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Die Jagd Autor: Clarissa Schnabel Dichter Regen prasselte wie ein Sturzbach auf sie herab, nur wenig abgeschwächt durch das Blätterdach und die Windböen. Immer wieder Ranken und niedrige Äste beiseiteschiebend, bahnten sie sich einen Weg durch den nachtdunklen Wald, ihre Umgebung einzig und allein mit dem Schein der Lichtschwerter in ihren Händen erhellend. "Das ist doch verrückt!" schrie Syal gegen das Rauschen des Regens an. "Wo will sie denn hin? Sie muß wissen, daß es keinen Fluchtweg für sie gibt!" Neben ihr zerteilte Pomojema mit fast schon unheimlicher Ausdauer Ranken und Unterholz. Seine weiten Flügel waren ihm dabei eher Belastung als Hilfe, aber er schien es gar nicht zu bemerken. "Ein Versteck, ein Unterschlupf, bis sich die Dinge beruhigt haben; dann ein Schiff und neue Möglichkeiten..." "Niemals!" sagte Halca entschlossen. "Sie hat genug angerichtet. Noch einmal entkommt sie uns nicht!" Schlamm klebte zäh an ihren Füßen, behinderte ihr Vorwärtskommen und gab sie bei jedem Schritt nur widerwillig mit einem lauten Schmatzen frei. Die drei Jäger waren erschöpft von den Anstrengungen der letzten Wochen und der stundenlangen Verfolgung, ihr Atem ging schwer, und Schweiß vermischte sich auf ihrer Stirn mit Regenwasser, dennoch gaben sie nicht auf. Sie wußten, was auf dem Spiel stand. Mimbans Dschungel erwachte zehn Schritte vor ihnen jäh zum Leben, als sich eine schmale Gestalt aus dem Schatten eines riesigen Baumes löste und in wilder Flucht davonstürzte. "Wendra!" rief Syal. Sie begannen zu laufen. Dicht auf den Fersen, doch immer knapp außerhalb der Reichweite ihrer ehemaligen Kameradin hetzten die Jedi durch den Wald. Keiner von ihnen achtete mehr auf den Weg, aber mit traumwandlerischer Sicherheit entgingen sie Wurzeln, die wie Fußangeln aus dem Boden ragten, oder Schlammlöchern auf trügerisch festem Grund. Nicht, daß es sie gewundert hätte, wären sie zum Nachdenken gekommen - in den Jahren, die sie als Schüler der Macht verbracht hatten, waren sie darüber hinausgewachsen, noch Überraschung über die geheimnisvolle Kraft zu empfinden. Pomojema mit seinen langen Beinen lag an der Spitze, in einigem Abstand gefolgt von Syal. Halca bildete den Schluß, Entschlossenheit in seinen farblosen Augen. Ohne Vorwarnung endete der Dschungel und mit ihm das Erdreich an einer klaftertiefen Schlucht. Wie weit es bis zum Grund war, ließ sich nur erahnen; die Nacht verhinderte jeden genaueren Blick. Mitten im Lauf, wie sie waren, hatten die drei Jedi keine Gelegenheit mehr, rechtzeitig abzubremsen. Syal sah Pomojema vor ihr in die Tiefe stürzen, stieß einen kurzen Warnlaut aus - und sprang. Die Zeit selbst schien den Atem anzuhalten. Syal spürte die Macht durch ihren Körper pulsieren, sie umschmeicheln, während der Abgrund wie in Zeitlupe unter ihr hinwegzog. Auf den Flügeln des Windes reiten, ging ihr ein Zitat ihrer Meisterin Chareth durch den Kopf. Vor sich fühlte sie mehr, als daß sie es sah, das gegenüberliegende Ende der Schlucht. Sie beugte ihre Knie ein wenig, und dann setzte sie auch schon weich und sicher auf festem Grund auf. Dicht hinter ihr folgte Halca mit wehendem grauen Haar. Nur wenige Herzschläge später tauchte auch Pomojema aus dem Abgrund auf. Seine mächtigen Schwingen hatten seinen Sturz abgefangen und ihn wieder emporgetragen. Für einen Moment standen die drei Jedi einfach nur da, bemühten sich, zu Atem zu kommen und schauten hinunter in die Tiefe, die beinahe ihr Grab geworden wäre. Irgendwo tief unten, verschluckt von der Dunkelheit, rauschte Wasser über messerscharfe Felsen, ein Wildbach vermutlich, der sich seinen Weg durch den Dschungel bahnte. "Verdammt schlau, wenn ihr mich fragt", sagte Halca schließlich. "Damit hätte sie wirklich Erfolg haben können." "Falls sie nicht selbst in die Falle gegangen ist", bemerkte Syal. Pomojema schüttelte den Kopf. "Nein. Sie kennt diesen Teil des Waldes zu gut. Das hier", er deutete in den Abgrund, "war ein eiskalter Mordversuch." "Sie hat bereits das Leben fast ihres gesamten Volkes auf dem Gewissen, Jema", erinnerte ihn Syal. "Glaubst du, da käme es ihr noch auf drei ehemalige Freunde an? Die Frage ist nur - wo ist sie jetzt?" Halca schloß für einen Sekundenbruchteil die Augen, dann nickte er in eine bestimmte Richtung in den Wald vor ihnen. "Dort entlang", sagte er. Die Frau, die einmal eine Jedi gewesen war, duckte sich hinter einem Strauch mit großen dunkelgrünen, fleischigen Blättern und lauschte auf Geräusche ihrer Verfolger. Regenwasser lief ihr in die Augen, und mit einer ungeduldigen Bewegung wischte sie es fort. Ihr Atem ging schwer, stoßweise, ihre Lunge brannte wie Feuer, und jeder Muskel protestierte gegen eine Fortsetzung der Jagd. Selbst der Körper eines Jedis kannte Grenzen - auch der eines abtrünnigen, eines Dunklen Jedi. Wendra zwang sich, ruhiger und gleichmäßiger zu atmen. Sie erwartete nicht wirklich, ihre Verfolger an der Schlucht abgeschüttelt zu haben. Einen vielleicht, mehr nicht. Wenn sie sich irrte... nun, um so besser, aber zunächst wollte sie in Bereitschaft bleiben. Ihre großen Augen durchschweiften die Finsternis. Nachtsichtig wie alle Thrella, verstand sie sowohl ihre fünf Sinne als auch die Macht bei dieser Jagd einzusetzen. Dazu kam ihre Ortskenntnis; Vorteile, die nicht unterschätzt werden durften. Dies war ihr Schlachtfeld, und ihre Chancen standen gar nicht einmal schlecht. Nun ja, die Chancen, lebendig von hier fortzukommen. Grimmig knirschte sie mit den Zähnen. Ihre großen Pläne waren zunichte gemacht worden, erst mit dem Fall ihres Anführers Exar Kun und dann mit der Niederlage der Thrella gegen die Kaiburr. Das war das Bitterste von beiden. Zwei Jahre lang hatte sie auf die Eroberung des Kaiburr-Reiches verwandt, sie hätte von Kriegsherrin zur Herrscherin aufsteigen können: über die Thrella, über die Kaiburr, vielleicht über ganz Mimban. Dann war Pomojema mit Halca und Syal aufgetaucht, und das Glück hatte sich gewandt. Zuletzt blieb nur noch die Kapitulation der Thrella und die Flucht. Wendra runzelte die Stirn. Vor langer Zeit hatte sie Pomojema geliebt; in einem anderen Leben, wie es ihr jetzt erschien, während ihrer Lehre auf Ossus und trotz aller Spannungen, die zwischen ihren beiden Völkern herrschten. Seitdem war viel geschehen, und irgendwie... war ihre Liebe dabei verlorengegangen. Die lästigen Gedanken gewaltsam abschüttelnd, erhob sich Wendra und wollte soeben ihre Flucht fortsetzen, als ihr Machtempfinden Alarm schrie. Jemand kam. Ihre Verfolger hatten sie eingeholt. Wendra glitt in ihr Versteckt zurück, verschmolz mit den Schatten und wartete. "Jemand ist vor kurzem hier entlanggelaufen", stellte Syal fest und deutete auf einige Fußabdrücke, die sich deutlich im schlammigen Boden abzeichneten. Halca nickte. Seine Augen waren halb geschlossen. "Ich kann sie spüren", sagte er. "Sie ist irgendwo kurz vor uns." "Vermutlich weiß sie genauso, daß wir hier sind." Pomojema lauschte mit allen Sinnen ins Dunkle vor ihnen. "Seid vorsichtig. Syal, du bleibst besser ein Stück hinter uns. Ich möchte Meisterin Chareth nicht erklären müssen, daß ihrer besten Schülerin unter meiner Führung etwas zugestoßen ist." Syal hob vielsagend die Brauen. "Was soll denn das heißen, hm?" fragte sie. "Ich mag vielleicht noch kein voll ausgebildeter Jedi sein, aber ich war im Sith-Krieg dabei und auch hier." "Syal." Pomojema sah sie nur an. "Sie hat recht", mischte sich Halca ruhig ein. "Sie hat sich besser geschlagen als mancher langjähriger Jedi. Und dir, nebenbei gesagt, zweimal das Leben gerettet. Dennoch", wandte er sich an die Corellianerin, die triumphierend zu grinsen begann, "das war ein direkter Befehl. Pomojema hat immer noch das Kommando über diese Unternehmung. Verstanden?" "Vollkommen." Syal seufzte und begab sich gehorsam an das Ende der Reihe. "Also bilde ich die Nachhut. Halca, hat dir schon mal jemand gesagt, daß du das Zeug zum Ratsvorsitzenden hast?" Langsam, alle Sinne aufs Äußerste gespannt, drangen sie weiter in den Dschungel vor. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, aber dafür gaben nun die mächtigen Baumkronen ihre Last frei und überschütteten die Jäger immer wieder mit kleinen Sturzbächen aus luftiger Höhe. Nahezu der einzige Laut, der zu hören war, war das Tropfen des Regenwassers auf den Waldboden. Pomojema schob Ranken und Zweige aus dem Weg und reichte gleichzeitig mit der Macht hinaus. Er kannte Wendra wie kein zweiter, kannte ihr Herz, ihre Gedanken - oder zumindest hatte er sie einmal gekannt. All die Ereignisse seit ihrer Trennung hatten sie verändert, und ebenso wahrscheinlich auch ihn. Sie waren einander fremd geworden. Einem Strauch mit dunkelgrünen, fleischigen Blättern ausweichend, trat Pomojema auf eine kleine Lichtung inmitten des Dschungels. Sie schien natürlich entstanden zu sein, und es war sehr gut möglich, daß sich irgendwo in ihrer Mitte eines der zahlreichen Schlammlöcher befand. Zwei Dinge geschahen gleichzeitig. Halca stieß einen Ruf aus, und im selben Moment brach ohne Vorwarnung ein gleißender blauer Strahl aus dem Gebüsch. Wendras Lichtschwert verfehlte Pomojemas Kopf nur um Millimeter, und er warf sich herum und entging ebenso knapp dem Verlust eines Flügels. Während er noch über den nassen Boden rollte, hörte er das unverwechselbare Krachen zweier aufeinanderprallender Klingen. Blauer und violetter Schein flackerte wild über glänzende Blätter und Ranken. "Du solltest besser gleich aufgeben, Wendra", sagte Halca mit gewohnter ruhigentschlossener Stimme. "Wir sind zu dritt, du bist allein." "Fairer Kampf, nicht wahr?" Pomojema sprang wieder auf die Füße und sah Wendra finten, Halcas Deckung durchbrechen und ihn zurückwerfen. Ehe sie erneut zuschlagen konnte, griff er mit Hilfe der Macht nach ihrem Schwert. Es ruckte heftig, verließ ihre Hand jedoch nicht. Immerhin war sie für den Moment von Halca abgelenkt. "Hältst du mich für einen Anfänger?" spottete sie, griff nun ihrerseits nach Pomojema und schnitt ihm die Luft ab. Er keuchte, aber ehe es noch gefährlich für ihn zu werden drohte, erhielt Wendra einen so heftigen Schlag in den Rücken, daß sie nach vorn taumelte und auf die Knie stürzte. "Unterschätze niemals die Anfänger", meinte Syal. Ihre bernsteinfarbene Klinge deutete genau auf Wendras Kehle. "Ich möchte dich nicht unbedingt töten, also ergib dich." Statt einer Antwort warf sich Wendra zur Seite. Ihr Schwert beschrieb einen tödlichen Bogen, dann war sie wieder auf den Beinen, schlug einen Salto, der sie hinter Syal brachte, und ließ ihre Klinge herabsausen. "Nein!" schrie Pomojema - doch er hatte die junge Corellianerin unterschätzt. Im Bruchteil einer Sekunde hatte sie Wendras Manöver nachgeahmt, und während die blaue Energieklinge noch zischend in den Boden schlug, ging sie ihrerseits zum Angriff über. Sie hieb zu, Wendra riß das Schwert hoch, um zu parieren, und im letzten Augenblick änderte Syal die Richtung. Die Spitze des Energiestrahls zuckte über Wendras Körpermitte, durchschnitt ihre Robe und hinterließ eine schwarze Brandspur quer über ihren Leib. Wendra zuckte zusammen und griff unwillkürlich nach der Wunde. Syal zögerte nicht, nutzte ihren Vorteil und schlug erneut zu. Wendra vermochte dem Hieb gerade noch auszuweichen. "Gib auf", wiederholte Syal. Wendra spannte ihre Muskeln und katapultierte sich in die Luft. Syals Hieb verfehlte knapp ihre Füße. Ein flirrender Lichtbogen, als Wendra ihre Klinge noch in der Drehung herabsausen ließ. Blitzschnell parierte Syal, doch die Wucht des Aufpralls warf sie zurück. Sie stolperte, stürzte und landete mit einem satten Klatschen im Schlamm. Wendra holte aus, und Pomojema warf seine Waffe. Wendra kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Die gleißende rote Klinge durchfuhr sie unterhalb der Rippen und schnitt sie säuberlich in zwei Hälften. Sekundenlang herrschte Totenstille auf der kleinen Lichtung. Selbst das Geräusch des Regens schien verstummt zu sein. Dann kroch Syal mit entsetztem und leicht grünlichem Gesicht zurück, rappelte sich auf, und Halca fragte ohne jeden Vorwurf: "War das nötig?" Pomojema sah ihn nicht an. "Ich hoffe, daß ich die Antwort darauf nie herausfinde", sagte er. Die "Krayt Pearl" wartete startbereit auf der Plattform nahe der Kaiburr-Stadt. "Und du bist sicher, daß du nicht mitkommen willst?" versuchte es Halca ein letztes Mal. "Mein Volk braucht mich jetzt. Es sind Schäden zu reparieren, Wunden zu heilen." Pomojema hob die Schultern. "Die Meister müssen das wohl auch so sehen, sonst hätten sie nicht ihre Zustimmung gegeben, meinst du nicht?" "Ich möchte auch bleiben", erklärte Syal. Pomojema schüttelte den Kopf. "Halte dich lieber an Halca", sagte er. "So wie ich das sehe, ist er einer der nächsten, die zum Meister ernannt werden." "Übertreib nicht", wehrte Halca ab. "Außerdem mußt du erst noch deine Ausbildung beenden - was du mit Bravour schaffen wirst, nach dem, was ich gesehen habe." Pomojema nickte seinen beiden Freunden zu. "Lebt wohl. Möge die Macht mit euch sein." "Und mit dir, Jema." Halca lächelte schmal, doch seine Augen blieben ernst dabei. Dann drehte er sich um und stieg die Rampe der "Krayt Pearl" hinauf. Syal umarmte Pomojema. "Ich komme dich besuchen", versprach sie. "Bald!" Mit einem letzten Winken folgte sie Halca; die Rampe wurde eingezogen, und die Maschinen des Schiffes dröhnten auf. Vom Rande der Plattform aus beobachtete Pomojema, wie die "Krayt Pearl" in Mimbans dunstigen Himmel aufstieg, höher und höher, bis sie die Regenwolken durchbrach und nicht mehr zu sehen war.