Bildungsförderung in der Textil- und Bekleidungsindustrie per

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Bildungsförderung in der Textil- und Bekleidungsindustrie per
FB Betriebs- und
Branchenpolitik
BiBB
04.04.2014
Vorstand
Bildungsförderung in der
Textil- und Bekleidungsindustrie
per Tarifvertrag
Peter Donath
IG Metall Vorstand
VB 02 FB Betriebs- und Branchenpolitik
Bildungsförderung durch Tarifvertrag
FB Betriebs- und
Branchenpolitik
Vorstand
1. Wurzeln in der Gewerkschaft Textil-Bekleidung
2. Tarifvertrag für die Miederindustrie
3. Tarifvertrag für die Textil- und Bekleidungsindustrie
4. Weitere Tarifverträge
5. Fazit
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Die Wurzeln
FB Betriebs- und
Branchenpolitik
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Die Textil- und Bekleidungsindustrie
einst große Konsumgüterbranche
mit über 1 Mio. Beschäftigten (1970)
Arbeitsbedingungen durch hohe Arbeitsteilung geprägt,
Taktzeiten bis zu < 10 Sekunden
Politische Bildung als Baustein zur gesellschaftlichen
Emanzipation von Arbeiterinnen und Arbeitern durch die
Gewerkschaft Textil-Bekleidung thematisiert
(Anfang der 60-er Jahre)
Konzeptionelle Entwicklung in enger Zusammenarbeit mit
Waldemar von Knoeringen
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Ausgangssituation
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1960 Jahren besuchen 82 % der Schüler die Volksschule
(ohne weiterführende Schulen)
Erwachsenenweiterbildung gibt es nur in Ansätzen
Gesetzlich geregelte bezahlte Bildungsfreistellung für
Erwerbstätige ist unbekannt
Auch Betriebsräte haben nur unbezahlten Anspruch auf
Freistellung von der Arbeit für Bildung
Hauptzielgruppe bei den Überlegungen sind
Industriearbeiterinnen und -arbeiter
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Bildungsförderung durch Tarifvertrag
FB Betriebs- und
Branchenpolitik
Vorstand
1. Wurzeln in der Gewerkschaft Textil-Bekleidung
2. Tarifvertrag für die Miederindustrie
3. Tarifvertrag für die Textil- und Bekleidungsindustrie
4. Weitere Tarifverträge
5. Fazit
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Tarifvertrag Miederindustrie (1)
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In den Betrieben der deutschen Miederindustrie
(Damenunterwäsche, Nacht- und Bademoden) gibt es Anfang
der 60-er Jahre erhebliche Konflikte
Diese werden 1963 durch ein großes Tarifwerk befriedet.
Teile sind unter anderem:
• Anerkennung der Rolle der Gewerkschaft als Akteur
• Tarifliche Konfliktlösungsmechanismen
• Zusätzliche Freistellungen von Gewerkschaftsbeauftragten
• Nachteilsausgleich für Gewerkschaftsmitglieder
• Förderung und Freistellungsregelungen für politische Bildung
1964 erfolgt die Gründung der „Miederstiftung“
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Tarifvertrag Miederindustrie (2)
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Kern der Bildungsförderung:
Die Arbeitgeber zahlen 2,5 % der Lohn- und Gehaltssumme
an einen von der Gewerkschaft Textil-Bekleidung (GTB)
gegründeten Verein
Rund ein Drittel der Mittel wird zum Nachteilsausgleich für
Gewerkschaftsmitglieder verwendet, der andere Teil steht der
Stiftung für die Förderung von Bildung, Gesundheit und
Erholung der Beschäftigten zur Verfügung
In der zweiten Hälfte der 60-er Jahre nehmen jährlich rund 25 %
der Beschäftigten an in der Regel einwöchigen Seminaren teil
Es entsteht der Gedanke einer eigenen „Kritischen Akademie“,
der in den 70-er Jahren konkretisiert wird
1977 weiht Bundeskanzler Helmut Schmidt in Inzell/Oberbayern
die Kritische Akademie ein
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Tarifvertrag Miederindustrie (3)
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Die „Miederstiftung“, heute „Stiftung zur Förderung von
Bildung, Erholung und Gesundheitshilfe von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern“, feiert dieses Jahr ihr
50-jähriges Bestehen
Der Tarifvertrag wurde im Jahr 2012 um 10 weitere Jahre
verlängert. Die Arbeitgeber zahlen 3,4 % der Entgeltsumme
Die Produktion der Miederindustrie ist in Deutschland
verschwunden. Es fallen nur noch knapp 2000 Beschäftigte
aus Entwicklung, Verwaltung, Verkauf und Logistik unter den
Tarifvertrag
35 % der Beschäftigten nehmen jährlich Angebote der Stiftung
in Anspruch
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Die Bildungsangebote
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Seminare, Fachtagungen zu
Gesellschaftspoltischen Themen
Kreativität
Beruflicher Qualifizierung
Arbeitsschutz und Gesundheitsprävention
werden durch die Kritische Akademie organisiert und
überwiegend in dieser Einrichtung angeboten
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Die Kritische Akademie in Inzell
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www.kritische-akademie.de
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Bildungsförderung durch Tarifvertrag
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1. Wurzeln in der Gewerkschaft Textil-Bekleidung
2. Tarifvertrag für die Miederindustrie
3. Tarifvertrag für die Textil- und Bekleidungsindustrie
4. Weitere Tarifverträge
5. Fazit
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Textil- und Bekleidungsindustrie
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In der gesamten Textil- und Bekleidungswirtschaft
wurden Arbeitsplätze in Billiglohn-Länder verlagert
Kam in den 70-er Jahren noch die hier verkaufte Kleidung noch
überwiegend aus heimischer Produktion, sind es heute nur
noch 2 %
Vor dem Hintergrund der sich in den 90-er Jahren
verschärfenden Beschäftigungskrise schlossen die
Tarifvertragsparteien 1996 erstmals ein „Bündnis für Bildung
und Beschäftigung“
Teil dieses Vertragswerkes, das ab 1998 von der IG Metall
weitergeführt wurde, ist der Tarifvertrag zur Bildungsförderung.
Er gilt für rund 70.000 Beschäftigte, einschließlich der
Auszubildenden, in West-Deutschland
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Wesentliche Inhalte des Tarifvertrages
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 Gründung einer gemeinsamen Einrichtung
von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaft
 Zahlung eines Bildungsbeitrages durch Arbeitgeber
in Höhe von 12,50 € pro Beschäftigtem und Jahr
in einen Fonds zur Finanzierung von Weiterbildung
 Übernahme von Verdienstausfällen durch die Arbeitgeber
 Eine „Paritätische Kommission“ der gemeinsamen
Einrichtung entscheidet über die Verwendung der Mittel
 Vorschlagsberechtigung für jeweils die Hälfte der Mittel
bei der IG Metall und den Arbeitgeberverbänden
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Zweck des BiT-Tarifvertrages
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Anstoßen von systematischer Weiterbildung in diesem
mittelständisch geprägtem Wirtschaftszweig
Anregung betriebliche Ausschüsse für Weiterbildung zu
gründen
Erhöhte Anforderungen an Qualifikation von Beschäftigten
durch den schnellen Strukturwandel
Verbesserte Beschäftigungsaussichten für qualifizierte
Beschäftigte, die in der Branche ihren Arbeitsplatz verlieren
Deswegen Förderung von berufsfördernde Bildung, auch
ohne Bezug auf aktuelle Tätigkeit
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Durchführung der Bildungsmaßnahmen
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Grundsätzlich möglich sind Maßnahmen bis zur Dauer von
einer Woche
Anspruch für 2 % der Beschäftigten
Keine Anrechnung von Freistellungen auf gesetzlicher
Grundlage (Bildungsurlaub)
Durch Kombination von BiT, Bildungsurlaub, Arbeitszeitkonten
auch mehrwöchige Maßnahmen möglich
Den Verdienstausfall tragen die Arbeitgeber
Durch den Bildungsfonds können finanziert werden
• Kosten der Maßnahme
• Verpflegungs- und Unterbringungskosten
• Reisekosten
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Förderung in der Praxis
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Seminare zu den Themenfeldern:
Arbeitsorganisation
Qualitätsmanagement
Fertigungs- und Produktionstechniken
Gesundheitsprävention
IT-Anwendung
(Fach-) Sprachen
Technik für Kaufleute
Prüfungsvorbereitung
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Anbieter von Weiterbildung nach BiT
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Bildungseinrichtungen der Arbeitgeberverbände oder der
Kammern
Angebote der Stiftung zur Förderung von Bildung,
Erholung und Gesundheitshilfe von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern
(Teilweise gemeinsam mit Angeboten für Beschäftigte
der Miederindustrie und Anspruchsberechtigter aus
anderen Tarifverträgen)
Externe Bildungsanbieter
Die Maßnahmen werden regional oder zentral
durchgeführt, es werden auch spezielle firmen- und
ortsbezogene Maßnahmen organisiert
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So ist BiT organisiert
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Arbeitgeberseitige Förderung
Förderung betrieblicher
Weiterbildungsmaßnahmen
Vorstand
Arbeitnehmerseitige Förderung
Paritätische Kommission
Förderrichtlinien
Verein
Aschaffenburg
Kritische Akademie
Inzell
Zentrale
Seminare
Regionale
Seminare
Individuelle
Förderung
Bildungsbeiträge
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Wirkung von BiT
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2004 hat das Bundesministerium für Bildung und
Forschung das Forschungsinstitut für Arbeit, Technik
und Kultur in Tübingen mit einer Untersuchung zur
Wirkung dieses Tarifvertrages beauftragt
Eine vergleichbare Folgestudie gibt es nicht
Die Bewertung dürfte aber heute durch die mittlerweile
15-jährige Praxis noch positiver ausfallen
Folgende Ergebnisse zitiert aus:
Reinhard Bahnmüller, Barbara Jentgens, Stefanie Fischbach
Nutzung und Wirkungen des Tarifvertrages zur
Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Textil- und Bekleidungsindustrie (West)
Tübingen, 2005
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Zielsetzungen der Nutzung
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Zur persönlichen Qualifizierung
69
Qualifizierung für zukünftige
Aufgaben im bisherigen
Arbeitsbereich
52
51
Qualifizierung für aktuelle
Aufgaben im bisherigen
Aufgabenbereich
64
50
35
Qualifizierung zum Erhalt des
bisherigen Niveaus
32
33
Qualifizierung für höherwertige
Aufgaben/Aufstiegsqualifizierung
30
0
10
20
30
Manager
Betriebsräte
40
50
60
70
80
Prozent
20
Wirkungen und Bewertungen (1)
Intendierte Bewertungen,
volle oder teilweise Bestätigung der Effekte
Wirkungsdimensionen
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Betriebsräte
Manager
 Stärkung der Weiterbildungsmotivation der Beschäftigten
67
49
 Intensivere Auseinandersetzung mit Weiterbildungsfragen
65
44
59
56
44
30
 Erhöhung der Weiterbildungsnachfrage durch Beschäftigte
56
32
 Ausweitung des betrieblichen Weiterbildungsangebots
46
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Motivation, Sensibilisierung und Engagement
Kooperation Betriebsrat Management
 Stärkere Einbeziehung des Betriebsrats
 Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen
Management und BR
Angebot und Nachfrage nach Weiterbildung
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Wirkungen und Bewertungen (2)
Intendierte Bewertungen,
volle oder teilweise Bestätigung der Effekte
Wirkungsdimensionen
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Betriebsräte
Manager
 Verbesserung der Bedarfsermittlung
38
34
 Impulse für strategisches Personalmanagement
36
39
37
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Bedarfsermittlung und Personalmanagement
Reduzierung der sozialen Selektivität
 Stärkere Berücksichtigung benachteiligter Gruppen
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Zusammenfassung
(aktuelle Daten)
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 Geltungsbereich des TV
für 50% der Beschäftigten.
 Mittelaufkommen jährlich
600.000 €. In den ersten 5 Jahren der Wirkung des Tarifvertrages wurden die Mittel
nicht vollständig ausgeschöpft, seitdem übersteigt die Nachfrage die Mittel.
 Nutzungsquote Betriebe
32 % aller nutzungsberechtigten Unternehmen.
 Geförderte Teilnehmer
Ca. 1.000 pro Jahr.
 Geförderte Inhalte
Vorrangig berufsfachliche, extern durchgeführte Seminare in Kursform.
 Zielsetzungen der Förderung
Arbeitgeber: Bewältigung aktueller Anforderungen, Erhöhung Einsatzflexibilität,
selten Zukunftsbezug.
Arbeitnehmer: Allgemeine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und
Qualifizierung für die aktuellen und künftigen Aufgaben im derzeitigen Betrieb.
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Bildungsförderung durch Tarifvertrag
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1. Wurzeln in der Gewerkschaft Textil-Bekleidung
2. Tarifvertrag für die Miederindustrie
3. Tarifvertrag für die Textil- und Bekleidungsindustrie
4. Weitere Tarifverträge
5. Fazit
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Weitere Tarifverträge
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BiT für die Textil- und Bekleidungsindustrie war die
Grundlage für eine vergleichbare Regelung im
Wäschereigewerbe
Desweiteren wurden ähnliche Regelungen in
Firmentarifverträgen abgeschlossen, hauptsächlich von
Firmen mit Bezug zu Textil-Bekleidung
Einzelne Firmentarifverträge mit Bildungsfonds gibt es auch
in der Metall- und Elektroindustrie
Die Qualifizierungstarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie
sind anders aufgebaut
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2. Tarifvertrag für die Miederindustrie
3. Tarifvertrag für die Textil- und Bekleidungsindustrie
4. Weitere Tarifverträge
5. Fazit
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Fazit
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In der mittelständischen Wirtschaft spielt die systematische
Weiterbildung nach wie vor eine untergeordnete Rolle
Die Bildungsförderungs-Tarifverträge in der Textil- und
Bekleidungswirtschaft unterstützen Beschäftigte direkt und
haben die Bildung haben in Betrieben den Anstoß zur
systematischeren Weiterbildung gegeben
Die finanzielle Förderung der Maßnahmen durch einen Fonds
unterstützt die Wirksamkeit einer tariflichen
Bildungsförderung entscheidend
Die Tarifparteien können die Weiterbildung wirksamen fördern
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5. Fazit
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