schumann - Tonkünstler

Transcrição

schumann - Tonkünstler
ROBERT SCHUMANN
(1810 – 1856)
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Gesamtaufnahme
LIVE
«Manfred»
Dramatisches Gedicht in drei Abteilungen von Lord Byron mit Musik op. 115
GESAMTAUFNAHME
«Manfred»
Dramatic Poem in three parts by Lord Byron with music op. 115
COMPLETE RECORDING
Dramaturgische Textfassung von Christian Lackner
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Theresia Melichar Englischhorn
Wiener Singverein
Rainer Guggenberger Bass (Ariman)
Johannes Prinz Einstudierung
Sigrid Plundrich Sopran (Astarte)
Michelle Breedt Mezzosopran (Nemesis, Geist)
Johannes Chum Tenor (Gemsenjäger)
Florian Boesch Bass (Abt)
Martin Schwab Sprecher (Manfred)
Bruno Weil Dirigent
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11:28
1:45
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Erste Abteilung
Die Geschichte könnte ungefähr so beginnen …
Nr. 1: Gesang der Geister
Vergessen sucht Manfred …
Nr. 2: Erscheinung eines Zauberbilds
Nr. 3: Geisterbannfluch
Manfred erwacht …
Nr. 4: Alpenkuhreigen
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Zweite Abteilung
Nr. 5: Zwischenaktmusik
In der Hütte des Jägers ...
Nr. 6: Rufung der Alpenfee
Die Alpenfee ...
Nr. 7: Hymnus der Geister Arimans
Ariman auf seinem Thron …
Nr. 8: Wirf in den Staub dich
Nr. 9: Zermalmt den Wurm
Nr. 10: Beschwörung der Astarte
Nr. 11: Manfreds Ansprache an Astarte
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Dritte Abteilung
Die Abenddämmerung naht …
Nr. 12: Ein Friede kam auf mich
Ein Besucher unterbricht seine Gedanken …
Nr. 13: Abschied von der Sonne
Noch einmal naht ihm der Abt ...
Nr. 14: Nichts. – Blick nur hierher
Nr. 15: Schluss-Szene (Klostergesang)
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Ouvertüre
Prolog
11:28
1:45
The story might perhaps begin like this …
No. 1: The Spirits’ Song
Forgetfulness is what Manfred desires
No. 2: A Heavenly Apparition
No. 3: The Spirits’ Incantation
At dawn Manfred wakes
No. 4: Round Dance of the Alpine Herd
3:11
3:31
1:15
1:34
4:33
1:15
3:04
No. 5: Incidental Music
In the hunter’s dwelling
No. 6: Adjuration of the Witch of the Alps
The Witch of the Alps
No. 7: Hymn of the Spirits of Arimanes
Arimanes sits on his throne
No. 8: Prostrate Thyself, and Thy Condemned Clay
No. 9: Crush the Worm!
No. 10: The Summoning of Astarte
No. 11: Manfred’s Speech to Astarte
2:45
1:58
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Act I
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Act II
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Overture
Prologue
68:09
Act III
Sunset approaches
No. 12: There Is a Calm upon Me
A visitor interrupts his thoughts
No. 13: Leave-taking from the Sun
The abbot returns
No. 14: Nothing. – Look There, I Say
No. 15: Final Scene (Monastic Chorus)
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TT
68:09
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Manfred
Dramatisches Gedicht in drei Abteilungen
A dramatic poem in three parts
Sprechertexte: Christian Lackner
Gesangs- und Melodramentexte:
George Gordon Noel Byron
(Übersetzung von Karl Adolf Suckow )
Narrator’s text: Christian Lackner
(translated by Steph Morris)
Dramatic text, sung and spoken, adapted from
the tragedy by: George Gordon Noel Byron
1 Ouvertüre
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1 Overture
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2 Prolog
■
Sprecher
Ein Mann sitzt im selbst gewählten Exil am
Genfer See und schreibt über einen Mann im
inneren Exil in den Schweizer Bergen. Der
Mann ist knapp 30 Jahre alt; hochwohlgeboren
hat er seine gesellschaftliche Stellung daheim
in England durch zahllose private Tabubrüche
verspielt: Erst das Verhältnis mit einer verheirateten Frau von vornehmem Stand, dann die
inzestuöse Liebe zu seiner Schwester und ihr
gemeinsames Kind, und zuletzt die gescheiterte Ehe mit skandalträchtiger Trennung.
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2 Prologue
■
Narrator
A man sits in self-imposed exile on the shores
of Lake Geneva, writing about a man in spiritual exile in the Swiss Alps. The man is barely
thirty years old. Born into one of the best families in England, he has squandered his position in society back home by repeatedly breaking taboos: first his relationship with a married woman of high standing, then the incestuous love affair with his sister, resulting in a
shared child, and finally his failed marriage
and the scandal surrounding the separation.
The year is 1817 and it is the era of «dark
romanticism»: to sensitive souls the landscape
Es ist das Jahr 1817, es ist das Zeitalter der
«schwarzen Romantik»; Landschaft und Atmosphäre der Schweizer Seen und Berge wirken auf
empfängliche Gemüter gleichermaßen überwältigend wie bedrohlich. Der Mann im Exil hat
gleichgesinnte Gefährten aus der Heimat um
sich versammelt, und sie alle schreiben düstere
Fabeln über Männer, die aus dem inneren Exil
ausbrechen wollen und an einer feindseligen, verständnislosen Welt scheitern: John Polidori
erschafft den «Vampir» als neuen literarischen
Prototypen, Mary Shelley den «Frankenstein» als
«neuen Prometheus». Und unser Mann – er
heißt George Gordon Noel Byron – ist von
Goethes «Faust» ebenso über alle Maßen angetan
wie von sich selbst und er verschmilzt folglich
diese beiden Gestalten zu «Manfred», dem
Helden als egomanen Rebellen und Außenseiter.
Ein Mann nachts in den Schweizer Bergen …
Erste Abteilung
Das Gebirge der Jungfrau.
Nacht; gänzlich bedeckter Himmel
3 Sprecher
■
Die Geschichte könnte ungefähr so beginnen:
«Es war in unseres Lebensweges Mitte,
Als ich mich fand in einem dunklen Walde;
Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege.
Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald,
Der wildverwachsen war und voller Grauen
Und in Erinn’rung schon die Furcht erneut:
and atmosphere of the Swiss lakes and mountains appear both magnificent and threatening. The exiled man has assembled kindred
spirits from his homeland around him and all
are writing dark tales of men who seek to
break out of exile or who founder against a
hard, hostile world: John Polidori has created
a new literary prototype with «The Vampyre»;
Mary Shelley the «new Prometheus» with her
«Frankenstein». And our man – his name is
George Gordon Noel Byron – is as enamoured
of Goethe’s «Faust» as he is of himself and has
fused both figures to form «Manfred», the
hero as egomaniac rebel and outsider: a man
in the Swiss mountains at night ...
Act I
The Jungfrau mountain range at night: the sky
is wholly overcast.
3 narrator
■
The story might perhaps begin like this:
Midway on our life’s journey. I found myself
In dark woods, the right road lost. To tell
About those woods is hard – so tangled and rough
And savage that thinking of it now, I felt
The old fear stirring: death is hardly more bitter.*
But no, no, this human tragedy does not greatly resemble the «Divine Comedy»: not only do
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So schwer, dass Tod zu leiden wenig schlimmer.»
Nein, nein, ganz so wie in der «Göttlichen Komödie» geht es in dieser menschlichen Tragödie
nicht zu: Nicht nur, dass dort oben «auf der
Gebirge unwegbarsten Klippen» kein Wald
mehr wächst, sondern sich eine steinerne
Wüste erstreckt – unser Held Manfred ist auch
nicht Dante, ist nicht unterwegs auf der Suche
nach Erkenntnis, sondern strebt ganz im
Gegenteil nach Vergessen. Er ist ruhelos und
verloren: Schlaf tröstet und erquickt ihn schon
lange nicht mehr, sondern erneuert stets nur
seine düsteren Erinnerungen.
Er hat, ach, «Philosophie und Wissenschaft,
der Wunder geheimsten Ursprung und des
Weltalls Wissen» studiert, doch ist er nun so
klug als wie zuvor, was den Sinn seines Daseins
betrifft. Er hat Menschen Wohltaten erwiesen
und andere sich zu Feinden gemacht oder vernichtet. Doch Gutes und Böses, Gewalt und
Leidenschaft samt allen Gefühlen wie Furcht,
Hoffnung oder Liebe, zählen ihm nichts mehr
seit jener namenlosen Stunde, die ihn ins Unglück gestürzt hat. Und was die Erde ihm nicht
geben kann, das sollen über- oder unterirdische Mächte ihm zukommen lassen …
Manfred
Jetzt an mein Werk! Geheimnisvolle Macht,
Und ihr, des grenzenlosen Weltalls Geister,
Die ich gesucht in Finsternis und Licht, –
Ihr, die ihr euch lagert
Auf der Gebirge unwegbarsten Klippen,
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no trees grow on «the tops of mountains inaccessible», where instead a stony wasteland
stretches; our hero Manfred is not Dante, is
not travelling in search of knowledge: quite
the opposite; he is desperate to forget. He is
restless and lost; sleep has long since ceased to
relieve or refresh him, instead causing dark
memories to surface.
He might even, alas, have studied «philosophy and science, and the springs of wonder,
and the wisdom of the world» but he is no
more enlightened than before when it comes
to the meaning of his own existence. He has
done good deeds to some; others he has made
his enemies or destroyed. But neither good
nor evil, violence nor passion, nor the emotions of fear, hope or love, mean anything
more to him since the unnameable hour
which cast him into misery. And what the
earth can no longer give him, unearthly or
supernatural powers are to provide ...
Manfred
Now to my task! Mysterious Agency!
Ye spirits of the unbounded Universe!
Whom I have sought in darkness and in light –
Ye, who do compass earth about, and dwell
In subtler essence – ye, to whom the tops
Of mountains inaccessible are haunts,
And earth’s and ocean’s caves familiar things –
In Höhlen haust der Erde und des Meers, –
Ich rufe Euch bei jener Zauberschrift,
Die Euch mir untertan macht, – auf!
Erscheint! – erscheint!
Sie kommen nicht! Nun bei dem Zeichen,
Das euch erzittern macht: Auf!
Erscheint! – erscheint!
Ist’s so? Nun Geister ihr der Erd’ und Luft,
Ihr sollt mich nicht verhöhnen;
Beim Fluch, der schwer auf meiner Seele ruht,
Bei dem Gedanken in mir und um mich,
Es rufet euch mein Machtgebot – erscheint!
4 Nr. 1: Gesang der Geister
■
Erster Geist
Dein Gebot zieht mich heraus
Aus dem hohen Wolkenhaus,
Das, erbaut von Dämmerluft,
Goldig glänzt im Abendduft;
Ob auch ruchlos dein Begehr,
Flog auf Sternenstrahl ich her,
Der Beschwörung untertan, –
Sag’ mir deinen Wunsch nun an!
Zweiter Geist
In des Wassers blauer Tiefe,
Wo die Welle sich nicht bewegt,
Wo der Wind ist ein Fremdling,
Sich die Schlange der See nur regt,
Wo das Meerweib mit Muscheln
Das Haar sich schmückt,
I call upon ye by the written charm
Which gives me power upon you – Rise! appear!
They come not yet. –
Now by the voice of him
Which makes you tremble – Rise! appear!
Appear!
If it be so. – Spirits of earth and air,
Ye shall not thus elude me:
By the strong curse which is upon my soul,
The thought which is within me and around me,
I do compel ye to my will. – Appear!
4 No. 1: The Spirits’ Song
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First Spirit
Mortal! to thy bidding bow’d.
From my mansion in the cloud,
Which the breath of twilight builds.
And the summer’s sun-set gilds;
Though thy quest may be forbidden,
On a star-beam I have ridden;
To thine adjuration bow’d,
Mortal – be thy wish avow’d!
Second Spirit
In the blue depth of the waters,
Where the wave hath no strife,
Where the wind is a stranger,
And the sea-snake hath life,
Where the Mermaid is decking
Her green hair with shells;
Like the storm on the surface
Came the sound of thy spells; –
To the Spirit of Ocean
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Hat wie Sturm auf dem Wasser
Dein Bann mich durchzückt, –
Wohlan dem Geist des Meeres
Sag’ an, was du gewollt!
Dritter Geist
Wo die Wurzeln der Anden
Sich senken im Lauf,
Wie die Gipfel zu Himmel
Sich recken hinauf:
Den Geburtsort verließ ich,
Dein Spruch zog mich fort,
Dein Rufen bezwang mich,
Mein Herr ist dein Wort!
Vierter Geist
Der Sonnenball ist Heimat mir!
Warum mit Dunkel quälst mich hier?
Die vier Geister
Luft, Wasser, Erd’ und Feuer zeugen
Von unsrer Kraft; wir sind dein eigen
Und schauen gewärtig deines Winkes auf dich,
– Was willst du von uns, Sohn des Staubes?
Sprich!
5 Sprecher
■
Vergessen sucht Manfred, nur diese eine Gabe
erbittet er. Was oder wen er aus seiner Erinnerung tilgen will und warum, mag er nicht aussprechen, die Geister wüssten es bei einem
Blick in sein Inneres ohnedies. Doch genau
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Thy wishes unfold!
Third Spirit
Where the roots of the Andes
Strike deep in the earth.
As their summits to heaven
Shoot soaringly forth;
I have quitted my birth-place,
Thy bidding to bide –
Thy spell hath subdued me.
Thy will be my guide!
Fourth Spirit
The sun’s bright orb is my true home.
Why do you torture me with gloom?
The Four Spirits
Earth, ocean, air, night, mountains, winds,
thy star,
Are at thy beck and bidding, Child of Clay!
Before thee at thy quest their spirits are –
What wouldst thou with us, son of mortals –
say ?
5 Narrator
■
Forgetfulness is what Manfred desires; this
one boon is all he begs. Who or what he seeks
to erase from his memory – and why – he will
not say; one glance into his soul and the spirits
would know anyway. But it is precisely the gift
of oblivion, of «self-oblivion» indeed, which
the unearthly beings lack, claiming not even to
possess power over death; and the gift they do
dieses Geschenk der Vergessenheit, ja Selbstvergessenheit besitzen auch die überirdischen
Mächte nicht, besitzt nach ihren Worten nicht
einmal der Tod, und was zu geben sie imstande sind und ihm anbieten – Herrschaft über
die Menschen oder gar die Elemente – braucht
und will Manfred nicht.
So wäre alle Geisterbeschwörung vergeblich
gewesen, reizte ihn nicht zumindest die Vorstellung, die körperlosen Erscheinungen, die sich
ihm nur als Stimmen zugesellt haben, in Form
einer sichtbaren Figur, eines erkennbaren
Antlitzes wahrzunehmen. Deshalb fordert er den
mächtigsten der Geister auf, eine frei gewählte
Gestalt anzunehmen – und erblickt sogleich jene
Frau, die die Ursache seines Unglücks ist …
6 Nr. 2: Erscheinung eines Zauberbildes
■
Manfred
O himmlische Erscheinung!
Das schönste Weib, das Menschenauge sah –
O Gott, – ist’s so, wenn du nicht Wahnbild,
Verhöhnung du nicht bist, o dann würd’ ich
Doch noch der Seligste! – Umarmen will
Ich dich, und dann –
(Die Gestalt verschwindet.)
Weh, schon zerfließt die schöne Truggestalt –
entschwindet –
Weh’, weh – mir bricht das Herz!
Nieder zur Erde sink’ ich.
(Manfred fällt besinnungslos zu Boden.)
offer – sovereignty over mankind and even the
elements – Manfred neither needs nor wishes
for.
Thus he might have summoned the spirits
in vain, were he not intrigued by the idea of
perceiving the disembodied apparitions –
manifest to him solely as voices – in the form
of a visible figure, a discernable face. And so
he requests the most powerful of the spirits to
adopt any figure at will – and is faced with the
woman who is the cause of his misery ...
6 No. 2: A Heavenly Apparition
■
Manfred
O heavenly apparition! The finest female figure
Known to human eyes! –
Oh God! if it be thus, and thou
Art not a madness and a mockery,
I yet might be most happy. – I will clasp thee,
And we again will be –
(The figure vanishes.)
Woe! The beautiful image has faded away.
Oh woe! – My heart is crush’d!
I sink to the earth.
(Manfred falls senseless to the ground.)
7 No. 3: The Spirits’ Incantation
■
The Four Spirits
When the moon is on the wave,
And the glow-worm in the grass,
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7 Nr. 3: Geisterbannfluch
■
Vier Geisterstimmen
Wenn der Mond auf stiller Welle
Und im Gras der Glühwurm scheint,
Und der Flamm’ auf Grabesstelle
Sich des Sumpfes Irrlicht eint;
Schießt der Stern in schnellem Fall,
Eule ruft im Widerhall,
Ruhen schweigend Büsch’ und Matten
In des Hügels stillem Schatten:
Dann soll deine Seele mein
Durch Gewalt und Zauber sein.
Eine Geisterstimme
Von deinen Tränen kocht’ ich Saft,
In ihm wohnt sichre Todeskraft;
Aus deinem Herzen zapft’ ich Blut,
Aus schwarzen Quells tiefschwarzer Flut;
Ich fing des Lächelns Schlange weg,
Die lauernd dort lag im Versteck;
Ich nahm der Lippen Reiz dir ab,
Der stärkste Giftkraft Allem gab;
Ich prüfte jedes Gift: allein
Ich fand, das giftigste war dein.
Drei Geisterstimmen
Die Schale gieß’ ich auf dich aus,
Sie weiht dein Haupt dem Zaubergraus;
Nicht der Schlummer noch der Tod
Löse dich aus dieser Not;
Ob der Tod erwünscht dir sei,
Fasse dich doch Todesscheu;
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And the meteor on the grave,
And the wisp on the morass;
When the falling stars are shooting,
And the answer’d owls are hooting,
And the silent leaves are still
In the shadow of the hill
Shall my soul be upon thine,
With a power and with a sign.
One Spirit’s Voice
From thy false tears I did distil
An essence which hath strength to kill;
From thy own heart I then did wring
The black blood in its blackest spring;
From thy own smile I snatch’d the snake,
For there it coil’d as in a brake;
From thy own lip I drew the charm
Which gave all these their chiefest harm;
In proving every poison known,
I found the strongest was thine own.
Three Spirits’ Voices
And on thy head I pour the vial
Which doth devote thee to this trial;
Nor to slumber, nor to die,
Shall be in thy destiny;
Though thy death shall still seem near
To thy wish, but as a fear;
Lo! the spell now works around thee,
And the clankless chain hath bound thee;
O’er thy heart and brain together
Hath the word been pass’d – now wither!
Sieh’, das Zauberwort umwand dich,
Kette, tonlos, nun umband dich;
Durchfuhr dir durch Herz und Sinn
Dieser Spruch –
Vier Geisterstimmen
– nun welke hin!
(Manfred erwacht aus seiner Ohnmacht. Die
Morgendämmerung bricht an und beleuchtet die
höchsten Felsenspitzen.)
8 Sprecher
■
Manfred erwacht zur Morgendämmerung aus seiner Bewusstlosigkeit, in die ihn das Erscheinen
und mehr noch das Verschwinden der Frauengestalt gestürzt haben. Die Geister, die er rief, ist er
losgeworden. Doch die Dämonen seines Inneren
peinigen ihn unvermindert weiter: Die Schönheit
der morgenfrischen Bergwelt dringt nicht bis in
seine Herzenstiefe, vielmehr scheint die Natur ihn
einzuladen, seinem Elend durch den Sprung von
einem Felsen ein Ende zu setzen.
Doch während das Gewissen Feige aus uns
allen macht, so herrscht über Manfred eine andere, namenlose Macht, die ihn zwingt, die Pfeil’ und
Schleudern des wütenden Geschicks zu erdulden
– auch wenn dies Leben ihm nichts mehr zu bieten hat als schonungslose Selbsterkenntnis und
Selbstzerfleischung. Da erklingen aus der Ferne
eine Hirtenschalmei und Herdengeläute, und
während Manfred immer höher steigt, klimmt
hinter ihm ein Gemsenjäger rasch empor …
All Four Spirits
– now wither!
(Manfred awakes from his stupor. The sun rises
and illuminates the highest mountain peaks.)
8 Narrator
■
At dawn Manfred wakes from the unconscious
state into which the appearance – and worse
the disappearance – of the female figure had
thrown him. The spirits he called up have
abandoned him. But his inner demons still
torment him relentlessly. The beauty of the
crisp Alpine morning cannot penetrate the
depths of his heart; the natural world seems
rather to be inviting him to end his misery by
leaping from a clifftop.
But while our conscience makes cowards of
us all, Manfred is ruled by a different, nameless
power, compelling him «to suffer the slings and
arrows of outrageous fortune» – even when life
has nothing more to offer him than brutal selfawareness and self-flagellation. At this moment
a shepherd’s pipe and cowbells ring out, and
while Manfred climbs ever higher, a chamois
hunter rushes after him ...
9 No. 4: Round Dance of the Alpine Herd
■
(A shepherd’s pipe is heard in the distance and
later cowbells.)
12
9 Nr. 4: Alpenkuhreigen
■
(Man hört eine Hirtenschalmei in der Ferne und
später Herdengeläute.)
Manfred
Horch, der Ton!
Des Alpenrohrs natürliche Musik – Denn hier
ward nicht zu bloßer Hirtendichtung
Die Patriarchenzeit – in freien Lüften
Vermählt dem Klinggeläute muntrer Herden;
Die Töne trinkt mein Geist. – O wär’ ich doch
Solch’ sanften Klanges ungeseh’ner Geist,
Lebend’ge Stimme, atmende Harmonie,
Leiblose Wonne, – sterbend wie geboren
Im sel’gen Tone, der mich zeugte!
(Manfred ist während der vorigen Worte immer
höher gestiegen.)
Gemsenjäger
Hier entsprang die Gemse: angeführt hat mich
Ihr flinker Fuß; mein heutiger Gewinn
Lohnt kaum die Halsarbeit.
Doch wer dort oben?
Der scheint mir nicht vom Handwerk,
und hat doch
Erreicht die Höhe, die sobald wohl keiner,
Die besten Jäger nur erklimmen, – Nun,
Ich will ihm näher treten.
Sprecher
Kaum dass der Jäger den rastlosen Helden
erspäht hat, erkennt er mit dem geübten Blick
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Manfred
Hark! the note,
The natural music of the mountain reed –
For here the patriarchal days are not
A pastoral fable – pipes in the liberal air,
Mix’d with the sweet bells of the sauntering herd;
My soul would drink those echoes. – Oh, that I were
The viewless spirit of a lovely sound,
A living voice, a breathing harmony,
A bodiless enjoyment – born and dying
With the blest tone which made me!
(While speaking these words Manfred has been
climbing ever higher.)
Chamois Hunter
This way the chamois leapt: her nimble feet
Have baffled me; my gains today will scarce
Repay my breakneck travail. – What is here?
Who seems not of my trade, and yet hath
reach’d
A height which none even of our mountaineers,
Save our best hunters, may attain:
I will approach him nearer.
Narrator
Immediately the hunter spies our unquiet
hero, with the practised gaze of a mountain
dweller he recognizes the danger this dilettante mountaineer has placed himself in with
his aimless ascent through the high mountain
terrain. In fact Manfred is seeking release
from his ills through the intervention of
des Bergbewohners, in welcher Lebensgefahr
sich dieser Halbschuhtourist durch sein zielloses Hinansteigen im Hochgebirge befindet.
Tatsächlich sucht Manfred erneut die Erlösung
von all seinen Übeln durch das Eingreifen der
Natur: Eisklippen, Lawinen, Bergstürze fleht er
an, ihn unter sich zu begraben. Doch da die
Elemente sich seiner nicht erbarmen, setzt er
nun selbst wieder zum Todessprung an – und
wird vom Jäger doch ins Leben, ins verfluchte
Dasein zurückgerissen.
Manfred ist zu schwach, zu krank im Herzen und zu orientierungslos, um sich seinem
entschlossenen Retter zu widersetzen. Ein
Wetterumsturz droht, und gemeinsam macht
man sich an den beschwerlichen Abstieg zur
Alpenhütte des Jägers.
Zweite Abteilung
10 Nr. 5: Zwischenaktmusik
■
11 Sprecher
■
In der Hütte des Jägers ist Manfred wieder zur
Besinnung und zu Kräften gekommen, doch
lange hält es ihn dort nicht: Zu neugierig ist
sein selbsternannter Beschützer, der wissen
will, welches der Felsenschlösser sein hoher
Gast beherrscht. Zu nahe sind auch dort die
Dämonen der Erinnerung, die ihn selbst im
unschuldig angebotenen Weintrunk die Bilder
des Blutvergießens und der Blutschande sehen
nature: he implores crags of ice, avalanches
and landslides to bury him. But as the elements will not take pity on him, he resolves to
leap to his death himself – but is hauled back
to life by the hunter, back to accursed existence. Manfred is weak, too sick in his heart,
and too disorientated to resist his determined
rescuer. A storm is looming, and together they
attempt the arduous descent to the hunter’s
chalet.
Act II
10 No. 5: Incidental Music
■
11 Narrator
■
In the hunter’s dwelling Manfred regains his
senses and his strength, but he has no desire
to remain long there; his self-appointed
guardian is too inquisitive, seeking to know
which of the mountain castles his lofty guest is
master of. The demons of memory are still
close at hand, stirring up images of bloodshed
and incest when he is offered a harmless glass
of wine. And too starkly does he feel – as does
his host – the contrast between the hunter’s
law-abiding idyll, in which life trickles calmly
and virtuously along, and his own driven,
desolate existence, which he must suffer like
an unending nightmare.
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lassen. Und zu krass fühlt er – und fühlt auch
sein Gastgeber – den Gegensatz zwischen des
Jägers biedermeierlicher Idylle, in der das Leben
friedlich und tugendvoll verrinnt, und seiner
eigenen getriebenen, trostlosen Existenz, die
es wie einen endlosen Albtraum zu ertragen
gilt.
So nimmt man Abschied, einander letztlich fremd, jedoch mit allen guten Wünschen
und einem kleinen Trinkgeld für den Retter.
Allein, endlich wieder allein, besteigt Manfred
einen Felsvorsprung und genießt den Anblick
des nahegelegenen Wasserfalls, aus dessen
Tropfenspiel der sonnige Morgen einen Regenbogen zaubert. Doch reicht der Zauber der
Natur ihm nicht, schon wieder sehnt er sich
nach überirdischer Gesellschaft, und da er Wasser hochspritzt und Beschwörungsformeln
murmelt, steigt aus dem Nass die Alpenfee
unter dem Regenbogen auf …
12 Nr. 6: Rufung der Alpenfee
■
(Manfred nimmt Wasser in seine hohle Hand und
spritzt es in die Luft, während er die Beschwörungsformel murmelt. Nach einer Pause steigt die Alpenfee unter dem Regenbogen des Wasserstromes auf.)
Manfred
Du schöner Geist mit deinem Haar aus Licht,
Mit deines Aug’s ruhmreichem Glanz, darin
Der Erdentöchter unvergänglichster
Reiz aufblüht in unirdischer Gestalt,
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Thus they bid each other farewell, each
ultimately alien to the other, but with the best
of wishes and a small consideration for the
rescuer. Alone, alone again at last, Manfred
climbs a rocky overhang and enjoys the view of
a nearby waterfall, from whose spray the
morning sun conjures a rainbow. And yet the
magic of nature is not enough for him. Again
he longs for supernatural company: muttering
an adjuration, he splashes a handful of water
into the air and the Witch of the Alps appears
from the stream, under the rainbow ...
12 No. 6: Adjuration of the Witch of the Alps
■
(Manfred takes some of the water into the palm of
his hand, and flings it in the air, muttering the adjuration. After a pause, the Witch of the Alps rises
beneath the arch of the sunbeam of the torrent.)
Manfred
Beautiful Spirit! with thy hair of light,
And dazzling eyes of glory, in whose form
The charms of Earth’s least-mortal daughters
grow
To an unearthly stature, in an essence
Of purer elements;
Beautiful Spirit! in thy calm clear brow,
Wherein is glass’d serenity of soul,
Which of itself shows immortality,
I read that thou wilt pardon to a Son
Im Wesen rein’ren Elements;
Du schöner Geist, ich les’ auf deiner Stirn,
Dem klaren Spiegel stiller Seelenruh’,
Die in sich selbst Unsterblichkeit verkündet,
Dass einem Erdensohne du verzeihst,
Dem dunklere Gewalten wohl verstatten,
Mit ihnen zu verkehren – wenn er den
Gewinn zieht aus dem Zauber: dass auch dich
Er ruft zu eines Augenblicks Beschauung!
13 Sprecher
■
Die Alpenfee: Hier ist es endlich, jenes Geschöpf, dem Manfred sich anzuvertrauen wagt.
Es ist der Moment des großen Bekennens: Wie
er sich von frühester Jugend an mit endloser
Mühe und Ausdauer der Nekromantie widmete, den uralten Geheimwissenschaften und der
schwarzen Magie, um zu überirdischer Erkenntnis, zu Wissen und Macht zu gelangen …
Doch eine Sterbliche gab es, die ihm nicht nur
bluts-, sondern auch seelenverwandt war: Seine
Schwester Astarte, die wie er die gleiche Welterkenntnis suchte und fand; sie, die – anders
als er – zudem Erbarmen, Demut und Liebe
kannte: Sie allein liebte Manfred und verdarb
sie … und ihr Herz zerbrach, da sie ihn durchschaute … und von eigener Hand starb sie, und
mit ihrem Blut floss auch sein Leben dahin.
Nachts von Furien gehetzt, tagsüber sich verfluchend, wollen sich weder lindernder Wahnsinn noch seliges Vergessen einstellen. Und
der Tod, den Manfred gesucht hat, der meidet
Of Earth, whom the abstruser powers permit
At times to commune with them – if that he
Avail him of his spells – to call thee thus,
And gaze on thee a moment.
13 Narrator
■
The Witch of the Alps: the one creature
Manfred dares to trust has finally appeared. It
is the moment of truth: From his earliest childhood he has devoted countless tireless hours to
necromancy, to the ancient, mysterious sciences, to black magic, in order to gain supernatural insights, knowledge and power ...
But there was one mortal with whom he
shared both kindred blood and a kindred spirit: his sister Astarte who, like him, sought the
same knowledge of the world, and found it: she
who, unlike him, also knew pity, humility and
love. The one person Manfred has loved, he has
destroyed her; her heart broke when she saw
through him and she died at her own hand, and
as her blood ebbed away, his life too was over.
Tormented by the furies at night, cursing
himself by day, neither soothing madness nor
blissful forgetfulness will come to relieve him.
And death, which Manfred has sought, persistently evades him, as if he were dammed to
eternal life. And as the Witch of the Alps can
offer him neither consolation nor assistance,
demanding instead his obedience to all
unearthly spirits, Manfred banishes her in
rage.
16
ihn beharrlich, als wollte er ihn zum ewigen
Leben verdammen. Und da auch die Alpenfee
ihm weder Trost noch Hilfe anzubieten vermag, sondern im Gegenteil seinen Gehorsam
allen überirdischen Geistern gegenüber einfordert, schickt Manfred sie im Zorn fort.
Manfred
Hinweg!
Sprecher
Wieder allein. Wieder allein mit allen Schrecknissen der Erinnerung. So bleibt dem Verzweifelten nur noch, Antwort und Erlösung bei
den Toten zu suchen – dort, wo Astarte für
Manfreds Sünde büßen muss. Und so führt
ihn sein Weg bei Einbruch der Nacht nun in
die Unterwelt des Geisterreichs, in die Halle
Arimans, des Herrschers über Dunkelheit und
Verderben …
14 Nr. 7: Hymnus der Geister Arimans
■
(Die Halle Arimans. Ariman auf seinem Throne,
umgeben von den Geistern.)
Chor
Heil uns’rem Meister! Herrn der Erd’ und Luft!
Auf Wolk’ und Welle wandelnd, – seine Hand
Regiert die Elemente, die
In’s alte Nichts sein hoher Wille bannt!
Er atmet – Sturm zerwühlt der Wogen Tanz;
Er spricht – der Donner rollt aus Wolkenflammen;
17
Manfred
Retire!
Narrator
Alone again. Alone with all the horrors of
memory. Manfred is now so desperate that his
only recourse is to seek answers and deliverance from the dead – in the place where
Astarte is paying for his own sins. And so as
night falls, he makes his way down to the
underworld of the spirit kingdom, to the hall
of Arimanes, the lord of darkness and depravity ...
14 No. 7: Hymn of the Spirits of Arimanes
■
(The Hall of Arimanes. Arimanes on his throne,
surrounded by the spirits.)
Choir
Hail to our Master! – Prince of Earth and Air! –
Who walks the clouds and waters – in his hand
The sceptre of the elements, which tear
Themselves to chaos at his high command!
He breatheth – and a tempest shakes the sea;
He speaketh – and the clouds reply in thunder;
He gazeth – from his glance the sunbeams flee;
He moveth – earthquakes rend the world
asunder.
Beneath his footsteps the volcanoes rise;
His shadow is the Pestilence; his path
The comets herald through the crackling skies;
And planets turn to ashes at his wrath.
To him War offers daily sacrifice;
Er blickt – der Sonnenstrahl flieht seinen Glanz;
Er regt sich – bebend bricht die Welt zusammen!
Vulkane sprießen seinem Fußtritt auf;
Pest ist sein Schatten; durch der Himmel
Glutherolden die Kometen seinen Lauf:
Planeten brennt zu Asche seine Wut.
Ihm opfert Krieg auf blutigem Altar;
Ihm zollt der Tod; das Leben ist ganz sein,
Bringt ihm endlose Todeskämpfe dar;
Sein ist der Geist in einem jeden Sein!
15 Sprecher
■
Ariman auf seinem Thron, und das Volk ringsum beugt Knie und Nacken vor ihm: Da sind
seine zahllosen Geister, da ist Nemesis, die
Tochter der Nacht, die Göttin des gerechten
Zorns, die Rächerin menschlicher Selbstüberschätzung und Bestraferin herzlos Liebender.
Und da sind ihre drei Schwestern, die Parzen,
die den Schicksalsfaden des Menschenlebens
in ihren Händen halten: Klotho spinnt den
Lebensfaden, Lachesis erhält ihn, während
Atropos ihn abschneidet. Und da kommt Manfred und versagt als einziger Ariman den Kniefall …
16 Nr. 8: Wirf in den Staub dich
■
Chor
Wirf’ in den Staub dich, den verdammten Staub,
Geburt der Erde, oder Schlimmes fürchte!
To him Death pays his tribute; Life is his,
With all its infinite of agonies –
And his the spirit of whatever is!
15 Narrator
■
Arimanes sits on his throne, and the surrounding beings bend knee and neck before him.
Here are his countless spirits; here is Nemesis,
the daughter of the night, the goddess of rightful anger, the avenger of man’s hubris and punisher of heartless lovers. And here are her three
sisters, the Destinies, who hold the fates of
human lives like threads in their hands: Clotho
spins the threads; Lachesis measures them
out, while Atropos severs them. And now
comes Manfred and is the only one to refuse to
kneel before Arimanes ...
16 No. 8: Prostrate Thyself
■
Choir
Prostrate thyself, and thy condemned clay,
Child of the Earth! or dread the worst.
Narrator
But Manfred is tired of prostrating himself,
having bowed down in self-humiliation, desolation and exhaustion often enough. He will
not kneel if he doesn’t want to...
17 No. 9: Crush the Worm!
■
Choir
18
Sprecher
Doch Manfred ist der Kniefälle müde, die er
aus Selbsterniedrigung, Verzweiflung oder Erschöpfung zur Genüge vollzogen hat. Soll da
knien, wer will …
17 Nr. 9: Zermalmt den Wurm
■
Chor
Zermalmt den Wurm,
Zertrümmert ihn in Stücken!
Sprecher
Haltet ein! Es ist Klotho, die Manfred vor der
Vernichtung bewahrt: Sie kennt ihn und die
«unsterbliche Natur» seines Leidens, sie weiß um
seine Willenskraft und Stärke, die ihn zu höchster
Offenbarung und weit über die Geisteswelt der
anderen Sterblichen hinausgeführt hat. Und sie
verwendet sich für ihn: Wenn er denn als letzte
Erkenntnis begehrt, die Toten anzurufen, wenn
er Astarte herbeigeholt und befragt haben will:
Sollte man ihm diesen Wunsch nicht gewähren,
hoher Herrscher Ariman?
Ariman
Ja.
Nemesis
Wen willst Du schau’n?
Manfred
Die ohne Grab blieb; ruf’ Astarte!
19
Crush the worm!
Tear him in pieces!—
Narrator
Halt! It is Clotho who saves Manfred from
annihilation: she understands him and the
«immortal nature» of his suffering; she knows
his willpower and strength, which have led him
to immense revelations, far beyond spiritual
dimensions of all other mortals. And she puts
herself at his disposal: if he desires as his final
insight to call up the dead, if he wishes to have
Astarte fetched and questioned, should one not
grant him this wish, great lord Arimanes?
Arimanes
Yes.
Nemesis
Whom would’st thou uncharnel?
Manfred
One without a tomb – call up Astarte.
18 No. 10: The Summoning of Astarte
■
Nemesis
Shadow! or Spirit!
Whatever thou art,
Which still doth inherit
The whole or a part
Of the form of thy birth,
Of the mould of thy clay,
Which return’d to the earth,
18 Nr. 10: Beschwörung der Astarte
■
Nemesis
Schatten! – Geist! –
Was immer du sei’st,
Das noch mag verweilen
Im Ganzen, in Teilen
Angebor’ner Gestalt,
Des Gebildes aus Staub,
Das verfiel der Gewalt
Der Erde zum Raub –
Steig’, wie du gewesen,
Aus Grabesschoß,
Und Gesicht und Wesen
Vom Wurm kauf’ los.
Erschein! – Erschein! – Erschein!
Der dich gesendet, harret dein!
(Das Schattenbild der Astarte steigt auf und steht
in der Mitte.)
Re-appear to the day!
Bear what thou borest,
The heart and the form,
And the aspect thou worest
Redeem from the worm.
Appear! – Appear! – Appear!
Who sent thee there requires thee here!
(The phantom of Astarte rises and stands
in the midst.)
Manfred
Can this be death? there’s bloom upon her cheek;
But now I see it is no living hue,
But a strange hectic – like the unnatural red
Which Autumn plants upon the perish’d leaf.
It is the same! Oh, God! that I should dread
To look upon the same – Astarte! – No,
I cannot speak to her – but bid her speak –
Forgive me or condemn me.
Manfred
O Götter! Wie sich’s formt, Gestalt annimmt.
Astarte! Liebste! Nur Schattenbild, du,
einst mein ganzes Leben,
Kann dies denn Tod sein?
Nein, ich kann nicht zu ihr reden –
lasst sie reden – Vergib mir, oder fluche mir!
Nemesis
By the power which hath broken
The grave which enthrall’d thee,
Speak to him who hath spoken,
Or those who have call’d thee!
Nemesis
Bei der Macht, die gebrochen
Dein Grab in den Tiefen,
Nemesis
My power extends no further. Prince of air!
It rests with thee alone – command her voice.
Manfred
She is silent,
And in that silence I am more than answer’d.
20
Sprich zu dem, der gesprochen,
Oder uns, die dich riefen. –
Arimanes
Spirit – obey this sceptre!
Manfred
Sie schweigt, –
Ihr Schweigen ist beredter, als die Antwort.
Nemesis
Silent still!
She is not of our order, but belongs
To the other powers. Mortal! thy quest is vain,
And we are baffled also.
Nemesis
Nicht weiter dehnt sich meine Macht – o Fürst
Der Luft, jetzt ist’s an dir; gebiet’ ihr Rede!
Ariman
Gehorche diesem Szepter, Geist!
Nemesis
Noch schweigt sie!
Sie ist nicht uns’rer Ordnung und gehört
Den anderen Mächten. Dein Begehren, Mensch,
Vergeblich ist’s, und wir verhöhnt! –
19 Nr. 11: Manfreds Ansprache an Astarte
■
Manfred
O höre, hör’ mich, Astarte! O Geliebte, sprich!
So viel hab’ ich erduldet, dulde noch –
O sieh’ mich an! Das Grab hat dich nicht mehr
Verwandelt, als ich dir erschein’. Du liebtest
Mich allzu sehr, ich dich: wir konnten nicht
Einander so zerquälen, ob nun auch
Todsünde war die Liebe, die wir liebten.
O sag’, dass dir nicht graut vor mir – dass ich
Die Strafe für uns Beide trage – dass
Den Sel’gen du gehörst – und ich dem Tode;
21
19 No. 11: Manfred’s Speech to Astarte
■
Manfred
Hear me, hear me –
Astarte! my beloved ! speak to me:
I have so much endured – so much endure –
Look on me! the grave hath not changed thee more
Than I am changed for thee. Thou lovedst me
Too much, as I loved thee: we were not made
To torture thus each other, though it were
The deadliest sin to love as we have loved.
Say that thou loath’st me not – that I do bear
This punishment for both – that thou wilt be
One of the blessed – and that I shall die;
For hitherto all hateful things conspire
To bind me in existence – in a life
Which makes me shrink from immortality –
A future like the past. I cannot rest.
I know not what I ask, nor what I seek:
I feel but what thou art – and what I am;
And I would hear yet once before I perish
The voice which was my music – Speak to me!
For I have call’d on thee in the still night,
Startled the slumbering birds from the
hush’d boughs,
Bisher hat Alles, was ich hasse, sich
Verschworen, an das Dasein mich zu binden –
Ein Dasein, dass mich die Unsterblichkeit
Anschaudert, solchen Seins Verewigung.
Ruhlos weiß nicht ich, was ich frag’ und will;
Was du bist und was ich bin, fühl’ ich nur,
Und hörte gern noch einmal, eh’ ich sterbe,
Die Stimme, die Musik mir war, – o sprich!
Gerufen hab’ ich dich in stiller Nacht,
Aus Busch und Schlummer auf die Vögel
scheuchend, die Wölfe des Gebirgs
erweckt’ ich, ließ die Höhlen
Vergeblich deinen Namen widerhallen,
Sie gaben Antwort – Antwort gaben mir
So mancher Geist und Mensch –
nur du schwiegst still.
O sprich zu mir! Die Sterne überwacht’ ich,
Gen Himmel starrend sucht’ ich dich vergeblich.
O sprich! Die Erde habe ich durchwandert
Und fand nie deines Gleichen. – Sprich zu mir!
Sieh’ rings die Feinde, wie sie mit mir fühlen.
Sie fürcht’ ich nicht, und fühl’ für dich allein –
O sprich mit mir! Sei’s auch im Zorn; nur rede,
Ich rechte nicht, wovon – wenn ich dich höre –
Noch einmal, nur noch einmal!
And woke the mountain wolves, and made
the caves
Acquainted with thy vainly echoed name,
Which answer’d me – many things answer’d me –
Spirits and men – but thou wert silent all.
Yet speak to me! I have outwatch’d the stars,
And gazed o’er heaven in vain in search of thee.
Speak to me! I have wander’d o’er the earth
And never found thy likeness – Speak to me!
Look on the fiends around – they feel for me:
I fear them not, and feel for thee alone –
Speak to me! though it be in wrath; – but say –
I reck not what – but let me hear thee once –
This once – once more!
Astarte
Manfred!
Manfred
Say on, say on –
I live but in the sound – it is thy voice!
Astarte
Manfred! Tomorrow ends thine earthly ills.
Farewell!
Manfred
Yet one word more – am I forgiven ?
Astarte
Manfred!
Manfred
Sprich mehr, ich leb’ in deiner Stimme Ton!
Astarte
Farewell!
Manfred
Say, shall we meet again?
22
Astarte
Manfred, dein irdisch Leid ist morgen hin!
Leb’ wohl!
Manfred
Ein Wort noch! – Hast du mir verziehen?
Astarte
Leb’ wohl!
Manfred
Sehen wir uns wieder?
Astarte
Lebe wohl!
Manfred
Ein Wort der Gnade, sprich,
du liebst mich noch?
Astarte
Manfred!
(Astartes Geist verschwindet.)
Manfred
Sie schwindet hin.
Ein Hauch war sie, sonst nichts – nichts!
Sprecher
Astarte geht, und nimmer kehrt sie wieder – diese
Erkenntnis stürzt Manfred in eine Verzweiflung,
die ihn beinahe tötet. Aber seine Zeit ist noch immer nicht gekommen, und so nimmt er Abschied
23
Astarte
Farewell!
Manfred
One word for mercy! Say, thou lovest me.
Astarte
Manfred!
(The spirit of Astarte disappears)
Manfred
She has vanished away. A shimmer is all she
was, nothing more – nothing!
Narrator
Astarte departs, never to return. Recognizing
this, Manfred falls into a fit of despair so great
it almost destroys him. But his time has not yet
come and so he bids farewell to the kingdom
of the spirits, whose inhabitants promise a
speedy reunion back on earth ...
Act III
A Hall in the Castle of Manfred
20 Narrator
■
Sunset approaches and Manfred has returned
to his castle only to lock himself in the room in
his tower where he has kept vigil every night
for years. His servants would dearly love to
know what keeps him awake there, but the
vom Geisterreich, dessen Bewohner ihm ein baldiges Wiedersehen auf Erden ankündigen …
Dritte Abteilung
Eine Halle in Manfreds Schlosse
20 SPRECHER
■
Die Abenddämmerung naht, und Manfred ist in
sein Schloss zurückgekehrt, nur um sich in jenem
Turmzimmer einzuschließen, in dem er seit
Jahren alle Nächte durchwacht. Seine Bediensteten wüßten wohl gern, was ihn dort umtreibt,
doch die jüngeren unter ihnen sind ratlos, und die
ahnungsvollen Altgedienten empfinden Scheu,
ihre Vermutungen zu äußern über jene verhängnisvolle Nacht, da Manfred mit seiner vergötterten
Astarte in diesem Turmzimmer weilte – und nun
kommt der Herr und zieht sich wieder zurück …
21 Nr. 12: Ein Friede kam auf mich
■
Manfred
Ein Friede kam auf mich
Unsäglich still, wie bis zu dieser Zeit
Nicht heimisch war im Leben, das ich kannte. –
Wenn ich nicht wüsste, dass Philosophie
Der eitlen Dinge bunteste Verwirrung,
Das leerste Wort, das je aus Schulweisheit
Das Ohr betörte: könnte wohl ich meinen,
Der Weisen Stein, das vielgesuchte Gut,
Sei meiner Seele Fund und Eigentum.
Hält’s auch nicht aus, so hab’ ich’s doch erkannt:
younger ones are baffled, while the apprehensive veteran is afraid to utter his suspicions
about the fateful night Manfred spent there
with his beloved Astarte. And now the master
appears – and retires to the tower again …
21 No. 12: There Is a Calm upon Me
■
Manfred
There is a calm upon me –
Inexplicable stillness! which till now
Did not belong to what I knew of life.
If that I did not know philosophy
To be of all our vanities the motliest,
The merest word that ever fool’d the ear
From out the schoolman’s jargon, I should deem
The golden secret, the sought «Kalon», found,
And seated in my soul. It will not last,
But it is well to have known it, though but once:
It hath enlarged my thoughts with a new sense,
And I within my tablets would note down
That there is such a feeling. Who is there?
22 Narrator
■
A visitor interrupts his thoughts: the abbot of
St Maurice has arrived to warn the scion of the
esteemed dynasty of counts, and if necessary
to save him. For dark rumours are in circulation; shocked peasants, devout monks, even
Manfred’s own servants have all been disseminating stories of his séances and summonings of the dead. Even if all this is true, there
might still be hope of saving his soul, as long
as the count were to express remorse and beg
24
Es goss ein neu Gefühl in die Gedanken,
Und in die Tafeln der Erinnerung
Möcht’ ein ich tragen dies Gefühl. – Wer kommt?
22 Sprecher
■
Ein Besucher unterbricht seine Gedanken: Der Abt
von Sankt Mauritius ist gekommen, den Spross
des hochangesehenen Grafengeschlechts zu warnen und – wenn nötig – zu erretten. Denn düstere
Gerüchte sind im Umlauf, erschreckte Landleute,
fromme Klosterbrüder, selbst die Bediensteten
Manfreds verbreiten die Erzählungen von seinen
Geisterbeschwörungen und Anrufungen der
Toten. Wenn all dies wahr wäre, gäbe es doch Hoffnung auf Errettung seiner Seele, müsste der Graf
bereuen und Gottes Erbarmen erflehen. Sinnlose
Plage, Müh ohne Zweck: Sooft der Abt Manfred
auch bittet, sein Heil bei Gott zu suchen, sooft verweigert Manfred ihm die Gefolgschaft – kein
Priester, kein Gebet, keine Buße vermöge ihn von
der Sünde zu reinigen. Und keine Strafe im
Jenseits sei wohl auch so qualvoll wie die Martern
des eigenen Gewissens. Es ist zu spät für irdische
Entsühnung, und freundlich, doch bestimmt verabschiedet Manfred den Abt, um in Ruhe den
Sonnenuntergang betrachten zu können …
23 Nr. 13: Abschied von der Sonne
■
Manfred
Glorreiche Sonne,
Du der Natur Idol in ihrer Jugend,
Des ungeschwächten kräftigen Geschlechts
25
God’s mercy. A pointless pursuit, wasted
effort: every time the abbot advises him to seek
forgiveness from God, Manfred refuses his
assistance – no priests, no prayers, no penance
could cleanse him of his sins. And no punishment in the afterlife could be so torturous as
the excruciation of his own conscience. It is
too late for earthly atonement and, politely but
firmly, Manfred dismisses the abbot, in order
to watch the sunset in peace …
23 No. 13: Leavetaking from the Sun
■
Manfred
Glorious Orb! the idol
Of early nature, and the vigorous race
Of undiseased mankind, the giant sons
Of the embrace of angels, with a sex
More beautiful than they, which did draw down
The erring spirits who can ne’er return. –
Most glorious orb! that wert a worship, ere
The mystery of thy making was reveal’d!
Thou earliest minister of the Almighty,
Which gladden’d, on their mountain tops,
the hearts
Of the Chaldean shepherds, till they pour’d
Themselves in orisons! Thou material God!
And representative of the Unknown –
Who chose thee for his shadow! Thou chief star!
Centre of many stars! which mak’st our earth
Endurable, and temperest the hues
And hearts of all who walk within thy rays!
Der Riesensöhne aus dem Liebesbündnis
Der Engel mit der Erde schönen Töchtern,
Die die verführten Geister niederzogen
Für immer – o glorreiche Sonne, du
Ein Gottesdienst, noch ehe deiner Schöpfung
Geheimnis kund ward, des Allmächtigen erstes
Werkzeug, entzücktest auf den Bergeshöh’n
Die Hirten vor Chaldäa, bis sie sich
Versenkten in Gebet! Du Körpergott
Des Unbekannten Stellvertreter, der
Zu seinem Abbild dich erkor! Du Urstern,
Du Weltenmittelpunkt, der unsre Erde
Bewohnbar macht, und waltet über Farben
Und Herzen derer, die sein Strahl bescheint!
Du Königin der Zeiten und der Zonen
Und ihrer Wesen! Alle tragen wir
Im eingebornen Geiste deine Färbung,
Auch äußerlich: du steigst herauf und scheinst,
Und sinkst hinab gleich ruhmreich. Lebe wohl!
Ich seh’ dich niemals wieder. Dir gehörte
Mein erster Blick der Lust und Liebe, nimm
Denn auch den letzten; nicht bestrahlst du gern
Den, dem des warmen Lebens Gabe ward
Verhängnisvoll. Sie sank: ich folge ihr!
(Manfred will gehen.)
24 Sprecher
■
Noch einmal naht ihm der Abt, um ihn zur
Reue zu bekehren, doch Manfred bleibt fest bei
seiner Überzeugung, dass es zu spät für solche
Errettung ist. Und wenn der Abt noch lange bei
Sire of the seasons! Monarch of the climes,
And those who dwell in them! for near or far,
Our inborn spirits have a tint of thee,
Even as our outward aspects; – thou dost rise,
And shine, and set in glory. Fare thee well!
I ne’er shall see thee more. As my first glance
Of love and wonder was for thee, then take
My latest look: thou wilt not beam on one
To whom the gifts of life and warmth have been
Of a more fatal nature. He is gone:
I follow.
(Manfred leaves.)
24 Narrator
■
The abbot returns, once more hoping to persuade Manfred to repent, but Manfred remains
firm in his conviction it is too late for such salvation. And should the abbot remain longer
with him he would place himself in danger;
Manfred points to where his evil genius is
appearing; what does the abbot see there?
25 No. 14: Nothing. – Look There, I Say.
■
(The figure of Manfred’s evil genius rises up, at
first hazy, then advancing ever more distinctly.)
Abbot
Nothing.
Manfred
Look there, I say,
And steadfastly; – now tell me what thou seest?
26
ihm verweile, bringe er sich selbst in Gefahr,
denn er möge nur hierherblicken, wo eben der
böse Genius erscheint, und sagen, was er sehe:
25 Nr. 14: Nichts. – Blick nur hierher
■
(Die Gestalt des bösen Genius steigt auf, zuerst
undeutlich, dann immer schärfer hervortretend.)
Abt
Nichts.
Manfred
Blick’ nur hierher,
Und festen Blicks: – nun sag’ mir, was du siehst?
Abt
Ich sehe eine dunkle Schreckgestalt
Wie einen Höllengott der Erd’ entstiegen;
Im Mantel das Gesicht verhüllt, mit Nebel
Wie einem Kleide angetan; er steht
Hier zwischen uns – doch fürchte ich ihn nicht.
Manfred
Du hast nicht Grund – kein Leid fügt er dir zu –
Doch lähmt sein Anblick wohl
die schwachen Glieder. Ich sage dir: Entflieh!
Abt
Und ich erwid’re:
Nicht eher, bis ich kämpfe mit dem Bösen –
Was will er hier?
27
Abbot
I see a dusk and awful figure rise
Like an infernal god from out the earth;
His face wrapt in a mantle, and his form
Robed as with angry clouds; he stands between
Thyself and me – but I do fear him not.
Manfred
Thou hast no cause – he shall not harm thee
– but
His sight may shock thine old limbs into palsy.
Manfred
Nun – ach – was er hier will?
Ich rief ihn nicht – und ungeladen kommt er.
Sag’ an, was willst Du,
Nacht entstiegener Geist?
The power which summons me. Who sent
thee here?
Geist
Komm!
Manfred
I have commanded
Things of an essence greater far than thine,
and striven with thy masters. Get thee hence!
Abt
Wer bist du, unbekanntes Wesen? – Sprich!
Abbot
And I reply –
Never – till I have battled with this fiend –
What doth he here?
Manfred
Why – ay – what doth he here? –
I did not send for him, – he is unbidden.
Pronounce – what is thy mission?
Geist
Der Genius des Mannes hier. –
Komm! ‘s ist Zeit.
Spirit
Come!
Geist
Bald weißt du’s – komm nur, komm!
Abbot
What art thou, unknown being? answer! – speak!
Manfred
Gewalten höherer Natur gebot ich
Und stritt mit deinem Herrn. Hinweg mit dir!
Spirit
The genius of this mortal. –
Come! ’tis time.
Manfred
I am prepared for all things, but deny
Manfred
Gefasst bin ich auf Alles, doch erkenn’
Nicht an ich die rufende Gewalt.
Wer sandte dich?
Geist
Mensch, deine Stunde ist gekommen! – Fort!
Spirit
Thou’lt know anon – Come! come!
Spirit
Mortal! thine hour is come – Away! I say
Manfred
I knew, and know my hour is come, but not
To render up my soul to such as thee:
Away! I’ll die as I have lived – alone.
Spirit
Then I must summon up my brethren. – Rise!
(Other spirits rise up.)
Manfred
I do defy ye, – though I feel my soul
Is ebbing from me, yet I do defy ye;
Nor will I hence, while I have earthly breath
To breathe my scorn upon ye – earthly strength
To wrestle, though with spirits; what ye take
Shall be ta’en limb by limb.
28
Manfred
Dass meine Stunde ’kommen,
wusst’ ich, weiß ich,
Doch geb’ die Seele solchen nicht wie du:
Fort! Wie ich lebte, sterbe ich – allein!
Geist
Dann ruf’ ich meine Brüder. – Steigt herauf!
(Andere Geister steigen auf.)
Manfred
Ich weise euch zurück – zurück, obschon
In mir ich fühle meiner Seele Ebbe;
Ich weiche nicht, so lange noch ein Hauch
Auf euch Zorn aushaucht,
und noch irdische Kraft
Den Kampf erlaubt, sei’s auch mit Geistern: was
Ihr von mir nehmt, sollt Glied
für Glied ihr nehmen.
Geist
Du Widerspenstiger! Ist dies der Zaubrer,
Durchschreitend durch die unsichtbare Welt,
Zu sein wie unser Einer? Und nun so
Voll Lebenslust, ist’s möglich? Grade doch
Das Leben machte elend dich?
Manfred
Du lügst! Wohl weiß ich, dass die letzte Stunde da,
Und feilsche nicht mit ihr um den Moment;
Nicht kämpf’ ich gegen Tod, doch gegen dich
Und die Dämonen um dich; meine Macht
29
Spirit
Reluctant mortal!
Is this the Magian who would so pervade
The world invisible, and make himself
Almost our equal? – Can it be that thou
Art thus in love with life? the very life
Which made thee wretched!
Manfred
Thou false fiend, thou liest!
My life is in its last hour, – that I know,
Nor would redeem a moment of that hour;
I do not combat against death, but thee
And thy surrounding angels; my past power!
Was purchased by no compact with thy crew
But by superior science: I stand
Upon my strength – I do defy – deny –
Spurn back, and scorn ye! –
Spirit
But thy many crimes
Have made thee –
Manfred
What are they to such as thee?
Must crimes be punish’d but by other crimes,
And greater criminals ? – Back to thy hell!
Thou hast no power upon me, that I feel;
Thou never shalt possess me, that I know:
What I have done is done; I bear within
A torture which could nothing gain from thine:
The mind which is immortal makes itself
Requital for its good or evil thoughts –
Erkaufte nicht Vertrag mit dem Gelichter;
Ich fuße auf der eig’nen Kraft – Und ich verweis’,
Ich stachle – zürne euch aus meinen Augen!
Geist
Doch deine Sünden gaben dich –
Manfred
Was geh’n sie euch an?
Werden Sünden durch Sünden
Bestraft und größ’re Sünden? – Fort zur Hölle!
Du hast nicht über mich Gewalt, das fühl’ ich;
Du wirst mich niemals haben, nie, das weiß ich;
Was ich getan, getan ist’s; innen trag’ ich
Die Qual, unmehrbar durch die deinige:
Der Geist, unsterblich, macht sich selbst verhaftet
Für die Gedanken böse oder gut; –
Er ist in Schmerz verschlungen oder Lust
Aus dem Bewusstsein seiner eig’nen Würde.
Du hast mich nicht versucht, nicht konntest du’s,
Nicht dein Betörter bin ich; nicht dein Raub
Mein eigener Zerstörer war ich; will es sein
In alle Zukunft. – Fort – geschlag’ne Feinde!
Der Tod legt seine Hand an mich – nicht ihr!
(Die Dämonen verschwinden.)
26 Nr. 15: Schluss-Szene (Klostergesang)
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Is absorb’d in sufferance or in joy,
Born from the knowledge of its own desert.
Thou didst not tempt me, and thou couldst
not tempt me;
I have not been thy dupe, nor am thy prey –
But was my own destroyer, and will be
My own hereafter. – Back, ye baffled fiends!
The hand of death is on me – but not yours!
(The demons disappear.)
26 No. 15: Final Scene (Monastic Chorus)
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Abbot
Alas! how pale thou art – thy lips are white –
And thy breast heaves – and in thy gasping throat
The accents rattle – Give thy prayers to heaven.
Choir in the distance
Requiem aeternam dona eis!
Manfred
’Tis over – my dull eyes can fix thee not;
But all things swim around me, and the earth
Heaves as it were beneath me. Fare thee well –
Give me thy hand.
Abbot
Cold – cold – even to the heart –
Pray – albeit but in thought, – but die not thus.
Abt
Weh’ – wie du bleich wirst! –
weiß sind deine Lippen –
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Es wogt die Brust – ein tiefes Röcheln tönt
Der Schlund. – Gebete sende auf zum Himmel!
Chor aus der Ferne
Requiem aeternam dona eis!
Manfred
Vorüber ist’s, mein trüber Blick erkennt
Dich nicht, und Alles schwimmt um mich,
es wogt
Die Erd’, als läg’ sie unter mir. Leb’ wohl, –
Gib mir die Hand!
Manfred
Old man! ’tis not so difficult to die.
(Manfred expires.)
Choir in the distance
Et lux perpetua luceat eis!
Aufnahmeleiter Florian Rosensteiner
Tontechnik Wolfgang Fahrner
Schnitt und Mastering Florian Rosensteiner
Produktionsleitung Johannes Neubert
Aufnahmeort Wiener Musikverein, Live-Mitschnitt
Aufnahmedatum 9. und 11. 4. 2010
Abbot
He’s gone – his soul hath ta’en its earthless
flight –
Whither? I dread to think – but he is gone.
*The Inferno of Dante, trans. Robert Pinsky (New York: Farrar, Straus & Giroux, 1994)
Abt
Kalt – bis zum Herzen kalt –
O bete noch – Weh! Fährst du so dahin? –
Manfred
So schwer ist’s nicht zu sterben, alter Mann!
(Manfred stirbt.)
Chor aus der Ferne
Et lux perpetua luceat eis!
Abt
Er ist dahin, sein Geist entfloh der Erde.
Wohin? – nicht denk’ ich’s gern. – Er ist dahin!
Zitat Seite 5: Wilhelm Joseph von Wasielewski «Robert Schumann.
Eine Biographie», Dresden 1858
Titelbild © gettyimages
Abbildung Seite 4: Robert Schumann © Robert-Schumann-Haus, Zwickau
Foto Seite 10: Martin Schwab © Reinhard Werner/Burgtheater
Abbildung Seiten 14: © Robert-Schumann-Haus, Zwickau
Abbildung Seiten 15: © The Whitworth Art Gallery, The University of Manchester
Abbildung Seite 30: Lord Byron © IMAGNO/Archiv Nebehay
Foto Rückseite: Bruno Weil © Bob Kolbrener
Sprechertexte Verwendung der Texte von Christian Lackner nur mit
Genehmigung des Autors. Use of the texts by Christian Lackner only with
the permission of the author.
Design fuhrer visuelle gestaltung
Redaktion Christian Lackner, Alexander Moore
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