nzz_games_20070703

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B8
Neuö Zürcör Zäitung
MOBIL DIGITAL
Dienstag, 3. Juli 2007 Nr. 151
DIGITAL IN KÜRZE
Wo ist Greg Packer?
Dell mit bunten Laptops. Im Ringen um die Vor-
Das iPhone ist da
herrschaft auf dem PC-Markt setzt der einstige
Branchenprimus Dell nun verstärkt auf bunte Geräte. Der US-Konzern bietet seit Dienstag über das
Internet Laptops in acht verschiedenen Farbausführungen an – darunter «Flamingo-Pink», «Sonnenschein-Gelb», «Espresso-Braun» oder «AlpinWeiss». Zudem verkauft Dell erstmals einen Laptop
mit einem Flash-Speicher statt einer üblichen Festplatte. Das Modell ist dadurch leichter und startet
schneller. Es verfügt aber nur über einen vergleichsweise bescheidenen Speicherplatz von 32 GByte.
Dell hat im vergangenen Jahr seinen Rang als grösster PC-Hersteller an den Rivalen Hewlett-Packard
verloren. Um wichtige Marktanteile zurückzuerobern, brach Dell vor kurzem mit der mehr als
20-jährigen Firmentradition, seine Computer nur
über Telefon und Internet zu verkaufen. Seit diesem
Monat sind Dell-PC nun auch bei der Einzelhandelskette Wal-Mart zu haben.
(Reuters)
Flexible Webcam. Eine bessere Bildqualität beim
Videoconferencing verspricht Logitech mit den
überarbeiteten Webcams QuickCam Pro 9000 und
QuickCam Pro for Notebooks. Diese Kameras wurden zusammen mit dem Optikunternehmen Carl
Zeiss entwickelt. Eine Universalhalterung erleichtert
die Montage an gängigen Bildschirmen oder Mobilcomputern. Die Kameras fokussieren automatisch,
verfügen über einen Zwei-Megapixel-Sensor und
unterstützen auch das 720p-HD-Videoformat. S. B.
Archos fordert die Video-Welt von Apple heraus.
Mit der fünften Generation seiner portablen MediaPlayer optimiert der französische Hersteller Archos
als Antwort auf Apples Multimedia-Imperium den
Zugang zu digitaler Unterhaltung. Im Bild zu sehen
ist der 705 Wi-Fi mit berührungsempfindlichem
7-Zoll-Monitor und 40 bzw. 80 GB Speicher, mit
dem sich über WLAN auch im Internet surfen lässt.
Das mit 40-Giga-HD bereits ab 520 Franken erhältliche Gerät eignet sich zum Speichern und Vorführen von Fotos, Filmen und Musik. Dank dem Einsatz
der Adobe-Flash-Technik lässt sich mit den neuen
Playern auch auf Online-Video-Inhalte wie jene von
YouTube und auf Internet-TV-Stationen und MusikDownloads zugreifen. Das Potenzial, das sich auch
Steve Jobs für sein Apple-TV erschlossen hat, ist riesig: Täglich stehen über 100 Millionen Flash-basierte
Videos allein bei YouTube bereit – gute Qualität
bleibt natürlich eher Mangelware. Das MultimediaVergnügen mit den Archos-Playern funktioniert ausserdem auch im Wohnzimmer: Die Inhalte können
vom Computer oder aus dem Internet über ein
kabelloses Heimnetzwerk direkt auf den Fernseher
oder die Musikanlage gestreamt werden.
hag.
PD
Der Mobilcomputer Asus R2H lässt sich mit einem Stift bedienen.
Lückenbüsser
Der Ultra-Mobile-PC ist nicht mobil genug
Ein Notebook-Computer ist zu schwer, um ihn
dauernd mit sich herumzutragen; Smartphones
oder PDA sind nicht leistungsfähig genug: Mit
ihren kleinen Bildschirmen und Tastaturen sind
diese Kleinstrechner für viele Anwendungen –
insbesondere für Büroanwendungen – nicht zu
gebrauchen. Die Lücke zwischen Notebook und
Kleinstrechner sollen jetzt die Ultra-Mobile-PC
(UMPC) schliessen. Microsoft hat diese neue
Spezifikation vor etwas mehr als einem Jahr an
der Computershow Cebit vorgestellt. Inzwischen
sind die ersten Geräte auf dem Markt. Am Asus
R2H wird allerdings deutlich, dass das UMPCKonzept noch viele Wünsche offenlässt.
Äusserlich erinnert der 1449 Franken teure
R2H* mit seinem berührungsempfindlichen
7-Zoll-Bildschirm an eine etwas zu gross geratene
mobile Spielkonsole. Dafür findet sich im Inneren
die Hardware eines vollwertigen PC: unter anderem ein 900-MHz-Celeron-Prozessor, eine
40-GByte-Festplatte, 1280 MByte Arbeitsspeicher, WLAN, Bluetooth, GPS, ein SD-Card-Reader und eine 1,3-Megapixel-Kamera fürs Videotelefonieren. Zusätzlich gibt es eine externe Tastatur, eine USB-Maus und einen Ersatzakku. Als
Betriebssystem kommt Windows Vista Home
Premium zum Einsatz.
Diese auf den ersten Blick umfassende Ausstattung wirft bei genauerem Hinsehen Fragen
auf: Ein 900-MHz-Prozessor und das leistungshungrige Vista? Ein ultramobiles Gerät ohne
Mobilfunk-Antenne? Internet-Surfen auf einem
Nachspiel
Zu böse Buben
Wer seine Vorurteile über Videospiele bestätigt
sehen will, braucht nur Richtung Rockstar Studios zu schauen. Die innovativen Programmierer
zelebrieren ihre Rolle als böse Buben – aufs Neue
– perfekt. Während die Konkurrenz an Messen
mit gigantischen Leinwänden und kessen Hostessen um Aufmerksamkeit buhlt, schottet sich
Rockstar G-8-mässig ab. Maschendrahtzäune und
bemannte Lederjacken beschützen den Stand.
Kein Durchkommen. Dieser Auftritt passt zu den
Titeln von kontroversem Inhalt wie der äusserst
populären «Grand Theft Auto»-Serie oder eben
«Manhunt», dessen zweites Kapitel derzeit für
heisse Köpfe sorgt. Bereits Teil 1 erwies sich als
degoutantes Werk von voyeuristischer Brutalität
à la «Hostel», einem US-Horror-Hit, der bei uns
nie in die Kinos kam. Dem Prinzip der Eskalation
folgend, setzte Rockstar beim Überlebenskampf
mit virtuosen Mordsequenzen wohl heuer noch
einen drauf. Doch mit dem «hot coffee»-Zwischenfall (durch die Eingabe eines Hacker-Codes
können im Spiel «GTA – San Andreas» Sexszenen freigeschaltet werden) hatten sie die Geduld der US-Zensoren übermässig beansprucht.
Diese warteten mit offenen Messern auf «Manhunt 2». In den USA hätte die «Adults only – nur
für Erwachsene»-Freigabe ein kommerzielles Todesurteil bedeutet. In Grossbritannien und Irland
wurde der Vertrieb verboten. In der Schweiz hat
der Verband der Videogame-Branche SIEA entschieden, das Spiel für Konsolen nicht in den Verkauf zu bringen. Nun hat Rockstar die Veröffentlichung auf unbestimmt verschoben.
Was es mit «Manhunt 2» auf sich hat, kann
kaum jemand sagen, denn gespielt hat es nur eine
Handvoll Leute. Dem US-Ratingboard wurde ein
Video mit den brutalsten Sequenzen gezeigt, was
etwa so aussagekräftig ist wie ein Zusammenschnitt aller Foulszenen eines Fussballmatchs.
Wohl nicht so sehr die Gewalt, sondern Rockstars
Ruf dürfte «Manhunt 2» den Strick gedreht
haben, aber dem Titel weine ich keine Träne
nach, denn schon Teil 1 war völlig unnötig.
Marc Bodmer
PD / BEARBEITUNG NZZ
800 mal 480 Pixel grossen Bildschirm? Solche
Widersprüche lassen Zweifel aufkommen an der
Ausgereiftheit des Konzepts. Schon kurz nach
dem Einschalten zeigt sich, dass diese Zweifel berechtigt sind. Für das Starten braucht der R2H
über fünf Minuten. Der Rechner ist durch die
hohen Systemanforderungen des Windows-VistaBetriebssystems hoffnungslos überfordert.
Videos ruckeln selbst in der bescheidenen
Auflösung von 800 mal 480 Pixeln. Dieses ungewöhnliche Bildschirmformat ist ein weiterer Problempunkt: Weder Betriebssystem noch Applikationen und schon gar nicht Webseiten sind darauf
angepasst. Viele Bildschirme werden so nur unvollständig dargestellt, und man ist darum dauernd am Scrollen. Obwohl als «über-mobil» angepriesen, versteht sich der UMPC nicht mit den
Standards der Mobiltelefonie. Immerhin wird
Wireless Local Area Network (WLAN) unterstützt. Auch die Akkuleistung ist alles andere als
«ultramobil»: Bereits nach zwei Stunden muss auf
die Ersatzbatterie zurückgegriffen werden.
Alles in allem ist der R2H ein interessantes
Konzept, das aber erst knapp im Betatest-Stadium angekommen ist. Dies scheinen inzwischen
auch die Hersteller gemerkt zu haben. Intel verspricht mit einer Nachfolge-Plattform namens
MID (Mobile Internet Device) Besserung. Diese
soll unter anderem sofort nach dem Einschalten
betriebsbereit und Mobilfunk-tauglich sein.
Daniel Meierhans
* www.asusnotebook.ch
S. B. Wer war es, der als erster zahlender Kunde
ein iPhone erwerben konnte? Greg Packer vielleicht? Lange bevor das Handy von Apple in die
Läden kam, war es Thema von aufgeregten
Medienberichten. In den USA seien zu diesem
Produkt in den vergangenen sechs Monaten
11 000 Zeitungsartikel publiziert worden, schrieb
David Pogue in der «New York Times». Pogue
war neben Walter Mossberg vom «Wall Street
Journal» und Steven Levy von der «Newsweek»
einer der ganz wenigen Auserwählten, die bereits
vor dem Verkaufsstart ein iPhone ausprobieren
durften. Indem Apple sich in ihrer Medienarbeit
auf ein paar wenige, der Firma und ihren Produkten stets wohlgesinnte Journalisten beschränkte,
verhalf sie dem Technik-Journalismus zu einer
neuen Textsorte: der Metakritik. Vielen Journalisten blieb nichts anders übrig, als die Texte von
Pogue und Mossberg und Levy zu exegieren.
Neben der Kritik der Kritik ist die Warteschlange-Reportage eine weitere Möglichkeit, um
über ein Produkt zu berichten, das es noch nicht
zu kaufen gibt. Schon Tage vor dem Verkaufsstart
der Apple-Handys begannen sich vor den Läden
Warteschlangen zu bilden, Menschen mit Campingstühlen und Proviantsäcken rückten an,
machten es sich auf den Trottoirs bequem. In New
York auf der 5th Avenue vor dem Apple Store
breitete am Dienstagmorgen, dreieinhalb Tage
vor dem Verkaufsstart, als Erster Greg Packer
seine Camping-Sachen aus. Doch als dann am
Freitagabend aus New York die Bilder von den
ersten iPhone-Besitzern – freudestrahlend wie
unter Drogeneinfluss – um die Welt gingen, war
von Packer nichts zu sehen.
Im «geheimen» Internet-Tagebuch von Steve
Jobs wird angedeutet, dass Apple den dickbäuchigen Bauarbeiter habe aus der Warteschlange entfernen lassen, offenbar passt er nicht zum Image
von Schlankheit und Eleganz, um das Apple sich
bemüht. Doch das Steve-Jobs-Tagebuch, sosehr
es sich auch mit den Eitelkeiten des Apple-CEO
auskennt, ist – vermutlich – eine Fälschung. Auf
jeden Fall entspricht der Bericht über die Beseitigung Packers nicht der Wahrheit; am Freitag
wurde der 44-jährige Mann noch vor dem Glaskubus an der 5th Avenue gesichtet. Dann verschwand er aus der Medienwirklichkeit.
Wo immer an der amerikanischen Ostküste
eine Warteschlange zum Medienereignis wird, ist
Packer zur Stelle. Egal ob es ein von Bill Clinton
signiertes Buch oder ein Handy zu ergattern gibt
– Packer ist da, wartet geduldig während Tagen
und gibt bereitwillig Interviews. Doch was er
sucht, ist nicht ein Buch oder ein Handy, ihm geht
es um die die Aufmerksamkeit der Journalisten.
Er sei in mehr als 100 Medienberichten als «Mann
von der Strasse» aufgetreten, heisst es in der
Wikipedia. Vergangenen Freitag in New York
wurde er aber von den Medienschaffenden gemieden, denn er verkörpert für sie eine unbequeme Wahrheit: Bei der Medienhysterie um das
iPhone geht es nicht um das iPhone, sondern um
Medienhysterie; nicht das iPhone ist das Medienereignis, sondern das Medienereignis iPhone.
Quo vadis, Colin McRae?
Eine einst konkurrenzlose Rally-Simulation wirbelt wieder mächtig Staub auf
Pes. Wie einst der Schotte Colin McRae strebt
auch die gleichnamige Rally-Simulation nach anfänglichen Höhenflügen neuen Gefilden zu. Während sich der ehemalige Weltmeister aber nie
ganz von seiner Paradedisziplin trennen mochte,
scheint die Zukunft des Computerspiels noch ungewiss. Denn «Colin McRae Dirt» bietet dem
Spieler nun nicht mehr nur reine Rally-Unterhaltung, sondern gleich fünf weitere Disziplinen mit
einem Fuhrpark vom leichten Strand-Buggy bis
zum schweren Truck: Während bei «Championship Off Road Racing» Rundkursrennen mit zehn
Teilnehmern in den USA veranstaltet werden,
jagen sich bei «Rally Raid» sechs Konkurrenten
im Herzen Kaliforniens. In «Crossover» kämpfen
zwei Teilnehmer auf getrennten Strecken gleichzeitig um den Sieg, und im unterhaltsamen «Hillclimb» müssen zwei Bergspitzen schnellstmöglich
erstürmt werden. Das europäische Pendant zu
«Rally Raid» ist schliesslich der «Rally Cross»,
welcher mit acht Konkurrenten und einer grösseren Fahrzeugauswahl ausgetragen wird.
Als Solo-Spieler kann man sich wahrlich nicht
über den Umfang beklagen. Diverse Einzelrennen und Zeitfahren bieten genügend Futter für
kurzfristige Adrenalinschübe, und ein Karriereund Meisterschaftsmodus halten die Langzeitmotivation hoch. Der Schlüssel zum OffroadKönig ist definitiv die umfangreiche Karriereleiter in Pyramidenform: Um jeweils die nächste
Stufe freizuschalten, muss eine vorgegebene Anzahl Siegespunkte her, die aber nur durch Podestplätze in der aktuellen Stufe errungen werden
können. Der gewählte Schwierigkeitsgrad legt dabei fest, wie hoch die Siegesprämie ausfällt und,
leider nicht unabhängig wählbar, wie brillant die
Fahrkünste der Computergegner sind. Das gewonnene Geld fliesst wiederum in neue, PSstarke Autos und deren Lackierungen, um auch in
den anforderungsreichsten Rennen als strahlender Sieger davonzufahren. «Dirt» geht zwar schon
mit guten Fahrzeugkonfigurationen an den Start,
Colin-Veteranen dürfen aber jederzeit noch ma-
Grafisch wirbelt das neue «Colin McRae» Staub auf und bricht reihenweise Rekorde.
nuelles Tuning betreiben. Wohin allerdings die
dringendst benötigte Reifenwahl verschwunden
ist, bleibt wohl das Geheimnis der Entwickler.
Grafisch bricht das neue «Colin McRae» reihenweise Rekorde und stellt die Konkurrenz fast
ausnahmslos in den Schatten. Es bringt nicht nur
die Hardware gehörig ins Schwitzen. – PC ohne
eine Shader-3.0-fähige Grafikkarte verweigern
sowieso den Start, und die Xbox 360 kämpfte bei
mehreren Teilnehmern verzweifelt um die
Frameraten, sofern das Spiel nicht gerade grundlos stehen bleibt. – Nein, das Auge wird auch mit
lebhafter Vegetation, phantastischem Lichtspiel
sowie akkuratem Schadens-Modell entzückt.
PD
Physikalisch korrekt sollten auch die Steuerung
und die Umgebungs-Interaktion sein, doch während Büsche die Wagen jetzt glaubwürdig verlangsamen, ist das Fahren zu einer teilweise unrealistisch heiklen Angelegenheit verkommen.
Eine einzige Trauerweide hingegen ist der mit
bis zu 100 Spielern angepriesene Mehrspielermodus: Weder Blechkontakt mit den Kollegen
noch ein «Ghostcar» wird geboten, einzig eine
kleine Anzeige am Rande verkündet den Fortschritt der Konkurrenz. Schade, denn abgesehen
davon punktet der neue Colin fast auf ganzer Linie.
«Colin McRae Dirt», Codemasters, PC, PS3, PS2, Xbox 360
(Testversion).