Ausgabe 1/2014
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Ausgabe 1/2014
01/2014 Neues wagen — Goldene Schnitte und Provokationen / Plastikflaschen zu Turnschuhen / Auferstehung eines Mythos / Biotope für Gründer / Mut und Menschlichkeit by EY „Aus der Erkenntnis der Verantwortung erwächst der Mut zur Tat.“ Andreas Kaufmann, Leica Camera AG Magazin für unternehmerische Exzellenz 3 Editorial Als Unternehmer wird man nicht geboren, heißt es, sondern zum Unternehmer wird man gemacht. Sicherlich, hervorragende Bedingungen in Bildung und Ausbildung, ein inspirierendes, wirtschaftsfreundliches Umfeld, verlässliche Rahmenbedingungen, vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten, breite gesellschaftliche Anerkennung und Unterstützung sind unabdingbar für unternehmerische Initiative. Das ist die eine, die fassbare, sichtbare Seite für Entrepreneurship. den Neubeginn radikal mit den alten Erfolgsrezepten brach. Oder Peter Bronsman, der eigentlich als Getränkegroßhändler gut verdiente, sich dann aber in den Kopf setzte, eine stillgelegte Brauerei im schwedischen Kopparberg zu revitalisieren – mit großem Erfolg. Und der Österreicher Andreas Kaufmann wollte einfach nicht zulassen, dass die Kameralegende Leica nur noch Geschichte sein sollte. Er erkannte Werte, wo andere nur noch Verluste sahen. Aber manche Menschen haben offenbar Fähigkeiten und Charakterzüge, die sie als Entrepreneure geradezu prädestinieren. Denn ohne den persönlichen Mut des Entrepreneurs, seine Risikobereitschaft und, ja, auch seine Lust auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit bliebe manche gute Geschäftsidee in der Schublade. Die Bereitschaft, sich mehr zu trauen als nur erprobte Wege zu gehen, immer wieder Gewohntes und vermeintlich Gesichertes zugunsten des Neuen aufzugeben, zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografien vieler erfolgreicher Unternehmer – auch und gerade in unsicheren Zeiten. Vermutlich ist es dieser besondere Blick hinter die Fassade, die Fähigkeit, mehr und anderes zu sehen als andere, die erfolgreiche Entrepreneure eben auch haben. Für den Fotografen Sebastião Salgado war es immer sein einzigartiger Blick durch das Objektiv seiner Kamera, der die Kraft seiner monumentalen Bilder ausmachte. Doch das Elend südamerikanischer Mineros oder chinesischer Wanderarbeiter, das Leid des Krieges, die Salgado über Jahre so eindrücklich dokumentierte, forderten einen hohen persönlichen Preis. Erst nach dem zeitweisen Rückzug war der Fotograf zu einem Neustart fähig. In seinem neuen Projekt „Genesis“ widmet er sich nun der einzigartigen Schönheit unseres Planeten. Was Unternehmer antreibt, mutig immer wieder Neues zu wagen, da anzufangen, wo andere aufgehört haben, durchzuhalten, wenn andere aufgeben – das haben wir in den Reportagen und Porträts dieser Ausgabe des „Entrepreneur“ eingefangen. Der Hotelier Dietmar Müller-Elmau zum Beispiel leitete eine weltweit erfolgreiche Software-Firma, bevor er sich dazu durchrang, in das legendäre großväterliche Schlosshotel einzusteigen, mit dem er eigentlich längst abgeschlossen hatte. Dann legte ein Brand große Teile des Hotels in Schutt und Asche. Für Müller-Elmau wirkte die Tragödie wie ein Befreiungsschlag. Im Dialog mit dem renommierten Architekten Matteo Thun, dessen ungewöhnliche Entwürfe ebenfalls oft provozieren, erklärt Müller-Elmau, warum er für Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Georg Graf Waldersee Vorsitzender der Geschäftsführung der Ernst & Young GmbH Weißer Schriftzug auf rotem Grund: das berühmte Logo jener Marke, die die moderne Reportagefotografie begründete. Seit sechs Jahren erlebt Leica ein wahres Wirtschaftswunder. 01/2014 Entrepreneur 5 4 In dieser Ausgabe Entrepreneur 01/2014 Sebastião Salgado Peter Bronsman Stephanie Füssenich Matteo Thun / Dietmar Müller-Elmau Uwe Hück — — — — — Unberührte Orte finden, die Schönheit der Erde ins Bewusstsein des Betrachters rücken – dafür reiste der brasilianische Ausnahme-Fotograf Sebastião Salgado acht Jahre lang durch 32 Länder der Erde. Das Ergebnis: „Genesis“ – ein 520 Seiten starkes Buch mit so monumentalen wie überwältigend schönen Fotografien, eine Hommage an unseren Planeten in seinem ursprünglichen Zustand. Für den fast 70-jährigen Salgado aber ist „Genesis“ nicht nur ein besonders aufwändiges Projekt, sondern auch ein Zeugnis neuer Zuversicht nach Jahrzehnten, in denen er vor allem die bittere Erfahrung von Krieg und Elend fotografisch dokumentierte. Über sein Leben in Extremen lesen Sie ab Seite 53. Wie riskant das Leben sein kann, erfuhr Peter Bronsman bereits in jungen Jahren. Damals malochte er als Seemann auf einem Frachter und ging in tiefschwarzer Nacht vor Taiwan über Bord, wurde erst nach langen Minuten voller Todesangst wieder aus dem Meer gefischt. Eine Erfahrung, die sein Leben prägte – und ihm die Gewissheit gab, dass auch angeblich hoffnungslose Fälle gut ausgehen können. So wie das Schicksal einer stillgelegten, kleinen Brauerei im schwedischen Kopparberg, die Bronsman 1993 kaufte und zur heutigen Kopparbergs Bryggeri AB ausbaute, einem Getränkekonzern mit einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro. Was dieser Weg mit Äpfeln und Birnen zu tun hat, berichtet er auf den Seiten 34 bis 38. Stephanie Füssenich (Jahrgang 1979) studierte an der Staatlichen Fachakademie für Fotodesign in München. Nach zwei Jahren in Barcelona lebte sie zwischenzeitlich als freie Fotografin in Paris, arbeitet für renommierte Adressen wie „Neon“, die „Zeit“ und das „SZ-Magazin“. Paris – für die erfahrene Porträtistin ist die Stadt nicht nur ein Arbeitsort, sondern ein Lebensgefühl. Und eine Metropole, die sie sich gerade mittels der Fotografie erschließt. Der Weg für den Report auf den Seiten 14 bis 19 führte sie hoch über die Dächer der Stadt, ins achte Arrondissement, zu Jean-Luc Petithuguenin, dem Chef der Paprec-Gruppe. Sie haben den Mut, mit scheinbar Bewährtem zu brechen und Neues zu schaffen. Und sie suchen dabei nach der perfekten Synthese aus Sinn und Form. Der Architekt Matteo Thun, der zunächst mit grellbunten Möbeln schockierte und später zum Vorreiter des ökologischen Bauens wurde, mit Entwürfen, so zurückhaltend wie radikal modern. Und der Hotelier Dietmar Müller-Elmau, der nach einer Karriere als Software-Unternehmer das großväterliche Schlosshotel gegen größte Widerstände zum exklusiven Hideaway umbaute. Welche Rolle Freiheit, Emotion und Zeitlosigkeit in ihrem Wirken spielt, diskutierten sie in Matteo Thuns Mailänder Büro – nachzulesen ab Seite 20. Heimkind, Sonderschüler, Autolackierer. Und heute Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Porsche AG. Mit Mut und einem fast fanatischen Gerechtigkeitsgefühl hat sich Uwe Hück nach oben gearbeitet. Um Gerechtigkeit geht es ihm noch heute. Mit Verve streitet er beispielsweise dafür, dass auch benachteiligte Jugendliche eine Chance bekommen. Warum unsere Gesellschaft Gewinner braucht, die auch Vorbilder sind, warum er heute noch gern an seine Zusammenarbeit mit Ferry Porsche zurückdenkt und welche Arbeitgebertugenden für ihn unverzichtbar sind, erzählt Hück ab Seite 44. 01/2014 Entrepreneur 7 Auf 2 300 Meter Höhe, inmitten der Stille eines völlig abgelegenen Hochtals der argentinischen Anden, errichtete der Kunstsammler Donald Hess eigens für die Raum-Licht-Installationen des amerikanischen „Lichtmagiers“ James Turrell ein Museum. Wie Hess einst zu seiner Sammelleidenschaft kam, lesen Sie ab Seite 62. Thema Neues wagen 01/2014 Neues wagen — Goldene Schnitte und Provokationen / Plastikflaschen zu Turnschuhen / Auferstehung eines Mythos / Biotope für Gründer / Mut und Menschlichkeit by EY Magazin für unternehmerische Exzellenz 34 „Wer nie ein Risiko eingeht, verpasst alle Chancen.“ Der rastlose Selfmade-Unternehmer Peter Bronsman erweckte eine kleine schwedische Brauerei zu neuem Leben. Expertise 39 Gut gerüstet Von Entrepreneuren werden mutige Entscheidungen erwartet – allerdings sollten sie die Wachsamkeit gegenüber potenziellen Risiken nicht vernachlässigen. „Aus der Erkenntnis der Verantwortung erwächst der Mut zur Tat.“ Andreas Kaufmann, Leica Camera AG 03 Editorial 04 In dieser Ausgabe Entrepreneure 44 „Es ist unsere Pflicht, nicht wegzuschauen!“ Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück und Georg Graf Waldersee, EY, diskutieren über Vorbilder, Werte und das Recht junger Menschen auf eine zweite Chance. 50 Gründermut stärken Eine Start-up-Kultur kann nur entstehen, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen. 08 „Ich habe ein etwas anderes Risikoprofil.“ Mit Mut und Entschlossenheit führte Andreas Kaufmann den Kamerahersteller Leica zurück zu wirtschaftlicher Stärke. Impulse 20 „Diese Lust, mit den Augen zu greifen.“ Der Architekt Matteo Thun und der Hotelier Dietmar Müller-Elmau suchen gemeinsam eine Antwort auf die Frage, wie sich das Neue seinen Weg in die Welt bahnt. 60 Hand drauf! Auf ihrem Online-Marktplatz DaWanda führt Claudia Helming kreative Bastler und Liebhaber handgefertigter Unikate zusammen. 53 Der Schöpfung auf der Spur Jahrzehntelang widmete Sebastião Salgado sein fotografi14 Das zweite Leben Allen Warnungen zum Trotz sches Werk dem von Krieg, Katastrophen und glaubte Jean-Luc Petithuguenin an die Zukunft der harter Arbeit geschundenen Menschen. Nun Wiederverwertung – und schmiedete Frankreichs präsentiert er die Schönheit der Erde als epigrößtes unabhängiges Recyclingunternehmen. sches Drama. 26 Transatlantische Kombinationen Von Sachsen über Hamburg nach Amerika und zurück – der Maschinenbau-Unternehmer Hans Jürgen Naumann erzählt seinen bewegten Werdegang. 32 Die Gründer-DNA Kommen Menschen tatsächlich als Entrepreneure zur Welt? EY befragte dazu 700 Unternehmer aus 25 Ländern. 62 „Der Kopf da gefällt mir!“ Der Schweizer Unternehmer und Kunstsammler Donald Hess erinnert sich an seine erste Berührung mit der etablierten Kunstszene. 64 Zehn Fragen an Antonia Rados Die Fernsehreporterin erklärt, warum sie bei der Rückkehr aus Kriegsgebieten nach Europa manchmal das Gefühl hat, in einer Angstzone zu landen. 01/2014 Entrepreneur Entrepreneure Report 9 Der traditionsreiche Kamerahersteller Leica schien um die Jahrtausend- wende bereits am Abgrund. Doch dann stieg der Salzburger Unternehmer Andreas Kaufmann ein und führte das Traditionsunternehmen mit Mut und neuer Ausrichtung wieder in die schwarzen Zahlen. Die beispielhafte Auferstehung eines Mythos. „Ich habe ein etwas anderes Risikoprofil.“ Am Drücker: Andreas Kaufmann, der selbst leidenschaftlich gern foto grafiert, redet in der Firma auch bei Technik und Design mit. Hier erfreut er sich an der neuen Leica M – die dank eines innovativen Sensors mit großem Auflösungsvermögen glänzt. A ndreas Kaufmann blickt leicht amüsiert auf den Schriftzug auf der Kamera, mit der er fotografiert werden soll, und sagt: „Die machen auch ganz gute!“ Was eine Konzession ist, einerseits, aber zugleich deutlich macht, dass die besten Kameras der Welt seiner Meinung nach natürlich von Leica gebaut werden. Wer sich ihm hinter einem Objektiv nähert, begibt sich auf ein Terrain, das Kaufmann verständlicherweise für sich beansprucht. Bei dem er mitreden kann und es auch tut: „Selbst bei der M hätt ich Ihnen jetzt einen Blitz empfohlen!“ Die „M“ ist die neue Schöpfung aus dem Hause Leica, eine digitale Kleinbildkamera, die schärfere Bilder macht als alle ihre Vorgänger in der rund 100-jährigen Firmengeschichte. Der Leica-Aufsichtsratsvorsitzende Kaufmann hat zum Interview eine Sonderanfertigung in Weiß mitgebracht und stellt sie wirkungsvoll vor sich auf den Tisch. Damit der Mythos der Marke sozusagen greifbar wird. Fotos Michael Hudler Es ist Kaufmanns Verdienst, dass dieser Mythos nicht längst Geschichte ist. Dass Leica wieder satte Gewinne einfährt und seit sechs Jahren ein wahres Wachstumswunder erlebt. Dem Kamerahersteller drohte schon die Zahlungsunfähigkeit, als der österreichische Finanzinvestor 2004 über seine Salzburger Beteiligungsgesellschaft ACM in das krisengeschüttelte Unternehmen einstieg und 27,2 Prozent der Anteile kaufte. Ein Jahr zuvor hatte er 01/2014 Entrepreneur Entrepreneure Report 11 „Wir wollen die Leute weiter mit Produkten überraschen, die sie nicht erwarten. Wir machen im nächsten Jahr zum Beispiel Kameras aus einem Material, das man noch nie dafür verwendet hat.“ Andreas Kaufmann Eigentlich hatte ihm nur eine Industriebeteiligung vorgeschwebt, aber dann stellte sich schnell heraus, „damit hat sich’s nicht getan“. „We are in deep shit“, brachte Kaufmann die Sache nach der ersten Aufsichtsratssitzung auf den Punkt. „Wir sind fast vom Stuhl gefallen, als kurz vor Weihnachten 2004, vier Monate nach unserem Einstieg, der damalige Finanzchef sagte, 50 Prozent des Grundkapitals seien aufgebraucht.“ Dass Hermès damals Hauptaktionär war, hatte seinen Einstieg durchaus befördert, aber dann wollte der Luxuswarenproduzent auf einmal seine Anteile verkaufen. Und Kaufmann stand vor der schwierigsten Entscheidung seines Unternehmerlebens. Die Aufstockung seines Anteils auf 96,5 Prozent war der „vermutlich mutigste Schritt“ seines Engagements bei Leica. „Das war nicht billig. Ob es das damals wert war, sei dahingestellt, aber es war der richtige Schritt! Im August 2005 entschieden wir uns zu einer rabiaten finanziellen Restrukturierung.“ Kaufmann setzte Mit ruhiger Hand: Noch werden die Kameras im hessischen Solms gefertigt. Im nächsten Jahr zieht die Traditionsmarke nach Wetzlar um – an den Ort, wo vor rund 100 Jahren die LeicaErfolgsgeschichte begann. bereits die Mehrheit bei ViaOptic Wetzlar, einer ehemaligen Leica-Tochtergesellschaft, erworben und fand, dass das LeicaManagement schlecht verhandelt hatte. „Wir hätten eventuell sogar etwas mehr bezahlt.“ So war er auf die Muttergesellschaft Leica aufmerksam geworden. Und auch auf andere Fehler in der damaligen Konzernführung. Obwohl Leica schon seit 1996 Digitalkameras baute, glaubte man dort – wie in der Uhrenindustrie – zu lange an ein Revival des Analogen. Auf der Photokina 2004 wurden fast ausschließlich analoge Kameras ausgestellt und alle Angestellten angewiesen, einen Button mit der Aufschrift „Ich bin ein Filmsaurier“ zu tragen. „Ein Kommunikations-GAU“, sagt Kaufmann in der Nachbetrachtung, denn ausgerechnet das Jahr 2004 markierte den endgültigen Durchbruch der Digitalfotografie. Die alte Leica-Philosophie, Kameras für die Ewigkeit zu bauen, war durch die Entwicklung auf dem digitalen Markt überholt. Mehr Pixel, mehr Speicher, neue Sensoren – Canon, Nikon und Sony warfen in immer kürzer werdenden Abständen immer höher entwickelte Geräte auf den Markt, bei Leica aber häuften sich die Verluste, und für Investitionen fehlte das Geld. Wie viel Mut braucht man zum Investieren? „Ohne ist schwierig!“, sagt Kaufmann, beugt sich auf dem Sofa weit nach vorn, so, als wolle er seine Entschlossenheit auch gestisch unterstreichen. Da er aus einer der reichsten Familien Österreichs stammt, könnte man auf die Idee kommen, dass sein Leica-Investment vergleichs- Entrepreneur 01/2014 Geldspritzen, mit denen die Aufholjagd in Richtung digitale Welt ermöglicht wurde. Früher hatte Leica Kameras hergestellt, aber keine Filme, nun musste dringend neues Know-how her: 20 neue Mitarbeiter wurden eigens für die digitale Bildbearbeitung eingestellt. Partnerschaften mit Kodak, Fujitsu und Panasonic sicherten den Zugang zu den technischen Herzstücken digitaler Kameratechnik – modernen Bildsensoren und Hochleistungsprozessoren. Kaufmann redete bei Technik und Design mit und scheute sich auch nicht, wenn es nötig war, die Vorstände zu wechseln. Ein Jahr lang führte er die Firma sogar selbst. Mit neuen Produkten gelingt im Geschäftsjahr 2009/2010 der Turnaround. Die M9 und die Studiokamera S2 mit extragroßem Sensor werden Verkaufsschlager. Und Leica wartet auch nicht mehr auf die Kunden, sondern geht auf sie zu. Seit 2005 wendet sich das Traditionsunternehmen mit über 100 Mono Brand Stores, teils im Franchise, teils selbst betrieben, direkt an den Endkunden – ein Paradigmenwechsel in der Branche. „Wir sind die einzigen in der Industrie, die so etwas machen.“ Leica verfügt über einen Weltmarktanteil von derzeit 0,16 Prozent. Kaufmann hält eine Verdopplung für durchaus realistisch. „Wir haben eine intelligente, manche würden vielleicht sagen, aggressive Roadmap, die wir in den nächsten drei Jahren umsetzen werden. Ich glaube, die Marke hat viel mehr Potenzial als das, was sich in unserem derzeitigen Marktanteil widerspiegelt!“ Warum holte er sich vor zwei Jahren den US-Finanzinvestor Blackstone mit einer Minderheitsbeteiligung als Partner ins Boot? „Weil ich gern gut schlafe. Ich fühle mich immer wohler mit einem Partner, wir sind ein kleines Family Office in Salzburg, wir haben weise vielleicht gar nicht so mutig gewesen ist, denn selbst bei einem Totalverlust hätte er, wie er sagt, „immer noch die Miete zahlen können.“ Andererseits: „Niemand verliert gern Geld. Niemand, ich kenne keinen.“ Abgeraten haben ihm fast alle. Je weniger ihm die Meinung eines Menschen bedeutet, desto mehr hält er es, wie er sagt, mit Martin Luther: „Was juckt es die deutsche Eiche, wenn sich eine ...“ Aber im Falle Leica war seine gesamte Familie dagegen. Er hat es dennoch gewagt. Vielleicht, weil er, wie er sagt, über ein „etwas anderes Risikoprofil“ verfügt. Weil ihn ein Geschäft oft gerade dann interessiert, wenn andere abwinken. Weil er an die Marke glaubte, sagte er sich: „Diese Firma ist etwas wert und ich kann’s riskieren.“ Weil er es konnte. „Wenn Sie keinen finanziellen Background haben, ist es natürlich schwierig, etwas zu riskieren. Banken verleihen Regenschirme ja nur bei Sonnenschein!“ Kaufmann zieht dabei eine enge Grenze zwischen Mut und Tollkühnheit. Tollkühn wäre es für ihn gewesen, aus Ahnungslosigkeit, nur von persönlicher Leidenschaft getrieben, zu investieren. Er aber sah klare Indizien für das Potenzial der Firma: hatte wahrgenommen, dass japanische Großkonzerne stets deutsche Optiklizenzen verwendeten. Dass ihnen die viel Geld wert waren. Dass Panasonic, damals immerhin mit 400 000 Mitarbeitern, unbedingt die Leica-Lizenz wollte, obwohl der Firmenriese dadurch gezwungen war, jeden optischen Entwurf beim hessischen Mittelständler absegnen zu lassen. Also, war er sich sicher, investierte er nicht in den faden Nachhall einer schwer angeschlagenen Marke, sondern in ihren realen Wert. Auch wenn manche diesen damals nicht sehen wollten. Er würde ihnen die Augen schon öffnen. Aber auch er hatte ja nicht alles gesehen. Schwarz und Rot: Wie Juwelen auf Samt werden die aktuellen Modelle im Foyer der Firmenzentrale präsentiert. Entrepreneure Report 13 verschiedene Beteiligungen, und Leica ist eine relativ große. Es gibt gute Finanzinvestoren, und ich halte Blackstone für einen der besten. Wir entscheiden die wichtigsten Dinge gemeinsam.“ Mit Blackstone war der Weg geebnet, der es ihm erlaubte, Leica Ende letzten Jahres von der Börse zu nehmen – weil eine Finanzierung über den Kapitalmarkt nun nicht mehr notwendig war. Kaufmann, an dessen Revers ein dezenter Button in typischem Leica-Rot aufblitzt, streicht liebevoll über die mitgebrachte Kamera. Die Worte perlen aus ihm heraus: „Designklarheit. Materialechtheit. Die Oberfläche weich wie Seide ...“ Ein Objekt der Begierde für jeden Sammler. Kaufmann spricht mit warmer Stimme, in seinen Augen taucht hin und wieder ein leicht ironisches Flackern auf, das nur dann weicht, wenn man ihm Fragen stellt, die er als überflüssig empfindet. Zum Beispiel nach den Kosten seines Engagements: „Ich spreche nicht über Geld! Das ist ein altes Familienprinzip, Geld hat eine ganz schwierige Dimension, es ist ein Gestaltungsmittel und ein Neidmittel, und das wird häufig verwechselt. 20 Millionen Euro sind einerseits wahnsinnig viel Geld. Wenn ich damit machen kann, was ich möchte. Wenn ich aber eine Firma umstrukturieren will, ist es gerade einmal ein Hebel.“ Natürlich kann man den Büchern entnehmen, dass allein die Entwicklung der Studiokamera S2, des Leica-Flaggschiffs, mit Nachinvestitionen satte 39 Millionen Euro gekostet hat. Aber eine pauschale Frage nach seinen Ausgaben werde er nie beantworten. „Das ist eine Art Philosophie.“ Dr. Andreas Kaufmann Dr. Andreas Kaufmann, 59, stammt aus einer Anthroposophen-Familie und war Gründungsmitglied der deutschen Grünen. Als er 1998 zusammen mit seinen beiden Brüdern die renommierte österreichische Papier- und Zellstofffabrik Frantschach erbt, verkauft er für 1,5 Mrd. Euro und gründet die Beteiligungsgesellschaft ACM. Er legt seinen 15 Jahre lang ausgeübten Beruf als Waldorflehrer nieder und kauft über die Holding vorrangig Anteile von mittelständischen deutschen Unternehmen der Optoelektronik. In diesem Zuge steigt er auch bei Leica ein. Schnell muss er jedoch feststellen, dass die Lage dort schlimmer ist als ursprünglich angenommen: 2005 hat Leica sein Eigenkapital zu mehr als der Hälfte verbraucht, Hermès will seine Anteile verkaufen. Kaufmann stockt den Firmenanteil kurzerhand auf 96,5 Prozent auf. Seit 2010 ist er Aufsichtsratsvorsitzender. Durch sein Engagement schreibt das ehemals defizitäre Unternehmen wieder positive Zahlen: Leica peilt bis 2016/17 einen Umsatz von 500 Millionen Euro an. Das Unternehmen hat seit diesem Frühjahr eine neue Dependance in Portugal und insgesamt rund 1 400 Beschäftigte. Die Firmenzentrale, bisher im hessischen Solms, wird 2014 nach Wetzlar verlegt – an den Ort, wo die Leica-Erfolgsgeschichte vor mehr als 100 Jahren begann. Eleganz, die sich rechnet: Der selbst entwiIkonen der Reportage-Fotografie: ckelte Regional-Triebzug ist das Hinter Glas blitzen „Flirt“ Exponate aus erfolgreichste der Stadler Rail Group. rundProdukt 100 Jahren Firmengeschichte. Kaufmann ist in einem Anthroposophen-Haushalt aufgewachsen. Sein Vater Topmanager beim Naturkosmetik- und Arzneimittelkonzern Weleda, sein Schwager hat die Biomarktkette Alnatura gegründet. Kaufmann sagt, er habe die Theorien Rudolf Steiners im Wesentlichen als „eine Art Meditationsmethode“ für sich genutzt, „einfache Anweisungen, die einem helfen, als Mensch etwas gefestigter zu werden und bestimmte Dinge ruhiger und gelassener zu sehen. Weil Sie auch klarer entscheiden.“ Auch seinem Traumleben gebe er, der anthroposophischen Lehre gemäß, eine gewisse Bedeutung. „Nicht unbedingt im freudianischen Sinne, aber doch als kreative Quelle.“ Nicht dass Leica eine Träumerei gewesen sei, aber „zwei, drei Entscheidungen“ sind tatsächlich durch traumgespeiste Intuition angestoßen worden, zum Beispiel die Leica Monochrom, eine Kamera, die ausschließlich schwarzweiß fotografieren kann. Aber das besser als jede andere. Gibt es eine anthroposophisch gespeiste Form des Mutes? Kaufmann zitiert Rudolf Steiner: „Aus dem Ernst der Zeit muss geboren werden der Mut zur Tat.“ Das hatte jener zu Beginn des Ersten Weltkrieges gesagt, was er in diesem Zusammenhang sehr gut verstehen könne. Übertragen auf die heutige Zeit, würde er es jedoch anders formulieren: „Aus der Erkenntnis der Verantwortung erwächst der Mut zur Tat.“ Auch wenn Leica heute sozusagen über dem Markt thront wie ein mächtiger Felsen in seichtem Wasser, gibt es natürlich Angriffe von Mitbewerbern: Fuji und Sony bezeichnet Kaufmann als „ehrenwerte Konkurrenten“. Dass die Fuji-X-Serie zuweilen als „Leicas für Arme“ bezeichnet wurde, schmeichele ihm. Das Problem sei nur: „Was für einen Brandname hat Sony im Bereich der Kameras?“ Das habe Leica den japanischen Firmen voraus: „Mit einer Leica taucht man direkt in die Geschichte der Fotografie ein.“ Obwohl sich die Kleinbild-Fotografie seit Erfindung der Ur-Leica vor 100 Jahren rasant entwickelt hat, pflegt Kaufmann sehr gezielt den Mythos der Firma. So will er auch die Kooperation mit der berühmten Fotoagentur „Magnum“ wiederaufleben lassen, die bis auf deren Gründungsmitglieder, die Fotografen-Legenden Henry Cartier-Bresson und Robert Capa zurückgeht. Beide fotografierten mit? „Sie ahnen es ...“, sagt Kaufmann. 01/2014 Entrepreneur 14 Entrepreneure Report Jean-Luc Petithuguenin hat keine Angst, sich die Hände schmutzig zu machen. In knapp zwei Jahrzehnten machte er Paprec zum größten unabhängigen Recyclingunternehmen Frankreichs. Und gestaltete dabei auch die eigene Existenz von Grund auf neu: Der frühere Spitzenmanager hat sich als Entrepreneur neu erfunden. In knapp 20 Jahren hat Jean-Luc Petithuguenin seine Firma zu einer Gruppe ausgebaut und zu Frankreichs größtem unabhängigem Recyclingunternehmen gemacht. Entrepreneur 01/2014 Das zweite Leben Fotos Stephanie Füssenich 17 16 Entrepreneure Report er als fortgeschrittener Paris-Besucher an die Seine kommt, wird es sich nicht nehmen lassen, das Musée JacquemartAndré zu besuchen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat das Ehepaar Édouard André und Nélie Jacquemart in seinem Stadtpalais am Boulevard Haussmann eine bedeutende Sammlung von Renaissance-Kunst zusammengetragen. Mit einem Etat versehen, der bisweilen selbst den des Louvre überstieg, durchstreiften sie Italien und kauften Gemälde, Skulpturen, ganze Fresken an, die in Italien nicht mehr geschätzt wurden, und schufen ihnen in ihrem Salon ein neues Zuhause. Wenn Jean-Luc Petithuguenin aus dem Fenster seines Büros im achten Arrondissement blickt, sieht er auf die Dächer und in die Höfe prachtvoller Bauten und kann am rechten Rand seines Blickfeldes auch das Museum der Jacquemart-André erahnen. Auf seine Weise ist auch Petithuguenin ein Sammler – wenngleich auf der Rückseite des Ruhms. Und auch er gewinnt den Dingen, die andere wegwerfen, neue und wertvolle Seiten ab: Seine Firmengruppe hat sich auf das Sammeln von Müll verlegt, vor allem aber auf das Recycling. „Jeder hat mir damals davon abgeraten“, erinnert er sich. „Alle prophezeiten mir, ich würde damit auf die Nase fallen. Aber ich war überzeugt, dass die Zukunft dem Recycling gehört.“ Mit dem Mut dieser Überzeugung baute er in knapp zwei Jahrzehnten die Paprec-Gruppe auf, die größte selbstständige Recyclinggruppe Frankreichs. Zwei Mitbewerber sind noch größer als Paprec, doch sie sind großen Konzernen angegliedert: Suez und Veolia. Für einen kurzen Augenblick Mitte der 90er-Jahre gehörte auch Paprec, damals ein Papierrecycler mit 45 Angestellten, zu einem solchen Konzern. Aber dann sollte sich alles ändern: Der Manager, der die kleine Firma für die Compagnie Générale des Eaux übernahm, kaufte sie seinem Arbeitgeber ab, kündigte seine Stelle – und machte sich mit ihr selbstständig. Sein Name: Jean-Luc Petithuguenin. In einem seltenen, überraschenden und mutigen Akt war ein Entrepreneur geboren. „Vielleicht war es einfach nur Wahnsinn“, wehrt er heute ab. „Meine Frau hielt meine Entscheidung für äußerst riskant und Petithuguenin bewährte sich im Controlling, stieg zum Finanzchef, dann zum Direktor einer Baufirma auf und nahm schließlich eine Spitzenstellung in der Compagnie Générale d’Entreprises Automobiles ein, einer CGE-Tochter, die sich auf Industriefahrzeuge spezialisierte. Er war, wie er gern erwähnt, Chef von 15 000 Mitarbeitern, verfügte über drei Sekretärinnen und einen Fahrer. Manch einer wäre damit am Ziel seiner Wünsche gewesen. Nicht so Petithuguenin. Auch nach 15 Jahren als Manager hatte er einen Traum: „Ich wollte mir Spielräume eröffnen und suchte nach Unabhängigkeit“, sagt er. „Und ich war überzeugt, die fände ich am ehesten als Unternehmer.“ Paprec Jean-Luc Petithuguenin kam am 16. Oktober 1957 in Besançon als Kind eines Militärs und einer Mathematiklehrerin zur Welt. Er studierte an einer der führenden privaten Wirtschaftshochschulen Frankreichs und fand mit 22 Jahren eine Stelle bei der Compagnie Générale des Eaux. Nach 15-jähriger Karriere verließ er das Unternehmen, kaufte eine kleine Firma für Altpapierrecycling und machte sich selbstständig. In weniger als zwei Jahrzehnten steigerte er die Zahl der Beschäftigten von 45 auf 4 000 und den Umsatz auf mehr als 750 Millionen Euro. Heute ist Paprec die größte unabhängige Recyclinggruppe Frankreichs. Seine freie Zeit verbringt Petithuguenin gern im Kreis seiner Familie. Neben dem Segeln schätzt er die Pariser Oper, die er mit seinem Unternehmen seit 1998 auch als Mäzen unterstützt. Die Methoden der Wertstoff-Rückgewinnung wurden im Laufe der Jahre immer effizienter; heutzutage stammen bereits 15 Prozent der Plastikproduktion aus dem Recycling. riet mir dringend davon ab.“ Noch im Rückblick kann man ihre Sorgen verstehen: Petithuguenin war damals 37, hatte vier Kinder – und eigentlich keinerlei Vorbilder oder Mentoren für seinen späten Schritt in die Selbstständigkeit. „Mein Vater war Oberst bei der Armee, meine Mutter unterrichtete Mathematik“, sagt er. „Niemand in unserer Familie ist je Unternehmer gewesen.“ Seiner Frau zuliebe änderte er immerhin den Güterstand und überschrieb ihr das Haus. „Falls ich scheiterte, sollten meine Kinder jedenfalls nicht auf der Straße stehen“, sagt er. Andererseits ging er auch nicht völlig unvorbereitet in das Abenteuer des Unternehmertums. Jean-Luc Petithuguenin hatte eine exzellente Ausbildung und brachte langjährige Managementerfahrung mit. Er hatte an einer der führenden Wirtschaftshochschulen Frankreichs, der École Supérieure des Sciences Économiques et Commerciales, Wirtschaftswissenschaften studiert. Nach seinem Abschluss 1979 trat er in die Compagnie Générale des Eaux (CGE) ein. Das Unternehmen, das Mitte des 19. Jahrhunderts als Wasserversorgungsgesellschaft gegründet wurde, hatte zu diesem Zeitpunkt gerade begonnen, seine Aktivitäten zu diversifizieren. Zum klassischen Geschäft der Trinkwasserbereitstellung kamen neue Aktivitäten wie die Abwasser- und Abfallverwertung, die Energieversorgung, verschiedene Transportdienstleistungen, Bauwesen und Immobilienhandel. Entrepreneur 01/2014 So übernahm er 1995 die kleine Firma in La Courneuve im Norden von Paris. Um sogleich klarzustellen, dass er durchaus nicht vorhatte, klein zu bleiben: „Ich wollte ein großes Unternehmen führen“, sagt er. „Ich wollte wachsen!“ Und das tat Paprec unter der Führung des neuen Eigentümers mit atemberaubender Geschwindigkeit. Der Blick nach Deutschland hatte Petithuguenin schon früher als seine Landsleute das Potenzial erkennen lassen, das in der Ökologiebewegung steckte, und seine Erfahrungen als Manager in einem Großunternehmen halfen ihm, den Papierverwerter effizient zu organisieren. „In den ersten fünf, sechs, sieben Jahren haben wir den Umsatz jedes Jahr verdoppelt“, erinnert sich Petithuguenin. „Das war nicht schwer. Ich kannte die Branche, wir waren nah am Kunden, und wir konnten interessante maßgeschneiderte Angebote machen.“ Heute beziffert er die durchschnittliche Wachstumsrate der letzten 18 Jahre mit 29 Prozent. Paprec beschränkte sich nicht lange auf das angestammte Geschäft mit der Verarbeitung von Altpapier. „Glas, Altmetall, Bauschutt, Elektronikabfälle – alle zwei, drei Jahre haben wir ein neues Feld erschlossen“, sagt Petithuguenin. Pro Jahr verarbeitet seine Gruppe gut fünf Millionen Tonnen Abfall – Papier, Holz, Plastik, Bauabfälle. Zu seinen Kunden zählen Unter nehmen wie EADS, Siemens, Bosch, Ikea und der Handelsriese Carrefour. „Wir haben 20 000 Industriekunden, machen mit ihnen 657 Millionen Euro Umsatz. Dazu kommen 200 Städte und Gemeinden, die weitere 100 Millionen Euro Umsatz bedeuten.“ Aus deren Abfällen gewinnt Paprec mehr als vier Millionen Tonnen Wertstoffe zurück. Dabei profitiert das Unternehmen von immer effizienteren Ausbeutungsverfahren: „Vor 20 Jahren wusste man mit Plastikflaschen nichts besseres zu tun, als sie zu verbrennen“, sagt Petithuguenin. „ Aber inzwischen kann man den Kunststoff so aufbereiten, dass man ihn zu Turnschuhen oder Sandalen oder erneut zu Plastikflaschen ver arbeiten kann.“ Mittlerweile stammen bereits 15 Prozent der Plastikproduktion aus dem Recycling. Bei anderen Stoffgruppen liegt der Anteil wiederverwendeter Materialien schon weit höher. Glas? In Europa 60 Prozent. Papier? 50 Prozent. In der Stahlerzeugung wird zu 35 Prozent Alteisen verwendet, bei Kupfer beträgt der Recyclinganteil 30 Prozent. „Und das ist erst der Anfang“, versichert der Unternehmer. „China, Indien, Brasilien werden nicht so verschwenderisch mit Rohstoffen umgehen können.“ Hier liegen für ihn die Potenziale der Zukunft. Petithuguenin ist überzeugt: „Ende des 21. Jahrhunderts wird man 75 bis 80 Prozent der Materialien recyceln.“ Und Paprec wird dabei sein. Petithuguenin spricht ruhig und mit Überzeugung. Ist er eigentlich mutig oder nicht eher weitsichtig? Er überlegt kurz und betont die Unwägbarkeiten des Unternehmerlebens: „Wenn Sie eine Seereise machen, kann im Hafen noch die Sonne scheinen, 01/2014 Entrepreneur 19 18 Entrepreneure Report „Ich wollte mir Spielräume eröffnen und suchte nach Unabhängigkeit. Und ich war überzeugt, die fände ich am ehesten als Unternehmer.“ Jean-Luc Petithuguenin aber auf dem Meer bereits ein Sturm losbrechen.“ Der Erfolg seines unternehmerischen Kurses liege in der gemeinsamen Leistung. „Entscheidend ist es, gute Leute zu finden und in ihnen den Mannschaftsgeist zu wecken.“ Der Gedanke des Mannschaftsgeistes ist ihm sehr wichtig: Er ist stolz darauf, dass in seinem Unternehmen Menschen aus fast 50 Nationen zusammenarbeiten. An 50 Standorten sammelt Paprec die vorsortierten Abfälle, bereitet sie auf und gewinnt aus ihnen die Wertstoffe zurück, die dann in den Produktionskreislauf zurückfließen. In Petithuguenins Neigung zu nautischen Vergleichen gibt sich der passionierte Segler zu erkennen. An diesem Sport schätzt er zum einen die Umweltverträglichkeit, zum anderen die Herausforderung an Mut und Disziplin – wie sie der von Paprec gesponserte Profi-Skipper Jean-Pierre Dick zeigte, als er bei einer großen Regatta rund um den Globus weit vor dem Ziel seinen Kiel verlor, dennoch weiterkämpfte und schließlich immerhin den vierten Platz belegte. Paprec lässt den Hochseesegler in seinen Firmenzeitschriften ausführlich über seine Abenteuer berichten und belohnt verdiente Mitarbeiter gern mit Segel touren. Das Bewusstsein, gemeinsam in einem Boot zu sitzen, stellt auch hohe Anforderungen an den Kapitän: „Wenn ein Sturm aufzieht, darf er sich nicht in seiner Kajüte verkriechen, sondern muss vor seine Mannschaft treten und sie inspirieren“, sagt Petithuguenin. So wie 2008, als er die Entscheidung traf, die er für die mutigste seines Berufslebens hält: „Nach der Lehman-Pleite brachen unsere Rohstoffverkäufe ein. Zehn Tage nach dem Crash habe ich meine Leute versammelt und ihnen gesagt, dass wir weitermachen werden – aber dass wir die Investitionen zurückfahren und die Arbeitskräfte reduzieren müssen, um durch die Krise zu kommen.“ Heute, fünf Jahre später, beschäftigt Paprec 4 000 Menschen, mehr als je zuvor. leider sagen, dass mir die Politiker keinerlei Grund zur Be wunderung geben“ – bevor er sich dann doch auf einige Bürgerrechtler besinnt: „Ich habe Hochachtung für Menschen wie Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela: Menschen, die sich für ihre Ideen einsetzen – wenn es sein muss, sogar mit ihrem Leben.“ Im französischen Wirtschaftsleben sind derartige Erscheinungen nicht populär, meint Petithuguenin. „Die Franzosen träumen vom Reichtum – aber von ererbtem, nicht von erarbeitetem Reichtum“, sagt er. „Aber selbst bei uns gibt es Menschen, die sich für das Unternehmertum begeistern.“ Einer von ihnen ist er selbst. Sein Mut liegt daher wohl weniger in einer einzelnen Entscheidung als in dem beständigen Widerstand gegen eine vorherrschende Mentalität, die unternehmerischer Initiative nicht wohlwollend gegenübersteht. Ihn habe es schon als jungen Mann gejuckt, sagt er, der Gesellschaft seine Dienste anzu bieten: „Wenn man in Frankreich einen Führerschein haben will, muss man dafür zur Präfektur gehen – und dort stundenlang warten“, erklärt er. „Das hätte ich gern privat organisiert. Es hätte keinen Cent mehr gekostet, aber die Leute hätten nicht so sinnlos ihre Zeit verlieren müssen.“ Daraus wurde nichts. Auf ihren Führerschein müssen die Franzosen noch immer viele Stunden warten. Immerhin hat Petit huguenin ihre Straßen wirksam von einem Teil des Mülls befreit. Und wenn sie mit ihrer carte grise endlich am Steuer ihres Auto sitzen, hilft er ihnen, den Weg zu finden – denn im Jahr 2000 gründete er ein zweites Unternehmen, Helios, das Straßenmarkierungen herstellt. So hat Jean-Luc Petithuguenin als Unternehmer so markante Spuren hinterlassen wie Édouard André als Kunstsammler und Mäzen. Doch – anders als der Bankiersspross und -erbe vom Boulevard Haussmann – ganz aus eigener Kraft. Zu dieser Größe ist Paprec nicht allein durch internes Wachstum gelangt. Zu einem Drittel gehe das Wachstum auf das Konto von Zukäufen und Übernahmen, rechnet Petithuguenin vor. Mittlerweile sind es rund 60 Unternehmen, die die PaprecGruppe in sich aufgenommen hat und die inzwischen den ganzen Zyklus des Recyclings abdecken: vom Sammeln der Abfälle über das Wiederaufbereiten und Anreichern bis zum Vermarkten der wiedergewonnenen Rohstoffe. Auch im Umgang mit den angegliederten Unternehmen lässt sich Petithuguenin von der Vorstellung des Mannschaftsgeistes leiten. „Ein Mensch, der zehn oder 20 Jahre lang erfolgreich sein Unternehmen geleitet hat, womöglich bereits in zweiter und dritter Generation, und nun verkaufen muss, den kann man nicht einfach beiseiteschieben. Man darf nicht wie ein Eroberer auftreten. Man muss der Leistung anderer mit Respekt begegnen.“ Das Ergebnis gibt ihm recht: „Viele frühere CEOs arbeiten weiterhin bei uns.“ In diesen Worten äußert sich ein Respekt für das Unternehmertum, der – wie Petithuguenin meint – in Frankreich allzu selten ist. Fragt man ihn nach Menschen, die er für ihren Mut bewundert, schießt es aus ihm heraus: „Ich muss 01/2014 Entrepreneur 20 Entrepreneure Perspektivwechsel „Vielleicht ist es eine ganz große Kunst, wenn man es schafft, das Neue auf eine Weise einzufügen, dass die Leute denken, es wäre schon immer dagewesen.“ Dietmar Müller-Elmau „Letzten Endes musst du als Planer immer bei null anfangen. Du musst die Seele des Ortes, an dem du baust, verstehen und erfassen.“ Matteo Thun „Diese Lust, mit den Augen zu greifen“ Der eine zählt zu den weltweit renommiertesten Architekten und schreckte einst mit grellbunten und lustvollen Entwürfen das Designer-Establishment auf, der andere verprellte mit seinen Plänen zum Wiederaufbau des großväterlichen Schlosshotels viele Stammgäste und schuf aus der Synthese von Tradition und Innovation eine neue HotelLegende. Kein Zweifel – eine gewisse Lust an der Provokation verbindet den Architekten Matteo Thun und den Hotelier Dietmar Müller-Elmau. Beide kennen sich seit vielen Jahren. Im Gespräch, begleitet von einigen Tassen Tee und einem Lunch im Kasino von Thuns Mailänder Büro, suchten sie erstmals eine gemeinsame Antwort auf die Frage, wie sich das Neue seinen Weg in die Welt bahnt. Fotos Maurice Haas Entrepreneur 01/2014 23 22 Entrepreneure Perspektivwechsel M atteo Thun: Nachdem 2005 ein Brand große Teile von Schloss Elmau zerstört hatte, hast du Jahre damit verbracht, das Schloss wieder aufzubauen. Und du hast ein Vermögen in dieses Projekt investiert. Wenn du an diese Zeit zurückdenkst – was war dir eigentlich beim Wiederaufbau, der ja in ein völlig neues Konzept mündete, das Wichtigste? Dietmar Müller-Elmau: Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber es ist der große Brunnen! Er symbolisiert sozusagen die im Wettersteingebirge scheinbar angehaltene und im Wasser des Ferchenbachs unaufhaltsam verrinnende Zeit. Genauso empfinde ich Schloss Elmau – ein Ort vollkommener Ruhe und gleichzeitig ständiger Bewegung. Ich habe fünf Jahre daran herumgeschliffen. Das Wasser muss auf der gesamten Länge von 20 Metern gleichmäßig stark wie ein hauchdünner Film an den Wänden herunterfließen, sodass es sich mit dem Stein scheinbar untrennbar verbindet. Thun: Doch, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Die Wasserachse, die du im Eingangsbereich geschaffen hast, generiert dieselbe Eindeutigkeit wie ein japanischer Tempel. Ich nenne es „die Geschwindigkeit der Entzifferung“: Wenn ich nach Elmau komme, habe ich in Sekundenbruchteilen Klarheit. Ich liebe es sofort – oder ich liebe es nicht. Diese Geschwindigkeit der Entzifferung findet man in der Architektur genauso wie in zwischenmenschlichen Beziehungen. Entweder ich verstehe eine Frage auf Anhieb – oder ich verstehe sie nie. Oder du siehst eine tolle Frau auf der Straße und sagst dir: „Die ist es!“ Das dauert nicht länger als ein paar Sekunden. Müller-Elmau: Für mich kommt auf jeden Fall die Freiheit dazu als Idee hinter dem Neuen, hinter dem, was ich neu denke und anpacke. Thun: Die Freiheit. Kannst du das erklären? Wir kennen uns ja nun schon etliche Jahre, aber ich weiß nur ganz grob, dass du mit deinen Innovationen sozusagen bei der Software gestartet und bei der Hardware, also bei Schloss Elmau, gelandet bist. Müller-Elmau: Die Freiheit ist für mich das konstituierende Prinzip des Neuen. Als ich seinerzeit Fidelio gegründet habe, mein Software-Unternehmen, habe ich den Namen zunächst unbewusst gewählt. Dabei hätte es mir eigentlich klar sein müssen. In seiner Oper Fidelio hat Beethoven die Entrepreneur 01/2014 Freiheit zum Leitthema gemacht. Am Schluss werden die Kerkertore geöffnet, alle Gefangenen sind frei. Als ich meine Firma gründete, gab es schon eine HotelSoftware auf dem Markt. Sie funktionierte nach dem Motto „Friss oder stirb“ und zwängte den Nutzer in ein Korsett. Ich hatte dagegen das Ideal einer Software vor Augen, die sich mit den Anforderungen des Anwenders verändert. Deshalb wurde sie auch fast überall auf der Welt die Nummer eins. Thun: Und Elmau? War die Freiheit für dich auch da der Leitgedanke? Müller-Elmau: Wenn man so wie ich in Elmau aufgewachsen ist, in einer Welt, in der es vordergründig um Freiheit ging, die ich aber als Gefängnis empfand, dann ist das sofort ein Widerspruch. Es gab die Freiheit vom Ich; dafür stand das alte, von meinem Großvater geschaffene Elmau, wo alle in einer Art Gemeinsinn das Gleiche dachten. Und es gab die Freiheit des Ich, das war meine Freiheit. Beide Begriffe von Freiheit waren nicht kompatibel. Das alte Elmau war für mich ein weltentrücktes Refugium deutscher Innerlichkeit; lauter Weltverbesserer mit ungeheurem Bildungsdünkel. Individualität und Vielfalt wurden nicht akzeptiert. Thun: Und mit dem Wiederaufbau wolltest du die Freiheit nach Elmau holen. Müller-Elmau: Genau. Das neue Elmau ist der architektonische Versuch, ein Maximum an Freiheit und vielfältige Schattierungen von Privatheit zu ermöglichen, indem du dich, je nach Stimmungslage und Konstellation, entweder zurückziehen oder ins Leben stürzen kannst. Du sitzt also nicht in einem homogenen Käfig, der totalitär ist, weil du ihn nur so und nicht anders nutzen kannst, sondern du kannst ihn auf vielfältige Weise nutzen und überall deinen Platz finden. „Gerade in der Architektur und speziell bei Hotels ist die Zeitlosigkeit essentiell. Man geht doch in ein Hotel, weil man eine Art von Auszeit nehmen will, an einem Ort, an dem man sich zur Ruhe begibt.“ Dietmar Müller-Elmau Thun: Und der Brand hat dir das ermöglicht? Müller-Elmau: Letzten Endes ja. Vor dem Brand habe ich lediglich versucht, die Inhalte zu wechseln, ich habe nur restauriert. Erst nach dem Feuer konnte ich mich daranmachen, für den neuen Wein auch eine neue Flasche zu entwerfen. Aber bei dir gab es doch bestimmt ähnliche Bereinigungsprozesse. Du hast Uhren für Swatch designt und möchtest heute darauf am liebsten nicht mehr angesprochen werden. Und irgendwo habe ich gelesen, dass man bei dir zu Hause keinen einzigen von dir entworfenen Gegenstand findet. Thun: Ja, ich bin eben allergisch gegen meine eigenen Dinge und brauche Abstand zu den Bildern, die ich produziere. Aber mein eigentliches Neulanderlebnis liegt viel länger zurück. 1978, auf dem Rückweg von Los Angeles, traf ich Ettore Sottsass, einen Mann, der von Kind an eines meiner großen Vorbilder war. Die meisten kennen ihn als Architekten, aber kaum jemand weiß, dass er Ende der 50er-Jahre mit Adriano Olivetti einen Computer entwickelt hat, der ungefähr halb so groß war wie dieser Raum hier. Ich hatte die Möglichkeit, mit ihm 1980 Memphis zu gründen. Müller-Elmau: Das war eine unglaubliche Provokation, was ihr da gemacht habt. Ich erinnere mich: Möbel, die aus Kegeln, Kugeln und Pyramiden zusammengesetzt waren, mit grellem Kunststofflaminat beschichtet. Thun: Es war die Antwort auf den damals vorherrschenden Funktionalismus. Im Grunde entstand die Memphis-Initiative aus einer ähnlichen Frustration heraus, wie du sie eben für dich beschrieben hast. Die Industrieauftraggeber wollten alles in Grau, wobei die Farbe symbolisch gemeint ist. Sie wollten null Risiko, die Funktion stand absolut im Vordergrund. Unsere Geschäfte liefen gut, wir waren das am schnellsten wachsende Kreativbüro Italiens, aber die Stimmung war miserabel. Die Ergebnisse waren halt immer grau. Dieser Kreativitätsstau führte 1981 zur Explosion, zur Gründung der Memphis Group. Wir haben die vordergründige Funktionalität von Designobjekten radikal in Frage gestellt und hundert Prozent Emotion dagegengesetzt. „Das Thema Zeit ist die neue Herausforderung für uns Architekten. Wir müssen die Entschleunigung richtig planen.“ Matteo Thun Daran habe ich mich auch gehalten und bin aus der Gruppe ausgetreten. Der Erfolg von Memphis war allerdings so unglaublich, dass einige meiner Kollegen fast zehn Jahre weitermachten. Müller-Elmau: Aber was sind deine Leitprinzipien? Was ist das Verbindende zwischen einer von dir entworfenen Espressotasse und einem Hotel? Thun: Zeit meines Lebens gab es wenige Prinzipien, die sich als roter Faden durch alle Entwürfe und Gedanken ziehen. Einmal ist es die Idee von Leichtigkeit als Gegenteil von Schwere, dann das Thema Vielschichtigkeit. Ich arbeite an kleinen Dingen wie beispielsweise einer Espressotasse zur gleichen Zeit wie an einem großen Hotel oder wie zurzeit an einem Opernhaus in China. Diese Vielschichtigkeit führt zu einer gewissen Spannung, die man als Kreativer nicht missen will. Die Synthese all dessen ist eine Idee von Dauerhaftigkeit als Gegenteil von Zeitgeist. Müller-Elmau: Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit – ist das für dich das Gleiche? Müller-Elmau: Aber das Ganze hielt nicht lange, oder? Thun: Entscheidend für uns Architekten ist die technische Dauerhaftigkeit, das ist die wahre Nachhaltigkeit. Wenn du heute ein neues Hotel baust, dann muss das in 50 und in 100 Jahren immer noch gut aussehen. Wenn du Zeitgeist hineinpumpst, müsstest du alle zehn Jahre renovieren, und das kannst du dir auf Dauer nicht leisten. Nach dem Austritt aus der Memphis Group habe ich mich schnell einem neuen Thema gewidmet, nämlich dem ökologischen Bauen. 1990 begann ich mit einem Niedrigenergie-Fertighaussystem namens Sole Mio – es war über zehn Jahre das meistkopierte Einfamilienhaus Europas. Heute gibt es „Green Washing“ auf allen Ebenen. Jede Architektur möchte ökologisch und nachhaltig sein. Thun: Die Revolution fraß ihre eigenen Kinder. Wir hatten vereinbart, Memphis maximal drei Jahre aufrechtzuerhalten, weil die Energie, die man in eine Revolution einbringt, nicht für lange Zeiträume reicht. Müller-Elmau: Ich glaube, dass die Menschen nicht den Zeitgeist suchen, sondern das Zeitlose. Wenn ich das Thema der Zeitlosigkeit in den Mittelpunkt der Architektur stelle, beginnt das nachhaltige Denken. Ge- 01/2014 Entrepreneur rade in der Architektur und speziell bei Hotels ist die Zeitlosigkeit essentiell. Man geht doch in ein Hotel, weil man eine Art von Auszeit nehmen will, an einem Ort, an dem man sich zur Ruhe begibt. Das ist ein gewisses Anhalten der Zeit oder zumindest eine Verlangsamung. Früher ging man, wenn man eine solche Auszeit benötigte, in eine Kirche. Ich bin überzeugt, dass man dieses sakrale Element in den Proportionen, in den Räumlichkeiten umsetzen muss. Wenn das nicht gelingt, ist es ganz schwierig, Nachhaltigkeit zu erzeugen. Thun: Richtig. Das Thema Aus-Zeit ist die neue Herausforderung für die Hotelplanung. Wir müssen die Entschleunigung richtig planen. Entschleunigung ist ja nur möglich, wenn wir auch beschleunigende Momente einbauen, indem wir Spannung erzeugen. Das kann durch unterschiedliche Proportionen oder Materialien geschehen. Man versucht die Sensorialität anzusprechen – das Spüren mit all unseren Sinnen und zwar auf eine ganz natürliche, intuitive, „normale“ Weise. Müller-Elmau: Aber wie übersetzt man das in die Architektur? Entrepreneur 01/2014 Thun: Zum Beispiel durch den Goldenen Schnitt. Du nennst sie sakrale Elemente in den Proportionen. In allen Kulturen, ob in Fernost oder in unserer westlichen Kultur, gibt es ein allgemein gültiges Ebenmaß. Wenn ein Japaner den Kölner Dom betritt, dann hält er den Atem an, genau wie du und ich empfindet er eine Dimension von Freiheit und Erhabenheit, ein Glücksgefühl. Die Herausforderung für die Architektur ist es, die Taktilität wiederzuerwecken, also die Lust, mit den Augen zu greifen. Das ist ein Spruch von Goethe: „Mit den Augen greifen, mit den Fingern sehen.“ Diese Qualität ist in der Architektur der Moderne Mangelware. Die moderne Architektur ist in den meisten Fällen zu glatt. Sie ist das Gegenteil von Taktilität. Müller-Elmau: Wenn du dir Hotels anschaust, vor allem in Asien, dann findest du überall diese total polierten Marmorflächen und Marmorböden. Die Bearbeitung hat dem Stein jede Individualität genommen. Aber glatter Marmor galt eben lange Zeit als ein Symbol für Luxus. Thun: Nicht nur in Asien! Dietmar Müller-Elmau Matteo Thun Geboren wurde der heute 59-Jährige in Zimmer 54 des von seinem Großvater errichteten Schlosses Elmau am Fuß des Wettersteinmassivs. Müller-Elmau studierte Betriebswirtschaft, Philosophie und Theologie, lebte zeitweilig in Indien und absolvierte an der Cornell University in Ithaca, New York, ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt Hotel Management und Computer Science. Zurück in Deutschland, gründete er Fidelio und machte es innerhalb von acht Jahren zum Weltmarktführer für Hotel-Software. 1997 verkaufte er Fidelio an Micros Inc. in den USA und übernahm Schloss Elmau als Pächter, um es seinem Vater zuliebe zu sanieren und neu auszurichten. Nach einem Großbrand und weitestgehenden Abriss im Jahr 2005 erwarb er die Mehrheit der Anteile an der Eigentümergesellschaft und baute Schloss Elmau als Luxury Spa & Cultural Hideaway 2007 wieder auf. Heute gilt Schloss Elmau international als Trendsetter der Spa Hotellerie. 2012 wurde Dietmar Müller-Elmau zum Hotelier des Jahres gekürt. Der 61-jährige, in Bozen geborene Architekt war Schüler Oskar Kokoschkas an der Sommerakademie Salzburg und um 1980 Mitbegründer der Memphis Group, die sich gegen den im Industriedesign vorherrschenden strikten Funktionalismus stellte. 1984 gründete er ein eigenes Studio in Mailand sowie 2001 Matteo Thun & Partners. Thun, in den 90er-Jahren unter anderem Creative Director der Uhrenmarke Swatch, zählt seit Jahren die Nachhaltigkeit zu seinen Leitprinzipien. Er gehört zu den Vorreitern des ökologischen Bauens auch im Luxussegment und entwirft Biomasse-Heizkraftwerke, preiswerte Holzhäuser für den sozialen Wohnungsbau und exklusive Villen. Ein weiterer Schwerpunkt des Architekturbüros ist der Hotelbereich. Aktuell arbeitet Thun unter anderem an den Plänen für das neue Grandhotel „The Fontenay“ an der Hamburger Außenalster. Müller-Elmau: Nein, in Elmau war es ja nicht anders. Mein Großvater hat mit Solnhofer Stein gebaut. Das ist sozusagen der sakrale Stein Bayerns, die meisten Kirchen sind daraus gebaut. Aber was hat man damals mit diesem Stein gemacht? Glattpoliert hat man ihn zu einer homogenen Fläche und ihm damit seine Farbigkeit, seine Scheckigkeit genommen. Einige Zeit nach dem Brand in Elmau fuhr ich zum Steinbruch nach Solnhofen, ging ins Büro des Geschäftsführers und sah, dass der Mann auf einem Solnhofer Stein sitzt – und zwar nicht geschliffen, sondern bruchrau, so wie er aus dem Steinbruch kam. „Was wollen Sie?“, fragte er mich. „Das will ich“, antwortete ich und zeigte auf den Stein, auf dem er saß. Er sah mich an und sagte: „Sie sind der Erste in 30 Jahren, der hier in dieses Büro kommt und weiß, wovon er redet.“ Start bei null. Ich habe in meinem Leben nie so etwas wie eine architektonische Handschrift besessen. Wie kann es eine Handschrift geben, wenn man jedes Mal bei null beginnt? Es gibt lediglich eine gemeinsame Klammer in der Methodik. Thun: Letzten Endes musst du als Planer immer bei null anfangen. Du musst die Seele des Ortes, an dem du baust, verstehen und erfassen. Müller-Elmau: Aber wie nimmst du dich denn zurück, wie schaffst du als Architekt Distanz zu deinen früheren Entwürfen und Erfolgen? Wenn du jetzt in Hamburg das Grandhotel „The Fontenay“ am Standort des ehemaligen Intercontinental an der Außenalster planst, kannst du doch nicht alles, was du bis dato gedacht und konzipiert hast, hinter dir lassen. Thun: Doch, das kann ich, das muss ich sogar. Jeder neue Standort verlangt einen Müller-Elmau: Aber wie sieht sie aus, diese gemeinsame Klammer? Thun: Ich halte mich lange an dem Ort auf. Es ist ganz wichtig, das Mikroklima zu verstehen: Woher kommen die Winde? Wo geht die Sonne auf, wo geht sie unter? Damit beginnt alles. Es gibt einen Ausspruch von Renzo Piano, dem vermutlich großartigsten noch lebenden italienischen Architekten, dem Erbauer des Centre Pompidou. Er sagt: „Wenn ich auf den Plan schaue, ist das Einzige, was ich wissen will, wo Norden ist. Dann verstehe ich, worüber ich spreche, dann kann ich planen.“ Der Nordpfeil ist in jedem Menschen, ob er Architekt ist oder nicht. Wir alle sind eine Deklination der Sonne, und das Geschehen ist die Sonne. Müller-Elmau: Nachdem Elmau abgebrannt war, ging ich auf die andere Seite des Tals und setzte mich dort auf einen Hügel. Jetzt hast du die Chance, zu machen, was du willst, sagte ich mir. Von diesem Hügel aus verstand ich erstmals, dass diese Kapelle aus dem 15. Jahrhundert der Genius Loci des Ortes ist, der die ganze Energie in sich vereint. Und mir war klar, dass ich nichts machen durfte, was diesen Genius Loci schwächt. Nachdem sie über hundert Jahre immer wieder daran an- und umge- baut hatten, war er ja schon fast zerstört. Weißt du, ich beneide dich um den Luxus, dass du ständig etwas Neues schaffen kannst. Manchmal neigt man ja dazu, zu wiederholen, was sich bewährt hat. Thun: Das wäre das Ende jeglicher Kreativität. Wiederholungssünder ... Müller-Elmau: Vielleicht ist es eine ganz große Kunst, wenn man es schafft, das Neue auf eine Weise einzufügen, dass die Leute denken, es wäre schon immer dagewesen. Thun: Das ist natürlich die höchste Kunst. Wir hatten vor kurzem eine Feier zum zehnjährigen Bestehen eines Hotels in den Bergen. Die Gäste kamen und sagten: „Das Vigilius erweckt den Eindruck, als wäre es immer schon dagewesen. Es liegt in der Landschaft wie ein Baum, der umgefallen ist.“ Müller-Elmau: Ich glaube, das Geheimnis ist die Materialität. Du kannst eine völlig neue, radikale Idee haben, aber wenn du natürliche, wertvolle und möglichst naturbelassene Materialien nimmst, entsteht der Eindruck, das Haus oder Hotel war schon immer da. Thun: Ich werde dich als meinen Verkäufer einstellen. Es ist genau so, wie du sagst! Dieses Hotel in den Bergen besteht aus dem Holz von Lärchen, die dort in der Gegend wachsen. Das Hotel und die Landschaft gehen eine totale Symbiose ein. Fühl doch mal diesen Tisch hier, der ist unbehandelt und wird einmal im Jahr mit Bienenwachs eingelassen. Ich frage dich: Was kostet es, das Holz einmal im Jahr eine halbe Stunde lang mit Bienenwachs zu behandeln, um die Poren zu schließen und einen fantastischen Duft zu generieren? Müller-Elmau: Für den Tisch mag das stimmen. Aber in Elmau ist es schon ein wahnsinniger Aufwand, die Natursteinplatten und das Holz zu pflegen, wir haben Unmengen davon. Aber der Aufwand lohnt sich. Nichts ist schlimmer, als wenn du in einen Raum kommst und das Gefühl hast, dass niemand mehr darauf geachtet hat. Wenn du etwas baust und nie wieder Energie hineingibst, nie wieder Achtsamkeit, dann ist es praktisch weg. Es verschwindet mit der Zeit. 01/2014 Entrepreneur 26 Entrepreneure Report Entrepreneure Report 27 Die Bearbeitung von EisenbahnRadsätzen bildet die älteste Säule ihres Geschäfts: John O. Naumann und sein Vater Hans J. Naumann. W Transatlantische Kombinationen Fotos Albrecht Fuchs Der Maschinenbauer Hans Jürgen Naumann hat ein Faible für kühne Wendungen. In den USA wurde der Deutsche zum Unternehmer, nach dem Fall der Mauer ging er in die DDR. Von Chemnitz aus operiert seine NSH Werkzeugmaschinengruppe heute in der ganzen Welt. Mit der Einsetzung seines Sohnes John als Nachfolger hat er sein Lebenswerk gerundet. erkzeugmaschinen sind die genauesten Maschinen, die sich bauen lassen“, sagt Hans Jürgen Naumann in seinem Büro in Erkelenz. Mit Verve erklärt er: „Sie können drehen, fräsen, bohren, schleifen und Gewinde schneiden – meistern alle diese grundsätzlichen Bearbeitungsvorgänge. Aber sie tun es zehnmal genauer als das Teil, das sie bearbeiten.“ Der Patriarch spricht mit einer Genugtuung, für die er gute Gründe hat. Zum einen hat er sein Leben lang Werkzeugmaschinen gebaut. Zum anderen decken seine Produkte eine große Bandbreite ab: „Auf unseren Maschinen wird die ganze Maschinenbauindustrie bearbeitet – ob Traktoren, Kompressoren oder Güter der Landwirtschafts- und Automobilindustrie.“ Felder wie den Werkzeug- und Formenbau, die Eisenbahn- oder die Luft- und Raumfahrtindustrie hat er dabei noch nicht einmal erwähnt. Und nicht zuletzt spielt Hans Jürgen Naumann mit seinem Unternehmen in der Spitzengruppe mit: Seine Niles-Simmons-Hegenscheidt Machine Tool Group (NSH) setzt mit gut 1 300 Mitarbeitern 300 Millionen Euro um und gehört weltweit zu den wichtigsten Playern im Werkzeugmaschinenbau. Die drei Namensbestandteile weisen auf ein weiteres Merkmal seines Unternehmens: Die Gruppe, deren hochkomplexe Produkte höchsten Präzisionsanforderungen genügen, setzt sich aus mehreren Unternehmen ganz unterschiedlicher Herkunft zusammen. Ihre jetzige Form ist nur als Resultat von Zufällen, Chancen, überraschenden Wendungen zu erklären – und der Persönlichkeit ihres geschäftsführenden Gesellschafters Hans Naumann. In ihr spiegeln sich die Wechselfälle seines Lebens wider – ein Leben, an dessen Beginn nichts auf Maschinenbau hindeutete. Naumann wurde in Sachsen geboren. Die Familie lebte nordöstlich von Leipzig, wo seine Eltern mehrere Güter besaßen. Er wuchs auf im Gefühl der Unabhängigkeit: „Die großen Güter waren damals total selbstständig“, erinnert er sich. „Da konnten Sie die Tore dichtmachen – die brauchten gar kein Geld, um sich zu versorgen.“ Jedes eine Welt für sich, autark und unabhängig. 01/2014 Entrepreneur Entrepreneure Report 29 Mit der Konkurrenz auf den Weltmärkten im Blick führt John O. Naumann NilesSimmons-Hegenscheidt in die Zukunft. Jedenfalls bis zum Ende des Krieges. Naumann war zehn Jahre alt, als die Familie enteignet wurde. „Sachsen führte die verordnete Bodenreform so gründlich durch, dass die Enteigneten auch gleich interniert wurden“, sagt er mit leiser Ironie. Sie verdeckt nur ungenügend die Erfahrungen der Ohnmacht, Hilflosigkeit, Demütigung, die sich dem Jungen tief einprägten. Und die seinen Widerstand weckten. „Eigentlich war mir bestimmt, das Rittergut Zschorna zu übernehmen“, erinnert er sich. Doch im Frühjahr 1946 fand sich die Familie in Hamburg wieder und entschied sich, nicht mehr in die russisch besetzte Zone zurückzukehren. Landwirtschaft war für Naumann nicht länger eine Option. Er orientierte sich um und studierte nach einer Lehre Maschinenbau. Die entscheidende Wendung erfuhr sein Leben 1960: Die Hochzeitsreise führt den 25-Jährigen in die USA. Dort erhält er ein Angebot von Werkzeugmaschinenherstellern der Firma Farrel. „Die hatten gerade mit deutschen Herstellern Lizenzverträge geschlossen, die deutschen Zeichnungen angeguckt – und nicht verstanden“, sagt er. „Farrel brauchte einen wie mich, der das aus dem Effeff konnte.“ Naumann nahm an, blieb in den USA und machte Karriere. Als Division Engineer war er schließlich verantwortlich für 60 Ingenieure. NSH Werkzeugmaschinengruppe Hans J. Naumann ist geschäftsführender Gesellschafter der NSH Werkzeugmaschinengruppe. Er wurde in Dewitz bei Leipzig geboren, fand sich nach dem Krieg in Westdeutschland wieder und studierte in Hamburg Maschinenbau. 1960 ging er in die USA, machte dort Karriere und kehrte 1970 als Unternehmer nach Deutschland zurück. Niles-Simmons-Hegenscheidt mit Sitz in Chemnitz beschäftigt 1 360 Menschen und machte 2012 einen Umsatz von 300 Millionen Euro. Naumann ist verheiratet, hat vier Kinder und sammelt historische Autos. John O. Naumann ist Nachfolger im Unternehmen. Seine Qualifikation hat er in Führungspositionen in den USA und Deutschland unter Beweis gestellt. Entrepreneur 01/2014 Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon ein MBA-Studium beendet und die Einsicht gewonnen: „Das Geld wird im Management gemacht.“ In bemerkenswerter Freiheit zog er die Konsequenz, kündigte seine Stelle und gründete 1966 seine erste Firma. Als Lizenznehmer des deutschen Maschinenbauers Hegenscheidt machte er sich daran, die Technik des Fest- und Glattwalzens in den USA bekannt zu machen, die dafür notwendigen Maschinen zu bauen und zu verkaufen. Woher nahm er mit Anfang 30 solchen Mut? „Zum Mut gehören viele Faktoren“, sagt Naumann. „Zum Beispiel eine gute Vorbereitung. Oder die Bereitschaft zu arbeiten, seine Zeit ganz an eine Sache zu wenden. Ich war dazu bereit, alles zu geben.“ Sein Motto lautete damals: „Wir arbeiten 24 Stunden am Tag, und wenn das nicht reicht, nehmen wir die Nacht dazu.“ Naumanns Fleiß, Talent und Selbstvertrauen schufen der Hegenscheidt Corporation in kurzer Zeit einen Platz auf dem Markt. Das Mutterhaus war beeindruckt und bat Naumann 1970 als Mitgesellschafter nach Deutschland, um die Leitung der GmbH in Erkelenz zu übernehmen. Naumann gelang es, den Umsatz des Unternehmens binnen zehn Jahren auf das 14-Fache zu steigern und das Unternehmen am Nordrand der Kölner Bucht als einen Hersteller von Eisenbahnmaschinen weltweit bekannt zu machen. Doch auch von der deutschen Provinz aus verlor er die USA nicht aus dem Blick. Und griff zu, als sich ihm 1983 die Möglichkeit bot, die Simmons Machine Tool Corp. zu erwerben. Simmons fertigte Maschinen zur Herstellung und Instandhaltung von Eisenbahnradsätzen. Naumann baute die Firma aus, kaufte auch die Konkurrenten Stanray und Farrel auf und machte Simmons damit zum einzigen Hersteller von Eisenbahnmaschinen in Nordamerika. Inzwischen besaß Naumann längst die amerikanische Staatsbürgerschaft. Dennoch suchte er immer die Anbindung nach Deutschland. Aus ganz praktischen Gründen: dem Bedarf an Fachkräften. „Im Wettbewerb um gute Uni-Absolventen zog eine kleine Firma wie Simmons immer den Kürzeren gegen Riesen wie General Electric. Zu uns kam niemand. Wir hatten zwar Konstrukteure, aber die Erfahrung war nicht da. Das hinderte mich daran, die Produkte zu entwickeln, von denen ich träumte.“ Das sollte sich mit einem Schlage ändern, als 1989 die Mauer fiel. „Ich war immer in Deutschland auf der Suche, und mit einem Mal kommt die Wiedervereinigung!“ erinnert sich Naumann. Obwohl er regelmäßig zweimal im Jahr nach Leipzig fuhr, um Verwandte zu besuchen, traf sie ihn völlig unerwartet: „Ich habe nie daran geglaubt.“ Umso beherz- ter greift er zu, als sich ihm eine Gelegenheit zum Kauf eines Unternehmens bietet. Auf einer Werkzeugmaschinenmesse in Paris entdeckt er eine Firma aus Chemnitz, dem zwischenzeitlichen Karl-Marx-Stadt. Es handelt sich um den VEB „Großdrehmaschinenbau 8. Mai“. Naumann kannte Chemnitz als Zentrum des deutschen Werkzeugmaschinenbaus. Zudem hatte der VEB gerade ein komplett neues Werk gebaut. Ein zusätzlicher Reiz waren die amerikanischen Wurzeln des Kombinats. Denn hinter dem 8. Mai stand ursprünglich ein amerikanisches Unternehmen, die Niles Tool Works Co. Niles war 1833 in Cincinnati, Ohio, gegründet worden. Kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts eröffnete das Unternehmen einen Ableger in Deutschland, die Niles-Werke in Berlin-Weißensee. Die wiederum expandierten nach Chemnitz und erwarben dort 1930 die Escher-Werke. Nach dem Krieg wurden sie ebenso verstaatlicht wie Naumanns väterliche Güter – während die amerikanische Niles im Zuge verschiedener Übernahmen im Portfolio von Simmons landete. „Und Simmons“, sagt Naumann, „das war ja ich.“ Die Wiederbegegnung mit der eigenen Geschichte, das neue Fabrikgebäude und die Überzeugung, dass die Maschinenbautradition in Chemnitz weiterhin lebendig war („In Chemnitz und Umgebung wurden 42 Prozent des Bruttosozialprodukts der gesamten DDR erwirtschaftet!“), trieben Naumann zu Verhandlungen mit der Treuhand. „Weil ich einer der Ersten war, die sich für ein DDR-Unternehmen interessierten, haben die mich richtig geschröpft“, sagt er. „Zwei Jahre später hätten die noch Geld dazugegeben.“ In dieser kurzen Zeit verschwand nämlich ein Asset, das mit in den Kaufpreis eingeflossen war: ein Großauftrag aus Russland. Das Werk – von Naumann wieder in Niles umbenannt – sollte ungefähr 100 Maschinen bauen. Die Order hätte nicht nur 32 Millionen DM eingebracht, sondern den Betrieb auch für ein Jahr ausgelastet – Zeit genug für Naumann, um endlich neue Produkte entsprechend westdeutschen Standards zu entwickeln. Doch dann stornierten die Russen den Auftrag. „Ich stand da mit der halbfertigen Produktion, hatte das Geld in die anderen Maschinen gesteckt, hatte kein neues Produkt, und musste jeden Monat eine Million DM an Löhnen und Gehältern zahlen“, erinnert sich der Unternehmer. Er improvisierte: Erst als er seine Maschinen fast ein Fünftel unter den Herstellungskosten anbot, bekam er Testaufträge – und hatte sich mit seiner Preispolitik zahlreiche Feinde gemacht. Der Aufbau in Chemnitz dauerte deutlich länger, als Naumann kalkuliert hatte. Nach der Übernahme schrieb die Firma sechs Jahre lang Verluste. 100 Millionen Euro wanderten schließlich in die Entwicklung neuer Produkte – ein Drittel bezahlten die sächsische Landesregierung und der Bund. „Ohne meine anderen Unternehmen, ohne meine Kontakte und ohne die staatliche Förderung hätte das Unternehmen in Chemnitz nicht überlebt“, sagt Naumann. Kurbelwellen sind bereits hochpräzise Teile – die Maschinen, mit denen sie gebaut werden, müssen noch um ein Vielfaches genauer sein. 01/2014 Entrepreneur Entrepreneure Report 31 Aufträge für Straßenbahnen brachten den früheren DDR-Betrieb in den späten 90er-Jahren wieder auf die Erfolgsspur. verlegt er den Geschäftssitz der gesamten Gruppe von Albany, New York, nach Chemnitz. „Ich wollte ein Zeichen setzen, dass man in Ostdeutschland wieder Entscheidungen treffen kann.“ Die Unterstützung des Landes Sachsen hat das Unternehmen längst zurückgezahlt. „Nach einer Erhebung haben wir inzwischen an Steuern das Doppelte von dem gezahlt, was wir bekommen haben“, sagt Naumann. „Der Freistaat hat also klug investiert.“ Überdies profitiert er von dem indirekten Beschäftigungsgrad der Werkzeugindustrie: „Wenn wir hier ein Unternehmen mit 500 Mann betreiben, dann beschäftigen wir indirekt dreimal so viel, nämlich 1 500. Das ist der höchste Faktor in der gesamten Industrie.“ Seit dem Kauf von Hegenscheidt im Jahr 2001 – dem alten Bekannten in Erkelenz und dem H im Firmennamen – besteht seine Gruppe aus sechs Unternehmen in Deutschland, den USA und China. „Mut muss immer gepaart sein mit Substanz, Fachwissen und Tugenden.“ Hans J. Naumann Den Durchbruch brachte schließlich ein neues Produkt, für das er Opel gewinnen konnte: relativ einfache, aber sehr präzise Drehmaschinen für die Bearbeitung von Kurbelwellen. „Im Laufe unseres Jubiläumsjahres 1998 trafen bei uns Bestellungen für knapp 90 Maschinen ein; insgesamt haben wir 115 Maschinen an General Motors verkauft. Die statteten damit fünf neue Werke aus. Wenn man sie betrat, sah man überall nur Niles-Simmons – das war toll!“ Naumann hat Glück in Chemnitz. Er profitiert von der starken wissenschaftlichen Basis in Sachsen – den Technischen Universitäten in Chemnitz, Freiberg und Dresden, den Technischen Hochschulen in Mittweida und Zwickau und insbesondere den Fraunhofer-Instituten, mit denen er endlich die ersehnte Entwicklungsarbeit vorantreiben kann. Schließlich Entrepreneur 01/2014 02/2013 „Mein Vater sagt gelegentlich, es sei einfacher, ein Unternehmen aufzubauen, als es zu erhalten“, erzählt John Naumann, der inzwischen die Geschäfte der Gruppe führt. „Wir haben jetzt eine Größe erreicht, bei der wir angesichts der Konkurrenz aus China oder aus Ländern wie Spanien mit ihren niedrigen Lohnkosten sehr vorsichtig sein müssen.“ Dem Boom in China traut er nicht, Indien hingegen hat in seinen Augen das Potenzial, zu einem Riesenmarkt zu werden. „Da müssen wir aber eine neue Strategie entwickeln – Maschinen aus Deutschland sind für dieses Land zu teuer.“ Größere Erwartungen hat John Naumann für Lateinamerika. „Mexiko und Chile müssen allmählich investieren. Südamerika hat sich 20 Jahre lang nicht um seine Infrastruktur gekümmert.“ Naumann spricht aus enger Vertrautheit mit diesen Ländern: Seine Frau ist Mexikanerin, er spricht Spanisch. Sein Vater sieht nach wie vor gute Rahmenbedingungen für Wachstum: „Die Weltbevölkerung steigt weiter an, und es gibt viele arme Länder, daher hat industrielle Produktion sicherlich eine große Zukunft“, überlegt er. „Der Maschinen- und Werkzeugmaschinenbau in Deutschland befindet sich jedenfalls in einer sehr guten Ausgangslage.“ Es gibt viel zu tun, und Mut kommt nicht aus der Mode. „Er muss aber immer gepaart sein mit Substanz, Fachwissen und Tugenden“, sagt Naumann. „Und natürlich muss man von Haus aus die Lust mitbringen, etwas zu unternehmen.“ In Naumanns Fall trieb ihn der Wille, nach dem Verlust der Heimat wieder nach oben zu kommen. „Ich bin zwar kein Rittergutsbesitzer geworden“, sinniert er, „aber ich habe ein Industrieunternehmen. Das ist heutzutage wahrscheinlich bedeutend besser, als auf dem Land zu sitzen.“ Stolz sieht Hans J. Naumann auf seine Lebensleistung zurück – mit NSH hat er sich in der ersten Liga positioniert. 32 Entrepreneure Gründermut in Zahlen * Nature or nurture? Decoding the DNA of the entrepreneur. EY 2011. Entrepreneur 01/2014 Entrepreneure Report 35 „Wer nie ein Risiko eingeht, verpasst alle Chancen.“ Peter Bronsman zählt gewiss nicht zu den Zögerern und Zauderern. Aus dem Nichts erweckte er eine kleine Brauerei im schwedischen Kopparberg zu neuem Leben und führte sie zum Erfolg. Anfangs wurde sein Wagemut belächelt – heute zollen ihm die großen Konkurrenten Respekt. Fotos Robert Fischer ein, Peter Bronsman möchte lieber nicht wörtlich wiederholen, was Wolfgang Voigt zu seiner Job-Offerte sagte, an jenem Tag vor fast 20 Jahren. Ob er nicht Braumeister seiner Brauerei in Kopparberg werden wolle, fragte Bronsman den Mann, dessen deutsche Abstammung unschwer an seinem Namen zu erkennen war. Das Angebot klang nicht eben attraktiv. Wer möchte schon die Regie einer Brauerei übernehmen, in deren Sudkesseln bereits seit Jahren kein Bier mehr gereift war, die kein einziges Produkt vorweisen konnte und in der keine Anlage auch nur halbwegs funktionierte. Voigt, der einen guten Job bei einer anderen Brauerei hatte, muss ernste Zweifel an Bronsmans Zurechnungsfähigkeit gehabt haben. Warum er trotzdem noch am gleichen Tag den Arbeitsvertrag unterschrieb, hat er nie so richtig erklären können. Irgendwie gelang es Bronsman, ihn zu überzeugen, dass es die beste aller möglichen Geschäftsideen war, eine stillgelegte Brauerei zu kaufen und wieder in Betrieb zu nehmen. Es war wohl Bronsmans unbeugsamer Wille, der den Braumeister überzeugte; diese durch nichts zu erschütternde Überzeugung, dass so ein Abenteuer nicht scheitern kann. Niemand, der damals vor der stillgelegten Braustätte in dem abgelegenen Örtchen Kopparberg stand, hätte auch nur eine Krone darauf gewettet, dass in diesem Ensemble aus halb verfallenen Hallen, über dem freche Krähen Jagd auf Bussarde machten, einmal ein Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro zusammengebraut werden würde. Im Sommer 1993 hatte Bronsman, der mit seinem Bruder Dan-Anders recht erfolgreich einen Getränke-Großvertrieb führte, bei der Lektüre der „Brauerei-Nachrichten“ von der endgültigen Stilllegung der 1882 gegründeten Traditionsbrauerei gehört. In den Jahren zuvor war dort nur noch das ausgezeichnete Quellwasser abgefüllt worden, doch auch das rentierte sich nun nicht mehr. An einem kalten Wintertag stand Tradition und Moderne: In der 1892 gegründeten Kopparbergs Bryggeri AB ist man stolz auf die Geschichte – und aufgeschlossen für Neues. Bronsman vor der zugeschneiten Brauerei und sagte zu dem Filialleiter der lokalen Bank, der die Produktionsstätte mittlerweile gehörte, den entscheidenden Satz: „Ich kaufe das.“ Der Banker freute sich, dass er etwas eigentlich Unverkäufliches verkaufen konnte – und über das Dutzend neuer Jobs, die der sonderliche Investor in Aussicht stellte. Ob das eine besonders mutige Entscheidung war? „Natürlich war es das“, sagt Bronsman. „Jeder halbwegs fähige Unternehmensberater hätte mir abgeraten, mein Geld hier reinzustecken.“ Umgerechnet 600 000 Euro mussten die Gebrüder Bronsman für die stillgelegte Brauerei zahlen, noch einmal die gleiche Summe investierten sie nach dem Neustart. „Niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob wir das Geld jemals erwirtschaften würden.“ Bronsman spricht lieber von Risiko als von Mut – ein Wort, das auf Schwedisch ähnlich klingt wie im Deutschen: Mod. „Wenn du kein Risiko eingehst, dann bleibst du immer schön in der Komfortzone“, ruft Bronsman beim Gang über den Braue reihof, wo gerade ein Sattelschlepper mit Kopparberg-Bier befüllt wird. „Dann hast du es zwar schön bequem, aber es gibt keinen Fortschritt. Ich bedenke bei einer Entscheidung das Risiko, aber ich sehe eben auch die Chance, die sich dahinter verbirgt. Das steckt mir wohl im Blut.“ Im Laufschritt geht es von den Sudkesseln, die noch aus den 60 er-Jahren stammen, hinüber in die riesige Lagerhalle, wo sich Bier und Cider, abgefüllt in Dosen und Flaschen, auf Paletten gestapelt und in Folie eingeschweißt, fast bis zur Decke türmen, und dann hinüber zur 01/2014 Entrepreneur 36 Entrepreneure Report „Jeder halbwegs fähige Unternehmensberater hätte mir abgeraten, mein Geld in diese Brauerei zu stecken. Niemand wusste, ob wir die Investition jemals erwirtschaften würden.“ Peter Bronsman modernen Abfüllanlage mit ihrem schneckenhausförmigen Transportband, auf dem die Flaschen leise klirrend himmelwärts ruckeln. Bronsman hat nicht viel Zeit, er muss noch mit wich tigen Kunden aus England zu Mittag essen, aber er will alles zeigen. Keine Frage – dieser Mann ist stolz auf das, was er aus dem Nichts aufgebaut hat. Bronsman zählt ganz bestimmt nicht zu den Zögerern und Zauderern, die so lange immer wieder alle Argumente für und wider abwägen, bis jemand anders die Chance ergriffen hat. Aber er ist auch kein Leichtfuß, der jedes Risiko eingeht, das sich bietet. „Wenn du zehn Dinge ausprobierst und alle sind hochriskant“, versucht er das Rattern der Abfüllanlage zu übertönen, „dann wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit alles verlieren. Ich versuche, bei sieben Entscheidungen auf der sicheren Seite zu bleiben – und dann zwei- oder dreimal etwas zu wagen.“ Die Brauereibranche quittierte Bronsmans Wagemut seinerzeit mit ein paar abfälligen Bemerkungen, bestenfalls hatte man Mitleid mit dem Newcomer. Fast allen schwedischen Brauereien ging es damals schlecht; es herrschte ein gnaden loser Verdrängungswettbewerb. Ein, maximal zwei Jahre würden die Bronsmans durchhalten – ohne üppiges Finanzpolster, ohne eingeführte Marke, ohne schlagkräftigen Vertrieb. Als Kopparberg nach dem dritten Jahr immer noch nicht Insolvenz angemeldet hatte, waren die Konkurrenten irritiert. Bronsman hatte die kleine Braustätte aus Mittelschweden erfolgreich zum Nischenanbieter jenseits der Massenbiere entwickelt. Vom Vertrieb verstanden die Brüder Bronsman ja etwas. In Kopparberg bereitete man sich auf den Take-off vor. Bronsman wollte angreifen. Dann kam jener deprimierende Tag, an dem ein Großbrand große Teile der Gebäude und Produktionsanlagen zerstörte. Am Morgen nach dem Brand schaute Peter Bronsman auf die rauchenden Trümmer seiner Brauerei. Sein Braumeister stand neben ihm und fragte leise: „Das war’s jetzt, oder?“ „Nein, wir fangen neu an!“, befand sein Chef – und begab sich an die „dritte Gründung“ des Unternehmens. Er ließ die Trümmer wegräumen, kaufte gebrauchte Maschinen, weil er sich neue nicht leisten konnte, und behielt alle Mitarbeiter an Bord – als Signal, dass die Geschichte der Kopparberg-Brauerei weitergehen würde. Schon nach wenigen Wochen lief die Produktion wieder an. Bronsman glaubt, dass die Entscheidung zum Weitermachen in dieser trostlosen Lage einen Teamgeist entfacht hat, von dem das Unternehmen heute noch zehrt. Fast alle, die damals beim Aufräumen und beim Wiederaufbau mit anpackten, sind heute noch an Bord. „Wir hier in Kopparberg lassen uns nicht unterkriegen, was auch immer passiert“, lautete die Botschaft nach innen und nach außen. Entrepreneur 01/2014 Die Kopparberger haben einen selbstbewussten, hartnäckigen, fast schon sturen Chef, der sich so leicht nicht erschüttern lässt. Das hat vielleicht auch mit einem Ereignis in jungen Abenteurerjahren zu tun, bei dem weit mehr auf dem Spiel stand als der Marktanteil einer der Biermarken aus dem Kopparberg-Portfolio. Bronsman malochte damals als Seemann auf einem Frachter und war unterwegs von Hongkong nach Taiwan. Mit einem Kollegen musste er in stockdunkler Nacht, vermutlich nicht ganz legal, Säcke mit Müll über Bord werfen. Bronsman rutschte dabei aus, fiel 20 Meter in die Tiefe, wo hohe Wellen über ihm zusammenschlugen, und brach sich eine Hand. Todesangst überkam den jungen Mann, der das Schiff langsam in der Dunkelheit verschwinden sah. Er wusste, dass es in diesem Teil des Meeres von Haien wimmelte. Zum Glück hatte man sein Verschwinden an Bord sofort bemerkt. Die Minuten, die vergingen, bis das Schiff endlich seine Maschinen gestoppt hatte und man ihn zurück an Bord holte, kamen ihm vor wie eine Ewigkeit. Ob es eine direkte Verbindung gibt von jenem Ereignis im Südchinesischen Meer zu seiner unerschrockenen Beharrlichkeit in Sachen Kopparberg? „Nein“, sagt Peter Bronsman, „so weit würde ich nicht gehen. Aber geprägt hat mich dieses Erlebnis schon. Wenn man so etwas überlebt hat – was für ein Risiko ist dann der Kauf einer alten Brauerei?“ Vermutlich wäre Kopparberg noch heute eine kleine, unbedeutende Brauerei für regionale Bierspezialitäten, wenn nicht eines Tages, 1995 war es wohl, ein Vertreter der staatlichen Alkohol-Verkaufsstätten – Schweden hatte damals ein striktes staatliches Alkoholmonopol – auf Bronsman zugekommen wäre. Ob er vielleicht englischen Apfelcider in Pfandflaschen abfüllen könne? Grundsätzlich kein Problem, meinte Bronsman, probierte den Cider – und verzog angewidert das Gesicht. „Das ist viel zu herb!“, befand er. „Das wird hier in Schweden keiner trinken.“ Bronsman dachte nach. Die Idee mit dem Cider war ja nicht schlecht. Allerdings durfte es nicht so ein Säuerling sein. In Kopparberg, das wusste er, gab es eine alte Tradition der Cider-Herstellung, die bis in die 30 er-Jahre zurückreichte und die man wiederbeleben könnte. Aber nicht so herb durfte das moussierende Apfelgetränk werden, frisch und prickelnd zwar, aber dabei doch schmeichelnd. Mit Wolfgang Voigt experimentierte er, zunächst mit Äpfeln, bald auch mit Birnen, bis sie die richtige Balance aus Frucht und Süße gefunden hatten. In Schweden kam der Cider aus Kopparberg auf Anhieb gut an. Bronsman war auf den Geschmack gekommen. „Wo wird Cider getrunken?“, fragte er sich, stellte sich gedanklich vor eine Landkarte von Europa – und schon landete sein imaginärer Zeigefinger auf den Britischen Inseln. Dort hatte sich Cider seit den 80 er-Jahren fast zu einem Volksgetränk entwickelt. Allerdings bevorzugten die Briten ausschließlich Cider der Peter Bronsman Der 1963 in Göteborg geborene Peter Bronsman leitet als Gesellschafter und CEO seit zwei Jahrzehnten die Geschicke der Kopparbergs Bryggeri AB, eines Herstellers von Cider, Bier, Limonade und Mineralwasser mit Hauptsitz im mittelschwedischen Kopparberg (220 Kilometer westlich von Stockholm) und drei weiteren Braustätten in Schweden. 1993 kaufte er die stillgelegte Brauerei einer Bank ab und verfolgte vom ersten Tag an die Revitalisierung mit großem Elan. Als wesentlicher Schlüssel zum Markterfolg erwies sich Bronsmans Entscheidung, einen im Vergleich zu den gängigen Sorten süßlicheren Cider auf den Markt zu bringen. Vor allem in Großbritannien entwickelte sich dieses Getränk zum Bestseller. Mut zum Risiko spielt in Bronsmans unternehmerischer Vita eine gewichtige Rolle. Sowohl der Kauf der stillgelegten Brauerei und ihr der Wiederaufbau nach einem schweren Brand im Jahr 1997 als auch der Launch der lieblicheren Cider-Variante waren riskante Entscheidungen mit ungewissem Ausgang. Im vergangenen Jahr kürte EY Bronsman zum schwedischen „Entrepreneur Of The Year“. In dem Städtchen Kopparberg ist die Brauerei heute der mit Abstand größte Arbeitgeber. Vor allem der Cider brachte den Boom. Expertise Capital Agenda 39 38 Entrepreneure Report trockenen Sorte aus den Gärkesseln der großen Brauerei-Konzerne. Der Markt war fest in der Hand der mächtigen Platzhirsche. Sollte eine kleine Brauerei aus Schweden es ausgerechnet mit denen aufnehmen? „Warum eigentlich nicht?“, dachte sich Bronsman. „Wo viel Cider getrunken wird, gibt es garantiert auch eine Menge Leute, die aufgeschlossen sind für eine andere Geschmacksvariante.“ Der Brauereichef packte 1999 ein paar Dutzend Dosen Kopparberg-Birnen-Cider ins Gepäck und flog nach London. Das Ergebnis war niederschmetternd. „ ‚Geh wieder nach Hause mit dem Zeug‘, sagten mir die Einkäufer der großen Pub-Ketten, ‚so eine süße Plörre trinkt hier kein Mensch.‘ “ Bronsman ließ sich nicht beirren. Er eröffnete ein Büro in London, steckte eine Menge Geld in den Vertrieb und verzog zwei, drei Jahre lang regelmäßig das Gesicht, wenn die neuesten Verkaufszahlen aus Großbritannien eintrafen. Doch ganz allmählich wies die Absatzkurve nach oben. Bronsman hatte nun keinen Zweifel mehr, dass es ihm gelingen würde, die Briten zum wahren Cider-Genuss zu erziehen. Heute ist Kopparberg-Cider auf der Insel ein Kultgetränk. Mit ihren lieblichen Obstschaumweinen in den Geschmacksrichtungen Birne, Erdbeer-Limette, Mischfrucht und Holunder haben die Brauer aus Mittelschweden die Pubs im Vereinigten Königreich erobert – und nebenbei einen völlig neuen Markt erschlossen. Die großen Brauereien, die anfangs abfällig gegen das „süße Gesöff“ aus Schweden rüpelten, haben allesamt nachgezogen und präsentieren jetzt ebenfalls lieblichen Cider. Sie alle profitieren von der Pionierarbeit des kleinen Konkurrenten aus Ikealand. Heute konsumieren die Briten doppelt so viel Cider wie vor dem Markteintritt von Kopparberg – und das Plus geht fast vollständig auf das Konto der süßlicheren Sorten. Besonders stolz ist Peter Bronsman auf die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage unter 5 000 britischen Pub-Besitzern, die gefragt wurden, welche Bier- oder Cidermarke sie auf jeden Fall bevorraten würden. Auf Platz eins landete Kopparberg-Mischfrucht-Cider. Das Getränk darf offenbar in keinem Pub-Kühlschrank fehlen. Beflügelt vom Erfolg in Großbritannien, hat Peter Bronsman die Hebel auf Expansion umgelegt. In den vergangenen Jahren hat er drei schwedische Brauereien gekauft; dort wird vor allem Bier für den Heimatmarkt gebraut. Aus den anfangs versprochenen zwölf Mitarbeitern wurden 350, aus dem regionalen Anbieter eine Brauerei, die ihre Fühler weltweit ausstreckt, unter anderem nach Südafrika und Australien. Den lukrativen australischen Markt nimmt Bronsman sicherheitshalber mit einem starken Partner ins Visier. SABMiller, der weltweit zweitgrößte Brauereikonzern, kümmert sich um den Vertrieb in Down Under. Weitere Länder sollen folgen. Bei allem Faible fürs Risiko ist Peter Bronsman ein kluger Unternehmer, der einen Fehler nur einmal begeht. Die Entscheidung vor zehn Jahren, ein alkoholhaltiges Schokogetränk auf Milchbasis auf den Markt zu bringen, war so ein schwerer Fehltritt. Bronsman investierte in neue Anlagen, die zum Verar beiten der Milch notwendig waren, und brachte schließlich ein Getränk auf den Markt, von dessen Erfolg er überzeugt war. Doch der erhoffte Umsatzrenner landete als totaler Flop. Die teuren Anlagen stehen seitdem ungenutzt in einer der Kopparberg-Brauereien, als Mahnmal, dass der Mut zum Risiko meist belohnt wird – aber nicht immer. Das besonders weiche Wasser zählt Peter Bronsman zu den größten Vorzügen seiner Bier- und Cidersorten. Gut gerüstet Entrepreneure sind es gewohnt, mutige Entscheidungen zu treffen. Das ist einer ihrer Wesenszüge. Wer dabei auf der Basis einer gut definierten und starken Capital Agenda agiert, kann seinen Entscheidungs- und Aktionsradius deutlich vergrößern. Von Alexander Kron Jede wichtige und zukunftsweisende unternehmerische Entscheidung setzt neben Leidenschaft, Unternehmergeist, Neugierde und Forscherdrang auch Mut voraus; Mut, sich auf unbekanntes Terrain vorzuwagen, Unsicherheiten zu akzeptieren, etwas Neues auszuprobieren, dessen Entwicklung noch nicht in allen Konsequenzen absehbar ist. Doch Mut ohne Vorsicht sowie mangelnde Besonnenheit bei der Abschätzung von Risiken und Chancen wäre Leichtsinn oder Tollkühnheit. Beides kann sich kein Entrepreneur wirklich leisten, wenn er sein Unternehmen nicht in Gefahr bringen will. ihrer Unternehmen und entwickeln auf dieser Basis Strategien für den Auf- und Ausbau neuer Geschäfte. Das Augenmerk legt die Mehrheit der Unternehmer auf die Entwicklung der Erträge, der Ergebnisse und insbesondere der Liquidität. Weil rasantes Wachstum, aber auch die schnellen Veränderungen auf den Märkten Pläne oft aushebeln, entwickeln die meisten Entrepreneure nur noch Perspektiven für die nächsten drei Jahre. So halten sie ihre Organisation flexibel und anpassungsfähig. Innovationen, Innovationen, Innovationen: Führende Entrepreneure setzen stark auf völlig neue oder auf verbesserte Produkte. Mit der Vermarktung neuer Produkte sollen neue Kunden, Märkte und Marktanteile gewonnen werden. Deshalb investieren erfolgreiche Entrepreneure viel in Forschung und Entwicklung: Bei ihnen fließen im Schnitt elf Prozent der Erträge in diesen Bereich. Der Aufwand lohnt sich: Fast alle befragten Unternehmer sind davon überzeugt, dass ihre Produkte und Produktionsprozesse dem Wettbewerb überlegen oder gar konkurrenzlos sind. Unsicherheiten auf den internationalen Kapitalmärkten und sinkende Nachfrage bei vielen Gütern und Dienstleistungen – vor allem in den reifen Märkten –, starke Schwankungen und widersprüchliche Entwicklungen in Wachstumsmärkten prägen heute das Umfeld der Unternehmen. Auf diese schwierigen Bedingungen reagieren gerade viele erfolgreiche Mittelständler erstaunlich gelassen und robust. Die Besten steigerten ihre Erträge bereits in den letzten Krisenjahren überdurchschnittlich und sind zuversichtlich, weiterhin Wachstum zu generieren. Das zeigt die EY-Studie „Wachsen und Wirtschaften – Siegerstrategien im deutschen Mittelstand 2013“. Ein wichtiges Fazit der Studie: Die bemerkenswerten Wachstumsquoten gelingen, weil die Entrepreneure äußerst wachsam gegenüber potenziellen Risiken sind und ihre Strategien laufend an Veränderungen anpassen. Besonders erfolgreiche Unternehmen verfolgen dabei bestimmte, deutlich differenzierbare Wachstumsstrategien. Premium statt Preisfalle: Stete Neuerung, hoher Qualitätsanspruch, Konzentration auf das Wesentliche – viele erfolgreiche Entrepreneure agieren in lukrativen Nischen, wo der Konkurrenzdruck niedrig ist. Auch haben sie ihre Internationalisierung deutlich vorangetrieben. Damit ist ihre Unabhängigkeit von einzelnen Märkten gewachsen, aber auch von Preisdiktaten. Spezialisierte und innovative Produkte ermöglichen ihnen Premiumangebote, für die mehr ausgegeben wird. Vorausschauend planen, flexibel agieren: Fast alle Erfolgsunternehmer kontrollieren regelmäßig die wichtigsten Kennzahlen Unabhängig bleiben: Übernahmen, Wachstumspläne und internationale Expansion – solche Vorhaben finanzieren die meisten Entrepreneure aus dem laufenden Geschäft. So behalten sie einen maßvollen Blick und bleiben unabhängig von Banken und externen Investoren. Was nicht aus eigener Kraft oder mit einem überschaubaren Kredit finanziert werden kann, wird aufgeschoben oder noch sorgfältiger geplant. Der Preis der Eigenständigkeit Auf ihre Eigenständigkeit legen Entrepreneure mithin großen Wert. Um also Risiken und Chancen eines neuen Geschäftsmodells, neuer Märkte und Produkte möglichst genau abwägen zu können, müssen im Unternehmen die notwendigen strategischen, operativen, technischen und finanziellen Kenntnisse und Mittel vorhanden sein. Doch gerade in jungen, kleineren oder mittelständisch geprägten Unternehmen mangelt es an der einen oder anderen Stelle am Wissen oder an der Kapazität. Und weil verantwortungsvolle Entrepreneure sich dieses Mankos im Zuge der Risikobewertung auch bewusst werden und erkennen, dass ihnen wichtige Voraussetzungen für die Umsetzung eines möglicherweise gewagten Vorhabens fehlen, verlässt sie hier im wörtlichen Sinn oft der Mut. Ein entscheidender Punkt sind dabei Kapital- und Finanzierungsfragen. Wie Unternehmen ihr Kapital heute verwalten, bestimmt ihre Wettbewerbschancen von morgen. Ein Beispiel: Wir haben festgestellt, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen, den sogenannten SMEs mit Jahresumsätzen unterhalb einer Milliarde US-Dollar, im Allgemeinen der Bedarf an Working Capital höher ist, weil sie weniger Finanzierungsoptionen haben und weil ihnen in Ein- und Verkauf die Verhandlungsmacht eines Großunternehmens fehlt. 01/2014 Entrepreneur Expertise Capital Agenda 41 „Wachstumsstarke Unternehmen vertrauen auf Geschäftsmodelle, mit denen sie äußerst flexibel und schnell auf die permanenten Veränderungen in den Märkten reagieren können.“ Alexander Kron Eine Senkung des Working Capital würde zu geringeren Zinsaufwendungen sowie zu besseren Rentabilitätskennzahlen, etwa zur Verbesserung der Gesamtkapitalrentabilität, führen. Im Rahmen eines effizienten Working-Capital-Managements könnten Optimierungspotenziale in der Lagerhaltung oder dem Forderungsmanagement ermittelt sowie Schwachstellen im Verbindlichkeitenmanagement festgestellt werden. Doch es fehlen dazu gelegentlich intern das nötige Wissen und auch die entsprechende Kapazität an Mitarbeitern oder beim Management. Nicht nur beim Betriebskapital, sondern bei allen Fragen rund um das komplexe Thema Kapital kann deshalb der Einsatz von externem, bisher im Unternehmen nicht vorhandenem Wissen und von Erfahrungen es den Entrepreneuren ermöglichen, über bisherige Grenzen hinauszudenken, Potenziale zu entfalten und Risiken zu senken – mutigere, aber durchaus nicht risikoreichere und sogar besser fundierte Entscheidungen zu treffen. Maßgeschneiderte Capital Agenda Unternehmen und ihre Führung stehen heute vor der Herausforderung, passend zur ihrer jeweiligen Entwicklungsphase die optimale Finanzierung zusammenzustellen: Welche Finanzierung passt zum Geschäftsmodell? Welche Finanzierung bildet eine solide Basis für die Zukunft? Lohnt sich der Zukauf eines anderen Unternehmens oder sollten im Gegenteil eigene Betriebsteile veräußert werden? Und wenn ja, zu welchem Preis? Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es meist nicht. Die Finanzierungsoptionen sind vielfältiger und komplexer geworden, und die Anzahl möglicher Finanzierungsinstrumente und -partner ist gestiegen. Um auf diese Herausforderungen im Sinne der Klienten reagieren zu können, hat EY seine Beratungsleistungen in den sogenannten Transaction Advisory Services (TAS) deshalb eng miteinander verzahnt und auf einen Fokus konzentriert: auf die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen des jeweiligen Unternehmens rund um das Thema Kapital – unabhängig davon, ob es dabei um Sicherung, Optimierung, Beschaffung oder Investition geht. Knapp 900 Berater in Deutschland sowie ein weltweites Netzwerk von rund 9 000 EYKollegen stehen hier zur Verfügung, um in gemeinsamer, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Klienten eine speziell auf dessen Bedürfnisse zugeschnittene, optimale Lösung zu finden, die es ihm ermöglicht, Wettbewerbsvorteile zu nutzen und den Unternehmenswert zu steigern – weit über Transaktionen hinaus. Sie unterstützen das Unternehmen bei der Analyse bestehender Finanzierungsstrukturen, entwerfen alternative und marktfähige Optionen, erarbeiten gemeinsam mit der Unternehmensleitung die Finanzierung, die am besten zum Unternehmen passt, und optimieren das immens wichtige Rating. Aber auch operative und strategische Belange stehen weit oben auf der Agenda. Business Modelling und Bewertung Wachstumsstarke Unternehmen vertrauen auf Geschäftsmodelle, mit denen sie äußerst flexibel und schnell auf die permanenten Veränderungen in den Märkten reagieren können. Wer als Entrepreneur künftig zu den Siegern gehören will, braucht also selbst ein Geschäftsmodell, das diese Anforderungen erfüllt, oder er muss das bestehende entspre- chend verändern. Doch ein neues, effektives Geschäftsmodell zu kreieren, das neue Marktchancen nutzt oder eine neue Strategie umsetzt, ist eine komplexe und schwierige Aufgabe. Neben der Konzeption muss das Modell auch auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft werden. Damit aus einer mutigen Entscheidung für ein neues Geschäftsmodell auch eine fundierte wird, sind Unterstützung bei der Entscheidung und Überprüfung durch externe Berater oft sinnvoll und gerade im Vorfeld beispielsweise von Bankenpräsentationen auch ratsam. Stark gestiegen ist auch der Bedarf an transparenten und belastbaren Bewertungen zur Unterstützung von Unternehmenstransaktionen sowie bei der Einhaltung unterschiedlicher regulatorischer Bestimmungen und Bilanzierungsvorschriften. Seit Jahren gehören „Regulation and Compliance“ nach Einschätzung der Unternehmen zu den zehn größten Geschäftsrisiken, wie der seit 2008 jährlich von EY erstellte Business Risk Radar zeigt. Hier bedarf es großer Fachkompetenz, auch in internationalen Zusammenhängen, in der Rechnungslegung, in Steuerfragen und bei Financial-Due-Diligence-Prüfungen, die mittelständische und/oder bisher global wenig aktive Unternehmen kaum aus eigener Kraft leisten können. Gleichzeitig ist es für die meisten Unternehmen wichtiger, aber auch schwieriger geworden, den Wert der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu bestimmen. Was ist beispielsweise das Know-how der Mitarbeiter als Teil des immateriellen Vermögens eines Unternehmens wert? Wachstum durch Zukauf Auch in schwierigen Zeiten sind Wachstum in strategisch wichtigen Bereichen und die Künstler Gary Waters 01/2014 Entrepreneur 42 Expertise Capital Agenda 43 „Unternehmen können mutige Entscheidungen nur treffen, wenn sie auf einer starken kapitalorientierten Agenda basieren, in der alle Aspekte von Investitionsentscheidungen, Optimierung, Kapitalbeschaffung und -sicherung angemessen berücksichtigt sind.“ Alexander Kron Alexander Kron [email protected] Alexander Kron ist EY TAS Leader GSA (Germany, Switzerland, Austria). diesbezügliche Optimierung des Beteiligungsportfolios für Gedeih und Fortbestand eines Unternehmens essentiell. Mutige unternehmerische Entscheidungen sind also darauf gerichtet, dieses Ziel auch unter erschwerten Bedingungen zu realisieren. Wachstum lässt sich auf unterschiedliche Weise generieren: organisch, beispielsweise durch Innovationen, die im besten Fall den Zutritt zu ganz neuen Märkten eröffnen, oder verstärkte Internationalisierung; anorganisch durch Zukäufe. Kein verantwortungsvoller Entrepreneur kauft allerdings bei Übernahmen gern die „Katze im Sack“ oder stürzt sich fahrlässig in unbekanntes Terrain. Hinter der schillernden Fassade des Übernahmekandidaten können sich Risiken verbergen, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Aufgrund tiefer Branchenkenntnisse und Erfahrung sowie mit Hilfe des ausgedehnten, internationalen EY-Netzwerkes können die EY-Berater dabei einen deutlichen Mehrwert generieren. Sie beraten den Unternehmer bei der Entwicklung einer Geschäfts- und Transaktionsstrategie und unterstützen ihn dabei, die strategische Angemessenheit einer Transaktion zu beurteilen. Dabei bewerten sie die geplanten Synergien und Implikationen der Transaktion, erstellen Finanzmodelle und begleiten die Vertragsverhandlungen. Sie prüfen das Zielunternehmen und stellen fest, ob „Verpackung“ und „Inhalt“ übereinstimmen. Sie helfen dabei, die wesentlichen Bewertungsfaktoren zu ermitteln, hinterfragen Annahmen über die künftige Performance kritisch, übernehmen bei Bedarf die Due Diligence auf Käufer- und Verkäuferseite, bei der IT und für Human Resources. Sie beteiligen sich auf Wunsch auch direkt an den Ver- Entrepreneur 01/2014 kaufsverhandlungen oder steuern den gesamten M&A-Prozess mit dem Ziel, die Strukturen der Transaktion zu optimieren. Zahlreiche Studien belegen, dass viele Unternehmen es aus eigener Kraft nicht schaffen, den angestrebten Mehrwert bei der Umsetzung einer Transaktion zu realisieren. In vielen Fällen wird sogar Unternehmenswert vernichtet. In einem erfolgsorientierten Umfeld ist der Druck auf Unternehmen besonders groß und das Risiko zu scheitern enorm – denn Geschwindigkeit ist kritisch und die Ressourcen sind begrenzt. Entscheidend ist deshalb ein sorgfältig vorbereiteter und regelmäßig kontrollierter Integrationsprozess – der bereits lange vor dem Abschluss der eigentlichen Transaktion beginnt. Regelmäßig sollte auch hinterfragt werden, ob die erwarteten Synergien tatsächlich erreicht werden und, wenn nicht, welche Prozesse und Strukturen wie verändert werden müssen, um die erwünschten Effekte zu realisieren. Optimierung des Beteiligungsportfolios und steuerliche Aspekte die beste Lösung für seine Steuerstrategie finden? Hierbei geht es um sehr viel Geld. Fusionen und Übernahmen sind das eine. Aber auch die Optimierung des Beteiligungsportfolios und die Überprüfung bestehender Geschäftsfelder, die nicht mehr rentabel genug sind oder nicht zur Geschäftsstrategie passen, erfordern fundierte Entscheidungen. Egal aus welcher Motivation heraus, wie beim Kauf gilt auch für den Verkauf eines Unternehmens oder von Teilbereichen: Wer diesen Schritt gut vorbereitet, hat die besten Chancen, ein gutes Geschäft abzuschließen. Erfolgreiche Unternehmen prüfen ihr Portfolio regelmäßig und managen es aktiv. Der Verkauf von Teilbereichen dient oft zudem als Wachstumsoption, indem er Managementkapazität und Kapital freisetzt. Das Transaction-Tax-Team von EY hat sich auf derartige Fragen spezialisiert und ist Benchmark. Die Fachleute erarbeiten mit dem Unternehmen zusammen Strategien, mit denen die wirtschaftlichen Ziele steuer effizient umgesetzt werden können – angefangen mit einer Private-Equity-Transaktion und bis hin zur konzerninternen Restrukturierung. Sie zeigen steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten auf, die die unterschiedlichen Interessen von Investoren und Eigentümern in Einklang bringen und dazu beitragen, künftige Ergebnisse oder Cashflows zu verbessern. Sie erarbeiten Modelle zur Mitarbeiterbeteiligung oder beraten bei einem möglichen Going-public. Für den Erfolg einer Transaktion ist entscheidend, dass es in kürzester Zeit gelingt, ein funktionsfähiges und effizientes Gesamtunternehmen zu schaffen (Integration) beziehungsweise Unternehmensteile reibungslos herauszulösen (Carve-out). Ein Verkauf ist jedoch meist weit mehr als bloß eine weitere geschäftliche Transaktion. Er ist ein sehr facettenreiches Konstrukt mit vielfältigen technischen, branchenspezifischen, zeitlichen, finanziellen und psychologischen Ebenen. Oft ist das Unternehmen im Mittelstand auch Lebenswerk eines Unternehmers, und die Trennung erfordert viel Disziplin und Mut. Mut zu unbequemen Entscheidungen Jede Transaktion hat über die genannten Aspekte hinaus steuerliche Konsequenzen. Ist das Unternehmen darauf vorbereitet? Welche steuerlichen Gesichtspunkte und Fallstricke sind bei einer Unternehmenstransaktion zu beachten? Wie kann das Unternehmen diese Hindernisse überwinden und Nicht immer aber können Unternehmer aus einer Position der Stärke heraus entscheiden und agieren. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten rächen sich die Nachlässigkeiten und aufgeschobenen Entscheidungen der Vergangenheit schnell. Der Schritt von suboptimalen Prozessen, schwacher Finanzierung und unklarer Strategie hin zur Krise ist dann oft nur noch klein. Aber er ist nicht unumkehrbar. Auch in einer derartigen Situation ist Mut gefragt – Mut, die schon lange notwendige Restrukturierung endlich konsequent anzugehen. Der Schlüssel liegt in integrierten TurnaroundKonzepten. Hierbei werden strategische, operative und finanzwirtschaftliche Aspekte kombiniert und in einer zielgerichteten Sanierungsstrategie umgesetzt. Die Restructuring-Teams von EY erarbeiten gemeinsam mit dem Unternehmen integrierte Lösun- gen, die den Wert des Unternehmens steigern, etwa durch eine Neuausrichtung und Bündelung der Aktivitäten, Maßnahmen zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung. Aber auch die Verbesserung der Liquidität, zum Beispiel durch ein optimiertes WorkingCapital-Management, und die Stärkung des Eigenkapitals stehen dabei im Fokus. Unternehmer können mutige Entscheidungen nur treffen, wenn sie auf einer starken kapitalorientierten Agenda basieren, in der alle Aspekte von Investitionsentscheidungen, Optimierung, Kapitalbeschaffung und -sicherung angemessen berücksichtigt sind. Dazu muss der externe Berater den Klienten verstehen, sich mit dem Projekt identifizieren und sich um dessen Erfolg kümmern. Der Unternehmer muss sich absolut auf seinen Berater verlassen können, dieser muss sich in mutige Entscheidungen hineindenken und sie kritisch hinterfragen können. Nur wer die Risiken kennt und einschätzen kann, auf die er sich einlässt, kann auch die Chancen des Unternehmens und des Marktes wirklich nutzen. 01/2014 Entrepreneur Expertise Dialog 45 „Es ist unsere Pflicht, nicht wegzuschauen!“ Sein eigener Start war nicht einfach. Dennoch hat Uwe Hück, heute Vorsitzender des Konzernbetriebsrats der Porsche AG und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Stuttgarter Sportwagenschmiede, nie der Mut verlassen. Warum es sich lohnt, immer wieder aufzustehen und Chancen zu nutzen, möchte er auch heutigen Jugendlichen vermitteln. Im Gespräch mit Georg Graf Waldersee, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY, diskutiert Hück über Vorbilder und Werte und warum Unternehmen Herz und Seele brauchen. Fotos Michael Hudler Georg Graf Waldersee: Herr Hück, Sie treten in Kürze für einen guten Zweck im Boxring gegen Luan Krasniqi, den zweimaligen Europameister im Schwergewicht, an. Auch wenn Krasniqi seine Profikarriere vor zwei Jahren beendet hat und Sie nicht nur eine kräftige Statur, sondern selbst zwei Europameistertitel im Thaiboxen aus jungen Jahren vorzuweisen haben – ist das nun mutig oder verrückt? Uwe Hück: Ob das mutig ist, weiß ich gar nicht. Aber es ist jedenfalls sehr anstrengend. Tagsüber arbeite ich und abends trainiere ich seit Monaten hart. Wir nehmen diesen Kampf ja beide sehr ernst. Keiner von uns will verlieren. Waldersee: Ihr Motto lautete „Blaue Flecke für soziale Zwecke“. Worum geht es Ihnen genau? Ready to rumble: Uwe Hück boxt für seine Bildungsstiftung gegen Schwergewichts-Europameister Luan Krasniqi. Hück: Luan engagiert sich schon seit Jahren für SOS-Kinderdörfer. Ich selbst habe eine Bildungsstiftung gegründet, die benachteiligten Kindern und Jugendlichen mit Lerndefiziten hilft. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Deutschland auf Dauer nur erfolgreich sein können, wenn wir die klügsten Köpfe gewinnen und möglichst alle eine gute Bildung und Ausbildung haben. Wie entscheidend das für ein gelungenes Leben ist, weiß ich ja aus eigener Erfahrung. Ich habe frühzeitig beide Eltern verloren, bin in Heimen groß geworden und war das, was man heute verhaltensauffällig nennt. Ich wurde in eine Sonderschule gesteckt. Hätte nicht ein engagierter Lehrer mein Potenzial erkannt, sich für mich eingesetzt und mich so gefördert, dass ich mehrere Klassen überspringen und mit 15 Jahren eine Lehre als Autolackierer anfangen konnte, wer weiß, was aus mir geworden wäre? Ich habe meine Chance damals genutzt, und diese Chance will ich nun auch anderen Jugendlichen bieten. Aber dafür brauche ich natürlich Geld. Da bin ich spontan auf die Idee mit dem Boxkampf gekommen. Waldersee: Sie haben in Ihrer Biografie sehr anschaulich die Lieblosigkeit und die Willkür, die Ihnen in Ihrer Kindheit und Jugend widerfahren sind, beschrieben. Wie sehr hat das, was Sie erlebt haben, zu einer gewissen Resilienz und zu Ihrem Mut beigetragen? Hück: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Kinder unbedingt Liebe und Zuneigung brauchen, Vater und Mutter. Wenn sie das nicht haben, haben sie etwas verloren, das man nie wieder nachholen kann. Manche zerbrechen daran. Ich hatte nur meinen Mut, Durchsetzungsvermögen und ein fast fanatisches Gerechtigkeitsgefühl, für das ich auch harte Strafen hingenommen habe. Das versuche ich auch meinen jungen Leuten zu vermitteln. Sie müssen schon etwas tun, um etwas zu erreichen. Sie werden auch mal hinfallen, werden Narben bekommen. Wichtig ist, immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Waldersee: Ich stelle es mir schwierig vor, Jugendlichen, die eigentlich alles haben, die in der Komfortzone groß werden, eine solche Haltung zu vermitteln. Hück: Ich erlebe da sehr unterschiedliche Situationen, die sich doch in gewisser Weise ähneln. Ich treffe auf benachteiligte Kinder von Eltern, die Alkoholiker sind oder arbeitslos oder beides. Es kommen aber auch Kinder, die materiell gesichert leben, aber emotional verarmt sind, weil ihre Eltern sich nicht wirklich um sie kümmern. Sie sind in der Pubertät, fühlen sich alleingelassen und sind manchmal unglaublich wütend. Bei mir können sie sich kontrolliert austoben beim Thaiboxen, bei Gymnastik, Fußball und anderen Sportarten. Wir müssen unseren Kindern aber auch sagen, dass wir jeden Tag dafür kämpfen müssen, das zu erhalten, was wir heute haben. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir Frieden in Europa haben, dass wir in Wohlstand leben. Waldersee: Für mich geht es dabei auch immer um die Frage, wie Werte vermittelt werden. Wer vermittelt sie? Werden sie überhaupt vermittelt? Hück: Ich spüre immer wieder, dass die jetzige Generation nach Werten sucht, sich geradezu danach sehnt. Die jungen Leute wollen zum Beispiel nicht unbedingt ein Auto haben, sie wollen reisen, die Welt kennenlernen. Ich bin vollkommen davon überzeugt, dass wir jetzt eine Jugend haben, der wir Werte vermitteln können. Das ist unsere vordringlichste Aufgabe als Eltern, Lehrer, Ausbilder, Vorgesetzte. Es geht vor allem um Toleranz gegenüber dem anderen und um gegenseitigen Respekt. Aber Respekt ist nicht angeboren. Respekt muss man lernen wie das Gehen und das Sprechen. Waldersee: Wenn auch die Zielgruppe eine etwas andere ist, scheint es mir doch gewisse Parallelen zwischen Ihrem Engagement und der von uns vor einigen Jahren gegründeten Junior Academy zu geben, die die nächste Generation von Entrepreneuren dabei unterstützt, ihren eigenen Weg zu finden. Dort erzählen herausragende Persönlichkeiten, Vorbilder also, zum Beispiel darüber, wie es ihnen gelang, eine unternehmerische oder eine sportliche Vision zu verwirklichen. Inwieweit können Vorbilder helfen? 01/2014 Entrepreneur 46 Expertise Dialog 47 „Ich bin ein Fan von Produktivität und Flexibilität. Denn hohe Produktivität und hohe Flexibilität rechtfertigen hohe Gehälter. Die Produktivität und Flexibilität eines Unternehmens oder eines Landes sind die Voraussetzung dafür, dass wir als Industriestaat überleben können.“ „Man redet immer über Werte. Ich glaube, Respekt und Integrität bilden den eigentlichen Kern. Darunter kann man alles andere subsumieren.“ Uwe Hück Georg Graf Waldersee Hück: Sie sind ganz wesentlich. Das Viertel in Pforzheim zum Beispiel, in dem ich mich engagiere, galt jahrelang aufgrund seiner sozialen Struktur als Problembezirk. Dort traute sich lange nicht einmal die Polizei hinein. Mitte der 90er-Jahre bin ich gebeten worden, einen Mehrsparten-Sportverein zu übernehmen. Es hat die Menschen dort schwer beeindruckt, dass da einer, der es in ihren Augen nicht nötig hatte, bereit war, sich zu kümmern. Und dass man es schaffen kann, auch wenn die Startbedingungen nicht so günstig sind. Ein bisschen hat sicher auch meine äußere Erscheinung dazu beigetragen, dass wir heute dort unter anderem durch meine Anwesenheit die geringste Jugendkriminalität der Umgebung haben. Mein Motto dabei ist: Jeder darf versuchen, mich umzuhauen. Wer gegen mich verliert, muss aber arbeiten oder zur Schule gehen. Bisher arbeiten alle, die es probiert haben, oder sie sind in der Schule. Was ich damit sagen will: Jeder hat eine Chance, er muss sie nur nutzen. Und wir dürfen gleichzeitig als Gesellschaft nicht wegschauen. Wir müssen in die Viertel, die heute sehr dunkel und dreckig sind, mit der Taschenlampe hineingehen und dort Licht machen. Waldersee: Jeder verdient sicher eine Chance. Viele Unternehmer klagen aber, dass sie trotz drohenden Fachkräftemangels unter den Schulabgängern kaum geeignete Kandidaten für eine berufliche Ausbildung finden. Besonders Hauptschüler sind eine Problemgruppe. Wie sollen wir damit umgehen? Verschenken wir hier womöglich ein riesiges Potenzial? Hück: Und ob! Diese jungen Leute sind ja nicht dumm. Ich will hier gar nicht analysieren, woran es liegt, dass sie in der Schule Entrepreneur 01/2014 kaum etwas gelernt haben. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie sich in der Praxis oft gescheiter anstellen als Realschüler oder Abiturienten. Wir haben deshalb bei Porsche durchgesetzt, dass 40 Prozent unserer Auszubildenden Hauptschulabgänger sind. Und wir tun noch mehr. Wir haben 2011 im Unternehmen ein Förderprogramm für Schulabbrecher und junge Menschen ohne Abschluss aufgelegt, die bisher als nicht ausbildungsfähig galten. Der Umgang mit ihnen ist nicht einfach, das will ich nicht verheimlichen. Vielen fehlt jegliche Disziplin. Wir haben deshalb strenge Regeln. Wir können mit ihnen nicht den normalen Weg gehen, sondern reagieren sofort, wenn etwas passiert ist, wenn sie nicht pünktlich oder gar nicht erscheinen, zum Beispiel. Die müssen die Konsequenzen sofort spüren. Wir haben jetzt elf junge Leute bei uns gehabt und neun davon konnten wir in eine reguläre Ausbildung übernehmen. Hätten wir nichts getan, wären diese elf vermutlich in unserer Gesellschaft verloren gegangen. Nicht nur wir, auch andere Unternehmen haben inzwischen solche Programme; Daimler zum Beispiel oder Audi und Bosch. Ich finde, es ist unsere Pflicht, nicht wegzuschauen. Das sind unsere Kinder! Also müssen wir sehen, dass wir das Beste daraus machen. Wir müssen sie wieder in die Gesellschaft zurückführen. Waldersee: Das scheint mir in der Tat die wahrgenommene Verpflichtung des Unternehmens, über den eigentlichen Unternehmenszweck hinaus etwas in der Gesellschaft zu bewirken. Wir müssen alle wieder lernen, dass Solidarität in einer Gesellschaft wichtig ist. Hück: Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wenn sich zum Beispiel bei uns jemand bewirbt, achte ich darauf, ob er sich ehrenamtlich engagiert. Weil ich dann weiß, dass er auch mal für die Firma etwas mehr tut, ohne gleich zu fragen: Was kriege ich dafür? Ich glaube, wir müssen wieder lernen, dass man, wenn man ein bisschen mehr gibt, irgendwann auch etwas mehr zurückbekommt, aber nicht zwingend sofort. Wir müssen wieder einführen, dass man nicht immer gleich nachrechnet, sondern etwas zum Wohle des Unternehmens, der Gesellschaft, der Familie oder der Freunde tut. Ich erlebe, dass gerade viele junge Menschen dazu auch bereit sind. Waldersee: Aber das muss ihnen vorgelebt werden, gerade von Unternehmern und Führungskräften. Bei den sogenannten „Business Risk Radar“-Studien, die EY jährlich erstellt, wird von den Entrepreneuren, die wir dabei befragen, seit einigen Jahren verstärkt die gesellschaftliche Akzeptanz und Unternehmensverantwortung als eines der Top-Ten-Themen genannt, um die sie sich verstärkt kümmern müssen. Dies legt nahe, dass Unternehmen ihr Geschäft stärker als bisher unter Beachtung gesellschaftlicher Belange betreiben müssen. Auch deshalb ist das Leitbild von EY „Building a better working world“. Ich glaube, das deckt sich mit Ihrem Verständnis von modernem Unternehmertum. Hück: Meiner Ansicht nach haben die Arbeitgeber das bis in die 80er-Jahre auch so gehalten. Für sie war es nicht wichtig, acht oder 80 Millionen zu verdienen, und sie haben auch nicht versucht, aus heißer Luft auf anderer Leute Kosten Kapital zu schlagen. In den 90er-Jahren sind solche Arbeitgebertugenden verloren gegangen. Aber das geht auf Dauer nicht gut, weil es entseelt ist. Ich bin jetzt seit fast 30 Jahren bei Porsche und kann mich immer noch für dieses Unternehmen begeistern. Porsche ist ein Mythos, die Marke hat eine Seele. Waldersee: Zum Führen gehört Mut. Wer aus der Masse heraustritt – das werden Sie sicherlich bestätigen –, setzt sich naturgemäß verstärkt der Beobachtung und der Kritik aus. Bei EY etwa haben wir die „courage to lead“ ausdrücklich in unseren Unternehmenswerten verankert. Hück: Neben Mut braucht es auch Menschlichkeit, möchte ich ergänzen. Ich hatte das Glück, sieben, acht Jahre mit Ferry Porsche zusammenzuarbeiten. Das war ein genialer Arbeitgeber mit Herz. Er ist zu Mitarbeitern, die ihren 50. Geburtstag feierten, nach Hause gefahren, hat ihnen persönlich gratuliert und ein Geschenk gebracht. Bei einer solchen Gelegenheit, so erzählte mir kürzlich einer unserer Rentner, fiel Ferry Porsche auf, dass die Uhr im Wohnzimmer stehen geblieben war. Porsche, der ja auch ein begnadeter Ingenieur war, hat sie dann einfach von der Wand genommen und auf der Couch selbst repariert. Waldersee: Gerade hier in Baden-Württemberg gibt es viele familiengeprägte Unternehmen. Was ist das Besondere daran? Hück: Ganz einfach: Da spielt noch das Herz mit. Ich glaube, dass angestellte Vorstände häufig anders agieren als diejenigen, die das mit Familienblut übernehmen. Und deshalb brauchen wir diese Unternehmen, die aus einer Familie entstanden sind. Als Ferry Porsche schwer krank war, hat er zu mir gesagt: „Bub, du guckst, dass das Unternehmen gut läuft.“ Ich habe ihm geantwortet: „Das kann ich nicht versprechen, es gehört nicht mir.“ Wir beide haben dann vereinbart: Ich kümmere mich mit der Belegschaft darum, dass gute Autos entwickelt und gebaut werden, und er kümmert sich darum, dass es uns durch Betriebsrente und soziale Einrichtungen finanziell gut geht. Ich glaube, diese Partnerschaft muss wiederkommen. Das erwarte ich auch von anderen Unternehmen, dass sie wieder mehr Herz zeigen. Waldersee: Mich würde Ihr Selbstverständnis als Gesamtbetriebsratsvorsitzender interessieren. Wie hält man eine gute Balance zwischen zwei Seiten, die man zusammenführen möchte? Einerseits brauchen Sie eine gewisse Distanz zur Unternehmerseite, andererseits wird von Ihnen natürlich auch konstruktive Kooperation erwartet ... Hück: 1990 war ich ja schon Betriebsrat, und ich war damals der Auffassung, der Betriebsrat ist vor allem da, um zu schimpfen. Wenn es schlecht geht, ist immer der Arbeitgeber schuld, und wenn es gut geht, dann liegt das am Fleiß der Arbeitnehmer. Das hat dazu geführt, dass wir in große Schwierigkeiten geraten sind und 2 500 Leute gehen mussten. Und vor allem die Jungen haben mich gefragt: „Warum hast du das zugelassen?“ Das hat mich tief getroffen. Damals wurde mir klar: Mitbestimmung ist Mitverantwortung. Zum ersten Mal wurde mir klar, dass ich die Funktion habe, das Unternehmen mitzugestalten, und nicht nur zu warten, bis irgendetwas fertig ist. Ich habe gelernt, dass wir das Geld erst verdienen müssen, bevor wir es verteilen können. Und es ist unsere Aufgabe, es dann so zu verteilen, dass die, die es erwirtschaftet haben, einen großen Teil zurückbekommen. Ich bin ja die Soziallobby meiner Belegschaft. Uwe Hück Uwe Hück, geboren 1962 in Stuttgart, ist Gesamtbetriebsratsvorsitzender und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG. Am 1. April 1985 begann er als gelernter Lackierer bei Porsche. Seit 1990 ist Hück Mitglied des Betriebsrats. 2002 wurde er Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Porsche AG, 2003 Vorsitzender des Konzernbetriebsrats. Seit 1998 ist Hück Mitglied im Aufsichtsrat. 2010 wurde er stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG. Er ist Mitglied des Ortsvorstands der IG Metall Stuttgart und der Großen Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg. 01/2014 Entrepreneur Expertise Dialog 49 Seither bin ich ein Fan von Produktivität und Flexibilität. Denn hohe Produktivität und hohe Flexibilität rechtfertigen hohe Gehälter. Die Produktivität und die Flexibilität eines Unternehmens oder eines Landes sind die Voraussetzung dafür, dass wir als Industriestaat überleben können. Waldersee: Sie sind Interessenvertreter der Belegschaft, aber könnte man sagen, Ihre vornehmste Aufgabe ist es, genau diese Einstellung, die Sie eben dargelegt haben, beiden Seiten zu vermitteln? Hück: Ja. Das ist nicht immer einfach, aber es ist mein Job. Früher habe ich nur die eine Seite vertreten, und die andere sah ich eher als dunkle Seite. Die Zeiten sind vorbei, denn beides gehört einfach zusammen. Geld baut keine Autos. Das machen Menschen. Aber ohne Geld sind sie handlungsunfähig. Ich brauche Arbeit und Kapital. Das ist nicht immer einfach zu vermitteln – etwa bei Tarifabschlüssen. Aber der Tarifvertrag ist ein Friedensvertrag, damit Unternehmen langfristig planen können. Waldersee: Vielleicht hat das ja auch dazu geführt, dass sich in den letzten Jahren die Haltung gegenüber der deutschen Mitbestimmung – sie wurde latent immer als Wettbewerbsnachteil betrachtet – gewandelt hat. Gerade sozialer Frieden gilt ja inzwischen als großes Plus. Alltag im Herzen eines Mythos: Uwe Hück und Georg Graf Waldersee auf dem Porsche-Werksgelände in Stuttgart-Zuffenhausen. Hück: Ich glaube in der Tat, es ist der große Vorteil dieses Landes, dass wir Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben, die sich zusammengetan haben, dass wir starke, große Gewerkschaften und Flächentarifverträge haben. Kompromiss heißt ja Entgegenkommen, nicht Weglaufen. Waldersee: Ich sehe zwei wesentliche Erfolgsfaktoren, die es uns leichter machen, auch weltweit schwierige Wirtschaftsphasen zu überstehen. Das eine ist genau dieses Miteinander, dieses partnerschaftliche Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Das zweite ist, dass wir unsere industrielle Basis nicht aufgegeben haben. Das empfinde ich als Heil, obwohl ich ja selbst in der Dienstleistung tätig bin. Hück: Das eine braucht das andere. England etwa hat seine traditionelle Basis aufgegeben und man sieht ja, was dort heute abläuft. Waldersee: Es gibt ein paar große Unternehmen, die dafür stehen. Porsche gehört dazu. Aber es stehen eben auch viele, viele Unternehmer hier im Ländle und an anderen Stellen in Deutschland dafür. Das macht den Unterschied. Ich möchte noch einmal auf den Ausgang unserer Diskussion zurückkommen. Man redet immer über Werte. Ich glaube, Respekt und Integrität bilden den eigentlichen Kern. Darunter kann man alles andere subsumieren. Wenn man keinen Respekt voreinander hat und nicht ehrlich miteinander ist, klappt es nicht. hat sich verändert. China und Indien bauen jetzt Autos. Das war vor wenigen Jahren doch noch undenkbar. Und ich glaube, diesen Mut, andere Wege im Interesse der Belegschaft und im Interesse des Unternehmens zu gehen, den haben wir. Ich will, dass alle in Wohlstand leben. Aber es darf nicht zu Enteignung führen. Dem, der Erfolg hat, müssen wir ihn gönnen. Aber der, der Erfolg hat, soll ihn bitte auch zum Wohle der Allgemeinheit einsetzen; so steht es auch im Grundgesetz. Wir brauchen Gewinner in dieser Gesellschaft, aber keine, die abgehoben sind, sondern Gewinner, die Vorbilder sind, wo andere sagen: „Ich kann das auch schaffen.“ Dieser Traum gibt den Menschen Mut, auch wenn er am Ende vielleicht nicht erfüllt wird. Aber es ist wichtig für ihre Energie. Der Mensch hat eine enorme Energie. Er muss sie nur finden. Hück: Auch ich gehe in einer Tarifrunde mal mit harten Bandagen ran, aber immer nur so weit, dass die andere Seite es akzeptieren kann. Und es ist bekannt: Wenn ich sage, wir machen es so, dann machen wir es auch so. Das ist die Glaubwürdigkeit. Ich sage auch immer wieder: Solidarität hat nichts mit Sozialismus zu tun. Und ich glaube, dieses Umdenken ist überfällig. Da muss jeder den Mut haben, zu sagen: „Haltet nicht an alten Zöpfen fest, die es gar nicht mehr gibt!“ Man muss einfach fragen: „Was ist gut für uns?“ Die Menschen haben sich verändert. Die Welt 01/2014 Entrepreneur 50 Expertise Entrepreneurship-Barometer 51 Gründermut stärken Warum Entrepreneurship nur im passenden ökonomischen Biotop gedeiht „Entrepreneure werden nicht geboren, sondern gemacht. Davon sind Unternehmer mehrheitlich selbst überzeugt.“ Julie Teigland Von Julie Teigland Die deutsche Wirtschaft wächst wieder. Längst hat sie das Niveau von vor dem Krisenjahr 2009 erreicht und überschritten. Doch trotz der offenkundig guten ökonomischen Großwetterlage sinkt die Zahl der Unternehmensgründungen. 2012 war sie so niedrig wie noch nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 1996. Per saldo gaben sogar mehr Unternehmen auf als neue starteten. Und der Abwärtstrend hat sich in diesem Jahr weiter fortgesetzt. Oft ist zu hören, Deutschland habe keine Start-up-Kultur. Was aber heißt das genau? Woran liegt es, wenn hierzulande Entrepreneuren der Mut fehlt, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf den ersten Blick positiv scheinen? Welche Bedingungen müssten geschaffen werden, um den Schritt in die Selbstständigkeit attraktiv zu machen? Welche Hemmnisse gibt es, und wie wären diese zu beseitigen? konnten sogar in der tiefsten Krise ordentliche Wachstumsraten generieren. Zunächst einmal ist festzustellen, dass Entrepreneure einer der Hauptwachstumstreiber in jeder gesunden Volkswirtschaft sind. Mit Kreativität und Ideenreichtum schaffen sie neue Produkte und Dienstleistungen, führen effizientere Produktionsmethoden ein, kreieren neue Geschäftsmodelle und neue Industrien. Sie erhalten Arbeitsplätze und schaffen neue, tragen bei zum Wohlstand in ihren Gemeinden und zu dem der Gesellschaft insgesamt. Doch jede unternehmerische Entscheidung, vor allem die Gründung eines Unternehmens, bedeutet auch ein Risiko. Sich darauf einzulassen, verlangt nicht nur Tatkraft, sondern vor allem auch Mut. Was also ist zu tun, um Gründermut zu stärken? Welche Tools brauchen Entrepreneure, um erfolgreich agieren zu können? Wie muss das wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Umfeld beschaffen sein, in dem junge Unternehmen entstehen und gedeihen können? EY hat in Gesprächen und Interviews mit zahlreichen Entrepreneuren aus den 20 wichtigsten Industrieländern weltweit im Rahmen seines G20-EntrepreneurshipBarometers (siehe Box S. 51) die fünf wichtigsten Faktoren bzw. Felder identifiziert, die entscheidenden Einfluss auf das Klima haben, in dem Gründermut entsteht: Das gilt auch und gerade hierzulande. Mittelständische Unternehmen stellen nicht nur das Gros der Arbeitsplätze in Deutschland, sondern sie waren gerade in den zurückliegenden, wirtschaftlich schwierigen Jahren Garanten der Stabilität. Die besten • e inen leichten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten, • eine unternehmerfreundliche Kultur, • einfache Steuern und Regulierung, • gute Ausbildung und Training, • eine koordinierte Unterstützung durch staatliche, universitäre und andere Institutionen. Die Bedeutung von Entrepreneurship ist überall in den G20-Staaten erkannt, und viele Nationen haben Programme und Initiativen gestartet, die Unternehmer und Gründer stärken und unterstützen sollen. „Start me up“: Gründer brauchen ein unternehmensfreundliches Umfeld. Entrepreneur 01/2014 G20-Barometer Zum zweiten Mal hat EY mit seinem G20-Entrepreneurship-Barometer 2013 die Umfelder und Bedingungen für Entrepreneurship in den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern weltweit untersucht und sich dabei auf den Vergleich wichtiger Geschäfts- und Wirtschaftsindikatoren, auf Tausende Interviews mit jungen und mit gestandenen Unternehmern, auf wissenschaftliche Studien und die Analyse staatlicher und anderer öffentlicher Initiativen gestützt. Das EY G20-Entrepreneurship-Barometer liefert ein Modell, mit dem fünf wichtige Faktoren für die Entwicklung von Entrepreneurship in einer Volkswirtschaft bewertet und mit den Bedingungen in anderen Ländern verglichen werden können. Ziel des Modells ist es, Regierungen, Industrieverbänden, Universitäten und Unternehmen aufzuzeigen, wo die Stärken eines Landes in Bezug auf Unternehmertum liegen und welche Verbesserungsmöglichkeiten sich bieten. Mit dem EY G20-Entrepreneurship-Barometer 2013 kann jeder einzelne der G20-Staaten zudem seine Fortschritte und Leistungen bezüglich Entrepreneurship in den vergangenen Jahren benchmarken. Es gibt in vielen Ländern interessante Fortschritte, von denen andere lernen können, aber selbst bei den Besten gibt es noch jede Menge Spielraum, um Gründermut zu fördern. Deutschland bietet als reife Marktwirtschaft im Prinzip ein gutes Ökosystem für Unternehmertum, liegt aber bei allen Faktoren nur im Mittelfeld. Beim entscheidenden Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups und mittelständische Unternehmen etwa belegt Deutschland nur den 14. von 20 Rängen – weit abgeschlagen hinter den USA und Großbritannien und noch hinter aufstrebenden Nationen wie China, Indien, Brasilien oder Saudi-Arabien. Entscheidend ist hier vor allem ein Mix aus verschiedenen Finanzierungsinstrumenten, die dem Lebenszyklus der Unternehmen entsprechen – vom jungen Unternehmen in der Gründung über Phasen schnellen Wachstums, Schritte zur Internationalisierung bis zum etablierten Marktführer. Hier können staatliche Institutionen mit passgenauen Instrumenten und spezialisierten Förderinstituten sehr viel bewirken. Und Banken könnten statt Sicherheiten, die Entrepreneure gerade in den Anfangsjahren oft nicht bieten können, ihre Kreditvergabe stärker vom Erreichen bestimmter, im Vorhinein festgelegter Geschäftsziele abhängig machen. Aber es braucht auch mehr Phantasie in der Erschließung neuer Geldquellen. Warum sollten Crowdfunding und eine Art Microfinance auf etwas höherem Niveau nicht auch deutschen Jungunternehmern beim Schritt in die Selbstständigkeit helfen können? Steuerliche Anreize könnten zudem private Investoren und Venture Capital stärker für Startups interessieren. Und Großunternehmen könnten Entrepreneure durch gemeinsame Projekte oder beispielsweise lang laufende Lieferantenkredite unterstützen. Es hat sich zudem herausgestellt, dass die erfolgreichsten Finanzierungsmodelle Geld mit Coaching kombinieren. Vor allem Unternehmer untereinander können sich stark unterstützen, wenn die Erfahrenen den Newcomern in Netzwerken und als Mentoren zur Seite stehen. Während die Hürden, die Entrepreneuren in Deutschland den Zugang zur Finanzierung ihrer Vorhaben erschweren, hoch sind, scheint der oft beklagte Mangel einer unternehmerfreundlichen Kultur dagegen weniger gravierend. Hier liegt Deutschland an siebter Stelle. Spitzenreiter sind wenig überraschend die USA, gefolgt von Südkorea und Kanada. Um aber Entrepreneurship als interessante und gesellschaftlich anerkannte Karrierechance noch besser zu etablieren, sollte das Stigma eines geschäftlichen Fehlschlags nicht als dauerhafter Makel verstanden werden. Der rechtliche Umgang mit einem Bankrott sollte deshalb eine faire Balance zwischen den Interessen der Gläubiger und einer zweiten Chance für den Unternehmer bilden. Auch wenn ihre Zahl steigt – noch sind zudem Frauen oder Deutsche mit ausländischen Wurzeln als Unternehmer unterrepräsentiert. Hier schlummern weitgehend unerschlossene Quellen für Entrepreneurship, die gefördert werden sollten. Wie das am besten geht? Indem erfolgreiche Unternehmer ihre Erfolgsstory in Events und Kampagnen erzählen, um andere zu inspirieren und ihnen Mut zu machen. Zudem können Netzwerke, öffentliche und/oder private Businessinkubatoren sowie Business Angels wertvolle Starthilfe leisten. Es zeigt sich, dass mit besonders niedrigen Steuersätzen für Unternehmensgründer sowie vereinfachten Formalitäten und Rechts- 01/2014 Entrepreneur 52 Expertise Entrepreneurship-Barometer Impulse Lebenswerk 53 „Es gilt also, die unterschiedlichsten Kräfte auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören: den unternehmerischen Geist in der jeweiligen Volkswirtschaft zu entzünden und zu stärken.“ Julie Teigland Julie Teigland [email protected] Julie Teigland ist Partner bei EY sowie Managing Partner EMEIA Accounts. vorschriften bei der Anmeldung einer neuen Firma auch die Zahl der Start-ups steigt. Besonders in der Anfangsphase helfen dabei Erleichterungen bei indirekten Steuern und Abgaben etwa auf Löhne und Gehälter jungen Unternehmen mehr als niedrige Steuersätze auf Gewinne, die oft in den ersten Jahren ohnehin nicht anfallen. Hilfreich wirkt auch, wenn der administrative Aufwand durch Steuern und Regulierungen niedrig ist. Und wenn Unternehmer darauf bauen können, dass sich Vorschriften und Regeln nicht ständig ändern. Hier sollten die Entrepreneure aber auch selbst Einfluss nehmen, in dem sie sich aktiv und öffentlich in Netzwerken und Verbänden für ihre Interessen einsetzen. Entrepreneure werden nicht geboren, sondern gemacht. Davon sind Unternehmer mehrheitlich selbst überzeugt. Zwar liegt es sicher nicht jedem, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, und mancher zieht die gefestigten Strukturen eines Konzerns den Spielräumen, aber auch Unsicherheiten eines jungen Unternehmens vor. Aber Rollenspiele an Schulen und Hochschulen, Gründerwettbewerbe oder eigene Schul- oder Unifirmen können Schülern und Studenten im Kleinen zeigen, wie sich Entrepreneurship anfühlt, und in ihnen nicht nur das Interesse an einer Unternehmerkarriere wecken, sondern sie auch dazu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Auch die Curricula sollten mehr praxisbezogene Inhalte haben. Obwohl hierzulande in Bildung und Ausbildung viel Geld investiert wird, zielt das deutsche Schulsystem eher darauf ab, gut ausgebildete Angestellte zu produzieren als kreative Entrepreneure. Hinzu kommt, dass Entrepreneur 01/2014 die Studenten mit kreativen Ideen in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern an den Universitäten nur wenige oder keine Berührungspunkte mit den Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten haben, die diese Ideen in Geschäftserfolge umsetzen könnten. Hier sollten Bildungspolitik, Hochschulen und Unternehmerschaft gemeinsam an integrierten Ansätzen arbeiten und unternehmerische Wissenschafts-Spin-offs unterstützen und begleiten. Alle Kräfte zu bündeln – aus dem staatlichen, dem privaten ebenso wie dem ehrenamtlichen Bereich – schafft jenes wirtschaftliche Ökosystem, in dem Unternehmertum am besten gedeiht. Vielleicht fällt das in Ländern leichter, in denen die Strukturen noch nicht so verfestigt sind wie in vielen traditionellen Industrienationen. Denn Russland, Mexiko und Brasilien agieren hier aus Sicht der Entrepreneure beispielhaft. Es gilt also, die unterschiedlichsten Stakeholder, Universitäten, Forschungslabore, Business-Inkubatoren, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Investoren und Unternehmer auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören: den unternehmerischen Geist in der jeweiligen Volkswirtschaft zu entzünden und zu stärken. Wenn es gelingt, auf diese Weise Entrepreneuren das entscheidende Quantum Mut zu machen, dann dürfte auch hierzulande die Zahl der Unternehmensgründungen bald wieder zunehmen. Moderner Klassiker im neuen Gewand Neuauflage des „Lexikon der deutschen Familienunternehmen“ erscheint im Mai 2014 Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie beschäftigen 60 Prozent aller Arbeitnehmer, erwirtschaften zwei Drittel des Bruttosozialprodukts und haben Marken von Weltruf hervorgebracht. Das 2009 erschienene und schnell vergriffene „Lexikon der deutschen Familienunternehmen“ aus dem Verlag Deutsche Standards EDITIONEN bot erstmals einen umfassenden Einblick in die vielfältige und traditionsreiche Welt der familiengeführten Unternehmen. Im Mai 2014 wird das Kompendium, das sich binnen kurzem den Ruf eines Standardwerks erworben hat, mit rund 2 000 Unternehmensdarstellungen und neuem Design in umfassend erweiterter 2. Auflage erscheinen. EY unterstützt das Buchprojekt als Partner. Lexikon der deutschen Familienunternehmen. Verlag Deutsche Standards EDITIONEN. Erscheint im Mai 2014. Ca. 1 500 Seiten, 78,– Euro. Der Schöpfung auf der Spur Fotografien wie Gemälde – lange inszenierte Sebastião Salgado Krieg, Leid und Elend in epischer Größe. Dabei ging er weit über seine Grenzen, musste sich aus der Arbeit zurückziehen. Doch dann begann er, die unberührten Orte unseres Planeten zu fotografieren. Dabei entstand „Genesis“, ein Projekt von einzigartiger Wucht und Schönheit. E s ist längst eine Ausnahme, dass man von zeitgenössischen Werken überwältigt wird. Die SchwarzWeiß-Fotografien von Sebastião Salgado sind solche Ausnahmen. Mit extremer Tiefenschärfe, harten Kontrasten und Schattierungen, mit seinem Blick für Größe inszeniert Salgado jedes Bild als Drama. Das ist kein Effekt. Das schafft ein Erlebnis, das den Betrachter so schnell nicht loslässt. Über Jahrzehnte hinweg waren es vor allem Tragödien, die der brasilianische Fotograf abbildete – die zermürbenden Kraftakte der körperlichen Arbeit, das Entsetzen im Leben von Flüchtlingen, die Qualen des Hungers. Im Frühjahr des Jahres 2013 aber hat er sein wichtigstes Werk vorgelegt, einen monumentalen FotoEssay mit dem Titel „Genesis“, in dem er die Schönheit des Planeten Erde genauso als episches Drama zeigt wie zuvor die Katastrophen. Acht Jahre hat er an „Genesis“ gearbeitet, 32 Länder dafür bereist – und nun ein Buch veröffentlicht, das vom Titelbild bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht. Da erhebt sich gleich zu Beginn ein Eisberg über die raue antarktische See, die das Schillern des Sonnenlichts von den Wellen auf die schrundigen Flanken reflektiert, sodass das gefrorene Massiv wie eine Kathedrale in den Himmel ragt. Auf einem anderen Bild fallen Sonnenstrahlen durch den Staub, den ein Elefant aufwirbelt, der in Sambia mit gewaltigem Schritt in den Busch flüchtet. Dann zieht Salgado 01/2014 Entrepreneur Impulse Lebenswerk 55 den Betrachter wieder in einen Moment der Ruhe, wie auf dem Bild vom Schamanen des indonesischen MentawaiVolkes, der aus Palmblättern ein Sieb flicht. Sebastião Salgado ist kein Mann der großen Worte. In der Schönheit seiner Bilder verbargen sich schon immer Botschaften. Von denen will er nicht ablenken. Deswegen versucht er, jede Aufregung um seine Person zu vermeiden. Das ist nicht immer leicht. Im Mahlstrom der TED Conference zum Beispiel, jenes Ideenfestivals, bei dem sich Wissenschaftler, Entwickler, Aktivisten, Stars und Investoren eine Woche lang in Kalifornien treffen, um von den neuesten und besten Ideen zu hören – dort stand Salgado nach seinem Vortrag über „Genesis“ inmitten der vibrierenden Menge, der Vernetzer, Macher und Beweger. Er sprach ein bedächtiges Englisch, das von seinem brasilianischen Akzent zu einem warmen Singsang heruntergedämpft wurde. Es schien, als ob sich die Zeit um ihn herum verlangsamte. 70 Jahre alt wird Sebastião Salgado im Februar 2014. Man sieht es ihm nicht an, dass er schon seit vier Jahrzehnten unablässig durch die unwirtlichsten und gefährlichsten Landstriche der Welt reist, dass er für seine monumentalen FotoEssays über 100 Länder besucht hat. Immer wieder zeigte Sebastião Salgado dabei, dass er seine Weltsicht in Frage stellen und sich dabei trotzdem treu bleiben kann. Viele schaffen einen solchen Wandel nie oder nur einmal im Leben. Salgado kam gleich mehrere Male an solche Wendepunkte. Und so kommt man einer Erklärung seiner Arbeit näher, wenn man seine Lebensgeschichte betrachtet. Wenn Sebastião Salgado von seiner Kindheit erzählt, dann beschwört er auch eine verschwundene Welt. 1944 wurde er als Sohn eines Rinderzüchters geboren, der auf einer Farm in der Nähe des kleinen Städtchens Aimor im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais lebte. Es war eine Zeit, in der die Mata Atlantica noch über 70 Prozent der Region überzog, jener atlantische Regenwald, von dem die ersten Entdecker der brasilianischen Küste im 16. Jahrhundert als „Paradies auf Erden“ schwärmten. Salgado erzählt von einer traumhaften Kindheit im Urwald voller Kaimane, Affen und Vögel. Fernab der Städte gab es damals keine höheren Schulen. So zog Salgado mit 15 Jahren nach Vitoria. Dann studierte er in São Paulo Wirtschaftswissenschaften, heiratete seine Frau, die Musiklehrerin Lélia Deluiz Wanick. Ende der 60er-Jahre entdeckten die beiden die Politik. Die Militärjunta beherrschte das Land. Salgado und Wanick schlossen sich der Studentenbewegung an. Dann wurde Brasilien für das junge Ehepaar zu gefährlich. 1969 emigrierten sie nach Paris, zwei Jahre später nach London. Dort nahm Salgado einen Job als Ökonom bei der Internationalen Kaffeeorganisation an, reiste für die Weltbank nach Afrika. Lélia studierte Architektur. Nichts schien die einst so radikalen Studenten von ihrem Weg in eine bürgerliche Existenz abbringen zu können. Die „Ich entdeckte, dass fast die Hälfte des Planeten immer noch in jenem unberührten Zustand ist, in dem er sich am Tage Genesis befand.“ Sebastião Salgado Sebastião und seine Frau Lélia Wanick Salgado sind seit den 60er-Jahren ein Team. nächste Kehrtwende folgte 1973. Salgado gab seine Arbeit als Ökonom auf. Er wollte sich ganz auf die Fotografie konzentrieren und arbeitete für die Agentur Sygma. 1979 nahm ihn Magnum Photos auf, bis heute die beste Agentur der Welt. Salgado passte bestens in den exklusiven Kreis. Er war furchtlos und brachte von jeder Reise eine furiose Reportage mit. Doch der Journalismus wurde Salgado bald zu klein. Er wollte sich nicht nur über Wochen und Monate hinweg mit einem Thema beschäftigen, sondern über Jahre. An einem kühlen Nachmittag im März des Jahres 1980 wendete sich Sebastião Salgados Leben einmal mehr. Für eine Woche schon hatte er Präsident Ronald Reagan im Rahmen einer Reportage begleitet. Es war Montag, der 30. März. Bei einem Mittagessen hielt Reagan im Washington Hilton Hotel eine Ansprache vor Vertretern des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO. Um 14:27 Uhr verließ der Präsident mit seiner Entourage das Hotel. Plötzlich trat der Arbeitslose John Hinckley Jr. aus der Menge, zog einen Revolver und schoss. Keiner der Schüsse traf den Präsidenten. Seine Leibwächter stürzten sich sofort auf den Attentäter. In diesem Moment entstand das dramatischste der wenigen Fotos von dem Anschlag. Mehrere Leibwächter und Polizisten halten Hinckley am Boden, während zwei Secret Service Agents von links ins Bild drängen. Einer zieht seine Pistole aus dem Halfter, einer bringt eine Maschinenpistole in den Anschlag. Das Bild ging um die Welt, wurde über die Jahre tausendfach nachgedruckt. Salgado hatte eine historische Aufnahme geschaffen. Die Erlöse aus den Verkäufen verschafften Salgado Unabhängigkeit. Fortan erteilte er sich die Aufträge selbst. Und es sollten Aufträge sein, die ihn über Jahre beschäftigt hielten. Zunächst bereiste er die Länder seiner Heimat Lateinamerika, machte sich im Spannungsfeld zwischen den alten Indiokulturen, der Götterverehrung und dem archaischen Katholizismus auf die Suche nach der komplexen Seele des Kontinents. Die Hungerkatastrophe in der Sahelzone brachte ihn 1984 zurück nach Afrika. Eineinhalb Jahre lang zog er mit den Médecins sans Frontières durch die Katastrophengebiete in Mali, Äthiopien, dem Sudan und in Eritrea. Wieder gingen seine Bilder um die Welt, sie machten die Arbeit der selbst- 01/2014 Entrepreneur Impulse Lebenswerk 57 Der Kraftakt, der Erde Schätze abzutrotzen: Mit den Bildern, die Salgado 1986 von den Arbeitern in der Goldmine von Serra Pelada aufnahm, wurde er weltberühmt. 01/2014 Entrepreneur 58 Impulse Lebenswerk losen Ärzte international bekannt. Doch erst mit seinem nächsten Projekt fand Salgado zu seiner eigentlichen Größe. Sieben Jahre lang arbeitete er an seinem Mammutwerk „Workers“. In 23 Ländern suchte er nach jener Form der Arbeit, die in den Industrieländern langsam im Verschwinden begriffen war – der harten, körperlichen Arbeit der Rohstoffgewinnung und der Produktion. „Wenn wir heute in einen Supermarkt gehen, dann verstehen wir nicht mehr, welche Arbeit hinter den Produkten steht, was auf Farmen, was in Fabriken erzeugt wird“, sagte er damals in einem Interview. „Meine Fotos sollen helfen zu verstehen, dass wir immer noch eine Gesellschaft der Arbeiter sind, dass wir noch nicht 100 Prozent Service leisten.“ Doch als „Workers“ 1993 herauskam, zeigten die Bilder sehr viel mehr als nur die Arbeit an sich. Wie noch kein anderer zuvor brachte Salgado den Betrachtern seiner Bilder die unglaublichen Anstrengungen nahe, die es kostet, Erze aus dem Boden zu gewinnen, Tiere aufzuziehen, der Erde Nahrung abzutrotzen, aus Stahl und Eisen Maschinen und Geräte zu formen. Eine der eindrucksvollsten Serien aus „Workers“ waren die Bilder von Arbeitern, die zu Tausenden die lehmigen Wände der offenen Goldmine der Serra Pelada emporkletterten, in den Gräben und Spalten nach ein paar Körnchen Gold gruben. Robert Pledge, der Gründer der Contact-Press-Images-Agentur, sagte damals: „Wenn ich mir diese Bilder ansehe, dann weiß ich, was vor Tausenden von Jahren vor sich ging, als die Ägypter die Pyramiden bauten. Ich verstehe, wie es aussah, als die Mayas ihre enormen Städte errichteten. Salgado brachte etwas Biblisches in die Fotografie.“ Salgados nächstes Projekt kostete ihn fast das Leben. Für „Migrations“ begann Salgado 1993, in Länder wie die Staaten des ehemaligen Jugoslawien zu reisen, außerdem nach China, Indonesien, Afghanistan, in den Sudan und nach Indien. Er machte sich auf die Spur der modernen Völkerwanderungen, auf die Spur der Wanderarbeiter, vor allem aber der Vertriebenen und Flüchtlinge. „Während meiner Arbeit wurde ich sehr traurig“, sagt er heute. Vor allem seine Arbeit in Ruanda in den Monaten nach dem Völkermord von 1994 setzte ihm zu. „Es gab Tage, da sah ich viele, viele Menschen Sebastião Salgado Sebastião Salgado wurde am 8. Februar 1944 als Sohn eines Viehzüchters in der brasilianischen Provinz Minas Gerais geboren. Seine Laufbahn als professioneller Fotograf begann er 1973 bei der französischen Agentur Sygma. 1979 wurde er von Magnum Photos aufgenommen. Mit den Erlösen aus dem Verkauf seines historischen Fotos vom Attentat auf Ronald Reagan finanzierte er eigene Projekte, die oft Jahre in Anspruch nahmen. Mit seiner monumentalen Bildsprache wurde er bald nicht nur in allen wichtigen Zeitschriften der Welt gedruckt, sondern auch in vielen Museen gezeigt. Seine bekanntesten Projekte sind „Arbeiter“, „Migranten“ und „Afrika“. An seinem bisher ambitioniertesten Projekt „Genesis“ arbeitete er acht Jahre lang in 32 Ländern. Ziel war es, Orte zu fotografieren, die bis heute im Zustand ihrer Schöpfung geblieben sind. Die Bildbände dazu erschienen im März 2013. Die Ausstellung wird 2014/15 u. a. in Madrid, Venedig, Singapur, Belo Horizonte und Stockholm zu sehen sein. Entrepreneur 01/2014 sterben. Ich sah viel zu viel Gewalt. Ich verlor den Glauben an meine Spezies, an die Menschen. Und ich wurde sehr krank.“ Zu seiner tiefen Lebensmüdigkeit kamen noch Staphylokokken, antibiotikaresistente Bakterien, die seinen gesamten Körper vergifteten. Ein Arzt riet ihm, mit dem Fotografieren aufzuhören. So traf es sich gut, dass Salgados Vater ihn bat, die heimische Farm zu übernehmen. Als einziger Sohn neben sieben Schwestern sei das seine Pflicht. Salgado und seine Frau kehrten nach Brasilien zurück. Doch vom Paradies seiner Kindheit war nicht mehr viel übrig. „Als wir nach Brasilien zurückkehrten, war der Wald, der einst weit über die Hälfte des Landes bedeckt hatte, vollkommen zerstört. Nur noch ein halbes Prozent des Bestandes war übrig. Doch meine Frau Lélia begann, die ersten Bäume zu pflanzen. Ich war der festen Überzeugung, dass sie nie wieder zurückkommen würden. Doch dann begannen sie zu wachsen. Die Vögel kamen zurück, die Blumen, die Schmetterlinge, die Insekten, die Fische und sogar die Alligatoren. Das Leben kehrte wieder. Und das gab mir Hoffnung.“ Gemeinsam mit seiner Frau gründete er das Instituto Terra. So konnte er sein Land zum Nationalpark erklären und schützen lassen. Über zweieinhalb Millionen Bäume haben sie inzwischen gepflanzt, über 200 verschiedene Arten. Und so kam das Ökosystem des Regenwaldes langsam zurück. Die Arbeit mit dem Institut brachte aber nicht nur seine Hoffnung zurück, sondern auch seine Inspiration. Seine Suche nach den unberührten Orten der Erde führte Sebastião Salgado in 32 Länder: Nach Indonesien (S. 53), Sambia (S. 54 oben) und Sibirien (S. 54 unten), nach Brasilien (S. 59 oben) und in die Antarktis (S. 59 unten). Acht Jahre war er für die Arbeit an „Genesis“ unterwegs. 2004 begann Salgado mit seiner Suche nach dem ursprünglichen Planeten Erde. Seine Hoffnung erfüllte sich bald. Auf sämtlichen Kontinenten fand er ganze Landstriche ohne jede Spur von Zivilisation oder gar der urbanen Moderne. Man spürt in den Bildern, wie sehr die Schönheit des Planeten Sebastião Salgado selbst überwältigt hat. Doch er sagt nur: „Ich hatte das Privileg, die unglaublichsten Dinge auf diesem Planeten zu sehen. Und ich entdeckte, dass fast die Hälfte des Planeten immer noch in jenem unberührten Zustand ist, in dem er sich zu Zeiten der Genesis befand.“ Acht Jahre lang war Salgado unterwegs. Mal im Team, mal alleine, im Flugzeug, im Ballon, im Boot und auch zu Fuß. In Äthiopien durchwanderte er vier Monate lang die entlegensten Gegenden: „Dort gibt es keine Straßen, sondern nur Wege, die unsere Füße in den Boden getreten haben, seit zwei-, seit dreitausend Jahren.“ Doch es ist nicht nur die überwältigende Schönheit, die er mit seinem Buch zeigen will. Mit „Genesis“ hat Salgado wieder zu den politischen Wurzeln seiner Jugend gefunden. Nicht zur linken Politik des Widerstands. Er war zu lange Ökonom, um noch gesellschaftlichen Utopien anzuhängen. Aber sein radikales Gespür für das Unrecht und die Gefahr hat ein neues Ziel. „Amerika verliert seine Wälder, auch Europa, Asien tun dies. In Indien und in Spanien gibt es schon keine Bäume mehr“, sagt er. „Vor kurzem erst konnte man in der Zeitung lesen, dass vor der Küste Norwegens Millionen Fische wegen Sauerstoffmangels starben.“ Sein ruhiger Blick bekommt dann plötzlich eine ungewohnte Härte. „Was, wenn es uns so ergeht? Wenn wir keinen Sauerstoff mehr bekommen?“ Salgado pausiert kurz. Dann sagt er ohne jeden intellektuellen Schnörkel, um was es ihm in seinem Buch geht: „Was wir in ‚Genesis‘ zeigen, ist all das, was wir bewahren müssen.“ Und so ist sein größtes Werk ein monumentales Buch geworden, das eine monumentale Aufgabe dokumentiert. Salgados Lebenswerk, so scheint es für einen Moment, hat jetzt erst begonnen. 01/2014 Entrepreneur Impulse Mindmap 61 Hand drauf! Wie Claudia Helming mit dem OnlineMarktplatz DaWanda dank höchst eigensinniger Dinge sehr individuelle Wünsche erfüllt. Selbstständigkeit • Mut ist das Geheimnis der Freiheit • Das Bekannte gegen Unbekanntes tauschen – auch wenn alle dagegensprechen • Leidenschaft statt Sicherheit • Auch persönlich Risiken eingehen – etwa mit eigenem Geld • Ü ber die eigenen Grenzen hinausgehen • A n Ideen glauben und kämpfen • A nnehmlichkeiten opfern • Hingabe auch bei ungewissem Ausgang • Frohen Mutes sein – Hoffnung auf guten Ausgang • Sich anspornen lassen – auch unsere Verkäufer sind mutig • Keine Angst vor der Angst Persönlich • Mut kommt von Gemüt – Charaktereigenschaft? • Sich trauen, die eigene Identität zu suchen • Ausbrechen aus alten Zwängen • Abenteuerlust, Kampfgeist, Idealismus • Keine Angst vor dem Scheitern • Mischung aus Bauch und Besonnenheit des Kopfes • Mut erlangt, wer liebt, was er tut • Auf der eigenen Meinung beharren Vorbilder THEMA Neues wagen • Coco Chanel • Karl Lagerfeld • Sheryl Sandberg • Rosa Parks • Ä rzte ohne Grenzen Führung • Mut durch Stolz und Überzeugung • Frauen in Führungspositionen • Keine Angst vor externen Investoren • Mut zur Expansion – mehr Mitarbeiter und Standorte • Auch mal Verluste tragen • Beherzte, aber nicht leichtsinnige Entscheidungen • Den inneren Schweinehund überwinden • Schwierige Themen ohne Zögern ansprechen • Entscheidungen • Den gelernten Weg auch verlassen – neue Teams bilden, neue Strukturen schaffen • Marktnischen selbst erweitern – Glaube daran, selbst gestalten zu können Wie gut es doch sein kann, wenn man einmal scheitert. So wie Claudia Helming, als sie ihre Familie und Freunde mit bunt bemalten, selbstgemachten Matroschkas überraschen wollte – und bei dieser Bastelarbeit komplett versagte. Wenn man etwas Individuelles haben möchte, dachte sich Helming, das selbst aber nicht hinkriegt – dann müsste es doch einen Ort geben, wo man Selbstgebasteltes und Unikate kaufen kann, ohne dafür über Flohund Handwerkermärkte ziehen zu müssen. Weil es diesen Ort nicht gab, gründete die studierte Romanistin ihn nach einigen Erfahrungen in kleineren Internetfirmen einfach selbst: das Online-Verkaufsportal DaWanda, den Marktplatz für Handgemachtes und Einzigartiges. Im Jahr 2006 startete DaWanda in Berlin mit 250 kreativen Menschen, die über die Website ihre Waren anboten, gegen eine geringe Einstellgebühr und eine Provision von fünf Prozent des Verkaufspreises. Sofort schaltete Helming nicht nur die deutsche, sondern auch englisch- und französisch- Gründe • Mut ist ein Wert – für alle • Mut berührt und setzt positive Emotionen frei • Horizont erweitern, Verantwortung tragen • Widerstand schafft Charakterstärke • Lernen, sich Kritik zu stellen • Ohne Mut: Stagnation • Vorbild für andere sein / A ndere ermutigen (etwa Kreative zum Sprung auf den Markt) sprachige Plattformen frei. Sie warb erfolgreich um Investorengeld, expandierte damit 2012 mit eigenen Niederlassungen und weiteren Sprachen ins europäische Ausland. Sie nutzte den Trend zum Selbstgemachten und befeuerte ihn zugleich, weil Heimproduzenten mit DaWanda zum ersten Mal die Gelegenheit bekamen, ihre Waren günstig und überregional zu verkaufen. Und weil sich DaWanda bald vom reinen Verkaufskanal zum ServiceDienstleister für die kreativen Bastler mauserte – mit Verkäuferseminaren, Rechtsberatung und PR-Maßnahmen. Heute bieten mehr als 220 000 Verkäufer über DaWanda rund 3,5 Millionen Unikate an. Mit über drei Millionen eingetragenen Nutzern, einem Umsatz von zuletzt sieben Millionen Euro, verfügbar in sieben Sprachen und 150 Mitarbeitern ist DaWanda Europas größter Online-Marktplatz für Selbstgemachtes. Nun ist das Unternehmen auch in der realen Welt präsent – mit einem ersten Offline-Shop, der DaWanda Snuggery in Berlin-Charlottenburg. 62 Entrepreneure Sammeln „Der Kopf da gefällt mir!“ Der Unternehmer und Kunstliebhaber Donald Hess über sein gewagtestes Museumsprojekt und seine Annäherung als junger Sammlernovize an die etablierte Kunstszene. Es gibt Menschen, die finden, es sei eine ausgesprochen mutige Entscheidung von mir gewesen, auf 2 300 Meter Höhe in einem völlig abgelegenen Hochtal der argentinischen Anden ein Museum zu errichten. Ich verwende den Begriff „Mut“ sehr vorsichtig. Vielleicht gehört gar nicht so viel Courage dazu, ein Museum zu bauen, wenn man Miteigentümer eines florierenden Familienunternehmens ist. Auf jeden Fall war es eine Entscheidung, die mir bei den Einheimischen den Beinamen „El Loco“, der Verrückte, einbrachte. Donald Hess Donald Hess, geboren 1936 in Bern, übernahm nach dem Tod des Vaters die Familienbrauerei, die er 1968 verkaufte. Hess entwickelte fortan die 1960 erworbenen Mineralquellen in Vals zu einer bekannten Marke – bevor er sich auch aus diesem Geschäft zurückzog und sich ganz auf den Weinbau, Liegenschaften und zeitgenössische Kunst konzentrierte. Heute besitzt die Familie Hess acht Weingüter auf vier Kontinenten; an die Güter in Napa (Kalifornien), Glen Carlou (Südafrika) und Colomé (Argentinien) sind jeweils Museen angeschlossen. Donald Hess‘ Sammlung zeitgenössischer Kunst zählt mit über 1 000 Werken zu den weltweit bedeutendsten privaten Kollektionen. In den drei Museen sind die Kunstwerke für jedermann unentgeltlich zu besichtigen. James Turrell, der amerikanische Lichtkünstler, für den ich dieses Museum gebaut habe, musste für das Vorhaben mindestens genauso viel Mut aufbringen wie ich. Eines Tages rief ich ihn an. „James, ich möchte ein Museum nur für deine Werke bauen. In Argentinien.“ Für Turrells Lichtinstallationen braucht man Ruhe, man muss einkehren können. Auf meinem Weingut in Colomé, inmitten der Einsamkeit der Halbwüste, hat man diese Ruhe. „Oh, ein Museum in Buenos Aires“, sagte Turrell, „das ist ganz großartig!“ „Nun, es ist nicht ganz in Buenos Aires“, antwortete ich, „man ist von dort aus noch mal zwei Stunden mit dem Flugzeug unterwegs und dann fünf Stunden mit dem Auto.“ Langes Schweigen. Dann sagte er: „Ich muss leiden, um diese Kunstwerke zu schaffen. Dann ist es in Ordnung, wenn die Besucher auch ein bisschen leiden müssen, bevor sie sie betrachten können.“ Bei der Eröffnung, fünf Jahre später, war er ganz still. Als er aus dem Museum ins Freie trat, hatte er Tränen in den Augen. In meiner Kindheit und Jugend deutete nicht allzu viel darauf hin, dass aus mir einmal ein Kunstsammler werden würde. Ich entstamme einer Brauerfamilie in der neunten Generation; zu Hause gab es weder Gemälde Entrepreneur 01/2014 noch Skulpturen. Eines Tages fragte ich meinen Vater: „Warum haben wir eigentlich nur weiße Wände? Wir sollten auch Kunst haben, daheim.“ Mein Vater antwortete: „Schau mal zum Fenster hinaus – was siehst du?“ „Unseren Garten“, sagte ich. „Richtig“, sagte mein Vater. „Den kann niemand so wunderbar malen wie der liebe Gott ihn geschaffen hat.“ Ich fand, das war eine gute Antwort. Jahre später sah die Tochter eines Kunstsammlers all die kahlen weißen Wände bei mir zu Hause. „Du bist jetzt über 30“, sagte sie, als ich ihr erzählt hatte, warum mein Vater keine Bilder haben wollte, „da musst du doch wissen, dass die Väter nicht immer recht haben.“ Ein paar Tage später besuchte ich sie in ihrer Galerie und marschierte stramm vor den Gemälden herum. „Das ist völlig falsch“, unterbrach sie mich, „jeder Künstler steckt sein Intimstes in sein Gemälde. Wie willst du denn das entdecken, wenn du einfach davor rumläufst?“ Sie lehrte mich, mir Zeit zu nehmen für ein Bild, es aufzusaugen und abzuwarten, ob es mich berührt oder nicht. Nach drei Tagen der Unterweisung dachte ich, es sei vielleicht an der Zeit, ihr etwas abzukaufen. „Dieser Kopf da gefällt mir“, sagte ich. „Sie meinen den Vollard“, sagte sie und verkaufte mir die Lithographie. Kurze Zeit darauf kam ein Freund zu mir, sah das Bild und sagte fast ehrfürchtig: „Ein Picasso!“ „Nein“, sagte ich, „das ist ein unbekannter Maler, dessen Name mit V anfängt.“ „Das ist Ambroise Vollard, der berühmte Kunstsammler und Galerist, gezeichnet von Picasso“, entgegnete der Freund fassungslos über so viel Unverstand. Ja, so habe ich mein erstes Bild gekauft. Ausgestattet mit dem famosen Wissen aus drei Nachmittagen Schnellkurs in Malerei, flog ich nach New York und ging in eine Galerie, wo mich ein kleiner Mann mit Spitzbart nach meinen Wünschen fragte. „Wer sind die zehn besten Künstler in New York?“, stürmte ich auf ihn los. Peinlich berührt schaute er zuerst auf den Boden, dann mir ins Gesicht und sagte: „Sir, Sie haben keine Ahnung von Kunst, nicht wahr? In dieser Stadt gibt es vielleicht 60 000 professionelle Künstler, die meisten kennt kaum jemand. Wie soll denn da einer sagen, wer die besten sind?“ Schon wieder hatte ich mich lächerlich gemacht. Entweder muss ich jetzt aufhören mit der Kunst, sagte ich mir auf dem Rückflug, oder ich muss es richtig anstellen: Sammeln, was mich berührt. Werke von jungen Künstlern, deren Weg ich über Jahre verfolge, die meine Freunde werden und mit denen ich bei Brot, Käse und Wein diskutiere. So habe ich es seitdem stets gehalten. Den Wein bringe natürlich ich mit. Manche nennen ihn ganz einfach „den Lichtmagier“: James Turrell, geboren 1943, zählt zu den ein flussreichsten Lichtkünstlern der Gegenwart. Seine Raum-Licht-Installationen erzeugen Formen, die Masse und Gewicht zu haben scheinen, jedoch nur aus Licht bestehen. „In meinem Werk geht es um das Licht an sich“, beschreibt der im US-Bundesstaat Arizona lebende Künstler seine Arbeit, „es spielt mit den Dimensionen, es füllt die Räume wie ein dichter Nebel oder ein feiner Dunst.“ 01/2014 Entrepreneur 64 Impulse Zehn Fragen Kennen Sie auch den Reiz der Gefahr? Was wäre ein Leben ohne Gefahr? Die Philosophin Hannah Arendt meinte sinngemäß, wer jedes Risiko vermeidet, wird zum Verwalter seines eigenen Lebens. Und sie meinte das nicht positiv. Antonia Rados Sie begeben sich immer wieder in gefähr liche Situationen – was treibt Sie an? Ich will herausfinden, was auf der anderen Seite der Welt liegt. Das hat seinen Preis, aber ich treffe außergewöhnliche Menschen und lerne, was man anders nicht lernen kann. Also mache ich weiter. Die renommierte TV-Journalistin Antonia Rados (geb. 1953 in Klagenfurt) berichtet seit Jahrzehnten als Kriegs- und Krisenreporterin von den Brennpunkten der Welt. Bis Anfang der 90er-Jahre reiste die promo vierte Politikwissenschaftlerin für den ORF unter anderem nach Somalia, in den Libanon und in den Iran. Mit dem Wechsel als Sonderkorrespondentin zu RTL Television informiert sie seit 1995 unter anderem aus dem Kosovo, aus Afghanistan und dem Nahen Osten. Während des Irak-Kriegs 2003 berichtete Antonia Rados live aus Bagdad – für ihre Arbeit dort wurde sie mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Hanns-Joachim-FriedrichsPreis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem „Romy“. Neben ihren Fernsehberichten und -dokumentationen veröffentlichte Antonia Rados mehrere Bücher. Sie lebt in Paris. Seit 2009 arbeitet Antonia Rados als Chefre porterin Ausland für die Sender der Mediengruppe RTL. Dazu gehört viel Mut – haben Sie ihn seit jeher in sich? Mut ist nur eine andere Definition von Handeln – und das habe ich von erfahrenen Kriegsreportern gelernt. Mutig sein kann jeder, doch das Überleben verlangt eine komplizierte Abfolge von Aktionen. Wie finden Sie die Grenze zwischen Mut und Leichtsinn? Ich rede offen über Risiken, selbst auf die Gefahr hin, übervorsichtig zu sein. Männer hingegen verlassen sich eher auf andere Männer, auf die eigene Gruppe. Ich kann das in Kriegsgebieten gar nicht, denn ich bin dort meist die einzige Frau. Wie schaffen Sie es, Ihre Ängste im Zaum zu halten? Indem ich in brenzligen Lagen keine Angst ausstrahle, selbst wenn mir danach ist. Und ich versuche, die Situation zu gestalten – nur dazusitzen ist die am wenigsten zielführende Lösung. In Ihrem Beruf werden Sie mit Grausam keiten und menschlichem Elend konfrontiert. Wie bleiben Sie seelisch gesund? Ich koche leidenschaftlich gerne. Das ist besser und billiger als ein Psychiater. Entrepreneur 01/2014 Impressum Herausgeber: Georg Graf Waldersee Gestaltung und Realisation: Anzinger | Wüschner | Rasp, München Art Direction: Markus Rasp Projektmanagement: Annette Rau Bildnachweise: S. 4 links: TASCHEN, S. 6: Hess Family Wine Estates, S. 32 / 33: Michael Paukner, substudio, S. 53 / 5 4 / 56 / 57 / 59: Sebastiao Salgado / Amazonas Images / Agentur Focus, S. 55: Ricardo Beliel, S. 60: J. Olczyk, S. 62: Justin Hession, S. 63 Lichtbilder: James Turrell, Foto von Florian Holzherr; Ausführliche Information im Sammlungskatalog: Hess Art Collection, Verlag Hatje Cantz 2009, 372 Seiten, 49,80 Euro, S. 63 Porträt Turrel: Grant Delin / Corbis Outline Inwiefern haben schlimme Erfahrungen Ihr Leben auch bereichert? Ich habe Menschen getroffen, die selbstlos halfen, etwa indem ich bei ihnen übernachten durfte. Wer macht denn bei uns noch die Tür auf für Wildfremde? Es klingt absurd, aber nach der Rückkehr aus Kriegsgebieten habe ich manchmal den Eindruck, erst richtig in einer Angstzone, nämlich Europa, gelandet zu sein. Sie berichten als Journalistin von den Brennpunkten dieser Welt. Welche anderen Leistungen empfinden Sie als besonders herausfordernd? Papst im 21. Jahrhundert zu sein. Mut ist auch im Alltag gefragt. Was könnten Eltern / Partner /Vorgesetzte tun, damit ihr Gegenüber Mut entwickelt? Großmut und Risikofreude zeigen. Meine erste Reise in ein Krisengebiet etwa verdanke ich einem solchen Chefredakteur. Ich hatte keinerlei Erfahrung und durfte 1980 trotzdem in den Libanon fahren. Das hat mich enorm beflügelt. Gibt es etwas, was Sie sich jenseits Ihres Berufslebens eigentlich gern getraut hätten? Herauszufinden, was ein gutes Gemälde ausmacht. Adresse der Redaktion: Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mittlerer Pfad 15 70499 Stuttgart [email protected] Druck: Druck- und Verlagshaus Zarbock Frankfurt am Main EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 22 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2014 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. ABC MMJJ-123 ED None klimaneutral natureOffice.com | DE-140-326569 gedruckt EY ist bestrebt, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten. Diese Publikation wurde daher auf FSC -zertifiziertem Papier gedruckt, das zu 60 % aus Recycling-Fasern besteht. ® Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. 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