das Zukunftsfest Zum 90. Geburtstag von Conrad
Transcrição
das Zukunftsfest Zum 90. Geburtstag von Conrad
JOHANNESHAUS Rundschau Winter 2011- Ausgabe Nr. 57 Weihnachten - das Zukunftsfest Zum 90. Geburtstag von Conrad Schachenmann Wem Gott will rechte Gunst erweisen Am 12.11.2011 ist Jutta Lauer von uns in ihre geistige Heimat gegangen. Jutta Lauer, geprägt durch die unruhige Zeit der Weimarer Republik und des Dritten Reiches, setzte sich Zeit ihres sehr arbeitsreichen Lebens tatkräftig für ein freies Schulwesen und die Dreigliederung Rudolf Steiners ein. Rückschläge, Hindernisse spornten sie, auch wenn sie oft an die Grenzen ihrer Kräfte kam, nur noch weiter an. Im Juli 2007 bezog sie ihren Altersruhesitz im Johanneshaus, um auch hier, bereits im hohen Alter, noch gestaltend mitzuwirken. So war sie während dieser Zeit durchgängig in der Redaktion der Johanneshaus-Rundschau tätig und gab wichtige Impulse. Bis zum Schluss waren ihr die Termine der Redaktion ein großes Anliegen. Sie wird in unseren Gedanken weiter unsere Arbeit begleiten. Die Redaktion Inhalt Tirol (Franz Marc) 3 4 5 Ursula Weidmann Kino im Faltpavillon 6 Großmütter 7 Das Gedicht - Folge 3 8 10 10 Christian Morgenstern Bodecker & Neander verzaubern … Heilkräfte für Mensch und Erde 11 Ein Dialog in der polnischen Romantik 12 Junge Interpreten: Klavierduo Stegmann 23 25 26 27 Barbara M. Schönstedt 12 13 Veranstaltungen im Johanneshaus Erinnerungen an Herbst und Winter 28 29 Gerhard Lehmann 14 16 17 17 Wenn die Börsenkurse fallen 30 Kurt Tucholsky Rezeptvorschlag für das ganze Jahr 31 Katharina Elisabeth Goethe Impressum Vom Himmel in die tiefsten Klüfte Theodor Storm Titelbild: Tirol von Franz Marc 2 Johanneshaus Rundschau 23 Rose Rauther Dieter Kissel Notizen vom Eichhof Menschen, die zu uns gekommen sind Menschen, die von uns gegangen sind Leis auf zarten Sohlen Gedanken zur Kunst der Pantomime Annedore Friedrich, Marianne Worel Susanne Hagemann Diätprodukte verschwinden vom Markt Zum 90. Geburtstag C. Schachenmann 22 Karl Michael Heel Karin Drexler, Karin Talmon Heileurythmie im Johanneshaus 21 Dorette Jensen Friederike Michelsen Ein Tag an der Pforte 20 Hans Krauss Marga Rödelberger So wie die Sonne 19 Lothar Hoppe Dieter Kissel Ein Erlebnis auf der Station 2/4 Wem Gott will rechte Gunst erweisen, … 6 Ursula Weidmann Lang ist die Zeit, … Neuigkeiten aus dem Garten Erika Müller Veerle von Wedemeyer Sterbekulturtagung am Goetheanum 18 Julia Werdermann Karin Barkhoff Spätherbst-Erlebnis Wirkendes Feuer Lothar Hoppe Hans Krauss Der Martinibazar 18 Hedi Delfino Heidrun Loewer Weihnachten - ein Zukunftsfest Aufgaben des Heimbeirats 31 32 Tirol (Franz Marc) Das Bild „Tirol“, das Franz Marc 1913 gemalt und ausgestellt hatte, nahm er im gleichen Jahr der Ausstellung wieder zurück, um es weiter zu bearbeiten. 1914 stellte er es fertig – es wurde sein letztes großes Werk. 1916, 36-jährig, fiel er im Ersten Weltkrieg. Was hatte Franz Marc dazu veranlasst, sein bereits ausgestelltes Bild zurück zu holen? „Tirol“ 1913 – ein Bild des Chaos, des Zusammenbruchs. Harte, zackige, schiefe Formen über geduckten kleinen Häusern und entlaubten, toten Bäumen ziehen den Betrachter in eine Atmosphäre des Zusammenbruchs und Untergangs. „Tirol“ 1914 – mitten in dem bedrohlichen Chaos ist für den genauen Betrachter eine Frau im roten Kleid und blauen Umhang zu erkennen, die auf einer türkisfarbenen Sichel steht und ein Kind auf ihren Armen hält. Dieses Motiv hat Marc dem Bild hinzugefügt, als er es aus der Ausstellung zurück rief. In dem Bild von 1913 nimmt der Maler die Schrecken des drohenden Weltkriegs wie vorweg. Erst als es in der Ausstellung hing, muss er empfunden haben, dass dieses Grauen nicht die ganze Wirklichkeit wiedergibt. Mit dem Motiv der Maria und dem Kind fügt er den Schrecken der Gegenwart ein auf die Zukunft weisendes Bild hinzu. Hier wird die Angst vor einer zu fürchtenden Zukunft überwunden durch ein Hoffnung tragendes Zukunftsbild. Heidrun Loewer Johanneshaus Rundschau 3 Weihnachten - das Zukunftsfest So erlebte ich die Feier der Geburt Jesu zu Bethlehem als unsere Kinder noch klein waren. Endlich wird das große, das letzte Adventskalenderfenster geöffnet, endlich am frühen Abend läutet das Glöckchen, und in erwartungsvoller Stimmung betreten die Kinder das Weihnachtszimmer. Sie bewundern den Lichterbaum und die so geliebte Krippe. Nun das Vorlesen der vertrauten Weihnachtsgeschichte, einige Lieder, das Eingehen auf Fragen der Kinder, das Denken an liebe Menschen nah und fern. Dann irgendwann ein Innehalten, eine natürliche Pause. Denn natürlich haben die Kinder längst die noch verpackten Geschenke gesehen. Jetzt Jubelrufe und freudiger Dank, bei jeder weiteren Entdeckung immer wieder erneuert. Dann aber irgendwann, man weiß nichtrecht wie, halten die „Großen“ plötzlich Hirtenstäbe in den Händen, Zipfelmützen sind da, angedeutetes Wollzeug. Denn jetzt wird das Oberuferer Christgeburtspiel aufgeführt, hingebungsvoll und immer wieder neu einsetzend. Und selbstverständlich alles auswendig. Derweil wuselt unter dem Baum unentwegt ein kleines Wollschaf herum, bis wir es, endlich eingeschlafen, in sein Bett tragen. Bei alledem ist eins sicher. Ob nun durch die Hirten oder die Priesterkönige, ob mehr oder ob weniger bewusst, die Kinder spüren: Diese Geburt hat eine Bestimmung, ein festes Ziel. Und das ist die Heilsgeschichte, der Weg bis hin zur Wiederkunft des Christus. Die sehnsuchtsvolle Erwartung dieser Zeit äußert sich für mich am deutlichsten im Barock. Dessen Sprache ist uns fremd geworden, wir empfinden sie als „barock.“ Und doch ist es gerade diese Sprache, die bei aller Sinnenfreude zugleich in zahlreichen gottesdienstlichen Arien am innigsten das Verlangen der Epoche nach Erlösung offenbart. Der Mensch als „Sündenknecht“. Eine späte Parallele hierzu finde ich noch in den klassischen Gospelsongs. Auch hier die Freude am Diesseits unmittelbar neben einer fast inbrünstigen Erwartung des Christus als Erlöser von der Sklaverei dieser Welt. 4 Johanneshaus Rundschau Mir selbst aber war von allen den Liedern zur Wiederkunft des Christus schon früh am eindrucksvollsten: „Es kommt ein Schiff ... „ Zunächst machte das wohl die Melodie, später dann die unübertreffbar klare und einfache Gewissheit der Botschaft. Gleich im ersten Vers der ersten Strophe verlangt die Grammatik ein obligatorisches Komma nach „Schiff“. Hier ist die Ruhepause im Vers und nicht an seinem Ende, das ohne Pause in den zweiten Vers überleitet. Die Melodie begleitet das nicht, dennoch versuche ich, immer darauf zu achten. Während der Komponist bekannt ist (Daniel Sudermann, 1550-1631), wird als Dichter mit einem Fragezeichen („nach Tauler“) dieser zweihundert Jahre frühere Mystiker genannt. Es könnte aber, denke ich, ebenso der irgendwann einmal endgültig fixierte Text die Endstufe einer längeren Entwicklung sein, ähnlich wie bei den Epen Homers. Das Bild des Schiffes für die christliche Kirche, für den Christus, ist sehr alt, schon die Katakombenchristen lebten damit. Späte Theologen haben dann diesen Vergleich in verspielter Manier überstrapaziert und damit entwertet bis hin zur Decklast des Schiffs als dem heiligem Grab. Hier dagegen ist alles mit sparsamsten Mitteln auf das Wesentliche begrenzt: Das Schiff als Transportmittel, als Gefäß für den kommenden Christus: „Der Sohn ist uns gesandt.“ Natürlich muss das Schiff ein Segler gewesen sein, ist es für mich noch heute, hochbordig ist es, hören wir, ein ansehnliches Schiff, gewiss ein Zweimaster. Er segelt „im Triebe“, diese heute vergessene Bedeutungsvariante weist uns wieder auf das hohe Alter des Textes hin. Das Schiff hält, bei ruhiger See, einen stetigen, langsamen, aber unaufhaltsamen Kurs, sein „Kommen“ weist bereits auf sein Ankommen, auf sein Ziel voraus, dem es, nach Verlassen des Ankerplatzes, Hafen für Hafen, eine weitere Strecke näher kommt, der Christus ist schon in der Erdatmosphäre angekommen, langsam, unaufhaltsam kommt er zu uns, alle Jahre wieder seit Bethlehem. Hans Krauss Der Martini-Bazar – ein Höhepunkt im Jahreskreislauf! Seit Jahrzehnten ist unser Martini-Bazar am ersten Sonntag im November ein wichtiger Tag, den sich Hunderte Menschen aus Nah und Fern dick im Kalender anstreichen. Und jedes Jahr ist es das gleiche Spiel: kein freier Parkplatz ist mehr zu finden, und lange vor der Eröffnung sind Foyer und Saaleingänge von Besuchern belagert - jeder will zu den ersten gehören, wenn sich die Türen Punkt 14:30 Uhr öffnen. Der Martini-Bazar hat eine lange Tradition und feste Gepflogenheiten, an denen nicht gerüttelt wird. So sind es nach wie vor die Bewohner, die ihre ganze Kraft Wochen und Monate vorher für Planung und Organisation des Bazars aufwenden. Jeder neu eingezogene Bewohner wird gleich umworben, sich hier einzubringen. Ein Rückzug davor ist noch keinem geglückt Unterstützung kommt auch von den Mitarbeitern und vielen Ehemaligen, die beim Bazar ehrenamtlich ihre Sonntagsfreizeit in den Dienst der guten Sache stellen und Seit‘ an Seit‘ mit den Bewohnern mit Freude mit von der Partie sind. Im Festsaal finden sich die angestammten Plätze für das umfangreiche, gut bestückte Antiquariat, den Verkauf von Tisch- und Leibwäsche sowie Leder- und Kurzwaren. Auf der umlaufenden Galerie ist der Möbel-, Teppich- und Gemäldeverkauf, wo man mit etwas Glück antike Schätze finden kann. Im Eurythmieraum werden Kleider verkauft, im unteren Foyer geben sich die leckeren Spezialitäten der Gärtnerei ein Stelldichein mit dem verführerischen Duft der Waffelbäckerei, und in der Cafeteria ruhen sich die vom Einkauf müden Menschen aus. Dort gibt es eine große Auswahl leckerer süßer oder herzhafter „Magendrazerln“ (bayerischer Ausdruck für lukullische Leckereien) und erfrischender warmer und kalter Getränke. Im oberen Foyer und verschiedenen Räumlichkeiten rund um die Ladenstraße locken liebevoll gestaltete Stände: Bücher und exklusive Geschenkartikel, Handarbeiten, Holzspielwaren und Perlenschmuck, nützlicher Hausrat – ja sogar homöopathische Salben und Tinkturen für das kleine oder größere Wehwehchen werden feilgeboten. Für Kinder gibt es Märchenlesungen und für Musikfreunde Violinenmusik. Neu in diesem Jahr: Der Förderverein des Johanneshauses hat sich mit einem Informationsstand im Foyer präsentiert und hatte sehr viel Zulauf. Es galt bei einem Preisrätsel alle Fragen richtig zu beantworten, wenn man einen der vielen attraktiven Preise gewinnen wollte. Teilnehmen an diesem Ratespiel durfte aber nur der, der das Spendenschweinchen des Fördervereines auch fütterte. Bis abends um sechs Uhr herrscht immer ein reges Gewimmel, und man trifft viele bekannte Gesichter. Es ist eben nicht nur ein Bazar, sondern auch ein „Sehen-und-gesehen-werden“, ein Wiedersehen mit Freunden, Bekannten und anderen lieben Menschen Erst spät kommen alle, Bewohner wie Mitarbeiter, zur Ruhe und nach Hause. Und auch erst spät spüren alle ihre müden Füße, denn während der vielen Stunden hatte jeder so viel zu tun, dass keiner es merkte, wie lange man auf den Beinen war. So ging es auch mir, ich war abends zwar rechtschaffen müde und wollte nur noch heim auf die bequeme Couch, freute mich aber zugleich schon wieder auf den zweiten Novembersonntag 2012, wenn es dann wieder heißt „Der Martini-Bazar ist eröffnet!“ Ursula Weidmann Johanneshaus Rundschau 5 Kino im Faltpavillon? Spätherbst-Erlebnis Nein, da müssen wir enttäuschen. Es wird kein Freilichtkino im Johanneshaus geben. Was das Kino mit dem Faltpavillon verbindet, ist, dass beide aktuelle Projekte des Fördervereins sind. Den Pavillon haben sich die Therapeuten des Hauses gewünscht, um, wenn es sie mit Bewohnergruppen in den Garten zieht, geschützt zu sein vor zu starker Sonnenbestrahlung oder plötzlich einsetzendem Regen. Das ist aber nur praktikabel, wenn der Pavillon schnell und unkompliziert auf- und abzubauen ist - und ein solcher soll es sein. Der Förderverein wollte sich hier gerne einsetzen und nutzte den anstehenden Martini-Bazar, um für Spenden zu werben. Verbunden war die Spendenaktion mit einem Preisausschreiben mit Fragen zum Förderverein, an dem man gegen eine Spende für das Zelt teilnehmen konnte. Die attraktiven Preise für das Preisrätsel wurden von einigen nicht nur ortsansässigen Firmen zu Verfügung gestellt, denen wir noch einmal an dieser Stelle ganz herzlich danken. Einen ganz besonderen Dank möchten wir der Linden-Apotheke und der Enz-Apotheke aussprechen, die uns mit einer wirklich großen Anzahl an Preisen bedacht haben. Es haben sich viele Martini-Bazar-Besucher, auch etliche Bewohner und Mitarbeiter an unserem Stand über den Förderverein informiert und unser Spendenschwein gefüllt. Dem Faltpavillon steht nun nichts mehr im Wege. Ein herzliches Dankeschön den Spendern! Das Kino im großen Saal war bereits fester Bestandteil im Veranstaltungsprogramm des Johanneshauses, bis es aus Zeitgründen der Mitarbeiter „einschlief“. Der Ruf der Bewohner, die Filmvorführungen mögen doch bitte wieder stattfinden, hat auch den Förderverein erreicht. Nachdem er vor Jahren die technischen Voraussetzungen, Anschaffung eines Beamers, für das Kino geschaffen hatte, hat der Förderverein nun das gesamte Procedere der Filmvorführungen ab 2012 übernommen. Genaueres hierzu im Frühjahrsheft. Karin Barkhoff Oh ein verletztes Vögelchen taumelt da aus dem Baum – aber nein ein letztes trockenbraunes Blatt das gestern dem Sturm noch getrotzt entschloss sich loszulassen hinabzusegeln frei zu den früher gefallenen wartenden Brüdern unten ihr Winterschicksal teilen Veerle von Wedemeyer In Verantwortung fŸr unsere Kunden, fŸr unsere Umwelt setzen wir auf QualitŠt. Seit Ÿber 40 Jahren! ParfŸmerie, Foto und Reformhaus Nieferná Hebelstra§e1 á Tel. 07233-3934 6 Johanneshaus Rundschau Sterbekulturtagung am Goetheanum Aus Gottes Sein erstand die Menschenseele, Sie kann in Wesensgründen sterbend tauchen, Sie wird dem Tod dereinst den Geist entbinden. (Rudolf Steiner) Bereits zum dritten Mal fand am Goetheanum die Sterbekulturtagung statt, dieses Jahr vom 18. – 20. November unter dem Titel „Das Leben im Tode“. Vom Johanneshaus nahmen Nicole Heidt (Wohnbereichsleitung WB 2/4), Adelheid Kast (Wohnbereich 3/1), Barbara Nottebaum (Sozialdienst) und Ursula Weidmann (Sozialdienst) und für die Christengemeinschaft Veronika Kietzig als Gemeindehelferin an der Tagung teil. Steiner hat nun der Menschheit geholfen, dieses Gebiet tiefer, genauer und lebendiger zu verstehen. Dadurch kann erlebbar werden, dass der Tod zum Leben gehört, dass die Toten im Geistgebiete weiterleben und am vergangenen Schicksal weiterarbeiten. Nichts, was im Leben geschieht, ist dabei vergebens. Dann entsteht die Sehnsucht, zurück auf die Erde zu kommen, um da als irdische Menschen das eigene Schicksal zu korrigieren.“ (Quelle: Tagungsprogramm, Vorwort von Dr. Virginia Sease und Päivi Lappalainen) Am ersten Tag nahmen wir an einer Exkursion zum „Hörnli“, Basels großem Friedhof mit Krematorium für Basel-Stadt und Basel-Land, teil. Zurück im Goetheanum wählte dann jede von uns den Besuch der Arbeitsgruppen aus, die für die persönliche Intention in Verbindung mit der Arbeit im Johanneshaus passend war. Für uns fünf konnten die Voraussetzungen nicht unterschiedlicher sein: für manche war das Goetheanum und die Begegnung mit der Anthroposophie Premiere, für andere ein Wiedersehen. Doch gemeinsam war uns, dass wir für unsere Arbeit im Johanneshaus einen großen Erkenntnisschatz mitgebracht haben. Ursula Weidmann B. Nottebaum, V. Kietzig, N. Heidt, U. Weidmann und A. Kast „Im Jahr des 150. Geburtstages Rudolf Steiners blicken wir auf seine bedeutende Tat, mit der er für unsere Zeit das Bewusstsein in völlig neuer Weise auf den Tod gelenkt hat. Er hat nicht nur viele Fragen um den Tod herum erörtert, sondern auch beschrieben, wie der Mensch nach dem Tode weiterlebt. Früher hatten die Menschen in der allgemeinen Kultur nur sehr undeutliche Vorstellungen über die Verstorbenen; nur wenige Menschen hatten bildhafte, leibfreie Begriffe, Gedanken oder Einsichten vom jenseitigen Leben. Auch in den Evangelien sind manche Imaginationen über den Himmel geschildert. Rudolf Johanneshaus Rundschau 7 „Lang ist die Zeit, es ereignet sich (F. Hölderlin) aber das Wahre.“ Aspekte der Demenz aus der Sicht einer erweiterten Heilkunst In einem umfangreichen Artikel in der Pforzheimer Zeitschrift „Generationen im Dialog, 2/2011“ führt Dr. Kissel den Leser in die Denkansätze der anthroposophischen Menschenkunde und Medizin ein. Wir geben im Folgenden aus dem zweiten Teil des Artikels den Inhalt wieder, möchten aber gleichzeitig auf den gesamten Artikel in dem angegebenen Heft aufmerksam machen. … In dem Grundlagenwerk zur anthroposophischen Medizin von Dr. Rudolf Steiner und Dr. Ita Wegmann finden wir im Anfangsteil die folgende auf- und anregende Ausführung, die wir thematisch weiter beleuchten wollen: „Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind. Im Gestalten und Wachsen des menschlichen Organismus offenbart sich ein Geistiges. Denn dieses Geistige erscheint dann im Lebensverlaufe als die geistige Denkkraft. Und diese Denkkraft ist nur ein Teil der im Ätherischen webenden menschlichen Gestaltungs- und Wachstumskraft.“ Die Pathologie im Äther- oder Bildekräfteleib, die bei der Demenz auftritt, hat zwei Aspekte, die alle etwas mit dem Begriff oder Phänomen ZEIT zu tun haben. An anderer Stelle spricht die anthroposophische Menschenerkenntnis auch vom Ätheroder Zeitenleib. Der Zerfall des Tagesrhythmus und auch des Lebensrhythmus ist etwas, das wir in jeder Phase der Demenzkrankheit finden können. Der Mensch - könnte man sagen - nimmt Abschied vom Erdenrhythmus und gerät in den eigenen Schicksalsrhythmus, die Seele sucht neue Tore, neue freie Zeiten; das Vergessen ist vielleicht eine Gnade, die es ermöglicht, ungelöste (Karma)Aufgaben zu bearbeiten. 8 Johanneshaus Rundschau Schon im Bewusstsein des „normalen“ Menschen gibt uns die Zeit viele Rätsel auf. Wie verläuft beispielsweise die Zeit im Traumbewusstsein? Wie empfinden wir die Zeit in einer Prüfung oder die Zeit an einem Sonnentag in den Bergen? Wenn schon im Bewusstsein des normalen Menschen die Zeit zum Rätsel werden kann, was ist sie dann für den Demenzkranken? In welcher Zeit lebt er? Woher kommt der Wechsel des Tag-NachtRhythmus? Warum muss die 85jährige alte Dame ihre Söhne (10 und 12 Jahre alt) von der Schule abholen? Oder die andere Dame gleichen Alters, die ihre kranken Eltern besuchen will/muss. Ist die Gegenwart nicht mehr wichtig? Oder sind Gegenwart und Vergangenheit zusammengeflossen? Wie bereits dargestellt, betreffen auffallende Abnutzungsvorgänge die Sinnesorgane, die immer weniger funktionstüchtig werden. Die Linse des Auges verliert ihre Anpassungsfähigkeit, und die Strukturen im Innenohr verhärten sich oder bilden sich zurück. Die Instrumente werden immer weniger brauchbar, mit denen sich der Mensch die Erfahrungen in der äußeren Welt innerlich deuten konnte. Die Abkehr vom Hier und Jetzt der Sinnenwelt wird leiblich-organisch manifest. Der Rückzug vom äußeren Leben ist aber die Voraussetzung für die Ausbildung eines reichen inneren Lebens. Bewusstseinsarbeit ist grundsätzlich erst möglich in der Distanz zur Welt. Man kann diese Erscheinungen als Defizit betrachten, sie sind aber auch eine Möglichkeit eine innere Bereicherung zu haben. Wie die Sinnesorgane und das Bewegungssystem verändert sich auch das physische Organ, mit dem sich der Mensch in Zeit und Raum orientiert. Es tritt ein Prozess ein, den man als dementielle Entwicklung bezeichnet Hier hat sich die innere Bewusstseinstätigkeit: Vorstellungen, Bilder, Absichten, Denkprozesse, Deutungen usw., in gewisser Weise verselbständigt. Es entsteht ein abgetrennter, eigenständiger, in sich geschlossener Bewusstseinsraum, der in keinem oder zumindest nur in einem außerordentlich lockeren, nicht zu kontrollierenden Zusammenhang mit den Gegebenheiten der äußeren Situation steht. Die verwirrten alten Menschen finden sich nicht nur nicht mehr in ihrer Umgebung zurecht, sondern sie produzieren sich sozusagen eine ganz eigene, verrückte Umwelt, die für sie momentan subjektiv ganz real ist. Michael Brater und Günter Kaul führen in ihrem Buch: „Altenpflege“ dazu richtig aus: Die Bewusstseinsinhalte, die im Falle der Altersverwirrtheit das Handeln lenken, beziehen sich also offenbar nicht mehr auf die aktuelle Situation, in der gehandelt wird, sondern sie stammen aus ganz anderen Bereichen. Ganz vom Phänomen her kann man vielleicht sagen: Die Umwandlung von Leben in Bewusstsein, von der zuvor die Rede war, ist hier in dem Sinne zu weit vorangeschritten, dass die Lebensprozesse das Bewusstsein zu weitgehend freigeben, dass zu viel inneres Leben - ohne Bezug zum äußeren - entsteht, das dann auch nicht mehr an der Erfahrungswelt orientiert oder geprüft werden kann…. Man muss versuchen diese Bilder zu verstehen, die das Bewusstsein der alten Menschen »besetzen« (und die uns eben als »Verwirrtheit« erscheinen, weil wir sie zunächst nicht deuten können und weil sie keinen unmittelbar einsichtigen Bezug zur Situation haben): 1. Die erste Form von Bildern stammt aus bestimmten Abschnitten der Biographie. Angeregt durch Namen, Gerüche oder Eindrücke schieben sie sich vor die Wahrnehmung der gegenwärtigen Welt, und der Mensch taucht ein in eine eigene Wirklichkeit. 2. Die nächste Form der Bilder oder Bewusstseinszustände kommt aus der verfremdeten Wahrnehmung körperlicher Zustände. Die verwirrten Menschen fühlen sich bestohlen (=Verlust der körperlichen Kräfte), andere fürchten sich vor dem Ausziehen der Tageskleider. 3. Manchmal erlebt der demente Mensch in den verfremdeten Bewusstseinszuständen zerstörerische und selbstzerstörerische Impulse aus dem Unbewussten, Kräfte, die er früher unterdrücken konnte und die gewissermaßen das Gegenbild seiner Persönlichkeit darstellen und sich jetzt in Wut, herausforderndem Verhalten, Wahnvorstellungen oder unflätigen Beschimpfungen äußern. Diese unterschiedlichen Bilderwelten verlangen zweifellos auch ganz unterschiedliche Formen der Behandlung durch den Pflegenden. Schon hier ist eine erste grundlegende Aufgabe für diejenigen erkennbar, die mit verwirrten alten Menschen umgehen, nämlich die, zu lernen, diese Bilderwelten zu unterscheiden und immer besser zu verstehen. Immer wird hier das Nicht- Tagesbewusstsein des alten Menschen »Empfangsorgan« für nichtsinnliche, nicht physisch in Erscheinung tretende Realitäten sehr unterschiedlichen Ursprungs. Deshalb sind diese Bilder auch in jedem Fall als solche ernst zu nehmen und nicht als pure Verrücktheit abzutun - auch wenn Außenstehende sie nicht verstehen. »Krankhaft« sind all diese Zustände, weil sie heute von den Betroffenen eben in keiner Weise kontrollierbar oder herstellbar sind. Es wird für den Ansatz der Pflege dieser verwirrten alten Menschen u. a. darauf ankommen, ob man einen liebevollen, verständnisvollen Weg zum Kranken findet. Auch im Falle der Altersverwirrtheit ist damit jener oben ausführlich dargestellte Gedanke der Wandlung von Leben in Erleben, von Lebens- in Bewusstseinsprozesse leitend. Die eben dargelegten Ausführungen zeigen, wie wichtig die menschliche Biographie für das Verständnis des Demenzkranken ist. Deshalb ist es wichtig, über möglichst viele Seiten Hinweise über die Persönlichkeit und ihre Entwicklung zu erhalten. Daraus kann manche besondere Pathologie oder einfach nur Verhaltensweise klar werden. Provokativ ist vielleicht eine andere Folgerung aus dem Dargelegten: Wir betrachten den anderen in seiner Demenz nicht primär aus seiner Pathologie, sondern als Mensch, der auf seinem Lebensweg unterwegs ist und uns sogar selber Hinweise zum Umgang geben kann: Der Demenzkranke ist unser Lehrer geworden. Dr. Dieter Kissel Literaturhinweise Rudolf Steiner, Ita Wegmann: Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen. Dornach 1925; Michael Brater, Günter Kaul: Altenpflege. Stuttgart 1990; Dieter Kissel, Rumi Reitsma: Der alte Mensch. Pflege und Therapie. In: Anthroposophische Medizin. Ein Weg zum Patienten. Stuttgart 2004 Johanneshaus Rundschau 9 Ein Erlebnis auf der Station 2/4 Im Sommer oder Frühherbst 1999 beim Mittagessen: etwa 10 oder 12 Patienten sitzen an einem großen Vier-Eck von zusammengestellten Tischen, in weitem Abstand voneinander. Sie können einander gut in den Blick fassen, beobachten. Das Mittagessen wird still eingenommen. Ich habe mir an einer Ecke einen Hocker hingestellt, helfe rechts von mir einem Patienten, einem früheren Arzt. Er war fast 50 Jahre lang hochgeschätzter Allgemeinmediziner, Hausarzt zahlreicher anthroposophischer Familien, seit 1998 nun als ein an Demenz erkrankter Heimbewohner im Johanneshaus. Links von mir sitzt eine Bewohnerin, der ich das Essen reiche. In die Stille kommt plötzlich laute Bewegung! Mir gegenüber springt ein Bewohner zornrot auf, fuchtelt erregt mit beiden Armen und ruft, Antwort heischend: „Was soll ich machen?! Meine Frau ist unverschämt!!!“ Mein kurzer Blick in die Runde erfährt: Jeder Tischgenosse zeigt nur für seinen eigenen Teller Interesse. Jeder bemüht sich, die Schelte zu überhören. Da: Der Bewohner wiederholt seinen Ruf! Wieder keine Reaktion?! Dann: Der Bewohner stürmt von seinem Platz aus um die Tische, hält rechts von dem Doktor neben mir an, macht etwas wie ein Verbeugung und ruft noch aufgebrachter, noch dringender: „Herr Doktor! Was soll ich machen?! Meine Frau ist unverschämt!!!“ Nun denkt keiner der Tischgenossen mehr an seinen Teller. Es ist wie im Theater: Zwei Hauptdarsteller werden bestaunt und: Siehe da! Der Doktor ist plötzlich anwesend in seiner Menschlichkeit als Arzt: Er hebt den Löffel in Ruhe hoch auf wie ein Zepter, schaut dann den anderen Bewohner voll an und – indem er den erhobenen Löffel betont bedachtsam auf den Tisch zurückführt, hören wir nun alle die Anweisung des Arztes: „Fragen Sie Ihre Frau, wie es ihr geht!“ … Der Bewohner steht mit offenem Mund still da, … ringt um Fassung, ... dann bricht es aus ihm heraus: „Was soll ich tun?? Was?? Ich soll meine Frau fragen, wie es ihr geht?!!“ Es ist wie eine Art Fanfarenstoß. 10 Johanneshaus Rundschau Der Doktor geht auf ihn ein. Auf seine Art – die ruhige, überlegene Art des Arztes. Der Bewohner wartet, mit allen Fasern gespannt. Auch wir Zuschauer, wir Zuhörende sind weit mehr als nur „normalanwesend“. Da: Der Doktor ergreift von neuem seinen abgelegten Löffel und spricht, wie zuvor in großer Ruhe: „Fragen Sie Ihre Frau, wie es ihr geht!“ Der Bewohner m u s s es nun verstehen! Er schluckt gewissermaßen die herbe Medizin, verbeugt sich leicht, lässt ein deutliches „Danke, Herr Doktor!“ hören, geht still an seinen Platz zurück und wendet sich wieder seinem Essen zu. Die allgemeine Stimmung hat sich verändert: ein leises Aufatmen ist spürbar. Ein jeder von uns Anwesenden hat Staunenswertes erlebt. Die Stille ist wohltuend, und das Mittagessen schmeckt wieder. Dieser ganze Vorgang hat mich intensiv erleben lassen: Die Demenzerkrankung verändert die Fähigkeiten des Patienten, nicht aber sein Wesen! Der Doktor hatte offensichtlich alles wach verfolgt. Er war nicht abgetaucht in ein Niemandsland, in Unbedeutung für die Mitmenschen. Er ist – trotz dieser Krankheit – maßgebend geblieben für das Johanneshaus als ein nach Wahrheit strebender liebevoller Menschenbruder, der er sein Leben lang gewesen war. Marga Rödelberger So wie die Sonne allseitig strahlend ihr Licht uns Menschen verschenkt: So sollen auch wir liebe- und wärmewirkend die Welt beschenken. Friederike Michelsen Ein Tag an der Pforte Früh um sieben öffnet die Pforte ihr Tor und die ersten Leute stehn schon davor. Die Reinigungskräfte bekommen ihre Schlüssel die Zeitung zum Frühstück möchte keiner vermissen. Das Telefon beginnt zu klingeln, „ Ja, gerne werd ich weiter verbinden.“ dies alles nur der Pforte sagen was wir selbst nicht können, werden wir weiter tragen. Turbulent geht’s oft zu, wenn der Postbote kommt, denn jeder Bewohner freut sich, wenn er Post oder Pakete bekommt. Auch Gäste sind uns stets willkommen sie können im Johanneshaus ein Zimmer bekommen. Verschiedenste Wnüsche werden angenommen „Ich kann heute nicht zum Essen kommen! Gibt’s schon den neuen Speiseplan? Oder das Kulturprogramm? Tragen sie mich ein für die Einkaufsfahrt! Ich werde verreisen, bitte melden sich mich ab! Können sie mir einen Schlüssel borgen? Brief- und Wäschemarken möchte ich mir besorgen!“ Und sollte der Tag mal langweilig sein, dann schaun Sie doch mal bei der Pforte rein. Der Aufzug klemmt, das Licht defekt ein Bild hängt schief, der Gang verdreckt.... Ob Bewohner, Mitarbeiter oder andere Leut alle werden von uns gerne betreut! Und weil dies so viele verschiedene Aufgaben sind, tippen wir alles in den Computer geschwind. Das hilft uns dann beim Wiederfinden, denn es darf ja nichts verschwinden. Die Pfortedamen Die Pfortedamen Martina Kramer, Karin Drexler, Gabriele Garbatzki; es fehlt : Karin Talmon Johanneshaus Rundschau 11 Heileurythmie im Johanneshaus Die Heileurythmie ist eine Bewegungstherapie, die von Rudolf Steiner inauguriert wurde. Die Bewegungen stehen im Zusammenhang mit den Lauten der Sprache und kosmischen Kräften, die im Menschen wirksam sind und durch die Bewegungen verstärkt werden, sodass der kranke Mensch wieder in ein Gleichgewicht kommt. Vom Beginn dieses Hauses an wurde hier die Heileurythmie für die Bewohner durch Ilse Horny und auch Ilse Meußdörffer angeboten. Vor 14 Jahren übernahm ich die Nachfolge. Ich hatte sehr lange nach meiner Lebensaufgabe gesucht und auf meinem Weg über verschiedene Ausbildungen (Erzieherin, Musikerin, Eurythmistin, Heileurythmistin) diese dann im Johanneshaus gefunden. Die Heileurythmie kann in jeder Situation den Menschen hilfreich sein, auch wenn der Patient selbst die Übungen nicht ausführen kann und nur zuschaut, wie der Heileurythmist sie für ihn ausführt. In der Sterbephase kann sie dem Menschen helfen, zur Ruhe zu kommen und in Frieden loszulassen. Es gibt auch viele Krankheitssituationen im Alter, bei denen die Heileurythmie sehr hilfreich ist, z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Knochenbrüche, sklerotische -, allergische - und Stoffwechselerkrankungen und vieles mehr. Manche Patienten kommen epochenweise, andere viele Jahre und werden bis über die Schwelle hinweg begleitet. Wenn Sie die Heileurythmie selbst kennenlernen möchten, können Sie gern über eine Nachricht an der Pforte Kontakt mit mir aufnehmen. Susanne Hagemann Diätprodukte für Diabetiker verschwanden vom Markt Über sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an Diabetes. Kein Wunder also, dass in Supermärkten, Drogerien und Reformhäusern viele Lebensmittel angeboten wurden, die allen Diabetesgeplagten Genuss versprachen. Doch diese speziellen Marmeladen, Kekse oder 12 Johanneshaus Rundschau Aufstriche für Diabetiker entsprechen in ihrer Zusammensetzung nicht mehr den aktuellen Ernährungsempfehlungen. Nicht selten enthielten Diabetikerprodukte mehr Fett und Kalorien als die normale Variante. Die Folge war, dass die Patientinnen und Patienten zu viele Kalorien zu sich nahmen. Die daraus folgende Gewichtszunahme verschlechterte aber ihre Stoffwechseleinstellung. Außerdem verleitete die Aufschrift "Diät" zu der falschen Annahme, man könne mehr davon essen als von anderen Nahrungsmitteln. Die Süße war ein weiteres Problem. Viele Diabetikerprodukte waren mit dem Fruchtzucker "Fructose" gesüßt. Essen Diabetiker jedoch zu viel davon, kann das zu einer Verschlechterung ihres Stoffwechsels führen. Besondere Lebensmittel für Diabetiker wie zum Beispiel bestimmte Kuchen, Fruchtsäfte und Biere sind daher überflüssig. Sie sind zu fett, zu kalorienreich, zu teuer - so die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Personen mit "Diabetes mellitus" brauchen keine speziellen diätetischen Lebensmittel. Die Experten der wissenschaftlichen Fachgesellschaften empfehlen, sich wie die Allgemeinbevölkerung zu ernähren. Das bedeutet: wenig Alkohol zu trinken, nicht zu viel Zucker zu sich zu nehmen und nicht zu fett zu essen. Schokolade, Chips, Wurst und Käse sind nur in Maßen empfehlenswert. Dafür sollten aber täglich Obst, Salat, Gemüse und fettarme Milchprodukte auf den Tisch kommen. Beim Kochen kann Butter durch Öl ersetzt werden. Viele Ballaststoffe wie Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte gehören mit auf den Speiseplan. Der Austausch von Zucker gegen andere Süßungsmittel bringt für Diabetiker keine Vorteile. Die früher übliche Deklaration von Broteinheiten (BE), also der Kohlenhydratmenge von Lebensmitteln, wird nicht mehr als sinnvoll oder hilfreich angesehen. Denn Menschen mit Diabetes haben nicht nur einen gestörten Zuckerhaushalt. Auch der Fettund Eiweißstoffwechsel ist beeinträchtigt. Lebensmittel dürfen nun nicht mehr als für Diabetiker geeignet gekennzeichnet und in den Verkehr gebracht werden. aus: Regierung Online Zum 90. Geburtstag von Conrad Schachenmann Sehr verehrter, lieber Herr Doktor Schachenmann, Vorstand, Beirat, Geschäftsführung und die Gemeinschaft des Johanneshauses grüßen Sie ganz herzlich zu Ihrem Geburtstag. An seinen Kindern merkt man, dass die Jahre vorbei geflogen sind. Ihr Kind Johanneshaus hat nunmehr die „Hälfte des Lebens“ erreicht und erfreut sich über das Geschaffene. Ohne Ihre Ideen und Ihre Beharrlichkeit wäre dieses Kind auf dem Eichhof nie geworden. Ihre Vorausschau und Ihre Schöpferkraft haben viel bewirkt, wir konnten jetzt auch Ihren fortwährenden Bau- und Gestaltungsimpuls fortsetzen im Neubau des „Ernst-Zimmer-Hauses“, einem Haus für Demenzkranke, das die Geschichte Ihres Johanneshauses weiter schreiben wird. Herzlichen Dank sagen wir, und wir wünschen Ihnen alles das, was man zu einem solchen großen Geburtstag wünschen kann. Das Geheimnis des Fuchses aus dem kleinen Prinzen lebt auch aus Ihrer Persönlichkeit: Man kann nur mit dem Herzen sehen, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Und manchmal vermögen wir dieses für einen Augenblick zu sehen. Im Oktober 1974 eröffnete Dr. jur. Conrad Schachenmann zusammen mit Gleichgesinnten das Johanneshaus. Vorausschauend hatte der Schweizer Anthroposoph die Senioreninitiative Hägelberg begründet, mietete dann den leer stehenden Eichhof an und begründete das „Zentrum für Lebensgestaltung im Alter“, das aus der anthroposophischen Menschenerkenntnis Lösungen zur Altersfrage finden sollte und das eben mehr sein sollte als eine Verwahranstalt für alte und pflegebedürftige Menschen. Sehr schnell waren die Zimmer belegt, ältere Menschen aus ganz Deutschland (und Europa) drängten herein, und es entstand ein blühendes kulturelles und anthroposophisches Leben. Dr. Schachenmann hatte ein erfolgreiches Unternehmen in der Schweiz um der neuen Aufgabe willen verlassen, sein Unternehmertum setzte sich am Johanneshaus fort. Es entstanden mit dem Anbau, mit dem gelben und grünen Haus, mit dem Saalneubau, den Aufbauten in Haus1, 2 und 3 rasch neue Lebenswelten für die 350 Bewohner. Die enge Nachbarschaft zu einer anthroposophischen Klinik, die Besetzung der eigenen Hausund Heimarztstelle waren für Dr. Schachenmann Voraussetzung, dass sich die Menschen auch in Krankheitssituationen geborgen fühlen konnten. Das Erfolgkonzept setzte sich fort, der Eichhof konnte bald übernommen werden als Eigentum. Mit einem eigenen Zweig der anthroposophischen Gesellschaft, den regelmäßigen Klassenstunden, der Christengemeinschaft, den vielen Vortragsveranstaltungen zu den Festeszeiten und durch das Jahr und mit der Begründung der ganz speziellen Aussegnung für die Verstorbenen initiierte Dr. Schachenmann zusammen mit der Lebensgefährtin Gisela Gaumnitz ein reiches anthroposophisches Leben. Nach einer schweren Krankheit, die Dr. Schachenmann zu Weihnachten 1990 in Todesnähe brachte, begann die Phase der Neuorientierung im Johanneshaus, wie das oft in den Pionierphasen einer anthroposophischen Einrichtung geschieht. Nach der Feier zum 20jährigen Bestehen der Einrichtung 1994 verließ der Gründervater den Eichhof in einen wohlverdienten Ruhestand. Bekanntermaßen war die Fortführung der Einrichtung am Eichhof für die Nachfolger keine leichte Aufgabe, auch aufgrund einer veränderten Alterswelt: Auf 17 Jahre Aufbruch in der Verantwortungszeit von Doktor Schachenmann folgten 17 Jahre Umbruch und Neugestaltung und mit dem Neubau der Demenzeinrichtung endlich wieder ein zukunftsweisender Impuls Dieter Kissel Johanneshaus Rundschau 13 Foto: Stefan Kreuzer Notizen vom Eichhof Johanneshaus goes BIO. Wenn man auf seinen Körper achtet, geht es auch dem Kopf besser“, sagte einmal Jil Sander, deutsche Modeschöpferin. ...Besser noch geht es dem Kopf (und nicht nur dem Kopf), wenn man auf die Herkunft der Produkte schaut. Ab dem 01.01.2012 dürfen wir für unsere Schafsprodukte endlich auch sagen und schreiben, dass wir "Bio" sind, da wir nun regelmäßig von einer ÖKO-Kontrollstelle für unsere biologisch und ökologisch korrekte Wirtschaftsweise geprüft werden. Wir arbeiten zwar seit über 30 Jahren in Park, Garten und auf den Wiesen ohne Einsatz von Chemie und künstlichen Düngern, aber, wie gesagt, ohne Kontrolle von außen. Nun dürfen wir das auch ganz öffentlich bekennen. Für unsere Schnittblumen, Küchenkräuter und natürlich unsere vielen leckeren Kräuterteemischungen gilt das Bio schon seit dem 01.01.2011. Für unsere Schafe gilt das erst 2012, weil wir sie mit unserem Heu aus dem letzten Jahr, das damals noch nicht Bio war, noch bis zum Juni gefüttert bzw. zugefüttert haben. Also, ab jetzt gilt sozusagen offiziell: Johanneshaus goes BIO. Stefan Kreuzer 14 Johanneshaus Rundschau Diplome und Traumnoten für Sarah D’Heer und Ursula Weidmann D’Heer, examinierte Altenpflegerin, ist seit vier Jahren im Johanneshaus und wurde 2008 zur kommissarischen Wohnbereichsleitung des Wohnbereiches 3/4 bestellt. Gleichzeitig begann sie am Diakonischen Institut Stuttgart die Weiterbildung zur Wohnbereichsleitung, die sie im Sommer 2011 mit der Note 1,5 abschloss. Ursula Weidmann ist seit 2009 im Johanneshaus. Die Fachkraft für Sozialpädagogik und Kommunikationswirtschaft berät im Sozialdienst u.a. zu allen relevanten sozialrechtlichen Themen, führt als Fallmanagement (Case Mangement) Einzelfallhilfe für Menschen in besonderen Lebenssituationen durch und kümmert sich um die Pressearbeit des Johanneshauses. Letztes Jahr begann U. Weidmann die einjährige Weiterbildung zur „Case Managerin DGCC“, die die Hans-Weinberger-Akademie der AWO in Kooperation mit der Universitätsklinik Regensburg veranstaltet. Im Oktober 2011 schloss sie mit der Note 1,5 für ihre Diplomarbeit „Neuausrichtung Sozialdienst im Johanneshaus Öschelbronn unter Berücksichtigung von Case Management“ ab. Herzlichen Glückwunsch! Essen auf Rädern Im Oktober 2011 konnte das Angebot des ambulanten Diensts (Pflege mobil) um Essen auf Rädern erweitert werden. Nachtrufbereitschaft Ebenfalls neu im Angebot des ambulanten Dienstes „Pflege mobil“ ist seit November 2011 die Nachtrufbereitschaft zwischen 22.00 – 6.30 Uhr. Im Moment läuft die Notrufbereitschaft noch telefonisch, es wird aber an einem mobilen, telefonunabhängigen Notrufsystem gearbeitet. ruhe. Mit seinem Buch „Einkommen für alle“ hat er die Diskussion in Gang gesetzt, ob jeder Bürger ein vom Staat garantiertes bedingungsloses Grundeinkommen erhalten soll. Im August 2010 ist Werners neues Buch „1.000 Euro für jeden: Freiheit. Gleichheit. Grundeinkommen“ erschienen, das er zusammen mit der Berliner Kuratorin Adrienne Goehler geschrieben hat. Götz Werner spricht am Freitag, 27. Januar 2012, im Festsaal des Johanneshauses. Beginn 19:30 Uhr, Eintritt frei; Spenden herzlich erbeten. Sponsoren übergeben VW Caddy Das Johanneshaus Öschelbronn bedankt sich bei rund 50 Firmen und Privatpersonen aus Niefern-Öschelbronn, dem östlichen Enzkreis und Pforzheim für ihr beispielhaftes Engagement. Mit ihren Spenden haben sie dafür gesorgt, dass ein nagelneuer VW Caddy, welcher als Ersatz für den in die Jahre gekommenen Bus gebraucht wurde, nun an das Johanneshaus übergeben werden konnte. Ein moderner Visionär kommt ins Johanneshaus Einer gemeinsamen Initiative von Johanneshaus, Klinik Öschelbronn und Carl Gustav CarusInstitut ist es zu verdanken, dass Professor Götz Werner für einen Gastvortrag gewonnen werden konnte. Prof. Götz W. Werner, 67, ist Gründer und Aufsichtsrat von dm-drogerie markt GmbH, Karls- Ein Luxus der nur für mich sichtbar ist, weil YSIS nur für mich gemacht wird. J Ä G E R PA S S A G E 75172 PFORZHEIM TEL.: 0 72 31-35 18 91 FAX: 0 72 31-35 77 38 Jeden Monat im Haus Refraktion, Beratung, Service u. Verkauf Sehhilfen aller Art Johanneshaus Rundschau 15 101. Geburtstag Menschen, die zu uns gekommen sind Helga Eichele Marianne Litzinger Martha Rinkensmeier Rosemarie Lindner Annelies Engler Dr. Ursula Maxeiner Ernst Maxeiner Helga Zuckschwerdt Christel Sigler Gertrud Wilde Elisabeth Hannsmann Fritz Gaupp Helma Funke am 02.09.2011 am 06.09.2011 am 08.09.2011 am 08.09.2011 am 29.09.2011 am 29.09.2011 am 29.09.2011 am 04.10.2011 am 10.10.2011 am 05.11.2011 am 21.11.2011 am 28.11.2011 am 13.12.2011 Am 07.10.2011 wurde Gertrud Rauch 101 Jahre alt. Geschäftsführer Thomas Kirst gratulierte auf das Herzlichste zu diesem denkwürdigen Geburtstag. Wem ist es schon vergönnt, auf ein ganzes Jahrhundert zurückblicken zu können? Menschen, die das Haus verlassen haben Helene Lötterle Dr. Klaus Wilde Paul Schenk am 18.10.2011 am 19.11.2011 am 21.11.2011 Winterliche Impressionen . Fotos: Stefan Kreuzer 16 Johanneshaus Rundschau Leis auf zarten Füßen naht es, vor dem Schlafen wie ein Fächeln: Horch, o Seele, meines Rates, laß dir Glück und Tröstung lächeln: Die in Liebe dir verbunden, werden immer um dich bleiben, werden klein und große Runden treugestellt mit dir beschreiben. Und sie werden an die bauen, unverwandt, wie du an ihnen, und, erwacht zu Einem Schauen, werdet ihr wetteifernd dienen! Christian Morgenstern Christiane Schwaderer Große weiße Lilie Menschen, die von uns gegangen sind Christine Gerhards Wiltrud Bichlmeier Margot Mayer am 08.09.2011 am 05.10.2011 am 22.10.2011 Joachim Bock Georg Sundström Jutta Lauer am 25.10.2011 am 31.10.2011 am 12.11.2011 Johanneshaus Rundschau 17 Aufgaben des Heimbeirats In der letzten Johanneshaus-Rundschau wurde kurz über die Heimbeiratswahl in diesem Jahr sowie über die gesetzlichen Grundlagen dieses Gremiums berichtet. Ergänzend dazu soll heute etwas über die Aufgaben des Heimbeirats gesagt werden, und wie er seine Tätigkeit im Johanneshaus ausübt. Der Heimbeirat trifft sich alle 14 Tage zu einer Sitzung, um sich über alle anstehenden Arbeiten und Probleme auszutauschen. Die Heimbewohner können die gewählten Vertreter jederzeit anrufen, Plakate mit Fotos und Telefonnummern hängen an verschiedenen Stellen. Eine weitere Möglichkeit, sich mit den Mitgliedern des Heimbeirats in Verbindung zu setzen, ist der Briefkasten für schriftliche Mitteilungen im Foyer. Jede Pflegestation im Haus wird von einem Heimbeiratsmitglied betreut. Den neu eingezogenen Bewohnern wird Unterstützung bei der Eingewöhnung gewährt. Außerdem wird ihnen eine Mappe mit allen notwendigen Informationen ausgehändigt. Aber auch schon lange hier wohnende Patienten wenden sich an den Heimbeirat, wenn sie z.B. Probleme mit den Mitarbeitern in der Pflege haben. Besonderen Wert legt der Heimbeirat darauf, den Menschen liebevoll und mit Anteilnahme zu begegnen. Über die Zuständigkeitsregelung hinaus kommt es immer wieder vor, dass die Heimbeiratsmitglieder bei ihren Gängen im Haus auf verwirrte Bewohner stoßen, die sich Hilfe suchend an sie wenden. Die Grenzen zwischen Betreutem Wohnen und Pflegestationen sind in diesem Fall fließend. Mit der Heimleitung nehmen die Heimbeiratsmitglieder Kontakt auf, sofern sich die Notwendigkeit ergibt. Sie begrüßen es, wenn von der Heimleitung wichtige Informationen regelmäßig an sie weitergeleitet werden. In unregelmäßigen Abständen stellt die Leitung des Johanneshauses neu eingestellten Mitarbeitern die organisatorische Struktur des Hauses dar. In dieser Zusammenkunft stellen sich neben den einzelnen Bereichen auch der Betriebsrat und der Heimbeirat vor. Es gibt noch manch anderen Bereich, in dem 18 Johanneshaus Rundschau die Heimbeiratsmitglieder aktiv werden; auch bei der Betreuung der Gruppe ehrenamtlicher Helfer beteiligt sich der Heimbeirat. Es sei darauf hingewiesen, dass das Johanneshaus sich über ein verstärktes Engagement der Ehrenamtlichen sehr freuen würde und bittet Interessenten, sich mit Frau Lambacher, Tel. 9797 in Verbindung zu setzen. Den Heimbeiratsmitgliedern, die ihre Arbeit mit viel Einsatzbereitschaft und Zeitaufwand verrichten, sei an dieser Stelle ein herzlicher Dank ausgesprochen. Hedi Delfino Wirkendes Feuer Feuer, entfalt‘ deine Kraft, glüh mir das harte Eisen. Brenne auch mein Gefäß aus weichem Ton geformt, damit ich mir Speise bereite. Lasse dich zähmen und hüten, entfliehe nicht meinem Herd. Wehre der Kälte der Nacht und erhell mir das Dunkel bis zu dem neuen Morgen Du Kind dieser Erde, alle heiligen Schriften zeugen von meiner Kraft. Verbanne irdisches Denken und prüf dein Begehren, handle stets mit Bedacht. Lass göttliches Feuer wirken, dass es dir läutern mag deine unsterbliche Seele, damit du Mensch sein kannst. Lothar Hoppe Neuigkeiten aus dem Garten Mein Name ist Julia Werdermann, ich bin die „neue“ FÖJ-lerin aus dem Garten. Manch einer kennt mich schon von den Ansagen im Speisesaal oder mittwochs vom Kräuterrebeln. Zusammen mit meinem Kollegen Laurin Freiberg mache ich seit September das Freiwillige Ökologische Jahr in der Johanneshaus Gärtnerei. Wir sind beide achtzehn Jahre alt und haben dieses Jahr das Abitur bestanden. Um mal etwas weniger mit dem Kopf und mehr mit den Händen zu arbeiten, kamen wir beide auf die Idee, ein FÖJ zu machen, und sind schließlich bei Ihnen im Johanneshaus gelandet. Mittlerweile haben wir uns hier gut eingelebt und schon allerhand neue Dinge gelernt. Gleich zu Beginn standen im September die Apfelernte und das Mosten an. Wir lernten außerdem den richtigen Umgang mit den Maschinen, die Vorlieben der Schafe und tausende lateinische Pflanzennamen. Mein Arbeitsbereich ist der Obere Garten, dort gab es vor ein paar Wochen noch viele hübsche Schnittblumen und Kräuter. Bald übte ich mich in der Kunst des Sträußebindens. Mit dem Herbst kamen dann andere Aufgaben, wie zum Beispiel das Herstellen der vielen verschiedenen Teesorten. Dabei waren uns die Bewohner eine große Hilfe. Jeden Mittwoch wurde zusammen im Haus gerebelt und später konnten die Tees dann in unserem Trockenraum gemischt, gewogen und verpackt werden. In der Johanneshaus Gärtnerei wird seit jeher auf biologisch-dynamische Weise gearbeitet. Seit diesem Frühjahr dürfen unsere Produkte sogar mit dem EU-Biozertifikat ausgezeichnet werden. Das Bio-Siegel können Sie seit dem Martinibazar auf unseren neuen Etiketten bewundern; dort hatte der Garten wieder einen Verkaufsstand mit Tee, Apfelsaft, Honig, Schafswurst, Schafswolle und Filzsohlen. Ich war für den Getränkeausschank zuständig und hatte einen schönen Nachmittag, an dem ich mit den Bewohnern einmal mehr ins Gespräch kommen konnte. Vor drei Wochen begann für uns Gärtner dann auch schon die Adventszeit, denn die vie- len Kränze für die Dekoration im Haus wollten gebunden werden. Zu Beginn fand ich diese Aufgabe furchtbar schwierig und ich mühte mich mit den Tannenzweigen ab. Doch nach ein, zwei Kränzen stellte ich mich geschickter an und durfte sogar die großen Kränze für Foyer, Speise- und Festsaal binden. Vielen Stunden Arbeit und zehn kalte Finger später waren diese dann bereit fürs Dekorieren und hängen seit dem 1. Advent im Johanneshaus. Ruhe im Garten Zur kalten Jahreszeit sind wir in unseren Tätigkeiten natürlich ein wenig eingeschränkt. Unsere starken Männer, Ramo und Laurin, sind schon seit einiger Zeit mit dem Laubrechen beschäftigt. Mein Chef Stefan Kreuzer hat gemeinsam mit der BFD-lerin Katharina Görsch (sie macht den Bundesfreiwilligen Dienst) ein Beet im Park neu gestaltet. Im Oberen Garten wurden viele Beete gerodet, von Unkraut befreit und für das kommende Jahr vorbereitet. Heute haben wir Tulpen und Narzissen gesteckt und ich freue mich schon auf die Zeit der Blüte. Mir gefällt die Arbeit draußen im Garten sehr gut, denn es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nichts Neues lerne. Im Johanneshaus fühle ich mich auch sehr wohl und es ist in den letzten drei Monaten zu meinem Zuhause geworden. Julia Werdermann Johanneshaus Rundschau 19 „Wem Gott will rechte Gunst erweisen…“ Sieben Ländlefahrten 2011 Sie begannen mit der Besichtigung der evangelischen St. Martinskirche in Niefern. Ortschronist Friedrich Leicht brachte uns durch seine eingehende Führung die Baugestalt der Kirche, den Lettner und die Chorausmalung des 15. Jahrhunderts nahe. Danach hatten wir nun sowohl eine Ausflugsfahrt als auch einen guten Kaffee verdient: Wir begaben uns auf den Weg nach Tiefenbronn, wurden begleitet von einem kräftigen Aprilgewitter, erfreuten uns dort an Kaffee und Kuchen und kehrten bei Sonnenschein wieder heim. In einer Obstlandschaft wie Gräfenhausen und Ellmendingen sollte man im Mai doch mit einer Fülle blühender Obstbäume rechnen können – sollten Kirschen und Pflaumen schon verblüht sein, so warteten doch sicher Äpfel und Birnen auf uns! Aber nein, am 10. Mai war alles abgeblüht. Trotzdem wurde es für uns ein spannender Vorsommertag, begonnen mit einer Führung in der Gräfenhauser Kelter. Obwohl der Weinbau zugunsten von Obstkulturen zurückgegangen ist, wird diese Kelter jeden Herbst zur Weinernte in Betrieb genommen. Die kleine, malerisch in den Wiesen gelegene St. Pankraziuskirche in Niebelsbach beeindruckte uns mit ihren alten Fresken, mehr aber noch durch ihren quellenreichen Umkreis. Der Hinweis auf ein keltisches Quellenheiligtum ließ uns aufhorchen. Im warmen Sonnenschein genossen wir danach im schicken Ellmendinger Café unsere Erfrischungen. Für den Juni hatten wir uns den Kastaniengarten am Brötzinger Heimatmuseum im Blütenschmuck vorgestellt – aber auch die Kastanienblüte hatte nicht auf uns gewartet. Doch begannen wir unsere Fahrt mit dem Besuch der evangelischen Matthäuskirche in der Pforzheimer Gartenvorstadt Arlinger, erbaut vom Architekten Egon Eiermann in den fünfziger Jahren. Die Verwendung von Trümmersplit, die Lichtdurchlässigkeit der Gussglassteine und weitere Kunstwerke erfüllten uns mit Staunen und Bewunderung. Vielleicht war 20 Johanneshaus Rundschau es ganz gut, dass im interessanten Brötzinger (eigentlich Pforzheimer!) Heimatmuseum eine Etage wegen Umbau geschlossen war. So konnten die ermüdeten Ländlefahrer sich im schattigen Kastaniengarten bei Kaffee und Kuchen regenerieren! Juli – Botanischer Garten in Karlsruhe – was hätten wir getan bei Landregen oder Gewitter?! Aber es war ein strahlender Sommertag mit 30° Wärme. Bei der Einfahrt in die Stadt fuhr eine Autofahrerin seitlich in unseren Bus, Herr Iskauskas spielte gekonnt Verkehrspolizist bis die echte Polizei kam, und wir harrten klaglos und still in der Hitze aus. Bei solchen Gelegenheiten erlebt man, was innere Disziplin bei den Mitreisenden bedeutet! Im wunderbar blühenden Garten waren es dann aber eher die Schattenplätze (darunter auch das Café), die uns anzogen. Die Heimfahrt verlief – nachdem der Bus gehörig vorgekühlt worden war – problemlos und ohne Stau. Im vorigen Jahr hatten wir in Hirsau die Ruinen des Benediktinerklosters St. Peter und Paul besucht. Im diesjährigen August war nun die romanische katholische Pfarrkirche St. Aurelius unser Ziel. Jeder Besucher ist beeindruckt von dem dämmrigen, katakombenhaften Innenraum mit den gedrungenen Säulen. Es ist bewundernswert, wie die moderne Gestaltung von Glasfenstern und Altarraum in diese Stimmung hineingearbeitet wurde. Das anschließende Museum und der blühende Klostergarten schenkten uns weitere Eindrücke. Auf der Heimfahrt machten wir Halt im Gartencafé des Monbachtals und genossen im Sonnenschein die romantische Umgebung. Der September ließ uns einen strahlenden Sommertag auf der Fahrt ins Keltenmuseum in Hochdorf erleben. Dieses kleine Museum zeigt auf engem Raum vieles, was man über das Keltentum in unserer Umgebung wissen sollte. Ende der siebziger Jahre wurde hier das ungeplünderte Grab eines keltischen Fürsten gefunden, die Fundstücke ins Landesmuseum nach Stuttgart verbracht und hier eine getreue Nachbildung der Grabkammer errichtet. Dank des schönen Wetters genossen wir unsere Weiterfahrt in die Konditorei nach Rutesheim und auch die Heimfahrt ins Johanneshaus. Die Oktoberfahrt war wie im letzten Jahr ge- plant als reine Herbstlandschafts-, Weinberg-, Naturerlebnisreise. Doch dann erfuhren wir, dass der Ort Kleingartach unterhalb der Leinburg (unser Ziel zum Kaffeetrinken) eine gotische Kirche besitzt, deren Wandmalereien des 15. Jahrhunderts die Nord- und Südwände bedecken. Sie beginnen mit der Weltschöpfung und enden mit Tod und Auferstehung des Christus. So verband sich auch bei dieser Fahrt der Kunstgenuss mit dem Erleben der sonnenüberstrahlten Frühherbstlandschaft. Die Wintermonate werden nun hoffentlich die guten Ideen für das kommende Jahr bringen, jedenfalls freuen wir uns schon darauf: unser treuer Chauffeur Uwe Iskauskas, meine Mitgestalterin Frau Giuliana, alle Helfer und Mitfahrer - und ich selbst. Erika Müller Auch an dieser Stelle sei Frau Müller noch einmal ganz herzlich im Namen aller Mitfahrenden gedankt für ihr großes Talent im Herausfinden und exaktem Planen immer wieder neuer schöner Ziele, für ihre fundierten Kommentare unterwegs und vor Ort sowie für die milde Strenge, mit der sie es immer wieder schafft, dass der Bus pünktlich um 18 Uhr am Küchenhof heimkehrt. Ja, auch wir sind schon gespannt, welche neuen Erlebnisse sie uns mit allen ihren Helfern im kommenden Jahr schenken wird. Hans Krauss Großmütter Viele Kinder haben zwei, manche vielleicht noch eine, etliche aber haben gar keine Großmutter mehr erlebt. Das Schicksal meiner beiden Großmütter hatte seltsame Ähnlichkeit. Beide hatten viele Geschwister, beide waren Vollwaisen und beide mussten einem Großbauern ihres Heimatortes als billige Arbeitskraft dienen. Mit der Volljährigkeit entflohen sie in die Textilindustrie und hatten beide das Glück bald geheiratet zu werden, Das war damals für die soziale Anerkennung noch sehr wichtig. Die Großväter sah ich nur ein Mal, mit etwa drei Jahren, bald danach starben beide. Die eine Großmutter war arm, sie lief z.B. eine Stunde, um ihrer Tochter bei der großen Wäsche zu helfen. Das Zehnerle für die Straßenbahn sparte sie, um ihren Enkeln etwas zum Naschen mitbringen zu können, bis kurz vor ihrem Tod. Die andere, pensionsberechtigte, hielt ihr Geld gut zusammen, überlebte den Krieg samt ihrer Wohnung, und wurde so für uns zur Anlaufstelle. Mutter war total erschöpft aus Schlesien geflüchtet, der Bruder kam aus der Gefangenschaft, und auch ich hatte nach tausend Kilometern Fußmarsch zu ihr gefunden. Unser Vater blieb verschollen. Als plötzlich die Amerikaner abzogen und die Russen nachfolgten, hatten auf einmal ganz andere Leute das Sagen. Großmutter starb, und wir wurden aus ihrer Wohnung vertrieben. Der letzte Anker war gekappt. Irgendwann, -wie, -wo fand jedes seine Bleibe. Wir Brüder entflohen auf abenteuerliche Weise nach Westen, wurden Väter und fanden einen Trick, um auch unserer Mutter nach „drüben“ zu verhelfen. Doch bald war ihre Lebenskraft erschöpft, die „Neue Zeit“ ging an ihr vorüber.- Der altgewohnte Großelterntypus wandelte sich allmählich zum unternehmungsfreudigeren Zeitgenossen, und die Großfamilie war nur noch in Ausnahmefällen funktionsfähig. Das „gehorsame, ehrerbietige“ Enkelkind empfindet und äußert sich immer mehr in die Richtung auf Gleichberechtigung. – Und wie steht es mit den Pflichten? Nun, wo es Vorbilder gibt, kann sich auch Herzensbildung entwickeln, da ist das Nehmen nicht Rechtssache, sondern dankbares Empfangen, das Geben nicht Pflicht, sondern inneres Bedürfnis – wie bei den alten Omas. – Es ist doch immer noch herzerfrischend, einer echten Großmutter und ihrem unverbildeten Enkelkind zu begegnen. Da braucht man nicht einmal die Frage nach Blutsverwandtschaft zu stellen, da zählt nur Menschlichkeit. Ich bin zuversichtlich, sie sterben nicht aus, die blutsverwandten, die freiwilligen und die erwählten Großmütter! Dies vermutet, ja behauptet: Mit freundlichen Grüßen Ihr Mitbewohner Lothar Hoppe Johanneshaus Rundschau 21 Das Gedicht - Folge 3 Immer noch fliegen im Schwarm Die Tauben über den Himmel, die goldenen Plejaden, rundet durch Tod und Geburt Mal um Mal sich der Mond, Steht das Sternbild eines Gedichts Wie damals auf Lesbos Hochentrückt über dem Herzen Einer Liebenden, die allein liegt. Mögen die Künftigen den Mond befahren, Den silbernen Spiegelstern Mit Füßen treten, die Mythenlandschaft Träumender Seele entgöttern: Immer noch wird am Himmel Mit tönenden Kielen der Schwan Den Äther teilen, wird der große Orion jagen im Sternendickicht, Und eine Liebende sein in der Welt Auf der alten Erde drunten Und ruhlos liegen vor Jugend Allein unter den Sternen Gottes. Emil Barth (1900-1958) Der Mond ist hinabgesunken, hinab die Plejaden, Mitte der Nacht und vorbei die Stunde. Ich liege allein im Dunkeln. Etwas sehr Seltenes: Ein Gedicht auf ein Gedicht, und das nach über zweieinhalbtausend Jahren. Wenn beide Frauen in ihrer schlaflosen Einsamkeit über Zeit und Raum hinweg die großen Gestirne des Weltraums anrufen, möchte man hier fast von einer kosmischen Dimension sprechen. Das Ende des späten Gedichts bestätigt das. Hierzu passt auch, dass der späte Dichter Sapphos Verse mit dem schönen Bild „Sternbild eines Gedichts“ selbst an den Himmel versetzt, was der Titel schon voraus nimmt. Zugleich bringt der Dichter Beispiele dafür, was die großen Bilder am Himmel der Menschheit schon immer bedeutet haben. Das späte Gedicht benennt seinen Bezug zum frühen gleich zu Beginn durch das „immer noch“, vor allem aber durch das ebenso beiläufige wie eindeutige „wie damals auf Lesbos“. Hier liegt der Schlüssel, fehlt nur noch das Gedicht der Sappho. Erst wenn man auch dies hat, erschließt sich der volle Zusammenhang. Das „immer noch“ des Auftakts durchströmt wie in einem Atemzug, und nur durch die mittlere Strophe kurz unterbrochen, das ganze Gedicht. Die Bedeutung der Sternbilder wird in den zwei ersten Strophen als noch jetzt wirkend, in den zwei letzten als auch künftig gültig beschrieben. Und zwar dies trotz allem, was die zentrale Mittelstrophe als Folge der hier schon vorhergesagten ersten Mondbegehung höchst eindringlich schildert. In längeren Versen und in makelloser Form erläutert der spätere Dichter das, was sein großes Vorbild in dichtester Kürze Wahrheit werden lässt: Eine Grundbefindlichkeit des Menschen. Und in der Frühzeit Europas ist die erste Stimme, die von sich selbst als individuellem Ich spricht, die Stimme einer Frau. Soweit mir bekannt, wurden noch zwei weitere deutschsprachige Dichter von den Versen der Sappho angesprochen. Hans Krauss Sappho von Lesbos, (600 v. Chr.) Übersetzung von Manfred Hausmann 22 Johanneshaus Rundschau Kultur im Johanneshaus Gedanken zur Kunst der Pantomime In römischer Zeit war der „Pantomimus“ ein weit verbreiteter virtuoser Solotanz, bis das Christentum alle Formen öffentlicher Darbietungen untersagte. Mit der Commedia dell‘Arte, dem italienischen Stegreiftheater der Renaissance, entstand eine neuzeitliche Form der Pantomime, die sich in der ganzen westlichen Welt verbreitete. Obwohl Pierrot oder Harlekin noch sprachen, waren das Bewegungsschema und die Improvisationen über Landes- und vor allem auch über Standesgrenzen hinweg für alle verständlich. Nach der Französischen Revolution wurde die Pantomime an den Pariser Jahrmarktstheatern so populär, dass die offiziellen Hoftheater aus Furcht vor der wirtschaftlichen Konkurrenz zeitweise ein Textverbot für Straßentheater durchsetzen konnten. Das gesprochene Wort blieb den offiziellen Spielstätten vorbehalten. So entstand die echte stumme Pantomime als Widerstand gegen die strenge Theaterzensur und wurde mit subtiler Gesellschaftskritik in Verbindung gebracht, galt aber auch manchen als Kunst der Machtlosen und Ungebildeten. Jedoch gerade diese „Kunst aus der Gosse“ in ihrer natürlichen Lebendigkeit im Gegensatz zum höfischen Ballett machte die Pantomime im 19. Jahrhundert so erfolgreich. Jean-Baptiste Debureau gilt als Erfinder der modernen poetischen Pantomime auf dem Pariser Boulevard du Temple, und durch Jean Louis Barrault (1910 – 1994) wurde seinem melancholischen Pierrot ein spätes Denkmal gesetzt in dem unvergesslichen Film „Kinder des Olymp“ (1945) mit seiner berühmtesten pantomimischen Rolle des Baptiste: Als Jahrmarktschauspieler beobachtet er auf der Bühne einen Taschendiebstahl im Zuschauerkreis, erklärt dem herbeigerufenen Polizisten den Sachverhalt nur mit pantomimischen Gesten und befreit damit seine geliebte Garance vom Tatverdacht. Dank meines hohen Alters hatte ich das Glück, den jungen Mimen Barrault in den ersten Münchner Nachkriegsjahren noch persönlich auf der Bühne zu erleben, unter anderem in den Stücken „Jugend, Reife, Alter und Tod“, „Kampf zwischen Gut und Böse“ und „Der Maskenmacher“. Spätere Verkörperungen dieser Rollen durch Marcel Marceau (1923 – 2007) waren zwar auch wunderbar und sinnerfüllt, aber erreichten für mich nicht diese Intensität der ergreifenden Ausdrucksweise wie bei Barrault. Dafür blieb Marcel Marceau unnachahmlich als „Monsieur Bip“ im Gedächtnis. Seit 1996 hat das Duo Bodecker und Neander selbstständig diese Traditionen aufgegriffen und weiterentwickelt ganz im Sinn eines Zitats von Marceau: „Der Filmschauspieler muss vergessen machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das nicht, er muss in ständiger Anspannung sein. Die Pantomime ist die Kunst der Handlung.“ Dorette Jensen Bodecker & Neander verzaubern Besucher Pantomimenkunst der Sonderklasse Heute hier, morgen dort sang schon vor vierzig Jahren Hannes Wader. In der Tat: die Compagnie Bodecker & Neander aus Berlin weilte noch am Freitag tief im Osten in Eisenhüttenstadt an der polnischen Grenze, am Samstagabend in Öschelbronn, um dann in Erlangen zu übernachten, ehe sonntags Potsdam für einen weiteren Auftritt erreicht wurde. Hundertvierzig Besucher genossen im Festsaal des Johanneshauses einen Wohlfühlabend erster Güte. Ach was, das Haus und vor allem die beiden Johanneshaus Rundschau 23 Fotos: Karl Michael Heel Pantomimen der internationalen Spitzenklasse hätten vierhundert Bewunderer verdient. Üblicherweise spielt das Duo fast nur in ausverkauften Häusern. Überhaupt zeigte sich der gebürtige Schweriner Wolfram von Bodecker mit seinem Bühnenpartner Alexander Neander (aufgewachsen in Stuttgart) nach der Veranstaltung vom Spielort und dem herrlichen Saal beeindruckt. Mit „Silence“ brachten die beiden Künstler einen Theaterabend der Stille und des Schweigens auf den Öschelbronner Bretterboden. Beide Akteure haben beim großen Marcel Marceau in Paris das Metier gelernt und gastierten mit dem Lehrmeister in aller Welt. Bereits seit 1996 arbeitet das bisher in 30 Ländern aufgetretene Duo erfolgreich zusammen. Die nur durch eine Pause unterbrochenen zehn Nummern zur sorgfältig ausgewählten Musik von Vivaldi, Tschaikowsky und Richard Strauss lebten von Schnelligkeit und absoluter Perfektion bis zur Vollendung. Die Darbietungen des Bildertheaters wirken auf den Betrachter stets leicht, graziös und verspielt. Die Leichtigkeit des Seins mit einem Lächeln auf den Lippen ist jedoch Schwerstarbeit und neunzig Minuten Magie und Artistik. Extreme Körperbeherrschung, begnadete Schauspielkunst, große Musikalität und alle Facetten des Bewegungstheaters waren authen- 24 Johanneshaus Rundschau tisch zu erleben. Wahre Weltklasseleute brauchen nur wenige Requisiten. Köstlich immer ein Moonwalk oder Treppen auf- und absteigen hinter einer sehr niedrigen Kiste. Oder Rolltreppe fahren! Es wurden Episoden aus dem Alltag oder auch Absurditäten gespielt, so wie sie das Leben schreibt. Es sind Bildergeschichten ohne Worte, aber mit viel Witz und Tempo. Die Johanneshausbewohner, die wenigen einheimischen und vielen auswärtigen Gäste dankten den zwei Künstlern der Extraklasse mit einem anhaltenden Schlussbeifall. An diesem mondhellen Spätsommerabend verließ das Publikum glücklich und zufrieden den Festsaal, reichlich beschenkt mit einem wunderbaren Kunsterlebnis. Gratis und hoffentlich doch für eine angemessene Spende! Karl-Michael Heel Warum berührt uns Musik? Sie versucht nicht zu erklären! Marcel Marceau JOHANNESHAUS ÖSCHELBRONN CAFETERIA Dienstag, Samstag, Sonntag und an Feiertagen 14.30-16.30 Uhr Herzlich Willkommen „Heilkräfte für Erde und Mensch – wo und wie finden wir sie?“ so lautete das Thema der Musik- und Umwelttage vom 23. - 25.9. 2011. Den Auftakt bildete am Freitagabend ein Offenes Singen für Jung und Alt, geleitet von Michael Ohlhäuser, Musiklehrer an der Waldorfschule Pforzheim. Er wies in seiner Moderation u. a. auf die Weisheiten hin, die neben der Idylle in manchem Volkslied stecken, beispielsweise die Heilkräfte in dem Chamissotext „Hab’ oft im Kreise der Lieben…….. Nur frisch, nur frisch gesungen und alles wird wieder gut.“ Zum Abschluss des Offenen Singens konnten die Initiatoren der jüngsten und der ältesten Besucherin (11 bzw. 95 Jahre) je ein kleines Andenken überreichen. Zu dem Jahresthema waren die folgenden Referenten eingeladen: Dr. Roselies Gehlig, Mitarbeiterin am Carl Gustav Carus-Institut; Michael Kurtz, verantwortlicher Mitarbeiter für Musik der Sektion für Redende und Musizierende Künste am Goetheanum, Dr. Andreas M. Worel, Arzt. Der reich bebilderte Vortrag von Roselies Gehlig am Samstagvormittag zeigte die unterschiedliche Entwicklung von einerseits Weichtieren, die ihr Skelett quasi außen tragen – die Austern – andererseits der Schildkröte, die schon ein rudimentäres Skelett im Inneren hat, aber auch noch den harten Panzer außen, und wie sich beim Vogel beides verbindet, im Embryonalzustand das Skelett außen (Eierschale), das von innen aufgelöst wird, bis der Vogel schlüpft. Hier setzt ihre Forschung ein, um Heilmittel gegen Osteoporose zu gewinnen. Das Fazit ihres Vortrags lautete: Nicht beliebig nach synthetischen Mitteln forschen, sondern gezielt in Naturzusammenhängen auf goetheanistische Weise ergründen, „wie und wo“ sie in der Natur zu finden sind. Am Nachmittag leitete Michael Kurtz seinen Vortrag „Von den Wirkungskräften der Musik in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ ein mit dem Hinweis auf das Ergebnis einer mehrjährigen Studie über musikalische Früherziehung. Es konnte belegt werden, dass die mentale und soziale Entwicklung bei Schülern mit intensivem Musikunterricht deutlich höher lag als bei anderen Schülern. – Die Vergangenheit berührte er mit einer Beschreibung des traditionellen chinesischen Instrumentes, der Quin, und dessen Bedeutung im alten China sowie den Wirkungskräften, die Orpheus zugeschrieben werden. Zur Gegenwart sprach er neben anderen Komponisten ausführlich über den „Klang-Magier“ Richard Wagner, dessen Wirkung in „positivem Sinn manipulativ“ gewesen sei. Valentin Egel spielte am Klavier Klangbeispiele aus der Oper Lohengrin. „Über die Zukunft zu reden ist müßig, denn sie liegt darin, was wir daraus machen“, so Michael Kurtz. Das heißt, es liegt an uns, ob wir denjenigen Musikern, die aus echter Inspiration heraus arbeiten und nicht aus Streben nach Erfolg, eine Chance geben „auch wenn wir dabei manchmal auf die Zähne beißen müssen“. Schwerpunkt des Vortrags von Andreas Worel am Sonntagvormittag war die Kraft, die in der menschlichen Zuwendung liegt, mit andern Worten: die Liebe. Nach Ausführungen über Begriffe wie Heil, Heilung und über Gründe, die zu Krankheiten führen (gestörtes Gleichgewicht zwischen Körper und Seele) wurde seine Titelfrage „Mit welchen Kräften heilt der Mensch? - Annäherungsversuche an ihre Quellen“ an drei Beispielen verdeutlicht. Hier ging es nicht um Wiedererlangung der körperlichen Gesundheit, sondern darum, was durch die Krankheit mit diesen Patienten selbst und den Menschen, die sie während der letzten Phase ihres Lebens begleitetet hatten, geschehen ist. (in Johanneshaus Rundschau 25 einem Fall: „die wichtigste Zeit meines Lebens!“). Bei tieferem Nachdenken über diesen Aspekt wird deutlich, dass nicht nur für den physischen Leib Heilkräfte nötig sind, sondern ebenso für die Seele, damit sie „gesund“ ihren Weg über die Schwelle in die geistige Welt gehen kann. Umrahmt wurde der Vortrag durch ein Meisterwerk Ludwig van Beethovens, die Klaviersonate Nr. 111, zugleich kraftvoll und einfühlsam gespielt von dem erst 17-jährigen Valentin Egel, der auch – von Andreas Worel dazu ermuntert – spontan dessen Vortrag mit kurzen entsprechenden Klavierstücken unterbrach. Die Wirkung, die im Musik-Erleben liegt, kennt unsere junge „alte Freundin“, die Harfenistin Assia Cunego, gut. Aus ihrem reich gefächerten Repertoire hatte sie wegen Ausfalls ihrer Partnerin kurzfristig ein geändertes Programm zusammengestellt, das von Händel bis Piazolla reichte. Mit der Klangfülle ihres Instrumentes und der meisterlichen Interpretation spielte sie sich erneut in die Herzen der Zuhörer mit der Wirkung von Entspannung, Erfrischung und Freude. Wurden auf die Frage „Heilkräfte für Erde und Mensch – wo und wie finden wir sie?“ Antworten auch für die Heilung der Erde gefunden? Die schlichte Antwort lautet: die Erde heilen kann nur der Mensch, denn der Mensch ist das Schicksal der Erde. Nur aus Liebe zu ihr kann diese Schicksalsgemeinschaft heilsam sein. Annedore Friedrich, Marianne Worel Herr Bürgermeister Kurz, der in jedem Jahr die Veranstaltungen von MUSIK FÜR DIE ERDE wahrnimmt, im Gespräch mit den Veranstaltern. 26 Johanneshaus Rundschau „Ein Dialog in der polnischen Romantik“ Aleksandra Mikulska spielt Kompositionen von K. Szymanowski und F. Chopin. Die junge Pianistin hatte sich für das Eröffnungskonzert unseres Winterprogramms etwas Besonderes vorgenommen. Sie wollte bei uns nicht nur mit ihrem großen Können als Pianistin brillieren, sondern sie wollte auch weitergeben, was Chopin einst seinen Schülern einprägte: „Legen Sie doch Ihre ganze Seele hinein!“ - Deshalb begann das Konzert mit einem von zwei jungen Frauen gesprochenen Vorwort. In der Musik der beiden größten polnischen Komponisten des 19.Jh., F. Chopin (1810-1849) und K. Szymanowski, (l882-1937), findet Aleksandra Mikulska selbst ihre „Seele“, ihre Identität als Pianistin und Polin. Wir werden daran erinnert, dass es im 19.Jh. überhaupt keinen polnischen Staat gegeben hat. Das Land wurde von den Großmächten aus politischem Kalkül zerstückelt, ohne an die Menschen zu denken, die seit Jahrhunderten dort lebten. Viele wanderten aus, auch Chopin, der als Neunzehnjähriger nach Paris kam und trotz seines lebenslangen Heimwehs der vielen politischen Unruhen wegen nie mehr in seine geliebte Heimat zurückkehrte. Seine Musik aber blieb aus der „polnischen Seele“ geborene Romantik! Zwei Generationen gingen vorüber, ehe ein neuer hochbegabter junger Pianist und Komponist, Karol Szymanowski, am „altehrwürdigen Konservatorium“ in Warschau, sein Musikstudium begann. Ohne ihn, heißt es, sei die Entwicklung der polnischen Musik im 20.Jh. nicht denkbar. Die Einbeziehung und künstlerische Umwandlung der alten Volksmusik wird schon in seinem op.3, den „Variationen“, ganz deutlich. Aleksandra Mikulska hat sie bewusst gewählt als erstes Musikstück zu Beginn des Konzertes: Eine kleine Melodie in Moll, nur ein paar Töne, aufsteigend und wieder fallend, fast traurig, wird zum Grundelement für acht dicht auf einander folgende Variationen. Schon in der ersten Variation dürfen die Finger der rechten Hand mit größter Leichtigkeit über die oberen Tasten tanzen, während die Linke in der Tiefe mit den warmen, ru- higen Tönen der Melodie alles zusammenhält. Im Wechsel geht es weiter von Variation zu Variation, einmal sachte wie ein kleines Lied, dann mit dichten Akkorden und immer wieder mit aufgelösten Kadenzen und Tonleitern, die in atemberaubender Leichtigkeit hinauf- und hinunter rieseln, um in der Tiefe aufgefangen zu werden von kraftvollen Bassklängen und Schlussakkorden. Es ist vielleicht dieser überwältigend wuchtige Schluss eines längeren, sehr differenzierten Musikstücks, das bei manchen Zuhörern die Zartheit und die Zwischentöne der vorhergehenden Passagen leicht in Vergessenheit geraten lässt. Unserer jungen Pianistin ist es aber gelungen, trotz der technischen Brillanz ihres Spiels die „Seele“ nie ganz zu verlieren! Man spürt es, wie sie mit ihrem Programm versucht, von einem Stück zum nächsten eine Brücke zu bauen. Den Variationen in b-Moll von Szymanowski folgte nun ein Scherzo von Chopin, ebenfalls in b-moll, und doch ganz anders! Danach nahmen uns die beiden ChopinWalzer op.64 und op.34 hinüber in die heiteren Dur-Tonarten, zunächst zum „Andante spianato“ mit seinem singenden Thema, das an Szymanowski erinnert. Die Zuhörer konnten ein wenig Atem holen, ehe mit voller Kraft der Marschrhythmus der traditionellen polnischen Polonaise einsetzte und Chopin in seiner „Polonaise Brillante“ der musikalischen Phantasie freien Lauf lässt bis zum gewaltigen Ende. Die Pause, die nun folgte, brauchten beide Seiten: Die Zuhörer und die Künstlerin! Der 2. Teil des Konzerts begann wieder mit Szymanowski: 4 Préludes, op.l, kleine, musikalische Kostbarkeiten, melodiös, Ruhe ausstrahlend; in Nr.3 und Nr.4 tauchen moderne Tonfolgen und neue Klangfarben auf. Es sind erste Schritte weg von Chopin. - Den Schluss des Abends bildete das große Spätwerk Chopins: die h-moll -Sonate op.58 mit 4 sehr unterschiedlichen Sätzen. Das Finale presto ließ die Zuhörer überwältigt zurück und war eine absolute Meisterleistung der jungen Pianistin. Und wo ist nun der „Dialog“? - Mehr als ein halbes Jahrhundert trennte die Komponisten, aber es ist allzu deutlich, dass Szymanowski aus derselben Quelle schöpfte wie Chopin. Auch er kannte die Lieder des Volkes und liebte die lichten Birkenwälder seiner Heimat, die man beim perlenden Spiel stets vor sich sieht. Und er kannte die breiten Ströme, die in kraftvoller Ruhe zum Baltischen Meer hin fließen und die man in seiner Musik so deutlich wahrnimmt. Er war genauso tief verwurzelt in diesem Land wie sein Vorgänger Chopin. Nur war er etwas realistischer und gründete schon als Student mit Freunden eine „Gesellschaft jungpolnischer Komponisten“. Nach dem 1.Weltkrieg, der ihn persönlich hart betroffen hatte, wurde er Professor und 1919, als Polen wieder ein Staat war, Direktor der neuen Musikhochschule in Warschau, offen für die Zukunft, ohne das eigene Erbe zu verlieren. Rose Rauther „Junge Interpreten“ am 15.10.11 Klavierduo Karolin und Friederike Stegmann Das Klavierduo Karolin und Friederike Stegmann brillierte in einem bisher wohl auch im Johanneshaus noch nicht dargebotenen Programm an zwei Steinway-Flügeln - subtile technische Virtuosenleistung, sympathische Augen- wie Körpergestik und musische Durchdringung standen Pate. Der Einstieg mit Franz Schuberts Variationen op. 35 zu vier Händen (am schwarzen SteinwayFlügel) offenbarte ein Einfühlungsvermögen bis in feinste Nuancen. In Mozarts Sonate D-Dur galt es, die unterschiedlich intonierten Klangfarben der Instrumente in ein harmonisch geschlossenes Klangerlebnis zu führen. Dass Karolin und Friederike Stegmann auch in der Lage sind, unter einem großen Bogen rhythmisch- kontrastierende Artistik zu meistern, war in den Haydn-Variationen von Johannes Brahms zu bewundern. Zum Schluss wechselten beide ohne jede Schwierigkeit die Klavierbänke zu einem feurigen, mühelos wirkenden Passagenwerk von innerlicher Kantabilität mit Chopins Rondo op. 73. Ein hoher Genuss, dieser Abend, eine denkwürdig-lebendige Begegnung mit einem der wenigen jungen Nachwuchs-Klavierduos in Deutschland. Barbara M. Schönstedt Johanneshaus Rundschau 27 Das Ensemble Oni Wytars spielt am Sonntag, den 18. Dezember um 15.30 Uhr im Johanneshaus! »MEDITERRANEUM« Mittelalterliche Improvisationswelten zwischen Orient und Okzident „Zehntausend Flüsse münden ins Meer, doch das Meer läuft nie über ...“ – Die Fluten von Nil und Tiber, die Quellwasser aus Kaukasus, Balkan und Pyrenäen, aus Alpen und Atlasgebirge mischen sich im Mittelmeer. Hier kreuzten sich die Handelswege zwischen Nord und Süd, zwischen Orient Riccardo Delfino, Katharina Dustmann, P.eter Rabanser Michael Posch und Abendland, hier trafen die alten Kontinente Europa, Afrika und Asien, ihre Zivilisationen und Religionen aufeinander. Das Ensemble Oni Wytars präsentiert sein neues Projekt mit großartigen Musikern aus dem Mittelmeerraum: „Mediterraneum“ – Musik aus der byzantinischen und osmanischen Epoche, italienische Instrumentalmusik des Trecento und ihre „Spuren“ in der Volksmusiktradition Süditaliens und der Inseln Sizilien und Sardinien, Pilgerlieder in Tanzform aus dem katalanischen Llibre vermell des 14. Jahrhunderts, aber auch wundervolle Lyrik aus der alten Andalusischen Schule, sephardische Romanzen und das, was nach der jüdischen Diaspora im 15. Jahrhundert auf dem Balkan daraus geworden ist, - und schließlich populäre Klänge aus dem heutigen arabischen, türkischen, und griechischen Kulturraum. Viele dieser Traditionen reichen Jahrhunderte zurück, Oni Wytars will klangliche Brücken bauen, in ferne Welten – zeitlich und räumlich. Es ist ein Hineintasten in Klangräume zwischen Gestern und Heute, zwischen Nah und Fern. Diese musikalische Reise im Mittelmeer will Klänge modellieren, Gefühlen und Phantasien freien Lauf lassen, Ohren und Herzen öffnen, Farbigkeit, Duft und Klang des „mare nostrum“ beschwören. Veranstaltungen in Johanneshaus Dez. 2011 bis März 2012 Dezember Januar Februar März 17.12.2011 18.12.2011 07.01.2012 27.01.2012 28.01.2012 04.02.2012 17.02.2012 20.02.2012 25.02.2012 03.03.2012 10.03.2012 Galerie Konzert Liederabend Vortrag Eurythmie Galerie Eurythmie Konzert Lustspiel Schauspiel Vortrag 11.00 Uhr 15.30 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr 11.00 Uhr 19.30 Uhr 16.00 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr 19.30 Uhr Vernissage Ortwin Pennemann Konzert Ensemble Oni Wytars Yurika Waseda und Tukushiro Murayama Prof. Götz W. Werner Freie Eurythmiegruppe Stuttgart Aquarelle und Holzskulpturen Else-Klink-Ensemble Stuttgart Salon-Ensemble Sentimental Lehr- u. Wanderbühne Überlingen Yumiko Eunike Engelkind Markus Osterrieder Gerne senden wir Ihnen den ausführlichen Veranstaltungskalender: Tel. 07233 / 679711 28 Johanneshaus Rundschau Erinnerungen zu Herbst und Winter Als Kind fand ich Herbst und Winter ausgesprochen schön. Erst wurde das Laub bunt, es gab Kastanien, mit denen man alles Mögliche basteln konnte. Wenn dann das Laub fiel, und in unserem Garten fiel das Laub reichlich, raschelte es so schön, wenn man über den Boden schlurfte. Meine Freunde und ich fegten uns Straßen in die Laubflächen und fuhren mit dem Leiterwagen auf ihnen kreuz und quer über den Hof. Einer saß hinten und bewegte mit den Füßen das Gefährt, der andere saß auf einem Brett und lenkte unser imaginäres Auto mit der hochgeklappten Deichsel. Am Wochenende schafften die Erwachsenen das Laub mittels Harke auf einen großen Haufen, wir aber nahmen Anlauf und sprangen hinein. Für uns wurde es viel zu früh dunkel, nach Einbruch der Dunkelheit mussten wir im Haus spielen. Erst hatten wir einen Matadorbaukasten, dessen Teile aus Holz und durchlöchert waren, damit man sie mit kleinen Holzstiften zusammenstecken konnte; später wurde er durch zwei Märklinbaukästen ersetzt, die ganz andere Konstruktionen ermöglichten. Wir hatten Ausschneidebögen, aus denen wir Schiffe, Traktoren oder kleine Theater mit Kulissen und ausgeschnittenen Darstellern herstellten. Von einer verstorbenen Tante war noch eine alte Laterna Magica im Haus, so dass wir Kino spielen konnten. Natürlich mussten wir bei der einen oder anderen Arbeit mithelfen, zum Beispiel „Nüsse knacken“. Zur Belohnung durften wir uns dann ein Nussbrot machen. Dazu wurden gehackte Walnüsse mit Schwarzbrotkrumen und etwas Salz vermischt und in Butterbrotpapier eingeschlagen. Es sah dann so aus wie eine Schokoladentafel. Nun wurde die Masse mit einem geeigneten Gegenstand, meist einem hölzernen Fleischklopfer, zu einer festen Masse geklopft und anschließend verzehrt. Zu trinken gab es meist Hagebuttentee. Da wir zu der Zeit noch Ofenheizung hatten und nicht alle Zimmer geheizt waren, saßen Jung und Alt natürlich viel mehr zusammen. Es wurde mehr kommuniziert und manchmal auch ne- benher gesungen. Mit 9 oder 10 Jahren mussten mein Freund aus dem oberen Stockwerk und ich Klavier spielen lernen. Ab November natürlich Weihnachtslieder und ein Stück zum Vortragen. Ich erinnere mich noch an eine Festouvertüre von einem Herrn Bela, mit der wir uns lange quälten, sie dafür aber im nächsten Jahr noch einmal zu Gehör brachten. Lustig wurde es, als wir soweit waren, dass wir vierhändig spielen konnten. Über oben oder unten haben wir uns nie gestritten und bei unserem Lieblingsstück, dem für uns sicher einfacher gesetzten Türkischen Marsch, sind wir zu voller Stärke aufgelaufen. In den ersten Jahren nach dem Krieg fiel immer wieder einmal der Strom aus, was den frühen Abenden bei Kerzen– oder Petroleumlicht zusätzlich eine gewisse romantische Stimmung verlieh. Die Erwachsenen sahen das sicher ganz anders. Gelegentlich schmurgelten in einer Kasserolle auf dem Ofen im Esszimmer mit Marmelade, Nüssen und etwas Zwetschgenwasser gefüllte Bratäpfel. Sie dufteten herrlich und beim Verzehr habe ich mir jedes Mal den Mund verbrannt. Ich nehme an, das ging anderen Kindern ebenso. Nach Weihnachten kam dann endlich der Schnee, und da wir auf dem Berg wohnten, konnten wir reichlich Schlitten und später auch Skifahren. Kohlen waren Anfang der Fünfziger Jahre mitunter knapp, und bei längerer Kälte und viel Schnee bekamen wir in der Schule Schneefrei. Die heitere, unbedarfte Kindheit ging eigentlich ziemlich schnell zu Ende. Die Interessen gingen in verschiedene Richtungen: Sport, Orchester oder Schülerchor und andere Aktivitäten. Bald kam die Tanzstunde, dann verlor die Winterzeit schnell an Reiz, da man sich im Frühjahr und Sommer viel besser mit seiner Flamme im Freien treffen konnte. Gerhard Lehmann Die Rosenblüte Erstarb in diesen Tagen: Oh, welche Kälte! Shiki Johanneshaus Rundschau 29 Wenn die Börsenkurse fallen, regt sich Kummer bei fast allen, aber manche blühen auf: Ihr Rezept heißt Leerverkauf. Soll man das System gefährden? Da muss eingeschritten werden: Der Gewinn, der bleibt privat, die Verluste kauft der Staat. Keck verhökern diese Knaben Dinge, die sie gar nicht haben, treten selbst den Absatz los, den sie brauchen – echt famos! Dazu braucht der Staat Kredite, und das bringt erneut Profite, hat man doch in jenem Land die Regierung in der Hand. Leichter noch bei solchen Taten Tun sie sich mit Derivaten: Wenn Papier den Wert frisiert, Wird die Wirkung potenziert. Für die Zechen dieser Frechen hat der kleine Mann zu blechen und – das ist das Feine ja – nicht nur in Amerika! Wenn in Folge Banken krachen, haben Sparer nichts zu lachen, und die Hypothek aufs Haus heißt, Bewohner müssen raus. Und wenn Kurse wieder steigen, fängt von vorne an der Reigen – ist halt Umverteilung pur, stets in eine Richtung nur. Trifft´s hingegen große Banken, kommt die ganze Welt ins Wanken – auch die Spekulantenbrut zittert jetzt um Hab und Gut! Aber sollten sich die Massen das mal nimmer bieten lassen, ist der Ausweg längst bedacht: Dann wird ein bisschen Krieg gemacht. Ihre Friseure im Johanneshaus Maria Berberidis & Manfred Sadler wünschen ihren Kunden ein besinnliches Weihnachtsfest und für 2012 alles Gute, Gesundheit und Glück! Wir freuen uns, Sie auch im kommenden Jahr wieder beraten und bedienen zu dürfen! Als Geschenkidee für Ihre Lieben zum Fest: Einen Gutschein von Ihrem Friseursalon Sadler! Terminvereinbarung: Tel.-Salon: 07233 / 67-9601 30 Johanneshaus Rundschau Kurt Tucholsky 1930 veröffentlicht in „Die Weltbühne“ Rezeptvorschlag für das Jahr 2012 Man nehme zwölf Monate, putze sie ganz sauber von Bitterkeit, Geiz, Pedanterie und Angst und zerlege jeden Monat in 30 oder 31 Teile, so dass der Vorrat genau für ein Jahr reicht. Es wird jeder Tag einzeln angerichtet aus einem Teil Arbeit und zwei Teilen Frohsinn und Humor. Man füge drei gehäufte Esslöffel Optimismus hinzu, einen Teelöffel Toleranz, ein Körnchen Ironie und eine Prise Takt. Dann wird die Masse reichlich mit Liebe übergossen. Das fertige Gericht schmücke man mit Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und serviere es täglich mit Heiterkeit und einer guten, erquickenden Tasse Tee. Katharina Elisabeth Goethe Mutter von Johann Wolfgang Impressum Die Rundschau Herausgeber Johanneshaus gemeinnützige GmbH Zentrum für Lebensgestaltung im Alter Am Eichhof 20 · 75223 Niefern-Öschelbronn Tel. 07233 / 670 · Fax 07233 / 679210 [email protected] Redaktion: Karin Barkhoff Hedi Delfino Dorette Jensen Hans Krauss Madlen Kost Gerd Kutscher Jutta Lauer † Erika Müller Layout: Konrad Barkhoff Anzeigen: Druckauflage: Karin Barkhoff Tel. 07233 / 97 31 56 [email protected] 800 Stück Druck: Butscher Pforzheim - steht im Internet zum kostenlosen Download bereit unter: www.johanneshaus-oeschelbronn.de/rundschau.htm - erscheint viermal jährlich zu den Jahresfesten: Ostern – Johanni – Michaeli – Weihnachten - lebt von den Beiträgen der Bewohner und Mitarbeiter. Insofern freuen wir uns über jede Zuschrift! Die Redaktion kann jedoch keine Zusage über den Zeitpunkt der Veröffentlichung geben, ebenso kann keine Haftung für unaufgefordert zugesandte Manuskripte übernommen werden. Für Inhalt und sachliche Richtigkeit der Beiträge zeichnet der jeweilige Autor verantwortlich. Die Redaktion behält sich Überarbeitungen und Kürzungen vor. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet. Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die männliche Schreibweise die weibliche stets mit einbezieht. Redaktionsschluss für die kommende Ausgabe ist am 29.02.2012 Abdruck des Bildes „Große weise Lilie“ auf Seite 17 mit Genehmigung von Christiane Schwaderer. Weitere Werke der Künstlerin unter www.christiane- schwaderer.de. Johanneshaus Rundschau 31 Vom Himmel in die tiefsten Klüfte Vom Himmel in die tiefsten Klüfte Ein milder Stern hernieder lacht; Vom Tannenwalde steigen Düfte Und hauchen durch die Winterlüfte, Und kerzenhelle wird die Nacht Mir ist das Herz so froh erschrocken. Das ist die liebe Weihnachtszeit! Ich höre fernher Kirchenglocken Mich lieblich heimatlich verlocken In märchenstille Herrlichkeit. Ein frommer Zauber hält mich wieder, Anbetend, staunend muß ich stehn; Es sinkt auf meine Augenlider Ein goldner Kindertraum hernieder, Ich fühl‘s, ein Wunder ist geschehn. Theodor Storm