Leistungssteigerung von Motoren mit Ram Air

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Leistungssteigerung von Motoren mit Ram Air
Leistungssteigerung von Motoren mit Ram Air
Ein Versuch, etwas Licht in die mystische Stauluftaufladung zu bringen.
Mit der Stauluftaufladung soll die Fahrtgeschwindigkeit ausgenutzt werden, um dem Motor
mehr Luft zuzuführen und somit die Leistung zu steigern.
Stauluftaufladung oder — wem es besser gefällt — Ram Air Charging, ist ein Thema, das
bestimmt schon bei vielen Motorstammtischen und Benzingesprächen zu heißen Diskussionen geführt hat. Auch einige Beiträge in meinem Lieblingsforum (www.corvetteforum.de)
drehen sich um dieses Thema. Hauptsächlich diese threads im Corvetteforum waren der
Grund, dass ich mich näher mit diesem Thema beschäftigt habe. Nachdem mich das Ergebnis
sehr verblüfft hat, möchte ich es auch den anderen Mitgliedern nicht vorenthalten.
Ist es nicht seltsam, daß man die charakteristischen Lufthutzen für die
Stauluft fast nur bei Show- oder Muscle Cars sieht und nicht bei
herkömmlichen Autos, wenn damit eine Leistungssteigerung so einfach
möglich wäre? Am Ende werden wir mehr wissen.
Gleich vorneweg eine (natürlich nicht ernst gemeinte) Warnung: Das
Ergebnis wird nicht allen Lesern gefallen.
Ihr lest weiter? Gut Ihr habt es selbst so gewollt.
Wenn man die Wirkungsweise der Stauluftaufladung erklären will, kommt man nicht um
Strömungsmechanik herum. Das schlechte dabei, dieser Wissenschaftszweig entzieht sich
nahezu völlig dem, was man als „gesunden Menschenverstand” bezeichnet.
Praktisch nichts befolgt in der Strömungsmechanik die normale Logik. Um die Verwirrung
komplett zu machen, wird sie mathematisch fast völlig durch experimentell festgestellte
Formeln definiert. Deshalb ist es schwer, normal denkenden Menschen die Strömungsmechanik nahe zu bringen.
In diesem Artikel werde ich deshalb versuchen, manche Begriffe der Strömungsmechanik mit
einfacheren, logisch nachvollziehbaren Begriffen aus der „normalen” Mechanik zu umschreiben. Falls der geneigte Leser ein Studienfach belegt hatte, in dem Strömungsmechanik
vorkam, so möge er wohlwollend über diese hinkenden Vergleiche (Vergleiche hinken immer)
hinwegsehen. Falls er einen Fehler findet ist eine Korrektur natürlich willkommen. Die
Verwendung mathematischer Formeln soll auf das allernotwendigste beschränkt werden, sie
sind aber im Interesse der Beweisführung unersetzlich.
Um das staubtrockene Thema wenigstens ein wenig aufzulockern, habe ich mich entschlossen das ganze als Dialog zu verfassen. (Hoffentlich) viel Vergnügen.
D Also gut Meister dann schieß mal los.
C Zum Grundverständnis müssen wir ein wenig in die Arbeitsweise von Verbrennungsmotoren hineinleuchten.
Luft und Kraftstoff müssen in einem genauen spezifischen Verhältnis, nämlich 14,2 Teile
Luft zu 1 Teil Kraftstoff (dem stöchiometrischen Verhältnis von Superbenzin) gemischt
werden. Nur dieses Verhältnis gewährleistet eine optimale Verbrennung im Zylinder bei
maximaler Kraftentfaltung.
Wird lediglich mehr Kraftstoff eingebracht ohne die Luftmenge zu erhöhen, man sagt das
Gemisch wird überfettet, würde die Leistung sogar sinken, bei gleichzeitig steigenden
Kraftstoffverbrauch.
Es wäre das Gleiche, als wenn man einem Lagerfeuer mehr Hitze entlocken will, in dem
man plötzlich eine große Menge Holz draufwirft. Wenn man Pech hat geht das Feuer aus,
weil es unter Brennmaterial erstickt.
D Klingt logisch, also ist das schon mal keine Lösung.
Seite 1
C So ist es. Untersuchen wir doch mal das Motto der Motorentuner:
Mehr Verbrennungsluft = mehr Motorleistung.
Oder wissenschaftlicher: Finde einen Weg, bei einer gegebenen Drehzahl und gegebener
Drosselklappenstellung, mehr Luft in den Zylinder zu bringen, und man kann mehr Kraftstoff verbrennen, was mehr Leistung bedeutet.
D Wieso denn das?
C Nur der verbrennende Kraftstoff ist gleichbedeutend mit Energie, deshalb bringt mehr Luft
wirklich mehr Energie. Unser Feuervergleich wäre hier das Schmiedefeuer. Erst wenn
durch einen Blasebalg Luft zugeführt wird, ist es heiß genug, dass Eisen glühend wird.
Beim Motor wird die Leistung ja auch direkt mit der Luftmenge über die Drosselklappe
gesteuert.
D Gut, Die Lösung wäre also gefunden. Mehr Luft in die Zylinder bedeutet mehr Leistung,
weil mehr Kraftstoff verbrannt werden kann. Wie geht das nun praktisch?
C Dazu muss man etwas weiter ausholen.
Bei niedrigem Luftdruck und/oder hoher Temperatur nehmen die Gasmoleküle durch
vermehrte Bewegung einen größeren Raum ein.
Die Luft wird also quasi dünner. Es gelangen dadurch weniger Sauerstoffmoleküle in den
Verbrennungsraum. Anders gesagt kommt es nicht auf das Volumen an das angesaugt
wird, sondern auf die Masse.
D Häh? Na ein Liter Luft ist doch immer dasselbe oder?
C Schon richtig. Ein Liter ist immer ein Liter. Aber was ist im Maßkrug drin? Ist dichte Luft
drin, in der viele Sauerstoffmoleküle schwimmen und die prima Verbrennung liefert? Oder
ist es ‘ne dünne Plörre mit wenig Molekülen bei der die Verbrennung so dahindümpelt? Es
ist ja jedesmal ein Liter.
D Oha ich glaub ich hab’s kapiert. Es ist nicht das angesaugte Volumen wichtig, sondern die
angesaugte Masse. Deshalb haben moderne Motoren ja auch einen Luftmassemesser statt
wie früher einen Luftmengenmesser.
C Genau, denn die Masse der Luft ist ausschlaggebend, weil beim Volumen nicht gesagt
werden kann wie dünn oder dick die Luft ist.
Vorsicht jetzt die erste Formel:
Die Masse ist das Produkt aus Volumen und Dichte.
Nachdem der Hubraum unveränderlich ist, saugt der Motor immer das gleiche Volumen
an. Zumindest theoretisch, praktisch wird durch die Trägheit der Gassäulen bei höheren
Drehzahlen die Füllung immer schlechter.
D Es kommt also auf die Dichte der Luft an, wievielt Kraftstoff verbrannt werden kann.
C So ist es. Wir wollen jetzt mal das Problem einkreisen:
Während die Luft den Luftfilter die Einlasskanäle und die Einlassventile durchfließt, verliert
sie Druck und wie schon vor zwei Sätzen erklärt, bedeutet niedrigerer Druck geringere
Dichte und damit weniger Leistung.
Weil der Zylinder ein konstantes Volumen hat, haben wir bei Verringerung der Luftdichte
eine Verringerung der Luftmasse im Zylinder. Die Folge: Weniger verbrennbarer Kraftstoff
— weniger Leistung.
Um die Leistung zu steigern gibt es nun mehrere Lösungen:
Lösung 1:
Vergrößerung des Hubraumes
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D Logisch, größerer Hubraum = mehr angesaugte Luft = mehr verbrannter Kraftstoff =
mehr Leistung.
Das ist die einfachste Möglichkeit der Leistungssteigerung. Wir wollen aber den schwierigeren Weg gehen und lassen den Motor und damit den Hubraum unverändert
Lösung 2:
Verringerung des Druckabfalles vom Ansaugfilter bis zum Brennraum.
Das lässt sich in begrenzten Umfang tun. Man kann z.B. einen Luftfilters einbauen, der
weniger Druckabfall erzeugt als der Serienfilter. Die Zubehörindustrie bietet in dieser
Richtung ja manches an. Einen Betrieb ohne Luftfilter, soll man im Interesse einer guten
Motorlebensdauer nicht machen.
Weiterhin kann man die Rohre im Ansaugtrakt glätten und störenden Ecken, Kanten und
Passungenauigkeiten beseitigen.
D Ja das kenn’ ich, bei meinem Moped habe ich damals die Kanäle sogar auf Hochglanz
poliert.
C Das früher gerne praktizierte hochglanzpolieren bringt gegenüber dem einfachen glätten
kaum eine Verbesserung der Strömung. Wichtig ist, dass es keine Vorsprünge und scharfkantigen Einschnürungen gibt. Ein Beispiel für schlechte Luftführung ist der Faltenbalg am
Einlasstrakt des LS1 Motors. Ungünstiger kann man eine Luftführung eigentlich nicht
machen.
Kleine flache Mulden können dagegen sogar eine Verbesserung bringen. Der Golfball ist
dafür ein gutes Beispiel, wie eine gewisse Rauigkeit eine Strömung verbessern kann.
Sagte ich schon daß Strömungsmechanik nicht mit dem gesunden Menschenverstand
vereinbar ist?
Eine weitere Möglichkeit wäre es, das Einlassventil zu vergrößern. Nachdem das nicht
unbegrenzt möglich ist, werden häufig zwei oder sogar mehrere kleine Einlassventile
eingebaut.
Diese Maßnahmen führen zu einer Leistungssteigerung bei höheren Drehzahlen. Bei
niedrigen Drehzahlen kann dadurch sogar eine Verschlechterung eintreten.
Lösung 3:
Erhöhen des Druckes vor der Drosselklappe, damit der Druckabfall im Ansaugtrakt ausgeglichen werden kann, oder daß sogar mehr als der normale
atmosphärischen Luftdruck in die Zylinder gelangt.
Diesen Ansatz wollen wir gleich vertiefen.
Lösung 4:
Senken der Temperatur der angesaugten Luft.
Auch ein guter Ansatz. Darüber später mehr
D OK Jetzt haben wir Lösungen aber was hat das jetzt mit der Ram Air zu tun?
C Stauluft ist der Versuch Lösung 3 zu verwirklichen.
Unter normalen Umständen ist der Druck an der Drosselklappe der atmosphärische
Luftdruck. Dieser Druck fällt dann noch etwas, bis die Luft die Zylinder erreicht hat. So
weit — so schlecht.
Stauluft soll nun mit einem höheren Druck als dem atmosphärischen Druck an der Drosselklappe anliegen. Nachdem der Druckabfall im Ansaugtrakt gleich bleibt, ist der Zylinderdruck wegen
der Druckzunahme vor der Drosselklappe insgesamt höher.
D Genau so hatte ich mir das ja auch vorgestellt.
C Wie würde nun diese Drucksteigerung entstehen? Die „schlüssige,
logische, vernünftige, oder wie auch immer” Theorie besagt,
wenn man eine Lufthutze direkt im Luftstrom des Fahrzeuges platziert, dann wird die Luft
wegen der Fahrtgeschwindigkeit in den Lufteinlass hineingedrückt.
Eine schöne und schlüssige Theorie — aber leider falsch.
Seite 3
D Hah! wieso soll das denn falsch sein? Wenn ich meine Hand aus dem offenen Fenster eines
fahrenden Autos halte, dann spüre ich doch den Druck und der ist gewaltig. Offensichtlich
entsteht ja Druck durch die Geschwindigkeit der Luft. Das ist der Beweis, dass die Theorie
richtig ist.
C Nun, zur Beantwortung, warum die Theorie falsch ist, muss man den Begriff „Druck” näher
definieren.
Es gibt zwei Arten von Druck: statischen Druck und dynamischen Druck, und als Summe
daraus den Gesamtdruck.
D Wie, was, dynamisch? statisch? gesamt? Na Druck ist doch einfach Druck.
C Leider nein, die Erklärung ist schwierig, darum soll hier ein mechanischer Vergleich weiterhelfen.
Statischer Druck,
Wissenschaftliche Erklärung:
Mechanischer Vergleich:
Statischer Druck, ist eine Eigenschaft die Der statische Druck ist mit einer gespanndem Gas innewohnt, weil sich die Moleküle ten Feder vergleichbar. Die gespeicherte
ständig bewegen. Es ist der Druck, den ein Energie
kann
zu
jedem
beliebigen
Gas im Ruhezustand auf eine Behälterwand Zeitpunkt direkt freigesetzt und damit
ausübt.
genutzt werden (Beispiel: Uhrenantrieb,
Luftgewehr,
Federspeicher-Bremszylinder
am LKW).
Dynamischer Druck
Wissenschaftliche Erklärung:
Mechanischer Vergleich:
Dynamischer Druck, ist nur ein Momentef- Der dynamische Druck ist vergleichbar mit
fekt während der Massenbewegung des einer Masse die fällt. Solange sie am fallen
Gases beim Auftreffen auf ein Hindernis.
ist, ist ihre kinetische Energie völlig nutzlos.
Erst wenn sie auf einen Körper aufschlägt,
wird die Energie wirksam und nutzbar
(Beispiel: Hammer der auf einen Nagel
schlägt).
Gesamtdruck
Wissenschaftliche Erklärung:
Mechanischer Vergleich:
Jedes beliebige Medium (Gas oder Flüssig- Eine fallende Masse kann auch eine
keit), das sich bewegt, kann dynamischen gespannte Feder enthalten, deren Energie
und statischen Druck haben, aber ein beim Aufprall zusätzlich frei wird. Eine
Medium im Ruhezustand kann nur stati- unbewegte gespannte Feder kann aber nur
schen Druck haben. Der Gesamtdruck ist „statische” Energie haben.
die Summe aus statischem und dynamischen Druck.
D Aha, so in etwa ist das jetzt schon klar, aber was hat das mit dem Motor zu tun?
C Ein Verbrennungsmotor benötigt statischen Druck.
D Wieso denn das, im Ansaugrohr herrscht doch eine Strömung und die ist nicht statisch.
C Der Kolben bewegt sich vom oberen zum unteren Totpunkt. Dadurch wird ein Unterdruck
erzeugt. Der statische Druck der Umgebungsluft versucht nun diesen Unterdruck auszugleichen und es strömt Luft in den Zylinder. Wenn genug Zeit vorhanden ist, strömt so
lange Luft in den Zylinder bis dort der gleich Druck herrscht wie im Freien, danach gibt es
keine Strömung im Ansaugrohr mehr. Größerer statischer Außendruck bedeutet also
größeren Druck im Zylinder.
D So einfach ist das also. Gut, ist verstanden.
Seite 4
C Weiter geht’s. Mechanische Lader oder Turbolader machen nun genau das, was auch die
Ram Air tun soll. Sie erhöhen den statischen Druck. Eine Leistungssteigerung durch
Verwendung eines Laders ist ja Tatsache oder?
D Klar durch Lader lässt sich ordentlich die Leistung steigern. Aber ein Lader ist doch auch
nur ein Gebläse das eine Strömung erzeugt.
C Nein, nicht nur. Würde man die Luft die ein Lader liefert, in einen geschlossenen Behälter
leiten (was der Zylinder zum Zeitpunkt des Ansaugtaktes ja auch ist), wäre der statische
Druck in diesen Behälter höher als der Luftdruck.
D Auch wieder wahr.
C Damit Stauluftaufladung funktionieren könnte, müsste die Energie der strömenden Luft,
verursacht durch die Fahrtgeschwindigkeit, also in statischen Druck umgewandelt werden.
D Wieso umwandeln die Stauluft drückt doch auch so in den Zylinder?
C Ohne Umwandlung wäre es so, als würde man in ein leeres Trinkglas hineinblasen. Das
Glas ist ja mit dem statischen Druck der Umgebungsluft „gefüllt”. Bläst man nun in das
Glas wird nur die gleiche Menge Luft die man hineinbläst an den Seiten wieder herausgewirbelt.
D OK so einfach geht es also nicht.
C Die einzige Möglichkeit mit Luftgeschwindigkeit den statischen Druck zu erhöhen, ist den
dynamischen Druck abzubremsen. Dies kann nur in einer Düse geschehen.
D Das verstehe ich nicht, wieso Abbremsen? Mit einer Düse?
C Das ist ein Teil der Strömungslehre den die meisten Menschen nicht verstehen, es ist
einfach irgendwie unlogisch. Eine mechanischen Analogie soll wieder helfen:
Strömungsmechanik:
Dynamischer Druck ist nutzlos solange die
Luft strömt.
Um die kinetische Energie der strömenden
Luft nutzen zu können muss sie abgebremst werden.
Lässt man die strömende Luft in einer Düse
abbremsen kann man die kinetische
Energie nutzen um den statischen Druck zu
erhöhen.
Normale Mechanik:
Eine fallende Masse ist nutzlos, solange sie
fällt.
Um die kinetische Energie der bewegten
Masse nutzen zu können muss sie abgebremst werden.
Bremst man die Masse ab, in dem man sie
auf eine gespannte Feder aufprallen lässt,
kann man die kinetische Energie nutzen um
eine gespannte Feder noch stärker zu
spannen.
D Aha, ist ja gar nicht so schwer — eine Düse muss her. Aber wie soll die denn aussehen?
C Prinzipiell gibt es zwei Bauformen:
Bei der ersten Bauform verengt sich der Luftstrom, man sagt die Düse ist
konvergierend also am Einlass größer als am Auslass. Alles klar?
Bei der zweiten Bauform erweitert sich der Luftstrom, man sagt die Düse ist
divergierend also am Einlass kleiner als am Auslass. Wieder klar?
D Jaaaa, Klar
C Ihr habt nun die Aufgabe eine von beiden Düsen zu wählen:
D Na, das ist doch leicht, sie muss sich verjüngen, also wie war das gleich: sie muss konvergierend sein, dann steigt der Druck an.
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C Möööööööp, falsche Antwort. Danke fürs mitspielen, das wäre Ihr Preis gewesen …
Fast jeder, der nicht mit Strömungsmechanik vertraut ist, hätte diese falsche Antwort
gegeben1.
D Ach was, das kann doch gar nicht sein. Wieso ist denn meine Antwort falsch?
C Jetzt wird es schwierig. Um das beantworten zu können müssen wir die berühmte Formel
von Bernoulli bemühen.
p+
1
2
$ $ v 2 = const
Sehen wir uns die beiden Summanden einmal genauer an:
Der erste Summand (p) ist der statische Druck. Er entsteht aufgrund der Teilchenbewegung und wirkt gleichmäßig in alle Richtungen. Das hatten wir ja schon.
1
Der zweite Summand ( 2 $ $ v 2 ) das ist der dynamische Druck oder Staudruck. Er wirkt nur
in Strömungsrichtung. Das ist aber auch nichts Neues mehr.
Der Satz des Bernoulli besagt nun:
der Gesamtdruck, also die Summe aus
dynamischen und statischen Druck ist immer konstant.
Das klingt vielleicht banal ist aber extrem wichtig.
D Naja die Formel ist ja nicht so schwer, aber ich seh’ jetzt immer noch nicht, warum meine
Antwort mit der Düse falsch gewesen sein soll.
C Zugegeben, es ist auch schwer zu verstehen.
Nehmen wir mal die Düse die vorgeschlagen
wurde, die verjüngende oder konvergierende
Düse, auch Konfusor genannt:
Die Kontinuitätsgleichung
A1 $ v1 = A2 $ v2
besagt, daß die Geschwindigkeit in einem
engen Strömungsquerschnitt höher sein
muss, als in einem weiten, weil das Volumen
gleich bleibt.
Durchfahrt also in Zukunft Autobahnbaustellen, die einen Fahrstreifen sperren, einfach
doppelt so schnell, dann bildet sich kein
Stau.
An der Verengung muss die Luft also
beschleunigt werden, weil alles was vorne
reingeht auch hinten wieder raus muss.
D Das ist wie bei einem Fluss. Wenn er breit ist
fließt er langsam und wenn dann Stromschnellen kommen, wo sich das Flussbett verengt,
fließt er viel schneller.
C Gutes Beispiel, könnte von mir sein. Aber weiter: Nach der Teilgleichung
dynamischen Druck steigt dieser im Quadrat der Geschwindigkeit.
1
2
$ $ v 2 für den
D Hah! na bitte, sagte ich doch, der Druck steigt, wenn man eine Düse nimmt die sich
verjüngt.
C Richtig aber es steigt der dynamische Druck! Welchen Druck braucht der Motor?
D Ähem, der Motor braucht statische Druck.
So ist es! Wie gesagt am Ende der konvergierenden Düse herrscht ein höherer dynamischer Druck, weil die Geschwindigkeit höher ist.
Falsch ist es nur für Unterschallströmungen. Bei Überschallströmungen wäre es sogar richtig gewesen. Bei Überschall ist strömungstechnisch
eigentlich alles genau umgekehrt wie beim Unterschall und noch etwas komplizierter. Das nur, damit das Ganze nicht zu einfach wird.
1
Seite 6
Achtung jetzt wird es spannend. Wie war der Satz des Bernoulli:
D Statischer Druck + Dynamischer Druck = konstant
Am Lufteintritt ist die Geschwindigkeit niedrig und somit der dynamische Druck auch
niedrig.
Am Luftaustritt ist die Geschwindigkeit hoch und damit ist auch der dynamische Druck
hoch.
Gut aufpassen, denn jetzt kommt der Knackpunkt:
Die Bernoullische Gleichung besagt nun ja nichts anderes, als dass die Summe aus statischem Druck und dynamischen Druck immer gleich ist.
D Klar, aber wo ist jetzt der Knackpunkt?
C Wenn am Lufteintritt der dynamische Druck niedrig ist, ist der statische Druck hoch. Wie
ist das dann auf der Luftaustrittsseite?
D Jetzt hat es geknackt. Wegen der Konstanz ist dann am Luftaustritt der dynamische Druck
hoch und der statische Druck muss infolgedessen niedrig sein.
C Völlig korrekt. Und was braucht der Motor noch mal
D Schon gut schon gut, er braucht statischen Druck, mit dynamischen Druck kann er nichts
anfangen. Eine Düse bei der sich der Durchmesser verjüngt, verringert also den
statischen Druck, verringert also somit die Leistung.
Manoman und ich wollte schon vorschlagen, dass man vorne am Lufteinlass doch einen
großen Trichter anbringen könnte, der dann möglichst viel Luft einfängt und in die Zylinder
drückt.
C Der gesunde Menschenverstand würde den Luftfangtrichter vorschlagen. Aber diese
verflixte Strömungsmechanik verhält sich eben genau gegensätzlich.
Die Idee mit dem „Lufteinfangtrichter wäre das falscheste was man tun könnte, denn der
am Trichterende zur Verfügung stehende statische Druck wäre niedriger als ohne diese
„Luftfanganlage” und dementsprechend die Leistung verringert.
D Aber Moment mal, früher hatte man doch auf diesen Mehrfachvergasern
die schönen trompetenförmigen Lufttrichter. Das waren dann doch auch
Düsen?
C Es waren keine Düsen zum Zweck den „dynamischen Druck
einzufangen”. Denn sie befanden sich nicht im Luftstrom des Fahrtwindes. Außerdem
waren die Durchmesserunterschiede gering. Wichtig ist die Abrundung am oberen Ende.
Sie dienten dazu einen möglichst strömungsgünstigen also aerodynamischen Lufteinlass
zu bilden.
In der linken Skizze sieht man wie die Strömung
bei
einem
einfachen
zylindrischen
Rohr
einströmt. Es erfolgt eine Einschnürung wegen
der scharfen Kante.
Rechts eine Strömung mit einem Einlasstrichter.
Hier gibt es keine Einschnürung, weil der Rand
abgerundet ist.
Obwohl unten beide Einlässe den gleichen
Durchmesser haben, ist der Querschnitt beim Lufttrichter besser ausgefüllt, die Luftmenge
kann also etwas größer sein.
D OK ähnliches Aussehen, verschiedene Funktion.
C Also wieder zurück zur richtigen Düse. Welche Düse brauchen wir?
D Es muss eine Düse sein die sich erweitert. Eine divergierende Düse.
C Richtig so eine Düse wird übrigens auch Diffusor genannt. Und wie lautet die Begründung?
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D Am Einlass:
hohe Geschwindigkeit =
hoher dynamischer Druck =
niederer statischer Druck.
Am Auslass:
niedere Geschwindigkeit =
niederer dynamischer Druck =
hoher statischer Druck.
C
Wunderbar das hätte ich nicht besser sagen
können.
Machen wir doch mal eine Beispielsrechnung.
D Wenn es unbedingt sein muss …
C Keine Gnade, es muss sein.
Statischer Druck am Lufteinlass: 1,013 Bar =101300,0
Fahrtgeschwindigkeit v 300 km/h =
83,3
Dichte ρ der Luft bei 20°C=
1,2
Dynamischer Druck am Eintritt=
4166,7
Gesamtdruck am Eintritt=
105466,7
Eintrittsquerschnitt bei Durchmesser 40 mm1256,6
(das ist der Norm-Luftdruck)
Pa
m/s (wenn schon, dann mit richtig speed)
kg/m3 (Luftdichte bei 20°C und 1,013Bar)
Pa
(errechnet mit: 12 $ $ v 2 )
Pa
(Summe aus stat. und dyn. Druck)
2
mm (Eintrittsdurchm. ist willkürlich)
Austrittsquerschnitt bei Durchmesser 80 mm5026,4
Austrittsgeschwindigkeit:
20,8
Dynamischer Druck am Austritt:
260,4
Gesamtdruck am Austritt=Eintritt
105466,7
Statischer Druck am Austritt:
105206,2
mm2
m/s
Pa
Pa
Pa
(Austrittsdurchm. ist der des LS1 Motors)
(errechnet mit: A1 $ v1 = A2 $ v2 )
(errechnet mit: 12 $ $ v 2 )
(der Gesamtdruck bleibt ja konstant)
(Gesamtdruck minus dynamischer Druck)
Differenz Stat. Druck Ein, zu Stat. Druck Aus: 3906,3
Pa
(statt. Druck „Ein” minus statt. Druck „Aus”)
Die Zunahme an statischem Druck beträgt also 3906 Pa = 0,04 Bar (großzügig aufgerundet) bei einem Durchmesserunterschied von 2 zu 1.
D Naja berauschend ist das nicht 0,04 Bar. Aber immerhin das sind rund 4 %, also 4 %
mehr Leistung, somit funktioniert doch die Stauaufladung. Ein Einbau diese Düse würde
sich doch lohnen oder?
Langsam langsam, im Prinzip ja, aber … da gibt es ein erstes Problem:
die Geschwindigkeit am Luftaustritt. Sie ist noch zu niedrig. Aus den Daten des LS1
Motors:
Mittlere Kolbengeschwindigkeit bei 6000 rpm 18,4 m/s
(Daten LS1 Motor errechnet mit: Mittlere Kolbengeschw. [m/s]=
Kolbenhub [mm] $ Drehzahl [min −2 ]
1000 $ 60
=
92 $ 6000
1000 $ 60 )
Geschw. im Ansaugrohr ∅ 80 mm bei 6000 rpm28,2 m/s
Zylinderdurchmesser 2 [mm]
(Daten LS1 Motor errechnet mit: Strömungsgeschw. [m/s]= Ansaugrohrdurchmesser 2 [mm] $Mittlere Kolbengeschw. [m/s]= 99
80 $ 18, 4)
D Oha wir brauchen 28,2 m/s haben aber nur 20,8 m/s. Hmmmm, wir müssen also leider
den Lufteinlass etwas größer machen damit die Strömung nicht so stark abgebremst wird.
C Sehr gut ich sehe ich werde verstanden. Passen wir also den Lufteinlass der Düse an die
Geschwindigkeit im Ansaugrohr an.
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Die Berechnung erspar ich Euch jetzt. Wir brauchen einen Durchmesser von 47 mm am
Lufteintritt. Leider wird dann aber auch der Anstieg des statischen Drucks weniger. Er
beträgt nur noch 0,036 Bar
D Das wird ja immer schlechter also bleiben 3,6 % Leistungszunahme. Aber jetzt hab ich
eine Idee: Man könnte doch vorne auf die Divergierende Düse noch eine Konvergierende
Düse aufsetzen.
C Etwa so?:
D Genau so. Dann wäre doch die Geschwindigkeit der
Strömung im zylindrischen Teil höher als die Fahrtgeschwindigkeit, weil ja die Luft durch die konvergierende Düse beschleunigt wird.
Dadurch ist der dynamische Druck höher und ich
kann ihn in der divergierenden Düse noch stärker
abbremsen und somit mehr statischen Druck
gewinnen.
C Auf den ersten Blick scheint das eine gute Idee zu sein. Wenn man aber nur Lufteintritt
und Luftaustritt betrachtet, was ergibt sich dann?
D Ach wieder nix. Hab schon verstanden. Am Ende hat
man wieder nur eine Düse die sich verjüngt.
C So ist es leider. Was zwischen Ein- und Austritt liegt
ist für unsere Anwendung relativ unwichtig (mögliche
Überschallströmungen bleiben mal unberücksichtigt).
Außer dass wegen der stärkeren Wandreibung und
Verwirbelung das Ergebnis noch schlechter wird.
D Das ist also auch nichts. Verwenden wir also die berechnete divergierende Düse. Es bringt
ja immerhin 3,6% und kostet praktisch nichts.
C Langsam langsam, im Prinzip ja, aber … da gibt es das zweite Problem:
Das ganze funktioniert nur, wenn die Bedingungen genau eingehalten werden. Weder die
Fahrtgeschwindigkeit noch die Motordrehzahl dürfen variieren.
D Oha naja aber man könnte das ganze ja auf die maximale Speed optimieren oder?
C Langsam langsam, im Prinzip ja, aber … da gibt es das dritte Problem:
Nachdem wir uns das nun alles mühsam erarbeitet haben, können wir den Hammer loslassen, der alles vorher gesagte wider völlig einstampft:
Unterhalb 500 km/h gilt Luft annähernd als inkompressibel.
D Häh? was soll’n das nun wieder?
C Zur Begründung hole ich mir jetzt mal einfach fremde Hilfe. Das folgende ist einem
Manuskript von Dipl.-Ing. R. Lux von der TU Dresden entnommen.
Zitat aus: (http://www.ifl.tu-dresden.de/fach/pdf/ad_kap12.pdf)
Kompressibilität der Luft - Machzahl
Die Kompressibilität (auch: Zusammendrückbarkeit) ist die Eigenschaft eines Körpers,
sein Volumen (bzw. seine Dichte) unter der Wirkung äußerer Druckkräfte zu verändern.
(Nichtaerodynamisches) Beispiel:
- Ein Schwamm ist kompressibel.
- Ein Stein ist inkompressibel.
Die Dichteänderung eines strömenden Mediums bei Umströmung eines Körpers ist abhängig von:
- der Art des Mediums
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- der Größe der Druckänderungen (Druckkräfte), die wiederum vom Quadrat der
Geschwindigkeit abhängen.
(Strömungsdynamisches) Beispiel:
- Luft ist kompressibel.
- Wasser ist inkompressibel.
Unter Verwendung der Machzahl Ma kann die Größenordnung der (relativen) Dichteänderung bestimmt (bzw. abgeschätzt) werden:
¡ 12 Ma 2
Wenn ∆ρ/ρ sehr klein ist (∆ρ/ρ<<1), kann man in einer Strömung die Kompressibilität des
strömenden Mediums vernachlässigen!
Die Strömung ist dann näherungsweise inkompressibel.
Aus der letztgenannten Gleichung folgt, daß ∆ρ/ρ klein ist, wenn die Machzahl klein
(gegenüber 1) ist (d.h., die Fluggeschwindigkeit v klein gegenüber der Schallgeschwindigkeit a ist).
Bis zu einer Machzahl von 0,4 kann die Dichteänderung
der Luft, also die Kompressibilität, vernachlässigt werden!
Für eine Machzahl Ma von 0,4 gilt, daß die Dichteänderung ∆ρ/ρ l 0,4²/2 l 0,08,
also
etwa 8 % beträgt. Unter INA-Bedingungen entspricht die Machzahl Ma von 0,4 in der
Höhe 0 einer Geschwindigkeit von etwa 500 km/h.
Zitat Ende
D Wie Bitte? Luft ist inkompressibel? Unmöglich, im Motor wird doch die Luft ständig verdichtet also komprimiert?
C Das ist natürlich richtig. Obiges gilt auch nur bei der Verdichtung von Gasströmungen aber
nicht, wenn die Luft unter mechanischen Kraft komprimiert wird. Hab ich euch nicht am
Anfang gewarnt? Strömungsmechanik ist hirnerweichend.
Verwenden mir wieder unser Modell aus der Mechanik: Unter 500 km/h ist die Geschwindigkeit mit der die Masse auf die Feder prallt einfach zu gering um die Feder noch weiter
nennenswert zu spannen.
D Nun ja das klingt eigentlich ganz plausibel. Was bedeutet das nun praktisch?
C Ganz einfach, von den 0,036 Bar Drucksteigerung bleiben bei 300 km/h (das sind in
Bodennähe rund Mach 0,25; ∆ρ/ρ l 0,25²/2 l 0,03) nur noch 3 % übrig.
D Aber, dann hab ich ja nur noch 0,001 Bar Druckzunahme! Das ist ja weniger als nichts.
C Genau denn das entspricht etwa der Druckzunahme, wenn man von einen 8(!) Meter
hohen Berg runtergefahren ist. (Druckunterschied ca 0,001 Bar auf 8 Meter in
Bodennähe.) Und diese Leistungssteigerung gilt bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 300
km/h(!) Bei niedrigeren Geschwindigkeiten ist es entsprechend weniger.
D Na, noch weniger geht ja schon nicht mehr.
C Aber jetzt wider zurück. Dass Luft unter 500 km/h praktisch nicht kompressibel ist, bedeutet einfach nichts anderes, als:
Die kinetische Energie der Luft kann
unter 500 km/h nicht verwendet werden
um den statischen Druck der Luft wirksam zu erhöhen.
D Dann kann die Stauluftaufladung unter 500 km/h Fahrtgeschwindigkeit ja niemals richtig
funktionieren!
C
Genau so ist es! Stauluftaufladung funktioniert unter 500
km/h kaum. Würden nicht alle Autohersteller diese Aufladung benutzen, wenn es
Seite 10
sie geben würde? Immerhin könnte man so ja fast ohne Mehrkosten eine Mehrleistung
erhalten.
D Also sorry, aber ich kann es immer noch nicht so richtig glauben, dass die Stauaufladung
nicht funktionieren soll.
C Die Strömungsmechanik ist auch schwer zu verstehen. Ich versuch es mit einem letzten
Beispiel:
Wir nehmen einen Lader (Turbo oder mechanisch spielt hier keine Rolle) und schließen ihn
gasdicht am Lufteinlass an. Was passiert?
D Durch den Lader steigt die Leistung, weil der statische Druck durch den Lader höher wird.
C Genau so ist es. Jetzt verwenden wir den gleichen Lader, montieren aber die gasdichte
Verbindung zum Ansaugrohr ab. Wir lassen den Luftaustritt des Laders einfach so über
eine geringe Entfernung in das Ansaugrohr blasen. Was passiert?
D Aha ich glaub jetzt der Cent, gefallen. Es gibt keine Leistungssteigerung.
Weil der Lader nicht dicht mit dem Motor verbunden ist, kann sich kein höherer statischer
Druck aufbauen. Der Lader bläst zwar in Richtung Ansaugrohr, aber was der Motor nicht
sowieso einsaugt wird einfach in die Gegend geblasen.
C Das hätte ich nicht besser sagen können.
D Na gut jetzt glaube ich es, dass es die Stauaufladung nicht gibt. Aber es bringt doch sicher
Vorteile, wenn man die Luft direkt von vorne einströmen lässt.
C In der Realität könnte es durchaus sein, dass durch Luftwirbel die der vermeintliche Ram
Air Duct erzeugt, oder auch durch Verwirbelungen an der Karosserie, oder durch ungünstige Gassäulenschwingungen die Strömung so gestört wird, dass es sogar zu einer
Minderleistung kommt. Denkbar wäre auch, daß durch eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit der statische Druck niedriger ist. Der denkbar ungünstigste Einbauort für
den Ansaugschnorchel wäre auf dem Fahrzeugdach. Dort ist die Strömungsgeschwindigkeit am höchsten und damit der statische Druck niedriger als im relativ strömungsfreien
Motorenraum.
D Ja aber die Formel Rennwagen haben den Ansaugschnorchel doch auch direkt oben drauf?
C Schon, die Strömungsverhältnisse sind bei einer solchen Karosserie aber auch von einem
normalen Auto recht verschieden.
Eigentlich sollte die Luft an einem möglichst ruhigen Ort (ruhig bezogen auf Luftströmungen) entnommen werden. Optimal ist es dann noch, wenn der Lufteinlass keine scharfen
Kanten hat. Das ist aber jetzt ein anderes Teilgebiet der Strömungsmechanik, und zwar
die Aerodynamik.
D Also ist Direkteinströmung an der Fahrzeugfront auch nicht das wahre?
C Das kann man nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die aerodynamischen Verhältnisse an der Fahrzeugfront an, und die sind bei jedem Fahrzeug anders.
D Aber es gibt doch ein paar Autohersteller die so eine Ram Air Anlage
anbieten. z.B. gab es bei Pontiac für den TransAm das Paket WS6
das sich sogar Ram Air Kit oder ähnlich nannte.
C Es ist ein reines Werbeargument, es hört sich gut an und ist im
übrigen hauptsächlich ein optisches Tuning.
D hmmm na gut. Aber für die Corvette gibt doch auch diese speziellen Ram Air Ducts, z.B.
den XxxxRam der mit einer Garantie für Mehrleistung geliefert wird. Was ist denn damit?
C Nun da frage ich mich, wie die Konstrukteure diese Leistungssteigerung gemessen haben.
Auf einem Motorenprüfstand muß die Stauluft simuliert werden, das Auto also gleichzeitig
im Windkanal stehen. Aufwändig aber machbar und reproduzierbar.
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Auf der Straße wäre eine Leistungsmessung auch sehr aufwändig und zudem schwer
reproduzierbar.
Man muß sich die Konstruktion mal genau anschauen. Sie entnehmen die „Stau” Luft ja
generell außerhalb des Motorenraumes.
Und hier kommt Punkt 4 unserer Problemlösungen ins Spiel: Senken der Temperatur
der angesaugten Luft.
D Ach ja, es gibt ja auch diese „Cold Air Induction Systems”.
C Und im Gegensatz zu den Ram Air Intakes funktioniert das mit der kalten Luft sogar, was
sich physikalisch leicht beweisen lässt. Leider müssen wir wieder ein paar Formeln
bemühen:
D Nicht schon wieder …
C Doch doch, ohne Beweis glaubt Ihr mir ja nicht (ich würde es jedenfalls nicht). Die Dichte
der Luft errechnet sich aus:
Dichte [kg/m3]=
Druck [Pa]
J
Spezielle Gaskonstante [ kg$K
] $ Temperatur [K]
Die Spezielle Gaskonstante für Luft = 287
J
kg$K
D Oh Mann immer diese blöden Formeln.
C Mit Beispielen wird’s wieder einfacher:
Beispiel 1:
Beispiel 2:
Die Luft wird aus dem heißen Motorenraum Die Luft wird außerhalb des Motorenraumes
entnommen, die Ansaugleitungen können entnommen, die Ansaugleitungen sind gut
sich durch die Motorabwärme aufheizen.
gegen Hitze isoliert.
Luftdruck = 1,013 Bar = 101300 Pascal
Temperatur = 40°C
= 313 Kelvin
Das ergibt dann für die Luftdichte
101300
3
= 287
$ 313 = 1, 128 kg/m
Luftdruck
= 1,013 Bar = 101300 Pascal
Temperatur = 20°C
= 293 Kelvin
Das ergibt dann für die Luftdichte
101300
3
= 287
$ 293 = 1, 205 kg/m
D Hey da ist die Dichte ja rund 7 % höher wenn die Temperatur 20° niedriger ist.
C Genau, und durch die größere Luftdichte ist auch die Motorleistung größer. In der Praxis
wird es unter Umständen nicht ganz so viel sein, denn der Motorenraum ist ja im allgemeinen gut belüftet. Aber hier ist eine Mehrleistung doch vorhanden und real messbar.
Die so genannten Ram Air Intakes verwenden also zur (garantierten) Leistungssteigerung
einen völlig anderen physikalischen Effekt als sie uns glauben machen wollen.
D Alles klar, weil kalte Luft dichter ist, gelangt mehr davon in die Zylinder, kann mit mehr
Kraftstoff verbrannt werden und das ergibt die Leistungssteigerung.
C Genau so ist es. Ein gutes Beispiel für Leistungssteigerung durch kühlere Luft ist der
Ladeluftkühler, der einem Lader nachgeschaltet wird.
D Im Ladeluftkühler wird die Luft die sich durch den Verdichtungsvorgang im Lader aufgeheizt hat wieder abgekühlt und damit die Dichte vergrößert.
C Das ist richtig. Leider ist das ganze wieder sehr aufwändig und damit auch teuer. Aber es
funktioniert.
D Leistungssteigerung ist also immer mit hohem Aufwand und Kosten verbunden.
C Leider ja. Von nichts kommt nichts, sonst würde es ja einfach jeder machen, vor allem die
Motorenhersteller selbst. Allgemein kann man sagen, dass eine Leistungssteigerung bis zu
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10 % mit einfachen Mitteln möglich sein kann. Eine größere Mehrleistung wird nur durch
aufwändige Umbauten am und im Motor möglich sein.
Und nicht zu vergessen: Wenn der Luftfilterhersteller 6 % Mehrleistung garantiert und der
Auspuffhersteller 8 % und das Chiptuning 7 % und der Nockenwellenhersteller 12 %, dann
beträgt die Mehrleistung nicht einfach die Summe aller Prozentwerte, (im Beispiel wären
das dann 33 %). Denn die einzelnen Werte beeinflussen sich immer gegenseitig. Manche
Tuningmaßnahmen verbessern die Leistung im unteren Drehzahlbereich, andere bei
höheren Drehzahlen.
Besonders mit der Nockenwelle kann man sich seinen Wunschmotor bauen - oder verzweifeln:
Durchzugsstarke und elastische Motoren weisen eine relativ geringe Ventilüberschneidung
von ca. 80 bis 120 Grad auf. Bei Rennmotoren ist die Überschneidung zugunsten der
kompromisslosen Höchstleistung sehr hoch: bis zu 190 Grad KW teilweise noch mehr.
Bei diesen Sportnockenwellen schliesst das Einlassventil mit bis zu 100 Grad nach UT sehr
spät; so wird bei hoher Drehzahl eine hohe Nachladung und damit auch Leistung erzielt.
Im unteren Drehzahlbereich dagegen ist die Leistung miserabel, weil ein Teil des Frischgases wieder in den Einlasskanal zurückgeschoben wird.
Das aber jetzt nur am Rande
D Schade so einfach ist es also nicht.
Erfolgreiches Motortuning ist eine Kunst. Vor allem, wenn auch noch eine annehmbare
Haltbarkeit des Triebwerks gefordert ist. Man muss schon sehr genau wissen was man tut,
um eine tatsächlich messbare Leistungssteigerung und nicht nur eine gefühlsmäßigen
Leistungszuwachs zu erreichen.
D Aber jetzt noch mal zurück zur Leistung bei Verwendung von kalter Luft. Wenn bei kalten
Wetter die Luft dichter ist, dann heißt das doch daß ich mehr Leistung zur Verfügung
habe, dann kann ich auch eine höhere Endgeschwindigkeit erzielen.
C Leider nein, denn auch beim Luftwiderstand geht die Luftdichte mit ein. Einfach gesagt, bei
kaltem Wetter ist die Molekülsuppe dicker als bei warmen Wetter. Und um eine dicke
Molekülsuppe zu durchpflügen braucht es mehr Leistung. Aber im Bereich bis etwa 100
km/h dürfte die Beschleunigung besser werden.
D So’n Mist wieder nix. Aber es soll doch Rennstrecke geben, bei denen streckenweise die
Motoren mehr Leistung bringen.
C Das soll es geben. Das sind dann meist Abschnitte die durch viel Wald führen. Dort soll der
Anteil des Sauerstoffes in der Umgebungsluft minimal höher sein. Mehr Sauerstoff würde
dann, einfach gesagt, mehr Verbrennung bringen, denn der Stickstoff der Luft wird ja
ungebraucht wieder „ausgeschieden”.
D Ahaaa, Dann könnte ich doch einfach eine Sauerstoffflasche im Auto anbringen um bei
Gelegenheit einen extra Boost zu erreichen? Dann bräuchte man dieses sauteure NOS
nicht.
C Reinen Sauerstoff zu verwenden ist äußerst kritisch, denn der Zunahme an Leistung steht
die enorme Zunahme an Verbrennungstemperatur gegenüber. Da sind dann schneller als
man Überholen könnte Kolben und Ventile zusammengeschmolzen.
Beispiel gefällig:
Eine handelsübliche Gaslötlampe verbrennt das Gas mit angesaugter Umgebungsluft.
Flammentemperatur so ca. 1500°C.
Ein Schweißbrenner führt dem Brenngas reinen Sauerstoff zu. Flammentemperatur ca.
3000°C
D Gut Sauerstoffeinspritzung ist also auch keine Lösung. Wie funktioniert dann das NOS ?
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C NOS als Bezeichnung für Nitrous Oxide System verwendet Distickstoffoxid (Trivialname
Lachgas) mit der chemischen Formel N2O. Distickstoffoxid ist ein farbloses und unbrennbares Gas, es wird zusätzlich zum Kraftstoff-Luftgemisch eingespritzt.
D Was unbrennbares Gas? Aber wie soll denn das dann die Leistung steigern?
Durch die Lösung 4: Senken der Temperatur der angesaugten Luft.
N2O Moleküle bestehen aus zwei Atomen Stickstoff (N2) und einem Atom Sauerstoff (O).
Bei der Einspritzung in den Brennraum wird das Kraftstoff-Luft-Gemisch sehr stark
abgekühlt (ca.20-40 Grad Minus je nach Einspritzmenge), dadurch wird die Dichte höher.
Somit kann mehr Kraftstoff-Luft-Gemisch angesaugt werden.
Ab einer Temperatur von ca. 300 °C wird dann das Sauerstoff-Atom freigesetzt und unterstützt die Verbrennung, es kann nochmals etwas mehr Kraftstoff eingebracht werden. Das
Lachgas wird mit einer Temperatur von ca. minus 80° eingespritzt, deshalb ist die thermische Schädigung des Motors durch Überhitzung wesentlich geringer als es bei reinem
Sauerstoff der Fall wäre. Eine Schädigung von Motor, Antriebsstrang und Getriebe durch
mechanische Überlastung kann aber möglich sein.
D OK ich glaube jetzt sind alle Klarheiten beseitigt. Es gibt also scheinbar keinen einfachen
Weg meiner Corvette zu merklich mehr Leistung zu verhelfen, schon garnicht mit
Stauluftaufladung.
C Es gibt viele Wege zur Leistungssteigerung und alle haben ihre Vor- und Nachteile, aber
keinen einfachen und vor allem billigen Weg. Bevor wir noch weiter vom ursprünglichen
Thema abschweifen, wäre jetzt das Ende dieses Artikels erreicht. Falls der geneigte Leser
bis hierher durchgehalten hat und sagt „wieder was gelernt” dann würde mich das freuen.
Noch ein paar Anmerkungen:
Die Resultate der Rechenbeispiele sind rein theoretischer Art. Gerade in der Strömungsmechanik sind
viele Ergebnisse nur ungenügend vorausberechenbar. Sonst bräuchte niemand Windkanäle. Die
verwendeten Rechengänge sind außerdem stark vereinfacht, rein modellhaft und nur für ideale Gase
gültig.
Nicht berücksichtigt wurde, ob die Strömung laminar oder turbulent verläuft. Es dürfte aber bereits bei
Leerlaufdrehzahl eine Reynoldszahl von weit mehr als 2320 erreicht werden, somit ist die Strömung
im Ansaugtrakt sicher turbulent. Auch ob eventuell Strömungsablösungen durch eine zu rasche
Querschnittserweiterung zu erwarten sind wurde nicht berechnet. Wir nahmen weiterhin an, daß die
Strömung über den ganzen Querschnitt gleich schnell ist, auch das entspricht nicht der Wirklichkeit.
Unberücksichtigt blieb auch der Wirkungsgrad des Diffusors und die Temperaturerhöhung beim
Kompressionsvorgang im Diffusor.
Die errechneten Ergebnisse würden zwar dadurch an der x-ten Stelle nach dem Komma genauer, aber
die Ergebnisse werden sicher noch ungünstiger, das heißt die extrem geringe Leistungssteigerung
durch Stauluftaufladung (zur Erinnerung: 0,001 % bei 300 km/h) wird noch weiter reduziert, geht
also vollends gegen Null.
Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde eine mögliche Überschallströmung in einen auf den Lufteinlass
aufgesetzten Konfusor. Eine Strömung mit Überschall würden durch Verdichtungsstösse tatsächlich
einen Anstieg des statischen Druckes bewirken, allerdings verbunden mit einer Zunahme der Lufttemperatur = Abnahme der Luftdichte. Diese Verdichtungsstösse sind aber extrem schwierig zu berechnen
und in der Praxis noch schwieriger zu realisieren, vor allem, wenn sie bei normalen Kfz-Geschwindigkeiten funktionieren sollen.
Einige der Leser werden jetzt denken, „hab ich doch immer gesagt, Ram Air ist Humbug”. Bei
einigen wird das Gesicht etwas länger geworden sein, weil sie fest an den Mythos
Stauluftaufladung geglaubt hatten.
Sicherlich wird es noch ein paar Autobesitzer geben (vornehmlich
solche, die eine Staulufthutze angebaut haben) die sich auch durch
diesen Beitrag nicht von Ihrem Glauben an die Ram Air Charging
abbringen lassen.
Ich denke, wir wissen es jetzt besser.
Euer Harald AKA TeraVolt
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