DasElixiereinerBewegung

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DasElixiereinerBewegung
Die Letzte
Zürcher Landzeitung Samstag, 3. Mai 2008
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LSD Eine psychoaktive Substanz für den gesellschaftlichen Umbau
Ikonen der 68er
Timothy Leary
Das Elixier einer Bewegung
LSD war der Treibsatz
einer Bewegung: von den
Hippies vergöttert, vom
Establishment verteufelt
und schliesslich verboten.
Für die Flower-Power-Bewegung
wurde der Psychologie-Professor
Timothy Leary zum LSD-Guru.
1960 startete er das «Harvard
Psilocybin Project», um die Effekte des psychoaktiven Pilzes
zu untersuchen. Unter Aufsicht
wurde Studenten auch LSD verabreicht, mit dem Ziel, psychische Krankheiten zu heilen.
Leary beackerte aber immer weniger das wissenschaftliche Forschungsfeld und mehr und mehr
einen esoterisch-halbreligiösen
Garten. 1966 gründete er die
«League for Spiritual Discovery»,
um die Menschen zu ihrer inneren Gottheit zu führen. Zeitgemäss formulierte er: «Turn on –
Tune in – Drop out!» Mit Turn on
meinte er: «Finde ein Sakrament,
das dich zu Gott bringt!» Tune in:
«Bleibe wiedergeboren, drücke es
aus, beginne ein neues Leben,
das deine Visionen widerspiegelt!» Drop out: «Befreie dich
vom äusseren Drama, das so leer
ist wie eine TV-Show!»
Als 1969 der kalifornische Gouverneur Ronald Reagan Polizisten gegen protestierende Hippies vorrücken liess, kündigte
Leary an, gegen ihn zu kandidieren. John Lennon schrieb
zur Wahlkampagne den Song
«Come together». 1970 wurde
der inzwischen aus Harvard geschasste Professor jedoch zum
zweiten Mal wegen eines Marihuana-Delikts verurteilt. Mit
Hilfe
der
links-militanten
«Weathermen» gelang ihm die
Flucht aus dem Gefängnis.
In Villars-sur-Ollon VD fand er
ein vorübergehendes Asyl. Polo
Hofer nutzte die Gunst der
Stunde und spielte ihm die Musik von Rumpelstilz vor. Leary
winkte dankend ab und zog die
deutsche Gruppe Ash Ra Tempel vor, um seine Gedichte zu
vertonen. Leary bestätigte kurz
vor seinem Tod 1996, dass die
CIA seine LSD-Projekte teilweise finanziert habe. (tsi)
ter umfassten. Dem Spektakel
lieferte der LSD-Guru Timothy
Leary den weltanschaulichen
Hintergrund. Während einer
Pressekonferenz in New York
1966 lancierte er den Slogan
«Turn on – Tune in – Drop out!»,
der zu einem Glaubenssatz der
Hippiebewegung wurde.
Die Worte bezogen sich nicht
nur auf eine Anleitung zum LSDKonsum – einstimmen, einlassen, aufhören –, sondern wurden
explizit als Aufforderung verstanden, die kulturelle Prägung der
als versteinert wahrgenommenen
Ordnung mit Hilfe der «Weisheits-Droge» aus dem Gehirn zu
löschen, sich auf eine unbekannte Reise zu begeben und aus dem
bürgerlichen Leben auszusteigen. So stand die Bezeichnung
«Timothy Leary Ticket» für einen
kleinen Streifen Löschpapier, auf
den flüssiges LSD geträufelt wurde: eine Eintrittskarte zu einer
völlig neuen Show, ein «Trip» in
ein unentdecktes Land.
Tobias Sigrist
Albert Hoffmann, der letzten
Dienstag
verstorbene
Schweizer Chemiker, experimentierte 1938 in seinem Labor
bei der Sandoz in Basel mit Lysergsäure. Auf der Suche nach einem Kreislaufstimulans stiess er
auf LSD. Obwohl er keine pharmakologisch verwertbaren Eigenschaften feststellen konnte, entschied er sich fünf Jahre später
für einen Selbstversuch. Die Arznei zeigte Wirkung: «Auf dem
Heimweg mit dem Fahrrad nahm
mein Zustand bedrohliche Formen an», notierte er in sein Laborprotokoll, «alles in meinem
Gesichtsfeld war verzerrt wie in
einem gekrümmten Spiegel.»
Zu Hause angekommen, seien
dann kaleidoskopartig phantastische Gebilde in ihn eingedrungen: «In Kreisen und Spiralen öffneten und schlossen sie sich und
zersprühten in allen Farbfontänen. Besonders merkwürdig war,
wie alle akustischen Wahrnehmungen sich in optische Empfindungen verwandelten.»
Nachträglich stellte sich heraus, dass es sich bei der von
ihm gewählten Menge um das
250-fache einer normal wirksamen Dosis gehandelt hatte. In
den 60er-Jahren nahmen die
Hippies Hoffmanns psychedelische Velofahrt vom 19. April
1943 zum Anlass, der Entdeckung von LSD mit dem «Bicycle Day» zu huldigen.
Lucy in the Sky with Diamonds
Die Flower-Power-Bewegung
brachte das Kürzel LSD jedoch
nicht mehr mit der Molekularbezeichnung für Lysergsäurediäthylamid in Verbindung, sondern mit
dem Titel des Beatles-Songs «Lucy in the Sky with Diamonds»
von 1967. John Lennon wehrte
sich zwar vehement gegen diese
Assoziation; denn Inspirationsquelle für das Lied sei keine Dro-
Weigerung und Repression
Auf die Verherrlichung des Rausches durch die Hippies reagierte
das Establishment schockiert. (key)
ge, sondern das Kinderbuch «Alice im Wunderland» gewesen.
Dennoch setzten Bands wie Pink
Floyd, Procol Harum, aber auch
die Beatles in ihrem psychedelischen Album «Revolver» Rauscherfahrungen und Drogenträume
in deliriöse Klangcollagen um.
Der Rockpoet Bob Dylan sang
im Refrain zu «Rainy Day Woman» von 1966: «Everybody must
get stoned». Die Gruppe The
Doors bezog ihren Namen auf
den Essay «The Doors of Perception» von Aldous Huxley (bekannt
für «Brave New World»), worin er
seine Erfahrung mit einer halluzinogenen Substanz niederschrieb.
Auch die Single «The Trip» des
US-Rockmusikers Kim Fowley ist
eine Hommage an den Stoff, dem
bewusstseinserweiternde Kräfte
zugeschrieben werden.
Zur Popularisierung von LSD
trugen vor allem die Merry
Pranksters (fröhliche Schlingel)
bei. Ken Kesey brachte es mit seinem Roman «One Flew Over the
Cuckook’s Nest» zu Ruhm und
Geld, was ihm erlaubte, ein sehr
bizarres Projekt zu finanzieren.
Liturgie des Rausches
Er scharte 1964 eine Gruppe
kalifornischer Künstler, Heilssucher und Drogenfreaks um sich,
kaufte einen Schulbus Jahrgang
’39, den er bunt bemalte und
«Further» (weiter, ferner) taufte,
und fuhr mit den Pranksters
quer durch die USA, um LSDHappenings für ein interessiertes
Publikum zu veranstalten.
Diese sogenannten «AcidTests» wurden als multimediale
Liturgien gestaltet, die gleichzeitig Kinoprojektionen, Musik der
psychedelischen Folk-Rock-Band
Grateful
Dead,
kostümierte
Gaukler und Stroboskop-Gewit-
In Kürze
Giraffenkalb tot
FC Thun Bedingte Geldstrafe und Busse für Ex-Spieler
Rapperswil. In Knies Kinderzoo
in Rapperswil ist es am Donnerstagabend zu einem traurigen
Vorfall gekommen: Das halbjährige weibliche Giraffenkalb Fajeh hat sich in den Futterästen
selbst stranguliert. «Das Jungtier
ist beim Fressen im Giraffenhaus
mit dem Köpfchen in den zusammengebundenen Buchenästen hängengeblieben», erklärte
Kinderzoo-Direktor Benjamin
Sinniger gestern auf Anfrage.
Keine jungen Bartgeier
Wallis. Dieses Jahr wird im Wallis kein Bartgeier flügge. Das Brutgeschäft des im Vallée Derborence lebenden Paars ist gescheitert. Schuld ist wohl das kalte
Wetter. Das Jungtier könnte krank
geworden oder verhungert sein.
Erstes Urteil in der Sex-Affäre gefällt
Im Zusammenhang mit der
Sex-Affäre beim FC Thun ist gestern ein erstes Urteil gefallen.
Das Gericht verurteilte einen
ehemaligen FC-Thun-Spieler wegen sexueller Kontakte mit einem
Kind zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Die auf
zwei Jahre bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 35 Tages-
sätzen beträgt total 2450 Franken. Die Busse setzte die Einzelrichterin auf 1200 Franken fest.
Der Mann hatte bereits bei
der ersten Einvernahme zugegeben, dass es im Dezember 2006
zu Oralverkehr und später auch
einmal zu Geschlechtsverkehr
mit einem damals 15 Jahre alten
Mädchen gekommen sei. Laut
Einzelrichterin Franziska Friederich hätte der damals 24-Jährige
Fussballer über die Minderjährigkeit des Mädchens im Bild
sein müssen. Auch wenn das
Mädchen mit dem sexuellen
Kontakt einverstanden gewesen
war, komme erschwerend hinzu,
dass der Mann rund neun Jahre
älter war als das Mädchen. (sda)
Doch auf den öffentlich zur
Schau getragenen Drogenkonsum und die Verherrlichung des
Rausches reagierte das Establishment schockiert. Der Entwurf einer Gegenkultur und die Weigerung, ein bürgerliches Leben zu
führen, trafen bei den politischen Behörden der USA auf Widerstand. Am 6. Oktober 1966
wurde LSD offiziell verboten,
womit der verspielte «Summer of
Love» zu seinem Ende kam.
Tausende von Jugendlichen,
die sich im Haight-AshburyQuartier in San Francisco niedergelassen hatten, reagierten mit einer «Declaration of Independence» und schluckten im DirektKontakt mit der Ordnungsmacht
demonstrativ auf Kommando ein
«Timothy Leary Ticket».
Damit wurde die als Kreislaufstimulans entwickelte Arznei zur
politischen Manifestation. LSDKonsum stand nun für die Verweigerung des bürgerlichen Amerikas. Die Hippies praktizierten
den Kulturkampf über die Einnahme eines Halluzinogens, und
das Establishment verfolgte die
Hippies mit einer Kulturpolitik,
die sich auf ein LSD-Verbot stützte, das erst eine gesetzliche Handhabe mit Razzien und Verhaftungen gegenüber der Flower-PowerBewegung geschaffen hatte.
Österreich
Als Vergewaltiger
bereits verurteilt
Der Inzest-Täter von Amstetten, Josef Fritzl, ist bereits vor gut
40 Jahren wegen der Vergewaltigung einer Frau verurteilt worden. Dies belegen Gerichtsakten.
Er habe die 24-Jährige 1967 vergewaltigt und im gleichen Jahr
versucht, sich an einer 21 Jahre
alten Frau zu vergehen. (afp)
Rabenaus wundersame Erlebnisse
68er-Leute
«Ich bereue nichts»
Uschi Obermaier 1970. (key)
Das deutsche Lifestyle-Magazin
«Twen» hat Uschi Obermaier zu
Beginn der 60er-Jahre als Fotomodell entdeckt. In kurzer Zeit
wurde sie zum Sexsymbol einer
ganzen Generation. Die laszive
Verfechterin der sexuellen Revolution galt als fleischgewordene
Antithese zur deutschen Hausfrau. Sie war Mitglied der «Kommune 1» und gründete mit ihrem
Freund, dem Polit-Aktivisten
Rainer Langhans, die «HighfishKommune» mit LSD-Happenings
und Pornodrehs. Obermaier liess
sich mit 50 noch einmal für den
«Playboy» ablichten. In ihrer Autobiografie «Das wilde Leben»
bestätigt sie Affären mit Mick
Jagger, Keith Richards und Jimi
Hendrix und schliesst: «Ich habe
viele Dummheiten gemacht.
Aber keine, die ich bereue.»
«Je t’aime…»
Jane Birkin, Serge Gainsbourg.
Jane Birkin schaffte den Durchbruch mit einer Rolle als Fotomodell in Michelangelo Antonionis
Kultfilm «Blow up». Während des
Drehs lernte sie den Chansonnier
Serge Gainsbourg kennen, mit
dem sie 1969 das epochale Duett
«Je t’aime… moi non plus» sang.
Gainsbourg hatte den Titel bereits mit Brigitte Bardot aufgenommen, doch BB lehnte eine
Veröffentlichung strikte ab. Im
Lied haucht Birkin zu einer sanften Hammondorgel-Melodie ein
«Je t’aime», das sie zu einem
Luststöhnen steigert, um am Ende zu flüstern: «Maintenant,
viens!» Der intonierte Beischlaf
verkaufte sich innert Monatsfrist
über eine Million mal. Er kam auf
den Index zahlreicher Radiostationen, und die vatikanische Zeitschrift «L’Osservatore Romano»
bezeichnete das lustvolle Gestöhne als «beschämende Obszönität». Auch Birkins Album «Fictions» von 2006 lässt den Hauch
der Erotik nicht vermissen. (tsi)
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Tatmotiv bleibt unklar
Schwyz. In Zusammenhang mit
dem Familiendrama in Muotathal ist nur noch der mutmassliche 151⁄2-jährige Täter in Untersuchungshaft. Sein Tatmotiv
bleibt unbekannt. Dies teilten
die Kantonspolizei und die Jugendanwaltschaft des Kantons
Schwyz am Freitag mit. (sda)
40LSMHZ_0305_V0_I.pdf
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