1. Mark Twain - Phil.

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1. Mark Twain - Phil.
Ringvorlesung Amerikanistik
Wintersemester 2005/06 – 6. Februar 2006
Realismus III: Mark Twain und Henry James
Günter Beck
1. Mark Twain: Leben und Werk
2. Henry James: Leben und Werk
Geb. 30. 11. 1835 in Florida, MO; gest. 21. 4. 1910 in Reading, CT
(eigentlich Samuel Langhorne Clemens)
- Drucker, Flusslotse, Goldsucher, Lokalreporter, Journalist, lecturer, Schriftsteller
- 2. Februar 1863: Artikel mit dem Pseudonym Mark Twain
- 1865 „The Celebrated Jumping Frog of Calaveras County“: tall tale: Form der local
color fiction, in der ein „Westerner“ mit todernster Miene (deadpan face) im Regionaldialekt (vernacular) einem Neuling aus dem Osten (tenderfoot) eine haarsträubende
Geschichte (tall tale) erzählt.
- kritische Sicht der Wirklichkeit, Vertrauen in eigene Erfahrung, Ablehnung romances
- literarische Attacken auf James Fenimore Cooper und Walter Scott
- anarchischer „Western humor”: Illusionszerstörung; Unterhaltung
- geringe formale Geschlossenheit, Kompositions- und Strukturschwächen
- Reiseberichte: The Innocents Abroad (1869), A Tramp Abroad (1880), Following the
Equator (1897) - über USA: Roughing It (1872), Life on the Mississippi (1883)
- Romane: u.a The Gilded Age (1874, mit Ch. D. Warner), The Adventures of Tom
Sawyer (1876)
- Geschichtspessimismus und zynischer Grundton im Spätwerk: u.a. „The Man That
Corrupted Hadleyburg“ (1899), Pudd’nhead Wilson (1894), The Mysterious
Stranger (post. 1916)
- Imperialismuskritik: „... there are many humorous things in the world; among them
the white man’s notion that he is less savage than the other savages.“ – u.a. King
Leopold’s Soliloquy (1904), „War Prayer“, „To the Person Sitting in Darkness“
Geb. 15. 4. 1843 in New York City; gest. 28.2. 1916 in London
- neuenglische Gelehrten- und Schriftstellerfamilie, Bruder von Wiliam James
(Philosoph, Psychologe) und Alice James (bed. Tagebuch)
- Privaterziehung in Europa, kurzes Jurastudium an der Harvard University
- seit 1876 dauerhaft in England ansässig, später englischer Staatsbürger; seltene
USA-Aufenthalte
- Autor von Kritiken, Essays, 22 Romanen, 112 Erzählungen, Dramen, Reiseberichten,
Biographien und Autobiographien
- Bekanntschaft mit Maupassant, Flaubert, Zola, Turgenjew, Conrad, Maddox Ford u.a.
- Lebensspanne umfasst: Romantik, Realismus, Naturalismus, beginnende Moderne
- psychologischer Realismus mit großer Subtilität und ästhetischer Verfeinerung
- sparsame Handlung, statt dessen differenzierte Entfaltung der psychischen
Reaktionen der Protagonisten; Realität als Spiegelung des ausschnitthaft
Wahrgenommenen; symbol- und anspielungsreicher Stil
- innovative und einflussreiche Erzähltechnik: point of view, innerer Monolog, stream of
consciousness; häufig unreliable narrators
- Analyse sozialer Beziehungen und ihrer subtilen Mechanismen, meist in Milieu utopischer Freiheit, in dem die Protagonisten durch Reichtum in ihrer Muße gesichert sind
- international novel: problemat. Begegnung en unbefangener Amerikaner mit der
etablierten europ. Gesellschaft, u.a. Daisy Miller (1878), Roderick Hudson (1876), The
American (1877)
- literaturkrit. und theoretische Schriften: Hawthorne (1879), The Art of Fiction (1884)
1. 1 The Adventures of Huckleberry Finn (1885)
2.1 The Portrait of a Lady (1881)
E. Hemingway: “All modern American literature comes from one book by Mark Twain
called Huckleberry Finn.”
- Sprache: realistische Wiedergabe durch Dialekt mit linguistischen Eigenwilligkeiten
- Erzählperspektive Hucks: allwissend, witzig, unverstellter authentischer Zugang zur
Welt; demokratische Intention (common sense und „sound heart“ statt gesellschaftlicher Konventionen und Gesetze)
- Reise- und Abenteuergeschichte, pikaresker Roman, Bildungsroman, Elemente der
slave narrative, Sozialsatire, Burleske: episodenhafte Reihung der Handlung
- Themen: u.a. Wahrheit und Lüge, Freiheit und Restriktionen, Sklaverei und Rassismus
Integrität und Heuchelei, Southern code of behavior
- nicht der dramatische Verlauf der Ereignisse bildet den Handlungsrahmen, sondern in
ihnen spiegeln sich die Betrachtungen der einzelnen Personen wider
- Isabel Archer: schön, unkonventionell,natürlich, optimistisch, romantischer Drang nach
Unabhängigkeit, aber auch naiv: „Well, that’s what I came to Europe for, to be as
happy as possible.“
- Europa ist Schauplatz und liefert das soziale Umfeld
- Veränderung des Amerikanertum unter dem Einfluss Europas: positiv bei Ralph
Touchett (Verantwortungsbewusstsein), negativ bei Madam Merle und Gilbert Osmond
(äußerste Skrupellosigkeit)
- offener Schluss
1. 2 A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court (1889)
2. 2 The Turn of the Screw (1898)
- aus einer Persiflage auf die Mittelalterbegeisterung wurde bizarr-utopischer Roman
- Erzähler u. Protagonist Hank Morgan: common sense, Idealismus, demokratische
Werte, Unternehmer mit Monopolstellung, aber auch Prototyp des faschistischen
Diktators, der aus Egoismus alle und alles in den Untergang reißt
- Kritik an Sentimentalitäten eines idealisierten Mittelalters, an Übeln der Monarchie, an
Glauben in materiellen und technologischen Fortschritt
- Mehrdeutigkeiten und Offenheit als kompositorische Struktur
- Elemente der gothic fiction
- „Peter Quint – you devil!“ – Grundfrage der Interpretation: sind die Geistererscheinungen real oder das Produkt der hysterischen Phantasie der Gouvernante?
- Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten ohne jemals einen Abschluss zu finden
- Tzvetan Todorov. Introduction à la littérature fantastique (1970)