das, was sein großes Vorbild in dichtester Kürze Wahrheit werden
lässt: Eine Grundbefindlichkeit des
Menschen. Und in der Frühzeit Europas ist die
erste Stimme, die von sich selbst als individuellem Ich spricht, die Stimme einer Frau.
Soweit mir bekannt, wurden noch zwei weitere deutschsprachige Dichter von den Versen der
Sappho angesprochen.
Hans Krauss
Sappho von Lesbos, (600 v. Chr.)
Übersetzung von Manfred Hausmann
22 Johanneshaus Rundschau
Kultur im Johanneshaus
Gedanken zur Kunst der Pantomime
In römischer Zeit war der „Pantomimus“ ein
weit verbreiteter virtuoser Solotanz, bis das
Christentum alle Formen öffentlicher Darbietungen untersagte.
Mit der Commedia dell‘Arte, dem italienischen
Stegreiftheater der Renaissance, entstand eine
neuzeitliche Form der Pantomime, die sich in
der ganzen westlichen Welt verbreitete. Obwohl
Pierrot oder Harlekin noch sprachen, waren das
Bewegungsschema und die Improvisationen über
Landes- und vor allem auch über Standesgrenzen
hinweg für alle verständlich.
Nach der Französischen Revolution wurde die
Pantomime an den Pariser Jahrmarktstheatern so
populär, dass die offiziellen Hoftheater aus Furcht
vor der wirtschaftlichen Konkurrenz zeitweise ein
Textverbot für Straßentheater durchsetzen konnten. Das gesprochene Wort blieb den offiziellen
Spielstätten vorbehalten. So entstand die echte
stumme Pantomime als Widerstand gegen die
strenge Theaterzensur und wurde mit subtiler
Gesellschaftskritik in Verbindung gebracht, galt
aber auch manchen als Kunst der Machtlosen
und Ungebildeten. Jedoch gerade diese „Kunst
aus der Gosse“ in ihrer natürlichen Lebendigkeit
im Gegensatz zum höfischen Ballett machte die
Pantomime im 19. Jahrhundert so erfolgreich.
Jean-Baptiste Debureau gilt als Erfinder der
modernen poetischen Pantomime auf dem Pariser Boulevard du Temple, und durch Jean Louis
Barrault (1910 – 1994) wurde seinem melancholischen Pierrot ein spätes Denkmal gesetzt in dem
unvergesslichen Film „Kinder des Olymp“ (1945)
mit seiner berühmtesten pantomimischen Rolle
des Baptiste: Als Jahrmarktschauspieler beobachtet er auf der Bühne einen Taschendiebstahl im
Zuschauerkreis, erklärt dem herbeigerufenen Polizisten den Sachverhalt nur mit pantomimischen
Gesten und befreit damit seine geliebte Garance
vom Tatverdacht. Dank meines hohen Alters hatte ich das Glück, den jungen Mimen Barrault in
den ersten Münchner Nachkriegsjahren noch
persönlich auf der Bühne zu erleben, unter anderem in den Stücken „Jugend, Reife, Alter und
Tod“, „Kampf zwischen Gut und Böse“ und „Der
Maskenmacher“. Spätere Verkörperungen dieser
Rollen durch Marcel Marceau (1923 – 2007) waren zwar auch wunderbar und sinnerfüllt, aber
erreichten für mich nicht diese Intensität der
ergreifenden Ausdrucksweise wie bei Barrault.
Dafür blieb Marcel Marceau unnachahmlich als
„Monsieur Bip“ im Gedächtnis.
Seit 1996 hat das Duo Bodecker und Neander
selbstständig diese Traditionen aufgegriffen und
weiterentwickelt ganz im Sinn eines Zitats von
Marceau: „Der Filmschauspieler muss vergessen
machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das
nicht, er muss in ständiger Anspannung sein. Die
Pantomime ist die Kunst der Handlung.“
Dorette Jensen
Bodecker & Neander verzaubern
Besucher
Pantomimenkunst der Sonderklasse
Heute hier, morgen dort sang schon vor vierzig Jahren Hannes Wader. In der Tat: die Compagnie Bodecker & Neander aus Berlin weilte noch
am Freitag tief im Osten in Eisenhüttenstadt an
der polnischen Grenze, am Samstagabend in
Öschelbronn, um dann in Erlangen zu übernachten, ehe sonntags
Potsdam für einen
weiteren Auftritt
erreicht wurde.
Hundertvierzig
Besucher genossen im Festsaal
des Johanneshauses einen Wohlfühlabend erster
Güte. Ach was,
das Haus und vor
allem die beiden
Johanneshaus Rundschau 23
Fotos: Karl Michael Heel
Pantomimen der internationalen Spitzenklasse
hätten vierhundert Bewunderer verdient. Üblicherweise spielt das Duo fast nur in ausverkauften Häusern. Überhaupt zeigte sich der gebürtige Schweriner Wolfram von Bodecker mit seinem
Bühnenpartner Alexander Neander (aufgewachsen in Stuttgart) nach der Veranstaltung vom
Spielort und dem herrlichen Saal beeindruckt.
Mit „Silence“ brachten die beiden Künstler
einen Theaterabend der Stille und des Schweigens auf den Öschelbronner Bretterboden. Beide
Akteure haben beim großen Marcel Marceau in
Paris das Metier gelernt und gastierten mit dem
Lehrmeister in aller Welt. Bereits seit 1996 arbeitet das bisher in 30 Ländern aufgetretene Duo
erfolgreich zusammen. Die nur durch eine Pause
unterbrochenen zehn Nummern zur sorgfältig
ausgewählten Musik von Vivaldi, Tschaikowsky und Richard Strauss lebten von Schnelligkeit
und absoluter Perfektion bis zur Vollendung. Die
Darbietungen des Bildertheaters wirken auf den
Betrachter stets leicht, graziös und verspielt. Die
Leichtigkeit des Seins mit einem Lächeln auf den
Lippen ist jedoch Schwerstarbeit und neunzig
Minuten Magie und Artistik.
Extreme Körperbeherrschung, begnadete
Schauspielkunst, große Musikalität und alle Facetten des Bewegungstheaters waren authen-
24 Johanneshaus Rundschau
tisch zu erleben. Wahre Weltklasseleute brauchen nur wenige Requisiten. Köstlich immer
ein Moonwalk oder Treppen auf- und absteigen
hinter einer sehr niedrigen Kiste. Oder Rolltreppe
fahren! Es wurden Episoden aus dem Alltag oder
auch Absurditäten gespielt, so wie sie das Leben
schreibt. Es sind Bildergeschichten ohne Worte,
aber mit viel Witz und Tempo.
Die Johanneshausbewohner, die wenigen einheimischen und vielen auswärtigen Gäste dankten den zwei Künstlern der Extraklasse mit einem
anhaltenden Schlussbeifall. An diesem mondhellen Spätsommerabend verließ das Publikum
glücklich und zufrieden den Festsaal, reichlich
beschenkt mit einem wunderbaren Kunsterlebnis.
Gratis und hoffentlich doch für eine angemessene Spende!
Karl-Michael Heel
Warum berührt uns Musik?
Sie versucht nicht zu erklären!
Marcel Marceau
JOHANNESHAUS ÖSCHELBRONN
CAFETERIA
Dienstag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 14.30-16.30 Uhr
Herzlich
Willkommen
„Heilkräfte für Erde und Mensch –
wo und wie finden wir sie?“
so lautete das Thema der Musik- und Umwelttage vom 23. - 25.9. 2011. Den Auftakt bildete am
Freitagabend ein Offenes Singen für Jung und Alt,
geleitet von Michael Ohlhäuser, Musiklehrer an
der Waldorfschule Pforzheim. Er wies in seiner
Moderation u. a. auf die Weisheiten hin, die neben
der Idylle in manchem Volkslied stecken, beispielsweise die Heilkräfte in dem Chamissotext „Hab’ oft
im Kreise der Lieben…….. Nur frisch, nur frisch gesungen und alles wird wieder gut.“
Zum Abschluss des Offenen Singens konnten die Initiatoren der
jüngsten und der ältesten Besucherin (11 bzw. 95 Jahre) je ein
kleines Andenken überreichen.
Zu dem Jahresthema waren die folgenden Referenten eingeladen:
Dr. Roselies Gehlig, Mitarbeiterin am Carl Gustav
Carus-Institut;
Michael Kurtz, verantwortlicher Mitarbeiter für
Musik der Sektion für Redende und Musizierende
Künste am Goetheanum,
Dr. Andreas M. Worel, Arzt.
Der reich bebilderte Vortrag von Roselies Gehlig
am Samstagvormittag zeigte die unterschiedliche
Entwicklung von einerseits Weichtieren, die ihr
Skelett quasi außen tragen – die Austern – andererseits der Schildkröte, die schon ein rudimentäres
Skelett im Inneren hat, aber auch noch den harten
Panzer außen, und wie sich beim Vogel beides verbindet, im Embryonalzustand das Skelett außen
(Eierschale), das von innen aufgelöst wird, bis der
Vogel schlüpft. Hier setzt ihre Forschung ein, um
Heilmittel gegen Osteoporose zu gewinnen. Das
Fazit ihres Vortrags lautete: Nicht beliebig nach
synthetischen Mitteln forschen, sondern gezielt
in Naturzusammenhängen auf goetheanistische
Weise ergründen, „wie und wo“ sie in der Natur zu
finden sind.
Am Nachmittag leitete Michael Kurtz seinen
Vortrag „Von den Wirkungskräften der Musik in
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ ein mit
dem Hinweis auf das Ergebnis einer mehrjährigen Studie über musikalische Früherziehung. Es
konnte belegt werden, dass die mentale und soziale Entwicklung bei Schülern mit intensivem Musikunterricht deutlich höher lag als bei anderen
Schülern. – Die Vergangenheit berührte er mit einer Beschreibung des traditionellen chinesischen
Instrumentes, der Quin, und dessen Bedeutung
im alten China sowie den Wirkungskräften, die
Orpheus zugeschrieben werden. Zur Gegenwart
sprach er neben anderen Komponisten ausführlich
über den „Klang-Magier“ Richard Wagner, dessen
Wirkung in „positivem Sinn manipulativ“ gewesen
sei. Valentin Egel spielte am Klavier Klangbeispiele
aus der Oper Lohengrin. „Über die Zukunft zu reden ist müßig, denn sie liegt darin, was wir daraus
machen“, so Michael Kurtz. Das heißt, es liegt an
uns, ob wir denjenigen Musikern, die aus echter
Inspiration heraus arbeiten und nicht aus Streben
nach Erfolg, eine Chance geben „auch wenn wir
dabei manchmal auf die Zähne beißen müssen“.
Schwerpunkt des Vortrags von Andreas Worel
am Sonntagvormittag war die Kraft, die in der
menschlichen Zuwendung liegt, mit andern Worten: die Liebe. Nach Ausführungen über Begriffe
wie Heil, Heilung und über Gründe, die zu Krankheiten führen (gestörtes Gleichgewicht zwischen
Körper und Seele) wurde seine Titelfrage „Mit welchen Kräften heilt der Mensch? - Annäherungsversuche an ihre Quellen“ an drei Beispielen verdeutlicht.
Hier ging es nicht um Wiedererlangung der körperlichen Gesundheit, sondern darum, was durch
die Krankheit mit diesen Patienten selbst und den
Menschen, die sie während der letzten Phase ihres Lebens begleitetet hatten, geschehen ist. (in
Johanneshaus Rundschau 25
einem Fall: „die wichtigste Zeit meines Lebens!“).
Bei tieferem Nachdenken über diesen Aspekt wird
deutlich, dass nicht nur für den physischen Leib
Heilkräfte nötig sind, sondern ebenso für die Seele,
damit sie „gesund“ ihren Weg über die Schwelle in
die geistige Welt gehen kann.
Umrahmt wurde der Vortrag durch ein Meisterwerk Ludwig van Beethovens, die Klaviersonate Nr.
111, zugleich kraftvoll und einfühlsam gespielt von
dem erst 17-jährigen Valentin Egel, der auch – von
Andreas Worel dazu ermuntert – spontan dessen
Vortrag mit kurzen entsprechenden Klavierstücken unterbrach.
Die Wirkung, die im Musik-Erleben liegt, kennt
unsere junge „alte Freundin“, die Harfenistin Assia Cunego, gut. Aus ihrem reich gefächerten Repertoire hatte sie wegen Ausfalls ihrer Partnerin
kurzfristig ein geändertes Programm zusammengestellt, das von Händel bis Piazolla reichte. Mit
der Klangfülle ihres Instrumentes und der meisterlichen Interpretation spielte sie sich erneut in die
Herzen der Zuhörer mit der Wirkung von Entspannung, Erfrischung und Freude.
Wurden auf die Frage „Heilkräfte für Erde und
Mensch – wo und wie finden wir sie?“ Antworten auch für die Heilung der Erde gefunden? Die
schlichte Antwort lautet: die Erde heilen kann nur
der Mensch, denn der Mensch ist das Schicksal der
Erde. Nur aus Liebe zu ihr kann diese Schicksalsgemeinschaft heilsam sein.
Annedore Friedrich, Marianne Worel
Herr Bürgermeister Kurz, der in jedem Jahr die Veranstaltungen
von MUSIK FÜR DIE ERDE wahrnimmt, im Gespräch mit den Veranstaltern.
26 Johanneshaus Rundschau
„Ein Dialog in der polnischen
Romantik“
Aleksandra Mikulska spielt Kompositionen von K.
Szymanowski und F. Chopin.
Die junge Pianistin hatte sich für das Eröffnungskonzert unseres Winterprogramms etwas
Besonderes vorgenommen. Sie wollte bei uns
nicht nur mit ihrem großen Können als Pianistin
brillieren, sondern sie wollte auch weitergeben,
was Chopin einst seinen Schülern einprägte: „Legen Sie doch Ihre ganze Seele hinein!“ - Deshalb
begann das Konzert mit einem von zwei jungen Frauen gesprochenen Vorwort. In der Musik
der beiden größten polnischen Komponisten des
19.Jh., F. Chopin (1810-1849) und K. Szymanowski, (l882-1937), findet Aleksandra Mikulska selbst
ihre „Seele“, ihre Identität als Pianistin und Polin.
Wir werden daran erinnert, dass es im 19.Jh.
überhaupt keinen polnischen Staat gegeben hat.
Das Land wurde von den Großmächten aus politischem Kalkül zerstückelt, ohne an die Menschen
zu denken, die seit Jahrhunderten dort lebten. Viele wanderten aus, auch Chopin, der als Neunzehnjähriger nach Paris kam und trotz seines lebenslangen Heimwehs der vielen politischen Unruhen
wegen nie mehr in seine geliebte Heimat zurückkehrte. Seine Musik aber blieb aus der „polnischen
Seele“ geborene Romantik!
Zwei Generationen gingen vorüber, ehe ein
neuer hochbegabter junger Pianist und Komponist, Karol Szymanowski, am „altehrwürdigen
Konservatorium“ in Warschau, sein Musikstudium
begann. Ohne ihn, heißt es, sei die Entwicklung
der polnischen Musik im 20.Jh. nicht denkbar. Die
Einbeziehung und künstlerische Umwandlung der
alten Volksmusik wird schon in seinem op.3, den
„Variationen“, ganz deutlich. Aleksandra Mikulska
hat sie bewusst gewählt als erstes Musikstück zu
Beginn des Konzertes:
Eine kleine Melodie in Moll, nur ein paar Töne,
aufsteigend und wieder fallend, fast traurig, wird
zum Grundelement für acht dicht auf einander
folgende Variationen. Schon in der ersten Variation dürfen die Finger der rechten Hand mit größter
Leichtigkeit über die oberen Tasten tanzen, während die Linke in der Tiefe mit den warmen, ru-
higen Tönen der Melodie alles zusammenhält. Im
Wechsel geht es weiter von Variation zu Variation,
einmal sachte wie ein kleines Lied, dann mit dichten Akkorden und immer wieder mit aufgelösten
Kadenzen und Tonleitern, die in atemberaubender
Leichtigkeit hinauf- und hinunter rieseln, um in
der Tiefe aufgefangen zu werden von kraftvollen
Bassklängen und Schlussakkorden.
Es ist vielleicht dieser überwältigend wuchtige
Schluss eines längeren, sehr differenzierten Musikstücks, das bei manchen Zuhörern die Zartheit
und die Zwischentöne der vorhergehenden Passagen leicht in Vergessenheit geraten lässt. Unserer jungen Pianistin ist es aber gelungen, trotz
der technischen Brillanz ihres Spiels die „Seele“
nie ganz zu verlieren! Man spürt es, wie sie mit
ihrem Programm versucht, von einem Stück zum
nächsten eine Brücke zu bauen. Den Variationen
in b-Moll von Szymanowski folgte nun ein Scherzo von Chopin, ebenfalls in b-moll, und doch ganz
anders! Danach nahmen uns die beiden ChopinWalzer op.64 und op.34 hinüber in die heiteren
Dur-Tonarten, zunächst zum „Andante spianato“
mit seinem singenden Thema, das an Szymanowski erinnert. Die Zuhörer konnten ein wenig Atem
holen, ehe mit voller Kraft der Marschrhythmus
der traditionellen polnischen Polonaise einsetzte und Chopin in seiner „Polonaise Brillante“ der
musikalischen Phantasie freien Lauf lässt bis zum
gewaltigen Ende.
Die Pause, die nun folgte, brauchten beide Seiten: Die Zuhörer und die Künstlerin!
Der 2. Teil des Konzerts begann wieder mit Szymanowski: 4 Préludes, op.l, kleine, musikalische
Kostbarkeiten, melodiös, Ruhe ausstrahlend; in
Nr.3 und Nr.4 tauchen moderne Tonfolgen und
neue Klangfarben auf. Es sind erste Schritte weg
von Chopin. - Den Schluss des Abends bildete
das große Spätwerk Chopins: die h-moll -Sonate op.58 mit 4 sehr unterschiedlichen Sätzen. Das
Finale presto ließ die Zuhörer überwältigt zurück
und war eine absolute Meisterleistung der jungen
Pianistin.
Und wo ist nun der „Dialog“? - Mehr als ein halbes Jahrhundert trennte die Komponisten, aber es
ist allzu deutlich, dass Szymanowski aus derselben
Quelle schöpfte wie Chopin. Auch er kannte die
Lieder des Volkes und liebte die lichten Birkenwälder seiner Heimat, die man beim perlenden Spiel
stets vor sich sieht. Und er kannte die breiten Ströme, die in kraftvoller Ruhe zum Baltischen Meer
hin fließen und die man in seiner Musik so deutlich wahrnimmt. Er war genauso tief verwurzelt
in diesem Land wie sein Vorgänger Chopin. Nur
war er etwas realistischer und gründete schon als
Student mit Freunden eine „Gesellschaft jungpolnischer Komponisten“. Nach dem 1.Weltkrieg, der
ihn persönlich hart betroffen hatte, wurde er Professor und 1919, als Polen wieder ein Staat war,
Direktor der neuen Musikhochschule in Warschau,
offen für die Zukunft, ohne das eigene Erbe zu
verlieren.
Rose Rauther
„Junge Interpreten“ am 15.10.11
Klavierduo Karolin und Friederike Stegmann
Das Klavierduo Karolin und Friederike Stegmann brillierte in einem bisher wohl auch im Johanneshaus noch nicht dargebotenen Programm
an zwei Steinway-Flügeln - subtile technische
Virtuosenleistung, sympathische Augen- wie
Körpergestik und musische Durchdringung standen Pate.
Der Einstieg mit Franz Schuberts Variationen
op. 35 zu vier Händen (am schwarzen SteinwayFlügel) offenbarte ein Einfühlungsvermögen bis
in feinste Nuancen. In Mozarts Sonate D-Dur galt
es, die unterschiedlich intonierten Klangfarben
der Instrumente in ein harmonisch geschlossenes Klangerlebnis zu führen. Dass Karolin und
Friederike Stegmann auch in der Lage sind, unter
einem großen Bogen rhythmisch- kontrastierende Artistik zu meistern, war in den Haydn-Variationen von Johannes Brahms zu bewundern. Zum
Schluss wechselten beide ohne jede Schwierigkeit die Klavierbänke zu einem feurigen, mühelos
wirkenden Passagenwerk von innerlicher Kantabilität mit Chopins Rondo op. 73.
Ein hoher Genuss, dieser Abend, eine denkwürdig-lebendige Begegnung mit einem der wenigen
jungen Nachwuchs-Klavierduos in Deutschland.
Barbara M. Schönstedt
Johanneshaus Rundschau 27
Das Ensemble Oni Wytars spielt am Sonntag, den 18. Dezember um 15.30 Uhr im Johanneshaus!
»MEDITERRANEUM«
Mittelalterliche Improvisationswelten zwischen Orient und Okzident
„Zehntausend Flüsse münden ins
Meer, doch das Meer läuft nie über
...“ – Die Fluten von Nil und Tiber, die
Quellwasser aus Kaukasus, Balkan und
Pyrenäen, aus Alpen und Atlasgebirge mischen sich im Mittelmeer. Hier
kreuzten sich die Handelswege zwischen Nord und Süd, zwischen Orient
Riccardo Delfino, Katharina Dustmann, P.eter Rabanser Michael Posch
und Abendland, hier trafen die alten
Kontinente Europa, Afrika und Asien, ihre Zivilisationen und Religionen aufeinander. Das Ensemble
Oni Wytars präsentiert sein neues Projekt mit großartigen Musikern aus dem Mittelmeerraum: „Mediterraneum“ – Musik aus der byzantinischen und osmanischen Epoche, italienische Instrumentalmusik
des Trecento und ihre „Spuren“ in der Volksmusiktradition Süditaliens und der Inseln Sizilien und Sardinien, Pilgerlieder in Tanzform aus dem katalanischen Llibre vermell des 14. Jahrhunderts, aber auch
wundervolle Lyrik aus der alten Andalusischen Schule, sephardische Romanzen und das, was nach der
jüdischen Diaspora im 15. Jahrhundert auf dem Balkan daraus geworden ist, - und schließlich populäre
Klänge aus dem heutigen arabischen, türkischen, und griechischen Kulturraum. Viele dieser Traditionen
reichen Jahrhunderte zurück, Oni Wytars will klangliche Brücken bauen, in ferne Welten – zeitlich und
räumlich.
Es ist ein Hineintasten in Klangräume zwischen Gestern und Heute, zwischen Nah und Fern. Diese
musikalische Reise im Mittelmeer will Klänge modellieren, Gefühlen und Phantasien freien Lauf lassen,
Ohren und Herzen öffnen, Farbigkeit, Duft und Klang des „mare nostrum“ beschwören.
Veranstaltungen in Johanneshaus Dez. 2011 bis März 2012
Dezember
Januar
Februar
März
17.12.2011
18.12.2011
07.01.2012
27.01.2012
28.01.2012
04.02.2012
17.02.2012
20.02.2012
25.02.2012
03.03.2012
10.03.2012
Galerie
Konzert
Liederabend
Vortrag
Eurythmie
Galerie
Eurythmie
Konzert
Lustspiel
Schauspiel
Vortrag
11.00 Uhr
15.30 Uhr
19.30 Uhr
19.30 Uhr
19.30 Uhr
11.00 Uhr
19.30 Uhr
16.00 Uhr
19.30 Uhr
19.30 Uhr
19.30 Uhr
Vernissage Ortwin Pennemann
Konzert Ensemble Oni Wytars
Yurika Waseda und Tukushiro Murayama
Prof. Götz W. Werner
Freie Eurythmiegruppe Stuttgart
Aquarelle und Holzskulpturen
Else-Klink-Ensemble Stuttgart
Salon-Ensemble Sentimental
Lehr- u. Wanderbühne Überlingen
Yumiko Eunike Engelkind
Markus Osterrieder
Gerne senden wir Ihnen den ausführlichen Veranstaltungskalender: Tel. 07233 / 679711
28 Johanneshaus Rundschau
Erinnerungen zu
Herbst und Winter
Als Kind fand ich Herbst und Winter ausgesprochen schön. Erst wurde das Laub bunt, es
gab Kastanien, mit denen man alles Mögliche
basteln konnte. Wenn dann das Laub fiel, und in
unserem Garten fiel das Laub reichlich, raschelte
es so schön, wenn man über den Boden schlurfte. Meine Freunde und ich fegten uns Straßen in
die Laubflächen und fuhren mit dem Leiterwagen
auf ihnen kreuz und quer über den Hof. Einer saß
hinten und bewegte mit den Füßen das Gefährt,
der andere saß auf einem Brett und lenkte unser
imaginäres Auto mit der hochgeklappten Deichsel. Am Wochenende schafften die Erwachsenen
das Laub mittels Harke auf einen großen Haufen,
wir aber nahmen Anlauf und sprangen hinein.
Für uns wurde es viel zu früh dunkel, nach
Einbruch der Dunkelheit mussten wir im Haus
spielen. Erst hatten wir einen Matadorbaukasten,
dessen Teile aus Holz und durchlöchert waren,
damit man sie mit kleinen Holzstiften zusammenstecken konnte; später wurde er durch zwei
Märklinbaukästen ersetzt, die ganz andere Konstruktionen ermöglichten. Wir hatten Ausschneidebögen, aus denen wir Schiffe, Traktoren oder
kleine Theater mit Kulissen und ausgeschnittenen Darstellern herstellten. Von einer verstorbenen Tante war noch eine alte Laterna Magica
im Haus, so dass wir Kino spielen konnten. Natürlich mussten wir bei der einen oder anderen
Arbeit mithelfen, zum Beispiel „Nüsse knacken“.
Zur Belohnung durften wir uns dann ein Nussbrot machen. Dazu wurden gehackte Walnüsse
mit Schwarzbrotkrumen und etwas Salz vermischt und in Butterbrotpapier eingeschlagen. Es
sah dann so aus wie eine Schokoladentafel. Nun
wurde die Masse mit einem geeigneten Gegenstand, meist einem hölzernen Fleischklopfer, zu
einer festen Masse geklopft und anschließend
verzehrt. Zu trinken gab es meist Hagebuttentee.
Da wir zu der Zeit noch Ofenheizung hatten
und nicht alle Zimmer geheizt waren, saßen Jung
und Alt natürlich viel mehr zusammen. Es wurde mehr kommuniziert und manchmal auch ne-
benher gesungen. Mit 9 oder 10 Jahren mussten
mein Freund aus dem oberen Stockwerk und ich
Klavier spielen lernen. Ab November natürlich
Weihnachtslieder und ein Stück zum Vortragen.
Ich erinnere mich noch an eine Festouvertüre von
einem Herrn Bela, mit der wir uns lange quälten,
sie dafür aber im nächsten Jahr noch einmal zu
Gehör brachten. Lustig wurde es, als wir soweit
waren, dass wir vierhändig spielen konnten. Über
oben oder unten haben wir uns nie gestritten
und bei unserem Lieblingsstück, dem für uns sicher einfacher gesetzten Türkischen Marsch, sind
wir zu voller Stärke aufgelaufen.
In den ersten Jahren nach dem Krieg fiel immer wieder einmal der Strom aus, was den frühen
Abenden bei Kerzen– oder Petroleumlicht zusätzlich eine gewisse romantische Stimmung verlieh.
Die Erwachsenen sahen das sicher ganz anders.
Gelegentlich schmurgelten in einer Kasserolle auf
dem Ofen im Esszimmer mit Marmelade, Nüssen
und etwas Zwetschgenwasser gefüllte Bratäpfel.
Sie dufteten herrlich und beim Verzehr habe ich
mir jedes Mal den Mund verbrannt. Ich nehme
an, das ging anderen Kindern ebenso.
Nach Weihnachten kam dann endlich der
Schnee, und da wir auf dem Berg wohnten, konnten wir reichlich Schlitten und später auch Skifahren. Kohlen waren Anfang der Fünfziger Jahre
mitunter knapp, und bei längerer Kälte und viel
Schnee bekamen wir in der Schule Schneefrei.
Die heitere, unbedarfte Kindheit ging eigentlich
ziemlich schnell zu Ende. Die Interessen gingen in
verschiedene Richtungen: Sport, Orchester oder
Schülerchor und andere Aktivitäten. Bald kam die
Tanzstunde, dann verlor die Winterzeit schnell an
Reiz, da man sich im Frühjahr und Sommer viel
besser mit seiner Flamme im Freien treffen konnte.
Gerhard Lehmann
Die Rosenblüte
Erstarb in diesen Tagen:
Oh, welche Kälte!
Shiki
Johanneshaus Rundschau 29
Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer bei fast allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.
Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.
Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absatz los,
den sie brauchen – echt famos!
Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.
Leichter noch bei solchen Taten
Tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
Wird die Wirkung potenziert.
Für die Zechen dieser Frechen
hat der kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja –
nicht nur in Amerika!
Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.
Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen –
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.
Trifft´s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken –
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!
Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird ein bisschen Krieg gemacht.
Ihre Friseure im Johanneshaus
Maria Berberidis
&
Manfred Sadler
wünschen ihren Kunden ein
besinnliches Weihnachtsfest
und für 2012 alles Gute,
Gesundheit und Glück!
Wir freuen uns, Sie auch im kommenden Jahr wieder beraten
und bedienen zu dürfen!
Als Geschenkidee für Ihre Lieben
zum Fest:
Einen Gutschein von Ihrem
Friseursalon Sadler!
Terminvereinbarung:
Tel.-Salon: 07233 / 67-9601
30 Johanneshaus Rundschau
Kurt Tucholsky
1930 veröffentlicht in „Die Weltbühne“
Rezeptvorschlag für das Jahr 2012
Man nehme zwölf Monate, putze sie ganz sauber von Bitterkeit,
Geiz, Pedanterie und Angst und zerlege jeden Monat in 30
oder 31 Teile, so dass der Vorrat genau für ein Jahr reicht.
Es wird jeder Tag einzeln angerichtet aus einem
Teil Arbeit und zwei Teilen Frohsinn und Humor. Man füge drei gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu, einen Teelöffel Toleranz, ein
Körnchen Ironie und eine Prise Takt.
Dann wird die Masse reichlich mit Liebe übergossen. Das fertige Gericht schmücke man mit
Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und
serviere es täglich mit Heiterkeit und einer
guten, erquickenden Tasse Tee.
Katharina Elisabeth Goethe
Mutter von Johann Wolfgang
Impressum
Die Rundschau
Herausgeber
Johanneshaus gemeinnützige GmbH
Zentrum für Lebensgestaltung im Alter
Am Eichhof 20 · 75223 Niefern-Öschelbronn
Tel. 07233 / 670 · Fax 07233 / 679210
[email protected]
Redaktion:
Karin Barkhoff
Hedi Delfino
Dorette Jensen
Hans Krauss
Madlen Kost
Gerd Kutscher
Jutta Lauer †
Erika Müller
Layout:
Konrad Barkhoff
Anzeigen:
Druckauflage:
Karin Barkhoff
Tel. 07233 / 97 31 56
[email protected]
800 Stück
Druck: Butscher Pforzheim
- steht im Internet zum kostenlosen Download bereit
unter:
www.johanneshaus-oeschelbronn.de/rundschau.htm
- erscheint viermal jährlich zu den Jahresfesten:
Ostern – Johanni – Michaeli – Weihnachten
- lebt von den Beiträgen der Bewohner und Mitarbeiter.
Insofern freuen wir uns über jede Zuschrift! Die Redaktion kann jedoch keine Zusage über den Zeitpunkt der
Veröffentlichung geben, ebenso kann keine Haftung für
unaufgefordert zugesandte Manuskripte übernommen
werden.
Für Inhalt und sachliche Richtigkeit der Beiträge zeichnet der jeweilige Autor verantwortlich. Die Redaktion
behält sich Überarbeitungen und Kürzungen vor. Aus
Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die
männliche Schreibweise verwendet. Wir weisen jedoch
ausdrücklich darauf hin, dass die männliche Schreibweise die weibliche stets mit einbezieht.
Redaktionsschluss für die kommende
Ausgabe ist am 29.02.2012
Abdruck des Bildes „Große weise Lilie“ auf Seite 17 mit Genehmigung von Christiane Schwaderer.
Weitere Werke der Künstlerin unter www.christiane- schwaderer.de.
Johanneshaus Rundschau 31
Vom Himmel in die tiefsten
Klüfte
Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern hernieder lacht;
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht
Mir ist das Herz so froh erschrocken.
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder,
Ich fühl‘s, ein Wunder ist geschehn.
Theodor Storm

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