Ein Gespenst geht um in Frankreich: Nuit Debout Souverän gegen
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Ein Gespenst geht um in Frankreich: Nuit Debout Souverän gegen
GWR 409 mai 2016/409 graswurzelrevolution 1 Mai 2016 www.graswurzel.net 45. Jahrgang / Preis: 3,80 Þ (D) 4,80 Þ (A); 4,80 CHF (Schweiz) ISSN 0344/2683 / ZKZ 04025 GWR Abo und Vertrieb: Vaubanallee 2, D-79100 Freiburg GWR-Koordinationsredaktion: Breul 43, D-48143 Münster Anti-Atomkraft Uranabbau stoppen! ; Zu nervig für den Knast ; Marianne Fritzen R.I.P. Seite 6 f. für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft Die Waffen nieder! Roger Willemsen Vegane Anarchie Atomwaffen abschaffen! ; Aktionen in Unveröffentlichte Rede: „Die SchelBüchel ; Elektronische Kriegsführung lenklänge der Landserpublizistik“ Seite 8 ff. Seite 9 f. Kurdistan & Ungarn Interview: roots of compassion ; Allein unter Veganern Seiten 12 & 24 Reportage aus dem Kriegsgebiet in der Türkei ; Wo geht‘s zur Grenze? Seiten 2, 13 ff. Erich Mühsam „An den Kerkertoren hat der Bruderzwist zu schweigen!“ Seite 20 f. Ende Gelände Kohlebagger stoppen! Klima schützen! Seite 3 ff. 13. bis 16. Mai 2016 im Braunkohlerevier Lausitz: Ende Gelände Ein Gespenst geht um in Frankreich: Nuit Debout Eindrücke einer Occupy-Aktivistin von Nuit Debout (Aufstehen/wach bleiben in der Nacht), Paris Seit Ende März 2016, dem Beginn der großen Demonstrationen von ArbeiterInnen und Jugendlichen gegen das neue Arbeitsgesetz der Regierung Hollande, experimentieren Tausende in Frankreich mit neuen Formen der öffentlichen Diskussion. Die Bewegung „Nuit Debout“ ist auch ein Ausdruck des Bedürfnisses nach basisdemokratischen Diskussionen und Entscheidungsstrukturen von unten, von Angesicht zu Angesicht – und nicht nur allein vor dem Computer –, des Bedürfnisses nach direkter Demokratie. Wir berichten in dieser GWR von der Entstehung dieser neuen Diskussionformen auf der Place de la République in Paris und in der Provinz (Marseille, Saint-Denis). Den Anfang macht Marisa Holmes aus New York, die 2011 an den Aktionen von Occupy Wall Street beteiligt war und nun die täglichen Versammlungen auf der Place de la République in Paris darstellt. (GWR-Red.) Im Frühjahr 2016 lancierte die Sozialistische Partei (PS) ein neues Arbeitsgesetz (siehe Kasten in dieser GWR), das eine bedeutende Änderung des Arbeitsrechts und weitaus prekärere Lebensbedingungen mit sich bringen würde. Diese zunehmend repressiven, ausbeuterischen Maßnahmen des Staates hätten ohne Opposition durchgehen können; die Menschen hätten ihrer Angst nachgeben können – aber das haben sie nicht getan. Sie haben angefangen, dagegen anzukämpfen. Alle bedeutenden Gewerkschaften, u.a. auch die an Mitgliedern starke Confédération du Travail (CGT), gingen auf die Straße und protestierten. AktivistInnen aus der Arbeiterbewegung, autonome OrganisatorInnen, GymnasiastInnen und Geflüchtetengruppen kamen bei einem Marsch gegen das Arbeitsgesetz am 31. März zusammen. Direkt danach begannen sie eine Besetzung der Place de la République. Die Besetzung wurde „Nuit Debout“ genannt, was so viel wie „Aufstehen“ oder „Wach bleiben in der Nacht“ bedeutet. Bürgerliche Demokratie oder direkte Demokratie? Im Zentrum der Place de la République gibt es ein Denkmal mit der Mariannen-Statue, dem Symbol der Republik. Fortsetzung und Schwerpunkt: Seite 16 ff. Foto (Ende Gelände-Aktion im Rheinland 2015): Tim Wagner Souverän gegen Rechts Protestaktion linker und anarchistischer Verlage gegen Jürgen Elsässer und Compact auf der Leipziger Buchmesse Halle 5 auf der Leipziger Buchmesse vom 17. bis 20. März 2016. Die dort im letzten hinteren Eck jedes Jahr platzierten linken und libertären Verlage staunten nicht schlecht, als sie zu Messebeginn sahen, wen ihnen die Messeleitung direkt vor die Nase gesetzt hatte: Im selben Gang E, nur wenige Meter weiter vorne befand sich ein Riesenaufbau bis direkt unter die Hallendecke von Jürgen Elsässers „Querfront“-Zeitschrift „Compact“, Untertitel: „Magazin für Souveränität“, das neue Wort der europäischen Rechten für Nationalismus. Auf einem ständig flimmernden Bildschirm liefen die gesamte Messezeit über Interviews mit dem neurechten Elsässer, geführt von kaum 18jährigen, immer langhaarigen Mädchen, die Elsässer mit naiv bewundernden Augen anstarrten, Moderatorinnen von Russia Today nicht unähnlich. An allen vier Ecken des Standes ebenfalls die gesamte Messezeit über vier Schränke, in schwarze Seide gehüllt, leicht erkennbar als Bodyguards, von neofaschistischen Schlägertrupps geliehen. Solch eine Provokation mochten die linken und libertären Verlage nicht auf sich sitzen lassen. Schon vor einigen Jahren wurde der Versuch der Messeleitung, einen (großen) Stand der Bundeswehr auf der Messe langfristig zu etablieren, durch ständige direkte Aktionen vor und im Stand sowie nahe dem Riesensandkasten für Kinder, auf dem Schlachten nachgespielt wurden, vereitelt (die GWR berichtete). Diesmal war das Ziel der Aktionen, Elsässer und seine Zeitschrift aus der Messe wieder zu vertreiben. Es kam jeden Messetag regelmäßig um 14 Uhr 30 vor dem Compact-Stand zu Protestkundgebungen aus dem Spektrum der linken und libertären Verlage, lautstark wurde gerufen: „Souverän gegen Rechts!“ und Parolen gegen Sexismus und Rassismus. Spontan Hinzugekommenen waren die nahe Compact vom Stand der Graswurzelrevolution erhältlichen Ausgaben eine propagandistische Hilfe, denn die Aufmacher „Bleiberecht für alle“ und „Gegen Sexismus und Rassismus“ eigneten sich gut, um sie bei der Protestkundgebung hochzuhalten. Dem neurechten Elsässer und seiner Zeitschrift wird heute eine Auflage von 41.000 Exemplaren nachgesagt und sie machen u.a. offen Propaganda für die AfD: Frauke Petry sei die bessere Bundeskanzlerin, behauptet etwa ein Titelblatt. Elsässer gehört zu den autoritärsten, unsympathischsten und deprimierendsten Figuren der deutschen (Ex-)Linken seit Ende der Siebzigerjahre. Fortsetzung auf Seite 11