Baden-Württemberg - Universum Verlag GmbH

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Baden-Württemberg - Universum Verlag GmbH
2 I 2009
ISSN 1860-7764
Baden-Württemberg
Nachrichten des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg – Integrationsamt
Volk’s Parkett: Hier zählt die Leistung
Neun Parkettleger sind für Volk’s Parkett und Bodenbeläge
in Göppingen im Einsatz. Das Besondere: Drei von ihnen sind
hörbehindert, einer gehörlos.
Die Geschichte einer ganz normalen
Integration
Jochen Volk, Parkettlegemeister und
vereidigter Sachverständiger, sprang
2005 in das kalte Wasser der Selbstständigkeit, als sein damaliger Arbeitgeber, eine große Firma für Parkett
und Bodenbeläge in Göppingen, Insolvenz anmelden musste. Jochen Volk
baute sein eigenes Unternehmen auf
und stellte dafür auch ehemalige Kollegen ein. Zwei von ihnen waren hörbehindert – aber was macht das,
wenn die Qualifikation stimmt? Vom
Integrationsamt kamen finanzielle
Unterstützung für die notwendige Arbeitsplatzausstattung und ein Zuschuss für einen Transporter als zweites Baustellenfahrzeug.
„Ich mache da keinen Unterschied, ob
behindert oder nicht. Die Mitarbeiter
müssen ihre Leistung bringen“, erklärt
Unternehmer Jochen Volk pragmatisch seine Haltung zu den behinderten Beschäftigten. Insgesamt elf ArZB Baden-Württemberg 2 I 2009
beits- und zwei Ausbildungsplätze hat
sein Betrieb, der Verlegung und Pflege
von massivem Parkett, Fertigparkett,
Dielen, Kork, exotischen Holzarten,
Teppich und Linoleum anbietet. Rund
die Hälfte der Aufträge betrifft die
Ausstattung von Neubauten. Da ist es
gut, dass sich die schwerhörigen Kollegen auch sprachlich verständigen
können. „Sie müssen vor Ort auch mit
der Bauleitung oder dem Architekten
sprechen können“, meint Jochen Volk.
„Zu klären gibt es immer mal was.“
Kommunikation per SMS
Der Chef selbst kommuniziert mit seinen hörbehinderten Mitarbeitern
häufig per SMS, denn für Telefonate
reicht deren Hörfähigkeit nicht aus.
Alle vier hörbehinderten Parkettleger
beherrschen die Gebärdensprache.
Verständigungsprobleme gibt es nicht,
weil immer jemand für den gehörlosen Kollegen übersetzen kann. So
kann der Betrieb auf externe Gebärdensprachdolmetscher verzichten
ebenso wie auf die Fachberaterin für
hörbehinderte Menschen beim Integrationsfachdienst. Man kennt sich
und man versteht sich.
Nicht zuletzt die gute Erfahrung mit
seinen beiden behinderten Mitarbeitern aus der Gründungsphase seines
Betriebs – „Meine besten Leute!“ – haben Jochen Volk dazu gebracht, auf
deren Empfehlung im Juni 2008 die
beiden anderen hörbehinderten Parkettleger einzustellen. „Die kennen
sich alle von der Paulinenpflege“, erklärt Jochen Volk. Die Paulinenpflege
betreibt in Winnenden unter anderem
ein Berufsbildungswerk für hörbehinderte und gehörlose Menschen. „Ich
könnte mir durchaus vorstellen, noch
mal schwerbehinderte Mitarbeiter
einzustellen“, meint Jochen Volk, dessen Auftragsbücher gut gefüllt sind.
„Es kommt darauf an, wie die Konjunktur läuft.“
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Das Integrationsamt
und seine Angebote
Unterstützung für hörbehinderte Menschen im Beruf
Für hörbehinderte und gehörlose Menschen im Beruf und ihre Arbeitgeber bieten das KVJSIntegrationsamt und die in seinem Auftrag arbeitenden Integrationsfachdienste verschiedene
Unterstützungsmöglichkeiten. Unter www.ifd-bw.de werden die wesentlichen Leistungen auch in
Gebärdensprache erklärt.
In einem Betrieb, der hörbehinderte
Menschen beschäftigt, kann es immer
mal zu Kommunikationsschwierigkeiten kommen. Die Spezialisten der
Integrationsfachdienste helfen weiter.
Bei schwerhörigen und gehörlosen
Menschen klären sie den Hör- und
Kommunikationsstatus: Welche Art
Hörbehinderung liegt vor? Braucht
der Betroffene ein Hörgerät und wenn
ja, welches? Welche anderen kommunikativen Hilfen kommen in Frage?
Die Fachleute informieren auch Vorgesetzte und Kollegen im Betrieb über
die Möglichkeiten zur reibungslosen
Verständigung.
„Eine häufige Fehleinschätzung beispielsweise ist, dass gehörlose Menschen alles von den Lippen absehen
können“, weiß Roland Bittlingmeyer,
zuständiger Fachkoordinator beim Integrationsamt des KVJS. „Tatsächlich
werden aber nur etwa 30 Prozent des
Gesagten wirklich verstanden.“ Auch
schriftliche Mitteilungen haben ihre
Tücken.
Gebärdensprachdolmetscher
Nur kurze, klare Botschaften werden
meist wirklich verstanden. „Seit der
Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache ist es für gehörlose Menschen einfacher geworden“, erklärt
Roland Bittlingmeyer, „weil es dadurch
einfacher ist, Gebärdensprachdolmetscher von den unterschiedlichsten Leistungsträgern finanziert zu bekommen. Das Integrationsamt hatte hier
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schon immer eine Vorreiterrolle. In
2008 wurden 512.000 Euro für die
Dienste von Gebärdensprachdolmetschern ausgegeben.
„Kommunikation“
Unter anderem werden bei Fortbildungen in der Regel die Kosten für den
Gebärdensprachdolmetscher finanziert. Für schwerhörige Menschen gibt
es mittlerweile ausgefeilte technische
Hilfsmittel, die etwa die Teilnahme an
Besprechungen und Fortbildungsveranstaltungen erleichtern. Hierzu zählen Funkübertragungsanlagen, die
direkt an das Hörgerät angeschlossen
werden können.
Kollegenseminare beim KVJS
Das Integrationsamt des KVJS bietet
zudem Kollegenseminare an, bei denen sich gehörlose und hörende Kolleginnen und Kollegen durch den Abstand vom beruflichen Alltag oft von
einer ganz neuen Seite kennen lernen.
„Optimal wäre so ein Seminar gleich
zu Anfang im neuen Job“, meint Roland Bittlingmeyer, der das Angebot in
Baden-Württemberg initiiert hat und
die Seminare gemeinsam mit einer
gehörlosen Dozentin durchführt. Aber
auch langjährige Kollegen entdecken
häufig neue Möglichkeiten, miteinander umzugehen. An den Seminaren
können gehörlose Mitarbeiter gemeinsam mit bis zu drei Kollegen oder
Vorgesetzten teilnehmen. Alles wird
simultan in Deutsche Gebärdensprache gedolmetscht. Die hörenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet zudem ein kleiner Gebärdensprachkurs.
Ansprechpartner:
Roland Bittlingmeyer
Telefon: 07 21/81 07-245
Fax: 07 21/81 07-288
[email protected]
ZB Baden-Württemberg 2 I 2009
Das Integrationsamt
und seine Angebote
Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen neu geregelt
Arbeitgeber können vom Integrationsamt des KVJS Zuschüsse zu den Lohnkosten erhalten: Etwa
wenn die Arbeitsleistung eines schwerbehinderten Beschäftigten nicht so ist wie erwartet oder wenn
sich im Betrieb jemand verstärkt um die behinderte Kollegin oder den Kollegen kümmern muss.
Das Integrationsamt hat für diese Zuschüsse nun zum 1. April 2009 eine neue Regelung eingeführt.
Rund 20 Millionen Euro an Zuschüssen hat das Integrationsamt im Jahr
2008 an Arbeitgeber gezahlt, um behinderungsbedingte Minderleistungen und den Aufwand für persönliche
Unterstützung von rund 4.800 schwerbehinderten Beschäftigten auszugleichen. Die Höhe des Zuschusses richtet
sich nach dem Bruttolohn des schwerbehinderten Menschen beziehungsweise seiner Unterstützungsperson
und der jeweiligen Bedarfsstufe.
Bei Kleinbetrieben mit weniger als 20
Arbeitsplätzen, die deshalb nicht verpflichtet wären, schwerbehinderte
Menschen zu beschäftigen, kann der
Zuschuss um zehn Prozent erhöht
werden. Generell gilt, dass der Zuschuss des Integrationsamts maximal
40 Prozent des Jahreseinkommens
des schwerbehinderten Menschen beträgt – einschließlich Arbeitgeberanteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag und gezahlten vermögenswirksamen Leistungen.
Ermessensleistung
Die Zuschüsse zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen sind Ermessensleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Sie werden dann gezahlt, wenn nicht – wie bei der weit
überwiegenden Anzahl der schwerbehinderten Arbeitnehmer – die Behinderung durch eine Anpassung des Arbeitsplatzes oder spezielle Fortbildungen ausgeglichen werden kann.
ZB Baden-Württemberg 2 I 2009
Das Integrationsamt
des KVJS hat sich nun
„Auch Personen mit Behinentschlossen, seine
derung arbeiten sich ein
Bewilligungspraxis
und gewinnen Routine,
an die Empfehlungen
entsprechend steigt ihre
der BundesarbeitsLeistungsfähigkeit“, so
gemeinschaft der InKarl-Friedrich Ernst, Leiter
tegrationsämter und
des Integrationsamtes
Hauptfürsorgestellen
beim KVJS.
(BIH) anzupassen. Für
alle Zuschuss-Anträge, die ab dem 1. April
2009 beim Integrationsamt eingehen,
auf 50 Prozent des zuerst errechneten
greift nun eine in der Vergangenheit
Zuschusses oder bis zu einem Sockelselten angewandte Degression. Dies
betrag von 100 Euro. Ist dieser Sockelbetrifft Erstanträge wie Anträge auf
betrag erreicht, entfällt die DegresWeitergewährung von Zuschüssen
sion. Karl-Friedrich Ernst: „Wir musszur Abgeltung außergewöhnlicher Beten auf Grund der Haushaltslage seit
lastungen. „Wir übernehmen damit
zwei Jahren mit Haushaltsabschlägen
die Praxis der übrigen Bundesländer,
von zehn Prozent arbeiten. Nun fühwobei die Zuschüsse in Baden-Würtren wir die wesentlich mildere Degrestemberg weiterhin über dem Durchsion ein. Zudem sind Ausnahmen bei
schnitt liegen werden“ erklärt Karlder Beschäftigung von besonders beFriedrich Ernst, Leiter des KVJS-Intetroffenen schwerbehinderten Mengrationsamtes.
schen vorgesehen, was vorwiegend
geistig behinderte Menschen betref2,5 Prozent Degression
fen wird.“
Die Zuschüsse wegen Minderleistung
beziehungsweise personeller Unterstützung werden nun kontinuierlich
jedes Jahr um 2,5 Prozent abgesenkt –
Die ausführlichen „Grundsätze des
auch wenn sich die LeistungsvorausIntegrationsamtes Baden-Württemsetzungen nicht geändert haben.
berg zur Gewährung von Leistungen
an Arbeitgeber (außerhalb von
Berechnungsgrundlage ist die beim
Integrationsprojekten) zur Abgeltung
Erstantrag errechnete Zuschusshöhe.
außergewöhnlicher Belastungen nach
Die Reduzierung erfolgt für alle Wei§ 27 SchwbAV vom 1.3.2009“ stehen
terbewilligungsanträge über einen
zum Herunterladen im Internet unter
Zeitraum von längstens 20 Jahren bis
www.kvjs.de/57.0.html
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Nachrichten
Fachtag zu Integrationsprojekten
Integrationsamt beim Landespsychiatrietag
Das KVJS-Integrationsamt hat sich mit einem Workshop zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement am Programm des Landespsychiatrietages am 28. März
2009 in Stuttgart beteiligt. Veranstalter waren die Liga der freien Wohlfahrtspflege und die Verbände der Selbsthilfeorganisationen im Bereich Psychiatrie
aber auch Berufs- und Fachverbände. Bei psychischen Erkrankungen rechtzeitig
gegenzusteuern, wird immer wichtiger. Seit 2001 sind psychische Krankheiten
der häufigste Grund für Frühberentung in Deutschland.
Am 26. Februar veranstaltete das Integrationsamt des KVJS eine Fachtagung
für Integrationsprojekte. In den letzten
vier Jahren, seit Bestehen des Verbandes, wurden 20 Integrationsprojekte
neu aufgebaut und 280 neue Arbeitsplätze – davon 169 für schwerbehinderte Menschen – geschaffen. 34 schon
bestehende Integrationsprojekte konnten gleichzeitig erhalten werden.
Kündigungsschutz in der Pflegezeit
Seit dem 1. Juli 2008 gilt das Pflegezeitgesetz. Danach haben Beschäftigte das
Recht, bis zu zehn Tage von der Arbeit
fernzubleiben, wenn sie für einen nahen
Angehörigen in einer akuten Pflegesituation die Pflege organisieren müssen. Ferner können sie sich für bis zu
sechs Monate Pflegezeit freistellen lassen. Das baden-württembergische Ministerium für Arbeit und Soziales hat den
KVJS beauftragt, nach dem Pflegezeitgesetz den Kündigungsschutz für Personen
durchzuführen, die sich in Pflegezeit befinden. Künftig muss demnach jeder
Arbeitgeber, der Beschäftigte in Pflegezeit kündigen will, zuvor die Zustimmung
des KVJS zur Kündigung einholen. Dafür wird eine Gebühr erhoben, die sich je
nach Aufwand zwischen 200 und 1.000 Euro bewegt. Die neue Aufgabe ist beim
Dezernat 3 – Referat 31/Pflegezeit in der Zweigstelle in Karlsruhe angesiedelt.
Ansprechpartnerin: Ulrike Kayser, Telefon 07 21/81 07-904,
www.kvjs.de/Kuendigungsschutz-pflegende-Angehoerige.html
Großer Andrang beim Aktion 1000-Fachtag
Der KVJS präsentierte gemeinsam mit dem Teilhabeausschuss Baden-Württemberg
eine erste Bilanz seiner erfolgreichen Aktion zur Integration besonders betroffener schwerbehinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei der zweitägigen Fachtagung „Zwischenbilanz der Aktion 1000 – gemeinsam Handeln“ im
KVJS-Tagungszentrum Gültstein wurde über den aktuellen Stand unterrichtet und
die Auswirkungen der Aktion auf die Praxis diskutiert. Die Dokumentation der
Veranstaltung ist im Internet unter www.kvjs.de/1213.0.html zu finden.
• Begleitende Hilfe im
Arbeits- und Berufsleben
• Kündigungsschutz für
schwerbehinderte Menschen
• Seminare und Bildungsangebote für das betriebliche
Integrationsteam
• Ausgleichsabgabe
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Doch auch die baden-württembergischen Integrationsunternehmen sind
von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nicht verschont geblieben. Auftragsrückgänge sind die Folge, die bei einigen der Integrationsunternehmen bereits zu Kurzarbeit und Entlassungen
geführt haben. Das Integrationsamt
seinerseits hat einen jahrelangen Rückgang der Mittel der Ausgleichsabgabe
verzeichnen müssen. Daher hat es sich
bei seiner Förderpraxis klar für die Priorität von Bestandssicherung bestehender Projekte positioniert vor der Neuschaffung weiterer Integrationsunternehmen. Tagungsdokumentation als
Download: www.kvjs.de/1224.0.html
Ihr Partner
Impressum
Kommunalverband für Jugend
und Soziales (KVJS)
Baden-Württemberg – Integrationsamt
Herausgeber KVJS – Integrationsamt
ZB Baden-Württemberg erscheint als Beilage der
ZB – Zeitschrift: Behinderte Menschen im Beruf
Verlag Universum Verlag GmbH, 65175 Wiesbaden
Redaktion Monika Kleusch (verantw. für Hrsg.),
Sabine Wolf (verantw. für Verlag), Dagmar Binder
Herstellung Manfred Morlok
Fotos Fotolia (4), Heiler (1), Kleusch (3), Kohlhoff (4),
Landespsychiatrietag (1), Stampe (1)
Layout Atelier Stepp, Speyer
Druck Druckhaus Main-Echo GmbH & Co KG,
63741 Aschaffenburg; Auflage 53.050
Redaktionsschluss Mai 2009
Bestellung Gisela Lüttges, Telefon 07 21/81 07-983
Erzberger Straße 119,
76133 Karlsruhe, Tel. 07 21/81 07-0
Lindenspürstraße 39,
70176 Stuttgart, Tel. 07 11/63 75-0
Kaiser-Joseph-Straße 170,
79098 Freiburg, Tel. 07 61/27 19-0
www.kvjs.de
[email protected]
Kontakt Monika Kleusch, Telefon 07 11/63 75-206
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