Erfahrungsbericht Shanghai JiaoTong
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Erfahrungsbericht Shanghai JiaoTong
TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China Warum China? Nach einer Rundreise in Südostasien direkt im Anschluss an mein Abitur, war ich von der Kultur sowie den Menschen Asiens von Beginn an begeistert. In dieser Zeit schaffte ich es jedoch leider nicht nach China zu reisen. Dennoch hatte ich ein persönliches Faible für Asien entwickelt, was mich definitiv bei meiner Wahl des Ortes für mein Austauschsemester beeinflusste. In China stellte ich mir im Wesentlichen die Frage zwischen Shanghai und Beijing. Beijing prahlt mit einer jahrtausenden alten Geschichte, wohin gegen Shanghai als das Wirtschaftszentrum Chinas, wenn nicht sogar ganz Asiens aufkommt. Eine gigantische 22 Mio. Stadt, die beinahe täglich ihr Gesicht verändert und mit New York in den 70er verglichen wird. Über das Austauschprogramm meiner Heimatuniversität, der Technischen Universität München, an welcher ich Maschinenbau mit der Vertiefung Medizintechnik studiere, bewarb ich mich für die Shanghai Jiao Tong Universität (SJTU) sowie der Tongji Universität in Shanghai, und als dritte Präferenz dem Beijing Institute of Technology (BIT). Ich bekam eine Zusage für meine Erstwahl. Das Semester begann mit der Immatrikulation am 6. September 2012 und endete Mitte Januar, in meinem Fall am 13. Januar 2013. -1- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China Vorbereitungen Die Anreise ist dank etlicher Flugverbindung jeden Tag vergleichsweise recht erschwinglich. Je früher man bucht desto günstiger. Für mich war Aeroflot mit Zwischenlandung in Moskau am günstigsten. Teilweise bekommt man Hin- und Rückflug für weniger als 600€. Die meisten internationalen Flüge landen im Pudong Airport, mit der U-Bahn eine gute Stunde vom Stadtzentrum entfernt. Die meisten Austauschstudenten suchen sich eine Wohnung erst vor Ort und nächtigen die ersten Tage in einem Hostel. Hier kann direkt auf die für fast alle Bereiche sehr hilfreiche Website www.smartshanghai.com verwiesen werde. Universität Die Jiao Tong University teilt sich auf 3 relevanten Campi auf. Der älteste XuhuiCampus, welcher die Sprachschule (School of International Education) beinhaltet. Der Business Campus Antai, 10 Minuten Fußweg entfernt und der dritte, Minhang Campus, welcher so gut wie all technischen Bereiche abdeckt. Dieser liegt vom Stadtzentrum mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eine gute Stunde entfernt, es pendelt ein Shuttlebus zwischen Xuhui und Minhang Campus. Der Unterricht erfolgt für eine stark eingeschränkte Fächerwahl in Englisch, aber auch in diesen Fächern ist ein gewisser Anteil in chinesisch seitens der Hochschule festgelegt. Je nach Fach variiert dies von keinem Chinesisch bis weit über die Hälfte. Die Betreuung erfolgt zu Beginn seitens der Sprachschule, später jedoch je nach Fach seitens des Campus. Für Business Fächer ist die Ansprechperson am AntaiCollege Stephanie Shi. Das finden einer Ansprechperson am Minhang Campus kann sich unter Umständen sehr kompliziert erweisen. Selbst im International Office spricht niemand Englisch und weiß auch nicht wer an welcher Fakultät zuständig ist. -2- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China An den Fakultäten selbst, in meinem Fall Maschinenbau, gab es keine explizite Ansprechperson. Als ich zu Beginn des Semesters ohne irgendeine Information nach Minhang fuhr und ungefähr nach einem halben Tag die richtige Person gefunden hatte, existierte die Kursliste leider nur in Chinesisch, nach der Nachfrage nach einzelnen Fächern deckten sich diese leider genau mit denen, welche ich bereits an meiner Heimatuniversität belegt hatte. Eine größere Auswahl an Fächern wurde mir leider nicht bereitgestellt, da ich derzeit im 5 Fachsemester war wurde mir auch nur eine Auswahl im Undergraduate Programm ermöglicht. Nach zahlreichen Diskussionen und einem vorherigen klaren Nein per eMail gelang es mir jedoch am Antai College 2 Business Kurse zu belegen, mehr wurden mir leider auf Grund meines Studienschwerpunktes nicht gestattet. Ich belegte „International Marketing“ sowie „Supply Chain Management“. International Marketing gibt einen guten Einblick in die Unterschiede der westlichen Welt zu China und ein gutes Verständis der Denkweise der Wirtschaft und des Volkes. Beide Kurse endeten dieses Semester mit einem „group project“ mit abschließender Präsentation sowie einem „written report“. Es gibt während des Semesters Hausaufgaben, meist schriftliche „assignments“, welche in die Gesamtnote mit einfließen. Eine schriftliche Prüfung am Ende entfiel in diesen beiden Fächern, gab es jedoch in den meisten anderen Businesskursen. Was jedem Austauschstudenten nur wärmstens ans Herz gelegt werden kann, ein deutliches Nein schließt noch nichts aus, aber man sollte sich auch nicht zu sehr auf ein Ja verlassen. Im Endeffekt gibt es immer einen möglichen Weg auch wenn es teilweise sehr nervenaufreibend und zeitaufwändig sein kann. Der Sprachkurs an der School of International Education unterteilt sich in 3 Bereiche, spoken chinese, listening und intensive reading, und deckt jeweils einen halben Tag, Montag bis Freitag ab. Als Austauschstudent einer anderen Fakultät muss man je nach Heimatuniversität teilweise finanziell selbst dafür aufkommen. Die TU München übernimmt jedoch die Kosten (als eine der wenigen mir bekannten Hochschulen). Es wird einem geraten nur den „spoken chinese“ - Teil zu belegen, was auch durchaus für den Beginn Sinn macht. Jedoch sollte man im Hinterkopf behalten, dass je länger das Semester dauert, das Sprachniveau der Vollzeit-Chinesisch-Studenten und das -3- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China der Austauschstudenten immer weiter divergiert. Kein Wunder bei mehr als doppelt so viel Unterricht. Vorallem das Lernen der Zeichen, sowie teilweise die Grammatik fehlen komplett und müssen selbstständig aufgeholt werden. Nichtsdestotrotz helfen einem die ersten paar erlernten Sätze extrem für das Zurecht kommen in China. Verhandeln, ein wenig Smalltalk, Umherreisen und Essensbestellungen können nach einem Semester definitiv gemeistert werden. So deckte bei mir der Sprachkurs zwei Vormittage ab, der Aufwand außerhalb ist natürlich jedem selber überlassen, aber es lohnt sich auf jeden Fall so viel Zeit wie möglich zu investieren. Das Wissen wurde durch ein „Midterm-Exam“ und eine abschließendes „Final-Exam“ geprüft. Arbeitet man im Kurs jedoch kontinuierlich mit sollten diese beiden Prüfungen kein Problem darstellen. Die Universtiät bietet Unterkünfte sowohl am Xuhui als auch am Minhang-Campus an. Die meisten Austauschstudenten verzichteten jedoch darauf. Die „Exchange Student Dorms“ sind deutlich gehobener im Vergleich zu den normalen Unterkünften für chinesische Studeten, jedoch ist kein Besuch nach 11 erlaubt (soweit ich informiert bin) und auch sonst würde man sie ehr als rustikal bezeichnen. Ein Großteil der Studenten wohnten in den Viertel French Concession, People Square -4- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China und Xuhui bzw. Antai-Campus Nähe. Ich selbst wohnte in einer dreier WG an der Ubahnstation „Laoximen“ und war mit der Wohnlage mehr als zufrieden. Sowohl nah zum Zentrum (People Square, Bund, Xintiandi) als auch die gute Anbindung zur Universität mit der Ubahnlinie 10. Die Mietpreise variieren stark, die CampusUnterkünfte sind dabei definitiv die günstigsten. Off-Campus steigen die Preise bis maximal 500-600 Euro/Monat. Der Durchschnitt liegt zwischen 300-400 Euro/Monat. Stadtprofil/ Leben in China Das Leben in Shanghai und in China fällt mir sehr schwer in Worte fassen. Normalerweise hört man als Antwort, dass muss man einfach selber erlebt haben. Shanghai ist nach Hongkong die am westlichsten geprägte Stadt Chinas. Fast jede große internationale Firma hat inzwischen hier eine Zweigstelle oder ein Office. Die Stadt mit über 22 Millionen Einwohner ist der wirtschaftliche Motor für die gesamte Volksrepublik China. Dennoch sollte man nicht erwarten keine Sprachprobleme mit Englisch zu haben, eine gut englisch sprechende Person zufällig zu treffen ist die absolute Ausnahme. Dies schränkt natürlich auch sehr die Anzahl der Kontakte zu Chinesen ein. Auf Grund der Sprachbarriere wirken viele Chinesen als uninteressiert, abweisend ja teilweise sogar aggressiv. Schafft man es aber Freundschaften zu knüpfen wird man auf eine unglaubliche Gastfreundschaft und Herzlichkeit stoßen. -5- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China Man kann sich sicher sein, sollte einem die Person helfen können, egal in welcher Angelegenheit, sie wird es definitiv tun. Essenseinladungen folgen und dies ist wohl der beste Weg einen Einblick in die doch sehr fremde Kultur zu bekommen. Als Westl‘ler ist man selbst in Shanghai immer noch etwas besonderes, das Interesse wirkt jedoch wesentlich geringer als in den restlichen asiatischen Ländern. Die Shanghainesen gelten in China oft als arrogant und unfreundlich. Leute aus anderen Provinzen und selbst aus Peking werden als Landeier bezeichnet, man hält sich allgemein für etwas besseres. Den besten Blick auf Shanghai und auf ganz China bekommt man ohne Frage durch Reisen im Land der Mitte. Erst dann wird einem die unvorstellbare Größe und Vielfalt dieses Landes bewusst. Man beginnt die Probleme und Denkweise der Bevölkerung zu verstehen. Selbst ein paar Wörter und Sätze Chinesisch zeigen den Leuten das Interesse und den Versuch sie und das Land zu verstehen. Selbst nach ein paar Wochen Sprachkurs wird man schon ein anderes Bild bekommen und einen tieferen Einblick in das chinesische Leben. Jeder weiß wie schwer es ist Chinesisch zu lernen, vielleicht freuen sich gerade deshalb die Leute über den Versuch. Besonders um das Thema Politik sollte man zuerst einen großen Bogen machen und wirklich nur nach anfänglichem „Abtasten“ auf dieses Thema zu sprechen kommen. Deutschland genießt sehr hohes Ansehen in China und normalerweise erntet man einen Staunen oder ein „sehr gut“ für seine Herkunft. Autos, Fußball und Bier sind die Hauptgesprächsthemen. Wie Peking Kulturdenkmäler hat, so hat Shanghai den Bund und inzwischen vor allem Hochhäuser. Die Skyline von Pudong kann es inzwischen leicht mit Städten wie New York und Singapur aufnehmen. Shanghai wird im Moment auch gerne mit jener Weltstadt am Hudsonriver in den 70er bis 80er verglichen, zu Recht! Wer jahrtausende alte Geschichte erwartet ist falsch in Shanghai und sollte in Tagesausflügen die wunderschönen Kanalstädte im Umland besichtigen. Suzhou und Hangzhou stehen bei jedem Reisenden und Austauschstudenten auf der Liste. Das Stadtbild ändert sich gefühlt beinahe täglich, die Ausmaße der Stadt sind unvorstellbar. Das gängige Fortbewegungsmittel ist die U-Bahn, mit über 12 Linien, unter anderem die längste der Welt, erreicht man beinahe alle Gebiete schnell und günstig. -6- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China Definitiv werden einem die Aktivitäten und Attraktionen Shanghais beweitem ein halbes Jahr füllen. Es gibt unzählige Museen, von Keramiken, mehrere Jahrtausende alt, über Moderne Kunst bis hin zu Videoinstallationen, Photographieausstellungen und so fort. Den besten Überblick über diese gigantische Stadt hat man von einem der vielen Skyscrapers, in den Meisten befindet sich eine Bar in einem der obersten Stockwerke. Neben dem berühmten Aquarium, dem Oriental Pearl Tower locken der Jin-Mao Tower sowie das derzeit höchste Gebäude in Shanghai, das World Financial Center (SWFC). Dieses wird jedoch bald durch das zweit höchste Gebäude weltweit abgelöst. Einem geschwungenen Glashochhaus, welches an einen Drachen erinnert. Unterdessen kommen in Shanghai besonders zwei Viertel in Mode. Beide bestehen aus alte Shikumen, steinerne Reihenhäuser, die neu renoviert und schick hergerichtet sind. Und doch unterscheiden sich diese Beiden sehr. Xintiandi (übersetzt: Die neue Welt) gilt als das Szene-Viertel für Reiche in Shanghai, die großen Weltmarken der Mode teilen sich fast das ganze Stadtviertel auf, jedoch gibt es eine nette Fußgängerzone, in der viele Restaurants und Cafés zum verweilen einladen. Tianzifang lockt dagegen mit vielen kleinen netten Boutiquen, Souvenierläden, Schmuck, Tee und allerlei. Diese beiden Viertel sind sowohl bei Einheimischen als auch bei chinesischen Touristen gleichsam beliebt und meist überlaufen. Der Geldverkehr funktioniert meist bar, an jeder Ecke gibt es jedoch Geldautomaten, welche die gängigen Kreditkarten (Visa, Master und teilweise sogar EC-Karten) bedienen. Die Anzahl an kostenlosen sogenannten Prepaid-Kreditkarten steigt immer mehr an, empfehlen kann ich hierfür com-direct, welches unbegrenztes Abheben im Ausland ermöglicht. Auch die Miete wird meist bar gezahlt, die wenigsten besitzen ein chinesisches Konto. Das Essen in Shanghai deckt alles nur erdenklich ab. Von günstigen, aber sehr leckerem Straßenessen, teilweise unter 1€ für eine vollständige Mahlzeit, zum HighEnd Sternerestaurant mit mehreren 100€ pro Person wird alles abgedeckt, genauso gut Essen aus anderen chinesischen Provinzen aber auch internationale Küche, wie japanisch, italienisch, deutsch und jede erdenkliche Richtung. Man kann getrostet das einheitliche Essen der China-Restaurants der restlichen Welt vergessen, was zu meist auch nur kantonesisch ist, und sich auf eine unzählige Vielfalt an Gerichten und Geschmäckern freuen. Es gibt wirklich alles. Sachen wie Hund oder Schlange -7- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China sind zum Glück nicht auf der täglichen Speisekarte und müssen ehr in speziellen Luxusrestaurants gesucht werden, über welche man nicht zufällig stolpert. Hühnerfüße, Enteköpfe, Frosch, Innereien und derartige Delikatessen können jedoch je nach Lust und Mut an vielen Orten probiert werden, sie können aber auch ohne Probleme komplett umgangen werden. Fazit Jeden einzelnen Moment war ich glücklich mit meiner Wahl China und im besonderen Shanghai. Die Kultur ist komplett anders, aber trotzdem schafft man es nicht völlig verloren zu sein. Der Einblick, welcher einem nach einem halben Jahr in China gewährt wird, in die Sprache als auch in das Leben und Denken dieses Landes lassen ein tiefes Verständnis zurück. Ich kann jedem nur wärmstens empfehlen diese Erfahrung für sich selbst zu machen und die gegebenen Chancen zu nutzen. -8- TUM Exchange Bericht, Jiao Tong University, Shanghai, China Tipps für zukünftige Stipendiaten Lasst es auf Euch zukommen. Das einfachste und effektivste ist alles vor Ort zu regeln. Selten bis Nie klappt alles genauso wie man es sich vorgestellt hat, aber es klappt immer Alles. Der absolut wichtigste Satz eines Chinesen zu mir „Geschmeidig zu bleiben“ - trifft es auf den Punkt. Für Wohnungen, Essen, Nachtleben und einfach alles: http://www.smartshanghai.com/ http://shanghai.craigslist.com.cn/ Die englische Seite der Jiao Tong University http://en.sjtu.edu.cn/ -9-