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Analysis 3
Martin Blümlinger
http://www.asc.tuwien.ac.at/∼blue
WS 2013/14
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Topologie
1.1 Topologische Grundbegriffe . . . . . . . . .
1.2 Stetige Abbildungen . . . . . . . . . . . . .
1.3 Initiale und finale Topologien . . . . . . . .
1.4 Kompakte Mengen . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Sätze v. Arzelà-Ascoli und Stone-Weierstraß
1.6 Normale Räume . . . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Lokalkompakte Räume . . . . . . . . . . . .
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27
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50
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3 Fouriertransformation
3.1 Fourierreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2 Fouriertransformation in L1 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3 Fouriertransformation in S und L2 . . . . . . . . . . . . . .
59
59
69
73
2 Funktionenräume
2.1 Vertauschungssätze . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Vervollständigung metrischer und normierter
2.3 Banachräume . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Faltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.5 Lp -Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.6 Hilberträume . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.7 Kompaktheitskriterium von Kolmogorov . .
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Räume
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4 Hausdorffmaß, Transformations- und Flächenformel
4.1 Hausdorffmaß und Hausdorffdimension . . . . . .
4.2 Flächenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3 Transformationsformel . . . . . . . . . . . . . . .
4.4 Koflächenformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12. Dezember 2013
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i
Inhaltsverzeichnis
5 Mannigfaltigkeiten und Integralsätze
5.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
5.2 Zerlegung der Eins . . . . . . . . .
5.3 Integralsätze von Gauß und Green .
5.4 Integralsatz von Stokes . . . . . . .
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6 Sobolevräume
6.1 Schwache Ableitung . . . . . .
6.2 Sobolevräume . . . . . . . . .
6.3 Einbettungssätze . . . . . . .
6.4 Kompakte Einbettung . . . .
6.5 H s und Fouriertransformation
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154
7 Fixpunktsätze
7.1 Fixpunktsatz
7.2 Fixpunktsatz
7.3 Fixpunktsatz
7.4 Fixpunktsatz
von
von
von
von
Banach .
Brouwer .
Schauder .
Kakutani
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8 Anhang
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8.1 Lemma von Zorn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
8.2 Hauptsatz über implizite Funktionen . . . . . . . . . . . . . 162
ii
Kapitel
1
Topologie
1.1 Topologische Grundbegriffe
Ziel der mengentheoretischen Topologie ist es zentrale Begriffe der Analysis wie Stetigkeit Kompaktheit Konvergenz u.s.w. in Räumen zu definieren,
in denen keine Metrik definiert werden kann, die den gewünschten Konvergenzbegriff liefert. So kann die punktweise Konvergenz von Funktionen auf
[0, 1] durch keine Metrik beschrieben werden (vgl. Übung). Anstelle offener
-Kugeln in metrischen Räumen definieren wir ein System „offener Mengen“
ohne einen Abstandsbegriff zugrundezulegen.
Sei X eine Menge, dann heißt eine Teilmenge T der Potenzmenge P(X) von
X Topologie auf X und das Dupel (X, T ) topologischer Raum, wenn
gilt:
◦ ∅, X ∈ T
◦ Oi ∈ T für i aus einer beliebigen Indexmenge I, dann folgt ∪i∈I Oi ∈ T
◦ U, V ∈ T ⇒ U ∩ V ∈ T .
Die Mengen in T heißen offen, ihre Komplemente in Xabgeschlossen.
Aus den Axiomen für offene Mengen leitet man unmittelbar durch Komplementbildung die dualen Aussagen für abgeschlossene Mengen her:
◦ ∅, X sind abgeschlossen
◦ ∩i∈I Ai ist abgeschlossen für eine beliebige Familie (Ai )i∈I abgeschlossener Mengen
◦ U, V abgeschlossen ⇒ U ∪ V abgeschlossen.
Da P(X) durch Mengeninklusion halbgeordnet ist, gibt es eine natürliche
Halbordnung auf der Menge aller Topologien auf einer Menge X. Wir bezeichnen T feiner als T 0 respektive T 0 gröber als T , wenn T ⊇ T 0 gilt.
12. Dezember 2013
1
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Die Potenzmenge einer Menge X bezeichnen wir als die diskrete Topologie. Sie ist die feinste Topologie auf X. Die Menge {∅, X} ist die gröbste
Topologie auf X, wir bezeichnen sie als die indiskrete Topologie.
Wir übertragen einige Begriffe die auf metrischen Räumen erklärt waren auf
topologische Räume:
◦ N ⊂ X heißt Umgebung des Punktes x ∈ X, wenn es U ∈ T mit
x ∈ U ⊆ N gibt
◦ Das Innere E ◦ der Menge E ⊆ X ist die Menge aller x ∈ E für die E
eine Umgebung von x ist.
◦ Der Abschluss Ē von E ⊆ X ist die Menge aller Elemente x ∈ X für
die U ∩ E 6= ∅ für alle Umgebungen U von x gilt
◦ Der Rand ∂E einer Menge E ist Ē \ E ◦ .
◦ Eine Teilmenge A von X heißt dicht in X, wenn Ā = X gilt.
Man verifiziert unmittelbar (vgl. Übung)
◦ Das Innere einer Teilmenge E von X ist die Vereinigung aller offenen
Teilmengen von E und damit die größte offene Teilmenge von E
◦ Der Abschluss einer Teilmenge E von X ist der Durchschnitt aller abgeschlossenen Obermengen von E und damit die kleinste abgeschlossene
Obermenge von E
Eine Teilmenge B von T heißt Basis der Topologie T , wenn jedes O ∈ T als
Vereinigung von Elementen von B dargestellt werden kann. Eine Teilmenge
S von T heißt Subbasis der Topologie T , wenn die endlichen Durchschnitte
von Mengen aus S eine Basis von T bilden.
Proposition 1.1.1 Eine Teilmenge B von P(X) ist Basis einer Topologie
auf X, wenn es für U, V ∈ B und x ∈ U ∩V ein W ∈ B mit x ∈ W ⊆ U ∩V
gibt und ∪U ∈B U = X gilt.
Jede Teilmenge S von P(X), mit ∪A∈S A = X ist Subbasis einer eindeutigen Topologie. Die von dieser Subbasis induzierte Topologie ist die gröbste
Topologie in der alle Mengen aus S offen sind.
Beweis: Um zu sehen, dass ein Mengensystem B mit den genannten Eigenschaften Basis einer Topologie ist, ist zu zeigen dass das System aller Mengen, die aus beliebigen Vereinigungen von Mengen aus B entstehen durchschnittsstabil ist (es ist ja offensichtlich stabil unter der Bildung beliebiger
Vereinigungen). Wegen
(∪i Ai ) ∩ (∪j Bj ) = ∪i,j (Ai ∩ Bj )
2
1.1. TOPOLOGISCHE GRUNDBEGRIFFE
genügt es zu zeigen, dass für A, B ∈ B die Menge A ∩ B Vereinigung von
Mengen aus B ist. Nach Voraussetzung gibt es zu jedem x ∈ A ∩ B ein
Wx ∈ B mit Wx ⊆ A ∩ B. Damit gilt aber A ∩ B = ∪x∈A∩B Wx mit Wx ∈ B.
Das Mengensystem aller beliebigen Vereinigungen endlicher Durchschnitte
von Mengen aus S ist stabil unter der Bildung endlicher Durchschnitte und
damit nach dem eben gezeigten eine Basis. Da jede Topologie die S enthält
auch endliche Durchschnitte von Mengen aus S enthält, muss diese Basis
in jeder Topologie liegen, die S enthält. Jede Topologie die B enhält muss
alle Vereinigungen von Mengen aus B enthalten, womit die Vereinigung
von Mengen aus B, da sie eine Topologie ist, die kleinste B enthaltende
Topologie ist.
Das folgende Beispiel zeigt – durchaus überraschend, dass diese einfachen
topologischen Begriffsbildungen bereits ausreichen um einen topologischen
Beweis einer rein zahlentheoretischen Aussage zu geben:
Satz 1.1.2 Es gibt unendlich viele Primzahlen.
Beweis: (H. Fürstenberg 1955) Auf Z seien die Mengen Ak,l := {k + nl :
n ∈ Z}, k ∈ Z, l ∈ N definiert. Für m ∈ Ak,l ∩ Ak0 ,l0 gilt offensichtlich
: Am,ll0 ⊆ Ak,l ∩ Ak0 ,l0 . Nach Proposition 1.1.1 bilden die Mengen Ak,l eine
{
Basis einer Topologie auf Z. Wegen A{k,l = ∪l−1
i=1 Ak+i,l sind die Mengen Ak,l
offen.
Jede ganze Zahl ungleich ±1 hat eine Primzahl als Teiler, also gilt Z \
{−1, 1} = ∪p∈P A0,p , wobei P die Menge aller Primzahlen bezeichnet. Es
folgt {−1, 1} = ∩p∈P A{0,p mit offenen Mengen A{0,p . Wäre P endlich, wäre
{1, −1} als endlicher Durchschnitt offener Mengen offen und müsste so als
Vereinigung von Basismengen Ak,l darstellbar sein. Da diese alle unendlich
sind ist das offenbar unmöglich.
Die im Beweis verwendete Topologie ist ein Beispiel für nichttriviale topologische Räume in denen es neben X und ∅ weitere Mengen gibt, die sowohl
offen als auch abgeschlossen sind.
Eine Teilmenge S von P(X) hat die endliche Durchschnittseigenschaft,
wenn alle endlichen Durchschnitte von Mengen aus S nichtleer sind.
Eine Teilmenge F von P(X) heißt Filter, wenn gilt:
◦ ∅∈
/F
◦ A, B ∈ F ⇒ A ∩ B ∈ F
◦ A ∈ F, B ⊃ A ⇒ B ∈ F.
Die Menge aller Umgebungen eines Punktes x ∈ X bilden einen Filter, den
Umgebungsfilter von x.
Eine Teilmenge B von P(X) für die gilt:
3
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
◦ ∅∈
/B
◦ U, V ∈ B ⇒ ∃W ∈ B mit W ⊆ U ∩ V
heißt Filterbasis. Die Menge aller Obermengen von Mengen aus einer Filterbasis B bilden einen Filter. Man nennt dann B eine Filterbasis dieses
Filters.
Eine Filterbasis des Umgebungsfilters eines Punktes x heißt Umgebungsbasis von x.
Ist ein Filter F 0 Teilmenge eines Filters F, so heißt F 0 gröber als F resp.
F feiner als F 0 .
Ein Filter der feiner als der Umgebungsfilter eines Punktes x ist heißt konvergent gegen x.
Die Menge B aller Filter in X, die F enthalten ist unter Mengeninklusion teilgeordnet. Für eine totalgeordnete Familie Aj , j ∈ J in B ist auch
∪j∈J Aj ein Filter. ∪j∈J Aj ist also eine obere Schranke der Filter Aj , j ∈ J .
Nach dem Lemma von Zorn existiert damit ein maximales Element in B.
Ein Filter der maximal in diesem Sinn ist, zu dem es also keinen echt feineren
Filter gibt heißt Ultrafilter. Es gilt also:
Satz 1.1.3 Jeder Filter kann zu einem Ultrafilter verfeinert werden.
Ist (xn )n∈N eine Folge in X, so ist Fn := {xi : i ≥ n} Filterbasis eines
Filters F. Dieser konvergiert genau dann gegen x0 , wenn die Folge (xn )n∈N
gegen x0 konvergiert (siehe Übung). Die Konvergenz von Folgen lässt sich
problemlos auf topologischen Räumen definieren, d.h. eine Folge (xn )n∈N
heißt konvergent gegen x0 , wenn es für jede Umgebung U von x0 ein N ∈
N mit xn ∈ U ∀n ≥ N gibt. Definiert man aber einen Stetigkeitsbegriff
wie auf metrischen Räumen über konvergente Folgen, so stellt sich diese
„Folgenstetigkeit“ in nicht metrisierbaren Räumen, also in topologischen
Räumen deren Topologie von keiner Metrik induziert wird als zu schwach
heraus. Eine „richtige“ Definition beruht darauf von Folgen auf Filter oder
Netze überzugehen (siehe Satz 1.2.2).
Ein topologischer Raum X heißt Hausdorffraum (oder er erfüllt das 2.
Trennungsaxiom T2), wenn es für x 6= y ∈ X disjunkte Umgebungen von x
resp. y gibt.
1.2 Stetige Abbildungen
Eine Abbildung f eines topologischen Raumes (X, T ) in einen topologischen
Raum (Y, T 0 ) heißt stetig in x ∈ X, wenn die Urbilder f −1 (U ) von Umgebungen U von f (x) Umgebungen von x sind. Da eine Obermenge einer
4
1.2. STETIGE ABBILDUNGEN
Umgebung wieder eine Umgebung ist, folgt, dass f in x stetig ist, wenn
die Mengen f −1 (U ) Umgebungen von x sind für alle Mengen U aus einer
Umgebungsbasis von f (x).
f heißt stetig wenn f für alle x ∈ X stetig ist.
Satz 1.2.1 Für eine Abbildung f : (X, T ) → (X 0 , T 0 ) sind äquivalent:
i) f ist stetig
ii) Für eine Subbasis S 0 von T 0 gilt f −1 (A0 ) ∈ T für alle A0 ∈ S 0
iii) Das Urbild T 0 -offener Mengen ist T -offen
iv) Das Urbild T 0 -abgeschlossener Mengen ist T -abgeschlossen
v) Für jede Teilmenge A von X gilt: f (Ā) ⊆ f (A).
Beweis: i) ⇒ iii) Für O0 ∈ T 0 ist f −1 (O0 ) ∈ T zu zeigen. Sei x ∈ f −1 (O0 ).
Da O0 offen ist und f (x) enthält ist O0 eine Umgebung von f (x). Wegen der
Stetigkeit von f in x ist damit f −1 (O0 ) eine Umgebung von x, also ist x ein
innerer Punkt von f −1 (O0 ). f −1 (O0 ) besteht also aus inneren Punkten und
ist demnach offen.
iii) ⇒ i) Ist U 0 Umgebung von f (x), so gibt es eine offene Teilmenge O0
von f (x) mit f (x) ∈ O0 ⊆ U 0 . Es folgt x ∈ f −1 (O0 ) ⊆ f −1 (U 0 ). f −1 (O0 )
ist das Urbild einer offenen Menge, also nach Voraussetzung offen, damit ist
f −1 (O0 ) und jede Obermenge von f −1 (O0 ) Umgebung aller in dieser Menge
enthaltenen Punkte, insbes. eine Umgebung von x.
iii) ⇒ ii) ist klar, da S 0 ⊆ T 0 gilt.
ii) ⇒ iii) Wegen f −1 (A0 ∩ B 0 ) = f −1 (A0 ) ∩ f −1 (B 0 ) ist das Urbild von endlichen Durchschnitten von Mengen aus S 0 ebenfalls in T . Diese endlichen
Durchschnitte von Elementen der Subbasis bilden die von S 0 erzeugte Basis
B 0 . Wegen der Verträglichkeit der Urbildbildung mit der Bildung von Vereinigungen: f −1 (∪i A0i ) = ∪i f −1 (A0i ) folgt, dass auch die beliebige Vereinigung
von Mengen aus B 0 ein Urbild in T hat. Diese Vereinigungen Erzeugen aber
T 0.
{
iii) ⇔ iv) Sieht man unmittelbar wegen f −1 (A{ ) = (f −1 (A)) .
iv) ⇒ v) f −1 (f (A)) ist nach Voraussetzung abgeschlossen. Diese Menge enthält offensichtlich A und ist damit eine abgeschlossene Obermenge der kleinsten abgeschlossenen Obermenge Ā von A. Es folgt f (Ā) ⊆ f (f −1 (f (A)) ⊆
f (A).
v) ⇒ iv) Es gilt für eine Teilmenge A0 von X 0 nach Voraussetzung:
f (f −1 (A0 )) ⊆ f (f −1 (A0 )) ⊆ Ā0 .
Ist A0 abgeschlossen, also für A0 = Ā0 folgt:
f −1 (A0 ) ⊆ f −1 (f (f −1 (A0 ))) ⊆ f −1 (A0 ),
5
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
und man sieht, dass f −1 (A0 ) für abgeschlossene Mengen A0 abgeschlossen ist.
In metrischen Räumen gilt bekanntlich, dass eine Funktion f genau dann
in einem Punkt x stetig ist, wenn aus xn → x0 folgt f (xn ) → f (x0 ). Dieses
Kriterium gilt nicht in allen topologischen Räumen. Mithilfe von Filtern
(oder Netzen) kann eine entsprechende Charakterisierung gegeben werden:
Satz 1.2.2 Eine Abbildung f von (X, T ) nach (X 0 , T 0 ) ist in x ∈ X genau
dann stetig, wenn für jeden gegen x konvergenten Filter F sein Bild f (F) =
{f (F ) : F ∈ F} Filterbasis eines gegen f (x) konvergenten Filters ist.
Beweis: Sei f in x stetig und konvergiere F gegen x. Sei U 0 eine Umgebung
von f (x). Wegen der Stetigkeit von f ist f −1 (U 0 ) eine Umgebung von x.
Nach Voraussetzung gibt es F ∈ F mit F ⊆ f −1 (U 0 ). Damit gilt f (F ) ⊆
f (f −1 (U 0 )) ⊆ U 0 . Also konvergiert der von der Filterbasis f (F) erzeugte
Filter gegen f (x).
Ist umgekehrt das Bild jedes gegen x konvergenten Filters Filterbasis eines
gegen f (x) konvergenten Filters, so ist auch das Bild des Umgebungsfilters
von x Filterbasis eines gegen f (x) konvergenten Filters. Für jede Umgebung
U 0 von f (x) gibt es demnach ein V aus dem Umgebungsfilter von x mit
f (V ) ⊆ U 0 . Es folgt
V ⊆ f −1 (f (V )) ⊆ f −1 (U 0 ),
also ist f −1 (U 0 ) eine Umgebung von x und f somit stetig in x.
Proposition 1.2.3 Die Zusammensetzung stetiger Funktionen ist stetig.
Beweis: Dies folgt unmittelbar etwa aus Satz 1.2.1 iii).
Proposition 1.2.4 Ist (fn )n∈N eine Folge stetiger Funktionen eines topologischen Raumes (X, T ) in einen metrischen Raum (Y, d), die gleichmäßig
gegen eine Funktion f konvergiert, so ist f stetig.
Beweis: Aus der Dreiecksungleichung folgt
d(f (x), f (x0 )) ≤ d(f (x), fn (x)) + d(fn (x), fn (x0 )) + d(fn (x0 ), f (x0 )).
Für > 0 und hinreichend großes n gilt d(f (z), fn (z)) < /3 für z ∈ X.
Wegen der Stetigkeit von fn in x0 gibt es eine Umgebung U von x0 mit
d(fn (x), fn (x0 )) < /3 für alle x ∈ U . Damit folgt d(f (x), f (x0 )) < für
x ∈ U , also die Stetigkeit von f in x0 .
Auf topologischen Räumen kann die Konvergenz von Folgen wie in metrischen Räumen definiert werden: Eine Folge (xn )n∈N in einem topologischen
6
1.2. STETIGE ABBILDUNGEN
Raum (X, T ) heißt konvergent gegen x ∈ X, wenn es für jede Umgebung U von x ein n0 ∈ N mit xn ∈ U für n ≥ n0 gibt. Eine Funktion
f : (X, T ) → (Y, T 0 ) heißt folgenstetig, wenn für jede Folge (xn )n∈N in X,
die gegen x ∈ X konvergiert die Folge (f (xn ))n∈N gegen f (x) konvergiert.
Es gilt
Satz 1.2.5 Jede stetige Funktion f : (X, T ) → (Y, T 0 ) ist folgenstetig. Hat
jedes Element von X eine abzählbare Umgebungsbasis, was z.B. in metrischen
Räumen immer der Fall ist, so sind folgenstetige Funktionen stetig.
Beweis: Ist f stetig in x, (xn ) eine gegen x ∈ X konvergente Folge in X
und U eine Umgebung von f (x), so ist f −1 (U ) eine Umgebung von x. Wegen
der Konvergenz der Folge gegen x gibt es ein n0 ∈ N mit xn ∈ f −1 (U ) für
n ≥ n0 . Also gilt f (xn ) ∈ U für n ≥ n0 und f (xn ) konvergiert gegen f (x).
Ist f in einem Punkt x ∈ X mit abzählbarer Umgebungsbasis (Vi ) unstetig,
dann gibt es eine Umgebung U von f (x), deren Urbild f −1 (U ) keine Umgebung von x ist. Für n ∈ N ist dann auch das Bild der Umgebung ∩i≤n Vi von
x unter f keine Teilmenge von U und wir können ein xn ∈ ∩i≤n Vi \ f −1 (U )
finden. Die so konstruierte Folge (xn ) konvergiert gegen x, denn jede Umgebung V von x enthält Vi für ein geeignetes i, da (Vi ) eine Umgebungsbasis ist.
Für n ≥ i gilt damit xn ∈ Vi ⊆ V . Da nach Konstruktion aber für kein n das
Bild f (xn ) in der Umgebung U von f (x) liegt, konvergiert f (xn ) nicht gegen
f (x). Damit folgt aus Folgenstetigkeit in Räumen mit abzählbarer Basis die
Stetigkeit.
Dieser Beweis kann auf Räume ohne abzählbarer Basis übertragen werden,
wenn statt Folgen Netze verwendet werden. Dabei wird statt den natürlichen Zahlen eine gerichtete Indexmenge (I, ) verwendet, das ist eine
Menge I mit einer Relation , die transitiv (a b ∧ b c ⇒ a c) und reflexiv (a a ∀a ∈ I) ist und noch folgender Bedingung genügt: Für a, b ∈ I
gibt es c ∈ I mit a c ∧ b c. Definiert man Konvergenz von Netzen durch
die Relation , d.h. ein Netz (xi )i∈I in X konvergiert gegen x ∈ X, wenn es
für jede Umgebung V von x ein i0 ∈ I gibt mit xi ∈ V ∀i mit i0 i und ersetzt in obigem Beweis die Folge (xn )n∈N für eine Umgebungsbasis Vi , i ∈ I
durch ein Netz (xi )i∈I mit der Relation i j für xi ∈ Vi , xj ∈ Vj , Vj ⊆ Vi , so
ist gezeigt: Für beliebige topologische Räume ist die Stetigkeit einer Funktion f äquivalent zu der Bedingung: Für ein gegen x konvergentes Netz (xi )i∈I
konvergiert das Netz (f (xi ))i∈I gegen f (x).
Das folgende Beispiel zeigt, dass im Allgemeinen aus Folgenstetigkeit nicht
Stetigkeit folgt.
Beispiel 1.2.6 Sei [0, 1] versehen mit der Topologie T : Eine Teilmenge von
[0, 1] ist offen, wenn sie leer ist oder abzählbares Komplement in [0, 1] hat. In
7
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
diesem Raum sind nur fastkonstante Folgen (xn ) gegen x ∈ [0, 1] konvergent,
das sind Folgen für die gilt xn = x für ein n > n0 (man betrachte die
Umgebung [0, 1] \ {xn : n ∈ N, xn 6= x} von x). Für jede fastkonstante Folge
(xn )n∈N konvergiert klarerweise für jedes f die Folge (f (xn ))n∈N gegen f (x),
also ist für ([0, 1], T ) jede Abbildung f in einen toplogischen Raum (Y, T 0 )
folgenstetig. Die kanonische Abbildung von ([0, 1], T ) nach [0, 1] versehen mit
der natürlichen Topologie ist aber unstetig (f −1 (a, b) = (a, b), aber (a, b) ist
nur für a = 0, b = 1 in T ).
1.3 Initiale und finale Topologien
Sei X eine Menge und fi , i ∈ I eine Familie von Abbildungen von X in
topologische Räume (Yi , Ti ). Die Menge aller Topologien auf X unter der
alle fi stetig sind ist nichtleer, da unter der diskreten Topologie T = P(X)
alle Abbildungen stetig sind. Man verifiziert unmittelbar, dass der beliebige
Durchschnitt von Topologien auf X wieder eine Topologie ist. Der Durchschnitt aller Topologien auf X unter denen alle Abbildungen fi stetig sind
ist also die gröbste Topologie T auf X unter der alle Abbildungen fi stetig
von (X, T ) nach (Yi , Ti ) sind. Diese Topologie heißt initiale Topologie.
Die Abbildungen fi sind genau dann stetig von (X, T ) nach (Yi , Ti ), wenn
für alle i fi−1 (Ti ) ⊆ T gilt. Die initiale Topologie ist demnach genau die von
der Subbasis {fi−1 (O) : i ∈ I, O ∈ Ti } erzeugte Topologie.
Für die Überprüfung der Stetigkeit einer Abbildung f eines topologischen
Raumes in einen Raum versehen mit einer Initialtopologie ist folgendes Kriterium eine wesentliche Vereinfachung:
Proposition 1.3.1 Eine Abbildung f eines topologischen Raumes (Z, T 0 )
in einen mit der durch die Abbildungen fi : X → (Yi , Ti ) induzierten Initialtopologie ist genau dann stetig, wenn alle Abbildungen fi ◦ f stetig von
(Z, T 0 ) nach (Yi , Ti ) sind.
Beweis: Ist f stetig, so sind auch die Zusammensetzungen fi ◦ f stetiger
Funktionen nach Proposition 1.2.3 stetig. Die Bedingung ist also notwendig.
Sind alle Abbildungen fi ◦ f stetig und ist O eine offene Menge in (Yi , Ti ),
so sind die Urbilder fi−1 (O) für O ∈ Ti offen in (Z, T 0 ). Da die Mengen
fi−1 (O), i ∈ I, O ∈ Ti eine Subbasis der Initialtopolgie bilden folgt mit Satz
1.2.1, dass f stetig ist.
Wichtige Beispiele für Initialtopolgien sind:
Beispiel 1.3.2 Sei (X, T ) ein topologischer Raum und Y ⊆ X. Dann ist die
durch die kanonische Einbettungsabbildung ι : Y → X induzierte Initialto-
8
1.3. INITIALE UND FINALE TOPOLOGIEN
pologie die Spurtopologie oder Relativtopologie auf Y . Da diese Initialtopologie von einer einzigen Abbildung induziert wird und die Urbildbildung
ι−1 verträglich mit der Bildung von Vereinigungen und Durchschnitten sind,
ist die Subbasis ι−1 (O), O offen in T bereits eine Topologie. Es gilt also:
Eine Teilmenge A von Y ist genau dann offen in der Spurtopologie, wenn es
eine in X offene Menge O mit A = ι−1 (O) = O ∩ Y gibt.
Beispiel 1.3.3 Ist I eine Indexmenge und seien für i ∈ I Mengen Xi gegeben. Dann nennt man die Menge der Abbildungen x : I → ∪i∈I Xi , die
Q
x(i) ∈ Xi erfüllen den Produktraum i∈I Xi . Für x(i) schreiben wir xi und
Q
für i ∈ I heißt die Abbildung πi : i∈I Xi → Xi , x 7→ xi i-te kanonische
Projektion. Sind (Xi , Ti ) topologische Räume, so ist die ProdukttopoloQ
gie die durch die kanonischen Projektionen πi :
i∈I Xi → (Xi , Ti ) induQ
zierte Initialtopologie auf Xi . Eine Subbasis der Produkttopologie besteht
also aus den Mengen πi−1 (O), i ∈ I, O ∈ Ti , eine Basis der Produkttopologie aus den Mengen ∩i∈E π −1 (Oi ), wobei E eine endliche Teilmenge von I ist,
Q
und Oi ∈ Ti für i ∈ E gilt. Diese Mengen sind genau die Mengen i∈I Oi ,
mit Oi ∈ Ti ∀i ∈ I und Oi = Xi für alle i ∈ I \ E, mit E ⊆ I, E endlich.
Sind insbesondere alle Mengen Xi gleich einem Raum X, so ist der Produktraum mit der Produkttopologie der Raum aller Funktionen von I nach
X versehen mit der Topologie der punktweisen Konvergenz. In dieser
Topologie konvergiert eine Folge (fn )n von Funktionen fn : I → X genau
dann wenn die Folge (fn (i))n für alle i ∈ I konvergiert.
Beispiel 1.3.4 Eine Gruppe (G, ·, e) heißt topologische Gruppe, wenn
die Abbildungen
i) ϕ1 : G × G → G, (x, y) 7→ xy, wobei G × G mit der Produkttopologie
versehen ist
ii) ϕ2 : G → G, y 7→ y −1
stetig sind. Wir behaupten i) und ii) sind äquivalent zu der Forderung
iii) ϕ3 : G × G → G, (x, y) 7→ xy −1 ist stetig.
Es gelte i) und ii). ϕ3 kann als Zusammensetung der Abbildungen (x, y) 7→
(x, y −1 ) 7→ xy −1 dargestellt werden. ϕ3 ist also nach Proposition 1.2.3 stetig,
wenn die Abbildungen (x, y) 7→ (x, y −1 ) und (x, z) 7→ xz stetig sind. Die
Stetigkeit der zweiten Abbildung ist gerade i). Die Abbildung ζ : (x, y) →
(x, y −1 ) ist nach Proposition 1.3.1 genau dann stetig, wenn pr1 ◦ ζ und pr2 ◦ ζ
stetig sind. pr1 ◦ ζ ist aber pr1 und damit stetig auf dem Produktraum
G × G (die Produkttopologie ist ja gerade die gröbste Topologie unter der
alle Projektionen stetig sind). pr2 ◦ ζ ist die Abbildung (x, y) 7→ y −1 . Diese
ist ϕ2 ◦ pr2 , und somit als Zusammensetzung der stetigen Abbildungen pr2
und ϕ2 stetig. Also folgt aus i) und ii) die Aussage iii).
9
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Gilt iii), so schreiben wir ϕ2 = ϕ3 ◦ ψ mit Ψ : G → G × G, ψ(y) = (e, y).
ϕ3 ist nach Voraussetzung stetig, die Stetigkeit von ψ folgt mit Proposition
1.3.1 aus der von pr1 ◦ ψ : x 7→ e und der von pr2 ◦ ψ : y 7→ y, denn
konstante Abbildungen und die Identität sind in jedem topologischen Raum
stetig. Aus iii) folgt also ii).
ϕ1 = ϕ3 ◦ θ mit θ : G × G → G × G, (x, y) = (x, y −1 ). Hier folgt die
Stetigkeit von θ aus Proposition 1.3.1 wegen der Stetigkeit von pr1 ◦ θ = pr1
und pr2 ◦ θ = ϕ2 ◦ pr2 . Aus iii) folgt also ii) und aus iii) und ii) folgt i), also
impliziert iii) die Aussagen i) und ii).
Sind fi , i ∈ I Abbildungen von topologischen Räumen (Yi , Ti ) in eine Menge
X, so kann eine Menge O nur dann in einer Topologie auf X liegen bezüglich
der die Abbildung fi stetig ist, wenn fi−1 (O) ∈ Ti für alle i gilt. Wegen der
Verträglichkeit der Bildung des Urbildes mit der Bildung von Vereinigungen
oder Durchschnitten:
f −1 (∩j Aj ) = ∩j f −1 (Aj )
und f −1 (∪j Aj ) = ∪j f −1 (Aj )
ist für i ∈ I die Teilmenge Ti0 := {O ⊂ X : fi−1 (O) ∈ Ti } von P(X)
eine Topologie auf X, und damit die feinste Topologie auf X für die die
Abbildung fi stetig ist.
Der Durchschnitt von Topologien auf einem Raum X ist, wie man unmittelbar verifiziert, immer eine Topologie auf X. Der Durchschnitt der Topologien ∩i∈I Ti0 ist dann die feinste Topologie T auf X für die alle Abbildungen
fi : (Yi , Ti ) → (X, T ) stetig sind. Diese Topologie heißt finale Topologie.
Eine Teilmenge O von X ist demnach genau dann offen in X bezüglich der
Finaltopologie, wenn f −1 (O) ∈ Ti für alle i ∈ I gilt.
Es gilt in Analogie zu Satz 1.3.1:
Proposition 1.3.5 Eine Abbildung f von einem mit der durch Abbildungen
fi : (Yi , Ti ) → X induzierten Finaltopologie versehenen Raum X in einen
topologischen Raum (Z, T 0 ) ist genau dann stetig, wenn alle Abbildungen
f ◦ fi stetig von (Yi , Ti ) nach (Z, T 0 ) sind.
Beweis: Ist f stetig, so auch f ◦ fi als Zusammensetzung stetiger Abbildungen.
Ist f ◦fi für alle i ∈ I stetig und O ∈ T 0 , so gilt für die Teilmenge f −1 (O) von
X: fi−1 (f −1 (O)) ∈ Ti . Damit ist f −1 (O) aber nach unserer Konstruktion der
Finaltopologie offen in der Finaltopologie, womit das Urbild von Mengen in
T 0 unter f −1 offen in der Finaltopologie ist, was aber bedeutet dass f stetig
ist.
10
1.4. KOMPAKTE MENGEN
Beispiel 1.3.6 Ist (Y, T ) ein topologischer Raum und R eine Äquivalenzrelation auf Y . Dann ist die Quotiententopologie auf Y /R die durch die
kanonische Abbildung y → [y] von Y auf Y /R induzierte Finaltopologie.
Eine Teilmenge U von Y /R ist also genau dann offen in der Quotiententopologie wenn die Vereinigung ihrer Elemente – aufgefasst als Teilmengen von
Y – offen in Y ist.
1.4 Kompakte Mengen
Eine Teilmenge K eines topologischen Raumes (X, T ) heißt kompakt, wenn
es für jede Überdeckung von K durch Mengen aus T eine endliche Teilüberdeckung gibt, d.h. wenn jede offene Überdeckung eine endliche Teilüberdeckung besitzt. Kommt diese Eigenschaft der Menge X zu, so nennen wir den
topologischen Raum (X, T ) kompakt. Eine Teilmenge von X heißt relativ
kompakt, wenn ihr Abschluss kompakt ist.
Proposition 1.4.1 Eine Teilmenge K eines topologischen Raumes (X, T )
ist genau dann kompakt, wenn sie versehen mit der Spurtopologie ein kompakter Raum ist.
Beweis: In der Spurtopologie auf K sind genau die Schnitte von Mengen aus
T mit K offen. Jeder offenen Überdeckung von K in (X, T ) entspricht also
eine Überdeckung von K durch Teilmengen von K die offen in der Spurtopologie sind. Umgekehrt geht jede in der Spurtopologie offene Überdeckung
von K durch Schnitte einer T -offenen Überdeckung mit K hervor. Die Forderung dass eine in der Spurtopologie offene Überdeckung immer eine endliche
Teilüberdeckung enthält ist also äquivalent zur Forderung, dass jede Überdeckung durch Mengen aus T immer eine endliche Teilüberdeckung enthält.
Ein Punkt x eines topologischen Raumes (X, T ) heißt Berührungspunkt
(auch Häufungspunkt) eines Filters F auf X, wenn jede Umgebung von x
mit jeder Menge des Filters F nichtleeren Durchschnitt hat.
Satz 1.4.2 Für einen topologischen Raum (X, T ) sind äquivalent:
i) (X, T ) ist kompakt
ii) Für jede Familie (Ai )i∈I abgeschlossener Teilmengen von X mit der
endlichen Durchschnittseigenschaft gilt ∩i∈I Ai 6= ∅
iii) Jeder Filter in X hat einen Berührungspunkt in X
iv) Jeder Ultrafiter in X ist konvergent
11
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Beweis: Geht man von der Definition kompakter Mengen durch Komplementbildung zur dualen Aussage über, so erhält man: In jeder Familie abgeschlossener Teilmengen von X mit leerem Durchschnitt gibt es endlich viele
Elemente die bereits leeren Durchschnitt haben. Diese Aussage ist offenbar
äquivalent zu ii).
Ist F ein Filter ohne Berührungspunkt, so gibt es zu jedem x ∈ X eine offene
Umgebung Ux von x und ein Fx ∈ F mit Ux ∩ Fx = ∅ ⇔ Ux{ ⊇ Fx . Es folgt
∩i≤n Ux{i ⊇ ∩i≤n Fxi 6= ∅. (Ux{ ) x∈X ist also ein System abgeschlossener Mengen
mit der endlichen Durchschnittseigenschaft. Aber ∩x∈X Ux{ = ∅, wegen x ∈
/
{
Ux . Aus ii) folgt also iii).
Ist (Ai )i∈I ein System abgeschlossener Mengen in X mit der endlichen Durchschnittseigenschaft, so bilden diese Mengen eine Filterbasis eines Filters F
in X. Für einen Berührungspunkt x von F gilt Ai ∩ U 6= ∅ ∀i ∈ I und U
aus dem Umgebungsfilter von x. Damit liegt x in Āi = Ai ∀i ∈ I. Aus iii)
folgt also ii).
Sei F ein Ultrafilter und x ein Berührungspunkt von F. Da F ∩U 6= ∅ für jede
Umgebung U von x und F ∈ F gilt, folgt dass die Mengen U ∩F, F ∈ F eine
Filterbasis bilden. Der von dieser Filterbasis erzeugte Filter enthält zu jeder
Menge F ∈ F die Teilmenge F ∩ U und damit F . Wegen der Maximalität
von F kann der von dieser Filterbasis erzeugte Filter nicht echt feiner als F
sein, woraus folgt U ∈ F für alle Umgebungen U von x, d.h. F konvergiert
gegen x und aus iii) folgt iv).
Ist F ein Filter in X und sei F0 ein feinerer Ultrafilter. Wenn dieser gegen x
konvergiert gilt für alle Umgebungen U von x: U ∈ F0 und damit U ∩ F 6=
∅ ∀F ∈ F0 , insbesondere U ∩ F 6= ∅ ∀F ∈ F. Aus iv) folgt also iii).
Satz 1.4.3 Das Bild einer kompakten Menge unter einer stetigen Abbildung
ist kompakt.
Beweis: Sei f (K) ⊆ ∪i∈I Oi eine Überdeckung des Bildes der kompakten
Menge K unter der stetigen Abbildung f durch offene Mengen. Dann bilden
die Mengen f −1 (Oi ) wegen der Stetigkeit von f eine offene Überdeckung von
K, die nach Voraussetzung eine endliche Teilüberdeckung f −1 (Oi1 ), . . . f −1 (OiN )
besitzt. Es folgt
n
−1
∪N
(Oil )) = f (∪nl=1 f −1 (Oil )) ⊇ f (K).
l=1 Oil ⊇ ∪l=1 f (f
Satz 1.4.4 Eine abgeschlossene Teilmenge eines kompakten Raumes ist kompakt. Eine kompakte Teilmenge eines Hausdorffraumes ist abgeschlossen.
12
1.4. KOMPAKTE MENGEN
Beweis: Ist A abgeschlossene Teilmenge von (K, T ), K kompakt und {Oi :
i ∈ I} eine offene Überdeckung von A. Dann ist {Oi : i ∈ I} ∪ {A{ } eine
offene Überdeckung von K, die eine endliche Teilüberdeckung hat. Diese
Mengen ohne der Menge A{ sind dann eine endliche Teilüberdeckung von
K \ A{ = A.
Sei x ∈
/ K, K eine kompakte Teilmenge des Hausdorffraumes X. Dann gibt
es für alle y ∈ K disjunkte offene Umgebungen Uy von x und Vy von y. Da K
kompakt ist wird K von endlich vielen Mengen Vy1 , . . . , Vyn überdeckt. Dann
ist ∩ni=1 Uyi eine Umgebung von x, die disjunkt zu ∪ni=1 Vyi und damit auch
disjunkt zur Teilmenge K ist. x liegt also im Inneren des Komplementes von
K und demnach nicht in K̄. Es folgt K = K̄.
Unmittelbar aus der Definition kompakter Mengen bzw. Proposition 1.4.4
folgt:
Proposition 1.4.5 Die endliche Vereinigung kompakter Teilmengen eines
topologischen Raumes ist kompakt. Der Durchschnitt kompakter Teilmengen
eines Hausdorffraumes ist kompakt.
Eine stetige bijektive Abbildung f zwischen topologischen Räumen für die
auch f −1 stetig ist heißt Homöomorphismus.
Satz 1.4.6 Jede stetige Bijektion einer kompakten Menge auf einen Hausdorffraum ist ein Homöomorphismus.
Beweis: Sei f die stetige Bijektion. Da nach Proposition 1.4.4 abgeschlossene Teilmengen eines kompakten Raumes kompakt sind, und das stetige
Bild kompakter Mengen nach Proposition 1.4.3 kompakt sind, ist f (A) für
abgeschlossene Teilmengen A kompakt und nach Proposition 1.4.4 auch abgeschlossen. f bildet also abgeschlossene Mengen auf abgeschlossene Mengen
ab, womit die Umkehrabbildung f −1 nach Proposition 1.2.1 stetig ist.
Ist das Produkt i∈I Xi topologischer Räume (Xi , Ti ) kompakt unter der
Produkttopologie, so sind alle Räume (Xi , Ti ) kompakt als Bilder des kompakten Produktraumes unter den stetigen Projektionsabbildungen. Es gilt
aber auch die Umkehrung dieser Aussage:
Q
Satz 1.4.7 (Tichonow) Sind (Xi , Ti ) für i ∈ I kompakte Räume so ist
Q
X := i∈I Xi mit der Produkttopologie kompakt.
Beweis: Wegen Satz 1.4.2 genügt es zu zeigen, dass jeder Ultrafilter F in
X konvergiert.
Für alle i ∈ I bilden die Bilder der Elemente von F unter der Projektionsabbildung πi (wegen f (A ∩ B) ⊆ f (A) ∩ f (B) für jede Abbildung f ) eine
13
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Filterbasis in Xi . Sei Fi der von dieser Filterbasis erzeugte Filter auf Xi . Da
Xi kompakt ist folgt mit Satz 1.4.2, dass Fi einen Berührungspunkt xi hat.
Wir wählen x ∈ X mit πi (x) = xi ∀i ∈ I.
Sei F ∈ F, i ∈ I und Ui eine Umgebung von xi in Xi . Da xi Berührungspunkt
von Fi ist folgt πi (F ) ∩ Ui 6= ∅ und damit πi−1 (Ui ) ∩ F 6= ∅. {πi−1 (Ui ) ∩
F : F ∈ F} ist also eine Filterbasis in X. Aufgrund der Maximalität des
Ultrafilters F müssen die Mengen πi−1 (Ui ) in F enthalten sein. Wegen der
Stabilität eines Filters unter der Bildung endlicher Durchschnitte folgt, dass
alle Mengen ∩i∈E πi−1 (Ui ) für endliche Teilmengen E von I und Umgebungen
Ui von πi (x) in F liegen. Diese Mengen bilden eine Umgebungsbasis von x
in der Produkttopologie, woraus folgt dass F gegen x konvergiert.
Eine Teilmenge eines metrischen Raumes heißt totalbeschränkt oder präkompakt, wenn sie für alle > 0 eine Überdeckung durch endlich viele Kugeln ermöglicht. Da für A ⊃ B und eine -Überdeckung (B(xi , )i≤N mit
xi ∈ A für jede Wahl von yi ∈ B(xi , ) ∩ B für B(xi , ) ∩ B 6= ∅ (B(yi , 2)i
eine 2-Überdeckung von B ist sieht man, dass Teilmengen totalbeschränkter
Mengen totalbeschränkt sind.
Da im Rn genau die beschränkten Mengen totalbeschränkt sind ist der folgende Satz eine Verallgemeinerung des Satzes von Heine-Borel:
Satz 1.4.8 In einem vollständigen metrischen Raum ist eine Teilmenge genau dann kompakt, wenn sie abgeschlossen und totalbeschränkt ist.
Beweis: Ist eine Menge kompakt, so ist sie klarerweise totalbeschränkt und
nach Satz 1.4.4 abgeschlossen (auch in nicht vollständigen metrischen Räumen).
Da abgeschlossene Teilmengen eines vollständigen Raumes vollständig und
Teilmengen einer totalbeschränkten Menge totalbeschränkt sind genügt es
wegen Proposition 1.4.1 zu zeigen, dass ein totalbeschränkter vollständiger
Raum K kompakt ist.
Hierfür zeigen wir zuerst, dass es für ρ > 0 und eine Teilmenge A eines
totalbeschränkten Raumes, die mit allen Mengen eines Filters F nichtleeren
Schnitt hat, eine Teilmenge B von A mit diam(B) < ρ gibt, die ebenfalls
mit allen Mengen von F nichtleeren Schnitt hat. Wir wählen eine endliche
Überdeckung von A durch Kugeln B1 , . . . , BN mit Radius r < ρ. Hätte
keine der Mengen Bi ∩ A mit allen Mengen aus F nichtleeren Schnitt, gäbe
es Mengen F1 , . . . , FN aus F mit Fi ∩ (Bi ∩ A) = ∅, woraus (∩i≤N Fi ) ∩ (A ∩
∪i≤N Bi ) = ∅ folgt. Da aber mit Fi auch ∩i≤N Fi ) in F ist, kann diese Menge
nicht leeren Schnitt mit A ⊆ ∪i≤N Bi haben. Wir können also für B eine der
Mengen Bi ∩ A, i = 1, . . . , N nehmen.
Wir zeigen, dass K kompakt ist mit Satz 1.4.2, indem wir zeigen dass jeder
Filter F auf K einen Berührungspunkt hat. Aufgrund obiger Überlegung
14
1.4. KOMPAKTE MENGEN
können wir eine Folge K ⊇ A1 ⊇ A2 ⊇ · · · von Teilmenge Ai finden, die
diam(Ai ) < 1/i erfüllen und mit allen Mengen von F nichtleeren Schnitt
haben. Jede Folge (xi ) mit xi ∈ Ai ist dann eine Cauchyfolge, die wegen
der Vollständigkeit von K gegen ein x0 ∈ K konvergiert. Wegen Aj ⊆ Ai
für j ≥ i folgt xj ∈ Āi für j ≥ i und damit x0 ∈ ∩i Āi . Für > 0 gilt
Āi ⊆ B(x0 , ) für 1/i < und damit hat B(x0 , ) nichtleeren Schnitt mit
allen F ∈ F. x0 ist also Berührungspunkt von F.
In metrischen Räumen lassen sich kompakte Mengen durch die Existenz konvergenter Teilfolgen charakterisieren. Dies kann häufig für Existenzbeweise
verwendet werden. Ein typisches Beispiel ist Proposition 7.2.1. Ein Punkt
x0 eines topologischen Raumes heißt Häufungspunkt einer Folge, wenn in
jeder Umgebung von x0 unendlich viele Folgeglieder liegen.
Satz 1.4.9 In einem metrischen Raum (X, d) und K ⊆ X sind äquivalent:
i) K ist kompakt
ii) Jede Folge in K hat einen Häufungspunkt in K
iii) Jede Folge in K hat eine in K konvergente Teilfolge
Beweis: i) ⇒ ii): Die Mengen Fn := {xn : n ≥ N } bilden eine Filterbasis in X. Der von dieser Filterbasis erzeugte Filter hat nach Satz 1.4.2
einen Berührungspunkt. Da alle Folgenreste Fn in diesem Filter liegen ist
ein Berührungspunkt dieses Filters ein Häufungspunkt der Folge.
ii) ⇒ iii): Ist x0 ein Häufungspunkt der Folge (xn )n∈N , so kann für eine
Nullfolge (an )n∈N induktiv eine Teilfolge (xni )i∈N gewählt werden, die ni <
ni+1 und d(xni , x0 ) < ai erfüllt. Diese Teilfolge konvergiert also gegen x0 .
iii) ⇒ i): Jede Cauchyfolge konvergiert gegen einen etwaigen Grenzwert einer
ihrer Teilfolgen. Damit folgt aus iii) die Vollständigkeit von K. Wäre K nicht
totalbeschränkt gäbe es zu einem > 0 keine endliche Überdeckung durch
-Kugeln, womit wir induktiv eine Folge (xn )n∈N konstruieren können, die
d(xn , xm ) > für alle n 6= m erfüllt, denn wenn ∪ni=1 B(xi , ) nicht ganz K
überdeckt gibt es xn+1 ∈ K \ ∪ni=1 B(xi , ). Aus der Dreiecksungleichung folgt
dann, dass für kein x0 ∈ X d(xn , x0 ) < /2 und d(xm , x0 ) < /2 für n 6= m
gilt und (xn ) hätte keine konvergente Teilfolge. K ist also vollständig und
totalbeschränkt, mit Satz 1.4.8 folgt, dass K kompakt ist.
Bemerkung: In nichtmetrisierbaren Räumen kann eine Menge kompakt
sein ohne irgendeine nichttriviale konvergente Folge zu besitzen. Aus i) folgt
also im Allgemeinen nicht iii).
Der Begriff der gleichmäßigen Stetigkeit kann unmittelbar auf Funktionen auf metrischen Räumen übertragen werden: Eine Funktion f von einem
15
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
metrischen Raum (X, d) in einen metrischen Raum (Y, d0 ) heißt gleichmäßig stetig, wenn es für > 0 ein δ > 0 gibt, sodass d0 (f (x), f (y))| < für
alle x, y ∈ X mit d(x, y) < δ gilt. Wie für stetige Funktionen auf kompakten
Intervallen sieht man:
Satz 1.4.10 Eine stetige Funktion f von einem kompakten metrischen Raum
(K, d) in einen metrischen Raum (X, d0 ) ist gleichmäßig stetig.
Beweis: Wegen der Stetigkeit von f gibt es für > 0 und x ∈ X ein δx > 0
mit d0 (f (x), f (y)) < /2 für d(x, y) < 2δx . Sei K = ∪ni=1 B(xi , δxi ) eine
endliche Überdeckung von K. Für δ := min{δxi : i = 1, . . . , n} und x, y ∈ K
mit d(x, y) < δ folgt: ∃i ≤ n mit x ∈ B(xi , δi ). Aus der Dreiecksungleichung
folgt y ∈ B(xi , 2δi ) und damit
d0 (f (x), f (y)) ≤ d0 (f (x), f (xi )) + d0 (f (xi ), f (y)) < /2 + /2 = .
1.5 Sätze v. Arzelà-Ascoli und Stone-Weierstraß
Wir geben in diesem Abschnitt Bedingungen an eine Teilmenge M von C(K),
K kompakt, die garantieren, dass M topologisch groß, d.h. dicht in C(K)
oder topologisch klein d.h. totalbeschränkt in C(K) ist. C(K) ist dabei immer mit der von der Supremumsnorm induzierten Metrik versehen.
Der folgende Satz gibt ein relativ einfach zu überprüfendes Kriterium für
die Totalbeschränktheit einer Teilmenge der stetigen Funktionen auf einem
kompakten Raum und ermöglicht mit Satz 1.4.8 den Nachweis, dass eine
Menge relativ kompakt ist.
Eine Familie Φ reell-oder komplexwertiger Funktionen auf einer Menge X
heißt punktweise beschränkt, wenn für alle x ∈ X die Menge {|f (x)| :
f ∈ Φ} beschränkt ist. Eine Familie Φ stetiger Funktionen auf einem topologischen Raum X heißt gleichgradig stetig, wenn es für alle x ∈ X
und > 0 eine Umgebung V von x gibt, sodass |f (x) − f (z)| < für alle
z ∈ V und f ∈ Φ gilt. Ist eine Funktionen f stetig, so gibt es offenbar eine
Umgebung von x, die diese Bedingung erfüllt. Die gleichgradige Stetigkeit
besagt dass diese Umgebung simultan für alle f ∈ Φ gewählt werden kann.
Satz 1.5.1 (Arzelà–Ascoli) Auf einer kompakten Menge X ist eine Familie Φ stetiger reell- oder komplexwertiger Funktionen genau dann totalbeschränkt in (C(X), k · k∞ ), wenn sie punktweise beschränkt und gleichgradig
stetig ist.
16
1.5. SÄTZE V. ARZELÀ-ASCOLI UND STONE-WEIERSTRAß
Beweis: Ist Φ totalbeschränkt, so sind die Funktionen aus Φ gleichmäßig
beschränkt und damit punktweise beschränkt. Wählt man für x ∈ X und
> 0 Funktionen gi , i = 1, . . . , n aus Φ, sodass B(gi , /3) eine Überdeckung
von Φ bildet, und für jedes gi eine Umgebung Vi von x für die |gi (x)−gi (z)| <
/3 für z ∈ Vi gilt, so folgt für f ∈ B(gi , /3) und z ∈ Vi :
|f (x) − f (z)| < |f (x) − gi (x)| + |gi (x) − gi (z)| + |gi (z) − f (z)| < .
Wählt man V := ∩ni=1 Vi , so gilt diese Abschätzung für z ∈ V und alle f ∈ Φ,
d.h. Φ ist gleichgradig stetig.
Sei umgekehrt Φ punktweise beschränkt und gleichgradig stetig. Für > 0
sei Vxi , i = 1, . . . , N eine Überdeckung von X, für die |f (xi ) − f (z)| <
/3 ∀z ∈ Vxi für i = 1, . . . , N und f ∈ Φ gilt.
Sei Φ(x) := {f (x) : f ∈ Φ}, dann ist für jedes x ∈ K Φ(x) nach Voraussetzung beschränkt und Φ(x) nach dem Satz von Heine-Borel kompakt. Damit
Q
ist N
i=1 Φ(xi ) nach dem Satz von Tichonow 1.4.7 kompakt. Die Menge P :=
QN
Q
{ i=1 f (xi ) : f ∈ Φ} ist als abgeschlossene Teilmenge der Menge N
i=1 Φ(xi )
QN
nach Satz 1.4.4 kompakt und wird von der Menge ∪f ∈Φ i=1 B(f (xi ), /3)
Q
überdeckt, denn für h ∈
/ ∪f ∈Φ N
i=1 B(f (xi ), /3) folgt, dass die Umgebung
Q
QN
N
i=1 B(h(xi ), /3) disjunkt zu { i=1 f (xi ) : f ∈ Φ} ist, also im Inneren des
Komplementes dieser Menge liegt und damit nicht in P liegt.
Zu der Überdeckung
Q
N
i=1
B(g(xi ), /3)
Q
g∈Φ
von P gibt es demnach eine
N
endliche Teilüberdeckung
i=1 B(gm (xi ), /3) 1≤m≤M , das heißt für alle f ∈
Φ gibt es ein m ≤ M mit |f (xi ) − gm (xi )| ≤ /3 für alle i ≤ N .
Es folgt für z ∈ Vxi und f ∈ Φ:
|f (z) − gm (z)| ≤ |f (z) − f (xi )| + |f (xi ) − gm (xi )| + |gm (xi ) − gm (z)|
< + + = .
3 3 3
Da die Mengen Vxi eine Überdeckung von X bilden, folgt dass |f (z) −
gm (z)| ≤ für alle z ∈ X gilt. Für jedes f ∈ Φ gibt es also mindestens
ein m ≤ M mit kgm − f k∞ < , d.h. die -Kugeln um gm , m = 1, . . . , M
bilden eine endliche Überdeckung von Φ, womit Φ totalbeschränkt ist. Beispiele für gleichgradig stetige Familien von Funktionen auf einem metrischen Raum X sind Hölder-stetige Funktionen, also Funktionen für die es
Konstanten c, γ > 0 mit |f (x) − f (y)| < c|x − y|γ für x, y ∈ X gibt.
Auf dem R- oder C-linearen Raum der reell oder komplexwertigen Funktionen auf einer Menge X wird durch punktweise Multiplikation ein Produkt
erklärt, das bilinear und assoziativ ist. Linearen Räume von Funktionen, die
17
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
abgeschlossen unter dieser Produktbildung sind bezeichnen wir als Algebren von Funktionen.
Da der gleichmäßige Grenzwert stetiger Funktionen auf einem metrischen
Raum nach Proposition 1.2.4 stetig ist, ist C(X; R) bzw C(X; C) versehen
mit der Supremumsnorm kf k∞ = max{|f (x)| x ∈ X} vollständig.
Eine Algebra von Funktionen A heißt punktetrennend, wenn es für x 6=
y, x, y ∈ X ein f ∈ A mit f (x) 6= f (y) gibt.
Satz 1.5.2 (Stone–Weierstraß reell) Ist A eine Algebra stetiger reeller
Funktionen auf einem kompakten Raum X, die punktetrennend ist und die
konstante Funktion 1 enthält, dann liegt A dicht in C(X, R).
Beweis: Da mit A auch der Abschluss von A eine Algebra mit den vorausgesetzten Eigenschaften ist dürfen wir annehmen dass A abgeschlossen ist
und haben A = C(X; R) zu zeigen.
Wir zeigen zunächst, dass die Funktion [−1, 1] → R, z 7→ |z| im Abschluss
der Algebra
A0 der reellen Polynome auf [−1, 1] liegt: Das folgt wegen |z| =
q
√
√
z 2 = 1 − (1 − z 2 ) wenn die Funktion ζ : [0, 1] → R, z 7→ 1 − z gleichmäßig durch ihre Taylorpolynome approximiert werden kann: Das Restglied
des n-ten Taylorpolynoms von ζ um 0 in Integraldarstellung berechnet sich
zu
(z − t)n (n+1)
ζ
(t) dt
n!
0
!Z
z
−1 n − 1/2
=
(z − t)n (1 − t)−n−1/2 dt,
2
n
0
Rn (z) =
Z z
woraus
n
n
Y
1Y
1
k − 1/2 Z 1
|Rn (z)| ≤
(1 − t)−1/2 dt =
1−
2 k=1
k
2k
0
k=1
→0
für n → ∞ gleichmäßig in z ∈ [−1, 1] folgt.
Ist p ein Polynom auf [−1, 1] mit p(t) − |t| ≤ für −1 ≤ t ≤ 1 und f ∈ A,
so ist p
1
f
kf k∞
kf k∞ p
∈ A, da A eine Algebra ist und es folgt:
1
f − |f | ≤ kf k∞ ,
kf k∞
!
mit kf k∞ = sup |f (x)|.
x∈X
Da beliebig war folgt, dass für f ∈ A auch |f | in A0 liegt. Wegen
1
min(f, g) = (f + g − |f − g|),
2
18
1
max(f, g) = (f + g + |f − g|)
2
1.5. SÄTZE V. ARZELÀ-ASCOLI UND STONE-WEIERSTRAß
folgt, dass mit f1 , . . . , fN ∈ A auch min(f1 , . . . , fn ) und max(f1 , . . . , fN ) in
A liegen.
Im nächsten Schritt zeigen wir, dass es für > 0, x ∈ X und ϕ ∈ C(X, R)
ein gx ∈ A gibt, das gx > ϕ auf X und gx (x) < ϕ(x) + erfüllt:
Da A punktetrennend auf X operiert und die konstanten Funktionen enthält,
gibt es für a, b ∈ R und x 6= y ∈ X ein g ∈ A mit g(x) = a und g(y) = b. Also
gibt es für x, y ∈ X ein gx,y ∈ A mit ϕ(x) < gx,y (x) < ϕ(x) + und gx,y (y) >
ϕ(y). Wegen der Stetigkeit dieser Funktionen gibt es eine offene Umgebung
Vy,x von y mit gx,y (z) > ϕ(z) ∀z ∈ Vy,x . Da X kompakt ist finden wir
y1 , . . . , yN ∈ X mit ∪N
i=1 Vyi ,x = X. Die Funktion gx := max(gx,y1 , . . . , gx,yN )
liegt in A und erfüllt gx > ϕ und gx (x) < ϕ(x) + .
Nun gibt es für x ∈ X eine offene Umgebung Wx mit gx (z) < ϕ(z) + für
z ∈ Wx . Wegen X kompakt gibt es x1 , . . . , xN ∈ X mit ∪N
i=1 Wxi = X. Die
Funktion g := min(gx1 , . . . , gxN ) ist in A und erfüllt ϕ < g < ϕ + , also
kg − ϕk∞ < .
Für komplexwertige Funktionen ist dieser Satz in obiger Form nicht richP
n
tig, wie etwa das Bespiel der Algebra der Funktionen N
n=0 an z auf dem
Kompaktum {z ∈ C : |z| = 1} zeigt: Die Funktion m−1 : z 7→ z −1
ist im orthogonalen Komplement aller Funktionen
mn : z 7→ z n , n ∈
R 2π
N0 bezüglich dem Skalarprodukt (f, g) = 0 f (eiϕ )g(eiϕ ) dϕ. Damit gilt
PN
PN
a
m
,
m
)
=
(m
,
m
)
=
2π.
Wegen
km
−
(m
−
n
n
−1
−1
−1
−1
−1
n=0 an mn k2 ≤
n=0
√
PN
2πkm−1 − n=0 an mn k∞ und der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt aber
2π
=
N
X
!
an mn , m−1 ≤ m−1
m−1 −
n=0
N
√ X
an mn km−1 k2
≤ 2π m−1 −
n=0
−
N
X
n=0
an mn km−1 k2
2
∞
und die Funktion m−1 kann demnach nicht im Abschluss der Algebra der
P
n
Funktionne N
n=0 an z liegen. Es gilt aber für komplexwertige Funktionen:
Satz 1.5.3 (Stone–Weierstraß komplex) Eine Unteralgebra der Algebra
C(X, C) mit X kompakt, die punktetrennend ist, die konstante Funktion 1
enthält und mit jeder Funktion f auch ihre komplex konjungierte f¯ enthält
liegt dicht in C(X, C).
Beweis: Unter den getroffenen Voraussetzungen sind sowohl Realteil als
auch Imaginärteil einer Funktion aus A in A. Der R-lineare Teilraum reellwertiger Funktionen von A ist punktetrennend, da für eine komplexwertige Funktion f f (x) 6= f (y) genau dann gilt wenn Ref (x) 6= Ref (y) oder
Imf (x) 6= Imf (y) gilt. Es liegt nach Satz 1.5.2 der Teilraum reellwertiger
19
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Funktionen aus A dicht in C(X, R). Damit liegen Real- und Imaginärteil
einer stetigen komplexwertigen Funktion im Abschluss von A und folglich
diese Funktion ebenso.
Beispiel 1.5.4 Der klassische Approximationssatz von Weierstraß besagt,
dass eine auf einem kompakten Intervall stetige Funktion gleichmäßig durch
Polynome approximiert werden kann. Der Raum der Polynome ist klarerweise eine Algebra, die 1 enthält und wegen dem Monom x 7→ x punktetrennend
operiert. Dass die Polynome nach Satz 1.5.2 dicht in den stetigen Funktionen
liegen ist genau diese Approximationseigenschaft.
Beispiel 1.5.5 Man sieht unmittelbar, dass der Raum der Polynome in
den n unabhängigen Veränderlichen eine punktetrennende Unteralgebra von
C(Rn , R) mit 1 ist. Auf kompakten Teilmengen K des Rn liegt der Raum
der Polynome also dicht in C(K, R). So liegen auf der n-Sphäre S n = {x :
Pn+1 2
x = 1} die Polynome in x1 , . . . , xn+1 , das sind endliche Summen
Pi=1 i
i
ai1 ,...,in+1 xi11 · · · xin+1
dicht in C(S n , R).
n+1
Beispiel 1.5.6 Für eine kompakte Teilmenge K von R liegt der Raum der
P
nx
Funktionen N
n=0 an e , an ∈ R, N ∈ N dicht in C(K, R).
Beispiel 1.5.7 Auf dem 2d-dimensionalen Torus
T := {(z1 , . . . , zd ) ∈ Cd : |zk | = 1, 1 ≤ k ≤ d}
liegen die trigonometrischen Polynome (das sind endliche Summen
p(z1 , . . . , zd ) =
X
an1 ,...,nd exp i
d
X
!
nk zk ,
k=1
nk ∈ Z, an1 ,...,nd ∈ C) dicht in den stetigen komplexwertigen Funktionen.
1.6 Normale Räume
Ein topologischer Raum X heißt T4-Raum, wenn es zu disjunkten abgeschlossenen Teilmengen A, B von X offene disjunkte Mengen U, V mit A ⊆
U, B ⊆ V gibt. Ein topologischer Raum heißt normal, wenn er T4 ist und
Punkte abgeschlossen sind (wird auch als Trennungsaxiom T1 bezeichnet).
Proposition 1.6.1 Ein topologischer Raum X ist genau dann T4, wenn
gilt: Sind E, O Teilmengen von X mit E ⊆ O, E abgeschlossen, O offen,
dann gibt es U ⊆ X offen mit E ⊆ U ⊆ Ū ⊆ O.
20
1.6. NORMALE RÄUME
Beweis: Ist X T4, so gibt es für die disjunkten abgeschlossenen Mengen E
und O{ disjunkte offene Mengen U, V mit E ⊆ U , O{ ⊆ V . Da U, V offen
und disjunkt sind folgt Ū ⊆ V { , also E ⊆ U ⊆ Ū ⊆ V { ⊆ O.
Sind E, F abgeschlossen und disjunkt, so folgt E ⊆ F { mit F { offen. Gibt
es eine offene Menge U mit E ⊆ U ⊆ Ū ⊆ O, so sind U und (Ū ){ disjunkte
offene Obermengen von E bzw. F .
Satz 1.6.2 (Lemma von Urysohn) Ein topologischer Raum X ist genau
dann ein T4-Raum, wenn es zu zwei disjunkten abgeschlossenen Mengen A
und B in X eine stetige Funktion f : X → [0, 1] gibt, die auf A 0 und auf
B 1 ist.
Beweis: Gibt es auf einem topologischen Raum für zwei abgeschlossene
disjunkte Mengen eine stetige Funktion mit den geforderten Eigenschaften,
dann sind f −1 ([0, 1/2)) und f −1 ((1/2, 1]) Mengen mit den geforderten Eigenschaften, der Raum ist also T4.
Ist X T4, so definieren wir für n ∈ N, 0 ≤ k ≤ 2n induktiv offene Teilmengen
Gk/2n von X, die Ḡk/2n ⊆ G(k+1)/2n erfüllen:
Wir wählen offene disjunkte Obermengen U, V von A und B und setzen
G0 := U, G1 := B { . Dann gilt Ḡ0 ⊆ V { ⊆ G1 .
Sind die Mengen Gk/2n−1 für 0 ≤ k ≤ 2n−1 mit Gk/2n−1 ⊆ Ḡk/2n−1 ⊆
G(k+1)/2n−1 definiert, so wählen wir für 0 ≤ k < 2n−1 eine offene Menge
G(2k+1)/2n , die Ḡk/2n−1 ⊆ G(2k+1)/2n ⊆ Ḡ(2k+1)/2n ⊆ G(k+1)/2n−1 erfüllt, was
nach Proposition 1.6.1 wegen Ḡk/2n−1 ⊆ G(k+1)/2n−1 möglich ist. Für die so
definierte Folge von Mengen gilt
Ḡk/2n ⊆ Gm/2l für k/2n < m/2l
(1.1)
und
Wir definieren eine Funktion f auf X durch
f (x) = inf({k/2n : x ∈ Gk/2n , n ∈ N, 0 ≤ k ≤ 2n } ∪ {1}).
Wegen A ⊂ G0 , G1 ⊂ B { gilt f |A = 0, f |B = 1 sowie für β ∈ [0, 1]:
f (x) < β ⇔ ∃k, n ∈ N : k/2n < β, x ∈ Gk/2n
also
f −1 ([0, β)) =
[
Gk/2n
(1.2)
k/2n <β
und für α ∈ [0, 1): f (x) > α ⇔ ∃k, n ∈ N : k/2n > α, x ∈
/ Gk/2n .
Da es für k/2n > α immer m, l ∈ N mit k/2n > m/2l > α gibt, folgt
21
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
wegen (1.1) k/2n >α (Gk/2n ){ = m/2l >α (Ḡm/2l ){ und f (x) > α Daher gibt es
m, l ∈ N mit m/2l > α, x ∈
/ Ḡm/2l und
S
S
f −1 ((α, 1]) =
[
(Ḡm/2l ){ .
(1.3)
m/2l >α
Aus (1.2) und (1.3) folgt mit Satz 1.2.1 ii) die Stetigkeit von f .
Satz 1.6.3 (Fortsetzungssatz von Tietze) Sei A eine abgeschlossene Teilmenge eines normalen Raumes X. f sei eine auf A stetige beschränkte reellwertige Funktion. Dann gibt es eine stetige beschränkte Fortsetzung von
f auf X mit kF ki nf ty = kf k∞ , d.h. eine stetige Funktion F : X → R mit
kF k∞ = kf k∞ und F |A = f .
Beweis: Wir zeigen zuerst: Für eine reellwertige stetige Funktion h auf A
mit khkC(A) = λ gibt es eine stetige reellwertige Funktion g auf X mit
kh − gkC(A) ≤ 2λ/3 und kgkC(X) = λ/3.
Wir definieren Teilmengen Ai , i = 1, 2, 3 von A wie folgt:
A1 : = {x ∈ A : h(x) ≥ λ/3}
A2 : = {x ∈ A : −λ/3 < h(x) < λ/3}
A3 : = {x ∈ A : h(x) ≤ −λ/3}.
Nach dem Satz von Urysohn gibt es eine stetige Funktion g auf X, die λ/3 auf
A1 und −λ/3 auf A3 mit kgkC(X) = λ/3 ist. Auf A gilt dann kh − gkC(A) ≤
2λ/3. Wenden wir diese Konstruktion induktiv an, so erhalten wir durch
hn+1 := hn − gn Folgen (hn )n und (gn )n stetiger Funktionen auf X, die
h1 = f ,
khn+1 kC(A) = khn − gn kC(A) ≤ kf kC(A) (2/3)n
und
kgn kC(X) ≤ kf kC(A) 2n−1 /3n
(1.4)
erfüllen. Also konvergiert hn+1 = hn − gn auf A gleichmäßig gegen 0 und es
folgt
f = h1 = h2 + g1 = h3 + g2 + g1 = · · · = hn+1 +
n
X
gi
i=1
= lim hn +
n→∞
Wegen (1.4) ist
tig.
22
P∞
i=1
∞
X
i=1
gi =
∞
X
gi .
i=1
gi als gleichmäßiger Grenzwert stetiger Funktionen ste
1.7. LOKALKOMPAKTE RÄUME
Satz 1.6.4 Kompakte Hausdorffräume und metrische Räume sind normal.
Beweis: In Hausdorffräumen sind, wie man unmittelbar sieht, Punkte immer
abgeschlossen, es bleibt also T4 zu zeigen.
Seien A, B disjunkte abgeschlossene Teilmengen eines kompakten Hausdorffraumes. Für x ∈ A und y ∈ B gibt es dann disjunkte offene Umgebungen Ux,y
von x und Vy,x von y. Da B als abgeschlossene Teilmenge eines kompakten
Raumes kompakt ist gibt es für jedes x ∈ A endlich viele yi , i = 1, . . . , n, sodass (Vx,yi )i≤n eine Überdeckung von B ist. Sei Vx die offene Menge ∪ni=1 Vx,yi
und Ux die offene Umgebung ∩ni=1 Ux,yi von x. A ist kompakt und erlaubt
daher eine endliche Teilüberdeckung (Uxj )j=1,...,k . Dann sind U := ∪kj=1 Uxj
und V := ∩j=1 Vxj disjunkte offene Obermengen von A respektive B.
Ist X ein metrischer Raum. Sei für E ⊂ X die Funktion dE durch dE (x) :=
inf{d(x, y) : y ∈ E} definiert. Es gilt klarerweise dE (x) = 0 für x ∈ E. Ist E
abgeschlossen und x ∈
/ E, so gibt es eine Kugel B(x, r) um x, die mit E leeren
Schnitt hat, woraus dE (x) > r folgt. Für abgeschlossene Mengen E ist also E
genau die Nullstellenmenge von dE . Für disjunkte abgeschlossene Teilmengen
A und B von X ist demzufolge die Funktion dA /(dA + dB ) wohldefiniert,
verschwindet auf A und ist 1 auf B.
1.7 Lokalkompakte Räume
Ein Hausdorffraum heißt lokalkompakt, wenn jedes Element eine kompakte
Umgebung besitzt.
Satz 1.7.1 In einem lokalkompakten Raum bilden die kompakten Umgebungen eines Elementes eine Umgebungsbasis.
Beweis: Sei (X, T ) ein lokalkompakter Raum und K eine kompakte Umgebung von x ∈ X. Sei Ts die Spurtopologie auf K. In dieser sind Teilmengen von K genau dann offen, wenn sie der Durchschnitt von K mit einer
T -offenen Menge sind. K ist aber selbst Umgebung von x, womit eine Teilmenge von K genau dann Umgebung von x in (K, Ts ) wenn sie Umgebung
von x in (X, T ) ist. Es folgt, dass jede Umgebungsbasis von x in (K, Ts )
zugleich Umgebungsbasis von x in (X, T ) ist.
In Hausdorffräumen sind kompakte Teilmengen abgeschlossen (Satz 1.4.4).
Damit sind Ts -kompakte Mengen Ts -abgeschlossen und somit als Durchschnitt einer T -abgeschlossenen Menge mit der abgeschlossenen Menge K
auch T -abgeschlossen. Demnach genügt es zu zeigen, dass x eine Umgebungsbasis aus kompakten Mengen in (K, Ts ) hat.
23
KAPITEL 1. TOPOLOGIE
Nach Satz 1.6.4 sind kompakte Hausdorffräume normal, also gibt es nach
Proposition 1.6.1 zu jeder offenen Umgebung U von x in (K, Ts ) eine offene
Umgebung V von x mit V̄ ⊆ U . Das heißt die abgeschlossenen Umgebungen von x bilden eine Umgebungsbasis von x in (K, Ts ). Als abgeschlossene
Teilmengen von K sind die Mengen dieser Umgebungsbasis aber kompakt
in (K, Ts ) (Satz 1.4.4).
Um Eigenschaften die kompakten Räumen zukommen auf nichtkompakte
Räume zu übertragen kann man versuchen den gegebenen Raum als dichten
Teilraum eines kompakten Raumes zu interpretieren. Unter einer Kompaktifizierung eines Hausdorffraumes (X, T ) verstehen wir einen kompakten
Hausdorffraum (K, T 0 ) zusammen mit einer injektiven Abbildung φ : X →
K mit dichtem Bild, also φ(X) = K, sodass T genau die durch φ induzierte
Initialtopologie ist. D.h. identifiziert man X vermöge φ mit der dichten Teilmenge φ(X) von K, so ist T genau die Relativtopologie von X als Teilmenge
von (K, T 0 ).
Die einfachste Konstruktion einer Kompaktifizierung ist die Einpunktkompaktifizierung (auch Alexandroff–Kompaktifizierung genannt): Die Menge K entsteht durch Hinzunahme eines einzigen Punktes, den man üblicherweise mit ∞ bezeichnet, zu X und φ ist die kanonische Einbettung ι von X
in K := X ∪ {∞}. Auf lokalkompakten Räumen kann dann eine Topologie
T 0 auf K so gewählt werden, dass (K, T 0 ) mit ι eine Kompaktifizierung von
X ist.
Ist K eine Einpunktkompaktifizierung von X und O eine offene Menge in
K, die ∞ enthält, so ist jede offene Überdeckung (Oi )i∈I von O{ vereingt
mit O eine offene Überdeckung von K. Diese enthält, da K kompakt ist
eine endliche Teilüberdeckung ((Oi )i∈F , O). Damit ist (Oi )i∈F eine endliche
Teilüberdeckung von O{ . Eine Teilmenge von K, die ∞ enthält, kann also
nur dann offen sein wenn ihr Komplement kompakt in K und damit in X ist.
Da K Hausdorffraum ist, muss es zu jedem x ∈ X eine kompakte Umgebung
geben, d.h. nur lokalkompakte Räume können in diesem Sinn kompaktifiziert
werden.
Ist X lokalkompakt, und C eine kompakte Teilmenge von X, so gibt es, da
K Hausdorffraum ist, für jedes c ∈ C eine offene relativ kompakte Menge Oc
{
mit Oc ist Umgebung von ∞. Für eine endliche Teilüberdeckung (Oci )i=1,...,N
{
ist dann ∩i≤N Oci eine offene Umgebung von ∞, die disjunkt zu C ist. Also
{
ist auch C { eine Umgebung von ∞ die wegen C { = ∩i≤N Oci ∪ (X \ C) offen
in K ist. Also sind in lokalkompakten Räumen alle Komplemente kompakter
Mengen Umgebungen von ∞.
Damit ist eine Einpunktkompaktifizierung, sofern sie existiert eindeutig. Tatsächlich gilt:
24
1.7. LOKALKOMPAKTE RÄUME
Satz 1.7.2 Zu einem lokalkompakten Raum (X, T ) gibt es eine bis auf Homöomorphie eindeutige Einpunktkompaktifizierung.
Beweis: Wir haben nur noch zu zeigen, dass die Menge
T 0 := T ∪ {C { : C kompakt in (X, T )}
eine Topologie auf K ist. C { bezeichnet hier und im Folgenden das Komplement bezüglich K = X ∪ {∞},
∅, K sind in T 0 . Vereinigungen und endliche Durchschnitte von Mengen aus
{C { : C kompakt in (X, T )} sind nach Proposition 1.4.5 ebenfalls das Komplement einer T -kompakten Menge in K. T ist klarerweise als Topologie stabil unter der Bildung beliebiger Vereinigungen und endlicher Durchschnitte.
Es bleibt zu zeigen, dass für eine T -kompakte Menge C und eine T -offene
Menge O die Mengen C { ∪ O und C { ∩ O in T 0 liegen. O ∩ C { = O ∩ (X \ C)
da ∞ ∈
/ O. Nach Satz 1.4.4 ist C abgeschlossen in (X, T ), damit ist O ∩ C {
in T und damit in T 0 . (X \ O) ∩ C ist kompakt in (X, T ) nach Satz 1.4.4.
Damit ist ((X \ O) ∩ C){ = O ∪ C { in T 0 .
Beispiel 1.7.3 Vermöge der Abbildung t 7→ e−t ist die Einpunktkompaktifizierung von [0, ∞) homöomorph zu einem kompakten Intervall, etwa zu
[0, 1] . Dem Punkt ∞ entspricht dann der Randpunkt 0 des Intervalls [0, 1].
Die Einpunktkompaktifizierung von R lässt sich am anschaulichsten durch
einen Kreis K, der die reelle Achse in einem Punkt S berührt veranschaulichen. Sei N der Punkt des Kreises, der S gegenüberliegt. Die Einbettung
von R in K lässt sich dann realisieren, indem ein Punkt x ∈ R mit N durch
eine Strecke verbunden wird. Der Schnittpunkt von K \ N mit dieser Strecke
ist dann das Bild von x unter der Einbettung. Hier entspricht N dem Punkt
∞.
Ähnlich lässt sich die Einpunktkompaktifizierung von C als eine 2-Sphäre
realisieren. Eine Funktion die in einem Gebiet, das {z ∈ C : |z| > M } für
ein M > 0 enthält, holomorph ist und stetig auf ∞ fortgesetzt werden kann,
kann dann sogar “holomorph” auf ∞ fortgesetzt werden. D.h. es kann die
Funktionentheorie im Wesentlichen unverändert auf der Einpunktkompaktifizierung entwickelt werden.
Dieselben Überlegungen zeigen, dass die Einpunktkompaktifizierung von Rn
vermöge der Bijektion
(x1 , . . . , xn ) 7→ (λx1 , . . . , λxn , 2 − 2λ),
n
1X
x2i
λ= 1+
4 i=1
!−1
,
∞ 7→ (0, 0, . . . , 0, 2)
homöomorph zur n-Sphäre {(x1 , . . . , xn+1 ) :
Pn
i=1
x2i + (xn+1 − 1)2 } ist.
25
Kapitel
2
Funktionenräume
2.1 Vertauschungssätze
Satz 2.1.1 (Fubini) Für eine Lebesgue-messbare Funktion f auf Rn , die
integrierbar oder positiv ist und jede Permutation i1 , . . . , in von 1, . . . , n sind
alle Integrale
Z
···
Z
f (x1 , . . . , xn ) dλ(xi1 ) · · · dλ(xik ),
R
R
λn−k -messbare Funktionen auf Rn−k und es gilt
Z
Rn
f dλ =
n
Z
R
···
Z
f (x1 , . . . , xn ) dλ(xi1 ) · · · dλ(xin ).
R
Da das n-dimensionale Lebesguemaß λn offensichtlich σ-endlich ist, können
wir auf die explizite Forderung der σ-Endlichkeit verzichten.
Beispiel 2.1.2 Unter Verwendung des Satzes von Fubini können wir eine
Darstellung der Betafunktion B(x, y) durch die Gammafunktion Γ(x)
herleiten. Die Gammafunktion ist für t > 0 durch
Γ(t) :=
Z ∞
0
e−x xt−1 dx
definiert, die Betafunktion für x, y > 0 durch
B(x, y) :=
Z 1
0
tx−1 (1 − t)y−1 dt.
12. Dezember 2013
27
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Wir erhalten
Γ(x)Γ(y) =
=
=
=
=
=
=
=
Z ∞
0
e−t tx−1 dt
Z ∞Z ∞
0
0
0
s
Z ∞Z ∞
Z ∞Z ∞
Z0∞ Z0∞
0
0
0
0
Z ∞Z u
Z ∞
0
Z ∞
0
e−u
Z ∞
0
e−s sy−1 ds
e−t−s tx−1 sy−1 dt ds
mit t = u − s
e−u (u − s)x−1 sy−1 du ds
e−u (u − s)x−1 sy−1 1(s,∞) (u) du ds
Fubini
e−u (u − s)x−1 sy−1 1(0,u) (s) ds du
für s > 0
e−u (u − s)x−1 sy−1 ds du
Z 1
0
mit s = ru, ds = u dr
ux−1 (1 − r)x−1 ry−1 uy−1 u dr du
e−u ux+y−1 B(x, y) du = Γ(x + y)B(x, y)
also
B(x, y) =
Γ(x)Γ(y)
.
Γ(x + y)
Mithilfe dieser Identität kann etwa Γ( 12 ) berechnet werden: Es gilt Γ( 12 )2 =
B( 21 , 21 )Γ(1). Durch partielle Integration sieht man Γ(1) = 1. Wegen
B
Z 1
Z 1
1 1
,
t−1/2 (1 − t)−1/2 dt = 2 (1 − u2 )−1/2 du = 2 arcsin 1 = π
=
2 2
0
0
folgt also
Γ
√
1
= π.
2
(2.1)
Beispiel 2.1.3 Beispiel 2.1.2 und den Satz von Fubini verwenden wir um
das Volumen ωn der Einheitskugel B im Rn zu berechnen: Da das Lebesguemaß auf Rn vom Inhalt auf dem Semiring der halboffenen achsenparallelen
Rechtecke induziert wird, sieht man unmittelbar, dass für eine Lebesguemessbare Menge A gilt λn (rA) = rn λn (A). Insbesondere λn (B(r, 0)) =
rn ωn gilt. Für festes xn ist x = (x1 , . . . , xn−1 , xn ) genau dann in B, wenn
Pn−1
2
2
i=1 xi ≤ 1 − xn gilt,
q also wenn (x1 , . . . , xn−1 )) in der n − 1 dimensionalen
Kugel mit Radius 1 − x2n ist. Der Satz von Fubini zeigt
ωn =ωn−1
Z 1
−1
(1 − t )
2
n−1
2
dt = ωn−1
Z 1
=ωn−1 B(1/2, (n + 1)/2) = ωn−1
28
0
(1 − u)
n−1
2
1
u− 2 du
Γ(1/2)Γ((n + 1)/2)
.
Γ(1 + n/2)
(t2 = u)
2.1. VERTAUSCHUNGSSÄTZE
Wegen (2.1) und ω1 = 2 führt Induktion und die Identität Γ(t + 1) = tΓ(t),
die man unmittelbar durch partielle Integration herleitet unmittelbar auf

n
n/2
π
π2
= (n/2)!
ωn =
(n−1)/2 2(n+1)/2
Γ(1 + n/2)  π
n!!
n gerade
(2.2)
n ungerade.
Auch der folgende Satz, der im wesentlichen besagt dass im Rn Kugeln jene
Mengen sind, die bei gegebenem Durchmesser größtes Volumen haben ist
eine Anwendung des Satzes von Fubini. Der Durchmesser diam(A) einer
Teilmenge A von Rn ist durch diam(A) := sup{|x − y| : x, y ∈qA} defiPn
2
niert. Hier und im Folgenden bezeichnet |x| die Euklidische Norm
i=1 xi
eines Punktes x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn . Man beachte, dass diese Aussage für
Dimensionen größer eins nichttrivial ist, da es Mengen, wie zum Beispiel das
gleichseitige Dreieck im R2 gibt, die nicht Teilmenge einer Kugel gleichen
Durchmessers ist.
Satz 2.1.4 (Isodiametrische Ungleichung) Für eine beschränkte messbare Teilmenge A des Rn gilt
λn (A) ≤ ωn (diam(A)/2)n ,
wobei ωn das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel bezeichnet.
Beweis: Für um den Ursprung symmetrische Mengen (das sind Mengen die
x ∈ A ⇔ −x ∈ A erfüllen) gilt wegen 2|x| = |x − (−x)| ≤ diam(A) und der
für alle Mengen gültigen Abschätzung diam(A) ≤ 2 sup{|x| : x ∈ A} die
Beziehung diam(A) = 2 sup{|x| : x ∈ A}. Wir führen die Behauptung des
Satzes durch Bildung der Steiner–Symmetrisierungen auf diesen Spezialfall zurück und definieren
1Z
1A (t, x2 , . . . , xn ) dλ(t) .
A1 := x : |x1 | <
2 R
A1 geht also aus A hervor, indem man bei festgehaltenen Koordinaten x2 , . . . , xn
die erste Koordinate von x ∈ A aus dem Intervall
1Z
1Z
−
1A (t, x2 , . . . , xn ) dλ(t),
1A (t, x2 , . . . , xn ) dλ(t)
2 R
2 R
wählt. Nach dem Satz von Fubini gilt
λ (A) =
n
=
Z
Z
n−1
ZR
ZR
Rn−1
R
=λn (A1 )
1A (x1 , . . . , xn ) dλ(x1 ) dλn−1 (x2 , . . . , xn )
1A1 (x1 , . . . , xn ) dλ(x1 ) dλn−1 (x2 , . . . , xn )
29
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
und A1 ist messbar.
Für reelle Zahlen a1 < a2 , b1 < b2 mit a1 + a2 ≤ b1 + b2 gilt
b 2 − a1 =
b 2 − b 1 a2 − a1
b 2 − b 1 b 1 + b 2 a1 − a2 a1 + a2
+
−
−
≥
+
2
2
2
2
2
2
und damit ohne der Bedingung a1 + a2 ≤ b1 + b2 die für alle a1 ≤ a2 . b1 ≤ b2
gültige Abschätzung
max(b2 − a1 , a2 − b1 ) ≥
b 2 − b 1 a2 − a1
+
.
2
2
(2.3)
Für ẋ := (x2 , . . . , xn ), ẏ := (y2 , . . . , yn ) ∈ Rn−1 , sodass A ∩ {(R, ẋ)} und
A ∩ {(R, ẏ)} nichtleer sind setzen wir
Aẋ :={t ∈ R : (t, ẋ) ∈ A} a1 := inf{t : t ∈ Aẋ } a2 := sup{t : t ∈ Aẋ }
Aẏ :={t ∈ R : (t, ẏ) ∈ A} b1 := inf{t : t ∈ Aẏ } b2 := sup{t : t ∈ Aẏ }.
Es folgt mit (2.3)
sup{|a − b| : a ∈ Aẋ , b ∈ Aẏ } = max(b2 − a1 , a2 − b1 ) ≥
b 2 − b 1 a2 − a1
+
.
2
2
Die linke Seite dieser Ungleichung ist aber genau
sup{|x1 − y1 | : (x1 , ẋ), (y1 , ẏ) ∈ A1 }.
Wir erhalten für x, y ∈ A1
b 2 − b 1 a2 − a1
|x − y| ≤
+
2
2
2
!2
+
n
X
(xi − yi )2
i=2
≤(sup{|a − b| : a ∈ Aẋ , b ∈ Aẏ })2 +
n
X
(xi − yi )2
i=2
≤ sup{|x̃ − ỹ| : x̃, ỹ ∈ A},
2
woraus
diam(A) ≥ diam(A1 )
folgt.
Wenden wir auf A1 die Steiner–Symmetrisierung bezüglich der zweiten Koordinate an, so erhalten wir eine Menge A2 gleichen Volumens und nicht
größerem Durchmessers, die symmetrisch in der zweiten Koordinate ist. Die
30
2.1. VERTAUSCHUNGSSÄTZE
Symmetrie in der ersten Koordinate bleibt wegen der Symmetrie in der ersten Koordinate von A1 erhalten:
(x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ A2 ⇔ |x2 | <
⇔ |x2 | <
Z
ZR
1A1 (x1 , t, x3 , . . . , xn ) dλ(t)
1A1 (−x1 , t, x3 , . . . , xn ) dλ(t)
R
⇔ (−x1 , x2 , . . . , xn ) ∈ A2 .
Führen wir n dieser Symmetrisierungsschritte durch, so erhalten wir eine
in allen n Koordinaten symmetrische Menge An mit λn (An ) = λn (A) und
diam(An ) ≤ diam(A). Da die Behauptung des Satzes für symmetrische Mengen gilt folgt, wie anfangs begründet die Gültigkeit für alle beschränkten
messbaren Mengen.
Satz 2.1.5 Sei ft (ω) für t ∈ (a, b) eine Familie messbarer Funktionen auf
einem Maßraum (Ω, µ). Für µ-fast alle ω sei die Abbildung t 7→ ft (ω) in t0
stetig. Weiters gebe es eine integrierbare Funktion g auf Ω und ein δ > 0,
sodass für alle t mit |t−t0 | < δ µ-f.ü. |ftR| ≤ g gilt. Dann ist ft für |t−t0 | < δ
integrierbar und das Parameterintegral Ω ft (ω) dµ(ω) ist in t0 stetig, d.h. es
gilt
Z
Z
lim ft dµ = ft0 dµ
t→t0
Ω
Ω
Beweis: Wegen Satz 1.2.5 genügt es es zu Rzeigen, dass für jede gegen
t0 konR
vergente Folge (tn )n die Folge der Integrale Ω ftn (ω) dµ(ω) gegen Ω ft0 (ω) dµ(ω)
konvergiert. Dies ist aber unter den getroffenen Voraussetzungen eine unmittelbare Folge des Satzes von der majorisierten Konvergenz.
Satz 2.1.6 Sei ft , t ∈ (t0 −δ, t0 +δ) ⊆ R eine Familie messbarer Funktionen
auf dem Maßraum (Ω, µ). An der Stelle t0 existiern für µ-fast alle ω die
∂ft
. Ferner gebe es eine integrierbare Funktion g auf
partiellen Ableitungen
∂t
ft (ω)−ft0 (ω) (Ω, µ) mit t−t0
≤ g(ω) für |t − t0 | < δ. Dann ist die Funktion t 7→
R
Ω ft dµ in t0 differenzierbar mit
Z
d Z
∂ft ft dµ
=
dµ.
dt Ω
Ω ∂t t=t0
t=t0
Beweis: Folgt wie Satz 2.1.5 aus dem Satz der majorisierten Konvergenz.
Satz 2.1.7 Sei ft , t ∈ [a, b] eine Familie messbarer Funktionen auf dem
Maßraum (Ω, µ). Für ein δ > 0 existiern für µ-fast alle ω ∈ Ω und alle
t
t (ω)
t ∈ (t0 − δ, t0 + δ) die partiellen Ableitungen ∂f∂t
mit ∂f
≤ g für eine
∂t
31
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
µ-integrierbare Funktion g. Dann ist die Funktion t 7→
renzierbar mit
Z
∂ft
d Z
=
ft dµ
(t0 ) dµ.
dt Ω
Ω ∂t
t=t0
R
Ω
ft dµ in t0 diffe-
Beweis: Nach dem Mittelwertsatz
folgt aufgrund
der partiellen Differenzier
barkeit nach t:
ft (ω)−ft0 (ω) t−t
0
=
∂
∂t ft (ω)
t=t1 ≤ g(ω) für |t − t0 | < δ und ein t1
mit |t1 − t0 | ≤ |t − t0 <. Also folgt die Behauptung aus Satz 2.1.6.
−at
−bt
Beispiel 2.1.8 Für 0 < a ≤ b ist die Funktion fa,b (t) := e −e
über R+
t
e−bt
integrierbar. Die Stammfunktion von t 7→R t ist zwar nicht durch elementare Funktionen darstellbar, das Integral R+ fa,b dλ lässt sich aber wie folgt
berechnen: Zunächst verwenden wir
e−at − e−bt Z b −st
=
e ds
t
a
und erhalten, da der Integrand positiv ist mit dem Satz von Fubini:
Z
R+
Z
Z
Z Z
e−at − e−bt
−st
e ds dt =
e−st dt ds
dt =
t
[a,b] R+
R+ [a,b]
Z b
1
b
=
ds = ln .
a
a s
Ohne diese Berechnung lässt sich aber die Ableitung dieses Parameterin∂f (t)
tegrals nach b bestimmen: Es gilt a,b
= e−bt . Diese partielle Ableitung
∂b
wird für b ≥ b0 > 0 durch die über R+ integrierbare Funktion t 7→ e−b0 t
majorisiert, es folgt also mit Satz 2.1.7:
Z
Z
∂ Z e−at − e−bt
∂ e−at − e−bt
1
dλ(t) =
dλ(t) =
e−bt dt = .
∂b R+
t
t
b
R+ ∂b
R+
Beispiel 2.1.9 In der Gammafunktion (vgl. Bsp. 2.1.2) ist der Integrand
partiell nach t differenzierbar mit Ableitung ln xe−x xt−1 . Für 0 < δ < t0 gilt
ln xe−x xt−1 ≤ ln xe−x xt0 +sgn(x−1)δ−1 =: g(x) mit g ∈ L1 (R+ ).
Mit Satz 2.1.7 folgt die Integraldarstellung der Ableitung der Gammafunktion.
Z ∞
d
Γ(t) =
ln xe−x xt−1 dx.
dt
0
Durch Induktion zeigt man mit Satz 2.1.7:
Γ(n) (t) =
32
Z ∞
0
(ln x)n e−x xt−1 dx.
2.1. VERTAUSCHUNGSSÄTZE
Beispiel 2.1.10 Wir betrachten für t ∈ R das oszillierende Integral
f (t) =
Z ∞
−∞
e−x
2 /2
cos(tx) dx.
Der Integrand ist partiell nach t differenzierbar mit
∂ −x2 /2
2
e
cos(tx) = −xe−x /2 sin(tx).
∂t
Wegen
∂
−x2 /2
e
cos(tx)
∂t
2 /2
≤ |x|e−x
ist die Funktion x 7→ |x|e−x /2 also für alle Werte des Parameters t eine
integrierbare Majorante der partiellen Ableitung und es folgt mit Satz 2.1.7
und partieller Integration
2
f (t) = −
0
Z ∞
xe−x
2 /2
−∞
−x2 /2
=e
sin(tx) dx
∞
sin(tx)
−∞
−t
Z ∞
−∞
e−x
0
2 /2
cos(tx) dx = −tf (t),
(t)
also ff (t)
= (ln f )0 (t) = −t bzw. f (t) = f (0)e−t /2 . Wegen
(vgl. Bsp. 4.3.2) folgt also
√
2
f (t) = 2πe−t /2 .
2
R
R
e−x
2 /2
dx =
√
2π
Eine zweite Möglichkeit zur Berechnung von f (t) ergibt sich durch Reihenentwicklung und den Satz von der majorisierten Konvergenz: Aus der Taylorreihenentwicklung des Cosinus erhalten wir
f (t) =
Z ∞ X
∞
(−1)n
−∞ n=0
(tx)2n −x2 /2
e
dx.
(2n)!
(2.4)
Um die Vertauschung von Integration mit Summation zu rechtfertigen be2
rechnen wir zuerst durch die Substitution x2 = u die Integrale
In =
Z ∞
x2n e−x
−∞
n+1/2
=2
2 /2
dx = 2
Z ∞
0
x2n e−x
2 /2
dx =
√
22n
Z ∞
0
un−1/2 e−u du
Γ(n + 1/2).
Wegen der Rekursion Γ(t + 1) = tΓ(t) und Γ(1/2) =
so
√
π (2.1)) erhalten wir
√
√ 135
2n − 1 √
In = 2n+1/2 π
···
= 2π1 · 3 · 5 · · · (2n − 1) = 2π(2n − 1)!!
222
2
33
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Es folgt aus dem Satz der monotonen Konvergenz für alle t die IntegrierbarP
t2n 2n −x2 /2
keit der Reihe ∞
mit
n=0 (2n)! x e
√ 2n
∞
√
X
t2
t2n 2n −x2 /2
2πt
2 .
x e
dx =
=
2πe
n n!
2
−∞ n=0 (2n)!
n=0
Z ∞ X
∞
t2n 2n −x2 /2
ist offensichtlich eine Majorante der Reihe
n=0 (2n)! x e
P∞
2n
2
2n −x /2
n t
. Wir dürfen also nach dem Satz der majorisierten
n=0 (−1) (2n)! x e
Die Reihe
P∞
Konvergenz in (2.4) Summation und Integration vertauschen und erhalten
auch so
√ 2n
Z ∞
∞
∞
√
X
X
(tx)2n −x2 /2
2
n
n 2πt
f (t) =
(−1)
e
dx =
(−1)
=
2πe−t /2 .
n
2 n!
−∞ (2n)!
n=0
n=0
2.2 Vervollständigung metrischer und normierter
Räume
Unter einer Vervollständigung eines metrischen Raumes (M, d) verstehen
˜ zusammen mit einer isowir einen vollständigen metrischen Raum (M̃ , d)
metrischen Abbildung ι : M → M̃ , die dichtes Bild in M̃ hat. Identifiziert
man die Teilmenge ι(M ) von M̃ mit M , so kann M̃ als ein vollständiger
metrischer Raum interpretiert werden, der aus M durch Hinzunahme der
Elemente aus M̃ \ M hervorgeht. Die Forderung dass ι dichtes Bild hat ist
wie man leicht sieht keine wesentliche Einschränkung, da für jeden vollständigen Raum in den M vermöge ι isometrisch eingebettet werden kann auch
ι(M ) ein vollständiger Raum mit derselben Eigenschaft ist, in dem dann
ι(M ) dicht liegt.
Eine Abbildung x 7→ kxk eines linearen Raumes X (über C oder R) nach
R+
0 heißt Norm, wenn für x, y ∈ X, λ ∈ C bzw. λ ∈ R gilt
◦ kxk = 0 ⇒ x = 0
◦ kx + yk ≤ kxk + kyk
◦ kλxk = |λ|kxk.
Ist auf X eine Norm k · k definiert, so sprechen wir von einem normierten
Raum. Jede Norm induziert vermöge d(x, y) := kx − yk eine Metrik auf
X. Ist in einem normierten Raum jede Cauchyfolge konvergent (bezüglich
dieser durch die Norm induzierten Metrik), also wenn X als metrischer Raum
vollständig ist, so ist X ein Banachraum.
Ist (X, k · k) ein normierter Raum und ι eine isometrische lineare Abbildung von X in einen dichten Teilraum eines Banachraumes X̃, so nennen
34
2.2. VERVOLLSTÄNDIGUNG METRISCHER UND NORMIERTER
RÄUME
wir X̃ Vervollständigung des normierten Raumes X. X̃ ist also eine Vervollständigung des normierten Raumes X, wenn X̃ ein Banachraum ist, der
eine Vervollständigung von X aufgefasst als metrischer Raum ist und die
zugehörige isometrische Einbettung linear ist.
Wir zeigen, dass jeder metrische Raum im Wesentlichen eindeutig vervollständigt werden kann. Hierfür zeigen wir zuerst die Vollständigkeit der Räume `∞ (M ) aller beschränkten reell- oder komplexwertigen Funktionen auf
einer Menge M mit der Supremumsnorm:
Proposition 2.2.1 Für jede Menge M sind `∞ (M, R) und `∞ (M, C) mit
der Supremumsnorm Banachräume.
Beweis: Da jede komplexwertige Funktion als Summe f1 + if2 mit f1 , f2
reellwertig aufgefasst werden kann genügt es sich auf `∞ (M, R) =: `∞ (M )
zu beschränken.
Wir haben zu zeigen, dass jede Cauchyfolge (fn )n in `∞ (M ) gleichmäßig gegen eine beschränkte Funktion auf M konvergiert. Da (fn )n eine Cauchyfolge
in `∞ (M ) ist, konvergiert (fn (x))n wegen der Vollständigkeit von R für jedes
x ∈ M . Wir bezeichnen diesen Grenzwert mit f (x) und zeigen, dass die so
definierte Funktion f beschränkt ist: Da (fn )n eine Cauchyfolge ist gibt es
ein n1 , sodass für n, m ≥ n1 und alle x in M |fn (x) − fm (x)| ≤ 1 gilt. Es
folgt
|f (x)| = lim |fm (x)| ≤ lim |fm (x) − fn1 (x)| + |fn1 (x)| ≤ 1 + kfn1 k`∞ (M ) ,
m
m→∞
also ist f beschränkt.
Proposition 2.2.2 Für einen metrischen Raum (M, d) ist für beliebiges
festes x0 ∈ M die Abbildung M → `∞ (M ) = `∞ (M, R), x 7→ fx mit
fx (t) := d(x0 , t) − d(x, t) eine Isometrie.
Beweis: Zunächst folgt aus der Dreiecksungleichung, dass |fx (t)| ≤ d(x0 , x)
gilt, also ist fx für jedes x in M in `∞ (M ). Es folgt einerseits aus der Dreiecksungleichung
|fx (t) − fy (t)| = |d(y, t) − d(x, t)| ≤ d(x, y),
andererseits gilt fx (x) − fy (x) = d(x, y), woraus kfx − fy k`∞ (M ) = d(x, y)
folgt, d.h. x 7→ fx ist eine Isometrie.
Satz 2.2.3 Es seien (X1 , d1 ) und (X2 , d2 ) metrische Räume, (X2 , d2 ) vollständig und f eine gleichmäßig stetige Funktion von einer Teilmenge A von
X1 nach X2 . Dann gibt es eine eindeutige stetige Fortsetzung F von f auf Ā.
Diese ist gleichmäßig stetig und wenn f isometrisch ist ebenfalls isometrisch.
35
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Beweis: Für x ∈ Ā ist für jede gegen x konvergente Folge (xn )n∈N in A
wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von f die Folge (f (xn )n∈N eine Cauchyfolge in X2 , die wegen der Vollständigkeit von X2 konvergiert. Wir definieren
F (x) als limn→∞ f (xn ). Diese Definition ist sinnvoll, da wenn (f (xn )) für jede
gegen x konvergent Folge (xn )n∈N konvergiert alle Grenzwerte übereinstimmen müssen (man betrachte für zwei gegen x konvergente Folgen (xn )n ∈ N
und (yn )n ∈ N die Folge x1 , y1 , x2 , y2 , . . .). Für x ∈ A ist die konstante Folge
(x)n∈N eine gegen x konvergente Folge, also ist F eine Fortsetzung von f .
Für > 0 finden wir wegen der gleichmäßigen Stetigkeit von f ein δ() mit
d2 (f (x), f (y)) < für alle x, y ∈ A mit d1 (x, y) < δ(). Gilt d1 (x, y) < δ()
und sind (xn )n und (yn )n gegen x respektive y konvergente Folgen, so gibt
es ein N ∈ N mit d1 (x, xn ) + d1 (y, yn ) < δ() − d1 (x, y) für n > N . Mit der
Dreiecksungleichung folgt für m, n > N
d1 (xm , yn ) < d1 (x, xm ) + d1 (x, y) + d1 (y, yn ) < δ()
und damit d2 (f (xm ), f (yn )) < für m, n > N . Es folgt
d2 (F (x), F (y)) = lim lim d2 (f (xm ), f (yn )) ≤ ,
m→∞ n→∞
also die gleichmäßige Stetigkeit von F .
Ist f isometrisch, so folgt aus der koordinatenweisen Stetigkeit von d für
Folgen xn → x ud yn → y:
d(F (x), F (y)) = lim d((f (xm ), F (y)) = lim lim d((f (xm ), f (yn ))
m→∞
m→∞ n→∞
= lim lim d(xm , yn ) = limm→∞ d(xm , y) = d(x, y),
m→∞ n→∞
also die Isometrie von F .
Da jede stetige Funktion f wegen f (x) = limn→∞ f (xn ) für xn → x durch
ihre Werte auf einer dichten Teilmenge bestimmt ist ist diese Fortsetzung
eindeutig.
Satz 2.2.4 Jeder metrische Raum M besitzt eine Vervollständigung. Diese ist bis auf eine Isometrie eindeutig, d.h. für zwei vollständige metrische
Räume M̃i mit Isometrien ιi von M in dichte Teilräume von M̃i , i = 1, 2
gibt es eine eindeutige surjektive Isometrie ι : M̃1 → M̃2 mit ι2 = ι ◦ ι1 .
Beweis: Nach Proposition 2.2.2 gibt es eine isometrische Abbildung von M
in `∞ (M ). `∞ (M ) ist nach Proposition 2.2.1 ein Banachraum und damit als
metrischer Raum vollständig. Jede abgeschlossene Teilmenge A eines vollständigen Raumes X ist vollständig, denn ist (xn )n eine Cauchyfolge in A,
so ist sie eine Cauchyfolge in X und damit konvergent gegen ein Element x
36
2.2. VERVOLLSTÄNDIGUNG METRISCHER UND NORMIERTER
RÄUME
aus X. Dieses kann aber nicht in A{ liegen weil sonst A{ als offene Menge
eine Umgebung von x wäre, die kein Folgenglied enthält. Somit ist der Abschluss des Bildes von M unter dieser Abbildung ein vollständiger metrischer
Raum und damit eine Vervollständigung von M .
Für zwei Vervollständigungen M̃i , ιi , i = 1, 2 ist dann die Abbildung ι2 ◦ ι−1
1
eine Isometrie von ι1 (M ) auf ι2 (M ). Nach Satz 2.2.3 kann diese Isometrie
zu einer Isometrie von M̃1 nach M̃2 fortgesetzt werden. Diese Fortsetzung ist
surjektiv, da das isometrische Bild eines vollständigen Raumes immer vollständig ist (eine Folge ist genau dann Cauchyfolge wenn ihre Bildfolge eine
Cauchyfolge ist) und keine echte Teilmenge von M̃2 vollständig sein kann,
wenn sie ι2 (M ) enthält, da nur abgeschlossene Teilmengen A eines metrischen
Raumes vollständig sein können (jede Folge in A, die gegen ein Element von
Ā \ A konvergiert, wäre eine Cauchyfolge in A, die keinen Grenzwert in A
hat) und ι2 (M ) dicht in M̃2 liegt.
Für normierte Räume X und Y ist der lineare Raum L(X, Y ) aller linearen beschränkten Abbildungen von (X, k · kX ) nach (Y, k · kY ) mit der
Operatornorm ein normierter Raum. Die Operatornorm eines Elementes
xkY
gegeben. Unsere Forderung,
T ∈ L(X, Y ) ist durch kT k := sup06=x∈X kT
kxkX
dass T beschränkt ist besagt genau, dass die so definierte Norm endlich ist.
(Dass die Operatornorm eine Norm ist folgt durch elementares Nachrechnen.)
Der lineare Raum X ∗ der bezüglich der Operatornorm beschränkten linearen
Abbildungen von X in den Skalarkörper von X heißt Dualraum von X.
Seine Elemente heißen stetige lineare Funktionale.
Beispiel 2.2.5 Der lineare Raum aller Polynome auf dem Intervall [0, 1]
kann mit verschiedenen Normen versehen werden. Unter der Supremumsnorm kpk∞ := supx∈[0,1] |p(x)| ist er ein normierter nicht vollständiger Raum,
denn nach dem Satz von Stone-Weierstraß gibt es für jede auf [0, 1] stetige Funktion f eine gleichmäßig gegen f konvergente Folge von Polynomen.
Diese Folge ist dann eine Cauchyfolge, die wenn f kein Polynom ist, keinen
Grenzwert im Raum der Polynome hat. Betrachtet man statt dem Raum der
Polynome den Raum C[0, 1] der stetigen Funktionen auf [0, 1] mit derselben
Norm, so ist dieser Raum vollständig: Ist nämlich (fn ) eine Cauchyfolge in
C[0, 1], so konvergiert sie auch punktweise, da C bzw. R vollständig sind.
Der punktweise Grenzwert der Folge (fn ) ist aber eine Funktion, die als
gleichmäßiger Grenzwert stetiger Funktionen stetig ist, also in C[0, 1] liegt.
Wir zeigen, dass jeder normierte Raum als dichter Teilraum eines vollständigen normierten Raumes, also eines Banachraumes aufgefasst werden kann,
das heißt dass es zu jedem normierten Raum eine Vervollständigung gibt. Ein
normierter Raum X aufgefasst als metrischer Raum hat nach Satz 2.2.4 eine
37
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Vervollständigung, die bis auf Isometrie eindeutig ist. Wir müssen aber noch
zeigen, dass diese Vervollständigung so mit einer linearen Struktur und einer
Norm versehen werden kann, dass sie ein Banachraum ist und die von dieser
Norm induzierte Metrik mit der Metrik auf der Vervollständigung übereinstimmt. Im Beweis von Satz 2.2.4 haben wir zwar über Proposition 2.2.2 die
Vervollständigung als Teilmenge des Banachraumes `∞ (M ) realisiert, die so
gewonnene Isometrie x 7→ fx ist aber nicht linear!
Satz 2.2.6 Jeder normierte Raum X kann zu einem Banachraum vervollständigt werden. Dieser Banachraum ist bis auf einen isometischen Isomorphismus eindeutig, d.h. für zwei Vervollständigungen X̃1 und X̃2 von X gibt
es einen isometrischen Banachraum-Isomorphismus ι : X̃1 → X̃2 , für den
ι2 = ι ◦ ι1 gilt.
˜ die Vervollständigung von X aufgefasst
Beweis: Wir bezeichnen mit (X̃, d)
als metrischer Raum nach Satz 2.2.4. Für x, y ∈ X̃ und (xn )n , (yn )n Folgen
in X mit ι(xn ) → x, ι(yn ) → y definieren wir Addition und skalare Multiplikation durch x + y := limn ι(xn + yn ) und λx := limn ι(λxn ). Da ι(X)
dicht in X̃ liegt gibt es für x, y ∈ X̃ solche Folgen. Da ι eine Isometrie ist
folgt für ι(xn ) → x, ι(x0n ) → x, ι(yn ) → y, ι(yn0 ) → y:
0
0
0
0
˜
d(ι(x
n + yn ), ι(xn + yn )) = d(xn + yn , xn + yn )
≤ d(xn + yn , xn + yn0 ) + d(xn + yn0 , x0n + yn0 )
= kyn − yn0 k + kxn − x0n k = d(yn , yn0 ) + d(xn , x0n )
0
˜ n ), ι(y 0 )) + d(ι(x
˜
= d(ι(y
n ), ι(x ))
n
˜ n ), y) +
≤ d(ι(y
˜ ι(y 0 ))
d(y,
n
n
0
˜
˜
+ d(ι(x
n ), x) + d(x, ι(xn )) → 0
also ist unsere Definition der Addition unabhängig von der Wahl der gegen
x bzw. y konvergenten Folgen (ι(xn ))n und (ι(yn ))n und somit wohldefiniert.
Es gilt
λ(x + y) = lim ι(λ(xn + yn )) = lim ι(λxn + λyn )
n
n
= lim ι(λxn ) + lim ι(λyn ) = λx + λy.
n
n
Analog verifiziert man (λ + µ)x = λx + µx und λ(µx) = (λµ)x. X̃ wird so
zu einer Abelschen Gruppe mit neutralem Element ι(0), da für ι(xn ) → x
gilt ι(xn ) + ι(−xn ) = ι(0). Damit ist X̃ ein linearer Raum und ι eine lineare
Abbildung von X in X̃.
Wir versehen X̃ durch kxk := limn kι(xn )k mit einer Norm. Man verifiziert
unmittelbar, dass diese Definition unabhängig von der Wahl der Folge in
X für die ι(xn ) gegen x ∈ X̃ konvergiert ist und so tatsächlich eine Norm
definiert wird.
38
2.3. BANACHRÄUME
Es gilt für x, y ∈ X̃ und (xn )n , (yn )n Folgen in X mit ι(xn ) → x, ι(yn ) → y
bezüglich d˜
˜ y) = lim d(ι(x
˜
d(x,
n ), ι(yn )) = lim d(xn , yn ) = lim kxn − yn kX
n
n
n
= lim
kι(xn − yn )kX̃ = kx − ykX̃ .
n
Also stimmt d˜ mit der von der Norm k·kX̃ induzierten Metrik überein womit
X̃ ein Banachraum ist in den X vermöge ι isometrisch eingebettet ist.
Wegen Satz 2.2.4 gibt es zu zwei Vervollständigungen X̃i mit Einbettungen
ιi , i = 1, 2 eine Isometrie ι mit ι2 = ι ◦ ι1 . Für die Eindeutigkeit ist also nur
noch zu zeigen dass jede solche Isometrie ι eine lineare Abbildung ist: Für
(xn )n und (yn )n Cauchyfolgen in X mit ι(xn ) → x, ι(yn ) → y gilt
ι(αx + βy) = lim ι(αxn + βyn ) = αι(x) + βι(y)
n
also ist ι linear.
2.3 Banachräume
Für eine wichtige Klasse linearer Abbildungen folgt die Vollständigkeit bezüglich der Operatornorm aus der Vollständigkeit des Bildraumes. Wir bezeichnen mit L(X, Y ) den linearen Raum aller beschränkten linearen Abbildungen des normierten Raumes X nach Y .
Satz 2.3.1 Ist X ein normierter Raum und Y ein Banachraum, so ist
L(X, Y ) mit der Operatornorm ein Banachraum. Insbesondere ist der Dualraum eines normierten Raumes vollständig.
Beweis: Sei (Tn )n eine Cauchyfolge in L(X, Y ) dann ist (Tn (x))n eine Cauchyfolge in Y , die wegen der Vollständigkeit von Y konvergiert. Wir bezeichnen
diesen Grenzwert mit T (x). Wegen der Linearität der Abbildungen Tn folgt,
dass T : X → Y linear ist. Weiters gilt
kT xk ≤ kTn xk + kT x − Tn xk ≤ kTn kkxk + sup kTn − Tm kkxk.
m≥n
Da (Tn )n eine Cauchyfolge in L(X, Y ) ist gibt es n0 ∈ N mit kTn − Tm k ≤ 1
für n, m ≥ n0 . Für n > n0 folgt also kTn xk ≤ (kTn0 k + 1)kxk und damit dass
T beschränkt ist, also T ∈ L(X, Y ).
Da R und C vollständige lineare Räume sind ist der Dualraum eines normierten Raumes also vollständig.
39
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
1
Für 1 ≤ p < ∞ ist die Abbildung Cc (Rn ) → R+ , f 7→ ( |f |p dλn ) p =:
kf kp eine Norm auf dem linearen Raum Cc (Rn ) der stetigen Funktionen mit
kompaktem Träger, d.h. auf dem Raum aller stetiger Funktionen f für die
der Träger {x ∈ Rn : f (x) 6= 0} kompakt ist. Nach Satz 2.2.6 gibt es eine
Vervollständigung, also einen Banachraum, der eine isometrische Kopie von
Cc (Rn ) enthält, die dicht in diesem Banachraum ist. Dieser Satz gibt uns
aber keine brauchbare explizite Darstellung dieses Banachraumes, etwa als
einen linearen Raum gewisser Funktionen auf Rn .
Da die Abbildung
k · kp auf dem Raum Lp aller S-messbaren Funktionen f ,
R
für die |f |p dλn < ∞ gilt definiert werden kann, liegt es zunächst nahe zu
versuchen die Vervollständigung von Cc als diesen Raum oder einen Teilraum
desselben darzustellen. Auf Lp ist aber k · kp keine Norm, da es Funktionen
0 6= f ∈ Lp gibt, für die kf kp = 0 gilt. Aus der Maßtheorie ist bekannt, dass
das Integral einer nichtnegativen messbaren reellen Funktion genau dann
verschwindet, wenn f µ-fast überall verschwindet. Auf Lp wird durch f ∼ g
für f = g µ-fast überall eine Äquivalenzrelation definiert. Die algebraischen
Operationen des linearen Raumes Lp können auf Lp /∼ übertragen werden,
indem wir diese Operation auf Repräsentanten der Äquivalenzklassen anwenden, wenn wir zeigen, dass die Äquivalenzklasse des Bildes unabhängig
von der Wahl der Repräsentanten ist. Dies ist sowohl für die Addition, als
auch skalare Multiplikation unmittelbar klar. Danach verifizieren wir, dass
unter diesen Operationen Lp ein linearer Raum ist, auf dem die Norm k · kp
durch k[f ]∼ kp := kf kp erklärt wird, da diese Definition von der Wahl des Repräsentanten f aus [f ] unabhängig ist. Damit haben wir den linearen Raum
Lp := Lp /∼ zu einem normierten Raum gemacht.
Aus der Maßtheorie ist bekannt (KU Satz 13.16), dass für jeden Maßraum
(Ω, S, µ) k·kp eine Norm und der Raum Lp vollständig ist. Wir werden zeigen,
dass für 1 ≤ p < ∞ der Banachraum Lp (Rn , λn ) als die Vervollständigung
von Cc (Rn ) aufgefasst werden kann.
Für die Supremumsnorm ist die Vervollständigung von Cc (Rn ) relativ leicht
als der Raum C0 (Rn ) zu erkennen, das ist der Raum „aller im Unendlichen
verschwindenden“ stetigen Funktionen, d.h. der Raum aller stetigen Funktionen auf Rn , für die es zu jedem > 0 eine kompakte Menge K gibt, für
die sup{|f (x)| : x ∈ Rn \ K } < gilt, gibt.
Für p = ∞ definieren wir den Raum L∞ (Ω, S, µ) als den Raum aller Smessbaren Funktionen f , für die es eine µ-Nullmenge N gibt, sodass f auf
Ω\N beschränkt ist. Wir bilden dann wie zuvor die Äquivalenzklassen µ-fast
überall gleicher Funktionen, zeigen wie zuvor, dass die für die Elemente dieser
Äquivalenzklassen definierten algebraischen Operationen erlauben diese auf
den Äquivalenzklassen zu erklären womit auch die Menge dieser Äquivalenzklassen zu einem linearen Raum wird. Schließlich können wir auch auf diesen
Äquivalenzklassen die Norm k[f ]∼ k∞ als das essentielle Supremum von f
R
40
2.3. BANACHRÄUME
erklären, da dieses von der Wahl des Repräsentanten f aus [f ]∼ unabhängig
ist:
kf k∞ := inf{sup{|f (x)| : x ∈ Ω \ N } : µ(N ) = 0}.
So wird auch der Raum L∞ := L∞ /∼ zu einem Banachraum.
Es stellt sich also heraus, dass obwohl zur Definition des Raumes (Cc (Rn ), k ·
kp ) nur das Riemannintegral notwendig ist, die Vervollständigung dieses
Raumes nur durch Äquivalenzklassen von in der p-ten Potenz Lebesgueintegrierbaren Funktionen dargestellt werden kann. Wir sehen also, dass es im
Allgemeinen eine nichttriviale Aufgabe ist, eine brauchbare Darstellung der
Vervollständigung eines normierten Raumes zu finden.
Unter einem komplexen Maß auf einem Messraum (Ω, S) verstehen wir
eine Abbildung µ von S nach C, die µ(∅) = 0 erfüllt und σ-additiv ist,
P
d.h. µ(∪i Ai ) = i µ(Ai ) für jede höchstens abzählbare Familie paarweise
disjunkter Mengen Ai aus S. Stellen wir µ als Real und Imaginärteil dar, so
lässt sich µ eindeutig als µ = ν1 + iν2 mit signierten endlichen Maßen ν1 , ν2
darstellen. Unter Verwendung der Hahn-Zerlegung können wir ν1 und ν2 als
Differenz endlicher Maße darstellen: νi = νi+ − νi− , i = 1, 2. Diese Zerlegung
µ = ν1+ − ν1− + iν2+ − iν2− ist sogar eindeutig, wenn wir fordern, dass für
i = 1, 2 die Maße νi+ und νi− zueindander singulär sind. Wir definieren
Z
f dµ :=
Z
Ref dν1+ −
+i
Z
Ref
Z
dν2+
Ref dν1− −
−
Z
Ref
Z
dν2−
Imf dν2+ +
+
Z
Imf
Z
dν1+
Imf dν2−
−
Z
Imf
dν1−
für alle messbaren komplexwertigen Funktionen f für die alle Integrale auf
der rechten Seite endlich sind.
Für ein komplexes Maß µ ist die Totalvariation |µ| das endliche Maß
P
|µ|(E) = sup{ i |µ(Ei )|}, wobei das Supremum über alle messbaren Partitionen (Ei )i∈N von E gebildet wird. |µ| ist tatsächlich ein Maß, denn |µ|(∅) =
0 wegen µ(∅) = 0. Für eine disjunkte messbare Partition (El )l der disjunkten
Vereinigung A := ∪i Ai messbarer Menge Ai ist (El ∩Ai )(i,l)∈N2 eine messbare
Partition von A mit
X
|µ(El )| =
l
X X
µ(Ai
=
XX
i
X
|µ(Ai ∩ El )| ≤
X
i
l
∩ El ) ≤
|µ(Ai ∩ El )|
i,l
|µ|(Ai ).
i
l
Es folgt |µ|(A) = sup l |µ(El )| ≤ i |µ|(Ai ). Andererseits ist für messbare
Partitionierungen (Eli )i von Ai (Eli )(i,l)∈N2 eine messbare Partitionierung von
P
A woraus i |µ|(Ai ) ≤ |µ|(A), also insgesamt die σ-Additivität |µ|(A) =
P
|µ|(Ai ) folgt.
P
P
41
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Für µ1 und µ2 komplexe Maße auf (X, S) ist auch αµ1 + βµ2 ein komplexes
Maß, komplexe Maße bilden also einen linearen Raum. Wir definieren die
Variationsnorm kµk eines komplexen Maßes µ auf (Ω, S) als kµk := |µ|(Ω).
Man verifiziert unmittelbar |λµ| = |λ||µ| und |λ+µ| ≤ |λ|+|µ|. Weiters folgt
aus |µ(Ω)| = 0 auch µ(A) = 0 für alle messbaren Teilmengen A von Ω, also
µ = 0. Die Variationsnorm macht also den linearen Raum der komplexen
Maße zu einem normierten Raum (M, k · k).
Satz 2.3.2 Unter der Variationsnorm ist der Raum (M, k · k) aller komplexen Maße auf einem Messraum (X, S, Ω) ein Banachraum.
Beweis: Wir haben die Vollständigkeit von (M, k · k) zu zeigen.
Sei (µn )n∈N eine Cauchyfolge in M. Wir definieren eine Mengenfunktion µ
auf S durch µ(A) := limn µn (A). Dieser Grenzwert existiert, da für A aus S
die Folge (µn (A))n eine Cauchyfolge in C ist, wenn (µn ) eine Cauchyfolge in
(M, k · k) ist. Offensichtlich gilt µ(∅) = 0.
Da (µn ) eine Cauchyfolge in (M, k · k) ist, gibt es ein n0 ∈ N, sodass für jede
Folge paarweise disjunkter Mengen (Ai )i
X
|(µn − µm )(Ai )| < k(µn − µm )k < /6 für n, m ≥ n0
(2.5)
i
gilt. Für eine Folge (Ai )i∈N paarweise disjunkter Mengen und dieses n0 könP
nen wir aufgrund der Konvergenz von i∈N |µn0 (Ai )| ein i0 wählen, sodass
P
i>i0 |µn0 (Ai )| < /6 gilt, womit wegen der σ-Additivität von µn und (2.5)
|µn (∪i>i0 Ai )| ≤
X
|µn (Ai )| ≤
i>i0
X
i>i0
|µn0 (Ai )| +
X
|(µn0 − µn )(Ai )|
i>i0
</6 + /6 = /3
(2.6)
für alle n ≥ n0 folgt.
Aufgrund seiner Definition ist µ eine endlich additive Mengenfunktion, also
gilt
X
µ(∪i∈N Ai ) −
µ(A
)
i i∈N
= µ(∪i>i0 Ai ) −
≤
X
i>i0
µ(Ai )
X
|µ(∪i>i0 Ai )| + i>i0
µ(Ai ).
(2.7)
Aus der Definition von µ folgt, dass es ein n1 mit |(µ − µn )(∪i>i0 Ai )| <
/3 ∀n ≥ n1 gibt. Damit und mit (2.6) folgt für n ≥ max(n0 , n1 )
|µ(∪i>i0 Ai )| ≤ |(µ − µn )(∪i>i0 Ai )| + |µn (∪i>i0 Ai )| ≤ 2/3.
42
(2.8)
2.4. FALTUNG
Mit (2.6) erhalten wir auch
X
i>i0
µ(Ai )
≤
|µ(Ai )| = lim
X
N →∞
i>i0
N
X
= lim lim
N →∞ n→∞
N
X
|µ(Ai )|
i=i0 +1
|µn (Ai )| ≤ /3
i=i0 +1
und daraus mit (2.7) und (2.8)
X
µ(∪i Ai ) −
µ(A
)
i ≤ .
i
Da beliebig war folgt die σ-Additivität von µ. µ ist also ein komplexes Maß.
Aus (2.5) erhalten wir
N
X
|(µ − µn )(Ai )| = lim
N
X
m→∞
i=1
|(µm − µn )(Ai )|
i=1
≤ lim sup
m→∞
∞
X
|(µm − µn )(Ai )| < /6
i=1
für alle N ∈ N, n ≥ n0 und alle messbaren Partitionen (Ai )i , woraus
i=1 |(µ − µn )(Ai )| ≤ /6 ∀n ≥ n0 und alle Partitionen folgt. Also konvergiert (µn )n gegen µ.
P∞
2.4 Faltung
Für Lebesgue-messbare Funktionen f, g : Rn → C definieren wir die Faltung f ∗ g durch
f ∗ g(x) :=
Z
Rn
f (x − y)g(y) dλn (y)
falls dieses Integral für λn -fast alle x ∈ Rn existiert.
Wegen der Stetigkeit der Abbildung Rn × Rn → Rn : (x, y) 7→ x − y ist
diese Abbildung messbar und für jede messbare Funktion f : Rn → Rn ist
die Funktion Rn × Rn : (x, y) 7→ f (x − y) messbar. Klarerweise ist auch
für jede messbare Funktion g : Rn → Rn die Funktion g̃ : Rn × Rn →
Rn , g̃(x, y) = g(y) messbar. Aus dem Satz von Fubini folgt, dass wenn die
Funktion
(x, y) 7→ f (x − y)g(y) integrierbar auf Rn × Rn ist, die Funktion
R
x → Rn f (x−y)g(y) dλn (y) für fast alle x existiert und integrierbar ist. Aus
dem Satz von Fubini folgt auch die Integrierbarkeit dieser Funktion, mit
kf ∗ gk1 =
Z
=
Z
Rn
Rn
|f ∗ g(x)| dλ (x) ≤
n
Z
Rn
Z
Rn
Z
Rn
|f (x − y)||g(y)| dλn (y) dλn (x)
|f (x − y)| dλn (x)|g(y)| dλn (y) = kf k1 kgk1 < ∞. (2.9)
43
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Also ist die Faltung zweier integrierbarer Funktionen definiert und integrierbar. Mathematisch nicht korrekt aber wegen der kompakteren Formulierung
sprechen wir auch von der Faltung zweier Funktionen aus L1 (Rn ), womit
wir eigentlich meinen, dass die für integrierbare Funktionen definierte Faltung über Repräsentanten als Operation auf den Äquivalenzklassen des L1
aufgefasst werden kann. Hierfür müssen wir uns nur überlegen, dass die so
definierte Operation als Funktion zwar nicht unabhängig von der Wahl der
Repräsentanten ist, das Faltungsprodukt jedoch für jede Wahl von Repräsentanten in der gleichen Äquivalenzklasse liegt. Die Faltung ist also als
Abbildung von L1 × L1 nach L1 wohldefiniert.
Mit ähnlichen Überlegungen zeigt man dass die Faltung als Abbildung von
L1 × L∞ nach L∞ definiert ist.
Für z ∈ Rn ist die Translation τz f einer Funktion f durch τz f (x) = f (x−z)
definiert.
Proposition 2.4.1 Für f, g, h ∈ L1 (Rn ) gilt
◦ f ∗g =g∗f
◦ (f ∗ g) ∗ h = f ∗ (g ∗ h)
◦ τz (f ∗ g) = (τz f ) ∗ g = f ∗ (τz g)
◦ supp(f ∗ g) ⊆ {x + y : x ∈ supp(f ), y ∈ supp(g)}
Beweis: Die ersten Behauptungen verifiziert man unmittelbar durch Nachrechnen.
Die vierte Behauptung folgt wegen
f ∗ g(x) 6= 0 ⇒ ∃y : f (x − y) 6= 0 ∧ g(y) 6= 0
⇒ x ∈ y + supp(f ) ∧ y ∈ supp(g) ⇒ x ∈ supp(f ) + supp(g).
Die Faltung f ∗ g kann für positive g mit kgk1 = 1 als Mittelung interpretiert
werden, d.h. f ∗g(x) ist das bezüglich der Gewichtsfunktion g gebildete Mittel
von f an x.
|α|
Mit Dα bezeichnen wir die partielle Ableitung ∂ α1∂···∂ αn der Ordnung |α| :=
Pn
0
n
n
n
i=1 αi , mit C (R ) den Raum C(R ) der stetigen Funktionen auf R .
Proposition 2.4.2 Für f ∈ L1 (Rn ) und g ∈ Cck (Rn ) mit 0 ≤ k ≤ ∞ gilt
f ∗ g ∈ C0k (Rn ). Für |α| ≤ k gilt
Dα (f ∗ g)(x) =
44
Z
f (y)Dα g(x − y) dλn (y).
(2.10)
2.4. FALTUNG
Beweis: Für g ∈ Cc1 folgt mit Satz 2.1.7 wegen
∂g
f (y)
(x − y)
∂xi
≤
∂g |f (y)| ∂xi ,
∞
∗g
∂g
dass f ∗g differenzierbar mit ∂f
(x) = f (y) ∂x
(x−y) dλn (y) ist und durch
∂xi
i
wiederholtes Anwenden von Satz 2.1.7 folgt (2.10).
R
Ist g aus Cc (Rn ), so ist g sogar gleichmäßig stetig, d.h. |g(z) − g(w)| < für
|z − w| ≤ δ, womit folgt
Z
|f ∗ g(x) − f ∗ g(x + z)| = ≤
Z
f (y)(g(x − y) − g(x + z − y)) dλn (y)
|f (y)| dλn (y).
Also ist f ∗ g stetig für g ∈ Cc (Rn ). Wegen |f ∗ g(x)| ≤ x+supp(g) |f | dλn folgt
R
wegen limr→∞ Rn \B(0,r) |f | dλn = 0 f ∗ g ∈ C0k (Rn ) für g ∈ Cck (Rn ).
R
Die Faltung mit einer differenzierbaren Funktion ist also zugleich eine Glättung, d.h. f ∗ g ist aus C n für f ∈ L1 und g ∈ Ccn . Will man eine Funktion
durch Faltung durch eine glatte Funktion approximieren, so liegt es nahe
für den Faltungskern g eine Funktion zu wählen die möglichst kleinen Träger und möglichst hohe Differenzierbarkeitsordnung hat. Wir werden sehen,
dass es sogar C ∞ -Funktionen mit kompaktem Träger gibt. Klarerweise gibt
es keinen kleinsten möglichen Träger, deshalb betrachten wir eine Familie
(ηδ )δ , δ > 0 von C ∞ -Funktionen mit Träger in B(0, δ) und zeigen zuerst die
Existenz solcher Funktionen:
Lemma 2.4.3 Die Funktion
fρ (x) =

−ρ2
exp
|x| < ρ
0
|x| ≥ ρ
ρ2 −|x|2
ist in C ∞ (Rn ) mit Träger B(0, ρ).
Beweis: Es genügt die Aussage für ρ = 1 zu beweisen: f1 hat klarerweise
Träger B(0, 1) und ist stetig, ist also in Cc (Rn ). Durch vollständige Induktion
folgt unmittelbar, dass
Dα f (x) = rα (x)f1 (x)
für |x| < 1 und eine rationale Funktion r(x) = pα (x)/(1 − |x|2 )|α|+1 , pα
Polynom in x1 , . . . , xn gilt. Da q(s)e−s → 0 für s → ∞ und jedes Polynom q
folgt für |x0 | = 1: |x − x0 | ≥ 1 − |x| und damit für |x| ≤ 1:
2(|x − x0 | ≥ 2(1 − |x|) ≥ (1 + |x|)(1 − |x|) = 1 − |x|2
45
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
und somit
1
1
(Dα f (x) − Dα f (x0 )) = x→x
lim
Dα f (x)
0 |x − x0 |
0 |x − x0 |
!
1
pα (x)
−1
= lim
exp
x→x0 |x − x | (1 − |x|2 )|α|+1
1 − |x|2
0
!
2pα (x)
−1
exp
= 0.
≤ x→x
lim
2
|α|+2
0 (1 − |x| )
1 − |x|2
lim
x→x
f1 ist also in C ∞ .
Unter einer Approximativen Einheit oder einem Mollifier verstehen wir
eine Familie (ηδ )δ von Funktionen mit ηδ (x) := δ −n η( 1δ x), wobei
◦ η ∈ Cc∞ , supp(η) ⊆ B(0, 1)
◦ η(x) ≥ 0
◦
R
Rn
η dλn = 1.
Gilt darüberhinaus η(x) = η(y) für |x| = R|y| so heißt der Mollifier symmetrisch. Eine mögliche Wahl für η wäre ( f dλn )−1 f mit der Cc∞ -Funktion
aus Lemma 2.4.3. Wir werden im Folgenden jedoch nie explizit mit diesen
Funktionen rechnen, sondern nur diese Familie von Faltungskernen für Approximationsargumente verwenden wie in Satz 2.5.2.
Für eine Teilmenge A eines metrischen Raumes X und x ∈ X definieren wir
den Abstand dist(x, A) von x zu A als inf{d(x, a) : a ∈ A}.
Proposition 2.4.4 Für f ∈ L1 (Rn ) und eine approximative Einheit (ηδ )δ
gilt für alle x ∈ Rn : |f ∗ ηδ (x)| ≤ kf k1 .
Für f ∈ L∞ (Rn ) gilt für alle x ∈ Rn : |f ∗ ηδ (x)| ≤ kf k∞ .
Für dist(x, supp(f )) ≥ δ gilt f ∗ ηδ (x) = 0.
Ist f konstant auf einer Menge C mit Wert c, so gilt für dist(x, C { ) ≥ δ
f ∗ ηδ (x) = c.
Beweis: Die Behauptungen sind unmittelbare Folge der Definition der Faltung bzw. von Proposition 2.4.1 und den Eigenschaften einer approximativen
Einheit.
2.5 Lp-Räume
Den Elementen des Lp , d.h. den Äquivalenzklassen messbarer zur p-ten Potenz integrierbarer Funktionen kann man schwer direkt Eigenschaften ablesen, da die Konstruktion dieser Äquivalenzklassen sowie die von messbaren
46
2.5. LP -RÄUME
Funktionen nicht explizit die Elemente des Lp darstellt. Wir werden deshalb zum Nachweis gewisser Eigenschaften von Elementen des Lp diese Eigenschaften für eine dichte Teilmenge nachweisen und dann versuchen mit
Stetigkeitsargumenten auf die Gültigkeit dieser Eigenschaft für alle Elemente des Lp zu schließen. In Abhängigkeit von der untersuchten Eigenschaft
werden wir also versuchen passende dichte Teilräume zu finden für die die
entsprechende Aussage leicht zu verifizieren ist.
Es sei ER (EC ) der Raum aller reell oder komplex-wertigen einfachen FunkP
tionen auf Rn . Das ist der lineare Raum aller Funktionen der Art i∈F ai 1Ai
mit einer endlichen Indexmenge F , Lebesgue-messbaren Mengen Ai mit
λn (Ai ) < ∞ und Koeffizienten ai ∈ R (ai ∈ C).
Mit SR (SC ) bezeichnen wir den linearen Raum aller Funktionen der Art
i∈F ai 1Wi mit einer endlichen Indexmenge F , halboffenen dyadischen Würfeln Wi = ×nl=1 [ki,l 2−m , (ki,l + 1)2−m ) mit ki,l ∈ Z, m ∈ N und ai ∈ R
(ai ∈ C).
P
Satz 2.5.1 Für 1 ≤ p < ∞ sind die Räume ER , SR und Cc∞ (Rn , R) dicht in
Lp (Rn , R) und die Räume EC , SC und Cc∞ (Rn , C) dicht in Lp (Rn , C).
In L∞ sind die Teilräume einfacher Funktionen
mit ai ∈ R resp. C dicht.
P
i∈F
ai 1Ai mit λn (Ai ) ≤ ∞
Beweis: Da jede komplexwertige Funktion f als g1 + ig2 mit g1 , g2 reell
dargestellt werden kann genügt es den Beweis für reellwertige Funktionen zu
führen.
Wir bezeichnen mit Lp den Raum aller messbaren Funktionen auf Rn , deren
p-te Potenz integrierbar ist. k · kp ist auf Lp eine Seminorm und Lp = Lp /K
mit K = {f ∈ Lp : kf kp = 0}.
Wir haben zu zeigen, dass es
für f ∈ Lp und > 0 eine Funktion g ∈ SR gibt
R
mit kf − gkp < , also mit |f − g|p dλn < p . Da jede messbare reellwertige
Funktion als Summe einer positiven und einer negativen messbaren Funktion
dargestellt werden kann, dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass f ≥ 0 gilt.
Eine positive integrierbare Funktion ist aber der monotone
Grenzwert einer
R p
Folge (gm )m von Funktionen aus SR , d.h. gm ↑ f . Wegen f dλn < ∞ und
f − gm ≤ f folgt aus dem Satz der dominierten Konvergenz
lim
m
Z
Rn
(f − gm )p dλn =
Z
Rn
lim
(f − gm )p dλn =
m
Z
Rn
0 dλn = 0.
Damit liegt ER dicht in Lp .
Um zu sehen, dass auch SR dicht in Lp liegt genügt es zu zeigen, dass jede
Funktion aus ER bezüglich der Lp -Norm beliebig genau durch Funktionen
aus SR approximiert werden kann. Hierfür reicht es diese Approximationseigenschaft für charakteristische Funktionen 1A , A Lebesgue-messbar mit
47
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
λn (A) < ∞ zu zeigen. Der Ring der dyadischen Würfel erzeugt aber die σAlgebra der Borelmengen, da jede offene Menge als abzählbare Vereinigung
von dyadischen Würfeln dargestellt werden kann. Nach dem Approximationssatz (vgl. [KU 4.24]) gibt es also für > 0 eine Menge C aus dem Ring der
endlichen Vereinigungen
dyadischer halboffener Würfel mit λn (A∆C ) < .
R
Damit gilt aber Rn |1A − 1C |p dλn ≤ . Wegen 1C ∈ SR folgt, dass SR dicht
in Lp liegt.
Um zu sehen dass Cc∞ dicht in Lp liegt, genügt es nun zu zeigen dass die charakteristische Funktionen eines dyadischen Würfels W = ×nl=1 [kl 2−m , (kl +
1)2−m ) in der Lp -Norm durch Funktionen aus Cc∞ approximiert werden können. Nach Proposition 2.4.2 ist 1W ∗ ηδ aus C ∞ und wegen Proposition 2.4.1
hat 1W ∗ ηδ kompakten Träger. Aus Proposition 2.4.4 folgt 0 ≤ 1W ∗ ηδ ≤ 1
sowie 1W ∗ ηδ (x) = 1 für x ∈ W, dist(x, ∂W ) ≥ δ und 1W ∗ ηδ (x) = 0 für
x ∈ W { , dist(x, ∂W ) ≥ δ. Wegen
λn ({y : dist(y, ∂W ) ≤ δ}) ≤ (2−m + 2δ)n − (2−m − 2δ)n ≤ 4δn(2−m + 2δ)n
für δ ≤ 2−m−1 folgt k1W ∗ ηδ − 1W kpp ≤ λn ({y : dist(y, ∂W ) ≤ δ}) → 0 für
δ → 0.
Die entsprechende Aussage für komplexwertige Funktionen folgt aus der Minkowski-Ungleichung wegen
kf − gkpp =
Z
|f − g|p dλn =
Z
(Re(f − g)2 + Im(f − g)2 )p/2 dλn
p
p
p
2
2
2
=kRe(f − g)2 + Im(f − g)2 k p2 ≤ kRe(f − g)2 k p2 + kIm(f − g)2 k p2
=
Z
Re(f − g)p dλn +
Z
Im(f − g)2 dλn
=kRe(f − g)kpp + kIm(f − g)kpp
aus der entsprechenden Aussage für reellwertige Funktionen.
Jede im Wesentlichen beschränkte Funktion kann bis auf eine Nullmenge durch einfache Funktionen approximiert werden, da für eine beschränkte
Funktion f gilt
|f (x) − [nf (x)]/n| ≤ 1/n.
Hieraus folgt die entsprechende Aussage für komplexwertige Funktionen. Satz 2.5.2 Für 1 ≤ p < ∞ und f ∈ Lp ist die Translation Rn → Lp , z 7→
τz f eine stetige Abbildung.
Beweis: Für f ∈ Lp und > 0 wählen wir eine Funktion g ∈ Cc∞ mit
kf − gkp ≤ /3, was nach Satz 2.5.1 möglich ist. g ist als stetige Funktion mit kompaktem Träger gleichmäßig stetig, also gibt es ein δ > 0 mit
48
2.5. LP -RÄUME
kg − τz gkp < /3 für |z| < δ. Es folgt mit der Dreiecksungleichung und der
Translationsinvarianz der Lp -Norm
kf −τz f kp ≤ kf −gkp +kg −τz gkp +kτz g −τz f kp = 2kf −gkp +kg −τz gkp ≤ für |z| < δ.
Das folgende Lemma sagt dass die Höldersche Ungleichung nicht verbessert
werden kann,
beziehungsweise dass die Operatornorm der Abbildung Lp →
R
C, h 7→ hg dλn genau die Lq -Norm von g ist.
Lemma 2.5.3 Sei 1 ≤ p ≤ ∞ und h ∈ Lp . Gilt für q := p/(p − 1) (q = ∞
für p = 1 und q = 1 für p = ∞) und alle g ∈ Lq die Ungleichung
Z
hg dλn ≤ Ckgkq ,
so folgt khkp ≤ C.
Beweis: Wir schreiben h(x) = eiϕ(x) |h(x)| und definieren die Funktion
g(x) := e−iϕ(x) |h(x)|p/q womit wir wegen 1 + p/q = p für 1 < p < ∞
khkpp
=
Z
p
n
|h| dλ
≤Ckgkq = C
p− pq
erhalten. Es folgt khkp
Z
n
= hg dλ Z p/q q
|h|
n
dλ
1
q
p
= Ckhkpq
= khkp ≤ C.
Für p = 1 setzen wir g(x) := e−iϕ(x) und für p = ∞ g(x) := e−iϕ(x) 1A für
A ∈ S, λn (A) < ∞.
Satz 2.5.4 Für 1 ≤ p < ∞ und f ∈ Lp gilt für jeden Mollifier (ηδ )δ
kf − f ∗ ηδ kp →δ→0 0.
Beweis: Für eine Funktion g ∈ Lq , (q = p/(p−1) für 1 < p < ∞, bzw q = ∞
für p = 1) gilt mit dem Satz von Fubini, der Hölderschen Ungleichung und
Satz 2.5.2
Z
Z Z
n
n
(f − f ∗ ηδ )g dλn = (f
(x)
−
f
(x
−
y))η
(y)
dλ
(y)g(x)
dλ
(x)
δ
Z Z
= (f (x) − f (x − y))g(x) dλn (x)ηδ (y) dλn (y)
Z
≤
kf − τy f kp kgkq ηδ (y) dλn (y) ≤ sup kf − τy f kp kgkq ≤ kgkq
|y|≤δ
49
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
für δ < δ0 (). Mit Lemma 2.5.3 folgt kf − f ∗ ηδ kp ≤ für δ < δ0 (), also
kf − f ∗ ηδ kp → 0 für δ → 0.
Speziell im folgenden Kapitel über Fourierreihen müssen wir einige dieser
Sätze von R auf den Torus T übertragen. Der Torus ist als der Quotientenraum R/2πZ definiert. Zugleich wird durch das Lebesguemaß auf [−π, π)
und die kanonische Abbildung ι[−π, π) → T, x 7→ x + 2πZ ein Maß auf T
induziert. Man kann T topologisch und maßtheoretisch mit dem komplexen
Einheitskreis identifizieren. Für die Übertragung der vorangegangenen Ergebnisse ist es aber zweckmäßig Funktionen f auf T in kanonischer Weise mit
2π-periodischen Funktionen f˜ auf R zu identifizieren: f (x) = f˜(ι−1 (x)) und
verwenden für beide Funktionen das gleiche Symbol f . Die Faltung zweier
2π-periodischer, auf [−π, π) integrierbarer Funktion f, g kann so durch
f ∗ g(x) =
Z π
−π
f (x − t)g(t) dt
definiert werden, wobei wahlweise über jedes andere Intervall der Länge 2π
integriert werden kann.
Viele der für R gewonnenen Ergebnisse lassen sich auf T übertragen . Wir
zeigen im folgenden Unterkapitel über Orthogonalreihen die Stetigkeit der
Translation in L1 (T) (Raum der Äquivalenzkl.
aller 2π-periodischen FunkR
tionen auf R mit Norm kf kL1 (T) = [−π,π) |f (t) dt).
2.6 Hilberträume
In Verallgemeinerung des Euklidischen Rn (Cn ) kann man Skalrprodukträume beliebiger Dimension definieren: Auf einem R oder C-linearen Raum X
heißt eine positiv definite schiefsymmetrische Sesquilinearform Skalarprodukt. Wir betrachten im Folgenden nur den Fall eines C-linearen Skalrproduktraumes, alle Sätze gelten aber auch für R-lineare Skalarprodukträume.
Ein Skalrprodukt ist also eine Abbildung X × X → C, die wir mit (x, y)
bezeichnen und für x, y ∈ X; λ ∈ C
i) (x + y, z) = (x, y) + y, z)
ii) (λx, y) = λ(x, y)
iii) (x, y) = (y, x)
iv) (x, x) > 0 für x 6= 0.
erfüllt. Aus iii) folgt dass (x, x) immer reell ist, aus ii) folgt (0, 0) = 0 und
aus i), ii) und iii) folgt dass das Skalarprodukt konjugiert linear im zweien
Argument ist. Ein linearer Raum mit Skalarprodukt heißt Skalarproduktraum.
50
2.6. HILBERTRÄUME
q
Durch kxk := (x, y) wird auf x durch das Skalarprodukt eien Norm definiert: Nur die Dreiecksungleichung ist nicht unmittelbar klar, d.h. wir müssen
zeigen dass kx + yk ≤ kxk + kyk gilt. Wegen Re(x, y) ≤ |(x, y)| folgt dies
aber nach Quadratur aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung.
Ist der Skalarptoduktraum X bezüglich dieser Norm vollständig, so heißt
er Hilbertraum und wird üblicherweise mit H bzeichnet. Unter der Norm
in einem Skalarproduktraum verstehen wir immer diese soeben über das
Skalarprodukt definierte Norm.
Es gilt die
Satz 2.6.1 (Cauchy-Schwarz-Ungleichung) : In einem Skalarproduktraum
X gilt
|(x, y)| ≤ kxk · kyk ∀x, y ∈ X ∀x, y ∈ X,
wobei Gleicheit genau dann git, wenn x und y linear abhängig sind.
Beweis: Der Beweis überträgt sich ohne Änderungen vom endlichdimensionalen Fall:
Wegen ii) und iii) gilt für alle λ ∈ R:
(x + λy, x + λy) = λ2 (y, y) + 2Re(x, λy) + (x, x) = (x + λy, x + λy) ≥ 0.
Diese quadratische Gleichung in λ darf also höchstens eine Nullstelle haben,
was genau für (Re(x, y))2 − (x, y)(y, y) ≤ 0 der Fall ist. Ersetzen wir y
durch ỹ := ei arg(x,y) y, so gilt Re(x, ỹ) = |(x, y)| und (ỹ, ỹ) = (y, y) und die
Ungleichung folgt. Wegen iv) gilt Gleicheit genau für x + λy = 0, also für
x, y linear abhängig.
Korollar 2.6.2 Das Skalarprodukt ist stetig als Abbildung von X × X nach
C. (X × X ist mit der Produkttopologie versehen).
Beweis: Mit der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt
|(x, y)−(x0 , y0 )| = |(x − x0 , y) + (x0 , y − y0 )|
≤kx − x0 kkyk + kx0 kky − y0 k
≤kx − x0 kky − y0 k + kx − x0 kky0 k + kx0 kky − y0 k
und hieraus die Stetigkeit aus der Stetigkeit der Norm (Dreiecksungleichung).
Ein Skalarproduktraum kann als normierter Raum gemäß Satz 2.2.6 zu einem Banachraum vervollständigt werden. Ähnlich wie im Beweis von atz
2.2.6 zeigt man, dass auf dieser Vervollständigung H ein Skalarprodukt
51
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
als limn→∞ (xn , yn ) für ι(xn ) → x̃, ι(yn ) → ỹ definiert wird. Dieses ist
gleichmäßig stetig von H × H nach C, wenn H × H etwa mit der Metrik
d((x1 , y1 ), (x2 , y2 )) = kx1 − x2 k + ky1 − y2 k versehen wird. (Hier bezeichnet
(xi , yi ) ein Element von H × H und nicht das Skalarprodukt!)
Beispiel 2.6.3 Auf dem reell oder komplex-linearen Folgenraum `2 aller
quadratisch integrierbaren reell oder komplexwertigen Folgen wird durch
((ai )i∈N , (bi )i∈N ) :=
X
ai b̄i
i∈N
ein Skalarprodukt definiert. Wir bezeichnen diesen Skalarproduktraum mit
`2 (N) und seine Norm mit k · k2 und zeigen dass er vollständig, also ein
Hilbertraum ist: Für aj := (aj,i )i∈N gilt
kak − al k2 =
X
|ak,i − al,i |2 ≥ |ak,j − al,j |2
∀j ∈ N.
i∈N
Ist also (ak )k∈N eine Cauchyfolge in `2 so konvergieren für alle j ∈ N die
Folgen (ak,j )k∈N . Wir bezeichnen die Folge der Grenzwerte mit a0 und zeigen
dass a0 ∈ `2 und kak − a0 k2 → 0 für k → ∞ gilt. Für endliche Summen gilt
nach der Dreiecksungleichung
1/2

X

|a0,i |2 
1/2

≤
X
+
|ak,i |2 
X
|ak,i − a0,i |2 
.
i≤n
i≤n
i≤n
1/2

Wegen |ak,i − a0,i | → 0 für k → ∞ und alle i ∈ N konvergiert der zweite
1/2
P
2
Summand rechts gegen 0. Zugleich gilt
≤ kak k2 . Da (ak ) eien
i≤n |ak,i |
2
Cauchyfolge in ` ist, ist {kak k2 : k ∈ N} durch eine von n unabhängige
Konstante C beschränkt. Damit folgt mit k → ∞
1/2

X

|a0,i |2 
≤ C,
i≤n
also die Konvergenz von
P
i∈N
|a0,i |2 .
Für endliche Summen gilt
X
i≤n
|ak,i − a0,i |2 )1/2 = lim
l→∞
X
|ak,i − al,i |2 )1/2
i≤n
≤ lim sup
l→∞
X
|ak,i − al,i |2 )1/2 .
i∈N
Da (ak )k∈N eine Cauchyfolge ist folgt die bezüglich n gleichmäßige Konvergenz gegen 0 der rechten Seite für k → ∞ und damit kak − a0 k2 → 0 für
k → ∞.
52
2.6. HILBERTRÄUME
Für (x, y) = 0 folgt unmittelbar
kx + yk2 = kxk2 + kyk2
(Satz von Pythagoras).
Gilt für eine Familie (ei )i∈I (ei , ej ) = 0 für i 6= j und kei k = 1 ∀i ∈ I, so
heißt (ei )i∈I Orthonormalsystem.
Sei (ei )i∈I ein Orthonormalsystem in H und M der Abschluss der linearen
Hülle von {ei : i ∈ I}. Für endliche Teilmengen E von I sind die linearen
P
Abbildungen PE : H → M, PE x := i∈E (x, ei )ei definiert. Man verifiziert
unmittelbar, dass (PE x − x, ei ) = 0 für i ∈ E und damit
(PE x − x, y) = 0
für y ∈ M insbes. f. y = PE x.
(2.11)
Diese Aussage gilt zunächst für Linearkombinationen y von Vektoren ei , ∈
E und wegen der Stetigkeit des Skalarproduktes (Korollar 2.6.2) auch für
y ∈ M . Mit dem Satz von Pythagoras folgt wegen (2.11)
kxk2 =kx − PE x + PE xk2 = kx − PE xk2 + kPE xk2
≥kPE xk =
2
X
(2.12)
|(x, ei )| .
2
i∈E
Damit konvergiert die Reihe
X
|(x, ei )|2 = sup
X
E i∈E
i∈I
P
i∈I
|(x, ei )|2 unbedingt mit
|(x, ei )|2 ≤ kxk2 . (Bessel’sche Ungleichung)
Satz 2.6.4 Sei (ei )i∈I ein Orthonormalsystem in H und M der Abschluss
der linearen Hülle von {ei : i ∈ I}. Dann sind für x ∈ H äquivalent:
i) x ∈ M
ii)
P
i∈I
iii) x =
|(x, ei )|2 = kxk2 (Parceval’sche Gleichung)
i∈I (x, ei )ei
P
(unbedingte Konvergenz)
Beweis: ii)⇒ i): Für x ∈ H \ M gilt kx − yk > δ für ein δ > 0 und alle
y ∈ M . Wegen PE x ∈ M folgt insbesondere analog zu (2.12):
kxk2 − δ 2 = kPE xk2 + kx − PE xk2 − δ 2 ≥ kPE xk2 =
X
|(x, ei )|2 .
i∈I
i)⇒ ii): Für x ∈ M gibt es zu > 0 eine endliche Teilmenge E von I und
λi ∈ C für i ∈ E mit dem Satz von Pythagoras
2 >x −
X
i∈E
2
λi ei = x −
X
2
=kx − PE xk + (λi
i∈E
X
i∈E
2
λi ei + PE x − PE x
2
− (x, ei ))ei ≥ kx − PE xk2 .
53
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Es folgt
X
|(x, ei )|2 ≥
i∈I
X
|(x, ei )|2 = kPE xk2
i∈E
=kxk2 − kx − PE xk2 ≥ kxk2 − 2
und mit der Bessel’schen Ungleichung
P
i∈I
|(x, ei )|2 = kxk2 .
iii)⇒ ii) Konvergiert i∈I (x, ei )ei in H gegen x, so folgt die Konvergenz von
P
k i∈E (x, ei )ei k gegen kxk da die Abbilduung x 7→ kxk stetig ist.
P
ii)⇒ iii) Gilt limE kPE xk2 = limE i∈E |(x, ei )|2 = kxk2 so folgt wegen
kPE xk2 = kxk2 − kx − PE xk2 die Netzkonvergenz von PE x gegen x.
P
Ein Orthogonalsystem das den ganzen Hilbertraum als Abschluß seiner linearen Hülle hat heißt vollständig oder Orthonormalbasis. Man beachte,
dass eine Basis in diesem Sinn keine algebraische Basis des Hilbertraumes
ist, d.h die Elemente des Hilbertraumes können im Allgemeinen nicht als
endliche Linearkombination von Basisvektoren dargestellt werden sondern
nur als konvergete Reihe. Will man dies verdeutlichen so spricht man im
Gegensatz zu einer algebraischen Basis von einer topologischen Basis.
Wir haben die unbedingte Konvergenz von Reihen als Netzkonvergenz bezüglich der durch Mengeninklusion gerichteten Menge aller endlichen TeilmenP
gen von I definiert, d.h. i∈I xi konvergiert undbedingt gegen x, wenn es für
P
jedes > 0 eine endliche Teilmenge E von I gibt sodass kx − i∈E xi k < für jede endliche Teilmenge E von I mit E ⊇ E gilt. Für diese Definition
ist es unerheblich ob I abzählbar oder überabzählbar ist. Sei In := {i ∈ I :
kxi k ≥ 1/n} dann muss In endlich sein falls die Reihe konvergiert anderenP
falls gilt supE⊂I i∈E kxi k2 = ∞. Damit muss die Vereinigung I0 der Mengen
In , n ∈ N als abzählbare Vereinigung endlicher Mengen endlich sein. I0 ist
aber genau die Menge aller Indizes für die xi 6= 0 gilt. Also kann eine Reihe
mit überabzählbarer Indexmenge nur dann konvergieren wenn für alle bis
auf abzählbar viele Indizes die Summanden xi verschwinden.
Ein Beispiel für einen Hilbertraum mit überabzählbarem Orthogonalsystem
ist `2 (M ) für eine überabzählbare Menge M . Das ist der Raum aller FunkP
tionen x von M nach R oder C mit i∈M |x(i)|2 < ∞. Diese Bedingung kann
für eine Funktion x nach obiger Betrachtung nur erfüllt sein, wenn x(i) 6= 0
nur auf einer abzählbaren Teilmenge Ix von I gilt.
Ein metrischer Raum heißt separabel, wenn er eine abzählbare dichte Teilmenge besitzt.
Satz 2.6.5 Ein Hilbertraum ist genau dann separabel, wenn er ein endliches
oder abzählbar unendliches vollständiges Orthogonalsystem hat.
54
2.6. HILBERTRÄUME
Beweis: Hat ein Hilbertraum H ein abzählbares vollständiges Orthogonalsystem (ei )i∈I , so gibt es nach Satz 2.6.4 zu jedem x ∈ H und > 0 eine
P
endliche Menge E mit k i∈E (x, ei )ei − xk < /2. Approximieren wir die
Koeffizienten (x, ei ) durch Koeffizienten aus einer abzählbaren in C dichten
Teilmenge Q (etwa {z ∈ C : Rez ∈ Q, Imz ∈ Q}) so finden wir Koeffizienten
P
P
λi ∈ Q mit k i∈E λi ei − (x, ei )ei k ≤ /2 und damit kx − i∈E λi ei k ≤ . Für
eine abzählbare Menge ist die Menge aller endlichen Teilmengen abzählbar
(f. unendl Mengen aber nicht die Potenzmenge!) und für jede endl. Teilmenge
P
E von I die Menge der Funktionen i∈E λi ei mit λi ∈ Q ∀i ∈ E. Als abzählbare Vereinigung von abzählbaren Mengen ist die Menge aller Funktionen
P
i∈E λi ei mit E ⊂ I, |E| < ∞, λi ∈ Q eine abzählbare dichte Teilmenge von
H.
Wählen wir für eine
√ dichte Teilmenge D von H für√jedes i ∈ I ein di ∈ D
mit kei − di k < 2/2, so folgt wegen kei − ej k = 2 für i 6= j di 6= dj für
i 6= j. Ist I also überabzählbar so folgt dass jede dichte Teilmenge von H
überabzählbar ist.
Für zwei Hilberträume H1 , H2 mit Orthonormalbasen (ei )i∈I und (fi )i∈I gleiP
P
cher Kardinalität wird durch die Abbildung φ( i∈E λi ej ) = i∈E λi fj für
endliche Teilmengen E von I eine lineare Bijektion zwischen der linearen
Hülle S1 von {ei : i ∈ I} in H1 und der von {fi : i ∈ I} in H2 erklärt. Man
P
P
sieht unmittelbar, dass für u, v ∈ S1 , u = i∈I (u, ei )ei , v = i∈I (v, ei )ei
(u, v) = (φ(u), φ(v)) =
(u, ei )(v, ei ) =
X
X
i∈I
i∈I
(φ(u), fi )(φ(v), fi ).
Wegen der Stetigkeit des Skalarproduktes (Korollar 2.6.2) gilt (u, v) = (φ(u), φ(v)),
da Si nach Satz 2.6.4 dicht in Hi liegt. φ ist also ein Vektorraumisomorphismus der das Skalarprodukt und damit auch die Norm invariant lässt. Es gibt
also bis auf solche isometrische Isomorphismen nur einen Hilbertraum bei gegebener Kardinalität der Orthogonalbasis. For konkrete Problemstellungen
ist jedoch die Wahl einer geeigneten - dieser Problemstellung angepassten ON-Basis entscheident.
Satz 2.6.6 Auf dem Raum L2 ([0, l]m ), der auf Q := [0, l]m quadratisch
Lebesgue-integrierbaren Funktionen mit Skalarprodukt
(f, g) =
Z
Q
f (x)ḡ(x) dx
bilden die Funktionen en (x) = lm/2 e2πinx/l für n ∈ Zn eine Orthogonalbasis.
Beweis: Die Orthonormalität dieser Funktionen sieht man unmittelbar durch
Integration. Es bleibt die Vollständigkeit zu zeigen: Stetige Funktionen liegen
nach Satz 2.5.1 dicht in L2 (Rn ) und damit dicht in L2 (Q). Aus dem Satz von
55
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
Stone-Weierstraß folgt, dass die lineare Hülle der Funktionen en , das ist der
Raum aller trigonometrischen Polynome auf Q dicht in C(Q) liegt. Für
P
> 0 gibt es also ein trigonometrisches Polynom p(x) = n∈E exp(2πinx/l)
mit kf − pk∞ < l−m/2 . Für stetige Funktionen f in L2 (0, l) gilt aber
kf k2 ≤ lm/2 kf k∞ und damit kf − pk2 ≤ . Also liegt der Raum der trigonometrischen Polynome dicht in L2 (Q).
Beispiel 2.6.7 Für eine Gewichtsfunktion (pos. messbare Funktion) ϕ auf
eine kompakten Intervall [a, b] kann durch das Gram-Schmidt Orthogonalisierungsverfahren aus der Folge der linear unabhängigen
Monome mn (x) =
R
n
x eine bezüglich dem Skalarprodukt (f, g) = [ a, b]f gϕ dλ orthonormale
Folge von Polynomen pi i-ten Grades p0 , p1 , . . . erzeugt werden. Analog wie
in Satz 2.6.6 sieht man, dass für stetige Funktionen f gilt
kf k∞
Z
[a,b]
!1/2
ϕ(x) dλ(x)
≤ kf k2 ,
wobei hier k·k2 die Norm bez. des oben definierten Skalarproduktes bedeutet.
Mit dem Satz von Stone-Weierstraß erhält man wieder die Vollständigkeit
dieses Orthonormalsystems {pi : i ∈ N0 } im Hilbertraum aller bezüglich der
Gewichtsfunktion quadratisch integrierbaren reellwertigen Funktionen auf
[a, b].
Neben vielen anderen interessanten Eigenschaften erfüllen orthogonale Polynome immer ein Rekursion 2. Ordnung der Art pk (x) = (ak + xbk )pk−1 (x) +
ck pk−2 (x) für k ≥ 2. Dies sieht man wenn man beachtet dass für die Identität
id, id(x) = x gilt (idpn , pi ) = (pn , idpi ) = 0 für i < n − 1 gilt. idpn ist also
ein Polynom n + 1ter Ordnung das orthogonal zu pi für i < n − 1 ist. Damit
gibt es Koeffizienten an , bn , cn mit den gesuchten Eigenschaften.
2.7 Kompaktheitskriterium von Kolmogorov
Das folgende Kriterium charakterisiert totalbeschränkte Teilmengen des Lp
ähnlich wie der Satz von Arzelà–Ascoli totalbeschränkte Teilmengen von
C(K) beschreibt:
Satz 2.7.1 (Kompaktheitskriterium von Kolmogorov) Für 1 ≤ p <
∞ ist eine Teilmenge M des Banachraumes Lp (Rn , λn ) genau dann totalbeschränkt, wenn gilt:
i) M ist beschränkt in Lp ;
ii) limy→0 supf ∈M kf − τy f kp = 0, wobei τy die Translation um y auf
Lp bezeichnet.
56
2.7. KOMPAKTHEITSKRITERIUM VON KOLMOGOROV
iii) limR→∞ supf ∈M
R
kxk>R
|f (x)|p dλn (x) = 0.
Beweis: Wir zeigen dass diese Eigenschaften für eine Menge M notwendig
sind um totalbeschränkt zu sein: Ist M totalbeschränkt und B(1, fi ), i =
1, . . . , l eine endliche Überdeckung von M mit Kugeln, so folgt aus der Dreiecksungleichung für f ∈ M : kf kp ≤ max{kfi kp : i ≤ l} + 1 und damit
i).
Sei B(, fi ), i = 1, . . . , l eine Überdeckung von M mit –Kugeln. Für jedes
fi gibt es nach Satz 2.5.2 ein ρi > 0 mit kτy fi − fi kp < für kyk < ρi . Sei
ρ := min{ρi : i ≤ l}. Für f ∈ M mit kf − fi kp < und y ∈ Rn mit kyk < ρ
folgt aus der Dreiecksungleichung und der Translationsinvarianz der Norm
in Lp (khkp = kτy hkp ):
kf − τy f kp ≤ kf − fi kp + kfi − τy fi kp + kτy fi − τy f kp ≤ 3.
Also gilt für totalbeschränkte Mengen ii).
Für eine –Überdeckung wie zuvor gibt es Ri > 0 mit kf 1B(0,R){ kp < . Mit
R := max{Ri : i ≤ l} folgt für f ∈ M mit kf − fi kp < !1
p
Z
p
=kf 1B(0,R){ kp
n
|f | dλ
kxk>R
≤k(f − fi )1B(0,R){ kp + kfi 1B(0,R){ kp < 2.
Damit gilt für totalbeschränkte Mengen iii).
Erfüllt umgekehrt eine Teilmenge M von Lp die Bedingungen des Satzes und
sei > 0.
Es sei ωn das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel, also δ n ωn das
Volumen von Bδ (0). Mit der Hölder–Ungleichung und dem Satz von Fubini
erhalten wir (p0 = p/(p − 1))
kf −
Mη f kpp
p
Z
n
−1
n
=
(f (x) − f (x − y))(δ ωn ) dλ (y) dλn (x)
Rn Bδ (0)
Z Z
Z
≤
Rn
Bδ (0)
|f (x) − f (x − y)|p dλn (y)
Z
−p0
Bδ (0)
0
=(δ n ωn )(1−p )p/p
=(δ n ωn )−p+p/p
≤ sup{kf −
0
0
Z
Z
(δ n ωn )
Z
Bδ (0)
Rn
! p0
dλn (y)
p
dλn (x)
|f (x) − f (x − y)|p dλn (x) dλn (y)
kf − τy f kpp dλn (y)
Bδ (0)
τy f kpp : |y|
< δ}
57
KAPITEL 2. FUNKTIONENRÄUME
und
|Mη f (x) − Mη f (x − y)|
Z
=
(f (x − z) − f (x + y − z))(δ n ωn )−1 dλn (z)
Bδ (0)
Z
≤(δ n ωn )−1
Bδ (0)
≤(δ ωn )
n
−1
|f (x − z) − f (x − y − z)| dλn (z)
!1
Z
|f (x − z) − f (x − y − z)| dλ (z)
p
Bδ (0)
×
Z
Bδ (0)
≤(δ ωn )
n
−1/p
p
n
! 10
1 dλn (y)
p
kf − τy f kp
beziehungsweise die gleiche Überlegung ohne den zweiten Term
|Mη f (x)| ≤ (δ ωn )
n
−1/p
Z
Bδ (0)
!1
|f (x − z)| dλ (z)
p
n
p
≤ (δ n ωn )−1/p kf kp .
(2.13)
Unter Verwendung von ii) zeigt die erste Abschätzung, dass es zu gegebenem
einen Faltungsoperator Tη gibt, der kTη f −f kp < für alle f ∈ M erfüllt (Tη
approximiert also gleichmäßig auf M ). Die zweite Abschätzung zeigt, dass
für festes δ das Bild von M unter Tη aus gleichgradig stetigen Funktionen
besteht und die dritte Abschätzung zeigt wegen i) dass für festes δ das Bild
von M unter Tδ aus gleichmäßig beschränkten Funktionen besteht.
Wegen iii) und (2.13) gilt für jedes δ auch lim|x|→∞ Tδ f (x) = 0 gleichmäßig
für alle f ∈ M . Damit kann Tδ f durch 0 in ∞ fortgesetzt werden, sodass diese
Fortsetzungen auf der Einpunktkompaktifizierung S n von Rn eine Familie
gleichgradig stetiger Funktionen sind. Da die gleichmäßige Beschränktheit
ebenfalls bei dieser Fortsetzung erhalten bleibt können wir den Satz von
Arzelà-Ascoli 1.5.1 anwenden um zu sehen, dass das die Fortsetzung der
Funktionen Tδ f für festes δ eine totalbeschränkte Menge in C(S n ) sind.
Damit ist klarerweise auch {Tδ f : f ∈ M } totalbeschränkt im Banachraum
der beschränkten stetigen Funktionen auf Rn .
Sei > 0. Dann wählen wir vermöge iii) ein R > 0 mit kf 1B(0,R){ kp < /5
und ein δ, sodass kTδ f − f kp < /5 für alle f ∈ M gilt. Dann können wir,
da das Bild von M unter Tδ totalbeschränkt im Banachraum der stetigen
beschränkten Funktionen mit der Supremumsnorm ist, fi ∈ M , i = 1, . . . , n
so wählen, dass Tδ (M ) ⊂ ∪ni=1 B(Tδ (fi ), /5Vol(B(0, R)) gilt. Es folgt:
kf − fi kp ≤ kf − Tδ f kp + kTδ f − Tδ fi kp + kTδ fi − fi kp .
58
Kapitel
3
Fouriertransformation
3.1 Fourierreihen
Für f ∈ L2 (T) gibt die Theorie der Orthogonalbasen in einem Hilbertraum
(vgl. Kap. 2.6, Satz 2.6.6) bereits eine vollständige Beschreibung des Konvergenzverhaltens von Fourierreihen: Für f ∈ L2 (T) konvergiert die Reihe
P
int
ˆ
bezüglich der L2 -Norm unbedingt gegen die Funktion f (t) und
n∈Z f (n)e
es gilt mit der Parceval’schen Gleichung 2.6.4 bezüglich der Orthogonalbsis
√1 einx auf L2 [−π, π]:
2π
kf k22 =
X
n∈Z
|fˆ(n)|2 ,
1 Zπ
f (x)e−inx dx.
fˆ(n) = √
2π −π
(3.1)
Aus der Konvergenz bezüglich der L2 -Norm folgt aber nicht die Konvergenz
f.ü., auch nicht, wenn wir statt unbedingter Konvergenz nur die Konvergenz
der Partialsummen
N
1 X
SN f (x) := √
fˆ(n)einx
2π n=−N
(3.2)
für N → ∞ fordern.
Es ist aber bekannt, dass für 1 < p < ∞ diese Reihen sogar punktweise fast
überall gegen f konvergieren (Satz von Carleson). Besonders für p ≤ 2 ist
der Beweis äußerst aufwendig. Andererseits gibt es integrierbare Funktionen,
deren Fourierreihe überall divergiert. Es gibt sogar stetige Funktionen, deren
Fourierreihe in einem Punkt divergiert.
Wir beschäftigen uns hier mit der Frage der Konvergenz bezüglich der L1 Norm einer L1 -Funktion f und der punktweisen Konvergenz dieser Reihen
12. Dezember 2013
59
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
für geeignete Funktionen, sowie mit der Konvergenz bezüglich anderer Summationsverfahren.
Die Fourierkoeffizienten fˆsind für alle f ∈ L1 (−π, π) definiert, es liegt also nahe Fourierreihen für f ∈ L1 (−π, π) zu betrachten. Man beachte dass
L2 (−π, π) ein echter Teilraum von L1 (−π, π) ist.
Lemma 3.1.1 Für f ∈ L1 (T) gilt
1
|fˆ(n)| ≤ √ kf k1 .
2π
√
und wenn darüberhinaus kf − τs f k1 ≤ 2 2π für s < δ gilt, so folgt
|fˆ(n)| ≤ für |n| >
π
.
δ
(3.3)
(3.4)
Beweis: (3.3) folgt unmittelbar aus (3.1).
Es gilt
1 Zπ
1 Zπ
fˆ(n) = √
f (x)e−inx dx = − √
f (x)e−in(x+π/n) dx
−π
−π
2π
2π
1 Zπ
=− √
f (x − π/n)e−inx dx = −τ[
π/n f (n),
2π −π
also mit (3.3)
1
π
1
|fˆ(n)| = |(fˆ − τ[
kf − τπ/n f k1 ≤ für |n| > .
π/n f )(n)| ≤ √
2
δ
2 2π
Satz 3.1.2 (Riemann-Lebesgue Lemma) Für f ∈ L1 (T) gilt
lim fˆ(n) = 0.
|n|→∞
Beweis: Nach Satz 2.5.1 liegen die stetigen Funktionen dicht in L1 (R). Fassen wir f als eine Funktion auf R mit f (x) = 0 für |x| > π auf, so gibt es
eine stetige Funktion g auf R für die gilt
/2 ≥ kf − gkL1 (R) ≥ kf − gkL1 (π,π) .
Der Raum der stetigen Funktionen mit g(−π) = g(π) ist dicht in den stetigen
Funktionen auf (−π, π) bezüglich der L1 -Norm, also gibt es eine auf (−π, π)
stetige Funktion g0 mit kg − g0 kL1 (−π,π) ≤ /2. Mit der Dreiecksungleichung
60
3.1. FOURIERREIHEN
folgt kf −g0 kL1 (−π,π) < . g0 kann als stetige Funktion auf T aufgefasst werde,
also liegen die stetigen Funktionen auf T dicht in L1 (T).
Der Beweis von Satz 2.5.2 überträgt sich jetzt ohne Änderungen auf L1 (T),
also ist die Translation stetig in L1 (T). Mit (3.4) folgt damit dass die Fourierkoeffizienten von f in ∞ verschwinden.
Differentiation ist eine Operation die mit der Translation vertauscht, d.h.
inx
(τz f )0 = τz (f 0 ). Da auch τd
= τz (fˆ(n)einx ) gilt, kann man hoffen, dass
z f (n)e
Differentiation bei der Fourierreihenentwicklung eine einfache Darstellung
erlaubt. Tatsächlich gilt:
Satz 3.1.3 Für f ∈ C (k) (T) gilt
(k) (n) = (in)k fˆ(n).
fd
Beweis: Bei partieller Integration über eine Periode fallen bei periodischen
Funktionen die Randterme weg. Durch k-malige partielle Integration erhalten wir die Behauptung.
Als Anwendung beweisen wir
Lemma 3.1.4 (Wirtinger-Ungleichung) Für eine 2π-periodische stetig
differenzierbare Funktion f auf R gilt
Z π
−π
wobei mf das Mittel
1
2π
|f (x) − mf |2 dx ≤
Rπ
−π
Z π
−π
|f 0 |2 (x) dx,
f (x) dx bezeichnet.
Beweis: Offensichtlich gilt mf = √12π fˆ(0), also f\
− mf (0) = 0. f ist quadratisch integrierbar und mit der Parceval’schen Gleichung Satz 2.6.4 folgt
Z π
−π
|f (x) − mf |2 dx =
X
|fˆ(n)|2 .
n∈Z\{0}
Andererseits folgt für f 0 mit Satz 3.1.3 fb0 (n) = infˆ(n) und der Parceval’schen
Gleichung
Z π
X
|f 0 (x)|2 dx =
n2 |fˆ(n)|2 .
−π
n∈Z
Den linearen Raum aller Funktionen mit absolut konvergenter Fourierreihe
P
bezeichnen wir mit A(T), d.h. f ∈ A(T) für n∈Z |fˆ(n)| < ∞.
61
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
Satz 3.1.5 Für f, g ∈ L1 (T) gilt
f[
∗ g(n) =
√
2π fˆ(n)ĝ(n).
Für f, g ∈ A(T) gilt
√
X
2π fcg(n) =
fˆ(n − l)ĝ(l) =: fˆ ∗ ĝ(n).
l∈Z
Beweis:
1 Z Z
f (x − t)g(t) dt e−inx dx
f[
∗ g(n) = √
2π T T
√
1 Z Z
=√
f (x − t)e−in(x−t) dx g(t)e−int dt = 2π fˆ(n)ĝ(n).
2π T T
P
Für f ∈ A(T) konvergiert √12π n∈Z fˆ(n)einx unbedingt und gleichmäßig in x
und damit gegen eine stetige Funktion f˜. Zugleich folgt aus der gleichmäßigen
Konvergenz auf T die L2 -Konvergenz dieser Reihe gegen f˜. Nach Satz 2.6.4
konvergiert aber diese Reihe in der L2 -Norm gegen f . Es folgt f˜ = f , also
P
die unbedingte gleichmäßige Konvergenz von √12π n∈Z fˆ(n)einx gegen f .
Für f, g ∈ A(T) dürfen wegen dem Satz der dominierten Konvergenz die
folgenden Integrationen mit den Reihenentwicklungen vertauscht werden.
Mit Fubini folgt
fcg(n) =
=
1 1 Z X ˆ
√
f (k)ĝ(l)eikx eilx e−inx dx
2π 2π T k,l∈Z
Z
1 1 X ˆ
√
f (k)ĝ(l) ei(k+l−n)x dx
2π 2π k,l∈Z
T
Das letzte Integral verschwindet außer für k = n − l und ergibt 2π für
k = n − l.
Die Partialsummen (3.2) kann man durch Faltung mit dem Dirichletkern
Dn (x) =
n
X
eikx
(3.5)
k=−n
ausdrücken:
n
n
1 Zπ X
1 X
inx
ˆ
√
f (n)e =
f (t)e−in(t−x) dt
Sn f (x) =
2π −π k=−n
2π k=−n
Z π
1
1
1
=
Dn (x − t)f (t) dt =
Dn ∗ f (x) =
f ∗ Dn (x).
2π −π
2π
2π
62
(3.6)
3.1. FOURIERREIHEN
Aus der Formel für eine geometrische Progression 1 + q + q 2 + . . . q n =
(q n+1 − 1)/(q − 1), q 6= 1 erhalten wir für den Dirichletkern
N
X
Dn (x) =
=
eikx =
k=−N
i(n+1/2)x
e
ei(2n+1)x − 1
e−ix/2 ei(2n+1)x − 1
=
eix − 1
e−ix/2 eix − 1
− e−i(n+1/2)x
sin((n + 1/2)x)
.
=
ix/2
−ix/2
e
−e
sin(x/2)
(3.7)
Ein hinreichendes Kriterium für die punktweise Konvergenz einer Fourierreihe ist
Satz 3.1.6 (Dini-Test) Für eine auf T integrierbare Funktion f für die
auch die Funktion
t 7→
f (x
0
1
− t) + f (x0 + t)
− c
t
2
auf [0, π] integrierbar ist gilt limn→∞ Sn f (x) = c.
Beweis: Es genügt wegen Sn (τz f ) = τz (Sn f ) und Sn (f − c) = Sn f − c den
Fall x0 = c = 0 zu betrachten. Nach de l’Hospital gilt limt→0 sin1 t − 1t = 0
woraus die Integrierbarkeit der Funktion h:
h(t) =
f (−t) + f (t)
t
cos
t
sin 2
2
auf [−π, π] folgt.
Mit (3.2), (3.7), Dn (x) = Dn (−x) und dem Additionstheorem folgt
1
1 Zπ
f ∗ Dn (0) =
f (t)Dn (0 − t) dt
2π
2π −π
1 Zπ
=
(f (t) + f (−t))Dn (t) dt
2π 0
1 Z π f (t) + f (−t)
1
=
t dt
sin n +
2π 0
sin 2t
2
1 Z π f (t) + f (−t)
t
=
cos sin(nt) + (f (t) + f (−t)) cos(nt) dt
t
2π 0
sin 2
2
Z π
1
1 Zπ
=
h(t)(eint − e−int ) dt +
f (t)(eint + e−int ) dt dt
8πi −π
8π −π
1
1
= √ (ĥ(n) − ĥ(−n)) + √ (fˆ(n) + fˆ(−n)).
4 2πi
4 2π
Sn f (0) =
Mit dem Riemann-Lebesgue-Lemma 3.1.2 folgt limn→∞ Sn f (0) = 0.
63
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
Hieraus folgt insbesondere dass das Konvergenzverhalten von Sn f für eine
L1 -Funktion f eine lokale Eigenschaft ist, d.h. stimmen zwei L1 -Funktionen
f1 , f2 auf einem Intervall [a, b] überein und konvergiert Sn f1 in [a, b], so konvergiert auch Sn f2 in (a, b) und Sn (f1 − f2 ) konvergiert gleichmäßig auf kompakten Teilintervallen von (a, b) gegen 0. Wegen der Linearität der Abbildungen Sn folgt dies aus
Korollar 3.1.7 (Lokalisierungssatz) Für eine auf T integrierbare Funktion f mit f (x) = 0 für x ∈ (a, b) gilt Sn f →n→∞ 0 in (a, b).
Wir zeigen jetzt, dass die Fourierreihen von Funktionen mit beschränkter
Variation konvergieren. Hierfür benötigen wir
Lemma 3.1.8 Es gilt | I Dn (x) dx| ≤ 2π für alle Teilintervalle I von [0, π].
R
Beweis: Aus
(3.7) des Dirichletkerns folgt, dass Dn in den
der Darstellung
Intervallen
kπ
n+ 21
, (k+1)π
n+ 1
2
für gerades k positiv und für ungerades k negativ
ist. Damit hat [a,b] Dn dλ als Funktion der oberen Intervallgrenze b lokale
kπ
Extrema genau in den Punkten n+
1 und zwar lokale Maxima für k ungerade
2
und lokale Minima für k gerade. Analog nehmen diese Integrale als Funktion
der unteren Intervallgrenze a lokale Maxima für k gerade und lokale Minima
lπ
kπ
für
für k ungerade an. Es genügt also die Behauptung für a = n+
1 , b =
n+ 12
2
0 ≤ k < l < n und k + l ungerade (a und b beide lokale Maxima oder beide
lokale Minima) zu zeigen.
R
Sei
In,k,l :=
Z
h
kπ
, lπ1
n+ 1
2 n+ 2
i Dn (x) dx.
Für l > 2 gerade folgt wegen der Monotonie der Funktion sin−1 (x/2) auf
(0, π]: In,l−2,l−1 > −In,l−1,l > 0, also In,l−2,l > 0. Es gilt also für k < l − 2
In,k,l < Ik,l−2 . Induktiv folgt dass für k ungerade In,k,k+1 das kleinste der
Minima In,k,l , l gerade, k < l < n ist. Unter diesen Integralen In,k.k+1 , k
ungerade ist wegen der Monotonie von sin−1
(x/2) das Integral In,1,2 das
R
kleinste und damit eine untere Schranke für I Dn (x) dx, I Teilintervall von
[0, π/2].
Analog überlegt
man sich, dass für k gerade das Integral In,0,1 eine obere
R
Schranke für I Dn (x) dx ist.
Wegen (3.7) gilt |Dn | ≤ Dn (0) = 2n + 1 und damit 0 ≤ −In,1,2 ≤ In,0,1 ≤
(2n+1)π
= 2π.
n+ 1
2
64
3.1. FOURIERREIHEN
Lemma 3.1.9 Für eine auf (0, δ) monoton steigende, auf [0, π] integrierbare
Funktion f mit f (0+) = 0 gilt
lim
Z π
n→∞ 0
f (x)Dn (x) dx = 0.
Beweis: Für > 0 gibt es unter den getroffenen Voraussetzungen ein δ > 0
mit 0 ≤ f (x) < 4π
für x ∈ [0, δ].
Wegen 1[0,f (x)) (y) = 1f −1 ((y,f (δ)]) (x) in [0, δ] × [0, f (δ)] folgt mit dem Satz von
Fubini
Z δ
0
f (x)Dn (x) dx =
=
=
Z δ Z f (x)
0
0
Z δ Z f (δ)
0
Z
0
f (δ) Z δ
0
0
dy Dn (x) dx
1[0,f (x)) (y) dy Dn (x) dx
1f −1 ((y,f (δ)]) (x)Dn (x) dx dy.
Aufgrund der Monotonie von f ist [0, δ] ∩ f −1 ((y, f (δ)]) aber ein Teilintervall
von [0, δ] und es folgt mit Lemma 3.1.8
Z
δ
f (x)Dn (x) dx
0
≤
Z f (δ) Z δ
0
≤
Z f (δ)
0
0
|1f −1 ((y,f (δ)]) (x)Dn (x)| dx dy
2π dy ≤ /2.
Nach Satz 3.1.7 gilt
lim
n→∞
womit |
Rπ
0
Z π
0
f (x)1[δ,π] (x)Dn (x) dx = 0,
f (x)Dn (x) dx| < für n > N () und damit die Behauptung folgt.
Satz 3.1.10 Für eine integrierbare Funktion f , die in einem Intervall [x −
δ, x + δ] von beschränkter Variation ist gilt
1
lim Sn f (x) = (f (x − 0) + f (x + 0)).
n→∞
2
Beweis: Wegen Sn f = τ−x Sn (τx f ) dürfen wir uns o.B.d.A. auf den Fall
x = 0 beschränken.
Nach Lemma 3.1.9 und (3.6) gilt limn→∞ Sn f (0) = 0 für auf (0, δ) monoton
steigende Funktionen mit Träger in [0, π] und f (0+) = 0. Die Aussage gilt
für auf (0, δ) monoton fallende Funktionen mit Träger in [0, π], da für f
65
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
monoton fallend −f monoton steigend ist wegen −Sn (−f ) = Sn f . Damit gilt
sie für integrierbare Funktionen die auf (0, δ) von beschränkter Variation sind
und Träger in [0, π] haben. Für die Sprungfunktion g(x)
= f (0+), x > 0,
Rπ
g(x) = 0, x < 0 folgt da Dn eine gerade Funktion mit −π Dn (t) dt = 2π ist
f (0+) Z π
1
1 Zπ
Dn (t)g(t) dt =
Dn (t) dt = f (0+)
Sn g(0) =
2π 0
2π
2
0
und damit wegen f (t) = (f (t) − f (0+)) + f (0+) wegen (3.6)
Sn f (0) =
1 Zπ
1
1
f ∗ Dn (0) =
f (t)Dn (t) dt →n→∞ f (0+)
2π
2π −π
2
für alle Funktionen mit Träger in [0, π), die auf [0, δ] und damit in [−δ, δ]
von beschränkter Variation sind.
Rπ
Rπ
Da Dn gerade ist gilt −π
Dn (t)f˜(t) dt = −π
Dn (t)f (t) dt für die Funktion
˜
f (t) = f (−t). Hat f Träger in [−π, 0] und ist in [−δ, δ] von beschränkter Variation, so folgt damit wegen f (0−) = f˜(0+): limn→∞ Sn f (0) = 21 f (0−). Da
jede Funktion auf [−π, π] als Summe zweier Funktionen dargestellt werden
kann die Träger in [−π, 0] respektive in [0, π] haben folgt der Satz.
Obwohl die punktweise Konvergenz der Fouriereihen einer stetigen Funktion gegen die Funktion bzw. die Konvergenz bezüglich der L1 -Norm von
L1 -Funktionen nicht sichergestellt ist kann dies durch ein verfeinertes Summationsverfahren sichergestellt werden: Für eine konvergent Folge (an ) kon1 Pn
vergiert immer die Folge ihrer arithmetischen Mittel ( n+1
k=0 ak ) gegen
den gleichen Grenzwert. Es gibt aber Folgen die nicht konvergieren aber eine
konvergente Folge von arithmetischen Mitteln erzeugen. Man nennt Folgen
deren arithmetische Mittel konvergieren Césaro-summierbar. Wir zeigen dass
die Folge der Césaromittel von (Sn f ) für eine stetige Funktion f gleichmäßig gegen f konvergiert und die Folge der Césaromittel dieser Folge für
L1 -Funktionen in der L1 -Norm gegen die Funktion konvergiert.
Für das n-te Césaromittel der Folge (Sn f ) erhalten wir mit (3.6)
n
n
1 1 X
1
1 X
Sk f (x) =
Dk ∗ f (x) =
σn ∗ f (x)
n + 1 k=0
2π n + 1 k=0
2π
für
σn (x) :=
n
n
X
1 X
n + 1 − |k| ikn
Dk =
e .
n + 1 k=0
n+1
k=−n
Dieser Faltungskern wird als Fejérkern bezeichnet. Es gilt
66
(3.8)
3.1. FOURIERREIHEN
n
X
sin
k=0
n
X
1
1
x = Im
exp i k +
x
k+
2
2
k=0
n
x X
x exp(i(n + 1)x) − 1
=Im exp i
exp (ikx) = Im exp i
2 k=0
2
exp(ix) − 1

(n + 1)x
2
!
(n + 1)x
=Im exp i
2
!
=Im exp i

exp i (n+1)x
− exp −i (n+1)x
2
2
exp i x2 − exp −i x2
sin
(n+1)x
2
x
sin 2


=
sin2


(n+1)x
2
x
sin 2
!
und es folgt für den Fejérkern mit (3.7)
1 sin
2
σn (x) =
2 x
n + 1 sin ( 2 )
2
(n+1)x
(3.9)
Lemma 3.1.11 Für den Fejérkern σn gilt
◦ σn (x) ≥ 0 ∀x ∈ T
◦
Rπ
−π
σn (x) dx = 2π
◦ σn (x) → 0 für n → ∞ gleichmäßig in jeder abgeschlossenen Teilmenge von [−π, π] die 0 nicht enthält.
Beweis: Aus (3.9) folgt die erste Behauptung, aus (3.8) die zweite. Aus (3.9)
1
1
folgt, dass σn in [−π, −δ] ∪ [δ, π] durch n+1
beschränkt ist und damit
sin(δ/2)
die dritte Behauptung.
Satz 3.1.12 Für eine auf T stetige Funktion f gilt
lim
n→∞
1
σn ∗ f (x) = f (x) gleichmäßig in x.
2π
Beweis: Für eine auf T stetige Funktion g mit |g(t)| < /2 für |t| < δ folgt
mit Lemma 3.1.11
1 Zδ
kgk∞ Z
1
σn ∗ g(0) ≤
|g(t)|σn (t) dt +
σn (t) dt
2π
2π −δ
2π [−π,−δ]∪[δ,π]
≤ + =
(3.10)
2 2
wenn n so groß ist dass σn auf [−π, −δ] ∪ [δ, π] durch 2kgk
beschränkt ist,
was für hinreichend große n nach Lemma 3.1.11 immer der Fall ist.
67
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
f ist als stetige Funktion auf dem Kompaktum T gleichmäßig stetig, also
gibt es für > 0 ein δ mit |τx0 f − f (x0 )(t)| < für |t| < δ, x0 ∈ T.
Es folgt wenn wir (3.10) auf die Funktionen gx0 (t) := τ−x0 f (t) − f (x0 ) anwenden mit Proposition 2.4.1
1
1
≥ σn ∗ gx0 (0) = σn ∗ (τ−x0 f )(0) − f (x0 )
2π
2π
1
1
= τ−x0 (σn ∗ f )(0) − f (x0 ) = σn ∗ f (x0 ) − f (x0 )
2π
2π
Um zu zeigen, dass σn ∗ f für f ∈ L1 (T) konvergiert zeigen wir zuerst die
schwächere Aussage
Lemma 3.1.13 Die trigonometrischen Polynome liegen dicht in L1 (T).
Beweis: Auf T gilt für L2 -Funktionen wegen der Cauchy-Schwarz’schen Ungleichung:
Z
Z
√
f (t)e−i arg(f (t)) dt ≤ kf k2 2π.
|f (t)| dt =
kf k1 =
(3.11)
[−π,π]
[−π,π]
In jedem Maßraum sind beschränkte integrierbare Funktionen dicht in L1 ,
für endliche Maße sind beschränkte Funktionen in allen Lp -Räumen, also ist
L2 (T) dicht in L1 (T) bezüglich der L1 -Norm.
Für f ∈ L1 (T) und > 0 gibt es also ein g ∈ L2 (T) mit kf − gk1 ≤ /2.
Bezüglich der L2 -Norm sind die trigonometrischen Polynome aber dicht im
L2 (Satz 2.6.4 und Satz
√ 2.6.6), also gibt es ein trigonometrisches Polynom
p mit kg − pk2 ≤ /2 2π. Mit (3.11) und der Dreiecksungleichung folgt
kf − pk1 ≤ .
Man beachte dass aus dieser Aussage nicht die Konvergenz von Sn f gegen f
in der L1 -Norm folgt.
Satz 3.1.14 Für f ∈ L1 (T) ist die Translation z 7→ τz f eine stetige Abbildung von R nach L1 (T).
Beweis: Nach Lemma 3.1.13 gibt es zu f ∈ L1 (T ein trigonometrisches
Polynom p mit kf − pk1 < /3. Trigonometrische Polynome sind gleichmäßig
stetig auf R wie man mit dem Mittelwertsatz sieht. Für > 0 gibt es also
ein δ > 0 mit kp − τz pk∞ < /6π für |z| < δ. Es folgt wegen k · k1 ≤ 2πk · k∞
kf − τz f k1 ≤ kf − pk1 + kp − τz pk1 + kτz p − pk1 < /3 + /3 + /3 = für |z| < δ.
68
3.2. FOURIERTRANSFORMATION IN L1
1
Satz 3.1.15 Für f ∈ L1 (T) gilt k 2π
σn ∗ f − f k1 → 0 für n → ∞.
1
Beweis: Mit Fubini und Lemma 3.1.11 folgt 2π
σn ∗ f ≤ kf k1 . Sei p ein
1
trigonometrisches Polynom mit kf − pk1 < /3. Dann gilt
1
1
1
σn ∗ f − f ≤ σn ∗ (f − p) + σn ∗ p − p + kp − f k1 < 2π
2π
2π
1
1
1
1
für 2π
σn ∗ p − p < /3, was nach Satz 3.1.12 für n ≥ n0 immer gilt.
1
Korollar 3.1.16 Die Fouriertransformation auf L1 (T) ist injektiv.
Beweis: Verschwinden für eine Funktion alle Fourierkoeffizienten, so gilt
wegen (3.8)
n
1
1 X
n + 1 − |k| ˆ
σn ∗ f = √
f (k)eink = 0.
2π
2π k=−n n + 1
Mit Satz 3.1.14 folgt f = 0 und wegen der Linearität der Fouriertransformation die Injektivität.
3.2 Fouriertransformation in L1
Für f ∈ L1 (Rn ) sind die Fouriertransformation f 7→ f ∧ und die Fourierkotransformation f 7→ f ∨ von f durch
1 Z
e−iξ·x f (x) dλn (x) bzw.
n
(2π) 2 Rn
1 Z
∨
∧
f (x) =f (−x) =
eiξ·x f (ξ) dλn (ξ)
n
(2π) 2 Rn
f ∧ (ξ) =
definiert.
Satz 3.2.1 (Riemann-Lebesgue Lemma) Auf L1 (Rn ) ist die Fourier(ko)transformation ist eine stetige lineare Abbildung nach C0 (Rn ) mit Abbildungsnorm ≤ (2π)−n/2 .
Beweis: Es gilt
1
|f (ξ 0 ) − f (ξ 0 + ξ)| =
n
(2π) 2
1
≤
n
(2π) 2
∧
∧
Z
n
R
Z
Rn
f (x)e
−iξ 0 ·x
(1 − e
−iξ·x
) dλ
n
(x)
|f (x)||1 − e−iξ·x |dλn (x).
69
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
Für |ξ| → 0 konvergiert x 7→ 1 − e−iξ·x punktweise gegen 0. Nach dem Satz
von der majorisierten Konvergenz folgt die Stetigkeit von f ∧ .
Wegen der Linearität des Integrals ist die Fourier(ko)transformation eine
lineare Abbildung des L1 in den Raum der stetigen Funktionen auf Rn .
Wegen |f ∧ (ξ)| ≤ (2π)−n/2 kf k1 für alle ξ ∈ Rn folgt, dass f ∧ beschränkt ist
und die Operatornorm der Fouriertransformation als lineare Abbildung von
L1 in den Raum der stetigen beschränkten Funktionen auf Rn mit der Supremumsnorm durch (2π)−n/2 beschränkt ist. Also ist die Fouriertransformation
eine stetige, in der Operatornorm durch (2π)−n/2 beschränkte Abbildung von
L1 nach Cb .
Für ξ 6= 0 gilt
1 Z
−2
e−i(x+π|ξ| ξ)·ξ f (x) dλn (x)
n
(2π) 2 Rn
1 Z
=−
e−iy·ξ f (y − π|ξ|−2 ξ) dλn (y) = −(τπ|ξ|−2 ξ f )∧ (ξ)
n
(2π) 2 Rn
f ∧ (ξ) = −
und damit
1 1
1
|f ∧ (ξ)| = |f ∧ (ξ) − (τπ|ξ|−2 ξ f )∧ (ξ)| ≤
n kf − τπ|ξ|−2 ξ f k1 .
2
2 (2π) 2
Mit Satz 2.5.2 folgt f ∧ (ξ) → 0 für |ξ| → ∞.
Wegen f ∨ (ξ) = f ∧ (−ξ) folgt die Behauptung für die Fourierkotransformation.
Für einen Multiindex α bezeichnen wir mit mα das Monom mα (x) :=
Qn
i=1
xαi i .
Proposition 3.2.2 Ist die Funktion mα f für jeden Multiindex α mit 0 ≤
|α| ≤ k integrierbar, so folgt f ∧ ∈ C k (Rn ) und für |α| ≤ k gilt
Dα (f ∧ ) = (−i)|α| (mα f )∧ .
Aus f ∈ C k (Rn ), Dα f ∈ L1 (Rn ) für |α| ≤ k folgt
(Dα f )∧ = i|α| mα f ∧ ∈ C0 (Rn )
für |α| ≤ k.
Beweis: Ist die Funktion x 7→ f (x)xj integrierbar, so darf Differentiation
mit Integration nach Satz 2.1.7 vertauscht werden:
∂ ∧
−i Z
f (ξ) =
f (x)xj e−iξ·x dx.
n
∂ξj
(2π) 2 Rn
70
3.2. FOURIERTRANSFORMATION IN L1
Durch Induktion nach |α| folgt Dα (f ∧ ) = (−i)|α| (mα f )∧ und mit dem RiemannLebesgue Lemma 3.2.1 Dα (f ∧ ) ∈ C0 .
Da die L1 -Norm der partiellen Ableitung von f genau die Variationsnorm
von f ist, sieht man dass für eine L1 -Funktion, deren Ableitung ebenfalls
integrierbar ist, lim|x|→∞ f (x) = 0 gilt.
Durch partielle Integration folgt damit unter der Voraussetzung der zweiten
Behauptung:
!∧
∂
f (ξ) = iξj f ∧ (ξ).
∂xj
Durch Induktion folgt die Aussage für Ableitungen höherer Ordnung.
Satz 3.2.3 Für f, f ∧ ∈ L1 (Rn ) gelten x–fast überall die Umkehrformeln:
1 Z
f (x) = (f ) (x) =
eiξ·x f ∧ (ξ) dλn (ξ)
n
n
(2π) 2 R
∧ ∨
bzw.
f (x) = (f ∨ )∧ (x) =
1 Z
e−iξ·x f ∨ (ξ) dλn (ξ).
n
n
2
(2π) R
Beweis: Man erhält bei formaler Vertauschung der Integrationsreihenfolge
das Integral
1 Z Z
(f ) (x) =
eiξ·(x−y) dξf (y) dλn (y),
n
(2π) 2 Rn Rn
∧ ∨
das offensichtlich nicht existiert. Man betrachtet daher, um Integrierbarkeit
des Integranden zu erzwingen, statt f eine durch Faltung mit der Funktion
hλ (x) :=
n
Pn
λn Y
1
1 Z
−λ j=1 |tj | it·x
=
e
e dλn (t),
π n j=1 λ2 + x2j
(2π)n Rn
λ>0
geglättete Funktion
f ∗ hλ (x) =
Z
Rn
f (y)hλ (x − y) dλn (y).
Mit dem Satz von Fubini folgt
Pn
1 Z Z
it·(x−y)−λ j=1 |tj |
f
(y)e
dλn (t) dλn (y)
(f ∗ hλ )(x) =
(2π)n Rn Rn
Pn
1 Z
it·x−λ j=1 |tj | ∧
=
e
f (t) dλn (t).
(3.12)
n
n
2
(2π) R
71
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
Der Integrand ist betragsmäßig durch |f ∧ (t)| beschränkt, wegen e−λ|tj | ↑ 1
für λ ↓ 0 gilt nach dem Satz von Lebesgue
1 Z
eit·x f ∧ (t) dλn (t) = (f ∧ )∨ (x).
n
(2π) 2 Rn
lim f ∗ hλ (x) =
λ↓0
(3.13)
Wegen
Z √λ
√
− λ
1
1
1
1 Z √λ
2
dx
=
λ
du = arctan √
2
2
2
2
1
λ +x
λ
λ
−√ 1 + u
λ
λ
1
gilt
λn 2n
1
h
(x)
dλ
(x)
=
arctan √
√ √
λ
n
n
π λ
[− λ, λ]n
λ
Z
n
!n
=
2
1
arctan √
π
λ
!n
.
Es folgt mit Fubini
kf ∗ hλ − f k1 =
≤
≤
Z
n
(f (x − y) − f (x))hλ (y) dλ (y)
n
n
ZR Z R
Z
n
ZR
Rn
|τy f (x) − f (x)| dλn (x)hλ (y) dλn (y)
√ √
[− λ, λ]n
kτy f − f k1 hλ (y) dλn (y)
+ 2kf k1
Z
√ √
Rn \[− λ, λ]n
hλ (y) dλn (y)
≤ sup
kτy f − f k1 + 2kf k1
√
|y|≤ nλ
dλn (x)
2
1
1−
arctan √
π
λ
!n !
.
Der erste Summand geht wegen Satz 2.5.2 für λ → 0 gegen 0, der zweite
wegen limt→∞ arctan t = π/2.
f ∗ hλ konvergiert also bezüglich der L1 -Norm gegen f und wegen (3.13)
1
∧
punktweise gegen (f ∧ )∨ . Wegen (3.12) ist |f ∗ hλ | durch (2π)
n kf k1 beschränkt, mit dem Satz von der majorisierten Konvergenz folgt die Konvergenz von f ∗ hλ gegen (f ∧ )∨ in L1 ([−N, N ]n ) und aus der Konvergenz von
f ∗ hλ gegen f in L1 (Rn ) die von f ∗ hλ gegen f in L1 ([−N, N ]n ) für λ → 0.
Es folgt f = (f ∧ )∨ = f f.ü in [−N, N ]n und damit f = (f ∧ )∨ = f f.ü in Rn .
Die Gültigkeit der zweiten Umkehrformel folgt wegen f ∨ (ξ) = f ∧ (−ξ) aus
der bewiesenen: Setzen wir f˜(ξ) := f (−ξ), so gilt
^∨
˜
(f ∨ )∧ = ((f˜)∧ )∧ = (f˜)∧ = f.
72
3.3. FOURIERTRANSFORMATION IN S UND L2
Korollar 3.2.4 Die Fouriertransformation auf L1 ist injektiv.
Beweis: Da die Fouriertransformation linear ist, genügt es zu zeigen dass
ihr Kern trivial ist. Für f ∈ L1 mit f ∧ = 0 sind die Voraussetungen von Satz
3.2.3 erfüllt und es folgt f = (f ∧ )∨ = 0∨ = 0.
Wegen (2.9) ist die Faltung eine Abbildung von L1 × L1 nach L1 . Für die
Fouriertransformation des Faltungsproduktes gilt:
n
Satz 3.2.5 Die Abbildung f 7→ (2π) 2 f ∧ ist ein Isomorphismus der Faltungsalgebra (L1 (Rn ), ∗) in eine Unteralgebra A(Rn ) von C0 (Rn ) mit punktweiser Multiplikation. Es gilt
n
(f ∗ g)∧ = (2π) 2 f ∧ g ∧ für f, g ∈ L1 (Rn ).
Beweis: Aufgrund von (2.9) ist die Faltung eine Abbildung von L1 ×L1 nach
L1 . Wegen dem Riemann-Lebesgue Lemma 3.2.1 bildet die Fouriertransformation L1 (Rn ) in C0 (Rn ) ab. Es gilt für f, g ∈ L1 (Rn )
1 Z
(f ∗ g)(z)e−iξ·z dz
n
n
2
(2π) R
1 Z Z
=
f (z − y)g(y)e−iξ·(z−y) e−iξ·y dy dz
n
(2π) 2 Rn Rn
n
= (2π) 2 f ∧ (ξ)g ∧ (ξ).
(f ∗ g)∧ (ξ) =
Nach Korollar 3.2.4 ist diese Abbildung injektiv.
3.3 Fouriertransformation in S und L2
Die Definition der Fouriertransformation legt die Vermutung nahe, dass
L1 (Rn ) der natürliche Rahmen ist, um die Fouriertransformation zu betrachten, da die Integraltransformation genau für integrierbare Funktionen
erklärt ist. Es stellt sich aber heraus, dass die Betrachtung der Einschränkung der Fouriertransformation auf Teilräume insbesondere in Hinblick auf
die Umkehrabbildung und die Darstellung der Differentialoperatoren Dα sehr
zweckmäßig ist. So kann die Fouriertransformation dann zu einem unitären
Operator auf L2 ausgedehnt werden.
Es bezeichne mβ wieder das Monom mβ (x) = ni=1 xβi i . Der Schwartzraum
S ist der lineare Raum aller komplexwertigen C ∞ (Rn )-Funktionen f für die
mβ Dα f für alle Multiindizes α, β beschränkt ist.
Q
73
KAPITEL 3. FOURIERTRANSFORMATION
Proposition 3.3.1 S ist ein linearer Teilraum von Lp (Rn ) für 1 ≤ p ≤ ∞.
Die Fouriertransformation sowie die Abbildungen f 7→ Dα f und f 7→ mβ f
bilden S in sich ab. Die Fouriertransformation ist ein Automorphismus auf
S.
Ein Automorphismus eines linearen Raumes ist eine lineare bijektive Selbstabbildung.
Beweis: S ⊆ L∞ , da Funktionen in S beschränkt und stetig und daher
messbar sind. Für p < ∞ und f ∈ S folgt, dass x 7→ (1+|x|2 )n f (x) ebenfalls
in S liegt und damit durch eine Konstante M beschränkt ist. Wir erhalten
P
wegen 1 + x2i ≥ 1 + x2j die Abschätzung
1+
n
X
!np
x2i
≥
i=1
n
Y
(1 + x2i )p ≥
i=1
n
Y
(1 + x2i )
i=1
und mit dem Satz von Fubini
Z
Rn
|f |p dλn =
Z
Rn
≤M
p
(1 + |x|2 )−np (1 + |x|2 )np |f |p dλn (x)
n Z ∞
Y
i=1 −∞
(1 + |xi |2 )−1 dλ1 (xi ) = M p π n < ∞,
also S ⊆ Lp .
Dass mit f alle Ableitungen Dα f und alle Funktionen f 7→ mβ f in S liegen
folgt unmittelbar aus der Definition von S.
Wegen Proposition 3.2.2 gilt für f ∈ S:
mβ Dα f ∧ = (−i)|α| mβ (mα f )∧ = i−|β| (−i)|α| (Dβ (mα f ))∧ ,
also ist mit f auch f ∧ in S.
Um zu sehen dass die Fouriertransformation ein Automorphismus ist, müssen
wir wegen Korollar 3.2.4 nur noch zeigen dass sie surjektiv ist. Dies ist aber
eine unmittelbare Folgerung der Umkehrformel Satz 3.2.3: (f ∨ )∧ = f .
Satz 3.3.2 Die Fouriertransformation (resp. Fourierkotransformation) auf
S(Rn ) kann stetig zu einer surjektiven Isometrie F (resp. F −1 ) von L2 (Rn )
auf sich fortgesetzt werden.
F wird Fourier-Plancherel Operator genannt.
Beweis: Für f, g ∈ S(Rn ) gilt bezüglich dem Skalarprodukt von L2 (Rn ) mit
dem Satz von Fubini und der Umkehrformel Satz 3.2.3:
Z
1 Z
∧ ∧
e−ix·ξ f (x)g ∧ (ξ) dx dξ
hf , g i =
n
n
n
2
R
R (2π)
1 Z Z
=
f (x)eix·ξ g ∧ (ξ) dξ dx = hf, g ∧∨ i = hf, gi.
n
n
n
2
(2π) R R
74
3.3. FOURIERTRANSFORMATION IN S UND L2
Mit Satz 3.3.1 ist die Fouriertransformation eine Isometrie von S(Rn ) mit
der L2 -Norm auf sich. Nach Satz 2.5.1 ist Cc∞ (Rn , C) dicht in L2 (Rn ). Da
Cc∞ (Rn , C) ein Unterraum von S ist, folgt, dass S dicht in L2 (Rn ) liegt.
Damit können wir L2 einerseits als die Vervollständigung vermöge der kanonischen Einbettungsabbildung ι1 von S nach L2 auffassen, andererseits
ist auch die Abbildung S → L2 : f 7→ ι1 (f ∧ ) eine isometrische Einbettung
von S in L2 . Nach Satz 2.2.6 gibt es eine Isometrie F des L2 auf sich, die
F (ι(f )) = ι(f ∧ ) für alle f ∈ S erfüllt.
Proposition 3.3.3 Für f ∈ L1 ∩ L2 gilt F f = f ∧ .
Beweis: Für f ∈ L1 ∩ L2 konvergiert 1Br (0) f in der L1 -sowie der L2 -Norm
für r → ∞ gegen f . Für g ∈ L1 ∩ L2 und einen Mollifier (ηδ )δ gilt nach
Satz 2.5.4 g ∗ ηδ →δ→0 g ebenfalls in beiden Normen. Es folgt wegen kf −
(1Br (0) f ) ∗ ηδ ki ≤ kf − 1Br (0) f ki + k1Br (0) f − (1Br (0) f ) ∗ ηδ ki , i = 1, 2 dass
es für f ∈ L1 ∩ L2 Funktionenfolgen (fn )n in Cc∞ ⊆ S gibt, die in beiden
Normen gegen f konvergieren. Wegen Satz 3.2.1 und der Isometrie von F
konvergiert fn∧ = F fn für n → ∞ gleichmäßig gegen f ∧ und in der L2 Norm gegen F f . Eine Funktionenfolge die gleichmäßig gegen eine Funktion
f ∧ konvergiert, kann in der L2 -Norm, sofern sie konvergiert, nur gegen diese
Funktion f ∧ konvergieren, woraus f ∧ = F f für f ∈ L1 ∩ L2 folgt.
Mit Proposition 3.2.2 und 3.3.1 erhalten wir damit
Korollar 3.3.4 Für Funktionen aus dem Schwartzraum S gilt
Dα F g = (−i)|α| F (mα g) und Dα F −1 g = i|α| F −1 (mα g)
und (für f = F g bzw. f = F −1 g:
Dα f = (−i)|α| F (mα F −1 f ) = i|α| F −1 (mα F f ).
Während die linke Seite dieser Gleichung zunächst nur für hinreichend glatte
Funktionen definiert ist, ist die rechte Seite für alle Funktionen f ∈ L2 mit
mα F −1 f ∈ L2 sinnvoll erklärt. Lineare Operatoren der Art F Mp F −1 mit
Mp f (x) = p(x)f (x) heißen Pseudodifferentialoperatoren. Dabei ist p ein
Polynom oder allgemeiner eine Funktion in x.
75
Kapitel
4
Hausdorffmaß, Transformations- und
Flächenformel
Unsere Zielsetzung ist die Definition eines Flächenmaßes für glatte Flächen
im Rn . Als Spezialfall dieser Flächenformel werden wir dabei die Transformationsregel, die die höherdimensionale Verallgemeinerung der Substitutionsregel ist, erhalten.
Obwohl eine Fläche eine sehr anschauliche Begriffsbildung ist, führt der naheliegende Versuch durch eine immer feiner werdende Approximation durch
affine Flächenstücke für Dimensionen größer als 1 nicht zum Ziel. Für Kurven, also eindimensionale Flächen, war dies über die Weglänge möglich, die
als Grenzwert der Längen von approximierenden Polygonzügen definiert wurde. Für C 1 -Wege Γ erhalten wir so für die Weglänge
|Γ| =
Z
[a,b]
|γ 0 (t)| dt.
Diese Formel werden wir nach der Definition des Flächenmaßes durch die
Flächenformel (Satz 4.2.8) auf höhere Dimensionen übertragen. Das folgende
Beispiel zeigt, dass schon für 2-dimensionale glatte Flächen der naheliegende Versuch ein sinnvolles Flächenmaß über die Approximation durch immer
kleiner werdende Dreiecke zu definieren nicht funktioniert: Es stellt sich heraus, dass auch wenn diese immer kleinere Seiten haben und ihre Eckpunkte
in der Fläche liegen, die Summe der Dreiecksflächen nicht konvergieren muss
oder unbeschränkt sein kann. Der Grund liegt darin, dass auch sehr kleine
Dreiecke eine gekrümmte Fläche in dem Sinn sehr schlecht approximieren
können, dass ihre Normale fast senkrecht zur Flächennormalen stehen kann,
wenn das Verhältnis der Längen der Seiten entsprechend gewählt wird:
Beispiel 4.0.1 (Schwarz’scher Zylinder) Approximiert man den Mantel
{x ∈ R3 : x21 + x22 = 1, 0 ≤ x3 ≤ 1} eines Zylinders für n, m ∈ N durch
12. Dezember 2013
77
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Wahl der Punkte
xk,l,n =

2kπ
l
 cos 2kπ
,
sin
,
n2
n2 nm
 cos (2k+1)π , sin (2k+1)π , l
n2
l gerade
l ungerade,
nm
n2
0 ≤ k < n2 , 0 ≤ l ≤ nm , so berechnen sich die Flächen A(n, m) der
Dreiecke mit den Eckpunkten xk,l,n , xk+1,l,n , xk,l±1,n für k gerade, bzw. mit
den Eckpunkten xk,l,n , xk+1,l,n , xk+1,l±1,n für k ungerade zu
A(n, m) = n−2m + (1 − cos(π/n2 ))2
1
2
sin(π/n2 ).
Bei dieser Zerlegung entstehen N (n, m) = 2n2 (n2 − 1)m + 2n2 Dreiecke mit
Fläche A(n, m). Wir erhalten als Grenzwert der Flächen dieser Polytope
lim N (n, m)A(n, m) =
n→∞



2π



√
2π 1 +
∞
π2
m=1
m=2
m≥3
woraus ersichtlich ist, dass die Forderung, dass die approximierenden Flächenstücke immer kleiner werden, nicht ausreicht um ein eindeutiges Flächenmaß zu definieren.
Unser Zugang das Maß einer Teilmenge eines metrischen Raumes über Überdeckungseigenschaften zu definieren wird zugleich eine Verallgemeinerung
des Dimensionsbegriffes liefern: Für einen d-dimensionale Würfel im Rn ist
die Zahl von Würfeln der Kantenlänge von der Ordnung epsilon−d . Durch
diese Eigenschaft lässt sich für Teilmengen eines metrischen Raumes ein Dimensionsbegriff einführen, der auch nichtganzzahlige Dimensionen definiert
und den klassischen Dimensionsbegriff erweitert.
4.1 Hausdorffmaß und Hausdorffdimension
Die Schwierigkeit das Flächenmaß einer gekrümmten Fläche zu definieren
kommt daher, dass wir im Gegensatz zum Lebesguemaß auf Rn keine Semialgebra von Flächenstücken mit vorgegebenem Inhalt haben. Beim Hausdorffmaß definieren wir Mengenfunktionen auf metrischen Räumen über Überdeckungseigenschaften. Das Hausdorffmaß kann so auch wesentlich allgemeiner
als für Flächen definiert und sinnvoll verwendet werden.
Für 0 ≤ s ∈ R und δ > 0 definieren wir für Teilmengen A eines metrischen
Raumes (M, d) mit diam(A) := sup{d(x, y) : x, y ∈ A}
Hδs (A)
:= inf
(∞
X
i=1
78
diam(Ci )
2
!s
)
: diam(Ci ) ≤ δ,
∪∞
i=1 Ci
⊇A
(4.1)
4.1. HAUSDORFFMAß UND HAUSDORFFDIMENSION
und das s-dimensionale Hausdorffmaß von A
Hs (A) := lim Hδs (A) ∈ [0, ∞].
δ→0
Da Hδs (A) offensichtlich eine in δ monoton fallende Funktion ist, existiert
das s-dimensionale Hausdorffmaß für alle Teilmengen von M , wenn wir auch
∞ zulassen.
Proposition 4.1.1 Für eine Abbildung f von (M, d) nach (M 0 , d0 ), die d0 (f (x), f (y)) ≤
Kd(x, y) erfüllt gilt H̃s (f (A)) ≤ K s Hs (A), wenn Hs resp. H̃s die Hausdorffmaße auf (M, d) resp. (M 0 , d0 ) bezeichnen. Insbesondere gilt für Isometrien
f : H̃s (f (A)) = Hs (A).
Beweis: Jede Überdeckung einer Menge A ⊆ M durch Mengen Ci mit
diam(Ci ) ≤ δ induziert eine Überdeckung von f (A) durch Mengen f (Ci ) mit
diam(f (Ci )) ≤ Kδ, woraus folgt H̃s Kδ (f (A)) ≤ K s Hδs (A). Mit δ konvergiert
Kδ gegen 0, also gilt H̃s (f (A)) ≤ K s Hs (A). Für eine Isometrie gilt diese
Ungleichung für f und f −1 und K = 1.
Proposition 4.1.2 Für A ⊆ Rn gilt Hs (λA) = λs Hs (A).
Beweis: Die Behauptungen folgen unmittelbar aus der Definition des Hausdorffmaßes, wenn man berücksichtigt, dass diam(λCi ) = λdiam(Ci ) gilt und
für eine Bijektion f zwischen A und f (A) (f (Ci ))i∈N genau dann eine Überdeckung von f (A) ist, wenn (Ci )i∈N eine Überdeckung von A ist.
Satz 4.1.3 H0 ist das Zählmaß. Gilt für eine Menge A ⊆ M Hs (A) < ∞,
so folgt Ht (A) = 0 für alle t > s, d.h. das Hausdorffmaß Hs (A) nimmt
höchstens für einen Wert von s einen endlichen Wert größer 0 an.
Beweis: Dass H0 das Zählmaß ist, folgt unmittelbar aus der Definition.
Für t > s und diam(Ci ) < δ folgt
∞
X
i=1
diam(Ci )
2
!s
>
δ
2
!s−t ∞
X
i=1
diam(Ci )
2
!t
.
Wegen δ s−t → ∞ für δ → 0 folgt die Behauptung.
Das Hausdorffmaß ist wie man unmittelbar aus der Definition von Hδs sieht
für δ < 1 in s monoton fallend, d.h. für jede Menge A und δ < 1 gilt
Hδs (A) > Hδt (A) für t > s. Aus Satz 4.1.3 folgt, dass inf{s ≥ 0 : Hs (A) =
0} = sup{s ≥ 0 : Hs (A) = ∞} gilt. Die Hausdorffdimension dimH ∈
[0, ∞] einer nichtleeren Menge A definieren wir durch
dimH (A) := inf{s ≥ 0 : Hs (A) = 0} = sup{s ≥ 0 : Hs (A) = ∞}.
79
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Die Hausdorffdimension ist besonders einfach für selbstähnliche Mengen, also
Mengen die als disjunkte Vereinigung von verkleinerten Kopien dieser Menge
dargestellt werden können, zu berechnen.
Beispiel 4.1.4 Der halboffene Würfel W := ×ni=1 [0, 1) ⊂ Rn hat Hausdorffdimension n:
Zerlegen wir W in k n gleichgroße achsenparallele disjunkte Würfel der Kantenlänge 1/k, so erhalten wir
s
H1/k
(W )
≤k
n
1
diam
W
k
1
2
s
=k
√ !s
n
,
2
n−s
woraus Hs (W ) = 0 für s > n folgt.
Andererseits gilt für jede Überdeckung von W durch Mengen Ci mit xi ∈ Ci
Ci ⊆ B(xi , diam(Ci )), also
1 = λn (W ) ≤
X
λn (B(xi , diam(Ci ))) = 2n ωn
i
X
(diam(Ci )/2))n ,
i
woraus Hn (W ) ≥ Hδn (W ) ≥ 1/(2n ωn ) > 0 folgt. Mit Satz 4.1.3 erhalten wir
dimH = n.
Das folgende Kriterium gibt eine Bedingung dafür, dass eine äußere Maßfunktion ein Maß auf den Borelmengen eines metrischen Raumes induziert.
Wir bezeichnen mit dist(A, B) := inf{d(a, b) : a ∈ A, b ∈ B} den Abstand
der Mengen A und B.
Satz 4.1.5 Für eine äußere Maßfunktion µ∗ auf einem metrischen Raum
M gelte für alle Teilmengen A, B von M mit dist(A, B) > 0:
µ∗ (A ∪ B) = µ∗ (A) + µ∗ (B).
(4.2)
Dann sind alle Borelmengen µ∗ -messbar.
Beweis: Das Mengensystem der bezüglich einer äußeren Maßfunktion Carathéodory-messbaren Mengen ist immer eine σ-Algebra (vgl. [KU, Satz 4.9]).
Zugleich ist die σ-Algebra der Borelmengen in einem topologischen Raum
genau die von den offenen Mengen (oder äquivalent die von den abgeschlossenen Mengen) erzeugte σ-Algebra. Es genügt nach dem Carathéodory-Kriterium
zu zeigen, dass µ∗ eine äußere Maßfunktion ist, bezüglich der alle abgeschlossenen Mengen messbar sind, d.h. wir müssen zeigen, dass für jede abgeschlossene Menge C und jede Menge A ⊂ M
µ∗ (A) = µ∗ (A ∩ C) + µ∗ (A ∩ C { )
80
4.1. HAUSDORFFMAß UND HAUSDORFFDIMENSION
gilt. Es ist µ∗ (A) ≤ µ∗ (A ∩ C) + µ∗ (A ∩ C { ) wegen der Subadditivität der
äußeren Maßfunktion µ∗ , es bleibt also
µ∗ (A) ≥ µ∗ (A ∩ C) + µ∗ (A ∩ C { )
für C = C̄, A ⊆ M
(4.3)
zu zeigen, wobei wir uns klarerweise auf den Fall µ∗ (A) < ∞ beschränken
können. Wir setzen Cn := {x ∈ M : dist(x, C) > 1/n} mit dist(x, C) =
inf{d(x, c) : c ∈ C}. Es gilt dist(C, Cn ) ≥ 1/n und damit wegen der Monotonie äußerer Maßfunktionen und (4.2)
µ∗ (A) ≥ µ∗ ((A ∩ C) ∪ (A ∩ Cn )) = µ∗ (A ∩ C) + µ∗ (A ∩ Cn ),
womit für (4.3) nur noch zu zeigen ist, dass µ∗ (A ∩ Cn ) % µ∗ (A ∩ C { ) für
n → ∞ gilt. Wir definieren Dk := {x ∈ A : 1/k ≥ dist(x, C) > 1/(k + 1)}.
Da C abgeschlossen ist gilt dist(x, C) = 0 genau für x ∈ C und damit
A ∩ C { = (A ∩ Cn ) ∪k≥n Dk .
(4.4)
Mit der Dreiecksungleichung folgt dist(y, C) ≤ d(x, y)+dist(x, C) und damit
dist(Dk , Dl ) ≥
1
1
− >0
l+1 k
für k > l + 1
und wegen (4.2) und der Monotonie von µ∗
X
µ∗ (D2k ) = µ∗ (∪n≤2k≤N D2k ) ≤ µ∗ (A) < ∞,
n≤2k≤N
also die Konvergenz der Reihe n≤2k<∞ µ∗ (D2k ). Analog folgt die KonverP
P
genz von n≤2k+1<∞ µ∗ (D2k+1 ), also konvergiert n≤k<∞ µ∗ (Dk ). Mit der
Monotonie und der σ-Subadditivität von µ∗ erhalten wir schließlich
P
µ∗ ((A ∩ Cn ) ≤ µ∗ (A ∩ C { ) = µ∗ ((A ∩ Cn ) ∪k≥n Dn ) ≤ µ∗ (A ∩ Cn ) +
X
µ∗ (Dn )
k≥n
und wegen der Konvergenz der Reihe n≤k<∞ µ∗ (Dk ) folgt hieraus die gewünschte Beziehung µ∗ (A ∩ Cn ) % µ∗ (A ∩ C { ) für n → ∞ und die µ∗ Messbarkeit abgeschlossener Mengen ist gezeigt.
P
Wir zeigen, dass die Bezeichnung Maß für die Mengenfunktion Hs gerechtfertigt ist, genauer
Satz 4.1.6 In einem metrischen Raum (M, d) sind durch das Hausdorffmaß
Hs und die Mengenfunktionen Hδs für jedes 0 ≤ s, 0 < δ äußere Maßfunktionen definiert. Alle Borelmengen sind Hs -messbar, d.h das Hausdorffmaß
Hs ist ein Borelmaß. Dieses besitzt die Regularitätseigenschaft, dass es zu
jeder Menge A ⊆ M eine Borelmenge B ⊇ A mit Hs (A) = Hs (B) gibt.
81
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Beweis: Aus der Definition des Hausdorffmaßes folgt unmittelbar für alle
δ > 0:
• Hδs (∅) = Hs (∅) = 0
• Hδs (A), Hs (A) ∈ [0, ∞] ∀A ⊆ M
• Hδs (A) ≤ Hδs (B), Hs (A) ≤ Hs (B) für alle A ⊆ B
(Monotonie).
und H äußere Maßfunktionen sind (vgl. [KU, Def.
Um zu sehen, dass
4.4]) bleibt also noch die σ-Subadditivität zu zeigen. Sei A ⊆ ∪i∈N Ai , δ > 0
und für i ∈ N sei Ai ⊆ ∪l∈N Cil eine Überdeckung von Ai durch Mengen Cil
die alle diam(Cil ) ≤ δ erfüllen (δ-Überdeckung genannt). Dann ist ∪(i,l)∈N2 Cil
eine δ-Überdeckung von A, womit folgt
Hδs
s
Hδs (A) ≤
(diam(Cil )/2)s .
XX
i∈N l∈N
Bilden wir rechts das Infimum der Summen l∈N (diam(Cil )/2)s aller δ-ÜberP
P
deckungen der Mengen Ai , so erhalten wir Hδs (A) ≤ i∈N Hδs (Ai ) ≤ i∈N Hs (Ai ),
also die σ-Subadditivität von Hδs und wenn wir in dieser Ungleichung δ gegen
0 gehen lassen die von Hs :
P
Hs (A) ≤
X
Hs (Ai ).
i∈N
Damit sind Hs und Hδs äußere Maßfunktionen.
Um zu sehen, dass alle Borelmengen Hs -messbar sind, haben wir nach Satz
4.1.5 zu zeigen, dass
Hs (A ∪ B) = Hs (A) + Hs (B)
(4.5)
∀A, B ⊆ M mit dist(A, B) > 0 gilt:
Da Hs als äußere Maßfunktion subadditiv ist, genügt es
Hδs (A ∪ B) ≥ Hδs (A) + Hδs (B)
(4.6)
für hinreichend kleine δ > 0 zu zeigen. Für diam(C) < dist(A, B) kann
aber C aufgrund der Dreiecksungleichung nicht sowohl mit A als auch mit B
nichtleeren Schnitt haben. Es folgt, dass es für jede Überdeckung von A ∪ B
durch Mengen Ci , i ∈ N mit diam(Ci ) < dist(A, B) eine Teilmenge I ⊆ N
gibt mit A ⊆ ∪i∈I Ci und B ⊆ ∪i∈N\I Ci , woraus für δ < dist(A, B) (4.6) und
damit (4.5) folgt.
Es bleibt die letzte Behauptung des Satzes, die Regularitätseigenschaft zu
zeigen. Sei A ⊆ M mit Hs (A) < ∞ (anderenfalls wählen wir B = M ). Dann
gilt Hδs (A) < ∞ für alle δ > 0. Wir wählen für k ∈ N eine Überdeckung von
A durch Mengen Cik mit diam(Cik ) ≤ k1 und
∞
1 X
H 1 (A) + ≥ (diam(Cik )/2)s ≥ Hs1 (∪i Cik ).
k
k
k i=1
s
82
(4.7)
4.1. HAUSDORFFMAß UND HAUSDORFFDIMENSION
Wegen diam(C) = diam(C̄) für alle C ⊆ M können wir die Mengen Cik
in dieser Ungleichung durch ihren Abschluss ersetzen, bzw. annehmen dass
alle Mengen Cik abgeschlossen sind. Es gilt Hs (A) = limk→∞ Hs1 (∪i Cik ). Die
k
Mengen ∪i Cik sind aber als abzählbare Vereinigung abgeschlossener Mengen
Borelmengen, damit ist auch B := ∩k (∪i Cik ) als abzählbarer Durchschnitt
von Borelmengen eine Borelmenge für die A ⊆ B gilt, womit wir mit der
Monotonie des Hausdorffmaßes und (4.7)
Hs (B) ≥ Hs (A) = lim Hs1 (A) ≥ Hs1 (∪i Cik ) −
k→∞
k
k
1
1
≥ Hs1 (B) −
k
k
k
erhalten. Wegen Hs1 (B) % Hs (B) folgt Hs (A) = Hs (B), also die Regularik
tät.
Beispiel 4.1.7 (Hausdorffdimension der Cantormenge) Auf dem Einheitsintervall I = [0, 1] seien die Abbildungen T0 und T1 in sich durch T0 (x) = x/3,
T1 (x) = 2/3 + x/3 erklärt. Wir definieren eine Folge von Mengen (An )n∈N
induktiv durch A0 := I und An+1 := T0 (An ) ∪ T1 (An ). Man verifiziert unmittelbar durch Induktion dass An die disjunkte Vereinigung von 2n abgeschlossenen Intervallen der Länge 3−n ist und An+1 ⊂ An gilt, wobe An+1
aus An durch Entfernen des inneren Drittels der 2n Intervalle von An hervorgeht. Da I kompakt ist und die Mengen An wegen ∩ni=1 Ani = Amax ni die
endliche Durchschnittseigenschaft haben, ist die Cantormenge C := ∩n An
eine nichtleere kompakte Teilmenge von I.
2
1
1
Wegen ∩N
n=1 An+1 = AN +1 = 3 AN ∪ ( 3 + 3 AN ) folgt die Selbstähnlichkeit
2
1
1
der Cantormenge C = 3 C ∪ ( 3 + 3 C), d.h. die Cantormenge ist die Vereinigung zweier verkleinerter Kopien von sich selbst. Mengen mit solchen
Selbstähnlichkeiten werden Fraktale genannt.
0
1/3
2/3
1
A0
A1
A2
A3
A4
A5
A6
2
Wir zeigen dass die Hausdorffdimension der Cantormenge gleich log
ist. Wie
log 3
bei der Bestimmung der Hausdorffdimension vieler Fraktale ist es relativ
einfach durch eine naheliegende Überdeckung die beste obere Schranke zu
finden:
n
Da für alle n ∈ N An eine Überdeckung
−nvon
s C durch 2 Intervalle der Länge
3
3−n ist, ist Hδs für 3−n < δ durch 2n 2
beschränkt. Für 2 · 3−s < 1, also
2
für s > log
folgt Hs (C) = 0 und die Hausdorffdimension von C ist somit
log 3
log 2
nach oben durch log
beschränkt.
3
83
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Aus der Definition von Hδs folgt, dass wir uns o.B.d.A. auf Überdeckungen
von C durch offene Intervalle Ci beschränken können. Ist C ⊆ ∪i∈N Ci für
offene Teilmengen Ci so gibt es, da C kompakt ist N ∈ N mit C ⊆ ∪i≤N Ci .
Für 3−k−1 < diamCi ≤ 3−k hat Ci mit höchstens einem der 2k Intervalle von
Ak nichtleeren Schnitt. Wir dürfen also in der Überdeckung jedes Ci durch
ein abgeschlossenes Intervall Di der Länge 3−ki ersetzen, das in der Mengen
Aki liegt (Aki besteht ja genau aus 2ki Intervallen der Länge 3−ki ). Es gilt
dann
3−s
N
X
i=1
diam(Di )
2
!s
≤
N
X
i=1
diam(Ci )
2
!s
(4.8)
und ∪i≤N Di ⊇ Ak0 , wenn 3−k0 die kleinste Intervalllänge der Intervalle
Di , i ≤ N bezeichnet. Da zwei Intervalle Di , Dl der Mengen Ak und Al zueinander disjunkt oder sind oder eines Teilmenge des anderen Intervalls ist
dürfen wir (gegebenenfalls nach Elemination von Teilintervallen) annehmen,
dass alle Di zueinander disjunkt sind ohne die Überdeckungseigenschaft zu
verlieren. Ist Di1 in einem Intervall von Ak0 enthalten, so gibt es in Ak0 −1 ein
Intervall D̃i mit D̃i ⊂ Di1 . Dann muss aber auch das Intervall Di2 := D̃i \Di1
ein Teilintervall von Ak0 sein, das in unserer Überdeckung enthalten ist. Ersetzen wir in dieser Überdeckung
Di1 ∪ D
si2 durch D̃i , so ändert sich in (4.8)
−k +1 s
2
3−k0
3 0
−2 2
, sie wird also für s < log
kleiner.
die linke Summe um
2
log 3
Verfahren wir so mit allen Intervallen Di der Länge k0 , so erhalten wir eine
Überdeckung von ∪i≤N Di durch Intervalle Dk0 der Länge ≥ 3−k0 +1 , mit
0
N
X
k=1
diam(Di0 )
2
!s
≤
N
X
i=1
diam(Di )
2
!s
.
Wiederholen wir diesen Schritt für alle Intervalle der Länge 3−k0 +1 , danach
für die so gewonnene Überdeckung für die Intervalle der Länge 3−k0 +2 u.s.w.,
log 2
, da keine der Mengen Ci
so erhalten wir für 3−n0 −1 < δ ≤ 3−n0 und s < log
3
einen Durchmesser größer als δ hat eine Überdeckung von C, die genau aus
den Intervallen An0 ,j der Menge An0 besteht und es gilt:
N
X
i=1
diam(Ci )
2
!s
≥ 3−s
N
X
i=1
diam(Di )
2
!s
n
≥ 3−s
2 0
X
j=1
diam(An0 ,j )
2
!s
≥ 6 (2 · 3 ) .
−s
−s n0
log 2
Also gilt Hs δ(C) ≥ 6−s (2·3−s )n0 für δ < 3−n0 . Für s < log
geht 6−s (2·3−s )n0
3
für n0 → ∞ gegen ∞, Die Hausdorffdimension von C ist also auch nach unten
log 2
2
durch log
beschränkt, d.h. sie ist log
.
3
log 3
84
4.2. FLÄCHENFORMEL
4.2 Flächenformel
Wir zeigen zuerst, dass im Rn das Hausdorffmaß Hn ein Vielfaches des Lebesguemaßes ist, d.h. es gibt eine Konstante ωn mit ωn Hn = λn .
Hierfür zeigen wir:
Satz 4.2.1 Ein Borelmaß auf Rn , das auf beschränkten Mengen endlich und
translationsinvariant ist, ist ein Vielfaches des Lebesguemaßes λn .
Beweis: Da die Borel-σ-Algebra von dem Ring der dyadischen Würfel erzeugt wird, und ein translationsinvariantes Maß, das auf kompakten Mengen
endlich ist, durch das Maß eines dyadischen Würfels bestimmt ist, folgt aus
dem Fortsetzungssatz (KU??) dass dieses Maß ein Vielfaches des Lebesguemaßes ist.
Lemma 4.2.2 Sei W der abgeschlossene Einheitswürfel in Rn und δ > 0.
Dann gibt es eine Folge (B̄(xi , ri )) abgeschlossener disjunkter Kugeln in W
mit
i) ri < δ ∀i ∈ N
ii) λn (W \ ∪i∈N B̄(xi , ri )) = 0
iii) ∀k ∈ N : W ⊆ ∪i≤k B̄(xi , ri ) ∪ ∪i>k B̄(xi , 3ri )
Beweis: Wir wählen die Folge disjunkter Kugeln B̄(xi , ri ) mit Radius kleiner
δ in W induktiv wie folgt: B̄(x1 , r1 ) ⊂ W sei beliebig mit r1 < δ. Sind die
Kugeln B̄(xi , ri ) für i ≤ k gewählt, wählen wir
B̄(xk+1 , rk+1 ) ⊂ W \ ∪i≤k B̄(xi , ri )
so, dass 2δ > 2rk+1 > min(sup{r : ∃x ∈ W, B̄(x, r) ⊂ W \ ∪i≤k B̄(xi , ri )}, δ)
gilt. (D.h. wir wählen eine Kugel mit relativ großem möglichem Radius < δ.)
Da die Kugeln B̄(xi , ri ) disjunkte Teilmengen von W sind muss die Reihe
P
n
i∈N ri konvergieren und (ri )i∈N eine Nullfolge sein.
Sei x ∈ W ◦ \ ∪i∈N B̄(xi , ri ) und k ∈ N. Wir wählen ρ > 0 so, dass B̄(x, ρ) ∩
B̄(xi , ri ) = ∅ ∀i ≤ k gilt. Da die Kugeln abgeschlossen sind gibt es zu jedem
k ein solches ρ > 0.
Es können nicht alle B̄(xi , ri ) für i > k disjunkt zu B̄(x, ρ) sein, da im iten Konstruktionsschritt der Folge nur dann B̄(xi , ri ) statt B̄(x, ρ) gewählt
werden kann wenn 2ri > ρ gilt, zugleich aber (ri )i eine Nullfolge ist.
Sei i0 := min{i : B̄(xi , ri ) ∩ B̄(x, ρ) 6= ∅}. Dann gilt auch 2ri0 > ρ, woraus mit der Dreicksungleichung x ∈ B̄(xi0 , 3ri0 ) folgt. Das heißt für jedes
k ∈ N gilt x ∈ ∪i>k B̄(xi , 3ri ), also gilt iii). Aufgrund der Konvergenz
85
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
der Reihe i∈N rin wird i>k λn (B̄(xi , 3ri )) beliebig klein, wenn k hinreichend groß wird, also auch die Teilmenge W ◦ \ ∪i≤k B̄(xi , ri ). Es folgt, dass
W ◦ \ ∪i∈N B̄(xi , ri ) und damit auch W \ ∪i∈N B̄(xi , ri ) eine λn -Nullmenge wie
in ii) behauptet ist.
P
P
n
Satz 4.2.3 Im Rn gilt ωn Hn = λn , wobei ωn = λn (B(0, 1) = π 2 /Γ(1 + n/2)
das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel ist (vgl. Bsp. 2.1.3).
Beweis: Das Hausdorffmaß ist nach Proposition 4.1.1 translationsinvariant,
da die Metrik auf Rn translationsinvariant ist. Da translationsinvariante Borelmaße auf Rn , die auf beschränkten Mengen endlich sind nach Satz 4.2.1
Vielfache des Lebesguemaßes sind, genügt es zu zeigen, dass Hn auf beschränkten Mengen endlich ist und Hn (W ) für den Einheitswürfel W zu
bestimmen.
√
√
n n
n
n, wie man durch
Für den Einheitswürfel W gilt H√
n/k (W ) ≤ k kn =
n
die Überdeckung von W mit k Würfeln der Kantenlänge 1/k sieht. Es folgt
Hn (W ) < ∞ und wegen der Translationsinvarianz, dass Hn auf beschränkten
Teilmengen von Rn endlich ist. Nach Satz 4.2.1 gilt damit Hn = αn λn für
eine geeignete Konstante αn .
Für jede Menge C gilt diam(C) = diam(C̄), deshalb dürfen wir in der Definition des Hausdorffmaßes (4.1) die Mengen Ci durch C̄i ersetzen. Abgeschlossene Mengen sind Borel-messbar und es folgt aus der isodiametrischen
Ungleichung ωn (diamC/2)n ≥ λn (C) (Satz 2.1.4) ωn Hδn (W ) ≥ 1 und damit
ωn Hn (W ) ≥ 1.
(4.9)
Wir wählen mit Lemma 4.2.2 eine Folge (B̄(xi , ri )) von Kugeln mit RaP
dii kleiner δ/2 und danach k so groß, dass i>k (3ri )n < und 3ri < δ/2
für alle i > k gilt. Das ist möglich, da die Kugeln B̄(xi , ri ) paarweise disP
junkt sind, aber alle in W liegen, also i λn (B̄(xi , ri )) und damit auch
P n
P n n
i λ (B̄(xi , 3ri )) =
i 3 λ (B̄(xi , ri )) konvergiert und (ri ) eine Nullfolge
ist.
Wählen wir Ci = B̄(xi , ri ) für i ≤ k und Ci := B̄(xi , 3ri ) für i > k als
δ-Überdeckung von W , so folgt
Hδn (W ) ≤
X
i≤k
rin +
(3ri )n ≤
X
X
i>k
i≤k
ωn−1 (λn (B̄(xi , ri )) + ≤ ωn−1 + und damit Hn (W ) = limδ→0 H ∀B ∈ Ln . ∀B ∈ Ln .nδ (W ) ≤ ωn−1 + . Da
> 0 beliebig war, sehen wir Hn (W ) ≤ ωn−1 , also mit (4.9) ωn Hn (W ) = 1.
86
4.2. FLÄCHENFORMEL
Korollar 4.2.4 Für eine lineare Transformation L des Rn gilt
λn (L(B)) = | det(L)|λn (B)
∀B ∈ Ln .
Beweis: Wegen der Translationsinvarianz des Lebesguemaßes ist auch das
Maß µ(B) := λn (L(B)) translationsinvariant und nach Satz 4.2.1 ein Vielfaches des n-dimensionalen Lebesguemaßes. Damit genügt es die Behauptung
für den n-dimensionalen Einheitswürfel Wn zu zeigen. Für n = 1 folgt die
Aussage aus der Substitutionsregel. Wir beweisen die Aussage durch Induktion nach n: Sei O eine orthogonale Transformation, für die A := OL eine Matrixdarstellung mit an,i = 0 für 1 ≤ i < n hat. Dann gilt mit Proposition 4.1.1
und Satz 4.2.3 λn (L(B)) = ωn Hn (L(B)) = ωn Hn (OL(B)) = λn (OL(B)).
Mit dem Satz von Fubini, der Translationsinvarianz von λn und der Induktionsvoraussetzung folgt für
An−1
a
A=
0, . . . , 0 an,n
!
1A(W ) (y, t) = 1An−1 (Wn−1 )+a(t) (y)1[0,an,n ] (t)
λ (A(Wn )) =
n
=
Z Z
ZR
n−1
ZR
R
Rn−1
1An−1 (Wn−1 )+a(t) (x, t) dλn−1 (x)1[0,an,n ] (t) dλ(t)
1An−1 (Wn−1 ) (x) dλn−1 (x)1[0,an,n ] (t) dλ(t)
=| det(An−1 )||an,n |.
Wegen | det(L)| = | det(OL)| = | det(An−1 )||an,n | folgt die Behauptung.
Korollar 4.2.5 Für eine lineare Abbildung L : Rn → Rm und eine messbare
Teilmenge A des Rn gilt
Hn (L(A)) =
q
det(LT L)Hn (A).
Beweis: Hat L nicht Rang n, so gilt det(LT L) = 0 und wegen Proposition
4.1.1 Hn (L(Rn )) = Hn (Rl ) für ein l < n. Wegen Beispiel 4.1.4 und der
Monotonie des Hausdorffmaßes gilt dann auch Hn (L(A)) ≤ Hn (Rl ) = 0. Wir
dürfen also annehmen, dass L vollen Rang hat. Dann gibt es eine lineare
Isometrie U von L(Rn ) auf Rn und mit Proposition 4.1.1, Satz 4.2.3 und
Korollar 4.2.4 folgt
Hn (L(A)) =Hn (U L(A)) = ωn λn (U L(A)) = ωn | det(U L)|λn (A)
=ωn
q
det((U L)T U L)λn (A)
q
= ωn det(LT L)λn (A)
q
= det(LT L)Hn (A).
87
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Eine Funktion ϕ : Rn → Rm ist in y genau dann differenzierbar, wenn es
eine lineare Abbildung dϕ(y) gibt für die gilt:
|ϕ(x) − ϕ(y) − dϕ(y)(x − y)| ≤< |x − y|ω(|x − y|)
mit einer Funktion ω, die lim h & 0ω(h) = 0 erfüllt. Wir verwenden im
Folgenden, dass für C 1 -Funktionen ϕ eine ähnliche Abschätzung lokal auch
für eine feste (von y unabhängige) lineare Abbildung gilt.
Mit |x| := ( ni=1 (xi )2 )1/2 bezeichnen wir hier un im folgenden die Euklidische
Norm von x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rn .
P
Lemma 4.2.6 Sei K eine kompakte konvexe Teilmenge einer offenen Teilmenge Ω ⊆ Rn und ϕ = (ϕi )Ti≤m Ω → Rm eine C 1 -Funktion. Dann gibt es
+
eine nichtfallende Funktion ω : R+
0 → R0 mit limh&0 ω(h) = 0, sodass für
alle Teilmengen W von K und x, y, y0 ∈ W
|ϕ(x) − ϕ(y) − dϕ(y0 )(x − y)| ≤ |x − y|ω(diam(W ))
(4.10)
gilt.
Beweis: Wegen der Konvexität von K liegt mit x, y auch y + t(x − y) für
t ∈ [0, 1] in K und wegen der Differenzierbarkeit der Funktion ϕ = (ϕi )T , i =
1, . . . , m gilt nach dem Mittelwertsatz für 1 ≤ i ≤ m
n
X
d
∂ϕi
ϕi (x) − ϕi (y) = (ϕi (y + t(x − y))
(xj − yj )
(y + ti (x − y))
=
dt
∂xj
t=ti
j=1
(4.11)
beziehungsweise
ϕi (x)−ϕi (y) − dϕi (y0 )(x − y)
n
X
!
∂ϕi
∂ϕi
(xj − yj )
=
(y + ti (x − y)) −
(y0 ) .
∂xj
∂xj
j=1
Wegen der stetigen Differenzierbarkeit sind alle partiellen Ableitungen auf
der kompakten Menge K nach Satz 1.4.10 gleichmäßig stetig, es gibt also
eine nichtfallende Funktion ω auf R+ mit limh&0 ω(h) = 0 und
∂ϕ
i
(z) −
∂xj
∂ϕi
ω(|z − x|)
(x) ≤ √
∂xj
nm
für alle x, z ∈ W , 1 ≤ i ≤qm, 1 ≤ j ≤ n. Wegen der Cauchy-Schwarz√
P
Pn
2
Ungleichung gilt ni=1 |ai | ≤
i=1 ai n, also
√
|ϕi (x) − ϕi (y) − dϕi (y0 )(x − y)| ≤ |x − y|ω(|y + ti (x − y) − y0 |)/ m
und damit (4.10).
88
4.2. FLÄCHENFORMEL
Lemma 4.2.7 Ist ϕ : Ω → Rm , Ω offen in Rn eine injektive C 1 -Abbildung,
für die dϕ auf einer kompakten Teilmenge K von Ω Rang n hat, so gibt es
eine Konstante C mit |x − y| ≤ C|ϕ(x) − ϕ(y)| für alle x, y ∈ K.
Beweis: Gibt es keine solche Konstante C, so muß es Folgen (xi ) und
(yi ), xi 6= yi in K geben, für die
|ϕ(xi ) − ϕ(yi )|
=0
i→∞
|xi − yi |
lim
(4.12)
gilt. Da K kompakt ist enthält die Folge (xi ) eine gegen ein x0 ∈ K konvergente Teilfolge (xil )l∈N und die Folge (yil )l∈N eine gegen ein y0 ∈ K
konvergente Teilfolge. Wir dürfen also - gegebenenfalls nach Übergang zu
dieser Teilfolge - annehmen, dass xi → x0 und yi → y0 für i → ∞ gilt.
Für x0 6= y0 folgt aus der Stetigkeit und Injektivität von ϕ
|ϕ(xi ) − ϕ(yi )|
|ϕ(x0 ) − ϕ(y0 )|
=
6= 0
i→∞
|xi − yi |
|x0 − y0 |
lim
im Widerspruch zu (4.12), also gilt x0 = y0 .
Wegen Lemma 4.2.6 gilt
|ϕ(xi ) − ϕ(yi )| ≥ dϕ(x0 ) |xi − yi |−1 (xi − yi ) − ω(|xi − x0 | + |yi − x0 |).
|xi − yi |
Die Folge |xi −yi |−1 (xi −yi ) ist eine Folge in der kompakten Menge ∂B(0, 1),
hat also eine Teilfolge die gegen ein z0 mit |z0 | = 1 konvergiert.
Wegen ω(|xi − x0 | + |yi − x0 |) → 0 für i → ∞ gilt aber wenn wir zu dieser
Teilfoge übergehen
0 = lim
i→∞
|ϕ(xi ) − ϕ(yi )|
= |dϕ(x0 )z0 |
|xi − yi |
mit |z0 | = 1 was unserer Voraussetzung dass dϕ vollen Rang hat widerspricht.
Sei E eine messbare Teilmenge des Rm . Die Euklidische Metrik dm auf Rm
induziert eine Metrik dm auf E. Das n-dimensionale Flächenmaß µnH auf
ϕ(Ω) sei als ωn Hn auf (E, dm ) definiert, wobei ωn das Lebesguemaß der ndimensionalen Einheitskugel ist.
Eine C 1 -Abbildung ϕ von einer offenen Teilmenge Ω des Rn in den Rn heißt
Immersion, wenn dϕ auf Ω Rang n hat.
89
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Satz 4.2.8 (Flächenformel für injektive Immersionen) Auf einer offenen Menge Ω ⊆ Rn sei eine injektive C 1 -Abbildung ϕ nach Rm , m ≥
n gegeben, deren Ableitungsmatrix überall vollen Rang n hat. Für das ndimensionale Flächenmaß µnH auf ϕ(Ω) gilt für jede messbare Teilmenge A
von Ω
Z q
n
det(dϕT dϕ) dλn ,
(4.13)
µH (ϕ(A)) =
A
das heißt das durch die messbare Abbildung ϕ durch µnH auf Ω induzierte
Maß ist absolutqstetig bezüglich dem n-dimensionalen Lebesguemaß λn mit
Dichtefunktion det(dϕT dϕ).
Beweis: Jede offene Teilmenge Ω des Rn ist der Grenzwert einer monoton
steigenden Folge (∪i: W k ⊂Ω Wik )k∈N ) von disjunkten Vereinigungen halboffei
ner dyadischer Würfel
Wik := ×nl=1 [il 2−k , (il + 1)2−k )
mit i = (i1 , . . . , in ) ∈ Nn und Wik ⊂ Ω.
Ein halboffener Würfel W sowie W̄ sind klarerweise Borel-messbar in Rn ,
aber auch ϕ(W ) und ϕ(W̄ ) sind Borel-messbar in Rm : ϕ(W̄ ) ist als stetiges Bild der kompakten Menge W̄ nach Satz 1.4.3 und 1.4.4 abgeschlossen
und damit Borel-messbar. W kann als W̄ \ S dargestellt werden mit W̄ , S
kompakt, damit ist auch ϕ(W ) = ϕ(W̄ ) \ ϕ(S) als Differenz zweier abgeschlossener Mengen eine Borelmenge.
Wegen dem Satz von der monotonen Konvergenz genügt es (4.13) für halboffene Würfel W mit W̄ ⊆ Ω zu zeigen. Wir zerlegen W in k n gleichgroße halboffene Würfel Wk,l , k ∈ N, 1 ≤ l ≤ k n und wählen für alle k, l ein yk,l ∈ Wk,l .
Ist dW die Länge der Diagonale von W , so gilt diam(Wk,l ) = dW /k. Wenden
wir Lemma 4.2.6 und 4.2.7 auf W und die Funktion ϕ an, so erhalten wir
eine Funktion ω mit limh→0 ω(h) = 0, für die
|ϕ(x) − ϕ(y) − dϕ(yk,l )(x − y)| ≤ |x − y|ω(δ) ≤ C|ϕ(x) − ϕ(y)|ω(δ)
für alle x, y, yk,l ∈ W mit max(|x − y|, |x − yk,l |, |y − yk,l |) ≤ δ gilt. Aus der
Dreiecksungleichung erhalten wir damit
|ϕ(x) − ϕ(y)|(1 − Cω(dW /k)) ≤ |dϕ(yk,l )(x − y)|
≤ |ϕ(x) − ϕ(y)|(1 + Cω(dW /k))
für alle k ∈ N, 1 ≤ l ≤ k n und x, y ∈ Wk,l . Mit Proposition 4.1.1 erhalten
wir
(1 − Cω(dW /k))n µnH (ϕ(Wk,l )) ≤ µnH (dϕ(yk,l )(Wk,l ))
≤ (1 + Cω(dW /k))n µnH (ϕ(Wk,l )).
90
4.2. FLÄCHENFORMEL
Für k → ∞ gilt Cω(dW /k) → 0 und es folgt aus der Additivität von µnH ,
Korollar 4.2.5 und Satz 4.2.3
n
µnH (ϕ(W ))
= lim
k→∞
= lim
k→∞
=
Z
W
k
X
n
µnH (ϕ(Wk,l ))
= lim
k→∞
l=1
kn q
X
k
X
µnH (dϕ(yk,l )(Wk,l ))
l=1
det(dϕ(yk,l )T dϕ(yk,l ))λn (Wk,l )
l=1
q
det(dϕT dϕ) dλn .
Das ist genau die geforderte Gleichung (4.13) für Würfel W .
Mit der Flächenformel können wir einen wichtigen Satz der Differentialtopologie herleiten: Sei f : Ω → Rn eine stetig differenzierbare Abbildung
auf einer offenen Teilmenge Ω von Rn . Ein Element x ∈ Ω heißt kritischer
Punkt, wenn Ran(df )(x) < n gilt. Eine C 1 -Abbildung kann keine kritischen
Punkte haben oder wie eine konstante Abbildung nur aus kritischen Punkten
bestehen. Ein Element y des Wertebereichs von f heißt kritischer Wert,
wenn es in seinem Urbild einen kritischen Punkt gibt. Im Gegensatz zu kritischen Punkten ist die Menge der kritischen Werte maßtheoretisch immer
klein. Es gilt:
Satz 4.2.9 (Lemma von Sard) Für eine C 1 -Abbildung ϕ von Rn ⊃ Ω →
Rm , Ω offen, so hat die Menge der kritischen Werte von ϕ n-dimensionales
Hausdorffmaß 0.
Beweis: Wir betrachten für > 0 die Abbildung F : Rn → Rm+n , x 7→
(ϕ(x), x). Diese hat auf Ω vollen Rang. Sei N die Menge der kritischen
Punkte von ϕ. Aus jeder Überdeckung von F (N ) durch Mengen Ci ⊂ Rm+n
geht durch Projektion auf die ersten n Koordinaten eine Überdeckung von
ϕ(N ) durch Mengen C̃i ⊂ Rm hervor, für die gilt diam(C̃i ) ≤ diam(Ci ).
Es folgt aus der Definition des Hausdorffmaßes und der Flächenformel Satz
4.2.10
Z q
n
n
det(dFT dF ) dλn .
µH (ϕ(N )) ≤ µH (F (N )) =
N
Es gilt dFT dF = dϕT dϕ+2 En , wobei En die n-dimensionale Einheitsmatrix
bezeichnet. det(dFT dF ) ist also das charakteristische Polynom p von dϕT dϕ
ausgewertet bei −2 . An kritischen Punkten ist 0 eine Nullstelle
von p. Es
q
folgt, da die Koeffizientenfunktionen von dϕ stetig sind, dass det(dFT dF )
auf kompakten Teilmengen K von N für ∈ [0, 1] beschränkt sind und für
→ 0 gegen 0 konvergiert. Nach dem Satz von der dominierten Konvergenz
folgt µnH (ϕ(K)) = 0. Da Rn σ-kompakt ist folgt µnH (ϕ(N )) = 0.
91
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Die hier formulierte Version des Satzes von Sard ist nur für n = m nichttrivial. Der allgemeine Satz von Sard sagt dass für n > m und C n−m+1 Funktionen ϕ die Menge der kritischen Werte sogar eine Nulmemnge bezüglich dem m-dimensionalen Hausdorffmaß ist. Der Beweis ist dann allerdings
aufwendiger.
Mit dem Satz von Sard können wir die Flächenformel für C 1 -Funktionen herleiten, die nicht notwendigerweise injektiv sind ond deren Ableitungsmatrix
nicht überall vollen Rang hat:
Satz 4.2.10 (Flächenformel für C 1 -Abbildungen) Sei ϕ eine C 1 -Abbildung einer offenen Menge Ω ⊆ Rn nach Rm , m ≥ n. Für das n-dimensionale Flächenmaß µnH auf ϕ(Ω) gilt für jede messbare Teilmenge A von
Ω
Z
Z q
−1
n
det(dϕT dϕ) dλn ,
(4.14)
#(ϕ (y)) dµH (y) =
ϕ(A)
A
wobei #(ϕ (y)) die Mächtigkeit der Menge ϕ−1 (y) bezeichnet.
−1
Beweis: Wir betrachten zunächst eine messbare Teilmenge A von Ω auf
der dϕ vollen Rang hat aber nicht nowendigerweise injektiv ist.. Nach dem
Hauptsatz über implizite Funktionen gibt es für x ∈ A eine Umgebung
Ux von x in der ϕ injektiv ist und dϕ vollen Rang hat. Sei Ux1 , Ux2 , . . .
eine abzählbare Überdeckung von A durch solche Umgebungen und A1 :=
Ux1 ∩ A, (Ai+1 := Un+1 \ Ai ) ∩ A. (Ai )i∈N ist dann eine Folge paarweise
disjunkter messbarer Mengen, die Aq überdecken. Nach der Flächenformel
R
4.2.8 gilt für alle i: µnH (ϕ(Ai )) = Ai det(dϕT dϕ) dλn und damit
Z q
A
det(dϕT dϕ) dλn
=
XZ
=
XZ
=
Z
i
i
q
det(dϕT dϕ) dλn =
Ai
µnH (ϕ(Ai ))
i
ϕ(A)
ϕ(A)
X
χϕ(Ai ) dµnH
=
Z
ϕ(A)
X
χϕ(Ai ) dµnH
i
#(ϕ−1 (y)) dµnH (y).
Für eine beliebige messbare Teilmenge A von Ω gilt nach dem Satz von Sard
µnH (A ∩ N ) = 0, also gilt
Z
ϕ(A)
#(ϕ
−1
(y)) dµnH (y)
=
Z
=
Z
ϕ(A\N )
92
q
q
A\N
=
da der Integrand
#(ϕ−1 (y)) dµnH (y)
det(dϕT dϕ) dλn
Z q
A
det(dϕT dϕ) dλn ,
det(dϕT dϕ) auf N verschwindet.
4.2. FLÄCHENFORMEL
Korollar 4.2.11 Für einen stetig differenzierbaren
Weg γ : (a, b) → Rm
Rb 0
1
gibt die Flächenformel µH (γ(a, b)) = a |γ (t)| dt, also genau die Formel für
die Weglänge eines stetig differenzierbaren Weges γ.
Beispiel 4.2.12 Für 0 < r < R beschreibt die Abbildung
ϕ : [0, 2π)×[0, 2π) → R3 , ϕ(u, v) = ((R−r cos v) cos u, (R−r cos v) sin u, r sin v)T
(4.15)
2
einen 2-dimensionalen Torus T. Wir berechnen seine Fläche µH (T):
Zunächst bemerken wir, dass wir für
die Teilmengen S1 := ϕ((0, 2π), {0})
und S2 := ϕ({0}, (0, 2π))
µ1H (S1 )
=
Z 2π ∂ϕ(u, 0) ∂u 0
du = 2πr
=
Z 2π ∂ϕ(0, v) ∂v 0
dv = 2πr
und
µ1H (S2 )
sowie mit Satz 4.1.3 µ0H (ϕ(0, 0)) = 1 erhalten. Mit Satz 4.1.3 folgt weiters
µ2H (S1 ) = µ2H (S2 ) = µ2H ((ϕ(0, 0)) = 0, womit wir µ2H (T) = µ2H (T \ (S2 ∪ S2 ∪
ϕ(0, 0))) = µ2H (ϕ((0, 2π), (0, 2π))) erhalten und die Flächenformel anwenden
können. Aus
−(R − r cos v) sin u r sin v cos u


dϕ(u, v) =  (R − r cos v) cos u r sin u cos v 
0
r cos v

(R − r cos v)2 0
und dϕ (u, v)dϕ(u, v) =
0
r2

!
ergibt sich
T
µ2H (T) =
Z 2π Z
0
0,2π
r(R − r cos v) dudv = 2π
Z 2π
0
rR dv = 4π 2 rR.
(4.16)
Beispiel 4.2.13 Für α > 0 und Ω = (0, a) × (c, d) wird durch ϕ : Ω → R3 ,
ϕ(r, s) = (r cos s, r sin s, αs)T eine Wendelfläche beschrieben. Wir berechnen
deren 2-dimensionales Flächenmaß.
µ2H (ϕ(Ω))
=
Z aZ dq
0
c
det(dϕT dϕ) ds dr
= (d − c)
Z a√
0
r2 + α2 dr.
93
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Es ist
cos s −r sin s


dϕ(r, s) =  sin s r cos s 
0
α


also
1
0
dϕT dϕ(r, s) =
.
2
0 r + α2
!
Wir erhalten
Die Substitution r = α sinh t führt auf das Integral
α
2
Z
α2
α2
α2 Z
cosh(2t) + 1 dt =
sinh(2t) + t
cosh t dt =
2
4
2
α2
α2
=
sinh t cosh t + t
2
2
2
und

µ2H (ϕ(Ω)) =(d − c) 
=(d − c)
2
s
r2
2
α
α r
1+ 2 +
2 α
α
2
 a
r  arsinh
α 0
!
α2
a
a√ 2
α + a2 + arsinh
.
2
2
α
Satz 4.2.14 Es sei die n-dimensionale Fläche im Rn+1 vermöge der Abbildung ϕ : Rn ⊇ Ω → Rn+1 , x 7→ (x, f (x)) mit einer C 1 -Funktion f : Ω → R,
Ω offen, definiert. Dann gilt für jede auf ϕ(Ω) messbare Funktion g
Z
Ω
q
g(x, f (x)) 1 +
|∇f (x)|2
dλ (x) =
n
Z
ϕ(Ω)
g dµnH ,
wobei das linke Integral genau dann existiert, wenn das rechte Integral existiert.
Beweis: Wir haben wegen Satz 4.2.8 nur zu zeigen, dass det(dϕT dϕ) =
1 + |∇f |2 gilt. Die Ableitungsmatrix dϕ von ϕ berechnet sich zu
En
dϕ =
(∇f )T
!
=
En
∂f
∂f
, . . . , ∂x
∂x1
n
!
und damit
En
(dϕ)T dϕ = (En , ∇f )
(∇f )T
94
!
= En + ∇f (∇f )T .
4.2. FLÄCHENFORMEL
Sei O eine orthogonale n × n-Matrix, mit O∇f = (|∇f |, 0, 0, . . . , 0)T . Dann
gilt
1 + |∇f |2 0 0 . . . 0



0
1 0 . . . 0



0
0 1 . . . 0

O(En + ∇f (∇f )T )OT = En + O∇f (O∇f )T = 

..
... 


.




0
0 0 ... 1
und somit det((dϕ)T dϕ) = det(En + O(∇f )(∇f )T OT ) = 1 + |∇f |2 .
Satz 4.2.15 Sei die 2-dimensionale Fläche im R3 durch einen C 1 -Diffeomorphismus ϕ : D → R3 , D offen gegeben. Dann gilt für jede auf ϕ(D)
messbare Funktion g
Z
g
D
∂ϕ
◦ ϕ(u, v) ∂x
Z
∂ϕ 2
×
dλ (x, y) =
g dµ2H ,
∂y α(D)
wobei das linke Integral genau dann existiert, wenn das rechte Integral existiert.
Beweis: Man verifiziert unmittelbar, dass | det(dϕT dϕ)| = ∂ϕ
×
∂x
Mit der Flächenformel Satz 4.2.8 folgt die Behauptung.
∂ϕ 2
∂y
gilt.
= (1, 0, ∂f
)T und ∂ϕ
= (0, 1, ∂f
)T sind TanBemerkung: Die Vektoren ∂ϕ
∂x
∂x
∂y
∂y
gentialvektoren der Fläche, die weil ϕ Rang 2 hat linear unabhängig sind.
∂ϕ
× ∂ϕ
ist dann ein zur Tangentialebene normaler Vektor, dessen Länge der
∂x
∂y
Dichtefunktion von µ2H bezüglich dem Lebesguemaß λ2 entspricht.
Satz 4.2.16 Ist eine rotationssymmetrische Fläche A ⊂ R3 durch
ϕ(z, θ) = (f (z) cos θ, f (z) sin θ, z)T
mit z ∈ (a, b), θ ∈ [0, 2π) und f stetig differenzierbar gegeben, so gilt für
messbare Funktionen g
Z
A
g
dµ2H
=
Z
(a,b)×(0,2π)
q
g ◦ ϕ(z, θ)|f (z)| 1 + f 02 (z) dλ2 (z, θ),
bzw. für die Fläche µ2H (A) = 2π
q
02
a |f (z)| 1 + f (z) dz.
Rb
95
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Beweis: Wie in Beispiel 4.2.12 sehen wir
µ1H (ϕ((a, b), {0})) =
Z b ∂ϕ(z, 0) ∂z a dz < ∞,
woraus mit Satz 4.1.3 µ2H (ϕ((a, b), {0})) = 0 und damit
µ2H (ϕ((a, b), [0, 2π)) = µ2H (ϕ((a, b), (0, 2π))
folgt. Wegen
∂ϕ(z)
∂z
×
∂ϕ(z) (z, θ)
∂θ =

 

f 0 (z) cos θ
−f (z) sin θ  0
 

 f (z) sin θ  ×  f (z) cos θ 
1
0
q
=


f (z) cos θ 

 f (z) sin θ 
f f 0 (z) = |f (z)| 1 + f 02 (z).
erhalten wir mit Satz 4.2.15 die Behauptung.
Beispiel 4.2.17 Eine Katenoide K ist der für c > 0, a < b durch
z
z
ϕ(z, θ) = c cosh cos θ, c cosh sin θ, z ,
c
c
z ∈ (a, b), θ ∈ [0, 2π)
beschriebene Rotationskörper.
Mit Satz 4.2.16 erhalten wir
µ2H (K)
Z b
z
z
=2π
c cosh
1 + sinh2 dz
c
c
a
Z b
z
cosh2 dz
=2πc
c
a
=2πc
2
=2π
r
b
c
Z
a
c
cosh2 y dy
2
c
b
b
sinh cosh
2
c
c
2
c
a
a c
− sinh cosh + (b − a) .
2
c
c 2
Katenoiden sind die einzigen rotationssymmetrischen Minimalflächen, d.h.
sie sind unter allen Flächen F mit vorgegebenem Rand ∂F jene mit minimaler Fläche, wie sie etwa beim Bilden von Seifenblasen entstehen.
96
4.3. TRANSFORMATIONSFORMEL
4.3 Transformationsformel
Eine bijektive Abbildung ϕ von einer offenen Teilmenge Ω des Rn auf eine
offene Teilmenge Ω0 heißt C k -Diffeomorphismus, wenn sowohl ϕ als auch
ϕ−1 C k -Funktionen sind. Für k = 1 sprechen wir von einem Diffeomorphismus.
Für einen Diffeomorphismus ϕ : D → ϕ(D) ist ϕ−1 eine messbare Abbildung von dem Maßraum (ϕ(D), B(ϕ(D)) , λn ) in den Messraum (D, BD ) und
induziert daher ein Maß auf (D, BD ) das mit λn ϕ bezeichnet wird, sodass
Z
ϕ(D)
f dλn =
Z
f ◦ ϕ dλn ϕ,
D
für jede messbare Funktion f auf ϕ(D) gilt, (vgl. KU, Satz 9.62)). Hier
bezeichnet BD respektive Bϕ(D) die Borel σ–Algebra auf D resp. ϕ(D).
Wir zeigen, dass das Maß λn ϕ bezüglich dem Lebesgue Maß λn die RadonNikodym Dichte | det dϕ| hat:
Satz 4.3.1 Sei D eine offene Menge in Rn , f eine messbare Funktion auf
D und ϕ ein Diffeomorphismus von D auf ϕ(D). Dann gilt
Z
ϕ(D)
Z
f (x) dλn (x) =
D
f (ϕ(y))| det dϕ(y)| dλn (y),
wobei aus der Existenz des einen Integrals die des anderen folgt.
Beweis: Wir erhalten aus Satz 4.2.3 und der Flächenformel Satz 4.2.8 angewandt auf den Diffeomorphismus ϕ
λn (ϕ(A)) = ωn Hn (ϕ(A)) = µnH (ϕ(A)) =
Z q
A
det(dϕT dϕ) dλn .
Für n = m ist aber dϕ eine n × n-Matrix und
q
det(dϕT dϕ) =
q
(det(dϕ))2 = | det(dϕ)|,
woraus die Transformationsformel folgt.
Beispiel 4.3.2 Bei kreisförmigem Rand des Integrationsbereiches oder rotationssymmetrischem Integranden ist häufig die Transformation auf Polarkoordinaten zielführend:
x =r cos ϕ,
dx dy =
∂x
∂r
∂y
∂r
y = r sin ϕ,
∂x ∂ϕ ∂y dr dϕ
∂ϕ
=
cos ϕ
sin ϕ
−r sin ϕ
dr dϕ = r dr dϕ
r cos ϕ 97
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
So erhalten wir für das Integral
Z Z
R
e
−x2 −y 2
dx dy =
Z
R2 \R
R
=π
und damit
R
R
e−t dt =
2
√
+ ×{0}
Z ∞
0
e
−x2 −y 2
dλ (x, y) =
2
Z ∞ Z 2π
0
0
2
e−r r dϕ dr
e−u du = π
π.
Beispiel 4.3.3 Das Gravitationspotential eines Punktkörpers mit Masse m
G
im Abstand r zu einer anderen Punktmasse mit Masse M ist mM
, wobei
r
G die Gravitationskonstante bezeichnet. Wir berechnen das Potential eines
punktförmigen Körpers bezüglich einer homogenen kugelförmigen Masseverteilung durch Zylinderkoordinaten:
x = r cos ϕ,
dx dy dz
∂x
∂r
= ∂y
∂r
∂z
∂r
y = r sin ϕ,
∂x ∂z ∂y ∂z dr dϕ dz
∂z ∂z
∂x
∂ϕ
∂y
∂ϕ
∂z
∂ϕ
=
z = z,
cos ϕ
sin ϕ
0
−r sin ϕ 0
r cos ϕ 0 dr dϕ dz
0
1
=r dr dϕ dz
Unter Vernachlässigung der Konstanten M, G erhalten wir für eine Kugel
mit Radius ρ und den Substitutionen r2 + (R − z)2 = u, 2r dr = du und
R2 + ρ2 − 2Rz = s, −2R dz = ds:
1
Z
x2 +y 2 +z 2 ≤ρ2
q
x2 + y 2 + (R − z)2
√
Z
Z Z
=
0
=π
=
ρ2 −z 2
ρ
2π
−ρ
q
0
Z ρ Z R2 +ρ2 −2ρz
−ρ (R−z)2
Z ρ q
R2 +
2π
−ρ
(R−ρ)3
2π 3 = − s 2 3R =
dx dy dz
r
r2 + (R − z)2
dr dz dϕ
du
√ dz
u
ρ2 − 2Rz − (R − z) dz
− 4πRρ =
(R+ρ)3
2π
(6R2 ρ + 2ρ3 ) − 4πRρ
3R
4π 3 1
ρ
= m/R.
3 R
Das Potential ist also proportional zum Kugelvolumen und damit zur homogenen Masse und indirekt proportional zum Abstand ρ der Punktmasse
98
4.3. TRANSFORMATIONSFORMEL
vom Kugelmittelpunkt. Das heißt das Potential einer homogenen Kugel ist
außerhalb dieser Kugel gleich dem Potential einer Punktmasse im Kugelmittelpunkt mit gleicher Masse.
Beispiel 4.3.4 Eine weitere wichtige Koordinatentransformation bei Integration über rotationssymmetrische Bereiche sind die Kugelkoordinaten:
x = r cos ϕ cos θ,
dx dy dz
y = r sin ϕ cos θ,
∂x ∂x ∂x ∂r ∂ϕ ∂θ ∂y
∂y = ∂y
∂r
∂ϕ
∂θ dr dϕ dθ
∂z ∂z ∂z ∂r ∂ϕ ∂θ cos ϕ cos θ −r sin ϕ cos θ
= sin ϕ cos θ r cos ϕ cos θ
sin θ
0
z = r sin θ,
−r cos ϕ sin θ
−r sin ϕ sin θ dr dϕ dθ
r cos θ
=r2 cos θ dr dϕ dθ
Wir berechnen mit Hilfe der Kugelkoordinaten das Gravitationspotential
einer radialsymmetrischen Masse (d.h. einer Massenverteilung, deren Dichte
µ nur vom Abstand zum Ursprung abhängt).
µ(r)r2 cos θ
dr dθ dϕ
0
− π2 0
R2 + r2 − 2Rr sin θ
Z ρZ π
cos θ
2
√
=2π
dθr2 µ(r) dr
t = sin θ, dt = cos θ dθ
π
0
−2
R2 + r2 − 2Rr sin θ
Z ρZ 1
1
√
dt r2 µ(r) dr
=2π
2
0
−1
R + r2 − 2Rrt
√
Z ρ√ 2
R + r2 + 2Rr − R2 + r2 − 2Rr 2
=2π
r µ(r) dr
Rr
0
2π Z ρ
=
(R + r − (R − r))rµ(r) dr
R Z0
4π ρ 2
=
r µ(r) dr.
R 0
Z 2π Z
π
2
Z ρ
√
Da 4π 0ρ r2 µ(r) dr aber die Gesamtmasse m ist, erhalten wir auch hier für
das Potential m/R.
R
99
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
4.4 Koflächenformel
Als Folgerung des Satzes von Fubini erhalten wir mit der Substitutionsregel
für eine stetig differenzierbare Funktion f : R → R:
Z
A
g(ẋ, f (xn ))f 0 (xn ) dλn (x) =
Z Z
R
=
Ȧ(xn )
g(ẋ, f (xn )) dλn−1 (ẋ)f 0 (xn ) dλ(xn )
Z Z
R
Ȧ(f (t))
g(ẋ, t) dλn−1 (ẋ) dλ(t)
wobei x = (ẋ, xn ) und Ȧ(xn ) := {ẋ ∈ Rn−1 : (ẋ, xn ) ∈ A} gilt. Die folgende
Koflächenformel ist eine Verallgemeinerung dieser Formel auf differenzierbare
Funktionen f , die nicht nur von einer Koordinate abhängen.
Satz 4.4.1 (Koflächenformel) Ist Ω offen in Rn , g eine integrierbare Funktion und f ∈ C 1 (Ω), ∇f 6= 0. Dann gilt
Z
Ω
g(x)|∇f (x)| dλ (x) =
n
Z Z
R
f −1 (t)
g(z) dµn−1
H (z) dt.
∂f
(x0 ) 6= 0 können wir die Gleichung f (x1 , . . . , xn ) = t nach
Beweis: Für ∂x
i
dem Hauptsatz über implizite Funktionen 8.2.2 in einer Umgebung von x0
nach xi auflösen. Da sowohl das Lebesgue wie auch das Hausdorffmaß rotationsinvariant sind, dürfen wir o.B.d.A annehmen, dass i = n gilt. Bezeichnen
wir für x = (x1 , . . . , xn ) mit ẋ = (x1 , . . . , xn−1 ) die Projektion auf die ersten n − 1 Koordinaten, so gibt es also für t hinreichend nahe bei f (x0 ) eine
differenzierbare Funktion αt , die
f (ẋ, αt (ẋ)) = t
für xi hinreichend nahe bei xi0 erfüllt.
Die Abbildung
φ : x 7→ (ẋ, f (x))
ist also in einer Umgebung U von x0 ein Diffeomorphismus.
Für die Ableitungsmatrix dφ erhalten wir
1

 0






dφ = 
0
1
0
0
∂f
∂x1
∂f
∂x2
0
0
..
.
0
∂f
∂x3
···
···
···
···
0
0
0
0 


1
0
∂f
∂xn−1
∂f
.
∂xn






Es gilt f˜t (ẋ) := f (ẋ, αt (ẋ)) = t und damit nach der Kettenregel
0=
100
∂f
∂f ∂αt
∂ f˜t
=
+
,
∂xj
∂xj ∂xn ∂xj
1≤j<n
4.4. KOFLÄCHENFORMEL
bzw., wenn wir diese Gleichungen durch
=
∂f
∂xn
∂f
∂xn
ergänzen:
!
∇f =
woraus
| det(dφ(x))| =
∂f −∇αt
,
1
∂xn
∂f (x) ∂xn =q
|∇f (x)|
1 + |∇αt (ẋ)|2
folgt.
Für z = φ(x) und i < n gilt zi = xi und damit αt (ẋ) = αt (ż). Für die
Transformation φ und die Funktion
q
z 7→ g(z) 1 + |∇αt (z1 , . . . , zn−1 )|2 t=f (z)
,
g ∈ L1 (φ(U ))
gibt die Transformationsformel und Satz 4.2.14 wegen ẋ = ż und αt (ẋ) =
αt (ż) und φ−1 (z) = (ż, αzn (ż)), wenn P die Projektion (ż, zn ) 7→ ż bezeichnet
(für die dann P φ = P gilt)
q
Z
U
g(x)|∇f (x)| dλn (x) =
=
Z
=
Z Z
=
Z Z
=
Z Z
Z
g(x)
|∇f (x)| 1 + |∇αf (x) (ẋ)|2
U
q
1 + |∇αf (x)
(ẋ|2
dλn (x)
q
φ(U )
R
R
R
g(φ−1 (z)) 1 + |∇αzn (ż)|2 dλn (z)
q
P φ(U ∩f −1 (zn ))
U ∩f −1 (t)
U ∩f −1 (t)
g(ż, αzn (ż))) 1 + |∇αzn (ż)|2 dλn−1 (ż) dλ(zn )
g(x) dµn−1
H (x) dλ(t)
g(x) dµn−1
H (x) dλ(t).
Also gilt die Behauptung für integrierbare g deren Träger so klein ist, dass die
Gleichung f (x) = t in einer offenen Obermenge des Trägers von g nach einer
Variablen xi aufgelöst werden kann. Für g mit Träger in einer kompakten
Teilmengen von Rn kann g als endliche Summe von Funktionen gi , die diese
Voraussetzung erfüllen dargestellt werden. Es gilt dann
Z
Ω
g(x)|∇f (x)| dλ (x) =
n
=
N Z Z
X
i=1 R
f −1 (t)
N Z
X
i=1 Ω
gi (x)|∇f (x)| dλn (x)
gi (z) dµn−1
H (z) dt =
Z Z
R
f −1 (t)
n−1
g(z) dµH
(z) dt
und da Rn abzählbare Vereinigung von kompakten Mengen ist, diese Gleichung für alle integrierbaren Funktionen g.
101
KAPITEL 4. HAUSDORFFMAß, TRANSFORMATIONS- UND
FLÄCHENFORMEL
Beispiel 4.4.2 Für die n-dimensionale Kugel B(0, r) mit Radius r und
f (x) = |x| erhält man |∇f (x)| = 1 und mit Korollar 4.2.4 und der Koflächenformel
ωn r =
n
Z
dλ =
n
B(0,r)
Z
dλ =
n
B(0,r)\{0}
Z r
0
µn−1
H (∂B(0, t)) dλ(t)
und durch Differentiation nach r
n−1
nωn rn−1 = µn−1
),
H (Sr
wenn Srn−1 die n − 1-dimensionale Sphäre ∂B(0, r) und ωn das Volumen der
n-dimensionalen Einheitskugel B(0, 1) bezeichnet.
Beispiel 4.4.3 Wir berechnen das Volumen des von einem Torus berandeten Gebietes G des R3 d.h.
(
G = (x, y, z) ∈ R :
3
R−
q
x2
+
vgl. (4.15), Bsp. 4.2.12. Für f (x, y, z) := R −

2(R −

∇f = 
2(R −
√
√
x2 + y 2 ) √
x2 +

2z
x
x2 +y 2 
y 2 ) √ 2y 2 
,
x +y 
y2
√
2
)
+z ≤r
2
x2 + y 2
2
2
+ z 2 erhalten wir

q
|∇f | = 2 f .
Die Menge N := {(x, y, 0) : x2 +y 2 = R}, auf der |∇f | = 0 gilt, hat endliches
eindimensionales Hausdorffmaß also folgt mit Satz 4.1.3 und 4.2.3
λ2 (N ) = µ2H (N ) = ωn H2 (N ) = 0.
Mit g := |∇f |−1 und (4.16) von Bsp. 4.2.12 ergibt die Koflächenformel
1
dµ2H dλ(t)
0
f −1 (t) |∇f |
Z r2
√
1
1
√ dµ2H dλ(t) =
√ 4π 2 R t dλ(t) = 2π 2 Rr2 .
0
2 t
2 t
λ3 (G) =λ3 (G \ N ) =
=
102
Z r2 Z
0
f −1 (t)
Z r2 Z
Kapitel
5
Mannigfaltigkeiten und Integralsätze
5.1 Differenzierbare Mannigfaltigkeiten
Eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit ist ein Hausdorffraum mit abzählbarer Basis, der lokal homöomorph zum Rn ist. Eine differenzierbare
Struktur auf einer Mannigfaltigkeit M ist eine Familie (ϕi )i von Karten,
das sind Homöomorphismen, ϕi von offenen Teilmengen Ui von M auf offene Teilmengen des Rn , sodass ∪i Ui = M und für alle i, j die Abbildung
k
ϕi ◦ϕ−1
j eine C -Abbildung von ϕj (Ui ∩Uj ) nach ϕi (Ui ∩Uj ) ist. Diese Familie
von Karten heißt Atlas. Die Abbildungen prk ◦ ϕi , prk bezeichnet die Projektion auf die k-te Koordinate des Rn , heißen Koordinatenfunktionen.
Eine Mannigfaltigkeit mit einer solchen differenzierbarer Struktur ist eine
differenzierbare Mannigfaltigkeit oder C k -Mannigfaltigkeit. Eine Funktion f : M → R heißt auf M unendlich oft differenzierbar, wenn für alle i
die Funktion f ◦ ϕ−1
auf ϕi (Ui ) aus C ∞ ist. Die Klasse dieser Funktionen
i
bezeichnen wir mit C ∞ (M ).
Eine wichtige Klasse differenzierbarer Mannigfaltigkeiten sind implizit definierte Mannigfaltigkeiten:
Satz 5.1.1 Sei F : Rn → Rn−m eine C ∞ -Funktion, für die 0 ein regulärer
Wert der Funktion F ist, d.h. für die dF auf der Nullstellenmenge M von
F immer vollen Rang n − m hat. Dann ist M eine m-dimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit.
Beweis: Nach dem Hauptsatz über implizite Funktionen 8.2.2 gibt es für
x ∈ M unter den getroffenen Voraussetzungen an F Koordinaten xi1 , . . . , xim
und eine Umgebung U (x) von x, sowie differenzierbare Funktionen gx,l :
Rm → R, l ∈ {1, . . . , n} \ {i1 , . . . , im }, sodass F (y) = 0 für y ∈ U (x) genau
für yl = gx,l (yi1 , . . . , yim ), l ∈ {1, . . . , n} \ {i1 , . . . , im } gilt.
12. Dezember 2013
103
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
Wir definieren als Atlas die Familie der Karten ϕx : M ∩ U (x), y →
(yi1 , . . . , yim ). Es bleibt zu zeigen, dass ein Kartenwechsel ϕx1 ◦ϕ−1
x2 eine differenzierbare Abbildung ist. Dies folgt aber unmittelbar, da die Abbildungen
gx2 ,l sowie die Identität yl → yl differenzierbar sind ist ϕ−1
x2 eine differenzierbare Funktion von ϕx2 (M ∩ U (x)) nach M ∩ U (x). Die Abbildung ϕx1
ist aber als Projektion auf die Koordinaten xi1 , . . . , xim klarerweise ebenfalls
differenzierbar, also ist auch ϕx1 ◦ ϕ−1
x2 differenzierbar.
Beispiel 5.1.2 Die Nullstellenmenge der Funktion
F (x1 , . . . , xn+1 ) =
n+1
X
x2i − 1
i=1
ist die n-Sphäre. Sie ist eine differenzierbare Mannigfaltigkeit, da dF (x) nur
in x = 0 nicht Rang 1 hat und 0 nicht in der Nullstellenmenge liegt.
Beispiel 5.1.3 Die Lemniskate L ist die Nullstellenmenge der Funktion
F (x, y) = (x2 + y 2 )2 − 2a2 (x2 − y 2 ) = 0
und hat die Form einer liegenden 8.
Wir erhalten
dF (x, y) = (4x(x2 + y 2 ) − 4a2 x, 4y(x2 + y 2 ) + 4ya2 ),
also hat dF (x, y) für (x, y) 6= (0, 0) Rang 1, aber dF (0, 0) = (0, 0). Wegen
F (0, 0) = 0 ist also die Voraussetzung von Satz 5.1.1 nicht erfüllt.
Tatsächlich kann L in keiner Umgebung U von (0, 0) homöomorph zu einer
Teilmenge von R sein, da dann U so klein gewählt werden kann, dass das
Bild dieses Homöomorphismus ein Intervall I ist. Dann ist U \ {(0, 0)} homöomorph zu I \ {z0 } für ein z0 ∈ I. Die Funktion (x, y) 7→ (sgn(x), sgn(y))
ist aber wie man leicht sieht für hinreichend kleines U auf U \ {(0, 0)} stetig mit Wertebereich {±1} × {±1}. Eine stetige Funktion auf I \ {z0 } mit
diskretem Wertebereich kann aber wegen dem Zwischenwertsatz nur zwei
Werte annehmen. Also ist L keine differenzierbare Mannigfaltigkeit, wohl
aber L \ (0, 0).
Beispiel 5.1.4 Die Spezielle Lineare Gruppe (die Gruppe SL(n, R) aller reellen n × n-Matrizen mit Determinante 1), ist ein Beispiel einer Liegruppe. Das sind topologische Gruppen, die zugleich eine differenzierbare
Mannigfaltigkeit mit differenzierbaren Gruppenoperationen sind. Fasst man
104
5.1. DIFFERENZIERBARE MANNIGFALTIGKEITEN
die Determinante einer n × n-Matrix als Funktion des Rn nach R auf, so ist
diese Abbildung offensichtlich differenzierbar und durch Entwicklung nach
der i-ten Zeile sehen wir, dass nicht alle Ableitungen nach den Variablen
ai,j , 1 ≤ l ≤ n verschwinden können wenn det(ai,j ) 6= 0 gilt. Das Differential
dieser Funktion hat also in Punkten x für die det(x) 6= 0 gilt Rang 1. Mit
Satz 5.1.1 ist SL(n, R) also eine differenzierbare Mannigfaltigkeit.
2
Beispiel 5.1.5 Die Gruppe SU (2) aller unitären 2 × 2-Matrizen mit Determinante 1 ist ebenfalls eine Liegruppe. Wir fassen SU (2) als Teilmenge
des R8 auf, indem wir komplexe Zahlen als Dupel reeller Zahlen betrachten, die die entsprechenden Gleichungen
det A − 1 = 0 und AA∗ = E er!
α β
füllen. Wir erhalten für A =
mit α, β, γ, δ ∈ C die Gleichungen
γ δ
δ = ᾱ, γ = −β̄, αδ − βγ = 1, die sich wenn wir α = a + ib, β = c + id setzen
auf eine Gleichung
a2 + b 2 + c 2 + d 2 − 1 = 0
in den reellen Variablen a, b, c, d reduzieren. Wir sehen also dass SU (2) homöomorph zur 3-Sphäre ist und mit Beispiel 5.1.2 eine differenzierbare Mannigfaltigkeit ist. Die Differenzierbarkeit der Gruppenoperationen folgt aus
der Differenzierbarkeit der Matrixelemente bei Produktbildung bzw. Inversenbildung als Funktion in den 16 bzw. 8 reellen Veränderlichen.
Die Realisierung einer d-dimensionalen Mannigfaltigkeit als Nullstellenmenge einer differenzierbaren Funktion von Rn nach Rn−d ist zumindest lokal
für eine weite Klasse von Mannigfaltigkeiten möglich:
Satz 5.1.6 Ist die Mannigfaltigkeit M als das Bild einer offenen Teilmenge
U des Rd unter einer Abbildung φ ∈ C 1 (U ) : U → Rn mit Rang(dφ) = d,
sodass die Topologie der Mannigfaltigkeit mit der Relativtopologie als Teilmenge des Rn übereinstimmt, dann kann φ lokal zu einem Diffeomorphismus
Φ : Ω → Ξ mit Ω, Ξ offene Teilmengen des Rn so fortgesetzt werden, dass
M ∩ Ξ genau die Nullstellenmenge der Abbildung prL ◦ Φ−1 ist, wobei prL die
Projektion des Rn auf den Rn−d : prL (y1 , . . . , yn ) = (yd+1 , . . . , yn ) bezeichnet.
Beweis: Da dφ vollen Rang hat sind für z0 ∈ U die Vektoren Di φ, i =
1, . . . , d linear unabhängig. Dieser d-dimensionale Teilraum kann durch n−d
Vektoren vd+1 . . . . , vn zu einer Basis des Rn ergänzt werden. Die Abbildung
Φ : x → φ(x1 , . . . , xd ) +
n
X
xj vj
j=d+1
ist dann stetig differenzierbar und dΦ hat in einer Umgebung des Punktes
x0 = (z0 , 0, . . . , 0) Rang n. Aus dem Hauptsatz über implizite Funktionen
105
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
folgt, dass Φ in einer Umgebung Ω von x0 invertierbar ist. Für eine hinreichend kleine Umgebung von x ist dann Φ(x) ∈ M genau wenn xi = 0 für
i > d gilt. Damit ist in Φ(Ω) die Teilmenge Φ(Ω) ∩ M genau die Nullstellenmenge der Funktion prL ◦ Φ−1 .
Satz 5.1.6 bleibt richtig, wenn wir die Vektoren vi , i > d nicht konstant sondern als C 1 -Funktionen auf einer Umgebung von x0 wählen. Im Allgemeinen
kann dieses Vektorfeld aber nicht global auf die Mannigfaltigkeit stetig fortgesetzt werden. Beispiele sind das Möbiusband oder die Klein’sche Flasche.
Fordern wir aber für eine n − 1-dimensionale Mannigfaltigkeit, dass vn orthogonal zu allen Vektoren Di φ(z0 ), i = 1, . . . , n − 1, so ist vn bis auf ein
skalares Vielfaches eindeutig bestimmt. Der von den Vektoren Di φ(z0 ), i =
1, . . . , n − 1 aufgespannte n − 1-dimensionale Teilraum heißt Tangentialraum in z0 .
Proposition 5.1.7 Ist M eine n − 1-dimensionale Mannigfaltigkeit, die als
Bildmenge einer C 1 -Abbildung φ(z) = (z, α(z)) vermöge einer C 1 -Abbildung
α : Rn−1 ⊇ Ω → R gegeben ist, so sind die auf den Tangentialraum in z0 ∈ Ω
orthogonale Vektoren Vielfache des normierten Vektors
n(z0 ) := q
1
1 + |Dα(z0
)|2
(−Dα(z0 ), 1)T .
Beweis: Wegen Di φ = (0, . . . , 0, 1, 0, . . . , 0, Di α)T (1 an i-ter Stelle) muss,
wenn wir o.B.d.A die n-te Koordinate von n 1 setzen für 1 ≤ i < n die i-te
Koordinate von n gleich −Di (α(z0 )) sein, sofern (n, Di φ) = 0 gilt.
Mit Satz 4.2.14 folgt hiermit:
Korollar 5.1.8 Ist eine n − 1-dimensionale Mannigfaltigkeit M durch eine
C 1 -Funktion α im Rn durch M = {(x, α(x)) : x ∈ Ω ⊂ Rn−1 } gegeben und
sei n das wie in Proposition 5.1.7 orientierte normierte Normalvektorfeld
auf M , so gilt für jedes über M integrierbare Vektorfeld f :
Z
M
f
T
n dµn−1
H
=
Z
Ω
f T (−(Dα)(z0 ), 1)T dλn−1 .
5.2 Zerlegung der Eins
Eine Familie (ζβ )β∈B von C k -Funktionen auf einer C k -Mannigfaltigkeit M
heißt eine der Überdeckung (Uα )α∈A von X untergeordnete C k -Zerlegung
P
der Eins, wenn ζβ ≥ 0, β∈B ζβ = 1 gilt und es für jedes β ∈ B ein α ∈ A
gibt mit supp(ζβ ) ⊆ Uα . Sie heißt lokal endlich, wenn es für alle x ∈ M
106
5.2. ZERLEGUNG DER EINS
eine Umgebung Wx von x gibt, sodass Wx nur mit endlich vielen Mengen
supp(ζβ ) β ∈ B nichtleeren Durchschnitt hat. Diese Eigenschaft stellt sicher,
P
dass β∈B ζβ punktweise gegen eine C k -Funktion konvergiert.
Satz 5.2.1 (Zerlegung der Eins) Für eine offene Überdeckung einer C k Mannigfaltigkeit gibt es eine dieser Überdeckung untergeordnete abzählbare
lokal endliche Zerlegung der Eins, wobei alle C k -Funktionen dieser Zerlegung
kompakten Träger haben.
Beweis: M ist lokal homöomorph zu Rn , d.h. jeder Punkt aus M hat eine
Umgebung die vermöge einer Kartenabbildung homöomorph zu einer offenen Teilmenge des Rn ist. Weiters hat eine Mannigfaltigkeit eine abzählbare
Basis, also gibt es eine Folge (Ai )i∈N relativ kompakter offener Teilmengen
von M mit ∪i∈N Ai = M .
Wir setzen G0 := A0 und definieren rekursiv eine Folge (Gi )i∈N offener relativ kompakter Mengen, die Ḡi ⊆ Gi+1 und Ai ⊆ Gi erfüllen wie folgt:
Die Menge Ḡi ∪ Āi+1 ist als Vereinigung zweier kompakter Mengen kompakt
und hat daher eine endliche Überdeckung durch Mengen der Folge (Ai ). Die
endliche Vereinigung Gi+1 der Mengen dieser Überdeckung ist offen, relativ kompakt da alle Aj offen und relativ kompakt sind (Proposition 1.4.5).
Wegen ∪i∈N Ai = M folgt ∪i∈N Gi = M .
Für i ≥ 2 ist die Menge Ḡi \ Gi−1 abgeschlossen und in der offenen Menge
Gi+1 \ Ḡi−2 enthalten. Nach Satz 1.6.4 ist Ḡi+1 als kompakter Raum normal.
Es gibt also nach Proposition 1.6.1 zu jedem x ∈ Ḡi \ Gi−1 eine Umgebung
Ux von x mit Ūx ⊂ Gi+1 \ Ḡi−2 .
Für x ∈ Ḡi \ Gi−1 sei ψx eine C k -Funktion, deren Träger ine Teilmenge
von Ūx ist, Wertebereich [0, 1] hat und ψx (x) = 1 erfüllt (Funktionen wie
in Lemma 2.4.3 sind C ∞ -Funktionen auf den Bildmengen der Karten, für
eine C k -Mannigfaltigkeit definieren sie also C k -Funktionen auf M ). Für die
offenen Mengen
Vx := {y ∈ Ux : ψx (y) > 1/2} gibt es eine endliche Teilüberdeckung Vxi,j , 1 ≤
j ≤ Ni der kompakten Menge Ḡi \ Gi−1 .
Wegen suppψk,j ⊆ Gk+1 \ Ḡk−2 folgt suppψk1 ,j1 ∩suppψk2 ,j2 = ∅ für |k1 −k2 | >
2.
Insbesondere hat Ḡi ⊆ Gi+1 nur mit dem Träger von Funktionen ψk.j nichtP P k
leeren Schnitt, wenn |k − i| ≤ 2 gilt und die Reihe k N
j=1 ψxk,j hat auf
Ḡi ⊆ Gi+1 nur endlich viele nichtverschwindende Summanden.
Als endliche Summe von C k (M )-Funktionen ist ψ aus C k (M ). Da die Mengen Uxk,j eine Überdeckung von M bilden folgt, dass die Funktion ψ nirgends
verschwindet. Die Funktionen
ψx (y)
ζk,j (y) := k,j
ψ(y)
107
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
bilden damit die gesuchte der Überdeckung (Vα )α∈A untergeordnete lokal
endliche Zerlegung der Eins.
5.3 Integralsätze von Gauß und Green
Wir beweisen den ersten Integralsatz zunächst für zwei für sich relativ unwichtige Sonderfälle, auf die wir dann aber den allgemeinen Fall durch eine
Zerlegung der Eins zurückführen.
Proposition 5.3.1 Ist f eine C 1 -Funktion in Rn mit Träger, der Teilmenge
eines offenen Würfels W ist. Dann gilt
Z
Di f (x) dλn (x) = 0.
W
Beweis: Da das Lebesguemaß rotationsinvariant ist und sich jede Richtungsableitung als Linearkombination der partiellen Ableitungen Di darstellen lässt, dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass W ein achsenparalleler Würfel
ist. Wir stellen W als Q × [ai , bi ] mit einem n − 1-dimensionalen Würfel Q
dar und erhalten mit dem Satz von Fubini
Z
W
Di f (x) dλ (x) =
n
Z Z bi
Q
ai
Di f (x) dxi dλn−1 (x1 , . . . , xi−1 , xi+1 , . . . , xn ).
Wegen dem Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung
und der TatsaR bi
che, dass f auf Q × {ai } und Q × {bi } verschwindet, folgt ai Di f (x) dxi = 0.
Proposition 5.3.2 Sei Q ein Würfel in einem n − 1-dimensionalen Teilraum L des Rn , α eine C 1 -Funktion auf Q mit Wertebereich in (a, a + 1),
a ∈ R und n ein normierter Normalvektor auf L. Weiters sei die Menge A
durch A := {x0 + λn : x0 ∈ Q, λ ∈ (a, α(x0 )]} gegeben und f eine auf Ā
stetige und im Inneren von A stetig differenzierbare Funktion mit
supp(f ) ∩ ({x0 + an : x0 ∈ Q} ∪ {x0 + λn : x0 ∈ ∂Q, λ ∈ (a, a + 1)}) = ∅.
Dann gilt
Z
A
Di f (x) dλ (x) =
n
Z
∂A
n−1
f (x)νi (x) dµH
(x),
wobei ν = (ν1 , . . . , νn ) der normierte Normalvektor auf die durch α definierte
Fläche mit n · ν > 0 ist.
108
5.3. INTEGRALSÄTZE VON GAUß UND GREEN
Koordinatensystems, da das
Lebesguemaß und das Oberflächenmaß rotationsinvariant
sind und beim Übergang zu
einem neuen Koordinatensystem die Koordinaten des
Gradienten Df der gleichen
Transformation
unterliegen
wie die des Normalvektors ν.
Wir können also o.B.d.A. annehmen, dass L der Teilraum
{x ∈ Rn : xn = 0} und A die
Menge
Beweis: Die Gültigkeit der Aussage ist unabhängig von der Wahl des orthogonalen
{x = (x0 , xn ) ∈ Rn : x0 ∈ Q, xn ∈ [a, α(x0 )} ist.
Für i = n erhalten wir mit dem Satz von Fubini sowie dem Hauptsatz der Integral und Differentialrechnung und Satz 4.2.14 für die durch die Abbildung
x0 7→ (x0 , α(x0 )), x0 ∈ Q definierte Mannigfaltigkeit M
Z
A
Dn f (x) dλn (x) =
Z Z α(x0 )
Q
=
Z
=
Z
Q
Q
a
Dn f (x0 , xn ) dxn dλn−1 (x0 )
f (x0 , α(x)) − f (x0 , a) dλn−1 (x0 )
f (x0 , α(x)) dλn−1 (x0 )
q
1
f (x0 , α(x)) q
1 + |Dα(x0 )|2 dλn−1 (x0 )
0
2
Q
1 + |Dα(x )|
Z
1
dµn−1
=
f (x) q
H (x).
0
2
M
1 + |Dα(x )|
=
Z
Da nach Voraussetzung supp(f ) ∩ ∂Q = ∅ gilt, folgt wegen ∂A \ ∂Q = M
sowie Proposition 5.1.7:
Z
A
Dn f (x) dλ (x) =
n
Z
∂A
n−1
f (x)νn (x) dµH
(x).
(5.1)
109
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
Aus der Beziehung
folgt für i < n
Z
A
∂ R α(x)
∂x a
F (x, y) dy =
Di f (x) dλn (x) =
=
Z Z α(x0 )
a
Q
Z
Di
Q
a
Q
a
∂x
Di f (x0 , xn ) dxn dλn−1 (x0 )
Z α(x0 )
Z
−
F (x, y) dy + F (x, α(x))α0 (x)
R α(x) ∂
f (x0 , xn ) dxn dλn−1 (x0 )
f (x0 , α(x0 ))Di α(x0 ) dλn−1 (x0 ).
Aus dem Hauptsatz folgt, wenn xa0 i resp. xb0 i die Punkte (x1 , . . . , ai , . . . , xn−1 )
resp. (x1 , . . . , bi , . . . , xn−1 ) bezeichnet, da f auf A ∩ ∂Q verschwindet:
Z bi
ai
Di
Z α(x0 )
a
f (x , xn ) dxn dxi =
0
Z α(x0 )
bi
a
f (xb0 i , xn ) dxn
−
Z α(x0 )
ai
a
f (xa0 i , xn ) dxn
= 0 − 0 = 0,
woraus wir für i < n mit Proposition 5.1.7 und Satz 4.2.14, da f auf A ∩ ∂Q
verschwindet
Z
A
Di f (x) dλ (x) = −
erhalten.
n
=−
Z
=−
Z
Q
Z
Q
f (x0 , α(x0 ))Di α(x0 ) dλn−1 (x0 )
f (x0 , α(x0 )) q
∂A
Di α(x0 )
1+
|Dα(x0 )|2
q
1 + |Dα(x0 )|2 dλn−1 (x0 )
f (x0 , α(x0 ))νi (x0 , α(x0 )) dµn−1
H (x)
(5.2)
Wir werden versuchen einen Integralsatz zu beweisen indem wir durch eine
Zerlegung der Einheit eine Funktion f als Summe von Funktionen darstellen,
die die in Proposition 5.3.1 oder 5.3.2 getroffenen Voraussetzungen erfüllen.
Für einen Punkt z0 in einer offenen Menge A ist die Voraussetzung von
Proposition 5.3.1 für Funktionen mit Träger in einer hinreichend kleinen
Umgebung von z0 immer erfüllt. Es kann aber Randpunkte von A geben,
für die keine Umgebung die Voraussetzungen von Proposition 5.3.2 erfüllt.
Wir bezeichnen deshalb einen Randpunkt z0 ∈ ∂A als regulär, wenn es
eine Umgebung U von z0 bezüglich der Relativtopologie auf ∂A gibt, sodass
U = {z0 + α(z0 )n : z0 ∈ V } mit einer offenen Teilmenge V eines n − 1dimensionalen Teilraumes L = n⊥ von Rn und einer C 1 -Funktion α auf V
gibt, sodass für eine geeignete Umgebung W von z0 in Rn mit einem a ∈ R
gilt
W ∩ A = {z ∈ Rn = z0 + λn : z0 ∈ V, λ ∈ (a, α(z0 ))}.
(5.3)
110
5.3. INTEGRALSÄTZE VON GAUß UND GREEN
Die Menge ∂r A der regulären Randpunkte von A besteht also genau aus
jenen Randpunkten für die die Voraussetzungen von Proposition 5.3.2 für
Funktionen mit Träger in einer hinreichend kleinen Umgebung um z0 erfüllt
sind. Zunächst zeigen wir
Satz 5.3.3 Ist A offen und beschränkt, f ∈ C(Ā) ∩ C 1 (A) mit supp(f ) ∩
∂A ⊆ ∂r A, so gilt wenn beide Integrale existieren
Z
A
Di f (x) dλn (x) =
Z
∂r A
f (x)νi (x) dµn−1
H (x),
wobei ν = (ν1 , . . . , νn ) den in das Äußere von A zeigenden normierten Normalvektor auf ∂r A bezeichnet.
Beweis: Für x ∈ supp(f ) ∩ A können wir einen offenen Würfel Wx mit
x ∈ Wx ⊆ A finden, für x ∈ supp(f ) ∩ ∂A finden wir eine Umgebung Wx
von x in der (5.3) und damit supp(f ) ∩ ∂A ∩ Wx = supp(f ) ∩ ∂r A ∩ Wx gilt.
supp(f ) ist als abgeschlossene Teilmenge der kompakten Menge Ā kompakt,
also finden wir eine endliche Menge solcher offener Würfel Wx , die Ā überdecken. Sei ψ1 , . . . , ψN eine einer endlichen Teilüberdeckung untergeordnete
Zerlegung der Einheit auf supp(f ). Dann folgt mit Proposition 5.3.1 und
5.3.2
Z
A
Di f dλ =
n
=
Z
A
Di
N
X
f ψj dλ =
n
j=1
N Z
X
j=1 ∂r A
N Z
X
j=1 A
f ψj νi dµn−1
=
H
Di (f ψj ) dλn
Z
∂r A
f νi dµn−1
H .
Satz 5.3.4 Ist A ⊆ Rn offen und beschränkt, f ∈ C(Ā)∩C 1 (A) mit µn−1
H (∂A\
∂r A) = 0, so gilt wenn beide Integrale existieren
Z
A
Di f (x) dλn (x) =
Z
∂r A
f (x)νi (x) dµn−1
H (x),
wobei ν = (ν1 , . . . , νn ) den in das Äußere von A zeigenden normierten Normalvektor auf ∂A bezeichnet.
Beweis: Wir werden den Beweis führen indem wir f durch Funktionen approximieren, die die Voraussetzungen von Satz 5.3.3 erfüllen, deren Träger
also mit ∂s A := ∂A \ ∂r A leeren Durchschnnitt hat. Dazu bemerken wir
zunächst, dass ∂A abgeschlossen und beschränkt, also kompakt ist. ∂r A ist
nach Definition offen in der Relativtopologie von ∂A, also ist ∂s A nach Satz
111
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
1.4.4 kompakt in der Relativtopologie von ∂A und damit nach Proposition
1.4.1 kompakt in Rn . Wegen Hn−1 (∂s A) = limδ→0 Hδn−1 (∂s A) = 0 folgt, da
Hδn−1 in δ monoton fallend ist Hδn−1 (∂s A) = 0. Nach der Definition von Hδn−1
gibt es damit für > 0 eine Überdeckung von ∂s A durch Mengen Cj mit
P∞ diam(Cj ) n−1
j=1
2
< .
Ist Cj , j ≤ N eine endliche Teilüberdeckung der kompakten Menge ∂s A mit
Cj ∩ ∂s A 6= ∅, so sind für xj ∈ Cj ∩ ∂s A und 2diam(Cj ) > rj > diam(Cj ) die
offenen Kugeln B(xj , rj ), j ≤ N eine Überdeckung von ∂s A. Es folgt
N
X
rj−1 λn (B(xj , 2rj )
=2 ωn
n
j=1
N
X
rjn−1
< 2 ωn 4
n
n−1
j=1
3n−2
<2
N
X
j=1
diam(Cj )
2
!n−1
(5.4)
ωn ,
wobei ωn das Volumen der n-dimensionalen Einheitskugel bezeichnet (vgl.
(2.2)). Für einen Mollifier (ηδ ) und δ0 < 1/2 folgt mit Proposition 2.4.4, dass
die Funktion χ := 1B(0,3/2) ∗ηδ0 eine C ∞ -Funktion mit 0 ≤ χ(x) ≤ 1 ∀x ∈ Rn
und χ(x) = 1 für |x| ≤ 1, χ(x) = 0 for |x| ≥ 2. Sei kDχk∞ =: c0 . Dann sind
die durch χj (x) = χ(rj−1 (x − xj )), j = 1, . . . , N definierten Funktionen C ∞ –
Funktionen mit Wertebereich [0, 1], Träger in B(xj , 2rj ), die auf B(xj , rj ) den
Wert 1 haben und deren partielle Ableitungen erster Ordnung betragsmäßig
durch c0 /rj beschränkt sind.
Wir definieren jetzt eine Funktion ψ auf Ā, die um ∂s A verschwindet, aber
in der L1 -Norm die 1-Funktion approximiert:
ψ (x) :=
N
Y
(1 − χj (x)).
(5.5)
j=1
Da χj = 1 in B(xj , rj ) und ∪N
j=1 B(xj , rj ) ⊇ ∂s A gilt, folgt dass ψ (x) in einer
offenen Teilmenge verschwindet, die ∂s A enthält. Damit gilt supp(ψ )∩∂s A =
∅ und die Funktion f ψ erfüllt die Voraussetzungen von Satz 5.3.3. Es bleibt
zu zeigen, dass
Z
Z
lim
→0 A
und
lim
Z
→0 ∂r A
Di (f ψ ) dλn =
n−1
f ψ νi dµH
=
A
Di f dλn
Z
∂r A
n−1
f νi dµH
gilt. Aus (5.4) folgt rj < 4
und damit ψ (x) = 1 für dist(x, ∂s A) >
1/(n−1)
8
. Da ∂s A abgeschlossen ist gilt dist(x, ∂s A) < 0 für x ∈ ∂r A und es
n−1
folgt mit dem Satz von der dominierten Konvergenz wegen µH
(∂s A) = 0
1/(n−1)
lim
Z
→0 ∂A
112
f ψ νi dµn−1
= lim
H
Z
→0 ∂r A
n−1
f ψ νi dµH
=
Z
∂r A
n−1
f νi dµH
.
5.3. INTEGRALSÄTZE VON GAUß UND GREEN
Es gilt
Z
A
|Di f − Di (f ψ )| dλ ≤
n
Z
|Di f |(1 − ψ ) dλ + kf k∞
n
A
Z
A
|Di ψ | dλn .
Wegen 1 − ψ → 0 für → 0 konvergiert A |Di f |(1 − ψ ) dλn nach dem Satz
von der dominierten Konvergenz punktweise auf A gegen 0 und es bleibt
R
lim
Z
→0 A
|Di ψ | dλn = 0
zu zeigen. Wegen χj = 0 auf B(xj , 2rj ){ gilt mit (5.5) und (5.4):
Z
A
n
|Di ψ | dλ ≤
N Z
X
j=1 B(xj ,2rj )
|Di (χj )| dλn
≤ c0 ω n 2
n
N
X
rjn−1 ≤ c0 ωn 22n−2 .
j=1
Satz 5.3.4 erlaubt eine koordinatenunabhängige Darstellung, wenn wir f =
(fi ) als Funktion von Ā nach Rn auffassen. Definieren wir die Divergenz
eines partiell differenzierbaren Vektorfeldes f = (f1 , . . . , fn ) als den DiffernP
tialoperator div f := ni=1 ∂fi /∂xi , so folgt aus Satz 5.3.4:
Satz 5.3.5 (Integralsatz von Gauß) Ist A offen und beschränkt in Rn
n
mit µn−1
H (∂A \ ∂r A) = 0 und f : Ā → R eine auf Ā stetige und auf A stetig
differenzierbare Funktion, so gilt:
Z
A
div f dλn =
Z
∂A
n−1
f T ν dµH
,
wobei ν den in das Äußere von A zeigenden normierten Normalvektor auf
∂A bezeichnet.
Wir leiten eine Flächenformel für die Ebene her:
Satz 5.3.6 Der von einer einfachen geschlossenen Kurve γ R: [0, a] → R2 ,
γ(t) = (x(t), y(t))T berandete Bereich Ω hat Lebesguemaß 0a x(t)y 0 (t) dt,
wenn γ so orientiert ist, dass (y 0 (t), −x0 (t)) nach außen orientierte Normalvektoren auf ∂Ω sind.
Beweis: Es gilt für f (x, y) = (x, 0)T mit Korollar 4.2.11 und γ 0 = (x0 , y 0 )T , ν =
(y 0 , −x0 )T :
λ (Ω) =
2
=
Z
1 dλ =
Ω
Z a
0
2
f
T
Z
y0
−x0
Ω
div f dλ =
2
!
dt =
Z a
0
Z
f T ν ds
∂Ω
x(t)y 0 (t) dt.
(5.6)
113
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
Mit dieser Flächenformel lässt sich zeigen dass der Kreis bei gegebenem
Umfang maximale Fläche hat:
Satz 5.3.7 (Isoperimetrische Ungleichung) Unter allen C 1 -berandeten
ebenen Flächen mit Länge des Randes 2π hat der Einheitskreis maximale
Fläche.
Beweis: Wir wählen die Bogenlängenparametrisierung für den Rand: γ :
[0, 2π] → R2 und
erhalten für die Fläche nach Satz 5.3.6 und wegen 0 =
R 2π 0
y(2π) − y(0) = 0 y (t) dt
A=
Z 2π
0
x(t)y (t) dt =
0
Z 2π
0
(x(t) − mx )y 0 (t) dt.
Wählen wir für die Konstante mx den Mittelwert mx := 02π x(t) dt/2π, so
folgt mit der Ungleichung ab ≤ 12 (a2 +b2 ) und der Ungleichung von Wirtinger
Lemma 3.1.4:
R
A≤
1 Z 2π 02
1 Z 2π
(x(t) − mx )2 + y 02 (t) dt ≤
x (t) + y 02 (t) dt = π,
2 0
2 0
da für die Bogenlängenparametrisierung x02 (t) + y 02 (t) = 1 gilt.
T
Beispiel 5.3.8 Wir berechnen für die Funktion f (x,
√y, z) = (x, y, z) und
die Menge Ω = {(x, y, z); 0 ≤ z ≤ 1; max(|x|, |y|) ≤ 1 − z 2 } das Integral
Z
∂Ω
f T n dµ2H
direkt und über den Gauß’schen Integralsatz:
Auf
dem Quadrat Ω0 := {(x, y, 0) : |x|, |y| ≤ 1} gilt f T n = 0, womit
R
T
2
≤ z ≤ 1; |y| ≤
Ω0 f n dλ = 0 gilt. Für die Teilmenge Ω1 = {(x, y, z); 0 √
|x| ≤√z} erhalten wir mit Korollar 5.1.8 für z(x, y) = 1 − x2 , Dz =
(−x/ 1 − x2 , 0)
Z
∂Ω1
f T n dµ2H =
Z 1Z x
0
2
−x
√
√
(x, y, 1 − x2 )(x/ 1 − x2 , 0, 1)T dy dx
Z 1
2x
1
√ du = 2.
dx
=
u
0
0
0
1 − x2
√
Analog erhalten wir für die Teilflächen
Ω3 = {x : xR= − 1 − z 2 , |y| < −x}
√
und Ω2 , Ω4R = {x : y = ± 1 − z 2 , |x| < |y|} : ∂Ωi f · n dµ2H = 2, also
insgesamt ∂Ω f · n dµ2H = 8. Die nichtregulären Randpunkte sind Teile von
=
114
Z 1
√
x
2x √
+
1 − x2
1 − x2
!
dx =
Z 1
√
5.3. INTEGRALSÄTZE VON GAUß UND GREEN
differenzierbaren Wegen die deshalb endliches eindimensionales Hausdorffmaß und folglich verschwindendes zweidimensionales Hausdorffmaß haben.
Über den Gauß’schen Integralsatz erhalten wir wegen div f = 3
Z
∂Ω
f
T
n dµ2H
=
Z
=3
3 dλ (x) = 3
3
Ω
Z 1
0
Z 1 Z √1−z 2 Z √1−z 2
0
√
− 1−z 2
√
− 1−z 2
dx dy dz
√
√
2 1 − z 2 2 1 − z 2 dz = 8.
Wenden wir den Integralsatz von Gauß auf die Funktion
g∇f = g(∂f1 /∂x1 , . . . , ∂fn /∂xn )T
an, so erhalten wir:
Satz 5.3.9 (Erster Green’scher Integralsatz) Sind f und g aus C 2 (Ω)
für eine offenen beschränkte Menge Ω ⊃ Ā ⊃ Rn mit Werten in R, ν der
n−1
normierte in das Äußere von A zeigende Normalvektor und µH
(∂A\∂r A) =
0, so gilt, wenn beide Integrale existieren:
Z
Z
∂f n−1 Z
g∆f dλn =
g
dµH − ∇f T ∇g dλn .
A
∂A ∂ν
A
∆ bezeichnet den Laplaceoperator ∆f := ni=1 Di2 f = div∇.
Vertauschen wir f mit g und subtrahieren die so erhaltenen Integrale im
ersten Greeen’schen Integralsatz erhalten wir:
P
Satz 5.3.10 (Zweiter Green’scher Integralsatz) Sind auf einer offenen
beschränkten Menge Ω ⊃ Ā ⊃ Rn f und g C 2 -Funktionen mit Werten in
R und ν der normierte in das Äußere von A zeigende Normalvektor mit
µn−1
H (∂A \ ∂r A) = 0, so gilt, wenn beide Integrale existieren:
Z
Z
∂g
∂f
f ∆g − g∆f dλn =
f
−g
dµn−1
H .
∂ν
∂ν
A
∂A
Beispiel 5.3.11 Für eine offene beschränkte Menge Ω ⊃ Ā mit µn−1
H (∂A \
∂r A) = 0 und eine Funktion φ auf ∂A hat das Dirichletproblem
∆f = 0,
f
∂A
= φ,
f ∈ C 2 (A) ∩ C(Ā)
(5.7)
höchstens eine Lösung:
Es genügt zu zeigen, dass das homogene Dirichletproblem ∆f = 0, f = 0
∂A
nur die triviale Lösung f = 0 besitzt, da für zwei Lösungen f1 , f2 von (5.7)
f1 − f2 eine Lösung der homogenen Randwertaufgabe ist. Setzt man in der
ersten Green’schen Formel g = f , so erhält man, da nach Voraussetzung die
ersten beiden Integrale verschwinden
0=−
Z
|∇f |2 dλn .
A
Also muss f konstant sein und wegen der Randbedingung konstant 0 sein.
115
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
5.4 Integralsatz von Stokes
Im R2 ist die Rotation eines differenzierbaren Vektorfeldes f = (f1 , f2 )
durch den Differentialoperator rot definiert:
rot f =
∂f2
∂f1
−
.
∂x1 ∂x2
Wir bezeichnen ein Tangentialvektorfeld t an ∂r A als positiv
orientiert,
!
0 1
wenn diese Tangentialvektoren durch die Drehung
in einen in das
−1 0
Äußere von A zeigenden Normalvektor übergeführt wird, wenn also (t1 , t2 ) =
(−ν2 , ν1 ) gilt.
Satz 5.4.1 (Integralsatz von Stokes für die Ebene) Ist A offen und beschränkt in R2 mit ∂A \ ∂r A endlich, sowie f : Ā → R2 eine auf Ā stetige
und auf A stetig differenzierbare Funktion, so gilt:
Z
A
rot f dλ2 =
Z
f · t ds,
∂A
wobei t den normierten Tangentialvektor einer positiv orientierten Parametrisierung und s die Weglänge bezeichnet.
Beweis: Nach dem Gauß’schen Integralsatz gilt für ein positiv orientiertes
Tangentialvektorfeld mit Korollar 4.2.11
∂f2
∂f1 2 Z
rot f dλ =
−
dλ = div(f2 , −f1 )T dλ2
∂x
A
A ∂x1
A
2
Z
Z
Z
1
1
f2 t2 + f1 t1 ds
f · t dµH =
f2 ν1 − f1 ν2 dµH =
=
Z
2
Z
∂A
∂A
∂A
Im orientierten euklidischen R3 ist die Rotation eines Vektorfeldes f =
(f1 , f2 , f3 )T durch
∂f3
∂f2 ∂f1
∂f3 ∂f2
∂f1
−
,
−
,
−
∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x1 ∂x1 ∂x2
rot f =
!T
gegeben. Die Rotation
Satz 5.4.2 (Integralsatz von Stokes im R3 ) Auf der offenen beschränkten Teilmenge D des R2 sei α eine C 2 -Funktion von D auf eine Teilemge Ω
des orientierten euklidischen R3 . Weiters sei f ein C 1 -Vektorfeld auf einer
offenen Obermenge von Ω. Dann gilt
Z
Ω
116
rot f ·
n dµ2H
=
Z
∂Ω
f T · t dµ1H ,
5.4. INTEGRALSATZ VON STOKES
wobei n ein normiertes Normalvektorfeld auf Ω und t ein normiertes Tangentialvektorfeldan ∂Ω bezeichnet wobei die Orientierung von n und t so zu
wählen ist, dass auf ∂Ω det(ν, t, n) > 0 für ein in das Äußere von Ω zeigende
Tangentialvektorfeld ν auf ∂Ω gilt.
Beweis: Da die Vektoren ∂α
× ∂α
orthogonal zu den Tangentialvektoren
∂u
∂u
∂α/∂u und ∂α/∂v sind, bilden sie ein Normalvektorfeld auf α(D). Mit Satz
4.2.15 folgt

Z
Ω
rot f · n dµ2H =
∂f3
2
 ∂x
 ∂f1
 ∂x3
∂f2
D
∂x1
Z
−
−
−

∂f2
∂x3 
∂f3 
∂x1 
∂f1
∂x2
 ∂α ∂α
2
3
∂u ∂v
 ∂α
1
◦ α ·  ∂u3 ∂α
∂v
∂α1 ∂α2
∂u ∂v
−
−
−
∂α3
∂u
∂α1
∂u
∂α2
∂u
∂α2
∂v
∂α3 
∂v 
∂α1
∂v

dλ2 ,
(5.8)
falls (∂α/∂u × ∂α/∂v)·n = |∂α/∂u × ∂α/∂v| gilt, wenn also ∂α/∂u×∂α/∂v
ein positives vielfaches von n ist, was genau dann der Fall ist, wenn gilt
det(∂α/∂u, ∂α/∂v, n) > 0.
(5.9)
Dies können wir - gegebenenfalls nach einem Koordinatenwechsel (eu , ev ) →
(ev , eu ) - voraussetzen.
Sei f̃ = (f˜1 , f˜2 , f˜3 )T := f ◦ α, so folgt
3
3
∂ f˜i X
∂ f˜i X
∂fi ∂αl
∂fi ∂αl
=
und
=
, 1 ≤ l ≤ 3.
∂u
∂v
l=1 ∂xl ∂u
l=1 ∂xl ∂v
Für {i, j, k} = {1, 2, 3} folgt
!
!
∂fi ∂αk ∂αi ∂αi ∂αk
∂fi ∂αi ∂αj
∂αj ∂αi
−
−
−
∂xk ∂u ∂v
∂u ∂v
∂xj ∂u ∂v
∂u ∂v
!
!
∂fi ∂αj ∂αi
∂fi ∂αj ∂αi
∂fi ∂αk
∂fi ∂αk
+
−
+
=
∂xk ∂u
∂xj ∂u ∂v
∂xk ∂v
∂xj ∂v ∂u
Wenn wir beide Terme durch
dem Satz von Schwarz:
∂fi ∂αi ∂αi
∂xi ∂u ∂v
ergänzen erhalten wir hierfür mit
3
∂fi ∂αl ∂αi X
∂fi ∂αl ∂αi
−
l=1 ∂xl ∂u ∂v
l=1 ∂xl ∂v ∂u
!
!
∂ f˜i ∂αi ∂ f˜i ∂αi
∂ ˜ ∂αi
∂ ˜ ∂αi
=
−
=
fi
−
fi
.
∂u ∂v
∂v ∂u
∂u
∂v
∂v
∂u
=
3
X
117
KAPITEL 5. MANNIGFALTIGKEITEN UND INTEGRALSÄTZE
Damit führt (5.8) mit dem Satz von Stokes für die Ebene 5.4.2 auf
Z
Ω
rot f ·
n dµ2H
3
3
∂ X
∂αi
∂ X
∂αi
˜
=
fi
−
f˜i
∂v
∂v i=1 ∂u
D ∂u i=1
P3 ˜ ∂αi !
Z
f ∂u
= rot P3i=1 ˜i ∂α
dλ2
i
f
D
i
!
Z
i=1
!
dλ2
∂v
3
X
3
X
∂αi
∂αi
f˜i
t̃u +
f˜i
t̃v dµ1H
∂u
∂v
∂D i=1
i=1
=
Z
=
Z
∂D
f̃ T dαt̃ dµ1H
wobei t̃ = (t̃u , t̃c )T den normierten Tangentialvektor an ∂D bezeichnet. Ist
γ̃ = (γ̃u , γ̃v ) : [a, b] → ∂D eine stückweise stetig differenzierbare Parametrisierung von ∂D mit γ̃ 0 · t̃ > 0, so induziert diese vermöge γ(s) := α ◦ γ̃(s)
eine stückweise stetig differenzierbare Parametrisierung von ∂Ω, für die gilt
dγ
= dα(γ̃) dγ̃
. Wenden wir Korollar 4.2.11 auf diese Parametrisierungen von
ds
ds
∂D bzw. ∂Ω an, so folgt wegen f̃ ◦ γ̃ = f ◦ γ:
Z
Ω
rot f · n dµ2H =
=
Z
∂D
Z b
a
f̃ T · (dαt̃) dµ1H =
Z b
a
dγ̃
f̃ T (γ̃) · dα(γ̃)
ds
!
ds
Z
dγ
f (γ) ·
ds =
f T · t dµ1H .
ds
∂Ω
T
Es bleibt zu zeigen, dass der normierte Tangentialvektor t an ∂Ω die im Satz
geforderte Orientierung hat:
Es gilt det(ν̃, t̃) > 0 bezüglich der durch (eu , ev ) gegebenen Orientierung es
R2 , also gibt es A ∈ R2×2 mit det(A) > 0 und (ν̃, t̃) = (eu , ev )A. Es folgt
0
A
0
sgn det(ν, t, n) = sgn det(dα(ν̃, t̃), n) = sgn det(dα(eu , ev ), n) 

00 1


!
∂α ∂α
= sgn det
,
, n = 1.
∂u ∂v
Beispiel 5.4.3 Wir verifizieren den Stokes’schen Integralsatz für die obere
Hälfte des Ellipsoides E
3x2 + 2y 2 + z 2 = 1,
z>0
und das Vektorfeld f (x, y, z) = (zy + y, xy − x, x2 − y)T :
118
5.4. INTEGRALSATZ VON STOKES
Wir erhalten rot f = (−1, y − 2x, y − z − 2)T . Sei E0 die√Ellipse 3x2 + 2y 2 ≤ 1,
so gibt Korollar 5.1.8 für die Funktion z = α(x, y) = 1 − 3x2 − 2y 2 :
Z
E
rot f
T
n dµ2H
=
Z
=
Z
E0
E0
rot f (−Dα, 1)T dxdy
(−1, y − 2x, y − z − 2)
!T
=
Z
E0
2y
3x
√
,√
, 1 − 2 dxdy
2
2
1 − 3x − 2y
1 − 3x2 − 2y 2
q
−3x + 2y 2 − 4xy
√
+
y
−
1 − 3x2 − 2y 2 − 2 dxdy.
1 − 3x2 − 2y 2
Wegen der Symmetrie des Integrationsbereiches E0 kann der ungerade Teil
des Integranden vernachlässigt werden und wir erhalten mit der Transformationsformel durch die Substitution x = √13 r cos ϕ y = √12 r sin ϕ
Z
E
rot f ·
n dµ2H
=
Z 2π Z 1
0
0
r2 sin2 ϕ √
r
√
− 1 − r2 − 2 √ drdϕ
2
6
1−r
!
1
2πr −2π
r √
2
√
√
1−r −
=−
= √
2 6
6
6
2
0
Für das Integral ∂E f T · t dµ1H erhalten wir mit Korollar 4.2.11 und der
Parametrisierung γ(s) = ( √13 cos s, √12 sin s, 0) des Randes ∂E:
R
Z 2π
0
1 Z 2π
−2π
f (γ(s))γ (s) ds = √
cos2 s sin s − sin2 s − cos2 s ds = √ .
6 0
6
T
0
119
Kapitel
6
Sobolevräume
6.1 Schwache Ableitung
Integriert man das Produkt der Ableitung einer C 1 (R)-Funktion f mit einer Funktion φ aus Cc∞ (R), so verschwinden bei partieller Integration die
Randterme und man erhält:
Z
f 0 φ dλ = −
Z
f φ0 dλ.
Wir werden sehen, dass f 0 ∈ C(R) eindeutig Rdurch die Integrale f 0 φ dλ, φ ∈
Cc∞ (R) und damit auch durch die Integrale f φ0 dλ bestimmt ist. Während
f 0 φ nur für differenzierbare Funktionen f definiert ist kann f φ0 für alle auf
kompakten Teilmengen von R integrierbaren Funktionen f integriert werden
und legt die folgende Definition nahe: Wir sagen f besitzt eine schwache
Ableitung, wenn es eine Funktion Df ∈ L1loc (R) gibt, die
R
Z
Df φ dλ = −
Z
f φ0 dλ
(6.1)
für alle φ ∈ Cc∞ (R) erfüllt. L1loc (R) bezeichnet den Raum der lokal integrierbaren Funktionen, das ist der lineare Raum aller messbaren Funktionen auf R, die auf kompakten Teilmengen integrierbar sind.
Im Folgenden sei Ω immer eine offene Teilmenge des Rn und α = (α1 , . . . , αn ),
P
αi ∈ N0 bezeichne einen Multiindex mit |α| := i αi . Wiederholte partielle
Integration führt für f ∈ C |α| (Ω) und φ ∈ Cc∞ (Ω) auf
Z
Ω
Z
∂ |α| φ
∂ |α| f
n
|α|
φ
dλ
=
(−1)
f
dλn ,
α1 · · · ∂ αn
∂xα11 · · · ∂xαnn
Ω ∂x
xn
1
(6.2)
was die folgende Definition motiviert: Sei f ∈ L1loc (Ω) und α ein Multiindex.
Dann hat f eine α-te schwache Ableitung, wenn es eine Funktion Dα f in
12. Dezember 2013
121
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
L1loc (Ω) gibt, sodass für alle φ ∈ Cc∞ (Ω) gilt:
Z
Ω
D f φ dλ = (−1)
α
n
|α|
∂ |α| φ
dλn .
f α1
α
n
Ω ∂x1 · · · ∂xn
Z
Funktionen in Cc∞ (Ω) werden in diesem Zusammenhang Testfunktionen
genannt.
Lemma 6.1.1 (Fundamentallemma
der Variationsrechnung) Wenn für
R
eine Funktion g ∈ L1loc (Ω) Ω gφ dλ = 0 für alle Testfunktionen φ aus Cc∞ (Ω)
gilt, so folgt g = 0 f.ü.
Beweis: Mit der Dreiecksungleichung sieht man, dass die Abbildung Rn →
R, x 7→ dist(x, A) für jede nichtleere Teilmenge A von Rn stetig ist. Wegen
Satz 1.4.3 nimmt diese Abbildung auf jeder kompakten Menge ihr Minimum
an. Für eine kompakte Menge K ⊆ Ω, Ω offen nichtleer in Rn ist jeder Punkt
x von K innerer Punkt von Ω und erfüllt damit dist(x, ∂Ω) > 0. Es folgt
δ0 := dist(K, ∂Ω)/2 > 0.
Für K̃ := {z ∈ Ω : dist(z, K) ≤ δ0 } ist K̃ kompakt und es gilt nach
Proposition 2.4.1
(f 1K̃ ) ∗ ηδ (x) = f ∗ ηδ (x)
für jeden Mollifier (ηδ )δ , x ∈ K und δ < δ0 . Nach Voraussetzung gilt also
(f 1K̃ ) ∗ ηδ = 0 auf K für δ < δ0 und wegen f 1K̃ ∈ L1 (Ω) und Satz 2.5.4
folgt
f 1K̃ = lim(f 1K̃ ) ∗ ηδ = 0 fast überall auf K.
δ→0
Wegen f 1K̃ = f auf K folgt, dass f auf jeder kompakten Teilmenge von Ω
f.ü. verschwindet. Da Ω als abzählbare Vereinigung kompakter Teilmengen
dargestellt werden kann, gilt f = 0 fast überall auf Ω.
Korollar 6.1.2 Besitzt eine Funktion f ∈ L1loc (Ω) eine schwache Ableitung
Dα f , so ist diese eindeutig, d.h. für zwei Funktionen g1 , g2 , die schwache
Ableitungen einer Funktion f sind, gilt g1 = g2 f.ü. in Ω.
Beweis: Es folgt aus der Definition der schwachen Ableitung
Z
Ω
g1 φ dλ =
n
Z
Ω
g2 φ dλ =
n
Z
Ω
f Dα φ dλn ∀φ ∈ Cc∞ (Ω).
Die Funktion g1 −g2 aus L1loc (Ω) erfüllt also
Mit Lemma 6.1.1 folgt g1 = g2 f.ü.
122
R
Ω (g1 −g2 )φ dλ
= 0 ∀φ ∈ Cc∞ (Ω).
6.1. SCHWACHE ABLEITUNG
Proposition 6.1.3 Ist f ∈ C |α| (Ω), Ω offen in Rn , so ist f schwach differenzierbar mit
∂ |α| f
D α f = α1
.
∂x1 · · · ∂xαnn
Für Multiindizes α, β gilt: Existiert Dβ f und hat eine α-te schwache Ableitung, so existiert die schwache Ableitung Dα+β f und es gilt Dα (Dβ f ) =
Dα+β f .
Beweis: Die erste Behauptung folgt direkt aus (6.2).
∂ |α| φ
α1
∂x1 ···∂xαnn
Für eine Testfunktion φ ist auch
Z
Dα (Dβ f )φ dλn =(−1)|α|
Z
eine Testfunktion und es gilt
Dβ f
∂ |α| φ
dλn
∂xα11 · · · ∂xαnn
∂ |β|
∂ |α| φ
dλn
∂xβ11 · · · ∂xβnn ∂xα11 · · · ∂xαnn
Z
∂ |α+β| φ
n
|α+β|
=(−1)
f α1 +β1
αn +βn dλ ,
∂ x1
· · · ∂ xn
=(−1)
|α|+|β|
Z
f
woraus Dα (Dβ f ) = Dα+β f folgt.
Für eine schwach differenzierbare Funktion u bezeichnen wir mit Du den
Gradienten im Sinn der schwachen Ableitung, also Du = (D1 u, . . . , Dn u)t .
Da die schwache Ableitung für differenzierbare Funktionen mit der klassischen Ableitung übereinstimmt verwenden wir wegen der kompakteren
Schreibweise auch Dα φ für die entsprechende klassische Ableitung einer Testfunktion. Weiters soll unter Dα uv immer (Dα u)v verstanden werden. D0 u
definieren wir als u.
Im eindimensionalen Fall kann man schwach differenzierbare Funktionen explizit charakterisieren: Zunächst rufen wir in Erinnerung, dass für eine lokal
absolut stetige Funktion g auf R nach dem Hauptsatz der Differential und
Integralrechnung für Lebesgueintegrale
gilt: g ist fast überall differenzierbar
R
0
1
mit g ∈ Lloc (R) und g(x) = g(a) + (a,x) g 0 (t) dt für x > a (vgl. Ku, Satz
12.30). Es folgt für eine Testfunktion φ mit supp(φ) ⊆ [a, b] und eine absolut
stetige Funktion f : f φ ist absolut stetig mit
0 = f φ(b) − f φ(a) =
Z
[a,b]
(f φ) dλ =
0
Z
[a,b]
f 0 φ + f φ0 dλ,
(6.3)
womit man sieht, dass f schwach differenzierbar ist mit Df = f 0 f.ü.
Hat umgekehrt f eine schwache Ableitung Df ∈ L1loc (R), so ist Df die f.ü.
existierende Ableitung einer lokal absolut stetigen Funktion f˜. Damit ist für
123
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
jede
Testfunktion
φ die Funktion f˜φ absolut stetig mit Gleichung (6.3) folgt
R
R 0
0
f˜φ dλ = − f˜ φ dλ, also
Z
(f − f˜)φ0 dλ = 0
(6.4)
für Ralle Testfunktionen φ. Es bleibt zu zeigen, dass eine Funktion g ∈ L1loc ,
die gφ0 dλ für alle Testfunktionen φ erfüllt konstant ist, da dann f = f˜ + c
gilt und f somit lokal absolut stetig ist.
Sei ψ0 eine Testfunktion mitR ψ0 dλ = 1. Dann ist für eine jede Testfunktion φ die Funktion φ − φ dλ · ψ0 eine C ∞ -FunktionR mit verschwinx
dendem
Integral. Damit hat ihre Stammfunktion θ(x) = −∞
φ(t) dλ(t) −
R
Rx
R φ dλ −∞ ψ0 (t) dλ(t) kompakten Träger, es gilt also
R
φ−
Z
φ dλ · ψ0 = θ0
mit einer Testfunktion θ und es folgt für c := gψ dλ:
R
Z
(g − c)φ dλ =
Z
gθ dλ +
0
Z
φ dλ
Z
gψ0 dλ − c
Z
φ dλ =
Z
gθ0 dλ.
Verschwindet also das Integral gθ0 dλ für alle Testfunktionen θ so ist g
wegen dem Fundamentallemma 6.1.1 gleich der Konstanten c.
R
Wir haben also gezeigt:
Proposition 6.1.4 Für n = 1 ist eine Funktion genau dann schwach differenzierbar, wenn sie lokal absolut stetig ist. In diesem Fall ist die schwache
Ableitung genau die f.ü. existierende lokal integrierbare Ableitung der Funktion.
Hiermit sieht man etwa:

x
Beispiel 6.1.5 Die Funktion f (x) = 
0
x≥0
ist schwach differenzierx<0

1
x≥0
bar mit Ableitung f 0 (x) = 
Diese ist nur modulo Nullmengen
0 x < 0.
eindeutig bestimmt, in 0, dem einzigen Punkt in dem f nicht klassisch differenzierbar ist kann man also auch nicht von der schwachen Ableitung in
0 sprechen. Da f 0 keinen stetigen und damit keinen lokal absolut stetigen
Repräsentanten hat ist f 0 nicht schwach differenzierbar.
In Dimensionen größer 1 hingegen gibt es schwach differenzierbare Funktionen, die in keiner offenen nichtleeren Menge wesentlich beschränkt sind:
124
6.2. SOBOLEVRÄUME
Beispiel 6.1.6 Die Funktion f (x) = ( ni=1 x2i )−s hat in x 6= 0 klassische
Pn
∂f
2 −s−1
partielle Ableitungen ∂x
. Diese sind für s < n−1
lokal
=
−2sx
(
i
i=1 xi )
2
i
integrierbar. Für eine abzählbare dichte Teilmenge {ti : i ∈ N} von Ω hat
P
−i
dann die Funktion h(x) = ∞
i=1 2 f (x − ti ) ebenfalls schwache Ableitungen
erster Ordnung, obwohl sie in keiner offenen nichtleeren Teilmenge von Ω
im Wesentlichen beschränkt ist, d.h. die Äquivalenzklasse der schwachen
Ableitung hat dort keinen beschränkten Repräsentanten.
P
Bemerkung: Ausgehend von (6.1) kann man für alle f ∈ L1loc (Ω) eine „Ableitung“ definieren, ohne zu fordern, dass diese Ableitung als Element eines
Funktionenraumes darstellbar ist: Auf Cc∞ (Ω) wird eine Topologie T definiert
unter der die Differentiation eine stetige Abbildung
von (Cc∞ (Ω), T ) nach
R
(Cc∞ , T ) ist und für die die Abbildungen φ 7→ Ω f φ dλn für alle f ∈ L1loc (Ω)
stetig sind. (Diese Abbildungen sind offensichtlich linear, weshalb sie als
stetige Funktionale bezeichnet werden). Damit sind aber auch die Verknüpfungen
Z
φ 7→ (−1)|α| f Dα φ dλn
Ω
stetig und linear. Interpretiert man diese Distributionen genannten Funktionale als „Ableitung“Dα f der lokal integrierbaren Funktion f , so kann
man jede Funktion aus L1loc (Ω) unendlich oft im distributionellen Sinn
differenzieren. Für k-mal stetig differenzierbare oder schwach differenzierbare Funktionen stimmt die distributionelle Ableitung wegen (6.1) mit dieser überein. Man kann zeigen dass alle stetigen linearen Funktionale auf
(Cc∞ (Ω), T ) von dieser Form sind und hat so die Distributionen, den Raum
der distributionellen Ableitungen von L1loc (Ω) als den Raum der stetigen linearen Funktionale auf (Cc∞ (Ω), T ) realisiert.
6.2 Sobolevräume
Für eine offene Teilmenge Ω von Rn und m ∈ N0 , p ≥ 1 bezeichne W m,p (Ω)
den Sobolevraum, das ist der lineare Raum aller Funktionen f in Lp (Ω),
die für alle α mit |α| ≤ m eine schwache Ableitung Dα f in Lp (Ω) besitzen.
Auf diesem Teilraum ist die Sobolevnorm durch
1

kf km,p,Ω = kf km,p =
p
X

kD
α
f kpp 
für 1 ≤ p < ∞
(6.5)
|α|≤m
beziehungsweise kf km,∞ = max|α|≤m kDα f k∞ definiert.
Man verifiziert unmittelbar, dass die Existenz einer schwachen Ableitung ganz im Gegensatz zur klassischen Differenzierbarkeit - unabhängig von der
125
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Wahl eines Repräsentanten in den Äquivalenzklassen des Lp ist, dass man
also von der schwachen Differenzierbarkeit der Elemente des Lp sprechen
kann und k · km,p tatsächlich eine Norm auf W m,p ist.
Satz 6.2.1 Mit der Sobolevnorm k · km,p ist der Sobolevraum W m,p ein Banachraum. Für p = 2 und das Skalarprodukt
X Z
(u, v)m :=
|α|≤m
Dα uDα v dλn
Ω
sind diese Sobolevräume Hilberträume.
Beweis: Wir haben nur die Vollständigkeit der Räume W m,p unter den
Sobolevnormen zu zeigen. Sei also (ui )i∈N eine Cauchyfolge in (W m,p , k·km,p ).
Dann ist für jeden Multiindex α mit |α| ≤ m (Dα ui )i∈N eine Cauchyfolge in
Lp , die wegen der Vollständigkeit der Lp -Räume gegen Elemente uα aus Lp
konvergieren. Wir haben zu zeigen, dass Dα u0 = uα gilt, da dann ui → u0
bezüglich der Sobolevnorm k · km,p folgt.
Für jede Testfunktion φ gilt aufgrund der Hölder–Ungleichung
Z
n
uφ dλ
Ω
≤ kukp kφkq ≤ kukm,p kφkq
und die Abbildung u 7→ Ω uφ dλRn ist ein stetiges
Funktional auf W m,p ,
R
n
woraus für alle α mit |α| ≤ m limi ui φ dλ = limi ui φ dλn bzw.
R
Z
Ω
u D φ dλ = lim
0
α
n
Z
i→∞ Ω
= (−1)
|α|
ui D φ dλ = lim (−1)
α
n
i→∞
Z
α
|α|
Z
Ω
Dα ui φ dλn
n
u φ dλ
Ω
folgt. Aufgrund der Definition einer schwachen Ableitung gilt also Dα u0 =
uα .
Lemma 6.2.2 Für u ∈ W m,p (Ω) mit 1 ≤ p ≤ ∞, |α| ≤ m und eine Testfunktion θ gilt
Dα (u ∗ θ) = (Dα u) ∗ θ
für Ω = Rn sowie für beliebige offene Mengen Ω, wenn u kompakten Träger
hat und supp(θ) ⊆ B(0, dist(supp(u), ∂Ω)) gilt.
Beweis: Wir bezeichnen mit uz die Translation der Funktion u: uz (x) =
u(z + x). Diese ist für |z| < dist(supp(u), ∂Ω) wohldefiniert. Es gilt für
126
6.2. SOBOLEVRÄUME
klassisch differenzierbare Funktionen Dα φz = (Dα φ)z . Damit erhalten wir
für u:
Z
Ω
Dα (uz )φ dλn =(−1)|α|
=(−1)|α|
=
Z
Ω
Z
ZΩ
Ω
uz Dα φ dλn = (−1)|α|
Z
Ω
u(Dα φ)−z dλn
uDα (φ−z ) dλn
Dα uφ−z dλn =
Z
Ω
(Dα u)z φ dλn .
Also gilt auch für die schwache Ableitung Dα (uz ) = (Dα u)z . Hiermit und
durch den Satz von Fubini erhalten wir:
Z
Ω
D (u ∗ θ)φ dλ =(−1)
α
|α|
n
=(−1)|α|
=
=
=
Z
Z
Ω
ZΩ
Rn
Rn
u(x − y)θ(y)Dα φ(x) dλn (y)dλn (x)
θ(y)
Z
Ω
u(x − y)Dα φ(x) dλn (x)dλn (y)
θ(y)D (u−y )(x)φ(x) dλn (x)dλn (y)
α
n
ZR Z Ω
ZΩ
Z Z
Rn
θ(y)Dα u(x − y) dλn (y) φ(x) dλn (x)
(Dα u ∗ θ)φ dλ,
womit aus Korollar 6.1.2 Dα (u ∗ θ) = (Dα u) ∗ θ folgt.
Für Ω = Rn ist die Faltung jeder Funktion u ∈ W m,p mit einer Testfunktion immer wohldefiniert und in W m,p . Obige Rechnung gilt dann für alle
Testfunktionen.
Man kann die Faltung mit Testfunktionen für alle u ∈ L1loc (Ω) erklären, wenn
etwa u außerhalb von Ω durch 0 fortgesetzt wird. Für solche Funktionen ist
das Lemma aber im Allgemeinen nicht richtig, wie das folgende Beispiel
zeigt:
Beispiel 6.2.3 Sei u := 1(0,1) ∈ W 1,1 ((0, 1)), θ := η 1 für einen Mollifier
2
(ηδ )δ . Es gilt Du = 0, also (Du) ∗ η 1 = 0. Setzt man aber u außerhalb von
2
(0, 1) durch 0 auf R fort, so ergibt sich u ∗ η 1 ∈ C ∞ (R) mit u ∗ η 1 (0) < 1
2 R
2
und u ∗ η 1 (1) < 1 sowie u ∗ η 1 ( 12 ) = 1, woraus (0,1) |D(u ∗ η 1 )| dλ ≥ 1 folgt.
2
2
2
Es sind zwar u und u ∗ η 1 wohldefiniert und schwach differenzierbar, die
2
im Beweis des Lemmas verwendete Translation uz ist aber nach Proposition
6.1.4 in (0, 1) nicht schwach differenzierbar, weshalb sich der Beweis des
Lemmas nicht auf u übertragen lässt.
Es gilt folgende Variante der Leibnizschen Produktregel für schwache Ableitungen:
127
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Proposition 6.2.4 Für θ ∈ Cc∞ (Ω), u ∈ W m,p (Ω) und einen Multiindex α
mit |α| ≤ m gilt θu ∈ W m,p mit:
!
D (θu) =
α
α
Dβ θDα−β u.
β
X
β≤α
Hier bezeichnet αβ := i≤n αβii und β ≤ α die komponentenweise Halbordnung βi ≤ αi , i = 1, . . . , n auf Multiindizes.
Q
Beweis: Wir zeigen die Behauptung durch Induktion. Für |α| = 0 ist die
Aussage offensichtlich richtig. Wir nehmen an sie gelte für alle Multiindizes
α mit |α| ≤ n. Für |α̃| = n + 1 können wir α̃ als α + δ mit |α| = n,
|δ| = 1 darstellen. Sei o.B.d.A. δ = (1, 0, 0, . . .). Für eine Testfunktion φ ist
θφ eine Testfunktion und es folgt aus der Produktregel für differenzierbare
Funktionen θDδ φ = Dδ (θφ) − Dδ θφ und damit
Z
Ω
D (θu)φ dλ = −
δ
n
=
Z
Z
θuD φ dλ = −
δ
Ω
θD uφ dλ +
δ
Ω
n
n
Z
Z
uD (θφ) dλ +
δ
Ω
n
Z
uDδ θφ dλn
Ω
Dδ θuφ dλn ,
Ω
also die Produktregel Dδ (θu) = Dδ θu + θDδ u. Mit der Induktionsvoraussetzung und Proposition 6.1.3 erhalten wir
Dα+δ (θu) =Dα Dδ (θu) = Dα (Dδ θu) + Dα (θDδ u)
=
X
β≤α
!
α β+δ α−β
D θD
u + Dβ θDα+δ−β u
β
!
=
X
δ≤γ≤α
α
α
+
γ−δ
γ
!!
Dγ θDα+δ−γ u
!
X
α
+
Dα+δ θu +
Dγ θDα+δ−γ u.
α
γ≤α
δγ
Aus der Identität
α, γ, δ:
α
γ−δ
+
n
k
α
γ
=
(θu) =
X
+
n
= n+1
,
k+1
k+1
α+δ
und damit
γ
n, k ∈ N folgt für die Multiindizes
α+δ
Dγ θDα+δ−γ u.
γ
!
D
α+δ
γ≤α+δ
Ist u ∈ W m,p (Ω), so ist Dβ u ∈ Lp (Ω) und damit Dα−β θDβ u ∈ Lp (Ω) für
jede Testfunktion θ, also gilt θu ∈ W m,p (Ω).
Ein zentrales Hilfsmittel um Sätze über Sobolevräume zu beweisen ist es
die gewünschte Aussage zunächst nur für einen geeigneten Teilraum glatter
128
6.2. SOBOLEVRÄUME
Funktionen zu beweisen. Dort sind die schwachen Ableitungen die klassischen Ableitungen und es stehen alle Methoden der klassischen Analysis
zur Verfügung. Danach kann auf die Gültigkeit der Aussage für den ganzen
Sobolevraum geschlossen werden, wenn der Teilraum dicht ist und sich die
Behauptung etwa mit Stetigkeitsargumenten auf den Abschluss des Teilraumes, also auf den ganzen Sobolevraum hochziehen lässt, ähnlich wie wir etwa
Satz 2.5.2 unter Verwendung der Tatsache, dass Cc dicht in Lp , 1 ≤ p < ∞
liegt bewiesen haben.
Die folgenden Sätze gewährleisten die Existenz glatter dichter Teilräume.
Satz 6.2.5 (Meyers, Serrin) Für 1 ≤ p < ∞ und Ω offen in Rn ist der
Unterraum W m,p (Ω) ∩ C ∞ (Ω) dicht in W m,p (Ω).
Beweis: Sei u ∈ W m,p (Ω) mit kompaktem Träger, dann gilt für p < ∞ und
einen Mollifier (η ) nach Satz 2.5.4 u ∗ η → u und Dα u ∗ η → Dα u in der
Lp -Norm, woraus mit Lemma 6.2.2 kDα (u ∗ η ) − Dα ukp → 0 für → 0,
|α| ≤ m und 1 ≤ p < ∞ folgt. Also gilt
ku ∗ η − ukm,p → 0 mit → 0.
(6.6)
Sei Ω0 := ∅ und Ωl := {x ∈ Ω : dist(x, ∂Ω) > l−1 } ∩ B(0, l) für l ∈ N. Dann
bilden die Mengen Ωl+1 \ Ωl−1 , l = 1, . . . eine offene Überdeckung von Ω.
Sei Ψl eine dieser Überdeckung untergeordnete C ∞ -Zerlegung der Eins nach
P
Satz 5.2.1. Es gilt dann u(x) = ∞
l=1 uΨl (x). Die Funktionen uΨl haben
kompakten Träger und sind nach Proposition 6.2.4 in W m,p . Allerdings ist die
P
Konvergenz der Reihe ∞
l=1 uΨl zwar punktweise aber keinesfalls bezüglich
der Sobolevnorm sichergestellt. Schränkt man sich jedoch auf die Teilmenge
P
Pl+1
Ωl ein, so hat man wegen u(x) = ∞
l=1 u(x)Ψl (x) =
l=1 u(x)Ψl (x) für
x ∈ Ωl Konvergenz in der k · km,p,Ωl -Norm. Für > 0 gibt es wegen (6.6) ein
k mit kuΨk − (uΨk ) ∗ ηk km,p,Ω ≤ 2−k und es folgt
∞
X
u −
(uΨ
)
∗
η
k
k k=1
=
∞
X
uΨk
k=1
m,p,Ωl
− (uΨk ) ∗ ηk ≤
∞
X
2−k = .
k=1
m,p,Ωl
Mit dem Satz der dominierten Konvergenz folgt
∞
X
u −
(uΨk ) ∗ ηk k=1
m,p,Ω
=
∞
X
lim u −
(uΨk ) ∗ ηk l→∞ k=1
≤ .
m,p,Ωl
Ähnlich wie man die Lp (Ω)-Räume für 1 ≤ p < ∞ ohne Verwendung des
Begriffs von Lebesgueintegralen als die Vervollständigung des normierten
129
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Raumes aller stetigen Funktionen auf Ω, deren p-te Potenz absolut Riemannintegrierbar ist bezüglich der Norm k · kp definieren kann gibt es eine äquivalente Definition der Sobolevräume für 1 ≤ p < ∞ ohne Verwendung der
schwachen Ableitungen:
Satz 6.2.6 W m,p (Ω) ist die Vervollständigung des Raumes aller Funktionen
in C ∞ (Ω), die mit allen ihren partiellen Ableitungen bis zur Ordnung m in
Lp (Ω) liegen, bezüglich der Sobolevnorm k · km,p,Ω .
Im Allgemeinen liegt der Raum Cc∞ (Ω) nicht dicht im W m,p (Ω). Für Ω =
(0, 1) ist die konstante Funktion 1 in allen Sobolevräumen W m,p . Für eine
Funktion f ∈ Cc∞ kann nur dann k1 − f kL1 < 1/2 gelten, wenn max f > 1/2
gilt. Dies ist wegen dem Hauptsatz
für Funktionen
mit kompaktem Träger
R
R
0
0
in (0, 1) nur möglich, wenn (0,1) |f | dλ ≥ (0,1) f dλ > 1/2 gilt. Da die
Ableitung von 1 verschwindet gilt für solche Funktionen k10 − f 0 kL1 (0,1) und
damit
k1 −R f km,1 > 1/2. Aus der Hölder–Ungleichung folgt wegen kf k1 =
R
|f | dλ = |f |1 dλ ≤ kf kp k1kq = kf kp . Also gilt kf − 1km,p,(0,1) > 1/2 für
alle f ∈ Cc∞ .
Auf Ω = Rn lässt sich obiges Beispiel nicht übertragen, es gilt im Gegensatz:
Satz 6.2.7 Cc∞ (Rn ) liegt dicht in W m,p (Rn ).
Beweis: Wegen dem Satz von Meyers–Serrin 6.2.5 (oder als direkte Folgerung von Proposition 2.4.2 und Satz 2.5.4) liegt C ∞ (Rn )∩W m,p (Rn ) dicht in
W m,p (Rn ). Es genügt also zu zeigen, dass jede unendlich oft differenzierbare
Funktion u ∈ W m,p (Rn ) bezüglich der Sobolevnorm beliebig genau durch
Funktionen in Cc∞ (R) ∩ W m,p (Rn ) approximiert werden kann.
Für u ∈ W m,p (Rn ) ∩ C∞ (R) und Bl := B(0, l) = {x : |x| < l} ist u(η1 ∗ 1Bl )
aus Cc∞ (R) und nach Proposition 6.2.4 auch in W m,p (Rn ). Aufgrund der
Definition der Sobolevnorm (6.5) genügt es zu zeigen, dass die Lp -Norm
kDα u−Dα (u(η1 ∗1Bl ))kp für |α| ≤ m beliebig klein wird, wenn l hinreichend
groß gewählt wird.
Nach Proposition 6.2.4 und Lemma 6.2.2 gilt
!
D (u(η1 ∗ 1Bl )) =
α
X
β≤α
α
Dβ uDα−β (η1 ∗ 1Bl )
β
!
=Dα u(η1 ∗ 1Bl ) +
X
β<α
α
Dβ u((Dα−β η1 ) ∗ 1Bl ).
β
Es gilt η1 ∗1Bl (x) = 1 für |x| < l−1 und 0 ≤ η1 ∗1Bl ≤ 1 auf Rn . Mit dem Satz
von der majorisierten Konvergenz folgt also liml→∞ kDα u−Dα u(η1 ∗1Bl )kp =
0, womit liml→∞ kDβ u((Dα−β η1 ) ∗ 1Bl )kp = 0 für β < α zu zeigen bleibt.
130
6.3. EINBETTUNGSSÄTZE
Für β < α (d.h. βi ≤ α : i und α
6= β) ist Dα−β η1 als Ableitung einer FunkR
∞
∞
tion aus Cc in Cc und erfüllt Rn Dα−β η1 dλn = 0 (Fubini und Hauptsatz).
Es folgt, dass η1 ∗ 1Bl (x) für |x| < l − 1 (und für |x| > l + 1) verschwindet
und
β
β
α−β
kD u((D
η1 ) ∗ 1Bl )kp ≤ D u1B { kDα−β η1 k∞
l−1
p
gilt. Mit dem Satz über monotone Konvergenz folgt
lim kDβ u((Dα−β η1 ) ∗ 1Bl )kp = 0.
l→∞
6.3 Einbettungssätze
In Hinblick auf Beispiel 6.1.6 und Proposition 6.1.4 stellt sich die Frage ob
bzw. wann Aussagen über Zugehörigkeit zu anderen Lp -Räumen, Stetigkeit
bzw. die klassische Differenzierbarkeit von Funktionen in W m,p getroffen werden können. Da die Elemente eines Sobolevraumes Äquivalenzklassen von
Funktionen sind heißt das genauer, wir fragen wann es stetige bzw. klassisch
differenzierbare Repräsentanten (die wenn sie existieren wie im Lp eindeutig sind) dieser Elemente gibt. Darüberhinaus wollen wir Bedingungen finden unter denen der Übergang von der Sobolevnorm zur Norm k · k eines
Banachraumes X als deren Elemente die Elemente des Sobolevraumes aufgefasst werden können beschränkt ist, also wann eine Ungleichung der Art
kuk ≤ Ckukm,p mit einer nur von m, n, p abhängigen Konstanten C gilt. Das
ist genau dann der Fall, wenn die entprechende Einbettungsabbildung
ι : (W m,p , k · km,p ) → (X, k · k) stetig ist. Wir verstehen hier unter einer
Einbettung eine lineare injektive Abbildung eines linearen Raumes in einen
anderen. Man spricht deshalb von Einbettungssätzen.
Ein besonders einfacher Einbettungssatz folgt aus Proposition 6.1.4: Da für
n = 1 jede schwach differenzierbare Funktion absolut stetig ist kann man
W 1,1 (R) als einen Teilraum von C(R) auffassen. Die Abschätzung kf k1,1 ≥
kf k∞ ist ebenfalls leicht zu zeigen. W 1,1 (R) ist also stetig in C(R) eingebettet.
Zuerst zeigen wir, dass für p > n auf klassische Differenzierbarkeit von geeigneten Repräsentanten des W m,p geschlossen werden kann. Die Abhängigkeit
von der Dimension des Raumes überrascht wegen der genannten Beispiele
nicht. Dazu benötigen wir das folgende Lemma, das die maximale Abweichung der Funktionswerte einer C ∞ -Funktion von ihrem Mittelwert durch
ihre partiellen Ableitungen abschätzt:
131
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Lemma 6.3.1 (Morray) Es sei W ein achsenparallelerR Würfel mit Kantenlänge l im Rn , x ∈ W und u ∈ C ∞ (Rn ). uW := l−n W u dλn bezeichne
das Mittel von u über W . Dann gilt für p > n
n
|uW
n
l1− p X
− u(x)| ≤
kDi ukLp (W ) .
1 − np i=1
Beweis: Wir nehmen o.B.d.A. x = 0 an. Mit
u(y) − u(0) =
Z 1X
n
d
u(ty) dt =
yi Di u(ty) dt
dt
0 i=1
Z 1
0
und der Hölder–Ungleichung (mit
halten wir mit Di := ∂x∂ i :
1
ln
1
= n
l
|uW − u(0)| =
≤
1
= l1−n
1−n
≤ l1−n
i=1 0
n Z 1
X
i=1 0
n Z 1
X
i=1 0
n Z 1
X
W
t−n
= l1−n l q
=
sowie dem Satz von Fubini er-
−n
t
i=1 0
l1−n+n
p−1
p
n(p−1)
−n
p
n
1− p X
n
l
1−
wobei obiges Integral
Z
Z
W
t−n
(wegen |yi | < l)
|Di u(ty)| dλn (y)dt
tW
i=1 0
n Z 1
n X
=
p−1
)
p
Z
n
u(y)
−
u(0)
dλ
(y)
W
Z Z
n
1X
n
y
i Di u(ty) dtdλ (y)
W 0
i=1
n Z 1Z
X
ln−1
=l
=
1
q
|Di u(z)| dλn (z)dt
|Di u(z)|1tW (z) dλn (z)dt
Z
W
|Di u|p dλn
1/p Z
W
1/q
1tW
dλn
n
t−n+ q dtkDi ukLp (W )
n
X
+ 1 i=1
kDi ukLp (W )
kDi ukLp (W ) ,
n
p i=1
R 1 −n+ n
q
0
t
dt offensichtlich genau für p > n existiert. Satz 6.3.2 (Morray) Für p > n gilt W 1,p (Rn ) ⊆ Cb (Rn ), d.h. in jeder Äquivalenzklasse von W 1,p (Rn ) gibt es einen stetigen beschränkten Repräsentanten u. Für diesen gilt für alle x, y ∈ Rn
|u(x) − u(y)| ≤
132
n
X
2
1− n
p
|x
−
y|
kDi ukLp (Rn )
1 − np
i=1
(6.7)
6.3. EINBETTUNGSSÄTZE
und
|u(x)| ≤
1
kuk1,p .
1 − np
(6.8)
Beweis: Wir zeigen zunächst die Gültigkeit der Ungleichungen für u ∈
C ∞ (Rn ) ∩ W 1,p (Rn ):
Es gilt mit Lemma 6.3.1 und uW := l−n
R
W
u dλn
n
n
l1− p X
kDi ukLp (W )
|u(x) − u(y)| ≤ |u(x) − uW | + |u(y) − uW | ≤ 2
1 − np i=1
für jeden Würfel der x und y enthält. Wählen wir l = |x − y|, so folgt die
Gültigkeit von (6.7) für glatte u.
Für einen Würfel W mit Kantenlänge 1 der x enthält folgt wegen der HölderUngleichung kukL1 (W ) ≤ kukLp (W ) und mit Lemma 6.3.1
|u(x)| ≤ |uW − u(x)| + |uW | ≤ |uW − u(x)| + kukL1 (W )
n
1 X
1
kDi ukLp (W ) + kukLp (W ) ≤
kuk1,p .
≤
n
1 − p i=1
1 − np
also die Gültigkeit von (6.8) für glatte u.
Für beliebiges u ∈ W 1,p (Rn ) gibt es nach Satz 6.2.5 eine Folge (un )n∈N mit
un ∈ C ∞ (Rn )∩W 1,p (Rn ) und limn→∞ ku−un k1,p = 0. Wegen (6.8), angewendet auf die glatten Funktionen un − um folgt, dass (un )n∈N gleichmäßig gegen
eine Funktion u konvergiert. Als gleichmäßiger Grenzwert stetiger Funktionen ist u damit stetig und die Gleichungen (6.7) und (6.8) gelten für u, da
(un ) insbesondere auch punktweisegegen u konvergiert.
Eine Funktion u : Rn ⊇ U → R heißt Hölder–stetig mit Exponenten γ mit
0 < γ ≤ 1, wenn es eine Konstante C gibt, sodass |u(x) − u(y)| ≤ C|x − y|γ
für alle x, y ∈ U gilt. Das Infimum aller Konstanten für die diese Abschätzung gilt ist wie man unmittelbar verifiziert eine Seminorm [u]0,γ auf dem
Raum der Hölder–stetigen Funktionen mit Exponent γ auf U und durch
kuk0,γ := kuk∞ + [u]0,γ wird die Hölder–Norm auf dem Raum der beschränkten Hölder–stetigen Funktionen erklärt. Allgemeiner definieren wir
auf dem Raum der auf U k-mal stetig differenzierbaren Funktionen mit beschränkten gleichmäßig stetigen Ableitungen die Norm
kukC k,γ (Ū ) :=
X
|α|<k
kDα ukC(Ū ) +
X
kDα ukC 0,γ (Ū ) .
|α|=k
Korollar 6.3.3 Für p > n, m ≥ 1 ist W m,p (Rn ) stetig in C m−1,1−n/p (Rn )
eingebettet, d.h. in jeder Äquivalenzklasse u von W m,p (Rn ) gibt es einen Repräsentanten u∗ aus C m−1,1−n/p (Rn ) und die Abbildung W m,p (Rn ) → C m−1,1−n/p (Rn ),
u 7→ u∗ ist stetig.
133
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Beweis: Für |α| < m und u ∈ W m,p ist Dα u in W 1,p und hat nach Satz 6.3.2
einen stetigen Repräsentanten für den gilt: kDα ukC 0,1−n/p ≤ KkDα uk1,p mit
einer von u unabhängigen Konstanten K. Es folgt
n
,
p
|α|<m
(6.9)
und es bleibt zu zeigen dass u nicht nur schwach sondern klassisch m − 1mal differenzierbar ist. Nach Satz 6.2.5 gibt es für u ∈ W m,p eine Folge (un ),
un ∈ W m,p ∩ C ∞ die in W m,p gegen u konvergiert. Aus (6.9) folgt die Konvergenz der Folge (un ) in C m−1,1−n/p . Wegen der Vollständigkeit des Raumes
C m−1,1−n/p ist u damit klassisch differenzierbar und u somit in C m−1,1−n/p
mit kukC m−1,1−n/p ≤ Kkukm,p .
X
kDα ukC(Ω) ≤ Kkukm,p und kDα ukC 0,γ (Ū ) ≤ Kkukm,p , γ = 1 −
Für p < n können wir nicht auf die Stetigkeit der Elemente schließen aber
wir zeigen, dass eine Funktion in W m,p nicht nur - wie aus der Definition
der Sobolevnorm folgt in Lp liegt - sondern notwendigerweise auch in Lq mit
q = np/(n − mp) > p. Wir betrachten als einfaches Beispiel Funktionen der
< q < αn in Lq . f hat Gradient
Art f (x) = |x|−α . Diese ist genau für n−1
α
−α−m
x → |x|
und die m-fachen Ableitungen von f sind für (α + m)q < n
n−mq
und damit
also für α < q in Lq . Aus f ∈ W m,p folgt also α < n−mp
p
np
np
n
q
wegen n−mp < α : f ∈ L für q < n−mp . Der folgende Satz zeigt also dass
diese Eigenschaft der speziellen betrachteten Funktionen allen Elementen
aus W m,p zukommt:
Satz 6.3.4 (Sobolev–Ungleichung) Für 1 ≤ mp < n ist W m,p (Rn ) stetig
∗
in Lp (Rn ) mit p∗ = np/(n − mp) eingebettet. Für m = 1 gilt konkret
kukp∗ ≤
p(n − 1)
kuk1,p .
− p)
n1/p (n
Beweis: Wir verwenden im Beweis die verallgemeinerte Hölder –UnP
gleichung: Für pi > 0, ni=1 1/pi = 1 und fi ≥ 0 gilt
Z Y
n
i
fi dµ ≤
n Z
Y
fipi
1/pi
dµ
.
i
Für n = 2 ist dies die klassische Hölder–Ungleichung. Angenommen sie gilt
für n − 1 so folgt aus der Hölder–Ungleichung und deren Verallgemeinerung
p /(p −1)
,
angewandt auf die n − 1 Funktionen fi n n , und die Exponenten pi pnp−1
n
i = 1, . . . , n − 1:
134
6.3. EINBETTUNGSSÄTZE
Z Y
n
fi dµ =
Z n−1
Y
i=1
fi · fn dµ
i=1
Z n−1
Y pn /(pn −1)
≤
fi
!(pn −1)/pn Z
dµ
fnpn
1/pn
dµ
i=1
≤
n−1
Y Z
fipi
1/pi Z
dµ
fnpn
1/pn
dµ
n Z
Y
=
fipi
1/pi
dµ
.
i=1
i=1
Wir werden die verallgemeinerte Hölder–Ungleichung für k Funktionen und
pi = 1/k, also in der Form
n
Y
Z
n
Y
fi dµ ≤
i=n−k+1
Z
fik
1
k
dµ
.
i=n−k+1
Sei u ∈ Cc∞ (Rn ), dann folgt aus dem Hauptsatz für 1 ≤ i ≤ n
u(x) =
und damit |u(x)| ≤
Z xi
−∞
R∞
−∞
|u(x)|
Di u(x1 , . . . , xi−1 , ti , xi+1 , . . . , xn ) dti .
|Di u(x)| dxi , beziehungsweise
n
n−1
≤
n Z ∞
Y
i=1
−∞
|Di u(x)| dxi
1
n−1
.
In diesem Produkt ist der i-te Faktor von xi unabhängig. Bei Integration
nach xi kann dieser Faktor also aus dem Integral gezogen werden.
Wir integrieren zuerst nach x1 , ziehen den ersten Faktor vor das Intgral,
wenden auf die verbleibenden n − 1 Faktoren die verallgemeinerte Hölder–
Ungleichung an und erhalten
Z ∞
−∞
n
|u(x)| n−1 dx1 ≤
=
≤
Z ∞
−∞
Z ∞
−∞
Z ∞ Y
n Z ∞
−∞ i=1
|D1 u(x)| dx1
|D1 u(x)| dx1
1
n−1
1
n−1
−∞
|Di u(x)| dxi
Z ∞ Y
n Z ∞
−∞ i=2
n
Y Z ∞
i=2
−∞
−∞
Z ∞
−∞
1
n−1
dx1
|Di u(x)| dxi
1
n−1
|Di u(x)| dxi dx1
dx1
1
n−1
.
Auf der rechten Seite dieser Ungleichung ist der zweite der n Faktoren von x2
unabhängig weshalb er bei Integration nach x2 vor das Integral gezogen werden kann und wir erhalten wieder unter Verwendung der verallgemeinerten
135
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Hölder–Ungleichung:
Z ∞ Z ∞
−∞
≤
−∞
n
|u(x)| n−1 dx1 dx2
Z ∞ Z ∞
−∞
−∞
×
≤
|D2 u(x)| dx2 dx1
Z ∞
Z ∞
−∞
−∞
Z ∞ Z ∞
−∞
−∞
1
n−1
−∞
−∞
−∞
i=3 −∞
1
n−1
−∞
!
1
n−1
|Di u(x)| dxi dx1
Z ∞ Z ∞
−∞
n Z ∞ Z ∞ Z ∞
Y
i=3
×
n Z ∞ Z ∞
Y
|D1 u(x)| dx1
|D2 u(x)| dx2 dx1
×
−∞
dx2
|D1 u(x)| dx1 dx2
|Di u(x)| dxi dx1 dx2
1
n−1
1
n−1
×
.
Nach k Schritten erhalten wir
Z
Rk
|u(x)|
n
n−1
dx1 · · · dxk ≤
k Z
Y
Rk
i=1
×
|Di u(x)| dx1 · · · dxk
n Z
Y
1
n−1
×
|Di u(x)| dxi dx1 · · · dxk
Rk+1
i=k+1
1
n−1
Nach n − k weiteren Integrationen nach xn−k+1 , . . . , xn erhalten wir durch
diese Vorgangsweise
Z
Rn
|u(x)|
n
n−1
dx ≤
n Z
Y
Rn
i=1
|Di u(x)| dx
1
n−1
und damit
kuk
n
n−1
≤
n Z
Y
Rn
i=1
|Di u(x)| dx
1
n
≤
n
Y
1
(kuk1,1 ) n = kuk1,1 .
i=1
Dies ist genau die Sobolev–Ungleichung für m = p = 1 für Funktionen aus
Cc∞ .
Ersetzen wir in dieser Gleichung u durch |u|γ , so erhalten wir da wegen
u ∈ C ∞ Di gleich der klassischen partiellen Ableitung ist und wir damit die
Kettenregel anwenden können für γ > 1 wegen |Di |u|γ | = γ|uγ−1 Di u|:
γ
n
≤
k|u| k n−1
n Z
Y
i=1
γ
Rn
|Di |u| | dx
1
n
=γ
n Z
Y
i=1
γ−1
Rn
|u|
|Di u| dx
1
Anwendung der Hölder–Ungleichung mit 1/p0 + 1/p = 1 gibt
γ
k|u| k
n
n−1
≤γ
n Z
Y
i=1
136
Rn
(γ−1)p0
|u|
dx
1
np0
Z
Rn
p
|Di u| dx
1
np
.
n
.
6.3. EINBETTUNGSSÄTZE
Wir wählen p so, dass die Potenzen von |u| in den Integralen links und rechts
n
übereinstimmen, also (γ −1)p0 = γ n−1
, was auf γ = p(n−1)
führt. Für den vern−p
bleibenden Fall p > 1 gilt also γ > 1 und wir erhalten unter Verwendung der
Mittelungleichung für arithmetische und geometrische Mittel (siehe Übung)
n
Y
!1
n
1X
ai
n i=1
n
ai
≤
i=1
für ai ≥ 0
die Abschätzung
Z
n
γ n−1
Rn
|u|
n−1 − p−1
n
dx
p
=
Z
Rn
|u|
np
n−p
n−p
n
p(n − 1) Y
≤
n − p i=1
n
p(n − 1) X
≤
n(n − p) i=1
Wegen
Pn
i=1
kukp∗
ai ≤ (
Pn
1
i=1
np
dx
Z
= kukp∗
p
Rn
Z
|Di u| dx
p
Rn
|Di u| dx
1
np
1
p
.
1
api ) p n1− p für ai > 0 (Hölder) erhalten wir
n Z
X
p(n − 1)
|Di u|p dx
≤ 1/p
n (n − p) i=1 Rn
!1
p
≤
p(n − 1)
kuk1,p .
n1/p (n − p)
np
≤ γk|u|k1,p , die Sobolev–Ungleichung für m = 1,
Also haben wir kuk n−p
1 ≤ p < n und Funktionen u aus Cc∞ gezeigt.
Für m > 1 zeigen wir die Gültigkeit der Ungleichung mit Induktion: Gilt
(6.10)
np
kuk n−mp
≤ Cm,n,p kukm,p
für alle u ∈ Cc∞ so folgt, wenn wir u durch Di u ersetzen, über i summieren
und Ungleichung (6.10) anwenden:
np
np
kuk1, n−mp
=kuk n−mp
+
n
X
i=1
np
np
kDi uk n−mp
≤ kuk n−mp
+ Cm,n,p
n
X
kDi ukm,p
i=1
≤Cm,n,p kukm,p + C̃kukm+1,p ≤ Ĉkukm+1,p .
Wenden wir (6.10) für m = 1 auf die linke Seite an erhalten wir wegen
np
n n−mp
n−
np
n−mp
=
np
n − (m + 1)p
die Sobolev–Ungleichung für m + 1:
np
kuk n−(m+1)p
≤ Cm+1,n,p kukm+1,p .
137
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Ist nun u ∈ W m,p (Rn ), so gibt es nach Satz 6.2.7 eine in W m,p (Rn ) gegen
u konvergente Folge (un ) in Cc∞ (Rn ). Diese ist aufgrund der bereits bewiesenen Sobolev–Ungleichung für Funktionen aus Cc∞ (Rn ) eine Cauchyfolge
np
in L n−mp (Rn ), die wegen der Vollständigkeit des Raumes gegen ein Element
np
aus L n−mp (Rn ) konvergiert für das die Sobolev–Ungleichung (6.10) gültig ist,
womit der Satz für alle u ∈ W m,p (Rn ) bewiesen ist.
Bemerkung: Für ein beliebiges Gebiet Ω muss Cc∞ (Ω) nicht dicht in W m,p (Ω)
liegen, was in obigem Beweis am Schluss verwendet wurde. Dieser Beweis
bleibt aber richtig, wenn man sich auf W0m,p (Ω), den Abschluss von Cc∞ (Ω)
in W m,p (Ω) einschränkt, oder wenn gezeigt werden kann, dass Cc∞ (Ω) dicht
in W m,p (Ω) liegt, was etwa bei hinreichend glattem Rand der Fall ist.
Ersetzt man etwa die Sobolevnorm (6.5) k · k1,p durch ni=1 kDi ukp , so erhält
man eine Seminorm, die wie die konstanten Funktionen zeigen, keine Norm
ist. Wir zeigen aber, dass auf dem Unterraum
P
k·km,p
W0m,p (Ω) := Wcm,p (Ω)
k·km,p
= Cc∞ (Ω)
für beschränkte offene Mengen Ω diese Seminorm eine Norm ist:
Satz 6.3.5 (Friedrichs–Ungleichung) Sei Ω offen und beschränkt, so gibt
es für 1 ≤ p < ∞ eine nur vom Durchmesser diam(Ω), n und p abhängige
Konstante C, sodass
∀u ∈ Wcm,p (Ω) gilt.
kDα ukp
X
kukm,p;Ω ≤ C
|α|=m
Beweis: Wir zeigen die Behauptung zuerst für φ ∈ Cc∞ (Ω). Sei Ω ⊆ ×ni=1 (ai , bi ).
Aus dem Hauptsatz und der Hölder–Ungleichung erhalten wir für 1 ≤ i ≤ n
die Abschätzung
kφkp =
Z
Rn
Z
≤
Rn
Z x
i
Di φ(x)
ai
k1(ai ,xi ) kpq
p
dti Z bi
ai
1
dx
p
!1
p
|Di φ|p dti dx
.
Der zweite Faktor in dem Integral ist von xi unabhängig, weshalb wir
kφkp ≤
138
b i − ai
p
1
p
Z
Ω
|Di φ|p dx
1
p
≤
diam(Ω)
1
pp
kDi φkp
6.4. KOMPAKTE EINBETTUNG
erhalten, woraus mit (6.5)
kφk1,p = kφkp +
n
X
n
diam(Ω) X
!
kDi φkp ≤ 1 +
1
np p
i=1
kDi φkp
i=1
folgt.
Für beliebiges u ∈ W01,p wählen wir eine gegen u bezüglich k·k1,p konvergente
Folge (φn ) in Cc∞ (Ω). Dann gilt
n
diam(Ω) X
!
1+
kuk1,p = lim kφn k1,p ≤ lim
n→∞
n→∞
n
diam(Ω) X
1
np p
kDi φn kp
i=1
!
= 1+
1
np p
kDi ukp ,
i=1
womit die Ungleichung für m = 1 bewiesen ist.
Gilt diese Ungleichung für ein m ∈ N, so wenden wir sie auf die Funktion
Dα u, |α| = m an und erhalten
kDα ukp ≤ Cm,p,Ω
n
X
kDi Dα ukp .
i=1
Summieren wir diese Ungleichung über alle α der Ordnung m, so treten auf
der rechten Seite alle schwachen Ableitungen der Ordnung m + 1 mindestens
einmal auf. Unter Verwendung der Induktionsvoraussetzung erhalten wir für
eine geeignete Konstante C2
kukm,p ≤ C1
X
kDα ukp ≤ C2
|α|=m
Durch Addition von
P
|β|=m+1
X
kDβ ukp .
|β|=m+1
kDβ ukp ergibt das
kukm+1,p ≤ (C2 + 1)
X
kDβ ukp ,
|β|=m+1
also die Induktionsbehauptung.
6.4 Kompakte Einbettung
Eine lineare Abbildung T eines Banachraumes (X, k · kX ) in einen Banachraum (Y, k · kY ) heißt kompakt, wenn das Bild beschränkter Mengen in
X unter T relativ kompakt in Y ist. Ist T eine Einbettungsabbildung, also
eine injektive lineare Abbildung des Raumes X nach Y , so ist diese Einbettung demnach genau dann kompakt, wenn k · kX -beschränkte Mengen
139
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
k · kY -relativ kompakt sind. Da relativ kompakte Mengen in Banachräumen
immer beschränkt sind sind kompakte Einbettungen immer stetig.
Kompakte Einbettungen gewährleisten die Existenz von k · kY -konvergenten
Teilfogen der Folge (T xn )n für jede k · kX -beschränkte Folge und ist so häufig
das zentrale Argument um die Existenz gewisser Elemente (z.B. Lösungen
von Gleichungen) zu beweisen.
Satz 6.4.1 (Rellich–Kondrachov) Sei Ω beschränkt und offen in Rn . Dann
np
der Sobolevraum W01,p (Ω) kompakt in
ist für 1 ≤ p < n und 1 ≤ q < n−p
Lq (Ω) eingebettet.
Beweis: Für beschränktes Ω und p∗ =
für q < p∗ :
kukqq
=
Z
|u| · 1 dλ ≤
q
Ω
n
gilt nach der Hölder–Ungleichung
np
n−p
∗
Z
q pq
|u|
n
dλ
q
p∗
Z
Ω
Ω
n
1 dλ
1−
q
p∗
,
beziehungsweise mit der Sobolev–Ungleichung Satz 6.3.4
kukq ≤ kukp∗
Z
n
dλ
p∗∗−q
p q
(6.11)
≤ Ckuk1,p .
Ω
∗
Also ist Lp (Ω) und damit auch W01,p (Ω) für beschränktes Ω und q < p∗
stetig in Lq (Ω) eingebettet, beziehungsweise das Bild der Einhetskugel von
W01,p (Ω) unter der Einbettungsabbildung ist beschränkt in Lq .
Nach dem Kompaktheitskriterium von Kolmogoroff Satz 2.7.1 haben wir,
da Ω beschränkt ist, nur noch zu zeigen, dass die Translation τy auf der
Einheitskugel von W01,p (Ω) gleichmäßig stetig bezüglich der Lq –Norm sind,
d.h. dass supkuk1,p ≤1 ku − τy uk → 0 für y → 0 gilt.
Sei φ ∈ Cc∞ (Ω). Dann gilt mit der Hölder–Ungleichung und Fubini für 1 ≤
q≤p
Z
Ω
|φ(x + y) − φ(x)|q dλn (x) =
Z Z 1
Ω 0
q
d
φ(x + ty) dt dλn (x)
dt
q
Z X
Z 1
n
= yi
Di φ(x + ty) dt
Ω i=1
0
Z 1Z
n
X
≤nq−1
|yi |q
i=1
=nq−1
≤nq−1
n Z
X
i=1 Ω
n Z
X
0
Ω
|Di φ(x + ty)|q dλn (x) dt
|yi |q |Di φ(x)|q dλn (x)
(Hölder)
!q
p
|Di φ(x)|p dλn (x)
i=1 Ω
p
≤nq−1 kφkq1,p (Vol(Ω))1− q kykqpq
p−q
140
dλn (x)
Vol(Ω)
n
X
i=1
.
!1− q
p
|yi |pq/(p−q)
6.4. KOMPAKTE EINBETTUNG
Für p < q erhalten wir aus der Hölder-Ungleichung für 1/β + 1/β 0 = 1 die
Abschätzung
Z
Ω
≤
|φ(x + y) + φ(x)|
|φ(x + y) − φ(x)|
|φ(x + y) − φ(x)|
q
Z
|φ(x + y) − φ(x)|
(q−α)β
Ω
×
Z
Ω
!α
dλn (x)
1/β
dλ (x)
n
1/β 0
0
|φ(x + y) + φ(x)|αβ dλn (x)
.
Wir wählen jetzt α und β so, dass der erste Faktor auf der rechten Seite
vermöge obiger Ungleichung durch eine Potenz der Sobolevnorm von φ mal
einer positiven Potenz von kyk abgeschätzt werden kann, also (q − α)β ≤ p
und der zweite Faktor durch die Sobolevungleichung in der Lnp/(n−p) –Norm
durch die Sobolevnorm von φ beschränkt bleibt, also αβ 0 ≤ np/(n − p).
Diese Gleichungen liefern durch elementare Umformungen β = p/(q − α)
und α = nq
− n.
p
Mit diesem Ansatz erhalten wir unter Verwendung der Hölder–Ungleichung,
dieser Abschätzung und der Sobolev–Ungleichungen (Satz 6.3.4)
Z
Ω
|φ(x + y) − φ(x)|q dλn (x)
≤
Z
|φ(x + y) − φ(x)|
q
Ω
≤
Z
Ω
|φ(x + y) − φ(x)|
|φ(x + y) + φ(x)|
!n−nq/p
dλn (x)
(q−p)(n−p)/p2
|φ(x + y) + φ(x)|np/(n−p) dλn (x)
×
×
(q+n)/p−nq/p2
Z
|φ(x + y) − φ(x)|p dλn (x)
Ω
nq/p−n
q+n−nq/p
q+n−nq/p
≤C̃k2φknp/(n−p) kφk1,p
kyk pq
p−q
≤Ckφkq1,p kyk
q+n−nq/p
pq
p−q
.
pq ist genau für q < np/(n−p) positiv. Also haben wir
Der Exponent von kyk p−q
die gleichmäßige Stetigkeit der Translation auf bezüglich der Sobolevnorm
k · k1,p beschränkten Teilmengen von Cc∞ (Ω) für q < np/(n − p) gezeigt.
Für beliebiges u ∈ W01,p (Ω) wählen wir eine gegen u konvergente Folge (φn )
in Cc∞ (Ω). Es folgt für den Translationsoperator τy u(x) := u(x + y) wegen
(6.11) limn→∞ kφn − ukq = 0 und damit
kτy u − ukq = n→∞
lim kτy φn − φn kq ≤ n→∞
lim kφn k1,q |y| = kuk1,q |y|.
Das ist die gewünschte gleichmäßige Stetigkeit der Translation bezüglich der
Lq -Norm auf dem Bild der Einheitskugel von W01,p (Ω) unter der Einbettungsabbildung.
141
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
6.5 H s und Fouriertransformation
Für s ∈ R wird auf dem Unterraum H s aller Elemente von L2 (Rn ), für die
Z
Rn
(1 + |x|2 )s |F u(x)|2 dλn (x) < ∞
gilt durch
(u, v)s :=
Z
Rn
(1 + |x|2 )s F u(x)F v(x) dλn (x)
ein Skalarprodukt definiert. Wir bezeichnen die hierdurch induzierte Norm
auf S mit k · kH s :
kuk2Hs
:=
Z
Rn
(1 + |x|2 )s |F u(x)|2 dλn (x).
(6.12)
Für s ∈ R sei L2,s der Raum aller Funktionen auf Rn , die bezüglich der
Gewichtsfunktion x 7→ (1 + |x|2 )s quadratisch integrierbar sind. L2,s ist ein
Hilbertraum mit dem Skalarprodukt
(u, v)2,s :=
Z
Rn
(1 + |x|2 )s u(x)v(x) dλn (x),
der für s ≥ 0 ein dichter Unterraum von L2 (Rn ) ist.
Zwei Normen k · k1 und k · k2 auf einem linearen Raum L heißen äquivalent,
wenn es positive Konstante C1 , C2 gibt, sodass C1 kuk1 ≤ kuk2 ≤ C2 kuk1 für
alle u ∈ L gilt.
Lemma 6.5.1 Auf S ist für k ∈ N0 die Norm H k äquivalent zur Sobolevnorm k · kk,2 .
Beweis: Aufgrund von Korollar 3.3.4 und Satz 3.3.2 gilt für Funktionen u
Q
aus der Schwarzklasse S mit mα (x) = ni=1 xαi i :
kDα uk22 = kF Dα uk22 = kmα F uk22 ,
also folgt für die Sobolevnorm k · kk,2
kuk2k,2 =
X
kmα F uk22 =
|α|≤k
Z
Rn
X
|mα |2 |F u(x)|2 dλn (x).
(6.13)
|α|≤k
Für 0 ≤ |α| ≤ k gilt
|mα (x)| =
n
Y
i=1
142
αi
|xi |
≤
n
Y
i=1
|x|αi = |x||α| ≤ (1+|x|2 )|α|/2 ≤ (1+|x|2 )k/2 (6.14)
6.5. H S UND FOURIERTRANSFORMATION
und
(1 + |x| ) =(1 + |x1 | + . . . + |xn | ) =
2 k
2 k
2
X
Ck,α
=
Ck,α |mα (x)| ≤ Ck
|α|≤k
|xi |2αi
i=1
|α|≤k
2
X
n
Y
|mα (x)| .
2
X
|α|≤k
Also gilt für geeignete Konstante Bk , Ck > 0 für alle x ∈ Rn :
Bk
X
|mα (x)|2 ≤ (1 + |x|2 )k ≤ Ck
|α|≤k
X
|mα (x)|2 .
(6.15)
|α|≤k
Es folgt dass für k ∈ N0 auf S durch (6.12) wegen (6.13) eine zur Sobolevnorm k · kk,2 äquivalente Norm k · kHk definiert wird.
Wegen Cc∞ (Rn ) ⊂ S und Satz 6.2.7 ist S für k ∈ N0 ein dichter Teilraum von
W k,2 . Aus der Konvergenz einer Folge in W k,2 folgt klarerweise die Konvergenz in L2 . Wegen der Vollständigkeit von W k,2 kann W k,2 als der Teilraum
aller Elemente f ∈ L2 (Rn ) beschrieben werden, für die es eine Folge (un ) in
S gibt, die in L2 gegen f konvergiert und eine Cauchyfolge in W k,2 ist.
Analog dazu ist S ein dichter Teilraum von L2,s und aus der Konvergenz
einer Folge in L2,s folgt für s ≥ 0 die Konvergenz in L2 . L2,s ist also für
s ≥ 0 der Raum aller Elemente g aus L2 (Rn ), für die es eine Folge (vn ) in S
gibt, die in L2 (Rn ) gegen g konvergiert und eine Cauchyfolge in L2,s ist.
Wegen Proposition 3.3.1 und Satz 3.3.2 können wir diese Eigenschaft auch
wie folgt formulieren: L2,s ist der Raum aller Elemente g aus L2 (Rn ), für die
es eine Folge (un ) in S gibt, für die (F un ) in L2 (Rn ) gegen g konvergiert und
für die (F un ) eine Cauchyfolge in L2,s ist. (F un ) ist aber genau dann eine
Cauchyfolge in L2,s , wenn (un ) eine Cauchyfolge in H k ist. Wegen Lemma
6.5.1 ist eine Folge (un ) in S genau dann eine Cauchyfolge bezüglich k · kk,2 ,
wenn sie eine Cauchyfolge bezüglich k · kH k ist. Wir haben also gezeigt:
Lemma 6.5.2 Für k ∈ N0 stimmen die linearen Teilräume W k,2 (Rn ) und
H k des L2 (Rn ) überein.
Darüberhinaus gilt:
Satz 6.5.3 Für f ∈ W k,2 und |α| ≤ k gilt für die schwache Ableitung
Dα f = i|α| F −1 (mα F f ).
(6.16)
Die Normen k · kk,2 und Hk sind äquivalent auf W k,2 .
Beweis: Für f ∈ L2 (Rn ), ϕ ∈ S gilt nach Korollar 3.3.4 und Satz 3.3.2
Z
f Dα ϕ dλn
= (−i)
|α|
Z
f F −1 (m
α F ϕ) dλ
n
= (−i)
|α|
Z
F (f )mα F ϕ dλn .
143
KAPITEL 6. SOBOLEVRÄUME
Gilt zudem F f ∈ L2,k (Rn ), so folgt mα F f ∈ L2 (Rn ) für |α| ≤ k und mit
Satz 3.3.2
Z
f Dα ϕ dλn
= (−1)
|α|
Z
i|α| F −1 (mα F f )ϕ̄ dλn ,
womit für f ∈ L2 mit F f ∈ L2,k und |α| ≤ k die Funktion i|α| F −1 (mα F f )
die schwache Ableitung von f ist. Nach Lemma 6.5.2 ist die Bedingung
F f ∈ L2,k für alle f ∈ W k,2 erfüllt.
Nach Lemma 6.5.2 sind die Teilräume W k,2 und H k gleich. Wegen (6.13),
(6.15) folgt die Äquivalenz der Normen k · kk,2 und k · kH k aus (6.16).
144
Kapitel
7
Fixpunktsätze
Man kann offensichtlich für f˜ : Rn → Rn jede Gleichung f˜(x) = 0 in eine
Fixpunktgleichung f (x) = x umschreiben. Zur konkreten Lösung der Gleichung ist das in den meisten Fällen kein zielführender Ansatz, in gewissen
Fällen kann man aber auf die Existenz einer Lösung schließen, wenn f etwa eine stetige Selbstabbildung eines Raumes X ist, der aufgrund gewisser
metrischer oder topologischer Eigenschaften, d.h. ein Raum ist in dem z.B.
jede stetige oder jede kontrahierende Selbstabbildung einen Fixpunkt hat.
Hinreichende Bedingungen dafür, dass ein Raum ein Fixpunktraum ist sind
wie in den folgenden Fixpunktsätzen relativ leicht zu überprüfen.
7.1 Fixpunktsatz von Banach
Der wahrscheinlich einfachste wiewohl sehr wirkungsvolle Fixpunktsatz ist
Satz 7.1.1 (Fixpunktsatz von Banach) Ist T eine Kontraktion eines vollständigen metrischen Raumes (X, d) (d.h. eine Abbildung die für ein κ < 1
d(T (x), T (y)) ≤ κd(x, y) für und alle x, y ∈ X erfüllt), so hat T genau einen
Fixpunkt in X.
Beweis: Im Gegensatz zu den folgenden Fixpunktsätzen lässt sich für den
Banachschen Fixpunktsatz ein konstruktiver Beweis finden: Wir zeigen, dass
die Folge (T n x0 )n∈N für alle Startwerte x0 gegen ein und denselben Fixpunkt
konvergiert.
Für x0 ∈ X folgt durch Anwendung der Kontraktionseigenschaft mit Induktion d(T n+1 x0 , T n x0 ) ≤ κn d(T x0 , x0 ). Für n > m erhalten wir mit der
12. Dezember 2013
145
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
Dreiecksungleichung
d(T n x0 , T m x0 ) ≤
n−m
X
d(T m+i x0 , T m+i−1 x0 ) ≤ d(T x0 , x0 )
i=1
=d(T x0 , x0 )κm
n−1
X
κi
i=m
1−κ
1−κ
n−m
≤
d(T x0 , x0 ) m
κ .
1−κ
Wegen κ < 1 ist (T n x0 ) also eine Cauchyfolge, die wegen der Vollständigkeit
des Raumes gegen ein xF konvergiert. T ist als Kontraktion auch stetig,
damit gilt
T xF = n→∞
lim T T n x0 = n→∞
lim T n x0 = xF .
xF ist also ein Fixpunkt. Ist auch yF ein Fixpunkt, so folgt wegen
d(xF , yF ) = d(T xF , yF ) ≤ κd(xF , yF )
xF = yF , also die Eindeutigkeit des Fixpunktes.
7.2 Fixpunktsatz von Brouwer
Ein wesentlicher Schritt in diesem Beweis des folgenden Fixpunktsatzes von
Brouwer ist die Überlegung, dass es ausreicht diesen für stetig differenzierbare Selbstabbildungen der abgeschlossenen Einheitskugel B des Rn zu zeigen.
Hier verstehen wir unter einer stetig differenzierbaren Abbildung f auf B
eine auf B stetige Abbildung, die im Inneren B stetig differenzierbar ist und
deren Differential df stetig auf ∂B fortgesetzt werden kann.
Proposition 7.2.1 Hat jede stetig differenzierbare Abbildung von B in sich
einen Fixpunkt, so hat jede stetige Abbildung von B in sich einen Fixpunkt.
Beweis: Sei f eine stetige Selbstabbildung von B. f kann gleichmäßig durch
eine Folge fn stetig differenzierbarer Abbildungen approximiert werden. (Etwa durch polynomiale Abbildungen nach dem Satz von Stone Weierstraß vgl.
Beispiel 1.5.5). Da |f (x)| ≤ 1 ∀x ∈ B gilt muss auch lim |fn (x)| = |f (x)| ≤ 1
gelten. Damit die Abbildung x → (max(1, |fn (x)|)−1 fn (x) konvergiert gleichmäßig gegen f , wir dürfen also o.B.d.A. annehmen, dass fn in B abbildet.
Nach Voraussetzung hat dann jede Abbildung fn mindestens einen Fixpukt
xn in B. Da B kompakt ist hat die Folge (xn )n∈N nach Satz 1.4.9 eine konvergente Teilfolge, wir dürfen also nach Übergang zu dieser Teilfolge annehmen,
dass xn gegen x0 ∈ B konvergiert. Es folgt mit der Dreiecksungleichung
|f (x0 ) − x0 | ≤ |f (x0 ) − f (xn )| + |f (xn ) − fn (xn )| + |fn (xn ) − xn | + |xn − x0 |.
146
7.2. FIXPUNKTSATZ VON BROUWER
Da die rechte Seite für hinreichend große n beliebig klein wird folgt, dass x0
ein Fixpunkt von f ist.
Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes X heißt Retrakt, wenn es
eine stetige Abbildung (Retraktion) r von X auf A mit r|A = Id gibt.
Satz 7.2.2 Es gibt keine stetig differenzierbare Retraktion von B auf ∂B.
Beweis: Für eine stetige Retraktion r und t ∈ [0, 1] sind die Abbildungen
rt (x) := (1 − t)x + tr(x)
stetig differenzierbar von B nach B mit r0 = IdB und r1 = r. Offensichtlich
gilt dr0 = Id und das Differential drt muss wegen der stetigen Differenzierbarkeit in [0, t0 ] für ein t0 > 0 regulär sein, d.h. nach dem Hauptsatz über
implizite Funktionen sind für 0 ≤ t ≤ t0 alle Abbildungen rt im Inneren B
von B lokal invertierbar. Insbesondere sind für kleine t die Abbildungen rt
offen, d.h. rt (B) = rt (B)◦ . rt (B) ist als stetiges Bild einer kompakten Menge
kompakt und damit abgeschlossen, also gilt rt (B̄) ⊇ rt (B). Wegen Satz 1.2.1
gilt auch rt (B̄) ⊆ rt (B), also folgt rt (B̄) = rt (B). Weiters ist r und damit rt
auf ∂B die Identität, womit für 0 ≤ t ≤ t0 folgt
∂(rt (B)) = rt (B) \ (rt (B))◦ = rt (B̄) \ (rt (B)) ⊆ rt (B̄ \ B) = rt (∂B) = ∂B.
(7.1)
Gäbe es ein y ∈ B \ rt (B), so wäre für x ∈ rt (B) und t0 := sup{λ ∈ [0, 1] :
x + λ(y − x) ∈ rt (B)} der Punkt x + t0 (y − x) im Widerspruch zu (7.1) ein
Randpunkt von rt (B) und wir sehen, dass rt für kleine t surjektiv von B auf
B ist.
Wegen der stetigen Differenzierbarkeit von r ist die Operatornorm kdrk auf
B durch eine Konstante M beschränkt. Es gilt
|r(y) − r(x)|
Z
1 d
=
r(x + s(y − x)) ds
0 ds
Z 1
= dr(x + s(y − x)) · (y − x) ds
≤ M |y − x|
0
und es folgt wegen
|rt (x) − rt (y)| = |t(r(x) − r(y)) + (1 − t)(x − y)| ≥ (1 − t − tM )|x − y|
die Injektivität von rt auf B für t < 1/(1 + M ). Da drt für kleine t regulär
ist, haben wir gezeigt, dass für kleine t die Abbildungen rt Diffeomorphismen
von B auf sich sind. Damit folgt aus der Transformationsformel Satz 4.3.1
nd det r0 = 1 für hinreichend kleine t:
Z
B
dλ (x) =
n
Z
B
| det(drt (x))| dλ (x) =
n
Z
B
det(drt (x)) dλn (x)..
(7.2)
147
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
Als Funktion von t ist das linke Integral für alle t ≤ t0 konstant und wegen
drt (x) = (1 − t)Id + tdr(x)
das rechte Integral das Integral eines Polynoms auf [0, 1] in t, also ein Polynom in t. Da dieses Polynom für kleine t konstant ist, muss (7.2) auf dem
ganzen Intervall [0, 1] gelten, insbesondere kann für kein t ∈ [0, 1] das Differential drt auf ganz B singulär sein.
Für t = 1 gilt aber r1 = r und damit 2dr1 (r1 ) = d(kr1 k2 ) = d1 = 0.
Proposition 7.2.3 Es gibt keine fixpunktfreie stetig differenzierbare Abbildung von B in sich.
Beweis: Die Abbildung x 7→ r(x) := x + λ(x − f (x)) mit
λ=
(x, f (x) − x) +
q
(x, f (x) − x)2 + (1 − |x|2 )|x − f (x)|2
|f (x) − x|2
ist für fixpunktfreie stetig
differenzierbare Funktionen f
wohldefiniert und stetig differenzierbar. Aus |x| = 1 folgt
λ = 0, also gilt r|∂B = Id. Da λ
genau die positive Lösung der
quadratischen Gleichung
|x + λ(x − f (x))|2 = 1
ist, wäre r eine stetig differenzierbare Retraktion von B auf ∂B was nach
7.2.2 unmöglich ist.
Satz 7.2.4 (Fixpunktsatz von Brouwer) Jede stetige Abbildung der abgeschlossenen Einheitskugel des Rn in sich hat einen Fixpunkt.
Beweis: Dies ist eine unmittelbare Folgerung von Proposition 7.2.3 und
7.2.1
Dieser Fixpunktsatz gilt im Allgemeinen nicht für beliebige kompakte Teilmengen des Rn , wie etwa das Beispiel einer Drehung des eindimensionalen
Torus T = {(x, y) ∈ R2 : x2 + y 2 = 1} zeigt. Zugleich ist die Eigenschaft
einer Teilmenge des Rn ein Fixpunktraum zu sein (d.h. dass jede stetige Abbildung dieser Menge in sich einen Fixpunkt besitzt) invariant unter
148
7.2. FIXPUNKTSATZ VON BROUWER
Homöomorphismen φ, da für eine stetige fixpunktfreie Abbildung f auf der
einen Menge φ ◦ f ◦ φ−1 eine fixpunktfreie Abbildung auf ihrem Bild unter
dem Homöomorphismus φ ist. Das folgende Lemma gibt nun ein einfaches
hinreichendes Kriterium dafür, dass eine Teilmenge des Rn homöomorph zur
abgeschlossenen Einheitskugel ist:
Lemma 7.2.5 Eine kompakte konvexe Menge Ω ⊆ Rn mit nichtleerem Inneren ist homöomorph zur abgeschlossenen Einheitskugel B des Rn .
Beweis: Wir dürfen o.B.d.A. annehmen, dass 0 im Inneren von Ω liegt, da
Translationen Homöomorphismen sind.
Da 0 innerer Punkt von Ω ist gibt es ein r > 0 mit nBr = {x : |x| <
o
r} ⊆ Ω, wodurch das Minkowskifunktional p(x) := inf λ ∈ R+ : λ1 x ∈ Ω
1
wohldefiniert ist. Damit gilt für λ > |x|
x ∈ Ω und die Menge {λ ∈ R+ :
r λ
1
x ∈ λΩ} ist nichtleer und p(x) ≤ |x|/r. Da Ω beschränkt ist, gibt es ein
λ
R > 0 mit Ω ⊆ BR . Es folgt λ1 x ∈
/ Ω für 0 < λ < |x|/R, also
|x|
|x|
≤ p(x) ≤
R
r
Weiters gilt für x 6= 0
1
x
p(x)
(7.3)
∈ Ω da Ω abgeschlossen ist.
Es ist für x, y ∈ Rn \ {0} p(x), p(y) 6= 0 und es ist
p(x)
p(y)
1
1
1
(x + y) =
x+
y
p(x) + p(y)
p(x) + p(y) p(x)
p(x) + p(y) p(y)
1
1
als Konvexkombination der Elemente p(x)
x und p(y)
y aus Ω wegen der Konvexität von Ω selbst in Ω, also gilt p(x + y) ≤ p(x) + p(y).
Mit z = x + y folgt p(z) − p(y) ≤ p(z − y) ∀y, z ∈ Rn und damit
|p(z) − p(y)| ≤ max(p(z − y), p(y − z)) ∀y, z ∈ Rn .
Mit (7.3) folgt |p(z) − p(y)| ≤ |z − y|/r und wir sehen, dass das Minkowskifunktional stetig ist.
Wir definieren die Abbildung T durch T (x) = p(x)
x für x 6= 0 und T (0) = 0.
|x|
Aus der Definition des Minkowskifunktionals folgt p(λx) = λp(x) für x ∈ X
und λ ≥ 0. Damit sieht man, dass T bijektiv ist und T (Ω) = B1 , da Ω =
{x : p(x) ≤ 1}.
T ist als Zusammensetzung stetiger Funktionen zunächst in x 6= 0 und wegen p(x) ≤ |x|/r auch in 0 stetig. Analog sieht man mit (7.3) die Stetigkeit
|y|
von T −1 , T −1 y = p(y)
y, y 6= 0, T −1 (0) = 0. T ist also der gesuchte Homöomorphismus.
149
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
Satz 7.2.6 (Fixpunktsatz von Brouwer) Jede kompakte konvexe Menge
K des Rn ist ein Fixpunktraum, d.h. jede stetige Abbildung dieser Menge in
sich hat einen Fixpunkt.
Beweis: Sei x0 ∈ K und r die Dimension des von den Elementen x − x0 :
x ∈ K aufgespannten Raumes. Also K ⊂ x0 + Span({xi − x0 : i = 1, . . . , r})
P
1
1
xi . Für |si | ≤ 2r
,
für geeignete xi ∈ K, i = 1, . . . , r. Sei z := 21 x0 + ri=1 2r
1 ≤ i ≤ r ist dann
z+
r
X
r
r
X
1 X
1
−
+ si x i
s i x0 +
2 i=1
i=1 2r
!
si (xi − x0 ) =
i=1
eine Konvexkombination von Punkten in K. Somit liegt die r-dimensionale
Kugel um z mit Radius 1/2r bezüglich der von den Basisvektoren xi − x0
induzierten Maximumsnorm in K.
K ist also eine Teilmenge des affinen Unterraumes x0 + Span({xi − x0 : i =
1, . . . , r}) in dem sie nichtleeres Inneres hat.
Nach Lemma 7.2.5 gibt es einen Homöomorphismus T der kompakten Menge K auf die abgeschlossene Einheitskugel des Rq , q ≤ n. Ist f eine stetige
Abbildung von K in sich, so ist g := T f T −1 eine stetige Abbidlung der abgeschlossenen Einheitskugel des Rq in sich, die nach Satz 7.2.4 einen Fixpunkt
z hat. T −1 z ist dann ein Fixpunkt von f .
Als Anwendung des Fixpunktsatzes von Brouwer zeigen wir:
Satz 7.2.7 Sei f eine stetige Abbildung von der n-dimensionalen abgeschlossenen Einheitskugel B nach Rn , die |f (x) − x| < für alle x ∈ Rn erfüllt.
Dann gilt B(0, 1 − ) ⊆ f (B).
Beweis: Angenommen a ∈ B \ f (B). Wir haben zu zeigen, dass |a| > 1 − gilt. Wir definieren eine Abbildung F von B nach ∂B durch
F (x) :=
1
(a − f (x)).
|a − f (x)|
(7.4)
F ist auf B wegen f (x) 6= a als Zusammensetzung stetiger Funktionen stetig
und hat damit nach Satz 7.2.4 einen Fixpunkt z, für den da F auf ∂B
abbildet |z| = 1 gilt. Aus z = F (z) folgt mit (7.4)
|a − f (z)|z = a − f (z).
Geometrisch bedeutet diese Gleichung, dass z und f (z) durch die zu z orthogonale Hyperebene durch a getrennt werden. Also ist der Abstand von a zu
∂B kleiner als |f (z) − z| < . Analytisch erhalten wir durch Multiplikation
mit z:
a · z − f (z) · z = |a − f (z)| ≥ 0
150
7.3. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
und
|a| ≥ a · z ≥ f (z) · z = (z + f (z) − z) · z ≥ 1 − |f (z) − z| > 1 − .
7.3 Fixpunktsatz von Schauder
Der folgende Satz ist die Verallgemeinerung des Brouwerschen Fixpunktsatzes auf Banachräume:
Satz 7.3.1 (Fixpunktsatz von Schauder) Ist f eine stetige Abbildung
einer kompakten konvexen Teilmenge K eines Banachraumes X in sich, so
hat f einen Fixpunkt.
Beweis: Für > 0 gibt es eine endliche Überdeckung der kompakten Menge
K durch -Kugeln um Punkte xi ∈ K, i = 1, . . . , n. Es sei S(x1 , . . . , xn ) der
von den Punkten x1 , . . . , xn erzeugte Simplex, d.h.
S(x1 , . . . , xn ) =
( n
X
λi xi : 0 ≤ λi ≤ 1,
i=1
n
X
)
λi ≤ 1 .
i=1
Wir definieren Funktionen ψi (x) := max(0, − |x − xi |), i = 1, . . . n. Die
Funktionen φi := Pnψi ψj bilden dann eine dieser Überdeckung untergeordj=1
nete stetige Zerlegung der Eins auf K. Auf K definieren wir weiters die
Funktion r = r;x1 ,...,xn durch
r (x) =
n
X
φi (x)xi .
i=1
r ist offensichtlich stetig mit Bild in S(x1 , . . . , xn ).
Da (φi ) eine Zerlegung der Einheit ist, folgt r (x) − x = ni=1 φi (x)(xi − x).
Für kxi −xk > gilt φi (x) = 0, da diese Zerlegung der Eins der Überdeckung
durch -Kugeln um xi untergeordnet ist und wir erhalten
P
kr (x) − xk ≤
n
X
i=1
φi (x)kx − xi k ≤ n
X
φi (x) = (7.5)
i=1
Also konvergieren für → 0 die Abbildungen r gleichmäßig auf K gegen
IdK und r f gleichmäßig auf K gegen f . r f bildet K in S(x1 , . . . , xn ) ⊆ K
ab. Der Simplex S(x1 , . . . , xn ) ist aber homöomorph zu einem Simplex in Rn
bzw Cn und damit hat f r für jedes > 0 nach Satz 7.2.6 einen Fixpunkt z
in S(x1 , . . . , xn ).
151
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
Für eine Nullfolge k gibt es nach Satz 1.4.9 eine gegen ein z0 ∈ K konvergente Teilfolge (zki )i∈N von Fixpunkten der Abbildungen rk f . Wir nehmen
o.B.d.A. an dass zi gegen z0 konvergiert. Wir können jetzt ähnlich wie im
Beweis von Proposition 7.2.1 argumentieren: Es gilt
kf (z0 )−z0 k ≤ kf (z0 )−f (zi )k+kf (zi )−ri f (zi )k+kri f (zi )−zi k+kzi −z0 k.
Auf der rechten Seite konvergiert der erste Summand wegen der Stetigkeit
von f in z0 für i → ∞ gegen 0. Der zweite Summand kann wegen (7.5) durch
i abgeschätzt werden, der dritte verschwindet wegen der Definition von zi
als Fixpunkt von ri f und der letzte geht für i → ∞ gegen 0, da z0 genau
der Grenzwert der Folge zi ist. Die rechte Seite wird also beliebig klein und
z0 muss ein Fixpunkt von f sein.
Korollar 7.3.2 Eine stetige Abbildung einer abgeschlossenen konvexen Teilmenge eines Banachraumes in sich mit relativ kompaktem Bild hat einen
Fixpunkt.
Beweis: Der Abschluss des Bildes der abgeschlossenen Menge A unter der
stetigen Abbildung f : A → A sei eine kompakte Teilmenge von A.
Die konvexe Hülle C einer totalbeschränkten Menge B ist totalbeschränkt,
denn für > 0 gibt es zunächst eine endliche Überdeckung (B/2 (x1 ))1≤i≤n
von B. Die konvexe Hülle C̃ von {x1 , . . . , xn } ist als abgeschlossene beschränkte Teilmenge eines endlichdimensionalen Teilraumes (der ja homöomorph zu Ck ist) kompakt, also präkompakt. Sei B/2 (y1 ), . . . , B/2 (ym ) eine
Überdeckung von C̃.
Für eine Konvexkombination
X
λj zj =
X
für ein l ≤ m, also
präkompakt.
P
λj xi(j) +
P
λj zj , zj ∈ B folgt für kzj − xi(j) k ≤ /2
X
λj (zj − xi(j) ) ∈ B/2 (yl ) + B/2 (0)
λj zj ∈ B (yl ). Somit ist die konvexe Hülle von B
Die abgeschlossene konvexe Hülle von f (A) ist also eine kompakte konvexe
Menge und f bildet diese Menge in sich ab. Nach Satz 7.3.1 hat f in f (A)
und wegen f (A) ⊆ A in A einen Fixpunkt.
Es stellt sich die Frage, ob in einem Banachraum nicht anstelle der Kompaktheit neben der Konvexität schon die wesentlich schwächere Bedingung an A
beschränkt und abgeschlossen zu sein ausreicht (im Rn sind diese Bedingungen ja nach dem Satz von Heine–Borel äquivalent). Das folgende Beispiel von
Kakutani gibt eine stetige Funktion auf einer nichtkompakten beschränkten
abgeschlossenen konvexen Menge ohne Fixpunkt:
152
7.3. FIXPUNKTSATZ VON SCHAUDER
Wir betrachten die abgeschlossene Einheitskugel B1 im Hilbertraum `2 (N)
und in dieser die stetige Abbildung
q
T : B1 7→ B1 ,
T ((x1 , x2 , . . .)) = ( 1 − kxk2 , x1 , x2 , . . .)
1
mit x = (x1 , x2 , . . .), also kxk = ( i∈N |xi |2 ) 2 . T bildet B1 offensichtlich
auf seinen Rand, also Punkte mit Norm eins ab. Für kxk = 1 folgt aber
T x = (0, x1 , x2 , . . .), dort ist also T der Rechtsshift, der aber (0, 0, . . .) als
einzigen Fixpunkt hat.
P
Als Anwendung beweisen wir
Satz 7.3.3 (Existenzsatz von Peano) Sei f : [x0 −a, x0 +a]×[y0 −b, y0 +
b] → R stetig mit |f | ≤ M . Dann hat die Differentialgleichung
y 0 (x) = f (x, y)
mit der Anfangsbedingung y(x0 ) = y0
in [x0 − α, x0 + α] mindestens eine Lösung für α = min{a, b/M }.
(5.4):
Beweis: Die Menge A aller stetigen Funktionen u auf [x0 − α, x0 + α] mit
Werten in [y0 − b, y0 + b] ist eine abgeschlossene konvexe Teilmenge des Banachraumes X = C[x0 − α, x0 + α] (versehen mit der Maximumsnorm).
Wir betrachten die (nichtlineare) Abbildung
T : X → X,
T u(x) = y0 +
Z x
x0
f (t, u(t)) dt |x| ≤ α :
Sie bildet A in sich ab. Das Bild T (A) ist eine Menge gleichmäßig beschränkter gleichgradig stetiger Funktionen. Nach dem Satz von Ascoli ist demnach
T (A) präkompakt. T (A) ist also eine kompakte Teilmenge von A. Aus Korollar 7.3.2 folgt, dass T einen
Fixpunkt y hat. Durch Ableiten der FixpunktR
gleichung y(x) = y0 + xx0 f (t, y(t)) dt nach x sieht man, dass y Lösung der
Differentialgleichung ist.
Als weitere Anwendung betrachten wir die (i.A. nichtlineare!) Integralgleichung von Urysohn: Im Allgemeinen hat die folgende Gleichung (7.6) keine
Lösung.R Für λ = b − a = 1 und K(t, s, r) = 1 + r erhalten wir die Gleichung
ϕ(t) = aa+1 ϕ(s) ds, in der die rechte Seite von r unabhängig ist. ϕ müsste
also konstant sein mit ϕ = 1 + ϕ. Wir zeigen, dass es für kleine λ immer eine
Lösung gibt:
Satz 7.3.4 Sei K eine stetige Abbildung von [a, b] × [a, b] × R nach [a, b].
Dann gibt es ein λ0 > 0, sodass für λ ≤ λ0 die Integralgleichung
ϕ(t) = λ
Z b
a
K(t, s, ϕ(s)) ds
(7.6)
eine Lösung in C[a, b] hat.
153
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
Beweis: Sei B̄c := {f ∈ C[a, b] : kf k ≤ c} und
Tλ ϕ(t) := λ
Z b
K(t, s, ϕ(s)) ds
a
Die Abbildung Tλ ist für alle λ wegen der Stetigkeit von K stetig von C[a, b]
in sich. Für f ∈ Bc gilt
kTλ f k ≤ λ(b − a) max{|K(t, s, r)| : (t, s, r) ∈ [a, b] × [a, b] × [−c, c]} = λLc .
Für λ ≤ c/Lc ist also Tλ eine Abbildung von B̄c in sich. Da K wegen Satz
1.4.10 auf dem Kompaktum [a, b] × [a, b] × [−c, c] gleichmäßig stetig in t ist
gibt es ein δ() mit
|Tλ ϕ(t) − Tλ ϕ(t̃)| =
Z
b
λ K(t, s, ϕ(s)) − K(t̃, s, ϕ(s)) ds
a
≤ λ
für |t − t̃| < δ(), woraus folgt, dass M := {Tλ ϕ : ϕ ∈ B̄c } eine gleichgradig
stetige Teilmenge von C[a, b] ist. Wegen dem Satz von Arzelà-Ascoli 1.5.1
folgt, dass M relativ kompakt in C[a, b] ist. Mit Korollar 7.3.2 folgt die
Existenz einer Lösung für hinreichend kleine λ.
7.4 Fixpunktsatz von Kakutani
Seien X, Y metrische Räume und f eine mehrdeutige Abbildung f : X → 2Y
mit Graph Gf = {(x, y) : y ∈ f (x)} ⊂ X × Y . f heißt abgeschlossen,
wenn Gf abgeschlossen ist, also wenn aus xn → x, yn → y, yn ∈ f (xn ) folgt
y ∈ f (x).
f heißt oberhalbstetig in x, wenn es für jede offene Menge offene Menge
U ⊃ f (x) eine Umgebung V von x mit f (V ) ⊆ U gibt (wobei f (V ) =
∪x∈V f (x)).
Lemma 7.4.1 Ist X ein metrischer und Y ein kompakter metrischer Raum,
so ist jede abgeschlossene Abbildung X → 2Y oberhalbstetig.
Beweis: Sei x ∈ X und U offen in Y mit f (x) ⊆ U . Angenommen es gäbe
kein V ⊆ X mit f (V ) ⊆ U . Dann gibt es, da X metrisch ist, Folgen (xn ) in
X und (yn ) mit yn ∈ f (xn ) \ U . Y ist metrisch und kompakt, also gibt es
eine Teilfolge (yni )i∈N die gegen ein y ∈ Y konvergiert. Da f abgeschlossen
ist folgt aber y ∈ f (x), was wegen yni ∈ U { und U offen mit y ∈ U ein
Widerspruch ist.
154
7.4. FIXPUNKTSATZ VON KAKUTANI
Satz 7.4.2 (Fixpunktsatz von Kakutani) Sei K eine kompakte konvexe
Teilmenge eines Banachraumes X. f : K → 2K sei eine abgeschlossene
mehrdeutige Abbildung für die f (x) für alle x ∈ K konvex und nichtleer ist.
Dann gibt es x ∈ K mit x ∈ f (x) („x ist Fixpunkt von f “).
Beweis: Für > 0 gibt es eine endliche Überdeckung von K durch offene Kugeln: K ⊆ ∪N
i=1 B (x,i ). Mit ϕ,i (x) := max( − kx − x,i k, 0) ist Φ,i (x) :=
PN
ϕ,i (x)/ i=1 ϕ,i (x) eine dieser Überdeckung untergeordnete Zerlegung der
Einheit.
Für i = 1, . . . , N sei y,i ∈ f (x,i ). Die Funktion
f (x) :=
N
X
Φ,i (x)y,i
(7.7)
i=1
ist eine eindeutige stetige Funktion, die K wegen der Konvexität von K in
sich abbildet. Aufgrund des Fixpunktsatzes von Schauder 7.3.1 hat f einen
Fixpunkt z . Da K kompakt ist können wir zu einer Nullfolge (n )n∈N eine
Teilfolge (nl )l∈N finden, für die die Folge der Fixpunkte (znl ) gegen ein
z ∈ K konvergiert.
Wir behaupten z ist ein Fixpunkt von f . Für δ > 0 sei
Uδ := f (z) + Bδ (0) = {y ∈ K : ∃w ∈ f (z), ky − wk < δ}.
Uδ ist offen und konvex. Nach Lemma 7.4.1 gibt es ein κ > 0 mit f (Bκ (z)) ⊆
Uδ . Wir wählen ein < κ/2 mit z ∈ Bκ/2 (z). Für Φ,i (z ) > 0 gilt kx,i −z k <
< κ/2 und
kx,i − zk ≤ kx,i − z k + kz − zk < κ/2 + κ/2 = κ.
Also gilt x,i ∈ Bκ (z) für alle i mit Φ,i > 0. Für diese i gilt y,i ∈ f (x,i ) ⊆
f (B (z)) ⊆ Uδ . Da z Fixpunkt von f ist, gilt nach (7.7)
z =
N
X
Φ,i (z )y,i .
i=1
z ist also eine Konvexkombination von Elementen y,i aus Uδ und damit in
Uδ . Es folgt z ∈ Uδ ⊆ U2δ . Da f abgeschlossen ist, ist f (z) abgeschlossen,
also f (z) = ∩δ Uδ . Damit gilt z ∈ f (z).
Wir verwenden diesen Fixpunktsatz um einen Satz der Spieltheorie zu beweisen: Es sei ein Spiel definiert bei dem der Gewinn des einen Spielers der Verlust des anderen ist. Der erste Spieler kann einen Parameter x ∈ X0 wählen,
der zweite y ∈ Y0 . Die Gewinnfunktion K(x, y) gibt den Gewinn des ersten
Spielers in Abhängigkeit der gewählten Parameter an. Bei vom ersten Spieler
155
KAPITEL 7. FIXPUNKTSÄTZE
gewähltem Parameter x wird der zweite Spieler den Parameter y so wählen,
dass der Gewinn des ersten Spielers (=Verlust des zweiten) minimiert wird.
Deshalb wird der erste Spieler x so wählen, dass bei dieser Wahl von y sein
Gewinn maximiert wird. Wählt also der erste Spieler zuerst seinen Parameter wird bei optimaler Strategie der Spieler maxx miny K(x, y) die Gewinnfunktion sein. Wählt hingegen der zweite Spieler zuerst seinen Parameter, danach der erste, so ergibt sich als Gewinnfunktion miny maxx K(x, y).
Wir sagen das Spiel hat eine Lösung (x0 , y0 ), wenn maxx miny K(x, y) =
miny maxx K(x, y) gilt, wenn also der Ausgang des Spiels unabhängig davon
ist welcher Spieler beginnt. Äquivalent dazu kann man von einer Lösung
(x0 , y0 ) des Spiels sprechen wenn bei diesen Parametern keiner der Spieler
die Gewinnfunktion zu seinen Gunsten verändern kann wenn er annimmt
dass der andere Spieler seine Wahl des Parameters beibehält.
Es gilt für alle x0 ∈ X inf y supx K(x, y) ≥ inf y K(x0 , y), also
inf
sup K(x, y) ≥ sup inf
K(x, y),
y
y
x
(7.8)
x
weshalb es im Allgemeinen von Bedeutung ist welcher Spieler beginnt.
Satz 7.4.3 Seien X0 , Y0 kompakte konvexe Teilmengen der Banachräume
X respektive Y . Eine Funktion K : X0 × Y0 → R sei stetig auf X0 × Y0
sowie konkav im ersten Argument und konvex im zweiten Argument, d.h. für
0 ≤ λ ≤ 1 gilt
K(λx1 + (1 − λx2 ), y) ≥λK(x1 , y) + (1 − λ)K(x2 , y) ∀x1 , x2 ∈ X0 , y ∈ Y0
K(x, λy1 + (1 − λy2 )) ≤λK(x, y1 ) + (1 − λ)K(x, y2 ) ∀x ∈ X0 , y1 , y2 ∈ Y0 .
Dann gilt
min max K(x, y) = max min K(x, y).
y
x
x
y
Das heißt das Spiel (X0 , Y0 , K) hat eine Lösung.
Beweis: Für x ∈ X0 sei Bx := {y ∈ Y0 : K(x, y) = minz K(x, z)}. Da
K(x, ·) stetig auf der kompakten Menge Y0 ist folgt mit Satz 1.4.3, dass Bx
nichtleer und kompakt ist. Für y1 , y2 ∈ Bx und λ ∈ [0, 1] gilt λy1 + (1 −
λy2 )) ∈ Y0 mit
K(x, λy1 + (1 − λy2 )) ≤ λK(x, y1 ) + (1 − λ)K(x, y2 ) = min K(x, z).
z
Also ist für alle x ∈ X0 die Menge Bx nichtleer konvex und kompakt. Analog
ist für alle y ∈ Y0 die Menge Ay := {x ∈ X0 : K(x, y) = maxw K(w, y)}
nichtleer konvex und kompakt.
Für (x, y) ∈ X0 ×Y0 ist Ay ×Bx nichtleer konvex und kompakt, also auch abgeschlossen in X0 ×Y0 . Die mehrdeutige Abbildung f auf X0 ×Y0 : f (x, y) :=
156
7.4. FIXPUNKTSATZ VON KAKUTANI
Ay × Bx ist eine abgeschlossene Abbildung, denn für (xn , yn ) → (x, y) und
(un , vn ) → (u, v) mit (un , vn ) ∈ f (xn , yn ) folgt un ∈ Ayn , vn ∈ Bxn und damit
K(un , yn ) = max K(w, yn )
w∈X0
K(xn , vn ) = min K(xn , z)
z∈Y0
und
K(u, y) = lim
K(un , yn ) = lim
max = max K(w, y).
n
n
w∈X0
w∈X0
Es folgt u ∈ Ay und völlig analog v ∈ Bx . Damit sind die Voraussetzungen
des Fixpunktsatzes von Kakutani erfüllt und wir sehen, dass es (x0 , y0 ) mit
(x0 .y0 ) ∈ f (x0 .y0 ) gibt, woraus
K(x0 , y0 ) = max K(x, y0 ) = min K(x0 , y)
x∈X0
und
y∈Y0
min max K(x, y) ≤ K(x0 , y) ≤ max min K(x, y).
y∈Y0 x∈X0
x∈X0 y∈Y0
Wegen (7.8) folgt hieraus
min max K(x, y) = max min K(x, y).
y∈Y0 x∈X0
x∈X0 y∈Y0
157
Kapitel
8
Anhang
8.1 Lemma von Zorn
Eine Menge M heißt nichtleer, wenn sie mindestens ein Element besitzt,
d.h. ∃x ∈ M oder äquivalent es gibt eine Funktion, die die Menge M auf
eines ihrer Elemente abbildet. Hat man eine Familie von nichtleeren MenQ
gen (Mi )i∈I , so können wir den Produktraum i∈I Mi betrachten, das ist die
Menge der Funktionen f : I → ∪i∈I Mi , die f (Mi ) ∈ Mi für alle i ∈ I erfüllen. Mit den Zermelo-Fraenkel Axiomen der Mengenlehre kann nicht gezeigt
Q
werden, dass i∈I Mi für nichtleere Megnen Mi nichtleer ist. Es kann aber
gezeigt werden, dass die Existenz einer solchen Auswahlfunktion unabhängig
von den anderen ZF-Axiomen ist, d.h. sie können aus diesen nicht hergeleitet werden, können aber als weiteres Axiom hinzugenommen werden und
liefern ein erweitertes widerspruchsfreies Axiomensystem (ZFC für ZermeloFraenkel Choice genannt). Wir verwenden dieses und zeigen die Äquivalenz
zu einer Aussage, die als Lemma von Zorn bekannt ist.
Eine Kette bezeichnet eine unter totalgeordnete Teilmenge von (A, ),
also eine Teilmenge K für die x y oder y x für alle x, y ∈ K gilt.
Lemma 8.1.1 (Zorn) : Hat eine teilgeordnete Menge A die Eigenschaft,
dass jede Kette beschränkt ist, so hat sie ein maximales Element.
Eine Teilmenge B einer teilgeordneten Menge A heißt beschränkt, wenn es
ein u ∈ A gibt, das b ≺ u für alle b ∈ B erfüllt. Ein Element m ∈ A heißt
maximal, wenn aus m ≺ a für ein a ∈ A m = a folgt. Maximale Elemente
müssen keine größten Elemente sein, d.h. es kann a ∈ A geben mit m a
und a m.
Die Bedeutung des Lemmas von Zorn liegt darin, dass man die Existenz
gewisser Elemente, die das Auswahlaxiom erfordern nicht durch einen kon-
12. Dezember 2013
159
KAPITEL 8. ANHANG
struktiven Beweis zeigen kann, aber die Existenz von oberen Schranken von
Ketten oft sehr einfach zu zeigen ist. Typischerweise ist die teilgeordnete
Menge S eine Teilmenge der Potenzmenge einer Menge M versehen mit der
Mengeninklusion als Teilordnung. In vielen Fällen ist leicht zu zeigen, dass
für eine Kette (Ai )i∈I aus S die Vereinigung ∪i∈I Ai in S liegt, womit man
eine (sogar die kleinste) obere Schranke von (Ai )i∈I in S gefunden hat. Mit
dem Lemma von Zorn folgt dann die Existenz eines maximalen Elementes.
Ein typisches Beispiel hierfür ist Satz 1.1.3 über die Existenz von Ultrafiltern.
Der Beweis beruht auf dem folgenden Lemma:
Lemma 8.1.2 Sei (A, ) eine nichtleere teilgeordnete Menge, in der jede
Kette eine kleinste obere Schranke hat. F sei eine Abbildung von A in sich,
die x F (x) ∀x ∈ A erfüllt. Dann gibt es m ∈ A mit F (m) = m,
Beweis: Sei a0 ein beliebiges Element von B fest gewählt. Wir nennen eine
Teilmenge B von A zulässig, wenn sie folgende Bedingungen erfüllt:
i) a0 ∈ B, a0 b ∀b ∈ B
ii) Für x ∈ B gilt F (x) ∈ B
iii) Für eine Kette T in B gilt sup T ∈ B
{b ∈ A : a0 b} ist offensichtlich zulässig, also ist die Menge der zulässigen
Mengen nichtleer.
Der Durchschnitt B0 aller zulässigen Mengen ist, wie man unmittelbar sieht
zulässig.
Ein Element e ∈ B0 heißt extremal, wenn für x ∈ B0 aus x ≺ e folgt
F (x) e. a0 ist extremal. Wir zeigen, dass für extremales e, die Menge
Be := {x ∈ B0 : x e oder F (e) x}
zulässig ist:
i) a0 e also a0 ∈ Be .
ii) Für x ∈ Be und x ≺ e gilt wegen der Extremalität von e F (x) e. Für
x = e folgt f (x) = F (e) und für F (e) x folgt F (e) x F (x), also in
allen Fällen F (x) ∈ Be .
iii) Ist T eine Kette in Be und ist x ≺ e für alle x ∈ T , so folgt e ist obere
Schranke von T und damit sup T e, also sup T ∈ Be . Gilt F (e) x für
ein x ∈ T so folgt x sup T und damit ebenfalls sup T ∈ Be .
Da B0 die kleinste zulässige Menge ist und Be ⊆ B0 gilt folgt Be = B0
für alle extremalen e ∈ B0 . Insbesondere folgt aus der Definition von B : e,
dass ein extremales Element e ∈ B0 mit allen Elementen von B0 in Relation
steht.
160
8.1. LEMMA VON ZORN
Wir zeigen jetzt, dass die Menge E der extremalen Elemente vom B0 zulässig
ist:
i) a0 ist extremal.
ii) Ist e extremal und x ≺ e, so folgt wegen e extremal F (x) e, also aus
x e folgt F (x) F (e). Wegen B0 = Be gilt aber für alle x ∈ B0 mit
x ≺ F (e) immer e e, also gilt F (x) F (e) für alle x mit x ≺ F (e).
iii) Ist T eine Kette in E und y ≺ sup T . Dann gilt y t oder t y für alle
t ∈ T , woraus für ein x ∈ T y ≺ x folgt, anderenfalls wäre y eine kleinere
obere Schranke als sup T vonT . Wegen T ⊆ E ist x extremal und damit gilt
F (y) x sup T . Damit ist sup T extremal.
Wir haben gezeigt, dass alle Elemente e von B0 extremal sind, wegen Be =
B0 folgt aus der Definition von Be , dass B0 eine Kette ist. Es folgt sup B0 ∈
B0 und wegen x F (x) ∈ B0 gilt F (sup B0 ) = sup B0 .
Satz 8.1.3 Das Auswahlaxiom ist äquivalent zum Lemma von Zorn.
Beweis: Es gelte das Lemma von Zorn und (Mi )i∈I sei eine Familie nichtleerer Mengen. Auf der Menge A aller Auswahlfunktionen auf Teilmengen J von
Q
I definieren wir eine Halbordnung wie folgt: Für xJ ∈ i∈J Mi und yJ 0 ∈
Q
0
0
i∈J 0 Mi , J, J ⊆ I gilt x y genau wenn J ⊆ J und pri (x) = pri (y) ∀i ∈ J.
pri bezeichnet die Projektion von x auf seine i-te Koordinate, beziehungsweise pri (x) = x(i). A ist nichtleer und jede Kette S = {xJ : J ∈ T ⊆ P(I)}
von A hat eine obere Schranke xJ0 , nämlich die durch pri (xJ0 ) := pri (xJ )
für ein J mit i ∈ J und J0 := ∪{J : J ∈ T }. Diese Definition ist, da S
eine Kette ist, unabhängig von der Wahl von J ∈ T mit i ∈ J , also ist xJ0
wohldefiniert.
Anwendung des Zorn’schen Lemmas gibt die Existenz einer unter maximalen Auswahlfunktion xJm auf einer Menge Jm ⊆ I. Für ein i0 ∈ I \ Jm
können wir (ohne Verwendung des Auswahlaxioms) ein x{i0 } ∈ Mi0 finden.
Die durch

x (i) i ∈ I
Jm
0
pri (xJm ∪{i0 } ) :=
x
i = i0
{i0 }
definierte Auswahlfunktion auf Jm ∪ {i0 } erfüllt xJm ≺ xJm ∪{i0 } im Widerspruch zur Maximalität von xJm . Also muss Jm = I gelten und die
Auswahlfunktion xJm ist eine Auswahlfunktion auf I.
Gilt das Auswahlaxiom und hat (M, ) kein maximales Element, so sind
alle Mengen Mx := {y ∈ M : x ≺ y} nichtleer, wir haben aufgrund des
Auswahlaxioms eine Funktion f auf M , die x ≺ f (x) erfüllt. Mit dem Auswahlaxiom wählen wir für alle Ketten T in (M, ) eine obere Schranke s(T )
und definieren F (T ) := T ∪ f (s(T )). Die Menge K aller Ketten in M ist
161
KAPITEL 8. ANHANG
durch Mengeninklusion teilgeordnet: T1 ≤ T2 für T1 ⊆ T2 . Mit dieser Ordnungsrelation gilt dann für alle Ketten
T < F (T ).
(8.1)
Jede Kette in K hat die Vereinigung aller Mengen in den Elementen dieser
Kette als kleinste obere Schranke, d.h. für eine Kette (Ti )i∈J von Ketten gilt
{A : ∃i ∈ J , A ∈ Ti } = sup(Ti )i∈J .
(K, ≤) mit der Funktion F erfüllt also die Voraussetzungen von Lemma
8.1.2. Damit müsste es eine Kette T mit F (T ) = T geben, was aber im
Widerspruch zu (8.1) steht. Die Annahme, dass alle Mengen Mx nichtleer
sind führt also auf einen Widerspruch, d.h es gibt ein maximales x ∈ M . Als typische Anwendung des Lemmas von Zorn zeigen wir dass jeder R oder
C-lineare Raum eine algebraische Basis besitzt, d.h. es gibt Elemente {vi :
P
i ∈ I} von V , sodass jedes x ∈ V eine eindeutige Darstellung x = j∈F aj vj
mit aj ∈ R (bzw. C) und einer endlichen Teilmenge F von I besitzt.
Auf der Menge B aller linear unabhängigen Teilmengen von V ist durch
Mengeninklusion eine Teilordnung definiert. Ist Bi , i ∈ I eine totalgeordnete Teilmenge von (B, ⊆), so ist die Menge ∪i∈I Bi ebenfalls in B, denn
für b1 , . . . , bn ∈ ∪i∈I Bi gibt es aufgrund der Totalordnung ein i0 mit bi ∈
Bi0 ∀i = 1, . . . , n, womit diese Elemente linear unabhängig sind. ∪i∈I Bi ist
klarerweise eine obere Schranke der Kette (Bi )i∈I , also ist die Voraussetzung
des Lemmas von Zorn erfüllt und wir können auf die Existenz eines maximalen Elements Bm in (B, ⊆) schließen. Gäbe es ein x ∈ V , das sich nicht als
endliche Linearkombination von Elementen aus Bm darstellen lässt, so wäre
auch Bm ∪ {x} linear unabhängig im Widerspruch zur Maximalität von Bm .
8.2 Hauptsatz über implizite Funktionen
Satz 8.2.1 Sei F ∈ C 1 (D) für eine offene Teilmenge D von Rq+1 = Rq ×R.
(x0 , u0 ) 6= 0. Dann gibt es eine
Für (x0 , u0 ) ∈ D gelte F (x0 , u0 ) = 0, ∂F
∂u
Umgebung V von x0 sowie ein α > 0, sodass es für x ∈ V genau ein u ∈
(u0 − α, u0 + α) mit F (x, u) = 0 gibt.
Fasst man dieses u als eine Funktion g : V → (u0 − α, u0 + α) auf, so ist g
in V stetig differenzierbar mit
∂F
(x)
∂g
i
(x) = − ∂x
∂F
∂xi
(x)
∂u
162
8.2. HAUPTSATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN
Beweis: Wir dürfen annehmen ∂F
(x0 , u0 ) > 0 (anderenfalls betrachten wir
∂u
−F statt F ). Wegen der Stetigkeit der partiellen Ableitung ∂/∂u gibt es eine
Umgebung Ṽ von x0 , eine Umgebung (u0 − α, u0 + α) von u0 und ein ρ > 0
sodass
∂F
(x, u) > ρ
(8.2)
∂u
für (x, u) ∈ Ṽ × (u0 − α, u0 + α) gilt. Es folgt mit dem Mittelwertsatz
F (x, u0 ± α) − F (x, u0 ) = ±α
∂F
(x, u0 ± ζα), 0 < ζ < 1.
∂u
Aus dem Zwischenwertsatz folgt mit (8.2), dass die Funktion F (x, ·) im Intervall (u0 −α, u0 +α) alle Werte des Intervalls (F (x, u0 )−αρ, F (x, u0 )+αρ)
annimmt. Für eine geeignete offene Umgebung V ⊆ Ṽ von x0 gilt wegen der
Stetigkeit von F : |F (x, u0 )| < αρ, dort gilt also
0 ∈ (F (x, u0 ) − αρ, F (x, u0 ) + αρ) ⊂ (F (x, u0 − α), F (x, u0 + α))
Es gibt also eine Funktion g : V → (u0 −α, u0 +α), die F (x, g(x)) = 0 erfüllt.
Wegen (8.2) ist F (x, ·) streng monoton steigend, daher ist diese Funktion
eindeutig.
Da F stetige partielle Ableitungen nach xi , 1 ≤ i ≤ q hat, sind diese in
V × (u0 − α, u0 + α) beschränkt und es folgt dort mit dem Mittelwertsatz
|F (x, u) − F (y, u)| < Ckx − yk für eine Konstante C. Wegen (8.2) folgt mit
dem Mittelwertsatz |F (x, u1 )−F (x, u2 )| > ρ|u1 −u2 |, und wegen F (z, g(z)) =
0
1
|g(x) − g(y)| < |F (x, g(x)) − F (x, g(y))|
ρ
1
C
= |F (y, g(y)) − F (x, g(y))| ≤ kx − yk.
ρ
ρ
Somit ist g in V stetig.
Es gilt für x ∈ V und hinreichend kleine h ∈ R nach dem Mittelwertsatz
0 =F (x + hei , g(x + hei )) − F (x, g(x + hei ))
+ F (x, g(x + hei )) − F (x, g(x))
=hFxi (x + ζhei , g(x + hei ))
+ (g(x + hei ) − g(x))Fu (x, g(x) + η(g(x + hei ) − g(x)))
ζ, η ∈ (0, 1) womit
g(x + hei ) − g(x)
Fxi (x + ζhei , g(x + hei ))
=−
h
Fu (x, g(x) + η(g(x + hei ) − g(x)))
163
KAPITEL 8. ANHANG
folgt. Für h → 0 erhalten wir mit (8.2) die stetige partielle Differenzierbarkeit
∂g
Fx (x, g(x))
(x) = − i
.
∂xi
Fu (x, g(x))
Wir verallgemeinern die Aussage dieses Satzes auf die Lösbarkeit eines Gleichungssystems
Fi (x, u) = 0,
x ∈ Rq , u ∈ Rr ,
1≤i≤r
nach den Variablen ui , d.h. wir fragen ob es lokal um einen Punkt (x0 , u0 ),
der Fi (x0 , u0 ) = 0 erfüllt eindeutige Funktionen gi : Rq → R gibt für die
Fi (x, g1 (x), . . . , gr (x)) = 0 gilt.
Wir schreiben für die Ableitungsmatrizen der Funktionen F = (F1 , . . . , Fr ),
G = (g1 , . . . , gr )
 ∂F1
∂x1
∂F 
..
=
.

∂x
∂Fr
, ··· ,
∂F1 
∂xq
, ··· ,
∂Fr
∂xq

∂g1
∂xq 
∂x1
∂g1
,
 ∂x1

∂G  .
=  ..

∂x
∂gr
∂x1
 ∂F1
.. 
r×q
,
. 
∈R
··· ,
∂u1
∂F 
..
=
.

∂u
∂Fr
∂u1
, ··· ,
∂F1 
∂ur
, ··· ,
∂Fr
∂ur
.. 
r×r
,
. 
∈R
.. 
∈ Rr×q
. 

∂gr
∂xq
, ··· ,
Satz 8.2.2 (Hauptsatz über implizite Funktionen) Es seien in einer
offenen Teilmenge D von Rq × Rr C 1 -Funktionen Fi : Rq+r → R gegeben,
die für einen Punkt (x0 , u0 ) ∈ D
!
F(x , u ) = 0,
0
0
∂F 0 0
det
(x , u ) 6= 0
∂u
erfüllen. Dann gibt es Umgebungen V von x0 und W von u0 , sodass es für
x ∈ V genau ein u ∈ W mit Fi (x, u) = 0 gibt. Die so definierten Lösungsfunktionen gj (x) erfüllen also Fi (x, G(x)) = 0, sind stetig differenzierbar
und haben Ableitungsmatrix
!−1
∂G
∂F
(x, u) = −
(x, u)
∂x
∂u
∂F
(x, u)
∂x
(x, u) ∈ V × W.
(8.3)
Beweis: Wir führen den Beweis durch Induktion nach r. Für r = 1 ist die
Aussage Satz 8.2.1. Wir nehmen an, dass der Satz für r − 1 gilt und zeigen
dass er für r gilt:
164
8.2. HAUPTSATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN
Wir dürfen o.B.d.A. (gegebenenfalls nach Permutation der Varialblen ui )
annehmen, dass
 ∂F2

2
, · · · , ∂F
∂u2
∂ur

..
.. 
r−1×r−1

,
.
. 

∈R
∂Fr
,···
∂u2
r
, ∂F
∂ur
regulär ist. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es dann in einer Umgebung
von (x0 , u10 ) C 1 -Funktionen φ2 , . . . , φr , die
Fi (x, u1 , φ2 (x, u1 ), . . . , φr (x, u1 )) = 0,
2≤i≤r
(8.4)
erfüllen. Wir betrachten die Funktion
H(x, u1 ) := F1 (x, u1 , φ2 (x, u1 ), . . . , φr (x, u1 )).
Um Satz 8.2.1 auf H anwenden zu können müssen wir zeigen, dass in (x0 , u01 )
∂H
gilt ∂u
6= 0.
1
Wegen
folgt aus
r
∂H
∂F1 X
∂F1 ∂φl
=
+
∂u1
∂u1 l=2 ∂ul ∂u1
∂H
(x0 , u1 )
∂u1
= 0 für den Punkt (x0 , u0 )
r
X
∂F1
∂F1 ∂φl
=−
∂u1
l=2 ∂ul ∂u1
Für 2 ≤ i ≤ r gilt nach der Kettenregel wegen (8.4)
r
X
∂Fi ∂φl
∂Fi
=−
,
∂u1
l=2 ∂ul ∂u1
2≤i≤r
eine Linearkombination der andealso wäre der erste Spaltenvektor von ∂F
∂u
ren Spaltenvektoren, was der Regularität der Ableitungsmatrix in (x0 , u0 )
∂H
widerspricht. Also gilt ∂u
(x0 , u01 ) 6= 0 und mit Satz 8.2.1 erhalten wir somit
1
eine differenzierbare Funktion g1 (x) für die, wenn wir gi (x) := φi (x, g1 (x)),
2 ≤ i ≤ r definieren gilt
Fi (x, g1 (x), g2 (x), . . . , gr (x)) = 0,
1 ≤ i ≤ r.
Aus der stetigen Differenzierbarkeit von g1 und der von φi folgt dass diese
Funktionen stetig differenzierbar sind.
Durch Differentiation der Gleichungen Fi (x, G(x)) = 0 erhalten wir
∂F ∂F ∂G
+
=0
∂x
∂u ∂x
∂G
∂F
bzw.
=−
∂x
∂u
!−1
∂F
.
∂x
165
KAPITEL 8. ANHANG
Es bleibt zu zeigen dass für F ∈ C k auch G ∈ C k gilt: Für F ∈ C k sind ∂F
∂x
und ∂F
in C k−1 . Fa die Inversenbildung eine C ∞ -Funktion auf dem Raum
∂u
der regulären r × r Matrizen ist, wie man etwa durch die Darstellung der
Inversen mithilfe der algebraischen Komplemente sieht, folgt aus (8.3), dass
∂G
aus C k−1 und G somit aus C k ist.
∂x
Ein wichtiger Spezialfall des vorangegangenen Satzes ist der Fall q = 0, also
die Frage nach der Lösbarkeit von r Gleichungen in r Unbekannten. Eine
bijektive Abbildung f von einer offenen Menge D auf eine offene Menge D̃
heißt ein C k -Diffeomorphismus, wenn f und f −1 C k -Funktionen sind.
Satz 8.2.3 (Umkehrsatz) Ist F auf der offenen Menge D ⊆ Rr eine C k Abbildung mit dF(x0 ) regulär, dann gibt es offene Umgebungen V von x0
und W von F(x0 ) sodass F eingeschränkt auf V ein C k -Diffeomorphismus
von V auf W ist. Ist F auf ganz D regulär, dann ist F eine offene Abbildung,
d.h. das Bild offener Teilengen von D ist offen.
Beweis: Dies folgt unmittelbar aus Satz 8.2.2, wenn wir die Funktion F̃ :
Rr ×Rr → Rr , F̃(z, w) = F(w)−z betrachten: Dann gibt es eine Funktion G
von einer Umgebung von z0 in eine Umgebung von w0 , die F̃(z, G(z)) = 0,
also F(G(z)) − z = 0 erfüllt. G ist also lokal die Umkehrfunktion zu F.
Insbesondere liegt mit F(z) eine Umgebung dieses Punktes in der Bildmenge
von F, F ist also eine offene Abbildung.
166
8.2. HAUPTSATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN
167
8.2. HAUPTSATZ ÜBER IMPLIZITE FUNKTIONEN
Symbolverzeichnis
offene Einheitskugel
{y : |x − y| < r}
Raum der stetigen beschränkten Funktionen
unendlich oft differenzierbare Funktionen mit
kompaktem Träger in Ω
∞
C (Ω)
unendlich oft differenzierbare Funktionen auf Ω
Dα
(schwache) Ableitung
Di
partielle Ableitung ∂/∂xi
Dn
Dirichletkern
diam(C)
sup{d(x, y) : x, y ∈ C} Durchmesser der Menge C
dist(A, B) inf{d(a, b) : a ∈ A, b ∈ B} Abstand der Mengen A, B
dist(x, A) dist({x}, A)
∂
Rand
s
H
s-dimensionales Hausdorffmaß
`∞ (M )
Banachraum der beschränkten reell-oder komplexwertigen
Funktionen auf M
τz
Translationsoperator τz f (x = f (x − z)
Q
mα
Monom x 7→ ni=1 xαi i
L(X, Y )
Banachaum d. beschr. lin. Abb. von X nach Y mit
Operatornorm.
p
L
σ-Algebra der Lebesguemessbaren Mengen des Rn
p
L (Ω)
Banachraum der Äquivalenzklassen (modulo Nullmengen)
der zur p–ten Potenz integrierbaren Funktionen auf
R
Ω mit Norm kf k = ( Ω |f |p dλn )1/p
Lp (Rn )
lineare Raum der zur p-ten Potenz integrierbaren
Lebesgue-messbaren Funktionen auf Rn
L1loc (Ω)
Raum der auf kompakten Teilmengen v.
Ω integrierbaren Funktionen
µnH
n-dimensionales Flächenmaß = ωn Hn
σn
Fejérkern
B
B(x, r)
Cb
Cc∞ (Ω)
12. Dezember 2013
169
KAPITEL 8. ANHANG
Element des Rn , xq= (x1 , . . . , xn )
Pn
2
Euklidische Norm
i=1 xi
Faltung der Funktionen f und g
Mollifier
Volumen der n-dimensionalen
Einheitskugel
 R
( |f |p dµ) p1 , 1 ≤ p < ∞
k · kp
Lp –Norm, kf kp = 
ess sup(f )
p=∞
k · km,p
Sobolevnorm
supp(f ) Träger von f ({x : f (x) 6= 0})
W m,p
Sobolevraum (6.5)
W0m,p (Ω) Abschluss von Cc∞ (Ω) bezüglich k · km,p
f ∧ (f ∨ )
Fourier(ko)transformierte von f
x
|x|
f ∗g
ηδ
ωn
170
Index
Index
Abbildung
kompakte, 139
abgeschlossen, 1
abgeschlossene mehrdeutige Abbildung, 154
Ableitung
distributionelle, 125
schwache, 121
Abschluss, 2
Alexandroff–Kompaktifizierung, 24
Algebra von Funktionen, 18
Approximative Einheit, 46
Atlas, 103
Banachraum, 34
Basis
algebraische, 54
topologische, 54
Berührungspunkt, 11
Bessel’sche Ungleichung, 53
Betafunktion, 27
Césaromittel, 66
Cantormenge, 83
Cauchy-Schwarz Ungleichung, 51
dicht, 2
Diffeomorphismus, 97
differenzierbare Struktur, 103
Dini-Test, 63
Dirichletkern, 62
Dirichletproblem, 115
Distribution, 125
Divergenz, 113
Dualraum, 37
Durchmesser, 29, 78
Einbettung, 131
Einbettungssatz, 131
Einfache Funktion, 47
Einpunktkompaktifizierung, 24
endliche Durchschnittseigenschaft,
3
essentielles Supremum, 40
Faltung
auf Rn , 43
auf T, 50
Faltungskern, 45
Fejérkern, 66
Filter, 3
feiner, 4
gröber, 4
konverent, 4
Filterbasis, 4
Fixpunktraum, 148
Flächenformel, 90, 92
Flächenmaß, 89
folgenstetig, 7
Fourier-Plancherel Operator, 74
Fourierkotransformation, 69
Fouriertransformation, 69
Fraktal, 83
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171
Index
Friedrichs–Ungleichung, 138
Fundamentallemma der Variationsrechnung, 122
Funktion
im Wesentlichen beschränkte,
48
Funktional, 37
Gammafunktion, 27
gerichtete Menge, 7
gleichgradig stetig, 16
gleichmäßig stetig, 15
Häufungspunkt, 15
Hauptsatz über implizite Funktionen, 164
Hausdorffdimension, 79
Hausdorffmaß, 79
Hausdorffraum, 4
Hilbertraum, 51
Hölder–Norm, 133
Hölder-stetig, 133
Hölder–Ungleichung verallgemeinerte, 134
Homöomorphismus, 13
Immersion, 89
Innere, 2
Integralsatz von
Green, 115
Gauß, 113
Stokes, 116
Isodiametrische Ungleichung, 29
isoperimetrische Ungleichung, 114
Karte, 103
Katenoide, 96
Koflächenformel, 100
kompakt, 11
Kompaktifizierung, 24
konvergente Folge, 7
Koordinatenfunktionen, 103
kritischer
Punkt, 91
172
Wert, 91
Kugelkoordinaten, 99
Laplaceoperator, 115
Lemma von
Morray, 132
Rieman-Lebesgue, 60, 69
Sard, 91
Urysohn, 21
Lemniskate, 104
Liegruppe, 104
lokal integrierbare Funktionen, 121
Lokalisierungssatz, 64
Maß
komplexes, 41
Mannigfaltigkeit, 103
differenzierbare, 103
implizit definierte, 103
metrisierbar, 4
Minimalfläche, 96
Mollifier, 46
symmetrischer, 46
Netz, 7
Norm, 34
äquivalente, 142
normal, 20
normierter Raum, 34
oberhalbstetig, 154
offen, 1
Operatornorm, 37
Orthogonalsystem
vollständiges, 54
Orthonormalbasis, 54
Orthonormalsystem, 53
Parceval’sche Gleichung, 53
Polarkoordinaten, 97
positiv orientiert, 116
präkompakt, 14
Produktraum, 9
Produkttopologie, 9
Index
Projektion
kanonische, 9
Pseudodifferentialoperator, 75
punktetrennend, 18
punktweise beschränkt, 16
Quotiententopologie, 11
Rand, 2
Randpunkt
regulärer, 110
Raum
lokalkompakter, 23
topologischer, 1
relativ kompakt, 11
Relativtopologie, 9
Retrakt, 147
Retraktion, 147
Rotation, 116
Satz von
Arzelà–Ascoli, 16
Banach, 145
Brouwer, 148, 150
Kakutani, 155
Kolmogorov, 56
Meyers–Serrin, 129
Morray, 132
Peano, 153
Rellich–Kondrachov, 140
Schauder, 151
Stone–Weierstraß, 18, 19
Tichonow, 13
Tietze, 22
Satz von Pythagoras, 53
Schwartzraum, 73
Schwarz’scher Zylinder, 77
separabel, 54
Skalarprodukt, 50
Skalarproduktraum, 50
Sobolev–Ungleichung, 134
Sobolevnorm, 125
Sobolevraum, 125
Spurtopologie, 9
Steiner–Symmetrisierung, 29
stetig, 4
Tangentialraum, 106
Testfunktion, 122
Topologie, 1
der punktweisen Konvergenz, 9
diskrete, 2
feinere, 1
finale, 10
gröbere, 1
indiskrete, 2
initiale, 8
topologische Gruppe, 9
totalbeschränkt, 14
Totalvariation, 41
Träger, 40
Translation, 44
Trigonometrisches Polynom, 56
Überdeckung
lokal endliche, 106
Ultrafilter, 4
Umgebung, 2
Umgebungsbasis, 4
Umgebungsfilter, 3
Unkehrsatz, 166
Variationsnorm, 42
Vervollständigung, 34
Wirtinger-Ungleichung, 61
Zerlegung der Eins, 106
Zylinderkoordinaten, 98
173

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